Welche Musik macht den besten Sex?
„Sexual Healing“ von Marvon Gaye? Mozarts „Kleine Nachtmusik“? Oder egal, Hauptsache Trommeln? Zwei Frauen, zwei Männer und ein Musikwissenschaftler über den Rhythmus, bei dem man mitmuss.
Jörg Auf dem Hövel
Nicht lauter als ihr Atmen
Sonntag Morgen, irgendwann Mitte der 70er Jahre. Durch die geschlossene Zimmertür drang das Gedudel von NDR 2, dem Lieblings-Radiosender meiner Eltern. Bei der Titelmelodie des Reisemagazins Zwischen Hamburg und Haiti riss mein Vater jedes Wochende die Anlage auf, aber dieses Mal fühlte ich mich durch die leichten Hippie-Klänge der Popcombo The Fifth Dimension seltsam angeregt. Sie sangen von einem Ballon, der langsam in den Himmel stieg und mir wurde bunt vor Augen. Up, Up and Away, ich fühlte, was sie meinten. Gleich mehrere Frauen kümmerten sich um die Linie im Song, wir wurden von Gitarren umspielt, ein mächtiges Orchester half uns. Ehrlicherweise müssten alle Männer zugeben, dass sie die erste Erfahrung mit der tonalen Unterstützung ihrer Libido ganz alleine im Bett hatten.
Heute droht durch die digitale Vermassung mit dem materiellen auch der emotionale Wert von Musik zu sinken. Da hilft nur Coldplay. Deren Titel Clocks klingt so selbstlos wie Liebe sein sollte. Ein warmes oszillieren zwischen den Polen von vertrauten Gefilden und gänzlichem Neuland. In diesen Momenten spüren meine Frau und ich, dass Eros und Musik einen gemeinsamen Urgrund haben: Rhythmus, oder besser gesagt Schwingung, eine Übertragung von Stimmungswellen. Kurz darauf lässt einen das Eintauchen in das wattene Meer ertauben, die Klangkunst zieht sich in den Hintergrund zurück. Denn wirklich Musik hören kann und will man ja in fortgeschrittenen Glücksmomenten nicht mehr. Ab einem gewissen Moment bleibt nur noch der schönste Klang, den es in der ewigen Hitparade gibt: Das Atmen des Partners.
Playlist:
5th Dimension: Up, Up and Away
Coldplay: Clocks
Ween: She is your Baby
Fun Lovin Criminals: The Grave and the Constant
Rolling Stones: Lady Jane
Rachmaninov: Klavierkonzert Nr. 2