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Der Medizin-Anthropologe Nicolas Langlitz über das Forschungs-Revival psychedelischer Substanzen

telepolis, 12.01.2012

Subjektiver Rausch und objektive Nüchternheit

Jörg Auf dem Hövel

Der Medizin-Anthropologe Nicolas Langlitz über das Forschungs-Revival psychedelischer Substanzen, die objektive Erkenntnis subjektiven Erlebens und kulturell beeinflusste Psychopharmakawirkung

Blickt man auf die mittlerweile 60-jährige Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung halluzinogener Drogen zurück, fallen mindestens zwei Eigenwilligkeiten auf. Zum einen ist es die bis heute hochemotional geführte Diskussion um Potential und Gefahren dieser Substanzen. Dies hängt sicherlich mit der mental aufwühlenden Kraft dieser Substanzen zusammen, die in der Lage sind, Weltbilder zu formen, einstürzen zu lassen und den Geist einen tiefen Einblick in das Gebiet der Psychose werfen zu lassen. Zum anderen ist es die unterschiedlicher Herangehensweise von europäischen und US-amerikanischen Wissenschaftler an das Phänomen.

Während die europäischen Forscher Drogen wie LSD und Psilocybin im Rahmen psycholytischer Therapien einsetzten, um das Unbewusste ihrer Patienten an die Oberfläche kommen zu lassen, sahen Forscher in den USA die Möglichkeiten viel weiter gesteckt. In Anlehnung an Aldous Huxley sollten sie die „Pforten der Wahrnehmung“ öffnen und den menschlichen Geist in die Lage versetzen, Teil eines größeren, kosmischen Bewusstseins zu werden. Psychische Transformation war aus dieser Sicht nur eine vorbereitenden Maßnahme für mentale Transzendenz. Die sich aus diesem Ansatz entwickelnde Gegenkultur der USA rüttelte damit am Gerüst der protestantisch-calvinistische Arbeitsethik, die größten Ängste evozierten die Substanzen bei denen, die sie nie genommen hatten. Es kam zum weitgehenden Verbot der Arbeit mit Halluzinogenen.

Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erlebt diese Forschung nun ein Revival. Organisationen wie MAPS, das Heffter Research Institut und das Universitätshospital in Zürich experimentieren wieder mit psychedelischen Drogen.

Der Medizin-Anthropologe und Historiker Nicolas Langlitz hat die Arbeit in den Laboratorien der USA und der Schweiz teilnehmend beobachtet und eine Dissertation an der Universität von Kalifornien mit dem Titel „Neuropsychedelia. The Revival of Hallucinogen Research since the Decade of the Brain“ verfasst. Langlitz lehrt zur Zeit an der New School for Social Research in New York.

Frage: Welche Faktoren waren Anfang der 90er Jahre für das Revival der Forschung mit psychedelischen Substanzen ausschlaggebend?

Nicolas Langlitz: Das Revival der Halluzinogenforschung in den 90er Jahren hatte verschiedene Gründe. Zunächst einmal war einfach Gras über die sozialen Unruhen der Sechziger gewachsen, in denen psychedelische Drogen ja eine wichtige Rolle gespielt hatten. Selbst in der damals aufkommenden Technoszene haben die klassischen Halluzinogene im Vergleich mit Ecstasy eine untergeordnete Rolle gespielt und wurden nicht länger mit einer grundsätzlichen Infragestellung der Gesellschaftsordnung assoziiert. Zugleich waren diejenigen, die 1968 noch studierten – insofern sie nicht Learys Rat gefolgt und ausgestiegen waren – inzwischen Professoren, hatten eigene Labors und konnten so selbst bestimmen, worüber geforscht werden sollte.

Die Neurowissenschaften erlebten eine nie dagewesene öffentliche Anerkennung während dieser von US-Präsident George H. W. Bush ausgerufenen „Dekade des Gehirns“, was einige der Protagonisten des Revivals, insbesondere vom Heffter Research Institute, zu nutzen wussten. Man wollte die neuronalen Grundlagen des menschlichen Bewusstseins experimentell untersuchen. Was könnte es für einen besseren Weg geben als bewusstseinsverändernde Drogen?

An einer Wiederbelebung der Halluzinogenforschung waren aber nicht nur diese Wissenschaftler interessiert, sondern auch Leute in Kalifornien, die aus der Counterculture der Sechziger hinaus- und in die boomende Cyberculture der Achtziger hineingewachsen waren. Apples gerade verstorbener Steve Jobs war nicht der einzige, der nostalgisch seiner LSD-Erlebnisse gedachte, während er ein Vermögen machte. In den 90er Jahren wurde beispielsweise ein substantieller Teil der akademischen Forschung aus dem Privatvermögen von Bob Wallace, der Nr. 5 bei Microsoft, bezahlt.

In Deutschland und der Schweiz hat aber auch eine Relegitimierung der Modellpsychoseforschung mit Halluzinogenen eine wichtige Rolle gespielt. Dieser Prozess hatte nichts mit der Geschichte der Counterculture zu tun, sondern war eher eine wissenschaftsinterne Entwicklung in der Biopsychiatrie. Das sind meiner Ansicht nach die wichtigsten Faktoren, die die gegenwärtige Renaissance der Halluzinogenforschung möglich gemacht haben.

Haben Sie einen Überblick, wie viele wissenschaftliche Projekte mit halluzinogenen beziehungsweise entaktogenen Substanzen zur Zeit weltweit laufen? Es ist interessant zu beobachten, wie vergleichsweise klein dieses Forschungsgebiet ist und zugleich hoch emotional diskutiert wird.

Nicolas Langlitz: Um wie viele Labore es sich genau handelt, lässt sich so allgemein schwer beziffern. Das kommt ganz darauf an, welche Substanzen man einbezieht. Die Zahl würde deutlich höher ausfallen, wenn man Cannabis als Halluzinogen kategorisieren oder Ketaminstudien einschließen würde. Mir würden spontan vielleicht 15-20 Arbeitsgruppen einfallen, aber gerade wenn man in den tierexperimentellen Bereich geht, sind es sicherlich deutlich mehr.

Bedenkt man, wie exponentiell die Neurowissenschaften und die Psychopharmakologie in den letzten 20 oder 30 Jahren gewachsen sind, dann hinkt die Zahl der Halluzinogen- und Entaktogenstudien relativ betrachtet vermutlich sehr hinterher. Andererseits hat es in der Zeit zwischen 1970 und 1990 fast überhaupt keine Studien am Menschen gegeben, sodass nicht so sehr die Quantität zählt, sondern der qualitative Sprung dahin gehend, dass überhaupt wieder mit diesen Substanzen gearbeitet wird. Durch ihre affektiv und politisch aufgeladene Geschichte bekommt die Forschung mit ihnen natürlich ein überproportionales Maß an medialer Aufmerksamkeit. Aber dieses Phänomen kann man auch in anderen Bereichen der Neurowissenschaften beobachten: die breitere Öffentlichkeit interessiert sich häufig für wissenschaftlich eher marginale Forschungsfelder. Denken Sie nur an die Debatte über den freien Willen. Da gibt es auch nicht viele Studien zu.

Die teilweisen spirituellen Erweckungserlebnisse, die Teilnehmer an Forschungsprojekten erfahren, scheinen sich oft in die eine oder andere Weise auf die Wissenschaftler zu übertragen.

Nicolas Langlitz: Ja, wobei die Übertragung auch anders herum stattfinden könnte. Je nachdem wie man die Studie designt, wird man mehr oder weniger mystische Erfahrungen zu sehen bekommen. Und das Studiendesign hängt wiederum unter anderem davon ab, welche Forschungsinteressen und Vorannahmen der Wissenschaftler an sein Studienobjekt heran trägt.

Man könnte natürlich auch argumentieren, dass die Bewertung der Halluzinogenerfahrungen von Forschern und Probanden deshalb konvergieren, weil beide – vor dem Hintergrund ähnlicher kultureller Deutungsmuster – dieselben Substanzen genommen haben. Wir sollten aber hinzufügen, dass bei weitem nicht alle Versuchspersonen „spirituelle Erweckungserlebnisse“ haben und ein Teil der Forscher zwar weiß, worüber die Probanden da sprechen, die Erfahrungen aber trotzdem auf Neurochemie reduziert. Wenn ich davon ausgehe, dass mir nur deshalb eine mystische Vereinigung mit Gott zuteil geworden ist, weil meine Serotoninrezeptoren verrückt gespielt haben, dann hat so ein Erlebnis natürlich nichts Erweckendes. Ich werde deshalb nicht gleich mein Leben ändern.

Tatsächlich ist es aber so, dass die Neurochemie nur ein Teil der Geschichte ist. Religiös musikalische Menschen, die einer spirituellen Praxis nachgehen, scheinen unter Psychedelika sehr viel häufiger mystische Erfahrungen zu machen als andere Probanden, insbesondere wenn sie die Drogen in einem geeigneten Setting unter entsprechender Anleitung verabreicht bekommen – wie es etwa in John Griffiths Labor an der Johns Hopkins University in jüngster Zeit der Fall gewesen ist. Den Einfluss solcher kulturellen Faktoren auf die pharmakologische Wirkung von Halluzinogenen hat man allerdings noch nicht systematisch erforscht.

Zumindest scheint es heute möglich zu sein, durch eine Auswahl von geeigneten Kandidaten und ein gutes, nicht allzu technisch-steriles Setting die Gefahren auch bei hochdosierten Halluzinogensitzungen zu minimieren. Das war beim Good-Friday-Experiment von Walter Pahnke im Jahre 1962 noch anders.

Nicolas Langlitz: Im Vergleich zu Timothy Learys Forschungen in den 60ern – und Pahnke war bekanntlich Learys Doktorand – sind die heutigen Studien in der Tat sehr viel kontrollierter. Es spricht auch nicht für Learys wissenschaftlichen Ethos, dass er die Öffentlichkeit nicht darüber informiert hat, dass einer der Probanden aus Pahnkes Experiment vorübergehend psychotisch geworden ist und aus der Kirche, in der die Versuchspersonen einem Karfreitagsgottesdienst beiwohnten, abgehauen ist. Damals war die Situation so polarisiert, dass keine Seite der anderen Material an die Hand liefern wollte, das propagandistisch ausgeschlachtet werden könnte.

Ich denke, es ist bezeichnend für das Revival der Halluzinogenforschung, dass dieser Vorfall im Good Friday-Experiment und anderes wissenschaftliches Fehlverhalten auf Learys Seite von einem der wichtigsten Aktivisten, Rick Doblin, aufgedeckt wurde. Natürlich war das auch ein strategischer Zug, Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, indem man sich von der Counterculture distanziert. Aber es spricht auch für ein nüchterneres Verhältnis zu diesen Substanzen, wenn man auch die Risiken bedenkt und ihnen vorzubeugen sucht. Diese neue Nüchternheit hat auch dazu beigetragen, dass – zumindest in Franz Vollenweiders Labor in Zürich, wo ich ein halbes Jahr lang zur Feldforschung war – im Laufe von 20 Jahren Hunderte von Probanden Halluzinogene verabreicht bekommen haben, ohne dass es je zu Zwischenfällen wie beim Good-Friday-Experiment gekommen wäre.

Ein Grundproblem der Forschung mit Probanden scheint noch immer die Diskrepanz zwischen deren subjektivem Erleben und den objektiven Messungen zu sein. Worüber genau macht man sich da eigentlich solches Kopfzerbrechen?

Nicolas Langlitz: Die Vision, die den philosophisch relevanten Teil des Neuroimaging – im Gegensatz etwa zu einer Bildgebung, die darauf abzielt, einen Hirntumor zu lokalisieren – antreibt, ist, statt eines introspektiven einen objektiven Zugang zum Geist zu erlangen – sozusagen dem Anderen beim Denken tatsächlich zusehen zu können. Dabei gibt es zwei Wege.

Zum einen kann man Versuchspersonen bestimmte messbare Leistungen erbringen lassen und diese mit den neurophysiologischen Messungen des Hirnstoffwechsels korrelieren. Testet man zum Beispiel die Wirkung eines Halluzinogens oder irgendeines anderen Psychopharmakons auf das Kurzzeitgedächtnis, dann fragt man den Probanden nicht, ob er meint, sich nun besser oder schlechter erinnern zu können, sondern schaut, wie gut er tatsächlich Informationen kurzzeitig abspeichern und wieder aufrufen kann. In diesem Fall können sowohl die mentale Funktion als auch ihr neuronales Pendant objektiviert werden.

Und der zweite Weg?

Nicolas Langlitz: Auf der anderen Seite stehen Versuchsdesigns, bei denen man den Probanden fragen muss, wie er eine experimentelle Situation erfährt. Ob jemand halluziniert, eine ekstatische Entgrenzung seiner selbst oder Angst erlebt, lässt sich objektiv nur schwer beurteilen. In diesen Fällen bitten die Forscher um eine introspektive Bewertung des Erlebens – und zwar anhand quantifizierbarer Skalen. Dieses Zahlenmaterial kann dann mathematisch mit den Messungen des Hirnstoffwechsels in Bezug gesetzt werden. Nur wenn man weiß, was jemand erlebt hat, lässt sich eine stärkere oder schwächere Aktivierung bestimmter Hirnregionen als Korrelat dieses Erlebens behaupten. Das heißt: auch wenn am Ende ein scheinbar objektives Hirnbild steht, so lebt die Subjektivität des Probanden darin doch fort, denn ohne dessen Angaben könnte man gar nicht sagen, was für einen mentalen Prozess oder Zustand das Bild eigentlich repräsentieren soll.

Liegt es nicht in der Natur der Sache, dass sich subjektives Erleben nie vollkommen auf objektive Daten reduzieren lässt?

Nicolas Langlitz: Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Der finnische Philosoph und Neurowissenschaftler Antti Revonsuo hat ein Gedankenexperiment beschrieben, das er in stark vereinfachter Weise nun im Labor umzusetzen versucht. Demzufolge wäre eine solche Reduktion möglich. Er sagt: wenn man die Technik hätte, um die Hirnaktivität bis in den letzten Winkel ganz genau aufzuzeichnen, dann müsste es auch möglich sein, das Erlebte zu rekonstruieren – und zwar in Form einer Virtual-Reality-Simulation, die anderen Menschen ermöglichen würde, die Erfahrungen des Probanden nachzuerleben. Dann würden Subjektivität und Objektivität in eins fallen.

In Hegels Worten könnte man auch von einer Aufhebung sprechen, denn die Überwindung des Unterschieds würde auch zu einer Auflösung der unterschiedenen Konzepte selbst führen. Subjektivität ist ja durch radikale Privatheit und das Unvermögen, den Zustand einem anderen zu kommunizieren, definiert. Insofern stimmt es natürlich, dass subjektives Erleben sich schon per definitionem nie auf objektive Daten reduzieren lässt – es sei denn, es hört auf subjektiv zu sein, weil so eine Virtual-Reality-Simulation es intersubjektiv vermittelbar machen würde. Aber bislang ist das ein reines Gedankenexperiment. In der Praxis verzweifelt Revonsuo in seinem Schlaflabor schon darüber, auch nur festzustellen, ob ein Schläfer gerade träumt – also in einem bewussten Zustand ist – oder nicht. Von den Inhalten des Bewusstseins, also dem Traum selbst, ist da noch gar keine Rede. Ob es nun also in der Natur der Sache liegt oder nicht, bislang führt die Subjektivität ein höchst lebendiges Schattendasein in den Neurowissenschaften.

Placebo-Effekte werden mitunter als eine Form subjektiven Erlebens dargestellt. Welchen Beitrag kann die Forschung mit Halluzinogenen in diesem Zusammenhang in Bezug auf die placebo-kontrollierte Arzneimittelforschung leisten?

Nicolas Langlitz: Neben dieser Perspektive, die davon ausgeht, dass es sich um bloß eingebildete Effekte handelt, die sich objektiv nicht untermauern lassen, stehen zwei andere Konzeptionen. Die eine sieht darin ein reales und spezifisches biologisches Phänomen. Denn beispielsweise lassen sich als Schmerzmittel verabreichte Placebos durch Gabe des Opioid-Antagonisten Naloxon unwirksam machen. Die andere betrachtet den Placebo-Effekt als eine unspezifische Störvariable, die man durch placebo-kontrollierten Studien eliminieren muss. Letzteres ist seit den sechziger Jahren der methodologische Goldstandard der pharmakologischen Forschung.

Meiner Ansicht nach stellt die Arbeit mit Halluzinogenen jedoch einen interessanten Grenzfall dar, der dieses Paradigma infrage stellt. Wer schon einmal die Wirkung von psychedelischen Drogen am eigenen Leib erfahren hat, wird sicher nicht auf die Idee kommen, er hätte eine Zuckerpille genommen. Und doch kann deren Wirkung – nicht nur im Sinne der subjektiven Erfahrung, sondern auch was die physiologischen Korrelate dieses Erlebens angeht – ganz unterschiedlich sein, je nachdem in welchem psychischen Zustand sich der Konsument befindet und in welcher Umgebung die Substanz genommen wird. Das bedeutet, wenn ich ein Halluzinogen in dem einen Kontext gegenüber Placebo teste und das Ergebnis einer solchen Studie mit dem Ergebnis einer zweiten Studie vergleiche, in der dieselbe Substanz in einem anderen Kontext gegenüber Placebo getestet wurde, so könnte man denken, dass es sich um zwei ganz verschiedene Psychopharmaka gehandelt haben muss.

So hat man bei mit LSD behandelten Ratten zeigen können, dass diese in einer ihnen vertrauten Umgebung so aktiv sind wie sonst auch, ihr Umfeld zum Teil sogar noch munterer erkunden, während sie in einem neuen Umfeld ängstlicher als normal an der Wand kauern. Mit anderen Worten: die Effekte von Halluzinogenen – und möglicherweise auch von anderen Psychopharmaka, man denke etwa an Alkohol, sind umgebungsabhängig. Von placebo-kontrollierten Studien wird das aber systematisch verschleiert. Deshalb wäre es sinnvoll, einen alten Vorschlag des Anthropologen Anthony Wallace wieder aufzunehmen und placebo-kontrollierte Studien durch so genannte kultur- und situationskontrollierte Studien zu ergänzen. Aber dem stehen wohl zu viele Interessen entgegen.

Ist das Einbeziehen der diversen kulturellen und situationsabhängigen Parameter in placebokontrollierten Studien praktisch überhaupt möglich?

Nicolas Langlitz: Nein, nicht innerhalb von placebo-kontrollierten Studien: Entweder man vergleicht Placebo mit Verum und versucht, dabei alle anderen Bedingungen konstant zu halten, oder man hält das Psychopharmakon konstant und vergleicht zwei Kultur- oder Situationsbedingungen miteinander. Beides zusammen geht nicht, kontrollierte Experimente können immer nur auf einen Faktor schauen.

Inwiefern die Untersuchung kultureller und situationsabhängiger Parameter aber überhaupt möglich ist, kommt wohl darauf an, in welcher Form man diese einbezieht. Wallaces Strategie war, den Einfluss eines möglichst isolierten Kultur- oder Situationsfaktors auf die pharmakologische Wirkung einer Substanz zu untersuchen, indem man lediglich diesen einen Faktor experimentell variiert und dann die beiden Bedingungen miteinander vergleicht. Das ist aber nur dann Erfolg versprechend, wenn solche Faktoren sich überhaupt auseinander dividieren lassen und wenn der untersuchte Faktor alleine stark genug ist, um sichtbar zu werden.

In Tierexperimenten war das zum Beispiel der Fall, als man Ratten Kokain angeboten hat – auf der einen Seite alleine eingesperrten Tieren, auf der anderen Seite in Gruppen lebenden. Das Suchtpotenzial der Droge war bei den sozial nicht deprivierten Ratten deutlich geringer als bei den zu Einzelhaft verdammten. Aber ich würde vermuten, dass in menschlichen und anderen tierischen Lebenswelten eine Vielzahl für sich genommen relativ schwacher nichtpharmakologischer Faktoren zu starken Vektoren aufaddiert werden, ohne dass man dieses Geschehen im Labor kontrollieren könnte.

In der Gefängnispsychologie wird ja gerade mit pink angemalten Räumen experimentiert.

Nicolas Langlitz: Dabei entgeht einem, dass Erleben und Verhalten des Probanden auch von einem Streit mit der Freundin, sexueller Attraktion gegenüber der Versuchsleiterin oder – im Falle psychopharmakologischer Forschung – den kulturellen Vorannahmen über die verabreichte Substanz beeinflusst wird, die vielleicht alle miteinander interagieren. Ich denke, es gibt gute wissenschaftsphilosophische Gründe zu glauben, dass das Leben, und zwar nicht nur im mittlerweile etwas antiquierten Sinne der Lebensphilosophie, sondern auch in dem der life sciences, einfach zu komplex ist, um alleine durch Laborexperimente verstanden werden zu können. Sowohl placebo- als auch kultur- und situationskontrollierte Studien sind meiner Ansicht nach wichtig, aber für sich genommen nicht ausreichend. Die Psychopharmakologie müsste zumindest in Teilen eine field science wie die Kulturanthropologie und die Verhaltensbiologie werden.

Denken Sie, dass die im letzten Jahrzehnt sehr deutlich gewordenen Probleme der Arzneimittelforschung, wirklich neue Psychopharmaka zu entwickeln, damit zusammenhängen?

Nicolas Langlitz: Nein, die Krise in der Entwicklung neuer Psychopharmaka hat wohl andere Ursachen. Wenn man sich nicht auf das letzte Jahrzehnt beschränkt, dann dürfte die zunehmende Regulierung der Arzneimittelforschung viel damit zu tun haben. Wobei ich gar nicht sagen will, dass das schlecht ist: schließlich werden so ja die Interessen von Versuchspersonen und an Studien teilnehmenden Patienten geschützt. Die wilden Experimente der fünfziger Jahre haben uns nicht zuletzt den Contergan-Skandal beschert. Aber man lernt natürlich sehr viel mehr, wenn man früh mit Humanexperimenten beginnt – was, nebenbei bemerkt, auch im Interesse der Versuchstiere wäre.

Über die Schwierigkeiten, auf neue Psychopharmaka aufmerksam zu werden, wenn alle initialen Hinweise auf deren Wirksamkeit aus Tiermodellen stammen, gehe ich, anhand eines Modells, bei dem mit Nagetieren im Halluzinogenrausch nach neuen Antipsychotika gesucht wird, ausführlich in meinem nächsten Buch ein. Die zunehmende Regulierung hat auch dazu geführt, dass der wissenschaftliche Selbstversuch weitgehend aus der Psychopharmakologie verdrängt wurde.

Während das Innovationspotenzial der Pharmaindustrie in Sachen Psychopharmakologie in den letzten dreißig Jahren immer weiter nachgelassen hat, konnte ein Untergrund-Forscher wie Alexander Shulgin über 200 neue Psychedelica entwickeln, indem er jede einzelne Substanz – sehr vorsichtig und sehr kontrolliert – an sich selbst testete. Es wäre zumindest eine interessante Arbeitshypothese für einen Pharmakologiehistoriker, die Krise der Medikamentenentwicklung mit dem Niedergang des Selbstexperiments in Beziehung zu setzen.

Vielleicht beginnt die Psychopharmakologie aber auch ganz grundsätzlich, an ihre Grenzen zu stoßen?

Nicolas Langlitz: Ja, vielleicht. Jede Pille, die man schluckt, affiziert eine Vielzahl von Rezeptorsystemen, nicht nur im Gehirn, sondern im ganzen Körper: neuro-anatomisch betrachtet ein Schrotschuss. Manche dieser Systeme arbeiten in entgegengesetzte Richtungen. Verbessert ein cognitive enhancer zum Beispiel das Kurzzeitgedächtnis ein wenig, verschlechtert sich zugleich das Langzeitgedächtnis. Deshalb lassen sich Nebenwirkungen so schwer vermeiden.

In jüngster Zeit mehren sich außerdem die Hinweise, dass viele der langfristig einzunehmenden Psychopharmaka – inklusive Antidepressiva und Antipsychotika – Abhängigkeiten erzeugen und den Zustand der Patienten zwar kurzfristig verbessern, langfristig aber zu einer Chronifizierung beitragen. Vielleicht sind wir einfach dabei, auf neurobiologische Grenzen zu stoßen, die sich mit den Mitteln der Psychopharmakologie nicht überwinden lassen – egal wie viele Milliarden man in Forschung und Entwicklung steckt. Aber vielleicht bin ich auf diesem Gebiet auch nur ein geschichtsphilosophischer Pessimist. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn die Wissenschaftsgeschichte mich Lügen strafen würde.

 

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Schiffsabgase belasten die Umwelt stark

telepolis, 05.07.2011

Trotz neuer Richtlinien: Schiffsabgase belasten die Umwelt stark

Jörg Auf dem Hövel

Container- und Kreuzfahrtschiffe blasen enorme Schadstoffmengen in die Luft. In den Hafenstädten regt sich Widerstand.

Jahre lang war es relativ ruhig um die stinkende Pötte in den Häfen der Republik. Diese stoßen enorme Mengen an Abgasen aus, da ihre Motoren oder Hilfsmotoren immer laufen, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Man war gleichwohl glücklich: Glücklich darüber, dass der Warenumschlag Arbeitsplätze sichert, glücklich darüber, dass sich aus den Kreuzfahrtschiffen Touristenströme in die Innenstädte ergießen. Dabei war das Problem längst bekannt, denn die laufenden Schiffsdieselmotoren emittieren nicht nur den bekannten Feinstaub, sondern unangenehm viel Schwefel.

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Viel THC, aber auch Pilze im Coffee-Shop Cannabis

Hanfblatt, Nr. 106

Viel THC, aber auch Pilze im Coffee-Shop Cannabis

Wissenschaftler der Universität Leiden in den Niederlanden haben Cannabiskraut aus zehn zufällig ausgewählten Coffee-Shops mit zwei Sorten verglichen, die in Apotheken auf Rezept zu erwerben sind.

Zusätzlich wurde eine Sorte einer nicht-offiziellen Initiative für medizinischen Cannabis untersucht. Bei allen elf „halblegalen“ Proben lag der THC-Gehalt in einer Spanne zwischen 11,7 und 19,1 % (Prozentgehalt des Trockengewichtes des Pflanzenmaterials). Der THC-Gehalt der Apotheken-Sorten fiel ebenfalls in diesen Bereich: die Sorte Bedrocan (16,5 % THC) fand sich im mittleren Bereich, während die Sorte Bedrobinol (12,2 % THC) am unteren Ende der Spanne lag.

Neben THC und THCA wurden während der Analyse der Cannabinoid-Zusammensetzung der Proben auch andere Cannabinoide berücksichtigt. Allerdings wurden keine größeren Unterschiede zwischen den Coffee-Shop-Proben beobachtet. Der Autor der Studie, Arno Hazekamp, vermutet, dass dies das Ergebnis von Jahrzehnten der Kreuzung und Selektion von viel THC produzierenden Cannabissorten ist. Hazekamp: „Dieser Prozess hat die Variabilität zwischen den Cannabissorten verringert, mit einer geringfügigen Ausnahme für ihren THC-Gehalt.“

Ein zweites wichtiges Ergebnis der Studie: Alle (sic!) Proben aus den Coffee-Shops enthielten Kontaminationskonzentrationen für Bakterien oder Schimmelpilze oberhalb der Grenzwerte, die im Europäischen Arzneibuches für Präparate zur Inhalation vorgegeben sind. Einige der gefundenen Mikroben können Gifte bilden, die beim Rauchen von Cannabis nicht vollständig zerstört werden. Vor allem Personen mit einem bereits beeinträchtigten Immunsystem, beispielsweise AIDS- oder Krebs-Patienten, können solche Mikroben und Gifte gefährlich werden. Das Vorkommen potenziell gefährlicher Pilze auf nicht legal gezüchteten Cannabis ist wiederholt beschrieben worden, einige diese Pilze gelten als Quelle für neurologische Toxizität oder Infektionen. Die zwei Apothekenprodukte wiesen eine konsistente Stärke auf, potenziell gesundheitsschädliche Verunreinigungen fehlten.

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Jörg Auf dem Hövel – Artikel Sitemap

 

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Dezember 1999 Wie mich jede Frau rumkriegt Ideen des Königlich Sächsischen Bezirksarztes Dr. F.R. Pfaff (1864) Interview mit Prof. Dr. Rolf Pfeifer Mit dem Sachverständigen Harry Käding in die Pilze Pilze Placebos: Warum der Schein besser wirkt als nichts, DIE WELT, 11.Juli 2008 Gastronomie Tip Restaurant Roma Gastronomie Tip Restaurant Cuore Mio Projekte Was für ein Dope-Freak bist Du Nützliche Varianten – Wie der Staat mit Cannabis umgehen sollte Reise und Natur: Länder, Menschen, Orte Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Buddhismus Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Die Christen Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Hinduismus Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Islam Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch Chemie-Apotheken müssen schließen Rezension AILO – Concepts Rezension Arno Adelaars, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling: „Ayahuasca. 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Elektronische Kultur Mixed

Datenschutz Zombies

telepolis, 11.05.2011

In den Zeiten des Data-Minings braucht es keine Psychologie.

Die Bewegungsprofile der Web- und Spielenutzer erzeugen ungeheure Datenmengen, deren Analyse zum Spielfeld für Spezialisten geworden ist. Beim sogenannten Data-Mining werden in solchen Datenbeständen Muster erkannt, die Aufschluss über das Verhalten der Benutzer geben. Täglich spielen Millionen von Menschen Online-Spiele. Zynga beispielsweise, Hersteller der populären Browserspiele Farmville und Cityville, sammelt dabei täglich 60 Milliarden Datenpunkte.

Auffällig ist nun, dass zunehmend Kontext, Motivation und das Verhalten der Benutzer nicht mehr mit Begriffen der Psychologie, sondern als statistische Relationen ausgedrückt werden. Es spielt für die Analyse keine Rolle mehr, wie sich der Einzelne in der Situation fühlt, sie beurteilt und auf sie reagiert. Die pure Datenmenge führt zu einer Psychologie ohne psychologische Begriffe.

Was sind die Folgen? Einerseits könnte man froh sein, dass die oft verschwurbelten Begrifflichkeiten zur Beschreibung mentaler Zustände offenbar nicht benötigt werden, um menschlichen Verhalten vorherzusagen. Was der Betroffene dabei fühlt und denkt, stand schon immer auf einem anderen Blatt. Die Kritik am Behaviorismus ist bekannt. Andererseits ist die Tendenz zur Reduzierung des Menschen zum – vor allem ökonomisch verwertbaren – Datenpunkt unverkennbar. In der Praxis erhält zukünftig jeder seine, auf ihn persönlich und seine Surf- und Browserhistorie zugeschnittene Website präsentiert. Noch interessanter wird es, wenn den Computernetzwerken Mitspracherecht bei den vielen Entscheidungen gegeben wird, die unentscheidbar sind. Der Schwangerschaftsabbruch sei genannt. Und von diesen „prinzipiell unentscheidbare Fragen“ (Heinz von Foerster) gibt es erstaunlich viele.

 

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Mixed

Schwitzhuette

Häuptling Bleierne Zunge besorgt es uns richtig

Bewusstseinsveränderung mal anders: In einer Schwitzhütte kann man sich gehen lassen

„Schwitz Dir die Seele aus dem Leib“, raunt mir Manitou zu. Folgsam presst mein Körper noch ein paar Tropfen Körpergifte mehr aus den Poren. Mein Hirn nähert sich der Ohnmacht, wobei das wörtlich zu nehmen ist. Die Hitze ist so stark, dass die ansonsten ewig laufende Maschine im Oberstübchen ihre Arbeit aufgeben will. Hier funktioniert nur noch das Rückenmark – und das reicht, um den Atemvorgang aufrecht zu erhalten. Wo bin ich? Mit Freunden durchlebe ich ein uraltes Ritual: Wir sitzen in einer sogenannten Schwitzhütte in der Lüneburger Heide.
Schwitzhuettencrew

So eine Hütte ist ein witziger Anblick. Als wir im Freibad in Egestorf ankommen steht ein igluförmiges, etwa einsfünfzig Meter niedriges Weidengeflecht auf einem kleinen Hügel im Wald, daneben stapeln sich die Felle toter Kühe. Schon jetzt müsste sich der Esoterik-Freak natürlich fragen, ob das hier alles mit rechten Dingen zugeht. Zunächst schmeissen wir mit dem Bademeister -der uns recht unkompliziert in das Schwitzhüttenritual einführt- die Felle aufs Geflecht. Er erklärt, dass während des Schwitzens nicht geredet wird, es sei denn, man hat das dringende Gefühl die Hütte zu verlassen. Dann sagt man das Zauberwort: „Alle meine Freunde.“ Soweit, so gut.

Neben der Hütte knistert bereits ein Feuer, in welchem Steine erhitzt werden. Um uns neurotische Stadtbewohner schon mal ein wenig auf den Boden der natürlichen Tatsachen zurückzuholen, lässt uns der Bademeister kleine Säckchen mit Kräutern füllen und an ein Band knüpfen. Diese hängen während der Session über unseren Köpfen. „In jedes Päckchen knüpfst Du einen guten Gedanken ein“, sagt der Bademeister. Ich habe bereits nach dem ersten Säckchen vergessen, was ich mit gewünscht habe, aber seit drei Tagen steht ein Ferrari bei mir vor der Tür. Scherz beiseite, wir dürfen nun mit eingezogenen Kopf in die Hütte krauchen und es uns gemütlich machen. Die Damen schüchtern mit Ganzkörperhandtuch, auch die Herren bedecken ihren Schambereich. Reichlich unnötig, denn in der Kate ist es dunkel wie im Arsch eines Grizzlys. Unser Kerkermeister hat die Folterkammer hermetisch abgedichtet. Mit einer Mistforke bugsiert sein schweigsamer Gehilfe (Spitzname: Häuptling Bleierne Zunge) die erste Ladung Steine herein. Dann wird es dunkel.

In unserer Mitte schimmern glühende Steine, auf denen plötzlich Funken knispern. Ich kann nur ahnen, dass unser Meister Kräuter auf die Steine streut. Rauch steigt mir in die Nase und bestätigt meinen Verdacht. Es riecht urwüchsig, brennt aber auch in den heftig Augen. Augen zu und durch. Wasser verdampft hörbar und eine erste Wellte von dampfender Wärme streift über meine Haut. „Das soll alles sein?“, denke ich. Bei weitem nicht, wie sich kurz darauf herausstellt. Das laute Blöcken des Meisters reisst mich aus meinen Gedanken: „Firemaker, open the door please!“, ruft er und Häuptling Bleierne Zunge fummelt am Kuhfell rum. Die alten Steine raus, neue rein. Der Reigen beginnt erneut. Wohlig wird mir, als Saunist trotze ich (noch) der aufsteigenden Hitze. Aber so langsam versagt mein Deo, eine Schweisswelle spült den ALDI-Roller aus den Achseln. Ich streife den lästigen Feudel von Handtuch von mir. Kelle um Kelle Wasser zerbrutzelt auf den Steinen, wird zu Dampf der uns langsam durchweicht. Neben mir schnauft ein Leidensgenosse.

„Firemaker, open the door please!“. Leichte Angst steigt in mir hoch: „Scheisse, noch eine Runde, dass kann der Typ nicht ernst meinen.“ Stöhngeräusche aus der anderen Ecke der Fellhütte sagen mir, dass ich nicht der einzige bin, dessen Körper die weisse Fahne schwingt. Im Schein der glühenden Kräuter sehe ich, dass mir ein Schleimfaden aus der Nase bis vor die Brust hängt. Egal. Ich wische den glibberigen Buhmann ab, er vermischt sich mit dem Schweiss und dem Rasen. Ich kann nicht mehr sitzen. Völlig ergeben lasse ich mich nach hinten sinken, auch, um eine wenig kühlere Luft vom Boden zu schnappen. Ich suhle mich wie ein Bison im Gras, welches sich wunderbar anfühlt. Es herrscht Redeverbot, aber ich möchte schreien. „O.K. Du hast gewonnen!“, will ich Manitou zurufen, „ich ergebe mich!“. Völlige Ergebenheit an Mutter Erde. Wie hiess noch mal das Zauberwort? Obwohl hart zu ertragen, ist das gute Gefühl der erdigen Verbundenheit stärker.

„Firemaker, open the door please!“, klingt es undeutlich in meinem Ohr. Der Bademeister spricht: „Wer will, kann jetzt raus, wer will, kann noch einen weiteren Aufguss mitmachen.“ Ein paar von uns verlassen die Hütte. Ich bin zu schwach überhaupt aufzustehen und denken bei mir, dass jetzt sowieso alles egal ist. Die alten Steine raus, neue rein. Neuer Dampf. Eine mühsame Positionsveränderung im Liegen gibt mir die Möglichkeit an einer Mini-Lücke im Kuhfell Luft zu schnappen. Die Erlebnisse der gesamten Woche rinnen langsam ins Gras – Ausdünstungen der Seele fliessen in den Schoss der Grossen Mutter Erde. Sie, die alles verzeiht und uns neu-gebärt.

Draussen ist Urlaub. Kaltes Wasser spült die interessante Mischung aus Schweiss, Rotz und Gras von meiner Haut. Wir sind uns einig: Eine gute Erfahrung war das. Es fällt das Wort „Neugeboren“. Und das nächste Mal, so scherzen wir, soll er rufen: „Firemaker, roll in the Hash please!“ Und dann wird die Hütte mal richtig unter Dampf gesetzt.

Jörg Auf dem Hövel

 

Mehrwertkasten

Die Indianer Nordamerikas nutzen die Schwitzhütte als Reinigungsritual. Jeder Stamm hat dabei seine eigene Form des Rituals überliefert. Aber auch in Europa wurde schon früh unter Fellen geschwitzt. In Deutschland gehen manche Anbieter von Schwitzhüttenritualen puritanisch nach indianischem Muster vor, andere sehen das eher locker. Punks bauen ihre Hütten beispielsweise nicht mit Kuhfellen, sondern alten Teppichen. Hier entscheidet die persönliche Vorliebe. Eine Schwitzhütte ist nicht schwer zu bauen, gut beschrieben findet sich das im Internet unter http://www.welcomehome.org/rob/sweat/sweat.html.

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Cognitive Enhancement Gesundheitssystem

Interview mit dem Medizinethiker Roland Kipke über Selbstformung

telepolis, 01.05.2011

Neuro-Enhancement für ein gelingendes Leben?

Jörg Auf dem Hövel

Der Medizin-Ethiker Roland Kipke über die Veränderung und Verbesserung mentaler Eigenschaften durch Selbstformung und pharmakologische Mittel

Frage: Nach anfänglicher Scheu hat sich zur Beschreibung des Neuro-Enhancement in den Medien der Begriff des Hirn-Doping durchgesetzt. Ist das eine hilfreiche Analogie?

Roland Kipke: Im Gegensatz zu dem in der Fachdebatte benutzten Begriff „Neuro-Enhancement“ ist „Hirn-Doping“ weniger sperrig und leichter verständlich. Das Problem ist, dass mit dem Begriff des Dopings von vornherein eine negative ethische Bewertung nahegelegt wird. Denn im Sport, von wo der Begriff entlehnt ist, gilt Doping weithin als unanständig. Ich kann damit leben, von mir aus kann man auch „Hirn-Doping“ sagen, aber ich bevorzuge den Begriff „Neuro-Enhancement“.

Um zu einer ethischen Einordnung zu gelangen, vergleichen Sie Neuro-Enhancement mit dem Konzept der Selbstformung. Was beinhaltet Selbstformung?

Roland Kipke: Selbstformung ist die absichtliche und nicht-therapeutische Veränderung mentaler Eigenschaften durch mentale Arbeit an sich selbst. Diese mentalen Eigenschaften reichen von einzelnen Gewohnheiten über kognitive Fähigkeiten bis hin zu tief verankerten Charakterzügen. Selbstformung kann zum Beispiel in einem einfachen Konzentrationstraining bestehen, in einer Meditationspraxis oder in dem Versuch, sein soziales Verhalten zu ändern. Welche Form und welches Ziel Selbstformung auch hat, stets ist sie eine mentale Aktivität. Sie geht stets mit erhöhter Selbstaufmerksamkeit und Selbststeuerung einher und besteht immer in mehr oder weniger langfristiger Übung.

Ist der Besuch eines Coaches, um am Arbeitsplatz besser agieren zu können, noch Selbstformung oder schon Therapie? Oder spielt diese Grauzone für ihren Vergleich mit dem Enhancement keine Rolle?

Roland Kipke: Was Selbstformung und Neuro-Enhancement auf der einen Seite ist und eine therapeutische Maßnahme auf der anderen Seite hängt davon ab, was krank bzw. was gesund ist. Der Krankheitsbegriff wird nun zwar vielfach kritisiert. Doch wir kommen weder lebensweltlich noch wissenschaftlich ohne ihn aus. Und ein hinreichend komplexer Krankheitsbegriff ist trotz mancher Grauzone durchaus in der Lage, eine praktikable Unterscheidung zwischen Therapie und „verbessernden“ Maßnahmen zu ziehen.

Zu Ihrer konkreten Frage: Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Anforderungen Ihres Arbeitsplatzes zu erfüllen, weil Sie krank sind, weil Sie über gewisse normale menschliche Funktionen nicht verfügen und dafür eine Hilfe suchen, ist diese Hilfe als Therapie einzustufen. Wenn Sie hingegen einen Coach aufsuchen, um „noch besser“ zu werden, handelt es sich um Selbstformung – vorausgesetzt natürlich, dass Sie selbst die Veränderung herbeiführen und sie nicht bloß passiv über sich ergehen lassen.

Unter welchen Aspekten haben Sie technisches beziehungsweise pharmakologisches Enhancement auf der einen Seite und Selbstformung auf der anderen Seite miteinander verglichen?

Roland Kipke: Ich habe sie in Bezug auf zwölf Aspekte personalen Lebens miteinander verglichen, die sich unter den vier Stichworten Identität, Freiheit, Moral und Glück versammeln. Dazu gehören unter anderem Authentizität, Selbsterkenntnis, Selbststeuerung, moralische Verantwortung, Selbstverwirklichung und die Orientierung an einem Lebensplan. Die Frage ist jeweils: In welchem Verhältnis stehen Selbstformung und Neuro-Enhancement zu diesen Fähigkeiten, Erfahrungsweisen und Selbstverhältnissen? Welche Folgen sind für sie aufgrund der spezifischen Handlungsstrukturen von Selbstformung und Neuro-Enhancement absehbar? Diese Frage ist von erheblichem ethischen Interesse, weil diese Fähigkeiten, Erfahrungsweisen und Selbstverhältnisse allesamt für uns Aspekte eines gelingendes Lebens sind.

Aber ist ein gelingendes Leben nicht hochindividuell?

Roland Kipke: Ja, was unter einem gelingenden Leben verstanden wird, ist je nach Individuum und Kultur teilweise sehr unterschiedlich. Das ist eine zentrale Einsicht der modernen Ethik, und deshalb sollte man mit Aussagen zum gelingenden Leben, die einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit verfolgen, sehr vorsichtig sein. Allerdings schlägt diese Vorsicht oft in eine totale Urteilsenthaltsamkeit um. Die ist ebenso unberechtigt wie das andere Extrem eines glückstheoretischen Paternalismus, der die andere bevormundet, auch wenn es ihm – vermeintlich – um deren Wohl geht.

Wir teilen grundlegende Überzeugungen, was ein gelingendes Leben ausmacht.

Roland Kipke: Richtig, und diese Überzeugungen betreffen nicht Einzelheiten, nicht die Frage, ob man gerne Sport treibt oder lieber gemütlich im Café sitzt oder ob man Baguette oder Schwarzbrot bevorzugt, sondern um grundlegende Dinge, wie dass wir alle Selbstverwirklichung schätzen, das heißt die Verwirklichung zentraler Wünsche, oder dass wir eine gewisse Kohärenz unseres Lebens anstreben. Der Standardeinwand lautet hier: Auch diese Überzeugungen und Werte werden nicht von allen Menschen geteilt. Das mag sein, sie werden aber von nahezu allen Menschen in unserer Gesellschaft oder in unserem „Kulturkreis“ geschätzt. Das mag für eine allgemeine Ethik in ihrer Suche nach universell gültigen Aussagen unbefriedigend sein, für eine angewandte Ethik, der es um konkrete Fragen für konkrete Menschen geht, nämlich für uns, reicht es hingegen aus.

Selbststeuerung und Selbsterkenntnis werden durch Neuro-Enhancement nicht gestärkt

Betrachtet man nun beispielsweise den Aspekt der Selbststeuerung. Wie schneiden hier Neuro-Enhancement und Selbstformung ab?

Roland Kipke: Selbststeuerung ist die Fähigkeit, den eigenen Willen gegen innere Widerstände durchzusetzen. Komplizierter ausgedrückt ist es die Fähigkeit, dem eigenen Willen zuwiderlaufende Handlungsimpulse wie Affekte oder Gewohnheiten an ihrer Handlungswirksamkeit zu hindern und die Handlungsimpulse durchzusetzen, deren Handlungswirksamkeit man wünscht. Ein erhöhtes Maß dieser Selbststeuerung ist in jeder Selbstformung gefragt, denn es geht ja gerade darum, vorhandene Verhaltensweisen umzuformen, und das können auch rein mentale Verhaltensweisen wie die Konzentration sein.

Selbststeuerung ist also einerseits eine Voraussetzung von Selbstformung, andererseits wird sie in jeder Selbstformung geübt und somit gestärkt. Auch wenn jede menschliche Person diese Selbststeuerungsfähigkeit hat, ist das Maß, in dem wir über sie verfügen, doch sehr unterschiedlich. Selbstformung tendiert dazu, dieses Maß zu erhöhen. Und ein hohes Maß an Selbststeuerung schätzen wir. Sie macht das Maß unserer Willensfreiheit aus. Diesen positiven Effekt bietet Neuro-Enhancement nicht. Denn es funktioniert ja gerade ohne diese Aktivität der Selbststeuerung. Selbststeuerung ist nicht gefordert und wird dadurch auch nicht gefördert.

Und wie ist das bei der Selbsterkenntnis?

Roland Kipke: Auch hier wirken sich die unterschiedlichen Handlungsstrukturen von Selbstformung und Neuro-Enhancement aus. Denn Selbstformung funktioniert nur mit einem erhöhten Maß an Selbstaufmerksamkeit. Ich muss mir meine Eigenschaften bewusst machen, ich muss sie mit Aufmerksamkeit verfolgen, um sie verändern zu können. Selbstaufmerksamkeit ist zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für Selbsterkenntnis. Sicherlich wäre es falsch zu sagen, Selbstformung führt zwingend zu einem Mehr an Selbsterkenntnis. Aber sie hat auf jeden Fall eine Tendenz, Selbsterkenntnis zu befördern. Diese Tendenz hat Neuro-Enhancement nicht. Denn ich kann zwar die Wirkungen, die Neuro-Enhancer bei mir bewirken, mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgen, aber diese Selbstaufmerksamkeit ist nicht notwendig. Die erwünschte Veränderung kommt auch so zustande.

Was ist vor dem Hintergrund ihrer Erkenntnisse von diesem Satz zu halten: „Der Erleuchtung ist es egal wie du sie erlangst.“

Roland Kipke: Der Erleuchtung ist es vielleicht egal, aber uns kann es nicht egal sein, weil wir an einem gelingenden Leben interessiert sind. Und das besteht nicht allein in einzelnen Bewusstseinsinhalten, sondern in der Art, wie wir sind, erleben und uns zu uns selbst verhalten.

Vom Neuro-Enhancement kommt man schwer wieder los

Würden Sie denn dem Neuro-Enhancement zumindest den Status einer „Anschubfinanzierung“ mentaler Weiterentwicklung zubilligen wollen?

Roland Kipke: Wenn jemandem die mentalen Voraussetzungen fehlen, um sich selbst formen zu können, wem also zum Beispiel das nötige Mindestmaß an Selbststeuerung fehlt, dem könnte vielleicht mithilfe medizinischer Mittel geholfen werden, um das nötige „Startlevel“ zu gelangen. Nur würden wir so jemanden als krank ansehen und die Hilfe wäre Therapie und kein Neuro-Enhancement. Das wäre ohne Zweifel legitim. Ob darüber hinaus auch Neuro-Enhancement als Anschubfinanzierung in Frage kommt? Ich schließe das nicht völlig aus.

Sie sind also nicht strikt gegen Neuro-Enhancement?

Roland Kipke: Nein, aber meine Sorge ist, dass man, wenn man einmal damit anfängt und die Erfahrung macht, dass es funktioniert, schwer davon loskommt. Nicht im Sinne einer Sucht, sondern im Sinne einer Gewöhnung an einen einfachen Weg. Gegen eine Vereinfachung ist zwar an sich nichts zu sagen, wir schätzen ja die Vereinfachung durch Technik, aber die Vereinfachung mittels Neuro-Enhancement hat den gravierenden Nachteil, dass sie bestimmte wertvolle Erfahrungen und Selbstverhältnisse nicht ermöglicht oder nicht zu ihrer Stärkung beiträgt. Dass Selbstformung hingegen das Potenzial dazu hat, ist nicht so leicht zu erkennen, weil diese Erfahrungen und Selbstverhältnisse gerade durch das entstehen, was auf den ersten Blick als Nachteil von Selbstformung aussieht: die nötige mentale Aktivität, die Langsamkeit, die Anstrengung. Deshalb sehe ich eine „Anschubfinanzierung“ durch Neuro-Enhancement eher kritisch. Aus ihr droht eine Dauerfinanzierung zu werden.

Hat sich das sinnstiftende Element des „Besserwerden“ in der heutigen Zeit vielleicht überlebt, weil es in erster Linie der Zementierung ökonomischer Verhältnisse dient? Enhancement wird doch zur Zeit in erster Linie in militärischen und leistungsbezogenen Zusammenhängen diskutiert.

Roland Kipke: Sicherlich liegt dem Streben nach Selbstverbesserung zum Teil die Motivation zugrunde, in bestimmten ökonomischen Verhältnissen zurechtzukommen. Diese Tatsache entwertet aber dieses Streben nicht zwingend. Die Pointe meines Buches ist ja gerade: Egal welche Motivation dem Streben nach Selbstverbesserung zugrunde liegt und welche Eigenschaft man anstrebt – die selbstformerische Art, sich selbst zu verbessern, hat das größere Potenzial, einen Beitrag zu einem gelingenden Leben zu leisten.

Will der Mensch tatsächlich immer besser werden? Oder sind ihm andere Faktoren wie Anerkennung oder Liebe ebenso wichtig?

Roland Kipke: Ich glaube schon, dass wir allesamt besser werden wollen. Auch wenn wir versuchen, gerade nicht immer besser werden zu wollen, streben wir damit eine Eigenschaft an, die in unseren Augen besser ist. Aber die Annahme, dass alle Menschen besser werden wollen, ist für meinen Ansatz überhaupt nicht notwendig. Ich sage nur: Wenn jemand besser werden will, dann hat der Weg dieses Besserwerdens erhebliche Bedeutung für ihn. Und selbstverständlich: Besserwerden und Besser-Werden-Wollen ist bei weitem nicht alles, was es für ein gelingendes Leben braucht.

Überforderung durch die Angebote und Aufforderungen zur Selbstverbesserung?

Das klingt so, als ob Neuro-Enhancement wie Selbstformung weitere Techniken sind, die gewachsene Autonomie des Menschen noch weiter auszudehnen. Diese Autonomie, hier verstanden als der Zwang, seine Fähigkeiten ständig für seine persönliche Entwicklung einsetzen zu müssen, lässt uns doch aber schon heute reichlich unbehaglich im Raum stehen.

Roland Kipke: Was soll eine Autonomie sein, die in Zwang besteht? Autonomie ist gerade das Gegenteil von Zwang. Meinen Sie, dass wir uns zur Veränderung unserer Eigenschaften um unseres beruflichen Vorankommens willen gedrängt sehen? Ja, sicherlich gibt es das. Doch auch dann kann ich freiwillig versuchen, mich selbst zu verändern. Und auch wenn es eine im strengen Sinne unfreiwillige Selbstveränderung gibt, diskreditiert das nicht den großen Bereich freiwilliger Selbstveränderung.

Interessanterweise gibt es auch hinsichtlich des Autonomiegrades einen Unterschied zwischen Selbstformung und Neuro-Enhancement. Erstens ist bei Neuro-Enhancement ein echter Zwang oder die Umgehung des eigenen Willens sehr viel einfacher möglich. Zweitens: Auch wenn man freiwillig handelt, kann man feststellen, dass man nicht den langfristigen Wünschen und eigenen Wertvorstellungen entsprechend gehandelt hat. Das kennen wir: Wir wollen etwas und hinterher stellen wir fest, dass wir es eigentlich doch nicht wollten. Diese Erfahrung ist bei Neuro-Enhancement viel wahrscheinlicher, eben weil es so leicht und schnell zu machen ist. Selbstformung hingegen dauert lang und ist mühsam. Ich bin dadurch immer wieder quasi gezwungen, mich mit meinen handlungsleitenden Wünschen nach Selbstveränderung auseinanderzusetzen. Das Befolgen eines sozialen Drucks, das Mitschwimmen mit einer Mode ist daher unwahrscheinlicher. Selbstformung hat eine Tendenz zu einer starken Autonomie.

Meine Frage zielte eher auf die Unfähigkeit mancher Menschen ab, die vielen Wahlmöglichkeiten und Freiheitsspielräume für ein gelingendes Leben zu nutzen, weil sie schlicht überfordert sind. In dieser Hinsicht scheinen mir sowohl Neuro-Enhancement als auch Selbstformung weitere Techniken in der Angebotspalette einer extrem individualisierten Gesellschaft zu sein.

Roland Kipke: Zunächst ist Selbstformung ja nichts Neues. Menschen formen sich seit jeher selbst. Also kann man nicht sagen, dass nun auch noch das Angebot der Selbstformung hinzukomme. Das gilt höchstens für einzelne Methoden. Vor allem aber bewerte ich das Angebot an Möglichkeiten, sich selbst zu verändern, nicht als negativ. Im Gegenteil, ich schätze die Freiheitsspielräume. Ich sehe auch nicht, dass Menschen durch das Angebot an Selbstveränderungsmöglichkeiten überfordert sind. Wer sagt denn „Es gibt so viele Möglichkeiten der Selbstveränderung, ich weiß nicht, welche ich wählen soll?“ Ich finde es allemal schwieriger, mich mit verschiedenen Handytarifen zu beschäftigen. Was aber tatsächlich anstrengend ist oder einen gar überfordert, ist nicht zu wissen, was man will. Hier kann aber gerade Selbstformung eine Hilfe sein, weil man sich aktiv und aufmerksam mit sich selbst auseinandersetzt. Sich selbst zu formen kann das Selbstverstehen erhöhen. Selbstformung ist ein Mittel, um seine Identität zu klären. Neuro-Enhancement ist dazu aufgrund seiner spezifischen Handlungsstrukturen weniger in der Lage. Und schließlich kann Selbstformung auch darin bestehen, eine Haltung zu entwickeln, mit dem Angebot an Möglichkeiten zurecht zu kommen, eine Gelassenheit zu entwickeln, vielleicht auch eine Zufriedenheit mit der eigenen Persönlichkeit.

Ich muss noch einmal nachhaken: Sie denken also nicht, dass es ein berechtigtes Unbehagen bei vielen Menschen darüber gibt, im Gegensatz zu früher ständig neue Methoden der Selbstoptimierung ausprobieren zu müssen, um im Wettbewerb zu bestehen?

Roland Kipke: Grundsätzlich beurteile ich die Möglichkeit, sich selbst nach eigenen Vorstellungen verändern zu können, als positiv. Zweitens halte ich die Einschätzung, dass Menschen „ständig neue Methoden der Selbstoptimierung ausprobieren müssen“, für überzogen und deshalb falsch. Drittens: Wenn aber solch ein Druck vorhanden wäre, würde ich es für sehr problematisch halten. Viertens: Solch ein Druck würde vor allem durch wirksame Neuro-Enhancer entstehen, weniger durch das Angebot von Selbstformungsmethoden.

Literatur:
Roland Kipke: Besser werden. Eine ethische Untersuchung zu Selbstformung und Neuro-Enhancement, Paderborn, Mentis Verlag 2011

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Historische Texte

Beobachtung über die Wirkungen des Haschisch des Bremer Afrikaforschers Gerhard Rohlfs 1866

Beobachtung über die Wirkungen des Haschisch

Erfahrungen des Bremer Afrikaforschers Gerhard Rohlfs (1831 – 1896)

Der bekannte deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (Wikipedia) bereiste teilweise noch unbekannte Gebiete Nordafrikas und probierte selbstverständlich auch Haschisch. Hiervon berichtete er im Jahre 1866. (Der Text stammt aus Rohlfs Reisebericht: „Land und Volk in Afrika, Berichte aus den Jahren 1865-1870“, Bremen 1870)

„Mursuk in Fessan, Ende Januars 1866.

Unter Haschisch verstehen die Araber im weitern Sinne jedes Kraut, näher jedoch bezeichnen sie damit den indianischen Hanf, cannabis indica…,weil an Vorzüglichkeit jedes andere Kraut gegen dieses in den Hintergrund tritt. Von Tripolitanien an nennen die Eingeborenen diese Pflanze Tekruri, und diesen Namen führt sie auch in der Türkei, Aegypten, Syrien, Arabien und Persien vorzugsweise…

Ich füge hier hinzu, daß die Cannabis indica wohl weiter nichts ist als die verwilderte oder wilde Cannabis sativa, und eher eine Pflanze der gemäßigten Zone als der heißen ist, denn je weiter man nach Süden vordringt, je seltener und krüppelhafter gedeiht dieselbe. Während man z.B. äußerst schöne Exemplare in den gemäßigten Bergregionen des Kleinen Atlas der Algerie und Marokko`s findet, die eine Höhe von manchmal 1 1/2 Meter erreichen, gedeiht in den heißen Oasen Tafilet, Tuat und Fessan die Pflanze nur kümmerlich, obgleich die Bewohner alle Sorgfalt auf ihren Anbau anwenden, und von Norden wird dieselbe nach Süden exportiert.

Die Eingeborenen bedienen sich derselben auf verschiedene Weise: Entweder sie zerschneiden die getrockneten Blätter und Blüthen sehr kleine und rauchen sie entweder rein oder mit Taback vermischt aus kleinen Pfeifen oder Cigarretten, oder sie vermischen dieselben mit Tumbak (Taback) und rauchen so dies Kraut aus der Nargile, oder, wie in Syrien, sie bereiten wie Thee eine Art Infusion und trinken den Aufguß mit Zucker versüßt, oder endlich man pulverisiert Blätter und Blüthen, und schluckt dies Pulver rein oder mit Zuckerstaub vermischt herunter, oder auch mit Honig und Gewürzen zu einer Art Backwerk verarbeitet; so bereiten sie aus denselben kleine Kuchen, die unter dem Namen Majoun verkauft werden.

Mag man nun Haschisch nehmen unter welcher Form man wolle, immer übt dasselbe einen starken Rausch aus. Europäer jedoch, welche Beobachtungen darüber anstellen wollen, können dies nur, entweder indem sie eine Infusion trinken, oder das Haschisch-Pulver essen, denn um eine Wirkung vom Rausche zu haben, muß man den Rauch so tief einziehen, was Araber, Perser und Türken zwar auch beim Taback- und Opiumrauchen thun, daß der Dampf, in die Lungen eingesogen, unmittelbar mit dem Blute in Berührung kommt. Zwei Theelöffel voll Haschisch genügen, um einen kräftigen Rausch bei einem Neuling hervorzubringen.

Eindruck, den auf mich die Cannabis machte.
In Mursuk, 25.Januar 1866, Abends 6 Uhr.

Ich trinke Thee in Gesellschaft Mohammed Besserkis, Enkel des Sultans Mohammed el Hakem von Fessan. Mein Bewußtsein ist vollkommen klar. Ich nehme zwei Theelöffel voll Haschischkraut, welches in einer Kaffeeröste etwas gedörrt, dann pulverisirt und mit Zuckerstaub gemischt worden war. Mein Puls war im Moment des Nehmens 90 (wie immer).

Nach einer viertel Stunde gar kein Erfolg. Wir essen zu Abend: Kameelfleisch mit rothen Rüben, Kameelfrikadellen, weiße gebackene Rüben, Bohnensalat; Salat aus Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch und Radieschen bestehend; Brod, Butter und Käse.

Besserki sagt mir, daß die Wirkung nach dem Essen kommen werde, ich indeß, – es ist jetzt 7 Uhr, – merke gar nichts. Wir trinken eine Tasse schwarzen Kaffee ohne Zucker.

7 Uhr 10 Minuten. Mein Puls hat nur 70; ich friere, obgleich eine Pfanne mit Kohlen vor mir steht. Besserki sagt, er spüre stark die Wirkung und befiehlt meinem Diener, einige Datteln zu bringen, um wie er sagt, die Wirkung zu beschleunigen; auch ich esse zwei Datteln.

7 Uhr 20 Minuten. Mein Puls hat 120 oder mehr. Bin ich in einem Schiffe? Die Stube schaukelt, mein Bewußtsein ist indeß vollkommen frei, blos scheint mir Besserki sehr langsam zu sprechen und ich vergesse oft den Anfang vom Satze, da er spricht. Auch wenn ich jetzt denke, vergesse ich, womit ich angefangen.

7 Uhr 45 Minuten. Mein Herz schlägt so, daß ich jeden Schlag höre, Puls zählen unmöglich.
Besserki sagt, er will fortgehen, mein Diener geht mit; ein anderer zündet mir eine Nargile an. Ich rauche und fliege, obgleich ich mit den Händen fühle, daß ich liege.
Ich denke ungeheuer schnell und glaube, daß ich beim Schreiben dieser Zeilen Stunden zubringe.

8 Uhr. Mein Blut schlägt Wellen, und einzelne Theile fallen von meinem Körper, obgleich ich mich dumm niederschreibe, denn ich habe vollkommen freies Bewußtsein, daß ich alle Glieder besitze. (Ich dachte wahrscheinlich, daß ich dummes Zeug niederschrieb, denn zu lesen war mir unmöglich.) Ich denke, ich will ausgehen.

8 Uhr 20 Minuten. Ich träumte, ich ginge aus, die Straßen der Stadt verlängerten sich und waren mir ganz unbekannt, die Häuser sehr hoch; ich glaube, ich war in der Polizeiveranda, wo ein Mann war, um zu petitioniren und zu mir mit einem Gesuch kam; ich ging dann zurück und setzte mich vor mein Haus.
Ich bin ohne allen Willen; die Wand gegenüber meinem Hause war schön tapezirt, auch hörte ich von fern schöne Musik und jetzt schreibe ich und sehe, daß Alles erlogen ist.
Ich will mich legen, aber bin ich wirklich verrückt?

Ich liege jetzt (8 Uhr 30 Minuten), mein Wille ist ganz weg und in mir großer Sturm. Das Licht brennt seit Stunden und ich kann es nicht ausblasen, aber ich schreibe, und da ich denke, so bin ich doch wohl nicht gelähmt. Bin ich wirklich hier? Mein Hinterkopf ist sehr angefüllt. Ich bin ungemein leicht, und wenn ich nicht schriebe, würde ich in der Luft schweben.

26. Januar Morgens.

Bis so weit hatte ich gestern Vermögen gehabt, während des Rausches zu schreiben; ich verfiel dann in einen festen Schlaf, aus dem ich heute Morgen um 9 Uhr erwachte. Nachdem ich die im Rausche niedergeschriebenen Empfindungen gelesen, war meine erste Frage, ob ich wirklich nach der Polizeiveranda gegangen sei, oder dies blos geträumt habe? Es fand sich denn, daß ich wirklich dagewesen sei, ganz vernünftig gesprochen habe, überhaupt Niemand auch nur die leiseste Ahnung hatte, daß ich im Tekrurizustande mich befände.

Nachträglich kann ich nun constatiren, daß

1) man sich ungemein leicht glaubt und oft zu schweben meint.
2) Daß der Puls, im Anfange vermindert, im vollen Stadium des Rausches eine solche Geschwindigkeit erreicht, daß es für den im Rausche Befindlichen unmöglich ist, ihn zu zählen.
3) Starker Blutandrang nach dem Hinterkopfe.
4) Auffallende Lähmung der Willenskraft.
5) Das Gedächtnis verliert seine Regeln, naheliegende Dinge werden vergessen, andere aus längst vergangenen Zeiten werden aufgefrischt.
6) Alles erscheint in den schönsten Farben und in vollkommener Harmonie.
7) Manchmal lichte Augenblicke, verbunden mit schrecklicher Angst, daß dieser Zustand immer dauern möge.
8) Endlich der ganze Rausch sui generis, und eher ein Verrücktsein, als das, was wir Europäer unter Rausch verstehen, zu nennen.

Heute Morgen indeß befinde ich mich vollkommen wohl und verspüre auch nicht im Mindesten einen sogenannten Katzenjammer.“

 

 

 

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Mixed

Wie man aus dem Kino herausgeführt wird

Denn entscheidend ist, wie man aus dem Kino herausgeführt wird

Glattgebügelt in einem neuen Kino-Palast

Die Erscheinung der übergroßen Kino-Center ist ein neues Übel der Großstadt. Das sollte jedem konservativen und vorurteilsfreudigen Menschen schon klar sein, bevor er zum ersten Mal so einen Glaspalast betritt. Verirrt er sich dennoch in den medialen Tempel -meist weil Freunde ihn überredet haben- schlägt ihm die ganze Macht der arroganten Architektur des Größenwahns entgegen. Der riesige Raum mit seinen fünf bis zehn Kassenhäuschen erinnert nicht umsonst eher an eine Kirche denn an ein Schmuddelkino auf dem Kiez. Der gläubige Kunde wird in erster Linie durch das Gesamtereignis beeindruckt und geblendet, der Film an sich tritt dabei mehr und mehr in den Hintergrund. In dieser Atmosphäre soll sich keiner wohl fühlen, vielmehr durch sakrales Design zu Demut angehalten werden. Deutet man es positiv, hat der Film schon angefangen bevor man im Saal sitzt.

Ohne Karte kein Einlass. Richtig warm um´s Herz wird dem Kino-Freund, wenn er nicht mehr in intimen Kontakt mit dem Kassierer treten muss, weil eine Glasscheibe die beiden Mitmenschen trennt. Ein Lautsprecher brüllt die metallenen Preise und die Geldscheine werden durch eine antiseptische Schleuse in das Innere der Kammer gesogen. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis endlich der ineffektive Faktor Mensch gegen vollautomatische Karten-Raus-Rotz-Geräte ersetzt wird. Per Rolltreppe schwebt man dann auf die nächste Ebene. Hier riecht es ebenso wie unten, nämlich nach rein gar nichts. Selbst die Luft aus der Fresstheke gerät nicht an die Nasenhärchen, wird sie doch von der strengen Klimaanlage zügig ins Freie geblasen. Die Taco-Chips und der Popcorn schmecken leider recht ähnlich. Da hilft selbst das Bier nicht weiter, welches hier wie das Junk-Food in den Größen „Medium“ und „Large“ angeboten wird. Eine mittelschwere Zumutung für jeden norddeutschen Geniesser. Amerika, ganz unten.

Die Krönung kulinarischer Begleitgenüsse ist allerdings die rosa Rotunde. In diesem Neon-Pavillion wartet aufgeschäumter Zucker auf seine Einnistung in Zahnlücken. Ihr Dasein verdanken diese Gummibärchen-Abkömmlinge der chemischen Industrie, die wahrscheinlich auch noch die speziellen Neon-Röhren stiftet, welche die Szenerie wie einen Gruselfilm im Cyberspace ausleuchten.

Nun ist es aber keineswegs so, dass sich das Publikum in diesem Ambiente unwohl fühlt. Wo Großeltern denken würden, sie wären in der Zukunft gelandet, gleitet das moderne Klientel butterig durch. Dies ist auch nicht schwer, denn die Metamorphosen dieser Menschen halten ständig mit den glatten Oberflächen des Interieurs Schritt: Allen gemeinsam ist ihre strikte Abneigung gegenüber Naturfasern. Nur Aramid-Gewebe und andere Techno-Fasern haften auf den Noch-Körpern dieser Mutanten des WWW. Schwarz, früher noch modische Farbe des existenziellen Widerstands (Sinnlosigkeit macht Nichts), später Ausdruck von Friedhofssymphatisanten (Nichts macht Sinn), ist zum Ausdruck des virtuellen Chimäre (Nichts ist Macht) geworden. Und gerade so, wie der vorherige Satz keinen Sinn macht, rülpst die Hollywood-Maschine mit ihren ewigen Märchen von Gut und Böse immer öfter Filme ohne Anleihen am Logos aus. Leinwandgröße suggeriert Qualität des Films, aber in den Sitzen lässt es sich wahrlich aushalten. Vorbei die Zeiten, in denen man sich nach eineinhalb Stunden Terence Hill und Bud Spencer wie nach einem Atlantikflug fühlte. Wie gut das betreibende Kino-Konsortium es mit ihrer Kundschaft meint, merkt der werte Besucher erst am Ende des Films. Dann nämlich heisst es Abschied nehmen von den demütigen Gedanken an die Glitzer-Welt des Eingangsbereich. Aus dem Prachtsaal heraus geleitet, stolpert man -noch visuell benommen- durch ein vielstufiges, unverputztes Treppenhaus, bevor man durch eine Feuerschutztür auf einem Parkplatzacker mit metertiefen Pfützen landet. Der Ausblick ist großartig, gibt er doch den Blick auf eine Hochhauskolonie frei, deren Bewohner sich zum Teil weder eine Kino-Karte noch die überteuerten Fresssalien leisten können. Welcome to the real world!

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Reisen

Seychellen – Reif für 115 Inseln

Aus der Petra

Reif für 115 Inseln

Mehr geht nicht: Wer auf der Suche nach dem perfekten Strand ist, findet auf den Seychellen sein Ziel. Und reist dafür mit zwei neuen Faibles wieder ab: Naturwunder und seltsame Insel-Geschichten.

„Tut mir Leid“, sagt Beate Sachse und streicht über die Baumrinde. Die Rangerin, die mich durch den dichten Urwald führt, entschuldigt sich bei einem Baum? Allein das ist verblüffend. Was mich aber noch mehr wundert: Es klingt ganz selbstverständlich. Denn hier auf Frégate und den anderen Seychellen-Inseln, wirkt die Natur so mystisch-lebendig, so beseelt, dass einen eher erstaunt, dass keine Antwort kommt. Von der alten Riesenschildkröte zum Beispiel, die einen müde anblinzelt und hier wahrscheinlich schon vor hundert Jahren im Schatten döste, als das Wort „Ferntourismus“ noch nicht mal existierte. Oder von den einzigartigen Granitfelsen, die wie „Herr der Ringe“-Gestalten wirken, und die von Piraten und Bacardi-Spot-Drehs erzählen könnten.

Warum Beate sich bei dem Baum entschuldigt? Sie hat seine Rinde angeritzt, um mir ein kleines Wunder zu zeigen: Denn die Bäume hier können bluten. Und vielleicht haben sie ja auch tatsächlich eine Seele? Beate, die seit einem halben Jahr auf Frégate lebt und arbeitet, gefällt der Gedanke. Sie lacht und erzählt mir, wie die seltsamen Drachenblutbäume auf die Insel kamen: „Sie wachsen eigentlich in Indien. Einwanderer haben ihr Holz nach Frégate mitgebracht, um Vanilleranken daran anzubauen. Doch die Geschäfte liefen schlecht, sie verließen die Insel wieder. Zurück blieben brachliegende Gewürzfelder, wo das Holz auf fast magische Weise neue Wurzeln schlug.“ Inmitten dichten Urwalds entstand so ein lichtes Wäldchen dieser seltsamen Pflanzen mit tiefrot durchtränktem Stamm.

Nicht das einzige Naturwunder der Insel: Im Winter finden seltene Wasserschildkröten aus fernen Gewässern den Weg hierher, um an den einsamen Stränden ihre Eier abzulegen. Und wer durch den Dschungel spaziert, trifft vielleicht auf einen furchtlos-frechen Magpie-Robin. Nur noch etwa 30 Exemplare dieses Vogels gibt es weltweit – alle leben auf Frégate.
Nach Auffassung der Geologen sind die Seychellen, die abgeschieden 1.000 km östlich von Afrika im Indischen Ozean liegen, ein versprengter Rest des Ur-Kontinents Gondwana. Oder, wenn man es poetisch ausdrücken möchte: eine Laune des lieben Gottes, der sie ins Meer streute, um schon mal für sein Meisterstück, den Garten Eden, zu üben.

Nicht nur die Natur der Seychellen bietet Wundersames – auch ihre Geschichte ist von Mythen durchzogen. Bis ins 18. Jahrhundert waren sie weitestgehend unbewohnt, boten Unterschlupf für Piraten. Ihre Raubschätze sollen noch heute vergraben liegen. Nur gefunden wird nie etwas. Offiziell zumindest. Erfolgreiche Schatzsucher müssten dem Staat 90% abgeben.
1740 wurde der Freibeuter Olivier Le Vasseur, der seine Reichtümer auf den Seychellen versteckt haben soll, hingerichtet. Vorher schleuderte er aber noch eine Karte voll undurchsichtiger Zeichen und verschlüsselter Hinweise in die Menge.

„Wir Seychellois lieben solche mystischen Geschichten“, erzählt Micheline Georges, die selbst Teil dieser Legenden ist. Die alte Dame bewirtschaftet den „Jardin Du Roi“ auf der Hauptinsel Mahé, früher eine Gewürzplantage, heute ein verträumtes Ausflugsziel für Botanikliebhaber und Romantik-Fans. Sie ist Nachfahrin des rätselhaften Monsieur Poiret, der Anfang des 19. Jahrhunderts unter mysteriösen Umständen aus Frankreich hierher kam. Noch heute hält sich das Gerücht, er sei letzter rechtmäßiger Erbe der französischen Krone gewesen. Ein schöne Geschichte, doch so recht scheint nicht mal Micheline dran zu glauben. Fest steht aber, dass sich im Besitz ihrer Familie Silber und Besteck mit französischen Königswappen befinden. Ob das wirklich als Beweis reicht? Egal: Micheline erzählt spannend, die Veranda ihres Cafés mit Blick auf Garten und Meer wirkt wie eine koloniale Puppenstube – und ihre „Daube de Banane“, Bananen in Kokosmilch, sind ein Gedicht.

Wer hier oben in dem feinen Gärtchen in den Bergen der Hauptinsel Mahé glaubt, bereits im Paradies angekommen zu sein, war noch nicht ein paar Inseln weiter auf La Digue. Eine Welt, deren Lebenstakt von den langsam am Strand auslaufenden Wellen bestimmt zu sein scheint. Dagegen wirkt Mahé mit der Hauptstadt Viktoria wie eine quirlige Metropole. Viktoria ist der einzige Flecken hier, der den Titel Stadt überhaupt verdient.

Auf La Digue versteht man zum ersten Mal, was „Entschleunigung“ bedeuten könnte. Ochsenkarren holpern über die Wege, Autos gibt es kaum, 3.000 Menschen leben hier. Wer in eine andere Ecke der Insel möchte, mietet ein Fahrrad und ist spätestens nach 20 Minuten an jedem beliebigen Ziel. Wobei es einen als erstes fast wie ferngesteuert zum „Anse Source à Jean“ zieht. Zu spektakulär ist sein Ruf, zu unglaublich die Bilder seines von Granitfelsen gesäumten Strandes, die jeder kennt. Bilder, die immer dann auftauchen, wenn Träume verkauft werden sollen. Ein Symbol für die Sehnsucht nach dem perfekten Platz.
Nichts wie hin! Gleich am ersten Abend. Warten will keiner mehr, wenn er hier erst mal an Land gegangen ist. Verblüffenderweise ist es trotzdem still und einsam hier. Vielleicht haben wir auch nur Glück. Die Brandung plätschert auf dieser Seite der Insel zahm. Der Weg schlängelt sich durch Mini-Schluchten zu immer neuen Buchten. Irgendwann hört man auf, irgendeine davon zur schönsten erklären zu wollen. Die Steine wechseln im Abendlicht von Zartrosa zu leuchtend Violett. Von den wenigen Menschen, die einem begegnen, spricht keiner. Als sei ihnen plötzlich bewusst, dass sie endlich am Ziel sind. Dass es schwierig sein wird, Schöneres zu entdecken.
Und trotzdem: Auf den Seychellen gibt es immer noch eine Steigerung von einsam und friedlich. Auf Frégate weiter süd-östlich hat man die Ruhe zum Marketingkonzept erklärt. Oder vielleicht auch nur dem Wunsch des Besitzers der Privatinsel inklusive Luxusressort nachgegeben, dessen Haus auf einer Klippe am Meer thront. Nur alle paar Monate kommt er selbst vorbei. Sein Name wird verschwiegen. Gerüchteweise hört man, es sei ein reicher Deutscher, der sein Vermögen einsetzt, um eines der letzten, kaum berührten Paradiese zu erhalten.

Sein Luxusressort zählt gerade mal 16 Villen – 32 Gäste und die Insel ist ausgebucht. Außerdem leben und arbeiten 115 Menschen hier, die sich um das Hotel und die Plantagen kümmern. Früher gab es auch mal ein kleines, einfaches Hotel am Strand. Der Schriftsteller Ian Fleming soll dort James Bond erfunden haben. Sicher hat die Insel der Film-Figur das Faible für exotische Abenteuer-Ziele eingehaucht.
Pierce Brosnan hat sich nach seinem letzten 007-Dreh hier erholt. Paul McCartney war auf Flitterwochen da. Brad Pitt, Jennifer Aniston und Michael Douglas sollen ebenfalls zu Gast gewesen sein. Aber auch hierzu schweigt die Hotel-Crew eisern. Vielleicht haben sie ja von den Seychellois gelernt: Interessante Halbwahrheiten ergeben oft den spannendsten Gesprächsstoff.
Am Tag der Abreise treffe ich noch mal Beate. Sie strahlt, weil sie im Wald gerade Eier eines Magpie-Robin entdeckt hat – ein Stück neue Hoffnung für die vom Aussterben bedrohten Tiere. Wir strahlen gemeinsam. Ihr Enthusiasmus für die Natur steckt an – nicht nur uns.
Zweimal im Jahr muss die ganze Hotel-Crew vom Direktor bis zum Zimmermädchen Kokosnüsse einsammeln. Die haben nämlich erst die Menschen auf die Hügel der Insel gepflanzt. Sie würden heute die ganze Insel zuwuchern, wenn man sie ließe – und könnten das natürlich Gefüge, Grundlage für viele Tiere und Pflanzen, zerstören. Deshalb passiert es manchmal, dass die reichen und berühmten Gäste der Insel, die Luxuspreise zahlen, um auf der privaten Insel absteigen zu dürfen, mitschuften beim großen Kokosnuss-Sammeln. Trotz Urlaub. Weil die einzigartige Natur sie verzaubert hat.