Glasfasernetz bricht alle Rekorde
Vor kurzem hat das „Win-X“, die vierte Generation des Deutschen Forschungsnetzes, den Dienst aufgenommen. Reine Glasfaserkabel erlauben Datenraten im Terabit-Bereich.
Beim Deutschen Forschungsnetz (DFN) handelt es sich um eines der leistungsfähigsten Datenkommunikationsnetze weltweit – mit entsprechend komplexer Infrastruktur (siehe Kasten „Die vierte Generation des DFN“). Die Datenmengen, die von den verschiedenen Universitäten und Institutionen untereinander ausgetauscht werden, sind enorm. Der Versand über das Internet wäre fehleranfällig, zudem würde er hohe Investitionen in Router-Techniken verursachen.
Hochleistungsrechner koppeln
Das mittlerweile in vierter Generation unter dem Namen „X-Win“ existierende DFN ist – wie auch der europäische Bruder „Géant2“ – als hybrides Netz aufgebaut: Es unterstützt sowohl den IP-Verkehr als auch geschaltete Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Typische Anwendungen für Letztere sind die Datenverteilungen von Teilchenbeschleunigern, die Kopplung von Hochleistungsrechnern oder die Auswertung von Daten aus Sternwarten.
Diese Verbindungen durchziehen wie Tunnel das Netz und verbinden die Wissenschaftsstandorte direkt, ohne dass die übertragenden Daten für den Internet-Verkehr sichtbar sind. Davon verspricht sich die Forschergemeinde nicht nur Unabhängigkeit von den großen Routern, sondern – dank der strukturell einfachen Verkehrsbeziehungen – auch besser planbare Datenströme.
Das LHC-Experiment des Cern
Dazu ein Beispiel: Das Forschungszentrum Karlsruhe wird ab 2008 am LHC-Experiment (Large Hadron Collider) des Cern in Genf beteiligt. Der unterirdische Teilchenbeschleuniger generiert dann Datenströme von einer Million Gbyte/s (1 Petabyte). Pro Jahr wird der 26,7 Kilometer lange Ring Experimentaldaten in der Größenordnung von drei Millionen DVDs ausspucken.
Für die Auswertung wird in Karlsruhe ein PC-Cluster mit mindestens 4500 Prozessoren neuester Technik installiert. Sie sollen eine Rechenleistung erbringen, die der von 22000 Pentium-III-Prozessoren (mit einem Gigahertz) entspricht. Dieses „Gridka“ wird 1500 Terabyte an Daten auf Festplatten und rund 3800 Terabyte auf Bändern speichern. Die Rechnerschränke und damit das gesamte PC-Cluster werden vollständig mit Wasser gekühlt.
Weltweit arbeiten 5000 Wissenschaftler aus 50 Nationen an dem Experiment. Große Projekte dieser Art sind nach Ansicht der Forschergemeinde nur noch in technisch enger internationaler Kooperation zu leisten. Ein schnelles und stets verfügbares Kommunikationsnetz ist dafür unabdingbar.
Das X-Win besteht im Kern aus drei untereinander verknüpften Ringstrukturen – im Norden, der Mitte und dem Süden der Republik. Um einen möglichst umfassenden Zugriff auf die Physik der Leitungen zu haben, hat der DFN-Verein hauptsächlich „Dark Fiber“ angemietet, also die pure Glasfaser. Nur wenn das nicht möglich war, griff er auf angemietete Wellenlängen zurück. Die Trassen (siehe Abbildung) sind so vermascht, dass in jedem Fall mindestens zwei unabhängige Wegführungen existieren.
Die nötigen Glaserfaserstrecken hat das DFN mit Zehnjahresverträgen beim holländischen Telekommunikationskonzern KPN und bei der deutschen Gasline angemietet, einem Spinoff diverser Energieversorger. KPN hat 2200 Kilometer Dark Fiber für den DFN-Verein bereitgestellt; insgesamt besitzt der Provider in Europa Glaserfaserringe mit insgesamt 25000 Kilometern Länge. Das Lichtwellenleiternetz der Gasline ist in Deutschland mehr als 7800 Kilometer lang. Sein Vorteil: Die meisten Trassen des X-Win befinden sich – bis auf die „Last Miles“ zu den Forschungsgebäuden – entlang der physikalisch gut geschützten Gas-Pipelines; zudem übernimmt Gasline die Wartung der Leitungen.
Siebenmal dünner als ein Haar
In einem normalen Glasfaserkabel stehen 144 Fasern zur Verfügung. Um sie optimal zu nutzen, kommen „Wavelength-Division-Mulitplexer“ (WDM) zum Einsatz. Dabei werden bis zu 16 Wellenlängen mit maximal 10 Gbit/s auf eine einzelne Faser gelegt. An der Quelle wandelt der WDM die elektrischen Signale aus dem Ethernet per Laser in optische Signale um.
Diese Lichtwellen unterschiedlicher Länge laufen durch die Glasfaser, die siebenmal dünner als ein menschliches Haar ist, ohne sich gegenseitig zu stören. Auf diese Weise stehen mehrere, voneinander unabhängige Übertragungswege zur Verfügung. Am Empfangsort bereitet ein WDM aus den Wellen wieder elektrische Signale. Der Auftrag zur Überwachung des Gesamtnetzes ging an ein Konsortium, das von den Anbietern Colt und Dimension Data gebildet wird. An 35 Kernnetzstandorten des X-Win kommen (Dense-)WDMs von Huawei („Optix BWS 1600g“) zum Einsatz, die bis zu 160 Wellenlängen mit 16 Gbit/s unterstützen. Geräte dieser Baureihe speisen beispielsweise auch das atlantische Unterseekabel zwischen Halifax (Kanada) und Dublin (Irland).
Als Vermittlungseinheiten dienen an zentralen Stellen Cisco-Router vom Typ „CRS-1“ der neuesten Bauart. Das Forschungsnetz ist also kein billiges Vergnügen: Die Router hatten bei ihrer Vorstellung im vergangenen Jahr einen Orientierungspreis von rund 450000 Dollar pro Stück. An weiteren acht Orten sind Cisco-Router der Baureihe 7609 in das X-Win eingebunden.
Insgesamt sind an den über 500 Standorten in Deutschland Anschlusskapazitäten von bis zu 10 Gigabit/s möglich. 46 Standorte sind derzeit an das „Kernnetz“ angeschlossen, wo sich bei Bedarf die Kapazität in den Terabit-Bereich erweitern lässt. Von diesen Institutionen sind 38 mit 5500 Kilometer Dark Fiber verbunden.
Dieses Vorgehen hat seine Vorteile bereits ausspielen können: Mehrere Universitäten ermöglichen sich heute ein gegenseitiges Backup wichtiger Daten. Die Anschaffung und Wartung physisch getrennter und zudem feuergeschützter Speichermedien und -geräte entfällt.
Das X-Win ist kein geschlossenes Netz, Übergänge in das Internet sind über mehrere Gateways sichergestellt. Unter anderem ist das Netz an den größten deutschen Austauschknoten ins Internet, den Decix in Frankfurt am Main, angeschlossen. Gleich vier Gateways existieren zu T-Interconnect, weitere 16 zu anderen Internet-Ser- vice-Providern.
Stark ausgelastete X-Win-Standorte wie Karlsruhe sind mit 30 Gbit/s an die Nachbarstandorte angeschlossen. Kapazitäten von 32 mal 10 Gbit/s auf einer Faser werden derzeit auf Internet-Hochverkehrsstrecken wie Düsseldorf-Frankfurt am Main geführt, über die das Rhein-Ruhr-Gebiet mit dem Frankfurter Raum verbunden ist. Leitungskapazitäten von 80 Gbit/s bündeln sich an zentralen Schaltstellen wie dem Kernnetzstandort Frankfurt; hier kreuzt sich die Strecke zwischen Aachen und Erlangen mit der zwischen Karlsruhe und Hannover.
2,9 Petabyte pro Monat
Im monatlichen Mittel senden die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die über das X-Win miteinander vernetzt sind, fast 9 Gbit/s in das Netz, und sie empfangen annähernd dieselbe Datenmenge, so dass sich das Datenaufkommen pro Monat auf 2,8 Petabyte summiert. Damit entspricht der Datenverkehr in das X-Win hinein und wieder hinaus einem Fünftel des Verkehrs, der am DeCIX, dem „Herz des deutschen Internets“, fließt.
Die vierte Generation des DFN
Das Deutsche Forschungsnetz (DFN) ist ein von der Wissenschaft selbst verwaltetes Hochgeschwindigkeitsnetz, das Hochschulen und Forschungseinrichtungen untereinander und mit dem europäischen Ausland verbindet. Seit kurzem ist mit X-Win die vierte Generation in Betrieb. Alle wichtigen Forschungsinstitutionen sind Mitglieder im DFN-Verein: Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft, das Berliner Zuse-Institut, Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft. Auch private Unternehmen wie die Schering AG, T-Systems und Hewlett-Packard setzen auf das X-Win. Insgesamt nutzen 2,5 Millionen User dieses deutsche Highspeed-Netz.