Ein weiterer Konditionierungsversuch zur wichtigsten Substanz des 20. Jahrhunderts
Wem wir das Zeug zu verdanken haben, ist doch wohl klar: Dem Schweizer Chemiker Albert Hofmann. Der rüstige Rentner, mittlerweile weit über 90, ist immer noch gut beieinander. Ob das daran liegt, dass er LSD (Lysergsäurediäthylamid) so selten oder immer mal wieder ganz bewusst genommen hat, lässt er selber im Dunkeln. Er entdeckte die Wirkung des LSD´s am 16. April 1943 bei einer intuitiv motivierten Nachsynthese. Die zufällig Vergiftung mit der Substanz machte ihn neugierig und drei Tage später nahm er als erster Mensch in einem heroischen Selbstversuch die unerwartet mächtig einfahrende Dosis von 0,25 Milligramm LSD. Was folgte ist Legende.
Der erste Beipackzettel der Firma Sandoz, bei der Hofmann forschte und die LSD ein paar Jahre später als Medikament auf den Markt brachte, empfahl Psychiatern die Einnahme von LSD um ihre Patienten besser verstehen zu können. „Modellpsychose“ nannte sich der Spaß. Schon bald waren auch Freunde und Bekannte der Mediziner bestens mit der unterhaltsamen Substanz versorgt. Die beeindruckenden Wirkungen stießen schnell auf großes Interesse bei spirituell Interessierten, Intellektuellen und Künstlern, deren Berichte eine breite Öffentlichkeit neugierig machten. Der Weg für LSD als Volksdroge der 60er Jahre war geebnet. Die enorm transformatorischen Erfahrungen auf breiter Ebene schrieen geradezu nach einer Umgestaltung der als spießig, lustfeindlich und entspiritualisiert empfundenen „spätkapitalistischen“ Gesellschaft. Das Hippie-Zeitalter begann – Wassermann lass jucken.
Es lässt sich nicht leugnen: LSD wurde einer der maßgeblichen Motoren für seit den 60er Jahren anhaltende weltweite gesellschaftliche Veränderungen. Musik, Kunst, Konsumgewohnheiten, Frauenbewegung, Sekten, Esoterik, Psycho-Welle, ökologisches Bewusstsein, Anti-Rassismus: Die Zeit war reif für mehr Zärtlichkeit und für Katalysatoren vom Schlage des LSD. Kein Wunder, dass es von den Herrschenden sofort verteufelt wurde.
Das LSD-Revival der 90er
Einen Wimpernschlag vor dem Milleniumswechsel feierte LSD sein viel beachtetes Comeback. Raver, selbsternannte Schamanen, Neo-Hippies und Psycho-Freaks waren sich plötzlich wieder einig: Körperlich gut verträglich bietet es eine starke Ego-Auflösung zu einem angemessenen Preis. Was will man mehr in Zeiten der Orientierungslosigkeit? Während in den 60ern sich Dank LSD alles in den Köpfen änderte und man erwartete, dass sich folglich auch die Welt ändern müsste, empfand man am Ende des zweiten Jahrtausends das sich die Welt rasend ändert, folglich musste sich auch was in den Köpfen tun.
Die Wirkung
Das halbsynthetische LSD wird immer wieder als einmalig in seiner Ego-auflösenden Wirkung hervorgehoben. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von „natürlichen“ Substanzen, die nicht nur in ähnlichen Kontexten genommen werden und wurden, sondern tatsächlich auch vergleichbar zu wirken scheinen, gemeinhin unter dem Oberbegriff Psychedelika zusammengefasst. Von diesen dürften Meskalin, enthalten in diversen Kakteen, insbesondere dem Peyotl und dem San Pedro-Kaktus, Psilocin und Psilocybin, enthalten in zahlreichen Pilzen, DMT, Hauptwirkstoff im „Ayahuasca“, und chemisch dem LSD nahe verwandte Lysergsäureamide, enthalten in den Samen verschiedener Winden, die Bekanntesten sein. Chemikern haben wir allerdings eine ganze zum größten Teil kaum beforschte Palette an weiteren Psychedelika zu verdanken.
Nichts desto Trotz bleibt LSD für viele seiner Afficionados das faszinierenste Vehikel, um ihren Bewusstseinszustand nachhaltig zu verändern. Warum? Schwer zu sagen. Die ausgeprägt subjektiven Erfahrungen die mit LSD gemacht werden, schließen verallgemeinernde Aussagen über die Wirkung der Substanz aus. Ein inspiriertes Gedicht über eine Butterblume gibt da vielleicht mehr her als eine ellenlange verzweifelte wissenschaftliche Abhandlung. LSD nehmen heißt um den heißen Brei herumzutanzen oder sich mit voller Hingabe in ihn hineinzuwerfen, ihn das erste mal im Leben wirklich zu schmecken, nachdem man ausgiebig an ihm gerochen hat.
Über LSD zu sprechen, um damit zu behaupten wie es wirklich wirkt, sollte vermieden werden. Deshalb entschließen wir uns für Endlosgelaber. So ist die Wirkung von LSD, zumindest wenn man danach gefragt wird. Die Wahrheit ist demnach die Erfindung eines Lügners. Ist das alles nur eine Blase, ein abgefahrener Traum, in dem wir leben? Steckt erst dahinter die reale Welt, die nur mit den geöffneten Pforten der Wahrnehmung erkannt wird?
LSD nehmen kann heißen, sich auf den Weg zu machen grundlegende Fragen des Seins immer wieder neu zu stellen. Oder auch nicht. Da droht der Gang in die esoterische Buchhandlung. Mit Chance fährt man aber auch „nur“ mit dem Mähdrescher quer durch die eigene Psyche und man soll sich wundern, was dabei so zutage tritt. Dein innerer Reichsparteitag erwartet LSD-Bombennächte. White Light, White Noise. LSD ein fadenscheiniges Vergnügen? Oder ein wohlfeiler Genuss der Sonderklasse? Oder etwas für Durchgedrehte auf der Schwelle zum übernächsten Millenium? 20.000 Jahre LSD? Was macht LSD aus unbescholtenen Bürgern? Zufrieden mampfende Konsumidioten oder aufmüpfige durch den Raum flutschende Yogis? Mehr Fragen als Antworten, wie man sieht – und dazu kommt noch, dass es offensichtlich zu viele falsche Fragen gibt. Eine gute Frage ist: Why not?
Dosierung
Leider ist LSD eine nur auf dem Schwarzmarkt erhältliche Substanz. Die dort gehandelten Produkte unterstehen keinerlei Qualitätskontrolle. Nur gut ausgestattete Chemielabore sind in der Lage zu analysieren, was sich in den gehandelten „LSD-Trips“ in welcher Dosis befinden mag. LSD selbst ist ausgesprochen anfällig für Zersetzung, insbesondere im Licht, an der Luft und bei Wärme. Die Haltbarkeit ist sehr kurz. Das macht es de facto unmöglich Dosierungsempfehlungen zu geben. Dennoch existieren in der durchwachsenen Szene der „Acid-Heads“ einige Ratschläge, die unerwünschte Überdosierungen zu vermeiden helfen sollen. Die Erfahrungen von Freunden können Hinweise geben. Man sollte aber bedenken, dass die LSD-Wirkung in hohem Masse von subjektiven und äußeren Einflüssen abhängig ist, Set und Setting halt, die das Erleben in jedem Einzelfalle völlig neu bestimmen. Im Zweifelsfalle wird zunächst lieber weniger genommen, das heißt bei den auf dem Schwarzmarkt üblichen bunt bedruckten Löschblättern, ein Viertel bis die Hälfte des „Löschis“.
„Just say know“
Timothy Leary
Man muss es sich vorstellen: Ein Mann aus gutem katholischem Hause wird Professor, lehrt an der ehrwürdigen Harvard-Universität, schreibt wissenschaftliche Beiträge über Psychotherapie, hat eine nette Frau und mäht am Wochenende Rasen. Aber eines Tages erhält „Onkel Tim“, wie Timothy Leary (22.10.1920 – 31.05.1996) später liebevoll genannt wurde, seine wahre Bestimmung, katalysiert durch den Konsum einen mexikanischen Pilzes. Das war Anfang der 60er Jahre und es brodelte mächtig. Leary flog trotz durchaus sinniger Experimente mit Halluzinogenen aus Harvard (das erste und letzte Mal das ein Professor flog) und begab sich auf den Trip seines Lebens. Für die Hippies und Beatniks wurde er zur Kultfigur des Aufstands gegen das rigide Gesellschaft, für die Normal-Valium-Bürger zum gefährlichsten Mann der USA, der ihre Kinder zu Langhaarigkeit, Kriegsmüdigkeit und Drogenabhängigkeit treibt. „Turn on, tune in, drop out“, ein Satz dessen explosive Wirkung heute kaum noch vorstellbar ist, denn er forderte direkt zum Ausstieg aus dem kapitalistischen, freudlosen und unerotischen System auf.
Foto aus dem „Wired-Magazin“
Die Nachricht Learys war aufregend: Veränderte Zustände des Bewusstseins bergen einen großes Potenzial für eine positive psychische Entwicklung des Menschen. Sie ebnen den Weg für einen effektiveren und vollkommeneren Gebrauch des Nervensystems. Was dabei rauskommt ist eine schöpferischere und intellektuell reifere Persönlichkeit. Hätte Leary nun Meditation oder Yoga propagiert, wäre er weniger berühmt geworden und das us-amerikanische Establishment hätte weiter ihre Alk-Fürze in die Sofa-Kissen abgelassen. So aber luden sie ihre gesamten Ängste auf ihn und die von ihn propagierten Drogen ab. Das Leary Drogen wie LSD, Pilze und Meskalin als die Vehikel für eine prima evolutionär-revolutionäre Abfahrt feierte, lag in der Natur dieser Substanzen, machten sie doch auf schnelle und beeindruckende Weise klar, was in uns steckt. „Onkel Tim“ brannte darauf mit zu erleben, wie die Menschheit die alten Konditionierungen aufbricht und jeder einzelne sein Bewusstsein über die feste „Programmierung“ seiner „Schaltkreise“ hinaus entwickelt.
LSD in der Psychotherapie
Der seriöse Aspekt in der Anwendung des LSD ist sein Einsatz in psychotherapeutischen Kontexten. Zwei Herangehensweisen lassen sich unterscheiden: Die sogenannten Psycholytiker spülen mit Hilfe von LSD schwer zugängliche innere Zustände an die Oberfläche, die erst dadurch therapeutisch bearbeitbar werden. Die klassischen Psychedeliker erhoffen sich von einer durch eine hohe Dosis LSD katalysierten spirituellen Erfahrung heilende Auswirkungen auf das Leben des Menschen. Leider wurden die wissenschaftliche Erforschung und die professionelle Anwendung von LSD als Therapeutikum durch die Verbotspolitik praktisch lahmgelegt. Der Schweizer Psychotherapeut Peter Gasser erhielt Ende 2007 die Erlaubnis, LSD zu therapeutischen Zwecken versuchsweise zu benutzen.
Literatur
Plichtlektüre ist
Albert Hofmann: LSD – Mein Sorgenkind
Nicht auf dem neuesten Stand, aber eine gute Basis ist
Peter Stafford: LSD
Und in der gesellschaftliche Einordnung: Günter Amendt: Die Legende vom LSD
LSD-Poem
Erdbeeren, Bananen, Kirschen, Simpsons, Donalds, Supermans, Silver Surfers und Marsipulamis, Che Guevaras und Super Marios, Kreuze, Knoten, Schlüssel, Flügel, Glocken, Sonnen, Wallace and Grommits, Jerry Garcias und Jesuse, Friedenstauben, Goofys und E.T.´s, Peace Zeichen, Tintenfische und Pentagramme, Horusaugen, Flying Horses, Yin und Yangs, Chill-Pills, Eicheln, Mond und Sterne, Feuer, Schlangen, Pyramiden, Noten, UFOs und Ganeshas, Oms, Fat Freddy´s Cat und Fritz der Kater, Pyramidenaugen, Totenköpfe, Mickey Mäuse, Sterne, Karos, Herzen, Beavis and Buttheads und Father of LSD, Tiger, Fische, Bären, Formeln, Looney-Birds und Jubiläums-Teile, verrückte Muster, Hofmänner und Mirakulix, Helme, Augen und explodierende Hakenkreuze, Ha´s, Aliens, Klobürsten, Gay Bikers on Acid und Abendmahle, No Limits -LSD.
az und adh
Nachtrag 2008: Im Alter von sagenhaften 102 Jahren verstarb am 29. April 2008 der Entdecker des LSD, Albert Hofmann, in seinem Haus in Burg im Kanton Basel-Land.