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Psychoaktive Substanzen Specials

Pilze. Ein Special.

HanfBlatt, November 2004

SPASS ATTACKS

Die Invasion der lachenden Pilze

Auf dem Planeten Erde wurden bis dato etwa 1700 Atombomben gezündet, einige davon überirdisch, Atompilze, mit der tausendfachen Sprengkraft von Hiroshima. Ist das lustig? Wohl kaum. Aber Politiker, die für dergleichen verantwortlich sind (,und für noch viel mehr,) erdreisten sich, spezielle Inhaltsstoffe zahlreicher frei und unvorhersagbar in der Natur spriessender Pilze zu verbieten und deren KonsumentInnen damit in die Kriminalität zu drängen. Dabei können diese „Lachenden Pilze“, wie eine Art im Japanischen genannt wird, bei ihren KonsumentInnen nicht nur Lachstürme über die Absurdität des Seins und Glücksgefühle in tiefer Verbundenheit mit dem Körper, sich selbst, der Schönheit und Energie des Natürlichen und Frohsinn im Vorstoß zu den Urgründen der Gemütlichkeit, hervorrufen, sondern auch tiefe persönliche Erfahrungen bis ins poppende spirituelle Mark hinein (erschütternd) katalysieren. In dieser Hinsicht stehen sie dem Lysergsäurediäthylamid nicht nach, auch wenn sie nur gerade mal halb solange wirken, sehr ähnlich, aber doch irgendwie ganz anders. Pilze

Pilze, die die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin enthalten, erfreuen sich eines außerordentlich guten Rufes. Ihr Konsum erlebt seit einigen Jahren einen enormen Boom. Vielleicht handelt es sich mittlerweile um die verbreitetste psychedelische Droge noch vor dem halbsynthetischen LSD. Pilze stehen für Natur. Viele KonsumentInnen entwickeln zu ihnen eine ganz persönliche Beziehung. Es ist schwer zuoft Pilze zu nehmen. Sie weisen selbst ein individuelles Limit. Man merkt, wann erst einmal wieder genug ist. Psychisch unvorbereitet eingenommene Pilze sind nicht unbedingt ein gelungener Partygag. Sind Cannabisspeisen schon bedenklich, weil schwer einzuschätzen und nicht für jederman gleichermaßen gut verträglich, kann eine ahnungslos verspachtelte Pilz(über)dosis zu einem Horrortrip mit panischen Ängsten werden und aus Verzweiflung im Krankenhaus enden, dem denkbar ungünstigsten Ort für den Ausklang einer danebengegangenen Seelenreise.

Psilocybin
Psilocybin

Körperlich sind Psiloc(yb)inpilze im allgemeinen gut verträglich. Es kann bei einigen Leuten zu Magenbeschwerden und Übelkeit kommen. In Einzelfällen wurde auch von Kreislaufproblemen berichtet. Man kann aber davon ausgehen, daß von den richtig identifizierten gängigen Psilos (, wie sie liebvoll genannt werden,) selbst in höheren Dosierungen keine gesundheitlichen Risiken für den Körper ausgehen. Die verspeisten Mengen wildgewachsener Pilze sind üblicherweise so gering, daß selbst Umweltschadstoffe kaum zur Geltung kommen dürften. Der Rahmen für die Einnahme der Psilos muß stimmen. In Mexiko werden sie rituell in Heilungszeremonien unter Anleitung einer Schamanin oder eines Schamanen eingenommen. Das sollte uns zu denken geben. Ungestörter Freiraum mit Selbstentfaltungsmöglichkeiten, freundliche natürliche Umgebung bei gutem Wetter, vertraute erfahrene Freunde usw. sind eine gute Basis für eine Pilzreise, auf der sich die Seele öffnen soll. Dann klappt´s nicht nur mit dem Nachbarn, dann kommt vielleicht auch der Spaß nicht zu kurz.

Allseits bekannt ist mittlerweile das alljährliche herbstliche Erscheinen der kleinen Spitzkegeligen Kahlköpfe (botanisch Psilocybe semilanceata) auf unseren Wiesen und Weiden. Selbst an städtischen Strassenrändern, auf Heuballen, an Bundeswehrschießbahnen und dergleichen mehr wurden sie gesichtet und gesammelt, versteht sich von selbst. Typischerweise aber sondiert der meist städtische Pilzjäger vom Auto aus das Terrain, während er im Schleichtempo durch wenig befahrene Seitenwege in der stadtnahen ländlichen Provinz tuckert. Diese Wiese, etwas geschützt am Waldesrand mit kurzem, teils verrottendem und büschelweise wachsendem Gras, leicht uneben, von friedlichen Kühen oder gar Pferden beweidet, ja, die könnte in Frage kommen. Einmal als spitzkegelhöffig entdeckte Biotope werden dann regelmäßig wieder aufgesucht, bis die Grundstücksbesitzer an jeder Seite der Koppel Verbotsschilder anbringen. So erging es zumindest einer beschaulichen verschachtelten stadtnahen Weide, der Heimstatt eines neugierigen Pferdes. Sie wurde Anfang der Achtziger Jahre, beim Besuch zweier an ihrem Rande gedeihender Hanfpflanzen mit einem grüneheckeguerillagrowenden Freund durch Zufall entdeckt und erlebte im nächsten Jahr, durch Mund zu Mund-Propaganda in der Vorstadt populär geworden und zum Volkspilzsammelplatz aufgestiegen, ihren Count down. Dabei hatten wir längst ein paar Feldwege weiter rund um einen Pfadfindergrillplatz eine bei weitem ergiebigere Wiese entdeckt. Und in Zukunft radelten wir mit eingezogenen Köpfen an dem gutbesuchten Ausflugsziel vorbei, auf daß uns keiner erkenne und etwa heimlich die Verfolgung aufnehme. Denn es ist ein Geschenk, eine besondere Ehre, wenn Dir jemand seine ganz spezielle Wiese zeigt. Aber man weiß ja nur zu gut, daß sowas gern mit gierigen Füssen getreten wird.

Wer einmal ausgiebig Spitzkegelige Kahlköpfe gemeinsam mit einem erfahrenen „Fachmann“ gesammelt hat, wird keine allzu großen Schwierigkeiten mehr bei der Identifikation dieser charakteristischen Zipfelmützen haben. Alle Pilze, bei denen auch nur der leiseste Zweifel an ihrer Identität besteht, werden selbstverständlich verworfen. Die spitzkegeligen Kahlköpfe gelten als relativ gleichbleibend hochpotent. Kleine Pilze sollen etwas potenter sein als die größeren. Bei Analysen getrockneter Pilze wurden Psilocybingehalte um die 1% ermittelt. Da Psilocybin verhältnismäßig beständig ist, lassen sich die Pilze getrocknet, luft- und lichtabgeschlossen zu 1 Gramm-Päckchen verpackt und tiefgefroren ohne allzu großen Wirkungsverlust bis zur nächsten Sammelsaison aufbewahren. Auf nüchternen Magen genommen ist eine Dosis von 0,2 bis 0,4 Gramm der getrockneten Pilze bereits emotional spürbar. Ab einer Dosis von etwa 1 Gramm werden die Effekte bereits recht intensiv und „farbig“. 2 bis 3 Gramm gelten als volle Dosis.

Darüberhinausgehend kann der Trip recht anstrengend werden. Die Kahlköpfe enthalten noch andere dem Psilocybin nahestehende Substanzen, wie Baeocystin und Norbaeocystin, die wahrscheinlich an ihrer spezifischen Wirkung beteiligt sind. Psilocybe semilanceata ist der wahre „King of the Koppel“. Aber paß auf, er kann dich zum „Fool on the Hill“ machen. Ein weiterer kleiner „Psilo“ unserer Grünflächen ist der Panaeolus subalteatus, zu deutsch Dunkelrandiger Düngerling. Sein Wirkstoffgehalt ist vergleichsweise gering. Die Vermutung, er würde „auch törnen“, führt bisweilen dazu, daß Laiensammler alle möglichen ähnlichen Düngerlinge oder irgendwie glockenförmig wachsenden Kleinpilze einsammeln und womöglich auch noch schlucken. Da empfiehlt das Männlein aus dem Walde: Finger weg, es lohnt sich nicht, Übelkeit und dergleichen zu riskieren, wenn man von Pilzen (noch) keine Ahnung hat. Andererseits steht der „Dunkelrandige“ im Ruf ruhiger und noch erotisierender als die durchgeknallten Kahlköppe zu wirken. Dosierungen ab 2,7 Gramm getrocknet auf leeren Magen sollen für einen entsprechenden Törn notwendig sein.

„MEXIKANISCHE PILZE“!

Psilocybin
Psilocybin

Mittlerweile werden auf manchen Goa-Openair-Parties psiloc(yb)in-haltige Pilze offen angeboten. Außerhalb dieser „Temporär Autonomen Zonen“ ist man auf Grund der unklaren Rechtslage noch nicht ganz so mutig wie in den Niederlanden. Der Inhaber des Amsterdamer Smartdrugshops „Conscious Dreams“ wagten es im Sommer 1994 als erstes, offen über den Ladentisch, gezüchtete Psiloc(yb)inpilze vom Typ Psilocybe cubensis zu verkaufen. Die Polizei ließ nicht lange auf sich warten. Die Sache ging vor Gericht. Dort wie hier sind die nahezu identisch wirkenden Inhaltsstoffe der Pilze Psilocin und Psilocybin nach dem Opium- bzw. Betäubungsmittelgesetz verboten, nicht aber ausdrücklich die Pilze. Dem Gerichtsurteil zufolge, werde der Wirkstoffgehalt der Pilze aber erst durch Trocknen so hoch konzentriert (, nämlich etwa um den Faktor 10 gegenüber frischen Pilzen), daß es sich um eine verbotene Ware handle. Prompt wurden nur noch die frischen Pilze verkauft. Gerade Freitags herrschte Hochbetrieb im Laden. Dezente braune Papiertüten beherbergten eine gute Portion von 30 Gramm frischen Psilocybe cubensis zu 25 Gulden, auf daß es ein beschwingtes Wochenende würde. Die auf Touristen orientierten Headshops der Amsterdamer Innenstadt zogen nach. Sie boten allen Unkenrufen zum Trotz getrocknete Pilze an. Ein unglaublicher Boom setzte ein. Mittlerweile hat fast jede holländische Kleinstadt Shops, bei denen ethnobotanische Kräuter und energetisierende Aminosäurepräparate im Vergleich zum Pilzumsatz eher eine untergeordnete Rolle spielen. Viele Leute kamen auf die Idee sich selbst zu versorgen. So nahmen zahlreiche Growshops Pilzzuchtzubehör mit in ihr Programm auf. Es entstanden auch ausschließlich auf Pilzzuchtzubehör spezialisierte Läden. Ungeduldige können sich dann die frischen und mittlerweile auch wieder die getrockneten Pilze gleich mitnehmen. In der Schweiz hat es nun vor kurzem ein Gerichtsurteil gegeben, demnach dort Psilos in keiner Form illegal seien. Ja, in der Schweiz, in der Schweiz, tausche Psilos gegen Nazi-Gold. Traut man sich dagegen in der BRD aus Angst vor der Konfrontation mit den Justizbehörden (noch?) nicht die Pilze selbst zu verkaufen, so handeln doch zahlreiche deutsche Growshops und Händler ethnobotanischer Spezialitäten bereits mit dem entsprechenden Zubehör und schon von Mycel durchwachsenen Anzuchtboxen, bei denen nicht mehr ganz so viel schief gehen kann. Der Anbau von Psilos ist nämlich nicht gerade einfach und muß unter kontrollierten hygienischen Bedingungen erfolgen.

PSILOCYBIN

Die für die Zucht beliebteste, in subtropischen und tropischen Gebieten der ganzen Welt auf Rinder- und Büffelkacke gedeihende (und zum Beispiel Thailand-Reisenden von den Inseln Koh Samui und Koh Phangan bekannte) Art ist die oben erwähnte Psilocybe cubensis (früher auch Stropharia cubensis genannt). Obwohl die hier gehandelten Pilze dieser Art so gut wie nie aus der freien Wildbahn, geschweige denn aus Mexiko stammen, sondern praktisch immer laborartig gezüchtet wurden, werden sie häufig als „mexikanische“ angepriesen und verkauft. Sie hatten lange Zeit den Ruf besonders potent zu sein. Dies stimmt jedoch so nicht. Ihr Wirkstoffgehalt kann starken Schwankungen unterworfen sein, selbst von Pilz zu Pilz. Es gibt diverse Zuchtlinien. Die meisten sind nicht allzu potent. Auch liegt ein Teil der Wirkstoffe als leicht zerfallendes Psilocin vor. Das bedeutet meist einen deutlichen Potenzverlust durch Trocknung und Lagerung. Wer die erforderlichen hygienischen Voraussetzungen einer Cubensis-Zucht meistert, kann große Mengen dieser zu ziemlichen Größen heranspriessenden Pilze ernten. Sie dominieren deshalb den Markt, zumal sie auch geschmacklich und magentechnisch als recht verträglich gelten. Cubensis wird üblicherweise höher dosiert als die Kahlköpfe. In den Niederlanden gelten 3 Gramm getrocknete, entsprechend etwa 30 Gramm frischen Pilzen als eine gute Dosis. 5 bis 6,5 Gramm der getrockneten „Superburschis“ sollen für einen extremen Abflug garantieren.

„HAWAIIANISCHE PILZE!“

Psilocin
Psilocin

Eine weitere gezüchtete Pilzart ist seit einiger Zeit in den Niederlanden recht beliebt: Panaeolus cyanescens, früher auch Copelandia cyanescens genannt. Es handelt sich um eine kleine blauende Pilzart vom Typ der Düngerlinge, deren natürliches Verbreitungsgebiet sich keineswegs nur auf Hawaii beschränkt, sondern über weite Gebiete der Tropen und Subtropen erstreckt und mit dem des Cubensis überschneidet. Auf Bali wurde sie Touristen in psychedelischen Omelettes serviert. Sie gilt als besonders potent, was nicht unbedingt von allen veröffentlichten Analysen bestätigt wird. In den Niederlanden werden 20 Gramm der frischen Pilze als volle Dosis veranschlagt, für die dann meist dasselbe wie für das 30 Gramm-Cubensis-Äquivalent bezahlt werden muss. Immer neue teilweise in der Natur sehr seltene Arten erobern das Herz der Züchter. Zum letzten Schrei gehört die aus den USA stammende Psilocybe azurescens. In einzelnen Exemplaren wurden laut einer aktuellen Analyse ein Wirkstoffgehalt von insgesamt über 2 % auf die Trockenmasse ermittelt. Dies würde die obigen Sorten im Schnitt um mindestens das Doppelte übertreffen. Die Amis nennen sie „Flying Saucers“, „Fliegende Untertassen“. Vielleicht wird der Tag, an dem Du sie nimmst, „der Tag, an dem sie Kontakt aufnahmen“.
PSILOCIN

Gibt es eine einfach zu ziehende, fast von selbst, womöglich noch auf Holzspänen im eigenen Garten spriessende und reichlich fruchtende Art, die den Laborgezüchteten auch in der Potenz nicht allzusehr nachsteht? Naja, wer so fragt… Natürlich, die gibt es! Gestatten, Psilocybe cyanescens (, früher auch Hypholoma cyanescens genannt). Sie gedeiht gut auf allem möglichen verwesenden pflanzlichen Material, zum Beispiel an Flußufern und selbst auf früheren Müllhalden oder auf Holzstückchen in Rhododendronparks. Möglicherweise wurde sie irgendwann einmal aus den USA eingeschleppt. Sie kann praktisch guerillaartig an unauffällige Standorte in der Natur verbracht werden. Aber ein kleiner Dämpfer muß sein: Pilze sind schwer berechenbar, ihr Wachstum von vielen Umweltfaktoren abhängig, so daß es sein kann, daß vielleicht in einem Jahr fast überhaupt keine, in einem anderen Jahr Unmengen Pilze aus dem Boden schiessen. Vielleicht geht das Mycel (,der faserige unterirdische Teil, der den eigentlichen „Pilz“ darstellt,) auf Grund irgendwelcher Bedingungen zu Grunde oder der Wirkstoffgehalt der als Fruchtkörper sich aus dem Mycel entwickelnden Pilze ist plötzlich nur verschwindend gering. Je kontrollierter die Bedingungen ausfallen unter denen Mycel und Pilze wachsen, desto abschätzbarer und vor allem steigerbarer werden sowohl Potenz als auch möglicher Ertrag. Aber es kann gerade im Freien vieles dazwischen kommen. Das weiß auch jeder, der regelmässig einen bestimmten Pilzstandort in der Natur aufsucht. Bei den „Psilocyanos“ erweist sich auch, wie abhängig der Wirkstoffgehalt von der gewählten Sorte ist. Spezielle aus den USA stammende Zuchtsorten sollen zu den stärksten Psilos überhaupt gehören. 1 Gramm dieser getrockneten Powerpakete entspräche etwa 5 bis 6 Gramm durchschnittlicher Psilocybe cubensis! Wildwachsende einheimische Psilocyanos fallen, so sie denn überhaupt mal in der freien Flur entdeckt werden, lange nicht so extrem aus. Wie problematisch es sein kann, bestimmte wildwachsende Psilos von ihren unwirksamen oder gar toxischen Verwandten zu unterscheiden, zeigt die recht seltene, sich aber bei uns immer weiter in Richtung Westen ausbreitende, potente Art Inocybe aeruginascens, von der vor nicht allzu langer Zeit voller Begeisterung die Rede war, da ein Trip mit ihr aufgrund eines zusätzlichen Wirkstoffes („Aeruginascin“) von einer besonders euphorischen Note geprägt sein sollte. Sie ähnelt leider einer Reihe anderer giftiger Inocyben, die selbst vom Fachmann nur schwer zu unterscheiden sind. Wer also kein unnötiges Risko eingehen will, sollte sich sowieso generell vor und nach dem Sammeln ausführlich in der Fachliteratur informieren und sich von Kennern beraten lassen. Besser isses.

AZ

P.S.
Anne Stephanos vom Zauberpilzblog hat mich auf eine schöne Ergänzung zum Artikel aufmerksam gemacht. Sie weist darauf hin: „Hauptsächlich überliefert ist der Gebrauch psychogener Pilze von Mittel- und Südamerikanischen Schamanen. Für diese indigenen Kulturen waren die Zauberpilze das „Fleisch der Götter“ und eine hochheilige Angelegenheit – man berauschte sich damit nicht zu hedonistischen Zwecken wie heute junge Menschen im Westen. Die Sakraldroge wurde gezielt eingesetzt, um Visionen oder Heilungen zu ermöglichen.“ Quelle: http://zauberpilzblog.net/blog/2016/10/24/kulturgeschichte-psychogener-pilze-zusammenfassung-bisheriger-forschung/  Wer regelmäßig mehr über Zauberpilze erfahren möchte, dem kann ich Annes Blog nur ans Herz legen.

 

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Schlafmohn – Papaver somniferum

Eine alte Nutzpflanze

HanfBlatt 3/2004

Assoziiert mit Schlaf, Traum und Tod, betäubungsmittelrechtlich strengstens verboten, wie sonst nur die exotische Kokapflanze oder der geliebte Hanf, gedeiht der Schlafmohn (botanisch Papaver somniferum) alle Sommer wieder in bundesdeutschen Gärten. Begeben wir uns nur einmal auf ein simples Schlafmohn-Spotting, so entdecken wir die Drogenpflanze als illegale Zierpflanze prächtig gedeihend in zahlreichen Gärten, ob in Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen oder Bayern. Eine Kleingartensiedlung in Lüneburg verblüffte letztes Jahr dadurch, da§ praktisch jeder zweite Garten mitmachte und selbst der Kinderspielplatz mit Schlafmohn eingefriedet worden war. Verwildert finden wir ihn am Ostseesteilufer und an Böschungen in Autobahnnähe ebenso wie in einem Botanischen Garten, wo er sich über weite Areale verbreitet hat. Die frisch geschnittenen grünen Kapseln wurden von Floristen auf dem Kuhdamm in Berlin oder auf Märkten in Frankfurt verkauft. Getrocknete, noch unbehandelte (das heißt noch nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Essigsäure extrahierte und des Morphins beraubte) aber oftmals in ihren Herkunftsländern bereits geritzte Köpfe, werden nach wie vor zu Dekozwecken oder in der Friedhofsgärtnerei zur Winterszeit angeboten.Die Samen wurden, obwohl der Anbau strengstens verboten ist, in offiziellen Samentütchen am Münchner Viktualienmarkt gehandelt. Sie sind auch, oft noch gut keimfähig, als Gewürz und zum Backen erhältlich.

Kaum jemand scheint sich der Strenge des Schlafmohnverbotes bewusst zu sein. Es ist ein Verbot, das praktisch nicht durchgesetzt wird. Viele Normalbürger könnten über die Durchsetzung dieses absurden Gesetzes kriminalisiert werden. Ein Spaß, der die ein oder andere Anzeige vielleicht wert wäre. Aber Scherz beiseite: Ziel sollte natürlich die Entkriminalisierung des Umgangs mit diesem über Jahrtausende die Menschheit begleitenden Attributes der Hera und der Aphrodite sein.

Der Schlafmohn ist eine wunderschöne einjährige Blume, nicht zu verwechseln mit dem wildwachsenden roten Klatschmohn (Papaver rhoeas) und dem mehrährigen zur Zierde angepflanzten orange oder rotblühenden Türkenmohn, auch Orientalischer Mohn (botanisch Papaver orientale oder Papaver bracteatum) genannt. Diese enthalten kein Morphin oder ähnlich begehrte Alkaloide.

Schlafmohn ist in unserem Klima tatsächlich leicht zu ziehen, sogar auch in Mittelgebirgslagen. Er benötigt viel Sonne, aber weniger Hitze. Zu Beginn des Wachstums wird Phosphor benötigt, Stickstoff später. Düngung erwies sich als ertragssteigernd. Er wird meist im April leicht bedeckt in wärmeren, nährstoffreichen Boden in gutem Humus- und Kulturzustand gesät und benötigt zur Keimung ein bis zwei Wochen. Zum Keimen und im frühen Wachstumsstadium ist ausreichend Feuchtigkeit erforderlich, zur Blüte weniger, zur Kapselentwicklung noch weniger und zur Reife Trockenheit. Die Keimlinge werden ausgedünnt durch Auszupfen der Nachzügler, sobald sie sich gegenseitig bedrängen, damit sich lieber weniger Pflanzen zu ausreichender Größe entwickeln können, als dass viele Pfänzchen mickrig bleiben. Auch Unkraut wird entfernt. Krustenbildung des Bodens wird durch Hacken verhindert. Die Blüte erfolgt meistens Ende Juni, Anfang Juli, kann sich im Einzelfall bei großüchsigen Sorten auch bis Anfang August rauszögern. Die Knospen richten sich erst kurz vor der Blüte auf und öffnen sich ziemlich abrupt. Schon nach ein bis zwei Tagen fallen die Blüenblätter ohne zu Welken ab. Die Blüte des Mohnbestandes zieht sich vielleicht ein bis zwei Wochen hin, abhängig von der Zahl der Seitentriebe. Die Kapseln reifen in etwa vier bis sechs Wochen aus.

Der Schlafmohn blüht weiß, violett, rot oder in Mischungen dieser Farben. Seine Blüten sind einfach, geschlitzt oder gefüllt. Manche Sorten bilden nur zwei bis drei Bläten und Köpfe aus, manche vier bis sechs und mehr. Die Mohnköpfe oder Samenkapseln sind rund, tonnenförmig, birnenförmig oder länglich geformt. Eine besonders kuriose Form wird „Henne mit Küken“ genannt und weist an jeder großen Kapsel zahlreiche kleine Seitenableger auf. Es gibt zwergwüchsige Pflanzen, aber auch Exemplare mit einem Blütendurchmesser bis 16 cm und einem Höhenwachstum bis 140 cm. Es gibt frühreifende Sorten mit einer Vegetationsdauer von etwa 90 Tagen, aber auch spätreifende. Die schmackhaften Samen sind bläulich, grau, wei§ oder bräunlich gefärbt. Es gibt eine Variante, deren Kapseln sich beim Trocknen öffnen, so da§ die Samen herausrieseln, der sogenannte Schöttmohn. Logischerweise beliebter ist die geschlossen bleibende Variante, der Schließmohn.

Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien - Kopie
Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien

 

In vielen Ländern wird der Schlafmohn nämlich in erster Linie wegen der leckeren nahrhaften Samen angebaut, die wir von Mohnbrot, -brötchen, kuchen, -pudding usw. kennen. Selbst wenn die getrockneten Mohnköpfe zur Alkaloidextraktion (Morphin und andere) oder das Ritzen zur Opiumgewinnung im Vordergrund stehen, bilden die Samen ein begehrtes Nebenprodukt. Sie enthalten etwa 45 bis 50 % eines hochwertigen (Speise-) Eis , au§erdem knapp 25 % Proteine mit fast allen wichtigen Aminosäuren außer Tryptophan, au§erdem Kohlehydrate und Mineralstoffe, insbesondere Calcium (5-6%) und Eisen (0,8-0,9%), sowie Spuren von Alkaloiden, die einen empfindlichen Urintest opiatpositiv erscheinen lassen können.

Aber zurück zu den sortenabhängigen erblichen Eigenschaften des Schlafmohns. Sie sind Ausdruck der Zucht durch den Menschen. Auch der maximale Wirkstoffgehalt, insbesondere der des Morphins, scheint genetisch vorgegeben zu sein. Seine Ausprägung unterliegt aber stark den klimatischen Bedingungen und Umweltfaktoren unter denen der Schlafmohn wächst. So ist der Morphingehalt beispielsweise in warmen Sommern höher. Regen während der Kapselreife verringert ihn. Hierzu wurden in den Fünfziger und Anfang der Sechziger Jahre in der ehemaligen DDR und anderen Ostblockländern eine Reihe von Studien durchgeführt.

Was vielen Menschen nicht bekannt ist, ist die Tatsache, daß auch der bei uns in Deutschland gedeihende Mohn ein hochwertiges Ritzopium liefern kann. Es wurden bei Anbauversuchen in Deutschland zwischen 7 und 30 mg getrocknetes Rohopium (4% Wassergehalt) pro Kapsel geerntet mit einem durchschnittlichen Morphingehalt von 15,5 %!. Bei anderen Versuchen waren Gehalte zwischen 16 und 20 % Morphin (bei Spitzen um die 22 %) nicht ungewöhnlich. Unverschnittenes Schwarzmarktopium aus den bedeutsamen Schlafmohnbauländern (Goldener Halbmond, das hei§t Afghanistan, Pakistan und Nachbarländer, Goldenes Dreieck, was für Burma, Laos und Thailand steht, Libanon, sowie Mexiko und Kolumbien) enthält oft nur vergleichsweise niedrige Gehalte von deutlich unter 12 %. Aus dem Großteil dieses Opiums wird allerdings Morphin extrahiert und auf chemischem Wege in Heroin umgewandelt, für das ein viel größerer Markt besteht. Nur wenig Schwarzmarktopium gelangt zum Beispiel durch iranische Geschäftsleute oder direkt aus Afghanistan oder über Ru§land nach Deutschland. Wenn es mal erhältlich ist, werden Preise zwischen 10 und 20 DM, teilweise hoch bis 40 oder gar 70 DM pro Gramm verlangt und auch bezahlt. Es hat einen erstaunlich guten Ruf, selbst bei Leuten, die von sich behaupten, Heroin niemals anrühren zu wollen. Die auch dem Konsum von Opium inhärenten Risiken, insbesondere das tödlicher Überdosierung und das einer Abhängigkeitsentwicklung, rechtfertigen eine mythische Höherstellung des Opiums nicht.

Zur Opiumgewinnung werden die ausgewachsenen noch grünen Kapseln, frühestens nach acht bis zehn Tagen, in unseren Breiten eher zwei bis drei Wochen nach Abfallen der Blütenblätter oberflächlich so geritzt, dass möglichst viele der in Kettengruppen im Parenchymgewebe der grünen Kapseln konzentrierten Milchröhren angeschnitten werden und der wei§e Milchsaft austreten kann, ohne dass er ins Innere der Kapsel fließt und damit verloren geht und auch die Samenernte beeinträchtigt. Deshalb sind dickwandige Kapseln für das Opiumritzen besser geeignet. Dafür werden Messser mit rasiermesserscharfen Klingen verwendet und eine wohlgelernte Ritztechnik. Den richtigen Erntezeitpunkt zu erkennen ist eine auf Erfahrungswerten beruhende Kunst für sich. Geritzt wird üblicherweise nachmittags und zwar senkrecht, waagerecht oder spiralförmig. Kurze Schnitte werden bevorzugt, wenn mehrmals geritzt werden soll, lange umfassende Schnitte bei einmaliger Ritzung. Der Ertrag und der Morphingehalt der folgender Ritzungen verringern sich. Der austretende noch dünnflüssige Milchsaft kann gleich eingesammelt werden, um ihn vor Regen, Licht und Hitze geschützt zu trocknen. 1 Gramm frische Milch ergab im experimentellen Anbau bei Darmstadt etwa 0,34 g getrocknetes Opium. Oder man lässt den Milchsaft über Nacht dickflüssig und braun werden, um ihn dann am nächsten Morgen mit einem stumpfen Werkzeug abzuschaben und in ein Gefäß oder auf einem Mohnblatt für die weitere Verarbeitung und Trocknung abzustreifen.

Wie arbeitsaufwendig die Opiumernte ist, zeigen Versuche in der ehemaligen DDR. Eine Person konnte in einer Stunde durchschnittlich 200 Kapseln ritzen und nur 100 Kapseln abschaben. Bei einem Ertrag von etwa 40 bis 50 mg noch recht wasserhaltigen Opiums (20 bis 30 %) pro Kapsel wurde eine für die Gewinnung von 100 Gramm Rohopium erforderliche Arbeitsleistung von 31 Stunden errechnet. In der sogenannten Dritten Welt wird da wohl fixer gearbeitet und zwar für viel weniger Lohn. So rentiert sich die Opiumgewinnung zu medizinischen Zwecken bei uns schon lange nicht mehr, und wir profitieren mal wieder von der Armut der anderen. (Was die Opiumgewinnung für medizinische Zwecke betrifft, ist Indien der Hauptlieferant.)

Welche Teile der Pflanze enthalten Morphin?

Die gesamte Pflanze enthält Morphin. Dieses konzentriert sich in den Milchröhren der Pflanze, die sich wiederum besonders dicht in den oberen Pflanzenteilen, insbesondere in den Wänden der durchschnittlich etwa 3 bis 4 cm hoch werdenden Kapseln entwickeln. So weisen der obere Stengelabschnitt und die ausgewachsenen noch unreifen grünen oder bereits gereiften braunen Kapseln den mit Abstand höchsten Morphingehalt auf. Nach der Samenreife fand man 70 % des in der ganzen Pflanze enthaltenen Morphins in den von den Samen befreiten Kapseln. In den getrockneten Schlafmohnkapseln wurde Morphin abhängig von Sorte, Anbaubedingungen und Pflanzenindividuum mit einem Anteil zwischen 0 und 1,7 % ermittelt, eine enorme Spannbreite, die Dosierungen schwierig, mitunter sogar lebensgefährlich macht! Typisch war eine Spanne zwischen 0,1 und 0,8 %, mit einer Ballung bei 0,2 bis 0,4 %. Wie gesagt, gibt es aber auch Varietäten mit einem ganz niedrigen Morphingehalt und solche mit einem Gehaltsmaximum von 1% oder mehr!

Auch die Kapselgröße ist stark schwankend. Mag der Durchschnitt des Gewichts der leeren Kapseln bei 1,5 bis 3 Gramm liegen, so wurden doch in einzelnen Kapseln Morphinmengen zwischen 0 und 38 mg analysiert, eine unabschätzbare Variationsbreite, die bei Selbstversuchen fatale Folgen haben kann.

Für jemanden, der Morphin nicht gewohnt ist, sind bereits 10 mg (0,01g) eine kräftige, 30mg eine starke und über 100 mg eine möglicherweise lebensgefährliche, 300 bis 400 mg eine mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Dosis! Dies sollten Experimentierer, die sich trotz Verbotes über die Pflanze hermachen, bedenken.

Sowohl Opium als auch der getrocknete Schlafmohn enthalten außer dem im Jahre 1806 von Friedrich Sertürner isolierten Morphin zahlreiche weitere Alkaloide, insgesamt etwa 25, die ihren Anteil an der Gesamtwirkung haben, so dass diese nicht mit der des reinen Morphins identisch ist und durchaus spŸrbaren Schwankungen unterworfen sein kann.

Die im Schlafmohn produzierten Alkaloide bilden die Grundlage einer Unzahl wertvoller Medikamente. Morphin ist zweifellos das bekannteste unter ihnen. Es machte Opium über Jahrtausende hinweg zum stärksten Schmerzmittel. Opium hat unendlich viel Schmerz und Leid gelindert und ist insofern ein echtes Geschenk der Götter. Auf der anderen Seite wurde es aber auch zum Inbegriff für Sucht und körperliche Abhängigkeit, die sich bereits nach wenigen Wochen täglichen Konsums einstellt. Bemerkenswert ist bei täglicher Einnahme die Entwicklung einer Toleranz für Einzeldosen, die einen Experimentierer umbringen würden. Nach Entzug verschwindet die Toleranz wieder, eine erhöhte Sensibilität tritt auf. Das Risiko einer tödlichen Überdosis durch Fehleinschätzungen erhöht sich. Der Entzug nach täglichem missbräuchlichen Opiatkonsum wird körperlich und psychisch umso anstrengender, je länger und umso höher dosiert konsumiert wurde.

Morphinentzug

Gähnzwang, Niesen, Ängstlichkeit, Opiatgier, Schwitzen, Tränenflu§, Unruhe, Schlaflosigkeit, schließlich Pupillenerweiterung, Gänsehaut, Zittern, Glieder-und Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe, Hitzewallungen, Appetitlosigkeit, dann Steigerung der Herzschlagfrequenz, Blutdruckanstieg, Fieber, †belkeit bis hin zum Erbrechen, Durchfall, das Ganze begleitet von innerer und motorischer Unruhe und Getriebenheit bis hin zu Zwangsvorstellungen, eine seelische Empfindlichkeit und Konfrontation mit dem, was mehr oder weniger lange unterdrückt wurde, mit der eigenen beschissenen Lebenssituation und verdrängten Gefühlen, prägen den Entzug, der etwa sieben Tage umfasst. Je schlechter die Zukunftsperspektiven, desto sinnloser erscheint der Entzug. Nach dem Entzug kann es manchmal noch Monate der Lustlosigkeit, inneren Leere und Depressivität dauern, bis sich wieder ein inneres Gleichgewicht herstellt. Ein Entzug sollte immer vorher mit einem Arzt abgesprochen werden. Es können lebensbedrohende Komplikationen auftreten. Eine schützende und pflegerisch kompetente Umgebung kann hilfreich sein.

schlafmohnpostkarte
In Deutschland werden Morphinpräparate zur Linderung starker Schmerzen, wie zum Beispiel bei Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium, nur sehr zurückhaltend verschrieben. In Dänemark werden etwa 15 mal soviel Morphinpräparate zu diesem Zweck verschreiben. Es kursiert noch immer das Schreckgespenst der Sucht und angeblicher Lebensverkürzung durch Opiate und Opioide durch die Reihen der deutschen Ärzteschaft. Dabei könnte über die Linderung körperlicher Schmerzen psychisches Leid verringert und damit zusammenhängende körperliche Beschwerden beseitigt werden. Zum Deutschsein scheint Leiden irgendwie dazuzugehören. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Drogenexperimentierer nehmen zunächst nur geringe Dosierungen, zum Beispiel 0,1 Gramm des zähen, klebrigen charakteristisch pflanzlich-süßlich riechenden Opiums oral oder den (zur Erhöhung der Löslichkeit des Morphins eventuell angesäuerten) Tee aus 2 bis 6 Gramm der in Viertel geschnittenen und möglichst schnell getrockneten Mohnköpfe. Sie beschränken die Einnahme auf wenige Gelegenheiten. Beim Rauchen des Opiums, das auf dem Prinzip des Verkochens der Wirkstoffe basiert, werden grö§ere Mengen verbraucht. Der Kurze mit der Inhalation zusammenhängende Törn verführt bisweilen zum exzessiven Gebrauch.

Abhängige könnten sich durch höhere Dosierungen aus eigener Ernte selbst versorgen. (Es lässt sich schwer sagen, wieviel Anbaufläche zur Versorgung eines abhängigen Opiatgebrauchers erforderlich wären. Es kursiert beispielsweise die Zahl von einem maximalen Opiumertrag von 8 kg pro Hektar. Bei einem durchschnittlichen Morphingehalt von 12 % würde dies 1 kg Morphin entsprechen. Aus der noch grün getrockneten Gesamtpflanze liessen sich auf industriellem Wege etwa 8 kg Morphin extrahieren, aus den Mohnköpfen und den oberen 10 cm Stengel etwa 4,3 kg.) Die schwere Einschätzbarkeit der Dosierung macht die Selbstversorgung allerdings zu einem riskanten Unterfangen. Auch durch Schlafmohntee hat es bei uns bereits Todesfälle gegeben!

Wie wirkt nun Morphin als der wichtigste Inhaltsstoff des Opiums? Er wirkt schmerzlindernd, das heißt der unangenehme Charakter vorhandener Schmerzen schwindet, verstopfend, pupillenverengend, hustenreizstillend, herzschlagverlangsamend und atemverflachend bis hin zum Atemstillstand, der bei fehlender künstlicher Beatmung oder sofortiger Zufuhr eines Opiatantagonisten die typische Todesursache einer reinen Opiatüberdosis darstellt. Zusätzlicher Konsum von Alkohol, Benzodiazepinen (Valium, Rohypnol usw.), Barbituraten (Speda u. dergl.) erhöht das Risiko gefährlicher vielleicht tödlich endender Komplikationen. Ü †belkeit bis hin zu Erbrechen treten bei gelegentlichen Gebrauchern und höheren Dosierungen häufig auf. Auch Appetitminderung, Verengung der Magen- und Darmschließmuskeln, sinkende Körpertemperatur, Juckreiz, Schweißausbrüche, Harnverhaltung, Muskelentspannung, Schwindel, Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufabsturz gehören zum Wirkungsspektrum. Aber für den Konsumenten entscheidender ist die sedativ-hypnotische Wirkung, das matte Wegdämmern zwischen Wachen und Schlaf kombiniert mit einem wohlig-warmen fliessenden Körpergefühl bei oberflächlicher Betäubung der Haut und einer zu Ängsten und Sorgen distanzierten emotionalen Gleichgültigkeit bis hin zu abgehobener Euphorie.

Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien
Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien

 

Manch eine(r) fühlt sich unter Opiaten erst „normal“, kann sich vielleicht zum ersten mal selbst ertragen. Wenn man die Wirkung so empfindet, sollten, glaube ich, die Alarmglocken schrillen. Wenn Mensch es nicht anders lernt, mit sich selbst liebevoller umzugehen, ist Mensch gefährdet, die Droge in abhängiger Weise zu konsumieren. Schlauer ist sowieso, wer die Finger von Opium und Opiaten völlig lässt. Das Denken bleibt unter Opium relativ klar. Mancheiner driftet ins Träumerische ab. Dies ist aber keineswegs die Regel. Der schwülstige Opiumtraum ist eher die Ausnahme und wohl nicht mehr ganz zeitgemäß. Heute schaltet man eher die Glotze an und lässt sich berieseln. Die Kombination mit Cannabis fördert die Phantasie, intensiviert den Rausch, verstärkt aber auch den Zugang zu eventuell vorhandenen Ängsten.

Die Sexualität ist während der Wirkung besonders bei dauerhaftem Konsum eher gehemmt, kann aber besonders in Kombination mit anderen Zutaten (Stechapfel, Brechnuss, Cannabis, Gewürze, nach dem Prinzip der „Orientalischen Fröhlichkeitspillen“,) und nur ausnahmsweisem Gebrauch im besonderen Setting lustvoll gestaltet werden.

Oral eingenommenes Opium oder Schlafmohntee beginnen erst nach vielleicht einer halben bis einer Stunde zu wirken. Es folgt ein Törn der Wirkungssteigerung. Die gesamte Wirkdauer beträgt etwa 4 bis 6 Stunden. Hohe Opiumdosen wirken länger, gerauchtes Opium erheblich schneller und kürzer. Ein Hang over mit Mattigkeitsgefühlen am nächsten Tag ist nicht ungewöhnlich.

Insgesamt steht Opium für mich eher für, wenn auch wohligen, Leerlauf, Stagnation, Isoliertheit, Vormichhindümpeln, Warteschleife, Ruhigstellung, also nicht gerade das, was ich mir für mein Leben wünsche. Aber jedem, wie er oder sie es gerade braucht.

Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien
Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien

Einen Feldzug gegen eine Pflanze und die Menschen, die letztlich eigenverantwortlich damit umgehen, zu führen, ist nicht nur absurd, sondern hat fatale Folgen, wie die gescheiterte Repressionspolitk nur zu offensichtlich zeigt. Die Kriminalisierung der OpiatgebraucherInnen hat maßgeblich zur Verelendung und zur Verbreitung von Krankheiten wie chronischer Hepatitis und AIDS unter einer großen Zahl von Menschen beigetragen, die genau wie wir alle ein Recht darauf haben, menschenwürdig behandelt zu werden und selbstbestimmt zu leben. Sie brauchen dieses Recht nicht erst durch abstinentes und angepasstes Verhalten zu erwerben, wie es in der Gründungserklärung der Selbsthilfeinitiative JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) heißt.

 

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Butandiol – GHB


1,4-Butandiol

Über 1,4-Butandiol ist bisher (12/98) noch nicht allzuviel bekannt. Es gilt als Ersatz für das unter der Bezeichnung „Liquid Ecstasy“ zuerst in den US-Medien und jetzt auch in Deutschland verteufelte GHB (Gamma-Hydroxy-Butyrat). Mal wieder ist eine neue „Horrordroge“ am Start. Das macht neugierig und man will mehr wissen, und zwar die vorhandenen „Facts“ und nicht das zur Lachnummer degenerierte „volksverhetzende“ Propaganda-Geschwafel der offiziellen Antidrogenpolitiker und der sensationsgeilen Journaille.

Wer alles Wichtige über GHB und damit letztlich auch über 1,4-Butandiol erfahren will, der sollte sich „GHB-The Natural Mood Enhancer“ von Ward Dean, John Morgenthaler und Steven Wm. Fowkes, erschienen 1998 bei Smart Publications, PO Box 4667, Petaluma, CA 94955, ISBN 0-96227418-6-8, bestellen. Dort wird auch beschrieben, wie sich aus frei erhältlichen Chemikalien (Gamma-Butyro-Lacton, kurz GBL, und Natriumhydroxid bzw. alternativ andere basische Salze) auf einfache Weise GHB-Salz synthetisieren läßt. Man sollte bedenken, daß dieses fachkundige Buch von dem verantwortungsbewußten rekreativen und mehr noch dem medizinischen Einsatz von GHB gegenüber positiv eingestellten Autoren stammt. GHB mag bei weitem nicht so gefährlich sein, wie es sensationshungrige Medien weismachen wollen, dennoch gibt es eine ganze Reihe ernstzunehmender Mediziner, die vor dem verantwortungslosen Gebrauch, möglicherweise noch in Kombination mit anderen psychoaktiven Drogen, warnen!
GHB

Sowohl 1,4-Butandiol als auch GBL lassen sich problemlos im Chemikalienfachhandel bestellen, über Internet beispielsweise zum Preis von 15,25 DM für 250 Gramm 1,4-Butandiol, ca. 99% rein, oder 12,80 DM für 100 ml gamma-Butyrolacton 99+%. Dazu kommen natürlich noch Bestell- und Versandkosten. Der Versand erfolgt per Post direkt nach Hause.

In der Chemie wird 1,4-Butandiol wegen seiner hygroskopischen und weichmachenden Eigenschaften an Stelle von Glycerin und Glycol verwendet und zwar in der Textil- und Papierindustrie und zur Rauchwarenveredlung! Es ist außerdem ein wichtiges Zwischenprodukt zur Synthese anderer Chemikalien, unter anderem auch von Butyrolacton! (Siehe „Fachlexikon ABC Chemie“)

1,4-Butandiol hat eine Molmasse von 90,12 und eine Dichte von 1,02, das heißt 1 Milliliter (ml) wiegt ungefähr 1 Gramm! (so wie Wasser!)

1,4-Butandiol, in der Chemie auch 1,4-Butylenglycol genannt, schmilzt bei etwa 20 °C. Die farblosen Kristalle oder die weiße Kristallmasse verwandeln sich in eine klare Flüssigkeit. Wenn es ersteinmal flüssig oder fest ist, bleibt es meist eine Zeit lang in dem entsprechenden Aggregatzustand. Zur Aufbewahrung eignen sich am besten gut verschließbare braune Glasflaschen. Zum Konsum wird die flüssige Form bevorzugt. Verfestigtes 1,4-Butandiol kann in Heizungsnähe leicht wieder verflüssigt werden. Es läßt sich gut mit Hilfe einer Pipette mit Meßskala entnehmen und dosieren. Flaschen mit Pipettenverschluß sind demnach ideal.

Bei einer Temperatur von 134 °C ist 1,4- Butandiol entflammbar! Bei 230 °C verdampft es. Im Chemikalienhandel wird es als schwach wassergefährdender Stoff und gesundheitsschädlich kategorisiert. Es reize die Augen und die Haut und sei gesundheitsschädlich beim Verschlucken! Bei Berührung mit den Augen sollen diese gründlich mit Wasser abgespült und ein Arzt konsultiert werden.

Das Lycaeum-Drogenarchiv im Internet warnt vor der Einnahme von 1,4-Butandiol und GBL. Beide Substanzen könnten Krankheit verursachen, selbst wenn sie nur leicht unrein seien. Industrielle und technische Produkte sollten als ungeeignet für menschlichen Konsum angesehen werden.

Mit Hinweis auf die entsprechende Fachliteratur wird dort im Internet, nachlesbar unter www.lycaeum.org, berichtet, daß das pharmakologische und toxikologische Profil von 1,4-Butandiol, wie von GBL, mit dem von GHB praktisch identisch seien, da diese Substanzen im tierischen und menschlichen Körper schnell und umfassend zu GHB umgewandelt würden, dieses dann seine typischen Wirkungen entfalte und dann eben als GHB entsprechend schnell und vollständig abgebaut würde. Demzufolge sind von diesen Substanzen weder krebserregende noch organschädigende Wirkungen zu erwarten. Dieser zwar zunächst entwarndende, aber dürftige Informationsstand sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß über mögliche gehirn- oder andere Organe schädigende Wirkungen des 1,4-Butandiols praktisch noch nichts bekannt ist. Selbst wenn die Risiken ähnlich einzuschätzen sind wie bei GHB, so bleibt immer noch die Frage offen, ob nicht chemische Verunreinigungen mögliche nachteilige Wirkungen entfalten könnten. Selbst bei nur 1% Verunreinigung wären an einer Dosis von 3 ml immerhin 30 Milligram (mg, also 0,03 Gramm) unbekannter Substanzen beteiligt. Es wäre wichtig herauszufinden um welche Verunreinigungen es sich jeweils handelt oder handeln kann und welche toxischen Risiken mit ihnen verbunden sind. Derartige Risiken sind übrigens bei aus verunreinigten Ausgangssubstanzen synthetisiertem Schwarzmarkt-GHB noch erheblich höher einzuschätzen.

1,4-Butandiol ist auf Grund seiner psychoaktiven Wirkungen bereits stark überteuert quasi als psychoaktives Schlangenöl verkauft worden. Unter der Bezeichnung „Borametz“ sollte es sich um einen angeblich aus Rußland stammenden Pflanzenextrakt handeln. Diesen „Borametz-Schwindel“ hat John Hanna aufgeklärt. Sein umfangreicher und sehr interessanter Bericht, der auch weitere Hintergründe zu 1,4-Butandiol liefert, erschien in der lesenswerten Zeitschrift „TRP“, Kurzform für „The Resonance Project“, Ausgabe Nr. 2, Winter 1997/98, siehe im Internet unter www.resproject.com. Mit einem psychoaktiven Produkt, dessen Risiken kaum bekannt sind, Profit machen zu wollen, ist verantwortungslos! In diesem Falle sind sogar schon eine Reihe von Risiken bekannt, nämlich die, die für GHB gelten. Besonders bei Verbreitung in einer leichtfertig diverse psychoaktive Substanzen gleichzeitig konsumierenden Szene, wie zum Beispiel auf Technoparties, bestehen hohe Risiken negativer Reaktionen!

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an überteuerten GHB-Ersatzmixturen, die die ein oder andere Vorläufersubstanz als wirksame Grundlage enthalten. Die Präparate heissen zum Beispiel „Gamma-G“ („40 Dosis-Flasche für 89.95 $“, „High Times“-Anzeige 3/99), „Revivarant“ oder „Renewtrient“. Vermutlich GBL wird in den USA seit August 1998 als „Blue Nitro“ verkauft. Der Umsatz soll sich bei steigender Tendenz auf über 5000 Flaschen pro Woche belaufen, bei einem Preis von 64.95 $ pro Flasche. ( Siehe San Francisco Examiner, 11. 01.1999)

Die Verkaufsmedien für diesen Handel sind Internet, einschlägige Magazine, Sex-Shops, Techno-Parties, Smart-Shops etc.. Die obskure Substanz 4-Hydroxy-2-Furanon, die im Körper angeblich auch in GHB umgewandelt wird, wird in affiger Sex-Shop-tauglicher Verpackung, in den Niederlanden als „G-Spot“, ein „vitaminangereichertes Aphrodisiakum“ „als diätischer Zusatz“ vertrieben. Die Smartshops, die das simple Präparat verkaufen, verlangen 25 Gulden für eine Dosis. Man erhält eine primitive Plastikflasche mit 15 ml eines ekelhaft schmeckenden Gebräus, dessen Wirkung vielleicht 1 bis 1,5 ml 1,4-Butandiol entspricht. Wenn man das nicht Wucher nennen darf! Hier geht es um die schnelle Mark ohne Rücksicht auf Verluste.

Tatsache ist aber auch, daß 1,4-Butandiol mittlerweile zunehmend als leicht erhältlicher preiswerter Ersatz für GHB eingenommen wird, sicherlich eine Folge der Kriminalisierung von GHB. In der Szene wird es auch bezeichnet als „Einsvier“ (für 1,4), „Einsvierbe“ (1,4-B), „Oneforbe“ (Englisch ausgesprochen), „Butandiol“ (davon gibt es allerdings noch andere nicht psychoaktiv wirksame Varianten), „Liquid“, „Liquid Ecstasy“ (so werden auch GHB und praktisch unwirksame Smart-Shop-Plagiate genannt) und „Borametz“ (nach dem Schwindelprodukt). Außerdem wird es noch mit anderen „Kosenamen“ belegt. Der Phantasie der Konsumenten sind da keine Grenzen gesetzt. („Love Potion Number Zwei ?“).

Obwohl es nicht selten pur geschluckt wird, möchte ich davon nicht nur wegen dem Geschmack nach verbranntem Plastik, sondern wegen möglicher schleimhautreizender Wirkungen abraten. 100 %iger Alkohol ist auch nicht sonderlich schleimhautverträglich.

Weniger bedenklich erscheint das (übrigens problemlose) Einrühren einer Dosis in 200 bis 300ml (einem großen Glas) Fruchtsaft (nicht Milch!). Eingenommen wird das geschmacklich verträgliche Gebräu damit es schneller und intensiver wirkt auf möglichst nüchternen Magen, einige Stunden nach der letzten Mahlzeit.

Bei 1,4-Butandiolkonsum sollte Alkohol vermieden werden. Vorher eingenommen scheint er das Gefühl für die spezifischen 1,4-Butandiol-Wirkungen zu verringern. Obendrein verstärkt er die dämpfenden und auch andere eher unangenehme Wirkungen wie Schwindelgefühl und Übelkeit. Er erhöht, wenn beide Substanzen gleichzeitig in stärkerer Dosis eingenommen werden, drastisch das Risiko gefährlicher Reaktionen.

Ähnliche Warnungen gelten für alle Arten von Downern. Barbiturate, Benzodiazepine, Opiate usw. können in Kombination mit 1,4-Butandiol zu gefährlichen Komplikationen, unter Umständen möglicherweise bis zum Tod durch Atemstillstand führen.

Auch von der Kombination mit Aufputschmitteln wie Amphetamin, Ephedrin und Kokain muß dringend abgeraten werden. Das gilt auch für „Ecstasy“ (MDMA et. al.). Negative Wirkungsverstärkungen in Sachen Herz-Kreislaufsystem sind denkbar. Genaue Untersuchungen über Wechselwirkungen stehen noch aus.

Coffein gilt als natürlicher Blocker der GHB- und damit wohl auch der 1,4-Butandiol-Wirkungen. Dadurch besteht in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, auftretende Müdigkeit und Duseligkeit mit einer starken Tasse Kaffee oder dergleichen zu bekämpfen oder die Ernüchterung zu forcieren. Andererseits blockiert Coffein vorher genommen die volle Entfaltung der Wirkungen, was meist ja nicht erwünscht ist.

Cannabis (Rauschhanf) vor Einnahme von 1,4-Butandiol geraucht, verstärkt die einschläfernden Wirkungen von 1,4-Butandiol. Die Kombination forciert mitunter ein Driften in einen träumerischen Halbschlaf, der schließlich in (evtl. unruhigen) traumreichen Schlaf übergehen mag. Es ist auch möglich, daß das bei höheren Dosierungen beider Substanzen auftretende Gefühl des „Bedröhntseins“ sich noch verstärkt. Nimmt man jedoch zuerst das 1,4-Butandiol ein, dann kann sich ein „Stonedsein“ mit einer eigenartigen etwas abgetretenen chemisch-spacigen Note einstellen. Das Wohlgefühl vom 1,4-Butandiol mag sich dabei verstärken, die veränderte Wahrnehmung der Sinne und damit der Umwelt auch. Wer generell Angst vor Bewußtseinsveränderung hat, dem sei von dieser Kombination abgeraten.

Als Schlaf- und Entspannungsmittel nach anstrengenden Psychedelika-Trips ist 1,4-Butandiol nicht unbekannt.

Letztlich scheinen sich die 1,4-Butandiol-Wirkungen am besten auf nüchterenen Magen und ohne vorher irgendeine andere psychoaktive Substanz genommen zu haben, zu entfalten. Auch das Risiko unangenehmer Wirkungen wird so reduziert.

Zu den Dosierungen ist folgendes zu sagen: Jeder Konsument muß seine individuelle Sensibilität ermitteln. Diese mag von Fall zu Fall deutlich schwanken. Einige Faktoren sind ja bereits angesprochen worden. Viel hängt von der persönlichen Stimmungslage, der körperlichen Verfassung, wie z.B. Müdigkeit oder Aufgekratztheit, ab. In welchem Umfeld und zu welchem Zeitpunkt man die Substanz nimmt und mit wem ist äußerst bedeutend. Eine relaxede Atmosphäre mit alten Freunden oder vertrauenswürdigen neuen Freunden scheint ideal. Auf der Strasse oder auf unübersichtlichen hektischen Parties ist 1,4-Butandiol kontraindiziert. Ein gewisses Risiko besteht nämlich in einer Überdosierung. Weil es so schön ist, nimmt man einfach immer mehr und schließlich eine einschläfernde Überdosis. An sich zwar relativ ungefährlich, wenn ausschließlich 1,4-Butandiol genommen wurde, kann sie schon innerhalb einer viertel bis halben Stunde zu einem tiefen komaähnlich erscheinenden Schlaf führen. Dieser soll zwar nach 3 bis 5 Stunden beendet sein, der Betreffende erwacht wohl in der Regel entspannt und erfrischt. Tritt der Zustand allerdings an einem ungünstigen Ort auf, besteht die Gefahr der Vorteilnahme durch Andere (sexuell oder materiell) oder von Überreaktionen uninformierter Freunde oder Beisteher, sprich Rufen der Notfallambulanz, die dann mit eigentlich unnötigen unangenehmen „Wiederbelebungsmaßnahmen“ beginnt. Ein reales Risiko ist auch das des Erbrechens während der Bewußtlosigkeit, wenn man sich nicht an die obigen Abstinenzregeln gehalten hat. Die Kombination mit anderen Drogen macht das Risiko von Atemstillstand und anderen Komplikationen schwer abschätzbar. Hier ist der Notfallarzt möglicherweise doch der richtige Partner auf dem Weg zur Ernüchterung. Aber soweit muß man es ja nicht kommen lassen. Eine übliche Sicherheitsmaßnahme ist es, wenn Freunde gegenseitig aufeinander aufpassen, sich auch über die Drogen zu informieren, die man genommen hat, damit im Notfall das entsprechende Wissen an den behandelnden Arzt weitergeben werden und dieser dann die (hoffentlich) richtigen Maßnahmen einleiten kann.

GHB und seine Ersatzaanaloge haben einen gewissen Ruf als „Date-Rape-Droge“. Generell sollte frau ihre Drinks in Anwesenheit dubioser Typen im Auge behalten. Alkohol und Benzodiazepine sind die klassischen Drogen um (meist) eine Frau gegen ihren Willen gefügig zu machen.

Ich möchte jetzt noch ein paar subjektive (!) Anhaltspunkte zur Dosierung geben:

Auf nüchternen Magen, ohne vorherige Einnahme anderer psychoaktiver Substanzen und ohne ausgeprägte Müdigkeit, wirken 1 bis 1,5 ml 1,4-Butandiol bereits subtil. Da sie die Sensibilität für Berührungen erhöhen und leicht enthemmen, aber bei Männern in der Regel kaum mit der Erektionsfähigkeit ins Gehege kommen, stellen sie eine ideale aphrodisische Dosis dar. Dies mag auch bei 2ml noch der Fall sein. Das Erreichen von Erektion und Orgasmus können dann aber verzögert sein. Dafür werden Sex und Orgasmus vielleicht intensiver erlebt. (GHB ist in den USA auch bei manchen Gruppensexfans beliebt.) Ab dieser Dosis (2ml) ist ein deutlicher „Törn“ oder „Rush“ spürbar. Nach bereits 5 Minuten schwach, nach 10 Minuten deutlich, entfaltet sich eine kräftig verstärkende Wirkung. Diese schönste Phase hält etwa eine Stunde an. Eine halbe bis eine Stunde bleibt die Wirkung auf dem erreichten Niveau, um dann über etwa eine Stunde auf Normalnull abzuflachen. Nach 3 bis 4 Stunden ist wieder weitgehende Nüchternheit, vielleicht mit einem euphorischen Nachhall, hergestellt. Gewisse entspannende körperliche Nachwirkungen, auch als Mattheit oder Müdigkeit empfunden, mögen länger, eventuell noch am nächsten Tag, spürbar sein. Der Schlaf kann besonders bei Menschen ohne Schlafprobleme gestört sein, was sich durch zwar erleichtertes Einschlafen aber vorzeitiges Aufwachen nach 3 bis 5 Stunden auszeichnet. Allerdings fühlt man sich dann meistens relativ frisch.

Die eigentliche Wirkung von 1,4-Butandiol ist geprägt durch ein angenehmes erotisches, sinnliches an „Ecstasy“ erinnerndes Körpergefühl. Atmen, Streicheln, Räkeln und Massieren, vielleicht auch Kopulieren, sanfte körperliche Entspannungsübungen oder wiegender Tanz kommen angenehm. Dabei fließt gleichzeitig eine ganz schön starke unruhige aber angenehme an Kokain erinnernde innere Energie. Enthemmung und erhöhte Emotionalität vermögen den Gedanken- und Gesprächsfluß ähnlich wie bei Alkohol und MDMA zunächst kräftig anzuregen. Dabei kann es zu einer in manchen Stadien des Alkoholrausches ebenfalls auftretenden Sentimentalität (z.B. vom Stile, „erinnerst du dich noch, die alten Zeiten“) kommen. Die damit einhergehende, an MDMA erinnernde, freundliche bis herzliche aber nicht haltlose Neigung zu einer liebevollen Öffnung (nach dem Motto, „was ich dir immer schon mal Gutes sagen wollte“) und die bestehenbleibende Bewußtheit für die eigene Befindlichkeit lassen die Öffnung aber deutlich ehrlicher, persönlicher, sympathischer und haltbarer als üblicherweise im Alkoholrausch erscheinen. Das unterscheidet den 1,4-Butandiol-Törn auch vom egomanischen Redeschwall unter Kokain- oder Amphetamineinfluß. Im Einzelfall kann es aber durchaus zu lautem rechthaberischen und aggressiven Gebaren kommen. Da das Ausagieren aufgrund des dennoch vorhandenen körperlichen Wohlgefühls und mangelnder Koordinationsfähigkeit oder Torkeligkeit in der Regel gedämpft ist, kommt es wohl selten zu ernsthaften Auseinandersetzungen unter 1,4-Butandioleinfluß. Erst bei höheren oder wiederholten Dosierungen stellt sich eine vorübergehende Gedächtnisschwäche mit Problemen, sich an kurz zuvor Gedachtes zu erinnern oder passende Worte zu finden, und ein reduzierter Gedankenfluß ein, ein bedröhntes Driften in die eigene innere körperliche Welt bis hin zum ständigen Wegnicken, das allerdings nicht unbedingt als unangenehm empfunden wird. Im Gegensatz zu Opiaten, die einen in die wohlige selbstgenügsame und desinteressierte Isolation zurückzuwerfen vermögen, bleibt die generelle mentale Bereitschaft zum Kontakt mit dem Anderen und der Außenwelt reizvoll und erhalten, selbst wenn die Fähigkeit dazu am schwinden ist. Die Qualität des Denkens und der äußerlichen Wahrnehmungen scheint sich nicht so zu verändern wie es unter Einfluß von Cannabis oder Psychedelika der Fall ist. In diesem Sinne wirkt 1,4-Butandiol allein nicht psychedelisch.

Positive fließende Musik, schmelzige eingängige Sounds und fluffige Melodien und Rhythmen wirken allerdings verstärkt mitreissend und euphorisierend. (Erlebt bei Technomusik und der Schnulze „Liquido“ von „Narcotic“, die wie die Faust aufs 1,4-Butandiol, das auch „Liquid“ genannt wird, zu passen schien.) Die Fähigkeit, sich auf Langweiliges oder Hektisches zu konzentrieren, besonders optisch, wird mit zunehmender Dosis fortschreitend reduziert. Das Reaktionsvermögen ist schon bei niedriger Dosis eingeschränkt! Besonders unter Einfluß höherer Dosierungen sollte man nichts unternehmen bei dem Taumeligkeit, Konzentrations- und Koordinationsstörungen Beeinträchtigungen darstellen.

2,5 ml 1,4-Butandiol stellen eine Dosis dar, die die meisten Menschen schon kräftig beschwingt aber gut kommunikationsfähig beläßt. Bei einer Dosis von 3 ml stellt sich in der Regel ein starker euphorischer aber auch kräftig beduselnder Törn ein. Eine Dosis von 4 ml soll bereits schlaffördernd wirken.

Zur Nachdosierung wartet man entweder bis etwa 2 oder 3 Stunden nach Einnahme der ersten Dosis und entscheidet dann, ob man den ersten Rausch noch toppen will. Der zweite Törn wird insbesondere dann ein wenig stumpfsinniger ausfallen, wenn man gierig wird, mehr will und eine höhere Dosis einnimmt. Wer unbedingt gezielt den Anfangstörn verlängern will, der nimmt bereits nach Erreichen des Plateaus, also etwa nach einer Stunde eine zweite Dosis, die allerdings nur etwa die Hälte der vorhergegangenen Dosis oder weniger betragen sollte, wenn man auf dem gleichen Niveau bleiben will. Mehr als zwei, allenfalls drei Dosierungen sind nicht zu empfehlen. Das Schöne des Rausches schwindet dann schnell zu Ungunsten einer unkreativen Bedröhntheit. In der Praxis allerdings werden sicherlich eine Reihe begeisterter Probierer erstmal übertrieben „auf die Kacke hauen“, bis sie (hoffentlich) ihre persönlichen Grenzen gefunden haben. Es bleibt nur zu hoffen, daß diese Experimentiererei nicht auf Kosten der Gesundheit geht. Über die möglichen Langzeitfolgen für Leber, Nieren, Herz, Gehirn usw. ist noch nichts bekannt! Deshalb muß vor dem experimentellen Gebrauch von 1,4-Butandiol eindringlich gewarnt werden!

Der Törn ist bei höheren Dosierungen von einem zunehmenden Schwindelgefühl und einer Torkeligkeit begleitet, die an späte Stadien des Alkoholrausches erinnert, aber bereits spätestens beim Abklingen der Wirkung wieder schwindet. Ein gewisser Kopfdruck bis hin zu Kopfschmerzen kann als weniger angenehme Wirkung auftreten. Schon vorhandene Kopfschmerzen werden wahrscheinlich bestehen bleiben. Die Kombination mit anderen Drogen (z.B. Stimulantien und Alkohol) scheint das Risiko von Kopfschmerzen zu erhöhen. 1,4-Butandiol scheint auch harntreibend zu wirken. Ein guter Flüssigkeitsumsatz ist zum Schutz vor schleimhautreizenden Wirkungen und zum beschleunigten Ausschwemmen potentiell schädlicher Nebenprodukte wahrscheinlich nicht verkehrt. Ein leichter Magendruck und Sodbrennen wurden als unangenehme Wirkungen genannt. Übelkeit kann bei hohen Dosierungen und besonders bei vollem Magen auftreten. Im Anschluß an die Wirkung kann in der Regel problemlos und mit gutem Appetit gegessen werden.

Die Wirkung ist wie so oft beim ersten Mal am schönsten, vorausgesetzt die Umstände stimmen. Konsumenten sind begeistert von dem sinnlichen Körpergefühl, „natural beauty“, der „Körpergefühldroge“, dem kräftigen, enthemmenden, duseligen „Schwindeltörn“, der „ganz gut reinknödelt“. Wird die Substanz allerdings nachlässig eingenommen, können die körperlichen Empfindungen als nicht ganz so angenehm empfunden werden. Müdigkeit mag dominieren, die eingeschränkte Fähigkeit zu Denken und zu Handeln mag als nervig empfunden werden. Alles hat eben mindestens zwei Seiten. Und keineswegs sollte man es mit der Einnahme dieser noch wenig bekannten Substanz übertreiben. Bei suchtgefährdeten Personen ist ein Risiko eines zumindest vorübergehenden exzessiven Gebrauchs gegeben! Nur die sporadische Einnahme zu passenden Gelegenheiten garantiert den höchsten Genuß. Neugierige sollten trotz der vielleicht verlockend klingenden psychoaktiven Wirkungen Zurückhaltung üben bis Näheres über eventuelle weitergehende gesundheitliche Risiken von 1,4-Butandiol bekannt ist!
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Yohimbe und seine aphrodisische Wirkung

HanfBlatt, 2001

Aphrodisischer Rindenwahn

Nun, da wir Ihr Interesse geweckt haben, können wir anfangen uns mit einer aus Westafrika zu uns kommenden Baumrinde zu beschäftigen, der psychoaktive, wenn nicht sogar leicht psychedelische Qualitäten und wichtiger noch eine aphrodisische Wirkung, in erster Linie auf das männliche Geschlecht, nachgesagt werden. Lange Zeit galt in der Medizin Yohimbin, der Hauptwirkstoff der Yohimberinde, als das einzige „echte“ oral wirksame Aphrodisiakum beim Manne. Nach dem großen Bildzeitungshype für die umstrittene und möglicherweise gesundheitlich bedenkliche Pharmadroge „Viagra“, lohnt es sich, einmal die althergebrachten pflanzlichen Aphrodisiaka zu betrachten. „Yohimbe“ ist wohl das Berüchtigste in diesem Kreise.

Von welcher Pflanze stammt die Yohimberinde?

Es handelt sich in erster Linie um die dunkelbraune Rinde (Cortex yohimbe) des im tropischen Westafrika heimischen Pausinystalia yohimbe-Baumes. Als Ersatz oder Verfälschung für die „echte“ Yohimberinde findet auch die Rinde anderer Pausinystalia-Arten und die kleinerer Bäume, den botanisch nahe verwandten Corynanthe-Arten Verwendung. Sie enthalten dieselben oder nahestehende Wirkstoffe. Am bekanntesten ist die Rinde von Corynanthe pachyceras, die im Apothekenhandel als Pseudocinchonae africanae cortex bezeichnet wird.

Was für Inhaltsstoffe machen Yohimberinde so interessant?

Eine ganze Reihe sogenannter Indolalkaloide, von denen das Yohimbin die meiste Aufmerksamkeit erfahren hat. Der durchschnittliche Yohimbingehalt der Handelsware soll bis 3,4 % reichen können, liegt aber wohl meist deutlich darunter. Die anderen ähnlich wirksamen Alkaloide stellen einen weiteren Bestandteil der Rinde dar, der den Anteil des Yohimbins noch bei weitem übertreffen kann. Wirkstoffe vom Typ der Yohimbealkaloide wurden auch in anderen psychoaktiv wirksamen Pflanzen nachgewiesen, so in der Rinde des weißen Quebrachobaumes (Aspidosperma quebracho-blanco), der Rinde verschiedener Alstonia-Baum-Arten, untergeordnet in der Schlangenwurzel (Rauvolfia) und anderen.

Yohimbin
Yohimbin

Wie wird Yohimberinde dosiert und eingenommen?

Der schwankende Wirkstoffgehalt erschwert die Dosierung ganz erheblich! Es wird deshalb am Anfang möglichst niedrig dosiert. Zunächst kommt nur maximal ein halber (etwa 0,75 Gramm) bis ein schwach gehäufter Teelöffel (etwa 1,5 Gramm) der zerkleinerten Wurzelrinde zum Einsatz. (Die medizinisch-therapeutische Einzeldosis beträgt übrigens nur 0,5 Gramm!) Die Wirkstoffe sind nur schwer in Wasser löslich. Deshalb wird die Rinde unter Zusatz einer milden Säure, zum Beispiel Ascorbinsäure (Vitamin C) oder Zitronensaft, etwa zehn Minuten lang ausgekocht. Der entstandene Sud wird als Tee getrunken. Alternativ können die Wirkstoffe durch Übergiessen der Rinde mit erwärmtem hochprozentigen Alkohol (z.B. Wodka) und längeres Stehenlassen (mindestens 8 Stunden) extrahiert und die entstandene Tinktur eingenommen werden. Die Rinde kann zu feinem Pulver gemahlen runtergespült oder in Kapseln abgefüllt geschluckt werden. Sie läßt sich auch rauchen.

Wie wird das reine Yohimbin genommen?

Yohimbekenner bevorzugen das viel besser dosierbare reine Yohimbin in seiner wasserlöslichen Hydrochloridsalzform. Dieses wird in der Regel oral eingenommen, manchmal auch geschnupft. Als medizinisch-therapeutische Einzeldosen werden 5-10 mg Yohimbin, 1 bis 3 mal täglich, meist über einen längeren Zeitraum ( kurmäßig 3 bis maximal 10 Wochen) angegeben. Hedonisten, die nur gelegentlich Yohimbin nehmen, zum Beispiel für ein psychoaktiviertes Liebesritual, orientieren sich an höheren Einzeldosen von 15 bis 25, maximal 30 mg, beginnen vorsichtshalber aber auch zunächst mit niedrigen Dosierungen.

Woher bekommt man Yohimberinde?

Natürlich aus den westafrikanischen Heimatländern, zum Beispiel aus Nigeria, Kamerun und dem Kongo, aber auch aus dem Kräuterhandel zahlreicher anderer Länder weltweit, denn vielerorts wird der Umgang mit Naturprodukten längst nicht so reglementiert wie bei uns. Dort besteht aber auch das größte Verwechslungsrisiko mit Verfälschungen. Ähnlich wie Ephedrakraut soll die Yohimberinde in deutschen Apotheken nur auf Rezept erhältlich sein. Dies wird aber nicht überall gleichermaßen streng gehandhabt. Als meist etwas teurere Alternative empfiehlt sich der ethnobotanische Fachhandel, der die Rinde bisweilen als botanisches Anschauungsmaterial im Angebot hat.

Woher bekommt man Yohimbin?

Das reine Yohimbinhydrochloridsalz ist schwerer erhältlich. Es ist in den verschreibungspflichtigen pharmazeutischen Präparaten Yohimbin-Spiegel Tabletten und Yocon-Glenwood Tabletten (berechnet zu jeweils 5 mg Yohimbin) enthalten. Manchmal findet das reine Salz den Weg aus dem Pharmahandel zu den Interessenten. Zahlreiche Kombinationspräparate mit aphrodisischem Touch enthalten, meist recht niedrig dosiert, Yohimberindenextrakte oder Yohimbin.

Welche medizinischen Indikationen hat Yohimbin?

Yohimbin wird vom Arzt bei bestimmten Fällen von Impotenz auf Grund erektiler Funktionsstörungen, den „Wechseljahren des Mannes“ und Harninkontinenz verschrieben.

Wie wirkt Yohimbin?

Es gilt als alpha-Adrenozeptorenblocker und Sympatholytikum. Dadurch wirkt es gefäßerweiternd und in niedriger Dosis blutdrucksenkend, in höherer blutdrucksteigernd, außerdem schwach harnzurückhaltend und pupillenerweiternd. Es kann auch als Aphrodisiakum, insbesondere beim Manne, wirken und zwar durch Erweiterung der Blutgefäße der Geschlechtsorgane, sowie eine Erregbarkeitssteigerung der für das sexuelle Funktionieren zuständigen Rückenmarkszentren ohne dabei notwendigerweise das sexuelle Verlangen zu stärken, wie es so schön in der medizinischen Literatur heißt. Diese Wirkung soll aber erst bei regelmässiger Einnahme oder höheren Dosierungen und auch nur bei einem Teil der Gebraucher eintreten. Einnehmer höherer Dosierungen wissen von leichten Bewußtseinsveränderungen, besonders der Sinneswahrnehmungen, in Richtung „psychedelisch“ zu berichten. Manche empfinden auch eine Art Benommenheit.

Es kann besonders bei höheren Dosierungen auch zu unangenehmen Effekten kommen. Das Reaktionsvermögen kann deutlich beeinträchtigt sein, was zu entsprechender Zurückhaltung bei dieses erfordernden Tätigkeiten gemahnt. Muskelzittern und nervöse Erregungszustände gelten als nervige Nebenwirkungen. Eine verstärkte Ängstlichkeit und leicht aggressive Gereiztheit scheinen nicht ungewöhnlich zu sein. Eine leichte Übelkeit, Kopfschmerzen, erhöhtes Schwitzen und Hautrötung können vorkommen.

Bei zu hohen Dosierungen kann es zu Harnverhaltung, Durchfall, Erbrechen, zentraler Erregung, Koordinationsstörungen, starker Zittrigkeit, einem „aufgelösten“ Zustand, eventuell mit Angst oder gar „Halluzinationen“, epileptischen Krämpfen, Abnahme des Sauerstoffgehaltes im Blut mit Blaufärbung der Haut, stark gestiegener Herzschlagfrequenz, Blutdrucksteigerung (!) und Bewußtlosigkeit kommen. Auch von schmerzhaften Dauererektionen wurde berichtet. Extrem hohe Yohimbindosierungen sollen zum Tode führen können. Es empfiehlt sich bei einer starken Überdosis unbedingt ärztliche Hilfe hinzuzuziehen. Aber soweit muß es ja gar nicht erst kommen.

Yohimbe Rinde
Yohimbe Rinde

 

Wer sollte auf keinen Fall Yohimberinde oder Yohimbin nehmen?

Bei psychischen Erkrankungen, entzündlichen Krankheiten, Magen-Darm-Schwierigkeiten, niedrigem oder hohem Blutdruck, Herz-, Leber- oder Nierenproblemen sollte auf die Einnahme vollständig verzichtet werden. In der Medizin ist eine Verschreibung für Frauen nicht vorgesehen. Auf jeden Fall sollte während Schwangerschaft und Stillzeit keine Yohimberinde oder Yohimbin genommen werden. Es scheint auch eine unterschiedliche Empfindlichkeit gegenüber Yohimberinde und Yohimbin zu geben. Man sollte also auf die Signale seines eigenen Körpers achten und die persönlichen Verträglichkeitsgrenzen respektieren.

Was hat es mit der angeblich MAO-hemmenden Wirkung auf sich?

In älteren Szenepublikationen findet sich immer wieder der Hinweis, Yohimbin wirke MAO-hemmend. Monoaminoxidase (MAO) ist kurz gesagt eine körpereigene Substanz, die verhindert, daß bestimmte mit der Nahrung aufgenommene Substanzen im Körper unerwünschte Wirkungen entfalten. Wird die MAO gehemmt, kann die Einnahme bestimmter Nahrungsmittel und Drogen gefährlich werden. Es kann zum Beispiel zu Beschwerden wie Kopfschmerzen und Nackensteife bis hin zu mitunter lebensbedrohlichen Herz- Kreislaufkrisen kommen. Für eine MAO-hemmende Wirkung von Yohimbin scheint es aber keine aktuellen wissenschaftlichen Belege zu geben! Auch in der neuen medizinisch-pharmakologischen Literatur fand sich kein Hinweis darauf. (Bitte Kopie ans Hanfblatt, wenn es Studien oder Fallbeispiele dazu gibt!) Das heißt aber nicht, daß man leichtsinnig werden sollte. Man kann sich vorsichtshalber an die für MAO-Hemmer empfohlenen Diätvorschriften halten, sprich vor und nach Yohimberinden- oder Yohimbineinnahme keine Lebensmittel mit Tryptophan und Tyramin (besonders Bohnen, Bananen, Ananas, Bier, Wein, Sauerkraut, eingelegter Hering, gereifter Käse, Schokolade, Geflügelleber, Hefeextrakt) zu sich zunehmen. Auch sollte man Medikamente und Drogen aller Art (auch Alkohol und Coffein) meiden. Dann geht man in dieser Hinsicht auf Nummer sicher.

Kombinationen mit anderen psychoaktiven Substanzen

Yohimberinde taucht seit den Sechziger Jahren im Bereich der amerikanischen „Legal Highs“ auf, besonders in übertrieben angepriesenen Mischungen, in denen es einen Garanten für zumindest einen „Effekt“ darstellt und sich aufgrund seiner exotischen afrikanischen Herkunft und der angeblich aphrodisierenden Qualitäten gut bewerben läßt. Der Wirkstoffgehalt dieser Mischungen dürfte schwer abschätzbar sein, von praktisch unbedeutend bis zu in manchen Kombinationen möglicherweise bedenklich. Kenner mischen sich ihre Kräuter meist entsprechend ihrer individuellen Verträglichkeiten selbst.

Yohimbin wurde und wird auch in pharmazeutischen Präparaten mit aphrodisischer Indikation ganz im Widerspruch zu der angeblich MAO-hemmenden Wirkung häufig mit anderen potenten Substanzen kombiniert. Berüchtigt war zum Beispiel eines, das neben Yohimbin auch noch Strychnin und Pemolin (ein Amphetaminderivat) enthielt und als vielversprechendes Aphrodisiakum galt. (Die Pharmaindustrie war der sogenannten „Drogenszene“ eigentlich schon immer einen Schritt voraus!) Damiana, Ephedrin, männliche Sexualhormone, selbst der Tollkirschenwirkstoff Atropin wurden mit Yohimbin in einem Präparat vereint. Die Wirksamkeit und das gesundheitliche Risiko dieser Mischungen waren und sind natürlich umstritten.

Praktisch wirkungslos sind die Sexshop-Präparate. Sie enthalten nur minimale Mengen der mit Geilheit assoziierten „Potenzmittel“.
Traditionell wurde Yohimberinde in Westafrika als Aphrodisiakum mit Ibogawurzel, Kolanüssen, Ditasamen (Alstonia scholaris) und anderen kombiniert. Manche mögen es, dazu ein wenig Rauschhanf zu rauchen. Yohimbinhydrochloridsalz wurde auch zum Strecken von Schwarzmarktkokain eingesetzt.

Die Erfahrungen eines männlichen Yohimberinden-Experimentierers:

„Ich habe einige Male Yohimberinde aus verschiedenen Quellen probiert. Und zwar als Abkochung von einem viertel bis zwei Teelöffeln der zerhäkselten Rinde. Teilweise habe ich die Rinde dazu noch geraucht, was eine ganz ähnliche, aber nur kurze Wirkung hatte. Was habe ich empfunden? Als erstes ein Kribbeln, das den Rücken bis über den Arsch runterläuft und die Eier zusammenzieht, eine energetische Anspannung, ein leicht stonedes Gefühl im Kopf, ein bißchen wie Cannabis, körperlich eher ein mechanisch angespeedetes Feeling, etwas entfremdet. Kann sein, daß es tendenziell die Durchblutung der Geschlechtsorgane fördert, bei erreichter Erektion deren Dauer verlängert. Der Zustand war aber nicht gerade relaxt. Die Wirkung setzte relativ schnell ein, vielleicht innerhalb einer halben Stunde und hielt etwa 2 Stunden deutlich an, maximal bis zu 4 Stunden spürbar. Irgendwie konnte ich mich nicht so recht mit der Rinde anfreunden. Dann schlug ich später nochmal richtig zu, mit etwa 4 leicht gehäuften Teelöffeln, als Abkochung unter Ascorbinsäurezusatz. Das war zuviel des Guten. Eine Substanz, die nervös macht, Ängstlichkeit und Aggressivität liegen dicht beieinander, erwartend, aber nicht erwartungsfroh, fordernd, überfordert, zittrige Energie, die fokussiert, in Konvergenz gebracht werden muß. Schwer zu fassen, wenn man nur wüßte, in welche Richtung man sich schaffen sollte. Eigentlich klar, Berührung müßte her, Spüren, aber habe ich da wirklich Bock drauf? Allen sagen, wie lieb ich sie habe, ich liebe euch, kommt mir überhauptnicht in den Sinn. Innere Unruhe, Rastlosigkeit, ohne Ziel. Gefangen als Sklave der Rinde, oder bin ich weich wie eine Feder, zäh wie Leder, möchte festgehalten werden. Überkandidelt, Konkurrenzdroge, sexuelle Konkurrenz im Kampf um Orgasmen, weiß nicht. Schließlich nicht gut geschlafen. War noch den ganzen nächsten Tag flatterig und ätzend drauf, völlig durch den Wind. Erstmal genug davon, aber vielleicht werde ich nochmal einen softeren Anlauf nehmen. Klingt nach Rindenwahn, oder?!“

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Psychoaktive Substanzen Specials

Salvia Divinorum

HanfBlatt, Nr. 67/2000

SALVIA DIVINORUM

Lieferant des stärksten aus dem Pflanzenreich bekannten Psychedelikums

Das, was das Gewebe der Realität zerreißt. Salvinorin A. Vorweg: Salvia Divinorum unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. Aber wir wollen die Pflanze kennenlernen, die uns diese bemerkenswerte Substanz liefert.

Salvia divinorum species from Oaxaca (Mexico). Photographed at the Conservatory of Flowers in San Francisco

Salvia divinorum ist eine einzigartige psychoaktive Salbeiart, auch „Wahrsagesalbei“ genannt, die in den Bergen von Oaxaca, einem mexikanischen Bundesstaat, von Mazateken Indianern, die sie „Hierba de la Pastora“ (Kraut der Schäferin) oder „Hierba de la Virgen“ (Kraut der Jungfrau) nennen, für schamanische Rituale gezogen wird. Echte Wildvorkommen sind nicht bekannt. Sie wird nur über Stecklinge (Klone) vermehrt. Praktisch alle im Umlauf befindlichen Stecklinge sollen von nur zwei lange auseinanderliegenden Sammlungen im Herkunftsgebiet abstammen. Man spricht vom sehr bitteren Wasson & (Albert) Hofmann – Klon und dem wohl verbreiteteren Palatable – Klon. Ein wahres Klonwunder also, daß sich gegenwärtig auch hierzulande im Kreise experimentierfreudiger Psychonauten eines regen Interesses erfreut. Die Pflanze ist nicht ganz anspruchslos, was ihre Wachstumsbedingungen betrifft. Sie liebt es warm bei hoher Luftfeuchte und guter Wasserversorgung, viel Licht, aber keine direkte Sonnenbestrahlung und kein Frost, halt so wie in der juten alten Heemat, dem tropischen Bergland der Sierra Mazateca. Wer auf diese Ansprüche Rücksicht nimmt, wird mit schnellem Wachstum belohnt. Das nicht sonderlich attraktive großblättrige Gewächs kann zwei bis drei Meter hoch werden. Auch lassen sich relativ problemlos Stecklinge gewinnen. Im Wasserglas beginnen sie nach zwei bis drei Wochen zu wurzeln.

Der Eigenanbau lohnt, denn im ethnobotanischen Fachhandel werden für 1 Gramm der getrockneten Blätter Preise von durchschnittlich 5 bis 8 DM verlangt. Und ein innerhalb von weingen Monaten auf 1 bis 1,5 Meter hochgeschossener Steckling, kann locker 20 Gramm und mehr getrockneter Blätter liefern. Für Stecklinge werden Preise von durchschnittlich 35 bis 40 DM verlangt. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, daß es sich um gesunde grüne, möglichst gut angewurzelte Exemplare handelt. Sie überstehen keine langen Transportzeiten und werden im Falle des Versandes, sofort nach dem Auspacken in eine Umgebung hoher Luftfeuchte verbracht, zum Beispiel in eine Art Reanimationszelt aus durchsichtiger, noch luftdurchlässiger Kunsttofffolie. Regelmässiges Übersprühen mit kalkfreiem Wasser tut es auch. Im Winter stagniert bei uns das Wachstum, wenn man keine künstliche Beleuchtung einsetzt. Im Frühling treiben die Pflanzen wieder aus. Deshalb werden auch Stecklinge meist erst ab dem Frühjahr versandt.

Die Blätter werden üblicherweise während der wärmsten Jahreszeit, also bei uns im Sommer oder Spätsommer geerntet. Ihr Wirkstoffgehalt scheint dann am höchsten zu sein. In den Tropen gewachsene Salvia divinorum soll potenter sein (bis zum 1,5 fachen). Es können sowohl einzelne Blätter als auch ganze Zweigspitzen geerntet werden. Aus den Seitenachseln treiben dann neue Triebe aus.

Die Blätter werden sofort frisch verwendet oder bei Raumtemperatur getrocknet.

Der nicht wasserlösliche Wirkstoff der Blätter kann nur über die Mundschleimhäute oder die Lunge in ausreichend kurzer Zeit in genügender Menge resorbiert werden, um die für einen intensiven Effekt notwendige Schwellendosis im Körper zu überschreiten. Dazu werden verschiedene Einnahmemethoden praktiziert.

1. Die frischen Blätter werden zu einer Art Zigarre gerollt und in die Backe(n) gequetscht, ausgedrückt, zerkaut, wobei man darauf achtet, daß möglichst viel Saft möglichst lange mit den Mundschleimhäuten in Berührung kommt. Das Runterschlucken des Saftes wird herausgezögert. Ist man mit dem Kauen durch, kann noch nachgelegt werden. Für einen Kauvorgang sollten 15 bis 30 Minuten veranschlagt werden. Eine typische Dosis sind 10 große Blätter. Die Blätter schmecken charakteristisch, nicht gerade lecker. Sie können auch bitter sein. Wieweit der Gehalt an zusätzlichen Bitterstoffen vom Klonahnen und der Anbaumethode abhängt, ist noch nicht ganz klar. Spaß bringt die Kauprozedur auf jeden Fall höchstens den Zuschauern.

2. Die getrockneten Blätter werden angefeuchtet und wie ein Pfriem in der Backe plaziert und ausgekaut wie die frischen Blätter. Die getrockneten Blätter schmecken vielleicht einen Tick „besser“ als die frischen, aber auch nur einen „Tick“.

3. Die getrockneten Blätter werden in einer Wasserpfeife geraucht. Dabei kommt es darauf an, möglichst viel Rauch möglichst lange und oft hintereinander in die Lungen zu kriegen. Die minimale gerauchte Dosis liegt bei einem halben Gramm der Blätter. Das ist schon „eine ganze Menge Holz“.

4. Es wird ein alkoholischer Extrakt aus den Blättern gewonnen. Dazu weicht man die getrockneten Blätter meherere Tage an einem dunklen Ort in soviel möglichst reinem trinkbarem Alkohol (Weingeist) ein, daß die Blätter bedeckt sind. Schließlich wird abgefiltert. Der erhaltene Extrakt kann nun durch Verdunstenlassen des Lösungsmittels weiter konzentriert werden. Läßt man den Alkohol vollständig abdunsten, erhält man einen schon recht konzentrierten nahezu festen Extrakt, der geraucht werden kann.

Der alkoholische Flüssigextrakt wird eingenommen, indem man ihn entweder leicht verdünnt mit Wasser oder pur ( vorsicht „brennt“) in den Mund nimmt und die Schleimhäute möglichst lange umspülen läßt. Für minimale Effekte sollte der Extrakt mindestens einer Ausgangsmenge von 2 Gramm der getrockneten Blätter entsprechen. Es werden oft viel höhere Dosierungen genommen. Die Potenz des Extraktes ist natürlich auch vom eingesetzten Ausgangsmaterial abhängig. Deshalb sind erhebliche Schwankungen möglich.

Der Festextrakt wird geraucht, indem man ihn möglichst vollständig verdampft und in möglichst wenigen lange einbehaltenen Zügen inhaliert. Auch hier wird das Äquivalent von mindestens einem halben Gramm der Blätter, oft aber eher das von ein bis vier Gramm der Blätter geraucht um eine deutliche Wirkung zu erzielen. Verdampfungsmethoden werden dem banalen Rauchen vorgezogen.

5. Es wird über einen komplizierten Extraktionsprozeß der reine Wirkstoff Salvinorin A gewonnen, beziehungsweise ein hochkonzentrierter Extrakt hergestellt. Der reine Wirkstoff wird von einer ausgeglühten Alu-Folie oder in einer Haschölpfeife verdampft und inhaliert. Die gerauchten Dosierungen liegen zwischen 0,3 und 2 Milligramm, sprich 0,0003 und 0,002 Gramm! Da dies für einen Laien äußerst schwer zu dosieren ist, hat man Salvinorin A auch in einem Verhältnis von 1 zu 25 auf die getrockneten Blätter aufgebracht, von denen dann 25 Milligramm, also 0,025 Gramm, eine typische Rauchdosis darstellen, die in einem Zug inhaliert werden kann. Bislang ist der reine Wirkstoff nur in einer kleinen Szene mehr oder weniger erfahrener Underground-Psychonauten in den USA, insbesondere in Kalifornien, zum Einsatz gekommen. Einer dieser Psychonauten, Mister „D.M. Turner“, hat ein sehr lesenwertes Buch über Erfahrungen mit Salvinorin A geschrieben. („Salvinorin. The Psychedelic Essence of Salvia Divinorum.“ Panther Press, San Francisco, 1996, ISBN 0-9642636-2-9). Ein deutsches Büchlein wird von Herrn Bert Marco Schuldes mit äußerster Spannung erwartet.

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Was hat es nun mit der merkwürdigen Wirkung dieser Pflanze auf sich? Es handelt sich bei dem Wirkstoff Salvinorin A um das stärkste aus der Pflanzenwelt bekannte Psychedelikum. Obendrein noch um ein Diterpen, also eine Substanz, die sich von den anderen bekannten Psychedelika chemisch erheblich unterscheidet.Wie Insider zu berichten wissen, scheinen Erfahrungen mit der Inhalation der geradezu winzigen Wirkstoffmengen von einer solchen Intensität und dermaßen bizarr, außer Kontrolle geraten und beängstigend zu sein, daß kaum jemand Lust auf die Wiederholung eines solchen Törns verspürt. Erfahrungen mit dem reinen Wirkstoff sind bei uns gegenwärtig sehr selten. Dagegen haben sich viele Leute schon durch die erheblich geringer konzentrierten alkoholischen Extrakte oder die Blätter getestet, oder sollte man besser gekämpft sagen?! Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Es scheint so, als müsse man das Gespür für die oft recht subtile Wirkung erst entwickeln. Vielleicht gibt es eine individuelle Schwellendosis. Und selbst wenn soetwas wie ein typischer Salvia-Raum des Bewußtseins erreicht wird, übt dieser auf einen Großteil der Konsumenten keinen sonderlichen Reiz aus. Dann gibt es aber auch wieder die besonders Sensiblen, die sich von der eigenartigen Bilder- und Gefühlswelt, die sich mittels Salvia erschliessen lassen kann, faszinieren lassen und sich zu wiederholten Besuchen aufmachen.

SALVINORIN A
SALVINORIN A

Lassen wir einfach mal einen Experimentierer berichten:

„Mir erging es so, daß ich einige Male mehr und mehr der Blätter oder des Extraktes geraucht und gekaut hatte, und doch schon recht „breit“ wurde, ohne mir darüber klarzusein, wie breit ich eigentlich war. Wenn ich die Augen schloß, spürte ich eine Intensität, die sofort verschwandt, wenn ich die Augen öffnete und mich Vertrautem zuwandte. Ich hatte das Gefühl, immer noch nichtgenug genommen zu haben. Andererseits hatte ich doch deutliche Koordinationsstörungen. Am Telefon lallte ich noch umständlicher als sonst. Musik kam gut. Als ich mir bei einer Gelegenheit im Foyer des Gruner & Jahr-Affenfelsens eine Fotoausstellung ansah, war ich keineswegs außer Kontrolle. Aber der merkwürdige Zustand, in dem ich mich befand, im Kontrast zu dem was ich tat, in Kombination mit dem wohlschmeckenden Lakritzeis, an dem ich wollüstig schleckte, beflügelte mein Amüsement, ohne daß ich genau sagen könnte, wie es mir emotional ging…

Auch die Kombination mit der Inhalation geistbeflügelnder Hanfdämpfe konnte mich nicht vollständig in einen Bereich bringen, den ich endgültig als Salvia-Space akzeptiert hätte, obwohl sie dem Ganzen eine spannendere Note verlieh…

Ein anderes Mal war der Bann dann schließlich doch gebrochen. Mittels des im Mundraum zerfliessenden konzentrierten alkoholischen Extraktes, spät in der Nacht. Ich hatte einen ganzen Film halluzinogener Visionen, insbesondere bei geschlossenen Augen. Und das Ganze von kristallklar kitschig-trivialer Intensität. Szenerien, wie durch ein vorgeschaltetes Auge oder ein Fischauge gesehen, vor einer Kulisse sanft fliessender holzmaserungsartiger Muster mit immer wieder wechselnder Motivwahl, …bunte Fische, spielende Delphine, ein Pingiun auf einer Eisscholle, jetzt sich tummelnde Wale in der Abenddämmerung…Banale graphisch perfekte bunte Bilder aus einer herrlich heilen Welt, aus dem Innern meines Geistes, aber doch auch wie FÜR MICH auf eine innere Leinwand projiziert. Aber auch hier: Beim Öffnen der Augen spüre ich zwar noch die Stärke der Droge, könnte mir aber fast einbilden, völlig nüchtern zu sein, bilde ich mir ein. Wie von selbst schliessen sich die Augen und ich gebe mich der urigen Energie und den eigenartigen Bildern wieder hin. Überraschend, ein schönes beeindruckendes Erlebnis.

Zwei Tage später nochmal mit einer erheblich höheren Dosis. Sofort, der Wunsch aufzustehen, keinen Bock zu liegen und auf Visionen zu warten, zu den anderen ins Wohnmobil rübergehen. Enthemmt, albern, völlig schräge drauf, alles ist schräge, irgendwie auch leicht halluzinogen verändert, schräge eben, auch räumlich, Schräglage. Schön, könnte ruhig noch stärker sein. Die Wirkung ist wie üblich kurz. Vielleicht eine halbe Stunde recht kräftig, nach zwei Stunden verflogen…

Als Nachwirkung hatte ich manchmal leichte Kopfschmerzen, besonders nach der Raucherei.“

Noch ist (mir) nicht klar, wo und wie genau Salvia divinorum und insbesondere der obskure Wirkstoff Salvinorin A in der Familie der Psychedelika einzuordnen sind. Es bleibt abzuwarten, ob es sich bei Salvia divinorum-Konsum nur um eine vorübergehende Modeerscheinung handelt, oder ob sich tatsächlich ein Stamm von Liebhabern etablieren wird. Vielleicht muß tatsächlich erst das morphogenetische Feld für eine Art Salvia divinorum -Konsens-Space erkaut und erraucht werden. Wer weiß? Oder wird gar das reine Salvinorin A als neuer Renner auf dem Markt psychedelischer Möglichkeiten auftauchen? Die Wirkungsbeschreibungen in den vorliegenden Berichten klingen eigentlich nicht so verlockend. Hört sich eher nach kosmischer Verwirrung oder gar psychedelischem Nihilismus an. Sollte das das Ende der Fahnenstange sein? Ich hoffe nicht.

Exkurs:

Die attraktiven Coleus-Arten: Verwandte der Salvia divinorum?

Eine Varietät des schnellwachsenden und wegen ihrer schönen meist mehrfarbigen Blätter als Topfpflanzen beliebten Coleus blumei-Sträuchleins und die weniger bekannte Coleus pumilus gelten bei den Mazateken-Indianern als nahe Verwandte der Salvia divinorum und stehen in einem gewissen Ansehen. Sie werden ähnlich wie diese in Heilungszeremonien eingesetzt, indem man die frischen Blätter zerquetscht und mit Wasser aufgeschwemmt zu sich nimmt oder sie zerkaut, so heißt es. Dieses Wissen animierte Undergrozndfreaks über Jahrzehnte hinweg immer wieder zu fruchtlosen Selbstversuchen mit den bei uns erhältlichen Topfpflanzen. Lasset euch gewarnt sein: Das bei uns gewachsene Coleus blumei-Kraut ist ein Augenschmauß, aber kein Gaumenkitzel. Im Gegenteil: Es schmeckt fürchterlich, und obendrein wirkt es nicht. Auch nicht, wenn man es in getrockneter Form raucht. Die original im tropischen Mexiko gewachsenen Varietäten dagegen sollen tatsächlich, wenn man sie beispielsweise raucht, einen durchaus spürbaren Effekt entfalten. Dafür verantwortliche Wirkstoffe sind bis dato nicht bekannt.

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Und hier ein Interview mit dem Salvia Experten Daniel Siebert