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Gesundheitssystem

Bewusste Träume auf Knopfdruck

Von Jörg Auf dem Hövel

Frankfurter Forscher stimulieren Hirn mit Schwachstrom, Testpersonen träumen daraufhin luzid

Es gehört allerhand Training dazu, sich während des Träumens darüber bewusst zu werden, dass man träumt. Normalerweise führen die Bilderwelten im Schlaf ein Eigenleben. Forschern um Ursula Voss von der Universität Frankfurt ist es nun gelungen, „luzides Träumen“ über schwache Stromimpulse zu entfesseln und ihre Arbeit im anerkannten Journal Nature Neuroscience zu veröffentlichen.

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Gesundheitssystem Psychoaktive Substanzen Psychopharmakologie Rezensionen

Rezension zu Bita Moghaddam „Ketamine“

Wissenschaftlich fundiertes Basiswissen zur medizinischen Anwendung von Ketamin als Anitdepressivum

Bita Moghaddam hat sich als Neurowissenschaftlerin, Professorin und Wissenschaftsautorin in den USA seit über 30 Jahren mit psychoaktiven Substanzen wie Ketamin beschäftigt. Im vorliegenden Taschenbüchlein vermittelt sie über 152 Seiten plus Glossar, Quellenangaben, Leseempfehlungen und Stichwortverzeichnis anschaulich fundiertes Basiswissen zur medizinischen Anwendung von Ketamin als Antidepressivum.

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Cognitive Enhancement Drogenpolitik Historische Texte Mixed

Köstritz und die Geschichte der Mate-Brausen in Deutschland

„Alkoholfrei und spritzig“

Copyright by/ von Achim Zubke, Hamburg (1. Auflage in limitierter (23) signierter Printform zum 30.6.2017 anlässlich des Mate-Verwertungs- und -Brausen-Symposions „Mate in Berlin“ in der Brasilianischen Botschaft in Berlin), korrigierte und erweiterte Auflage Stand 23.10.2021) mit Abbildungen

Seit etwa 9 Jahren gibt es im Rahmen eines Kreativitätsbooms bei der Herstellung von Limonaden und Erfrischungsgetränken auch eine Fülle an neuen koffeinhaltigen Mate-Brausen und Mate-Eistees. Anfang 2018 sind mehr als 40 verschiedene Anbieter mit Dutzenden von Mate-Getränken am Markt. Natürliche Zutaten, Bio, Fairtrade, Solidarität und Originalität spielten immer öfter eine Rolle bei der Kreation neuer Produkte dieses stimulierenden Getränke-Typs. Es ist im Rahmen dieser innovativen Welle interessant, sich mit der tatsächlichen Geschichte der Mate-Brausen jenseits von Marketingkampagnen zu beschäftigen, um von ihr zu lernen.

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Cognitive Enhancement Drogenpolitik Gesundheitssystem

Spritzig durch den Büroalltag

Die DAK legt eine Studie zum Hirndoping durch Erwerbstätige vor

Erschienen in der Telepolis v. 22.03.2021

Es gibt wenig belastbare Zahlen über die Verbreitung von Hirndoping. Schon vor sechs Jahren hatte sich die DAK aufgemacht dies zu ändern und eine groß angelegte Befragung durchgeführt. Damals hatte es in den Medien zwar gerauscht, las man die Zahlen aber genauer (Doping am Arbeitsplatz), konnte man weithin Entwarnung geben. Hirndoping – auch „Cognitive Enhancement“ genannt, war kein verbreitetes Phänomen. Nun legt die Krankenkasse erneut eine repräsentative Studie vor, in der das Doping am Arbeitsplatz untersucht wurde. Was gibt es Neues?

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Cognitive Enhancement

Hans kann durchaus lernen, was er als Hänschen verpasst hat

Der Geist muss im Alter nicht schwach werden

Das Altern hat bekanntermaßen seine Tücken, körperlich-geistiger Abbau setzt früher oder später ein. Die Kurve von Intelligenz und anderen kognitiven Fähigkeiten weist in jungen Jahren aufwärts, später geht es bergab, so die gängige Meinung. Wie eine groß angelegte Studie nun zeigt, muss das nicht so sein.

Die Psychologen Joshua Hartshorne und Laura Germine testeten knapp 22.000 Menschen zwischen 10 und 71 über ihre Website testmybrain.org. Die Teilnehmer wurden unter anderem auf ihr Vokabular, ihre soziale Intelligenz, numerische Fähigkeiten und ihr Arbeitsgedächtnis untersucht ( Abstract). Es zeigt sich, dass jedes Alter seine Stärken mitbringt. Die Jüngeren zeigten hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten beim Umkodieren von Nummern zu Symbolen. Das Arbeits- beziehungsweise Kurzzeitgedächtnis ist durchschnittlich am besten zwischen 25 und 30, um dann langsam abzubauen. Das Erkennen emotionaler Zustände von Mitmenschen scheint sich langsam bis kurz vor 50 zu entwickeln, um danach langsam abzubauen. Der Wortschatz eines Menschen erweitert sich dagegen fast ein Leben lang.

Naturgemäß sind die Unterschiede hochindividuell, insgesamt lässt sich aber feststellen, dass der Geist nicht im Ganzen altert, sondern in bestimmten Lebensphasen Höhen und Tiefen durchlebt.

Die üblichen Einschränkungen solcher Studien gelten auch hier, sind doch die Kofaktoren, die zum Auf- oder Abbau von kognitiven Leistungen beitragen, nicht erfasst worden. Und natürlich wird jemand, der sich beispielsweise nie viel aus guten Worten und Sätzen gemacht hat, im Alter kaum zum Schriftsteller werden.

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Cognitive Enhancement Psychopharmakologie

Unter Hirndopern

»Neuro-Enhancer« befriedigen die Arbeitswütigen

Erschienen in „Junge Welt“

Heute schon gedopt? Wahrscheinlich ja. Auf jeden Fall dann, wenn Sie zu den Kaffeetrinkern gehören. Koffein ist noch immer der Deutschen liebster Wachmacher und das populärste Fördermittel für die Konzentration. Seit einiger Zeit rücken jedoch neue Mittel ins Licht der Öffentlichkeit – Medikamente, die in dem Ruf stehen, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit zu erhöhen. Die Rede ist vom „Neuro-“ oder „Cognitive Enhancement“, der Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit über das Normalmaß hinaus. Arzneimitteln wie Modafinil oder Ritalin wird nachgesagt, sie könnten den Geist auf Trab bringen. Einiges davon wurde bislang im wissenschaftlichen Versuch oder der Praxis bestätigt. Die pharmakologischen Helfer sind Zeichen einer veränderten Kultur des Drogenkonsums, die statt auf Ekstase und Entspannung auf Leistung und Durchhalten setzt.

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Gesundheitssystem

Die Neurowissenschaft kämpft mit statistischen Unzulänglichkeiten

telepolis, 17.04.2013

Signal? Rauschen?

Jörg Auf dem Hövel

Die junge Disziplin der Neurowissenschaft kämpft mit statistischen Unzulänglichkeiten

Der Meldungsstrom aus den Neurowissenschaften reißt nicht ab. Bunte Bilder zeigen Gehirnaktivitäten, Träume scheinen greif-, Gedanken dekodier-, Gedächtnisbildung beeinflussbar. Die USA spendieren 100 Millionen Dollar, um allen Neuronen beim werkeln zuzusehen (BRAIN Initiative), die EU möchte das gesamte neuronale Spiel in Silizium gießen (Human Brain Project). Nun mehrt sich Kritik, Statistiker weisen auf die Unzulänglichkeiten vieler Studienergebnisse hin. Glaubt man diesen Stimmen, steht nicht nur die Neurowissenschaft, sondern das System der medizinisch-klinischen Studien auf dem Prüfstand. Optimierungsvorschläge werden diskutiert.

Im renommierten Fachblatt „Nature Reviews Neuroscience“ ist jetzt ein Beitrag erschienen, der die statistische Aussagekraft einer Reihe von neurowissenschaftlicher Studien analysiert. Die Autoren um den Psychologen Marcus R. Munafò nahmen sich dafür alle 49 in 2011 veröffentlichten Meta-Analysen zur Brust. Diese beinhalteten wiederum 730 Studien. Das Ergebnis war in dieser Form selbst für die Autoren überraschend: Die durchschnittliche (Median) Teststärke lag aufgrund der kleinen Studiengröße bei nur 21%. Gemeinhin wird eine Teststärke von rund 80% als adäquat angesehen. Eine solche findet in vier von fünf Fällen einen Effekt – wenn denn einer existiert. Bei einer so geringen Aussagekraft wie in den untersuchten Studien steigt nicht nur die Chance, dass ein Effekt gefunden wird wo keiner ist, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass dieser überbewertet wird.

Einschränkend muss erwähnt werden, dass die meisten der vom Autorenteam untersuchten Meta-Analysen den Effekt von Psychopharmaka und genetischen Dispositionen auf das mentale Befinden zum Thema haben und demnach wahrlich nicht das gesamte Feld der Neurowissenschaften abdecken. Allerdings wurde auch für die beliebten Studien zur Visualisierung von Gehirnaktivität schon gezeigt, dass sie zum einen dazu tendieren, negative Studienergebnisse nicht zu publizieren, und zum anderen ebenfalls eine schwache Teststärke aufweisen.

Schlechtes Studiendesign sowie die Überinterpretation von Ergebnissen in Fachblättern und Populärmedien sind nicht nur für die Neurowissenschaft virulent. Genetik, Medizin und Psychologie sind andere Disziplinen, die darunter leiden, dass viele Experimente nicht wiederholt werden. Dabei gibt es gute Gründe dafür, denn immer wieder tauchen Studien auf, die Kausalzusammenhänge zwischen Phänomenen aufzeigen, die später in größeren Studien nicht bestätigt werden können. Paradebeispiel ist hier die Genforschung, die gerade am Anfang ihrer Forschungsära mittels kleiner Studien menschliches Verhalten oder eine Krankheit mit einer spezifischen, genetischen Variante erklären wollte.

Im Grunde funktioniert so Forschung: Hypothesen werden aufgestellt und bestätigt oder verworfen. Ein anderer Wissenschaftler wiederholt das Experiment. Langsam nähert man sich der Wahrheit, es sei denn jemand zeigt auf, dass schon die vorbedingten Grundannahmen falsch sind. In der Realität wird allerdings schon die Widerlegung einer Hypothese ungern veröffentlicht, denn lieber sieht man seine Arbeit bestätigt.

Was tun? Eine niedrige Aussagekraft ist gerade bei kleineren Studien nahezu unvermeidlich. Der Forderung nach größeren Studiengruppen liegt nahe, ist aber damit auch eine nach mehr Geld und impliziert damit wiederum, um es weit zu treiben, die Verfestigung eh schon etablierter Forschungsstrukturen in großen Institutionen. Die Erforschung von nicht-pharmakologischen, alternativen Heilverfahren kann oft nicht die Mittel aufbringen, um große Experimente zu finanzieren. Das Problem sind weniger die explorative Studien selbst, sondern deren Darstellung in den Fachblättern und Weitervermittlung in den Medien. Letzteren fehlt es oft an Geduld, kleinere Wissenschaftsmeldungen adäquat aufzubereiten.

Und an den Universitäten und in den Forschungsabteilungen herrscht seit je her die Lust, lieber neue, aufregenden Ergebnisse zu produzieren als alte zu überpüfen oder gar Nullhypothesen zu bestätigen. Hier wären Anreize neu zu setzen. In der Psychologie ist das Problem am frühesten erkannt worden. Ansonsten gelten die schon in „Arzneimittel – der kontinuierliche Skandal“ ausgeführten Transparenzgebote. So sollten beispiels- und zentralerweise alle Studien im Vorwege registriert werden, um die nachträgliche Änderung von Endpunkten zu verhindern. Die Rohdaten müssen zu einem späteren Zeitpunkt für jedermann zugänglich sein, um Folgeanalysen durchführen zu können. Und ein guter Abschlusssatz fällt mir nicht ein.

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Cognitive Enhancement

Kaffee für die gute Erinnerung?

Eine Studie will gute Effekte von Koffein auf das Langzeitgedächtnis nachgewiesen haben. Fast die Hälfte der Teilnehmer klagte allerdings über Kopfschmerzen

Erschienen in der Telepolis v. 08.02.2014
Von Jörg Auf dem Hövel

Ein Team von US-Forschern hat im Magazin Nature Neuroscience eine Studie veröffentlichen dürfen (Abstract), die einen positiven Effekt von Koffein auf das Langzeitgedächtnis nachgewiesen haben will.

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Gesundheitssystem

„Wir kennen die Tricks der Pharmaindustrie“

Ein wunderbares Interview mit Deutschlands obersten Arzneimittel-Kontrolleur Jürgen Windeler in der Berliner Zeitung.

Das vor knapp zehn Jahren gegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) spielt eine wesentliche Rolle im Krankenkassensystem. Es untersucht Nutzen und Schaden von Arzneimitteln und Behandlungsmethoden. Die Gutachten bestimmen mit darüber, welche Leistungen die gesetzlichen Kassen übernehmen. Jürgen Windeler ist seit 2010 Leiter des Instituts.

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Gesundheitssystem

Tamiflu – und raus bist Du

Erschienen in der Telepolis v. 23.04.2014
Von Jörg Auf dem Hövel

Ein neues EU-Gesetz verpflichtet die Arzneimittelhersteller zukünftig zur Veröffentlichung aller zentraler Studiendaten. Der Tamiflu-Skandal zeigt, wie wichtig das ist

Das Europäische Parlament hat vor kurzem neue Gesetze zur Veröffentlichungspflicht von Arzneimittelstudien beschlossen. Danach werden Hersteller verpflichtet, der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine Zusammenfassung der Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, die diese in einer Datenbank veröffentlichen wird. Damit soll zukünftig die bislang gängige Praxis der Zurückhaltung unliebsamer Resultate verhindert werden. Wird eine Zulassung für ein Arzneimittel beantragt, so müssen die (nahezu) vollständigen Studiendaten – der sogenannte Clinical Study Report – in der Datenbank vorliegen. Die Verordnung wird frühestens 2016 in Kraft treten. Ob bis dahin die nötige Datenbank funktioniert ist offen.