Im Hamburger Hafen hilft das Satellitensystem beim Verladen und Lagern der Schiffsfracht
FAZ vom 16.09.2003
Der Burchardkai ist Hamburgs wichtigster Umschlagplatz für die Container-Schifffahrt. Von den im gesamten Hamburger Hafen im Jahr 2002 umgeschlagenen 4,7 Millionen 20-Fuß-Containern wurde mehr als die Hälfte über die Kaimauern des Burchardkai gehievt. Für deren effektive Lagerung und den Weitertransport per Bahn, LKW oder Schiff sorgt ein weltweit einmaliges Stellplatzsystem, das die Container per GPS (Global Positioning System) ortet.
Legt ein Schiff an einem der zehn Liegeplätze an, stellt ein Kran die Container für die sogenannten Van-Carrier bereit. Diese fahren über den Container und heben sich diesen an ihre Bauchunterseite. Alle dieser rund 94 Hubwagen sind mit GPS-Empfängern ausgestattet. Nun folgt eine Funkübertragung an die Systemzentrale auf dem Gelände, die den optimalen Standort für den Container durchgibt. Der Fahrer des Van-Carriers fährt zu dem Standort, die Software überprüft per GPS, ob sich der Hubwagen am korrekten Standort und gibt den Container frei. Die Van-Carrier können zwei- bis dreifach gestapelte Containerreihen überfahren, um Container aus der Reihe herauszunehmen und sie mit einem Minimum an Zeitaufwand in den Verladebereich zu transportieren. Aber um eine exakte Stellplatzzuweisung zu ermöglichen, war eine Erweiterung des herkömmlichen GPS nötig, denn dieses arbeitet zu ungenau.
Beim GPS umkreisen 21 Satelliten, zuzüglich drei Reserveeinheiten, den Planeten. Die Flugbahnen sind so berechnet, dass die gesamte Erdoberfläche zu jeder Zeit von vier Satelliten ausgeleuchtet wird. Diese strahlen zwei codierte Signale aus. Der erste Code ist wohlgehütetes Geheimnis des us-amerikanischen Militärs und nur wenigen Menschen bekannt. Mit Empfängern, die diesen Precision-Code (P-Code) empfangen und entschlüsseln können, sind genaue Ortsbestimmungen von bis zu drei Metern möglich. Der andere Code ist mittlerweile elektronischen Allgemeingut und wird von den gängigen GPS-Empfängern genutzt. Diese, PRN-Code (Pseudo Random Noise) genannte Chiffre, erlaubt Ortungen bis zu etwa 30 Metern Genauigkeit.
Genau hier lag das Problem für die Techniker vom Burchardkai, denn einen Container im Umkreis von 30 Metern suchen zu müssen kostet zuviel Zeit, zudem ist keine effektive Stapelung möglich. Man behalf sich mit einem Kniff: An einem genau vermessenen Punkt auf der Container-Anlage wurde ein zweiter Satellitenempfänger installiert, der seine vermeintliche Position aus den GPS-Satelliten bestimmt, mit der wahren, bekannten Position vergleicht und die Abweichungen zur Erzeugung von Korrekturwerten verwendet. Die Korrekturen sendet er dann an die GPS-Empfänger auf den Van-Carriern. Diese nutzen die empfangenen Korrekturwerte zur Erhöhung der Genauigkeit ihrer Positionsberechnungen. Dieses „Differential-GPS“ genannte Verfahren wird in der Industrie mittlerweile überall dort eingesetzt, wo man auf metergenaue Ortungen angewiesen ist.
Im Hafen kommt man so auf eine Messgenauigkeit von unter zwei Metern. Hartmut Richter, 41, beim Betreiber des Burchardkai, der Hamburger Hafen- Lagerhaus-AG (HHLA), für Kommunikationstechnik zuständig, weiß: „Im Alltag sind sogar Werte zwischen 50 Zentimeter und einem Meter typisch“. Damit aber nicht genug. Bei der HHLA kann man sich einen Ausfall der Container-Navigation nicht leisten. Sollte das GPS-System, sei aus technischen Gründen oder weil die US-Militär keine Kapazitäten frei sehen, gänzlich ausfallen, steht auf dem Burchardkai noch eine lasergestützte Ortsbestimmung zur Verfügung. Aber bislang, so Richter, sei die Verfügbarkeit der GPS-Anlage „mit 90 Prozent sehr hoch“.
Erst die Installation des GPS-Rangiersystems ermöglichte die hohe Auslastung der Container-Anlage. Über 5000 Schiffe legen jährlich am Burchardkai an, der wie eine riesige Halbinsel in der Elbe liegt. Die Van-Carrier stapeln dabei rund 2,5 Millionen 20 Fuß-Container auf dem Gelände. Zur Zeit noch in drei Ebenen, prosperiert die Hafenwirtschaft aber weiterhin, muss eine vierte Ebene eröffnet werden, um alle Container unterzubringen. Schon jetzt garantiert GPS die Vermeidung von zeitaufwendigen Umstapelvorgängen und hält die Wege zu den jeweiligen Verladestationen kurz. Die Betreiber wissen in jedem Moment, wo sich jedweder Container auf dem 1, 5 Millionen Quadratmeter großem Gelände befindet.
Nach Angaben von Carsten Mölck, 43, Projektleiter bei der Einführung des GPS, kam es während des Irak-Kriegs zu keinen Beeinträchtigungen der Genauigkeit der GPS-Signale. Gleichwohl beobachtet man die Bemühungen Europäischen Weltraum Agentur ESA, mit „Galileo“ ein 30 Satelliten starkes Konkurrenzsystem aufzubauen, mit Interesse. Die Signale der oft sehr weit südlich stehenden GPS-Satelliten treffen nämlich zu tangential auf die Empfänger im Norden Europas. Die großen Containerschiffe werfen dann einen erheblichen Schatten auf den Burchardkai, in dessen Bereich kein Signal zu empfangen ist. Mit Galileo wäre eine bessere Ausleuchtung in Nordeuropa sehr wahrscheinlich.
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