Heiss auf Erleuchtung
Klolektüre. Und das soll nicht despektierlich klingen. Ich konnte das Buch halt einfach nicht mehr aus der Hand legen. Helge Timmerberg reist mit Raketenantrieb durch das gelobte Land. Satzstakkatos. Der Trip eines Mannes, der in Würde altern will. Als 17-Jähriger, 1969, schon einmal in Indien gewesen, damals „heiß auf Erleuchtung“, sucht er dieses Mal, tja, was sucht er? Nix, außer das wundern über Menschen und die ewige Frage: Was geht hier ab?
Vielleicht brauchte der Nomade nach einem seiner letzten Bücher mit Namen „Schneekönig“, das er zusammen mit dem ehemaligen Kokain-Händler Ronald Miehling verfasst hatte (s. HB Nr. 83), einen Tapetenwechsel. So oder so: Timmerbergs Reisebericht ist für alle ehemaligen und zukünftigen Indien-Reisende stressfreie Lektüre, denn so kurzweilig schafft es kaum einer über ein Land zu berichten und dabei die persönlich-humoreske Sicht auf die Gesellschaft im Vordergrund zu halten. Ja, ja, wer’s hören will: kurzweilig heißt hier auch sprunghaft. Leichter Gonzo-Journalismus ohne politischen Tiefenschmerz, Hunter S. Thompson hätte ihn sicher von der Farm gejagt. Hui, das ist jetzt doof, gilt Timmerberg doch manchem Blatt als deutsche Dependence des verstorbenen US-Autors Thompson.
Timmerberg, 54, trägt uns von der Quelle des heiligen Flusses Ganges bis zur Mündung im Golf von Bengalen, immer selbstironisch, immer erregt.
Lassen wir Meister Timmerberg lieber selbst zu Wort kommen, das gibt die beste Grundlage für die Entscheidung, das Buch zu kaufen oder zu verschenken: „Der Guru, so viel verstehe ich, hat eine schöne Schrift. Und das sind schöne Wörter. Das ist Sanskrit. Das Latein Indiens. Die alte Sprache. ‚Mantras‘, sagt er. ‚Du weißt, was das ist?‘ Mantras sind Wörter, die doppelt wirken. Inhaltlich wie akustisch. Sanskrit hat es fertiggebracht, dass der Klang des Wortes genau das mit dir macht, was es bezeichnet. ‚Shanti‘ etwa heißt Frieden. Wenn du hundertachtmal hintereinander ‚Shanti‘ sagst, fühlst du den Frieden. Es ist ähnlich wie mit der Musik. Ein Ton hat Macht. Er verändert Stimmungen. Erzeugt Schwingungen. Er kann entspannen, erregen, Angst auflösen. Ich kann das bestätigen. Ich habe vor etwa drei Jahren von einem Sadhu in Nepal ein Mantra gegen Angst bekommen. Kleines Geschenk mit großer Wirkung. Was immer mich ängstigt, ob Mensch, Tier oder Türsteher, ich brauche nur dieses Mantra zu murmeln, und die Angst löst sich wie Brausepulver auf.“
Helge Timmerberg: Shiva Moon.
Eine Reise durch Indien
Rowohlt Berlin 2006
256 Seiten, gebunden
ISBN: 3871345415
EUR: 17,90