Kategorien
Gesundheitssystem Übermensch

Check-up ins Leere

Vorsorgeuntersuchungen sind nutzlos

Die bei vielen Deutschen beliebten Vorsorgeuntersuchungen sind einer systematischen Übersichtsarbeit der Nordic Cochrane Centre zufolge gänzlich nutzlos. Die Forscher kommen nach der Auswertung von 14 Studien mit insgesamt mehr als 180.000 Teilnehmer zu dem Schluss, dass Menschen, die regelmäßig zum Check-up gehen, genau so häufig an einer Krankheit sterben wie andere. Es war die erste systematische Analyse dieser Art. Die Daten von 11.940 Toten aus neun Studien zeigten keine Unterschiede in den beiden Gruppen, weder übergreifend noch bei Krebs oder Herzkrankheiten. Studienleiter Lasse Krogsboll: „Wir sagen damit nicht, dass Ärzte keine Tests durchführen oder Behandlungen anbieten sollten, wenn sie vermuten, dass ein Problem vorliegt. Aber wir denken, dass generelle Gesundheitschecks abgeschafft werden können.“ Beschwerdefreie Menschen können sich also den Weg zum Arzt sparen.

Einige der ausgewerteten Studien haben Hinweise darauf gefunden, dass durch die Vorsorgeuntersuchung Diagnose gestellt werden, die zu keinen Symptomen oder gar einem kürzeren Leben geführt hätten. So wurden laut einer Studie vermehrt hoher Blutdruck oder hoher Cholesterinlevel diagnostiziert. Wenn überhaupt sollten sich Check-ups auf spezifische Krankheiten wie Nierenprobleme und Diabetes konzentrieren.

Auch diese Meta-Analyse unterliegt Beschränkungen. So sind viele der einbezogenen Studie schon vor Jahrzehnten durchgeführt worden. Die Richtlinie und Techniken haben sich seither geändert.

In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen bei über 35-Jährigen alle zwei Jahre einen Gesundheits-Check-up beim Hausarzt. Man hofft auf diesem Wege Krankheiten aller Art früh zu entdecken, um durch die rechtzeitige Behandlung einen schwerem Verlauf vorzubeugen. In anderen Ländern existieren ähnliche, kostenintensive Vorsorgesysteme.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/153005

Kategorien
Gesundheitssystem Übermensch

Verhindert ein aktives Leben die Demenz? Vielleicht.

Schon länger weisen Studien darauf hin, dass ein aktiv geführtes Leben den Ausbruch von Demenz im Alter verhindern kann.

Schon länger weisen Studien darauf hin, dass ein aktiv geführtes Leben den Ausbruch von Demenz im Alter verhindern kann. Eine britische Langzeituntersuchung von über 13.000 Personen und über 300 Gehirnen hat sich nun der Frage angenähert, welche Komponenten genau im Alter geistig fit halten.

Dafür wurde für jeden Teilnehmer ein „Cognitive Lifestyle Score“ (CLS) ermittelt, der sich aus Angaben zu sozialen Kontakten und Engagement, Art und Komplexität des Berufs, der Aus- und Weiterbildung und dem sozioökonomischen Status zusammensetzte. Für den anatomischen Teil der Studie wurden die Gehirne der bis 2004 verstorbenen Teilnehmer unter die Lupe genommen und nach typischen, demenzspezifischen Veränderungen untersucht. Wie man sah, sah man nichts: Die Gehirne von Teilnehmern mit hohem CLS-Wert variierten hinsichtlich krankhafter Alzheimer-Mutationen nicht. Auch war die neuronale Dichte im Hippocampus nicht anders. Nur im Brodmann-Areal 9 fand man eine höhere Dichte.

Überrascht wurden die Forscher von dem Ergebnis, dass ein aktiver Lebensstil bei Männern das Risiko an Hirndurchblutungs-Störungen zu erkranken, um 80% senkte, während dies bei Frauen überhaupt keine Auswirkung hatte. Bei Frauen konnte dagegen eine Beziehung zwischen einem kognitiv aktiven Lebensstil und einem erhöhten Hirngewicht nachgewiesen werden; hier mussten die Männern passen. Auch nach Kontrolle der Kofaktoren blieb unklar, wie diese Unterschiede zu erklären sind. Was bleibt, ist ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen rührigem Tun und Denken und biologischen Veränderungen im Gehirn.

Korrespondierend wurde im anderen Teil der Studie erneut bestätigt, dass ein geistig reges Leben die Chance erhöht, nicht an einer Demenzform zu erkranken. Wohlgemerkt reicht dabei eine einzelne CLS-Komponente nicht aus – Gehirnjogging allein hilft also nicht. Das geringere Demenzrisiko war bei den 13.000 Teilnehmern auf der anderen Seite selbst dann zu beobachten, wenn nur eine Kombination von zwei CLS-Komponenten vorlag.

Es gelten die üblichen, schwer zu eliminierenden Einschränkungen einer solchen Studie. So können Kofaktoren wie Stress oder Ernährung existieren, die das Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Gerade letztere ist in jüngst in den Fokus gerückt. Bei Mäusen führt ein Eingriff in die insulingestützte Signalverarbeitung zu Ablagerungen im Gehirn, wie sie auch bei Alzheimer auftreten. Forscher wie Suzanne de la Monte sprechen schon von „Diabetes Typ 3“, wenn Hirnzellen insulinresistent werden. Menschen mit Typ 2 Diabetes sind aus ihrer Sicht besonders gefährdet, eine Demenz zu entwickeln. Aber Studien hierzu fehlen bislang und der überwiegende Teil von Alzheimer-Patienten hat keine Typ 2 Diabetes.

Auf die wichtige Rolle von Insulin im Gehirn wurden Wissenschaftler erst in den letzten Jahren aufmerksam. Die Substanz hilft nicht nur Nervenzellen dabei, Glukose aufzunehmen und in Energie umzuwandeln, sie reguliert auch einige Neurotransmitter und unterstützt das Wachstum von Neuronen und Blutgefäßen. Ewan McNay von der Universität von Albany im Bundesstaat New York und Suzanne Craft von der Washington Universität in Seattle setzten jüngst Ratten auf eine 12 Monate dauernde, extrem fettreiche Ernährung. Dies führte bei vielen Nagern zu Diabetes und parallel zur Bildung von amyloiden Plaques, wie sie auch bei Alzheimer Patienten auftreten.

Erschienen in der Telepolis unter www.heise.de/tp/blogs/3/152841

Kategorien
Cognitive Enhancement Gesundheitssystem Übermensch

Die Debatte um die Quantified Self-Bewegung und die Selbststeuerung

telepolis, 07.08.2012

Enhancement mit Statistik

Jörg Auf dem Hövel

Die Debatte um die Quantified Self-Bewegung und die Selbststeuerung

Die Selbsterkenntnis per Datenanalyse hat Konjunktur. Wo früher Waage und Fieberthermometer ausreichen mussten, um den eigenen Gesundheitszustand zu messen, stehen heute eine Vielzahl von Gadgets bereit. Bio-Sensoren und Apps können Körperfunktionen in jeder Lebenslage aufzeichnen, aus den gewonnenen Daten werden Handlungsanweisungen für optimalen Schlaf, gesündere Ernährung, bessere Fitness und höhere Intelligenz gezogen. Das Quantified Self ist geboren, die lose gekoppelten Mitglieder dieser Bewegungen, die sogenannten Self-Tracker, wollen sich optimieren. Die Fitness- und Gesundheitsbranche sieht neue Geschäftsfelder wachsen, aber es wird auch Kritik laut.

Auf dem Markt sind bereits Waagen, die das Gewicht und den BMI per WLAN an den PC oder das Smartphone senden. Einige erlauben das Teilen der Daten auf Facebook und Twitter. Einen Schritt weiter geht Beeminder. Das System zieht Geld vom Konto ein, wenn man sein Trainingspensum nicht erfüllt. Und unter www.trackyourhappiness.org behauptet, eine App gar feststellen zu können, welche Tätigkeiten den Anwender glücklich machen. Viele Produzenten sammeln die anonymisierten Informationsströme, um Datenbanken mit Nutzerverhalten aufzubauen. So pflegt beispielsweise ein Hersteller von Schlafsensoren, die Firma Zeo, mittlerweile eine der weltweit größten Datenbanken über das menschliche Schlafverhalten.

Ein Hobby für Nerds, könnte man meinen. Und tatsächlich sieht man auf den Treffen zumeist junge Männer die Tabellen und Ansätze diskutieren. Florian Schumacher vom Quantified Self Netzwerk Deutschland weist gleichwohl darauf hin, dass bereits heute viele Menschen digitale Produkte, welche auf der Selbst Quantifizierung basieren, verwenden. Ob Schlafphasenwecker, Menstruationskalender oder GPS-Tracking für Sportler – eine Vielzahl von Smartphone Apps basiere auf der Messung und Analyse von persönlichen Daten. „Zugleich wird auch von medizinischer Seite immer häufiger die regelmäßige Kontrolle von Werten wie Gewicht, Blutdruck oder Blutzucker empfohlen und Ansätze aus der Telemedizin werden zunehmend populärer.“ Durch diese Trends sei davon auszugehen, dass sich Sportler und Patienten zukünftig häufiger quantitativ beobachten, um Ihre Leistungen oder ihre Gesundheit zu verbessern.

In Deutschland ist die Szene klein und diversifiziert. Die deutsche Quantified-Self-Facebook-Gruppe hat zur Zeit 146 Mitglieder. Nicht alle sind eingefleischte Body-Hacker, vielen geht es eher darum, Trainingseffekte zu messen und ihre Gesundheit auf einem guten Stand zu halten.

Die schillerndsten Blüten sprießen wieder einmal in den USA. Dort erlauben einige Self-Tracker jedermann ihre Einsicht in Hirnstrom- und Stuhlgangwerte. Der Tracker Chris Volinksy stellt beispielsweise seinen kompletten und immer aktuellen Gesundheits-Datensatz zum Download zur Verfügung. Dies umfasst zur Zeit Schrittanzahl, Gewicht und Produktivität, aber beispielsweise noch keine Blutwerte. Andere, wie Dave Asprey, haben das Quantified Self zu einer die gesamte Existenz umfassenden „Biohacking“ ausgebaut und bieten verschiedene Produkte an, die als cognitive enhancer wirken sollen.

Corpus Delicti

Dieser technische Enthusiasmus ruft Kritiker auf den Plan. Diese reiben sich nicht nur am gefährdeten Datenschutz, sondern befürchten einerseits einen Kampf gegen den eigenen Körper, der sich der Illusion hingibt, über eine manische Selbstkontrolle Herr über das eigenen Schicksal werden zu können. Andererseits sieht man in der Trackern die Spitze der gesellschaftlichen Tendenz, die physische Vollkommenheit als das höchste Gut im Leben zu sehen.

Jüngst hat die Autorin Juli Zeh mit einem grimmigen Artikel zu Wort gemeldet. Zeh hatte schon in ihrem Roman „Corpus Delicti“ eine Gesundheitsdiktatur beschrieben, in der hyperhygienische Kontrollen und Regulationen herrschen. In der Selbst-Quantifzierung sieht sie nun einer Art Magersucht für Männer, in den Trackern die Versuchskaninchen für das aufkeimende „Konzept des Gesundheitsuntertanen“. Ihr Argument: „Wenn es einen optimalen Lebensstil gibt, der zum optimalen Körper führt, dann gibt es auch messbare Abweichungen, an die sich Belohnung und Strafe knüpfen lassen.“

Florian Schumacher hält solche Befürchtungen für übertrieben. Einen allgemein gültigen, optimalen Lebensstil gäbe es ohnehin nicht, da sich jeder Mensch in seinem Stoffwechsel, seinen gesundheitlichen Voraussetzungen und seinen persönlichen Bedürfnissen unterscheide. „Lösungen nach dem Prinzip von Quantified Self zielen darauf ab, besser auf den Einzelnen mit seinen individuellen Besonderheiten einzugehen. Die Auseinandersetzung mit sich selbst führt zu Wissen, welches man für einen selbstverantwortlichen Lebensstil einsetzen kann.“ Darin sieht er primär eine Chance zum mündigen Umgang mit der eigenen Gesundheit.

Das Selbst und seine Steigerung

Die Optimierungsbemühungen der Quantified Self Bewegung fallen in eine Zeit, in der das Individuum ohnehin als durch und durch messbare und jederzeit zu verbessernde Gestalt interpretiert wird. Die Gesundheits- und Pharma-Industrie steht zur Seite, wenn es darum geht, an beliebigen Stellschrauben zu drehen: Nahrungsergänzungsmittel für die tägliche Ernährung, Koffein für das Büro, Stimulanzien für den Abend und vor dem Halbmarathon ein paar Schmerzmittel. Eine Zeit lang schien es, als das mit den sogenannten „cognitive enhancern“ pharmakologische Mittel zur Verfügung stehen, die Aufmerksamkeit, Aufnahmekapazität oder gar Intelligenz steigern. Die nähere wissenschaftliche Analyse relativierte dies stark, mehr als Wachbleiben ist kaum drin, Steigerungen einiger kognitiven Funktionen gehen meist mit Verringerung anderer Funktionen einher.

Um nicht nur die rationalen Funktionen, sondern die Gesamtstimmung auf hohem Niveau zu halten, können Antidepressiva dienen. Die Grenze zwischen Therapie und Enhancement ist hier nicht immer so scharf, wie dies gerne von der Ärzteschaft behauptet wird. Ob nun aber beispielsweise in Deutschland eine Überversorgung herrscht, wird diskutiert. Der aktuelle Arzneimittelreport behauptet dies, die Fachschaft widerspricht. Das Beispiel der medikamentenaffinen USA („Listening to Prozac“) mag als Warnung dienen, lässt sich aber nicht auf Europa übertragen. Zur Zeit wird die Wirkung des „Kuschelhormons“ Oxytocin erforscht. Die Therapeuten hoffen auf soziale Bindungsaktivierung. Allerdings zeigt sich, dass bei Menschen mit einer bestimmten Ausprägung der Oxytocin-Rezeptoren das Mittel seine Wirkung kaum oder gar nicht entfaltet.

Ob Zeiten des „emotionalen enhancement“ vor der Tür stehen ist offen. Felicitas Krämer von der Technischen Universität Eindhoven untersucht deren Ethik und warnt vor Eingriffen in die Psyche von Gesunden. „Das emotionale Enhancement scheint mir noch problembehafteter und komplexer als das kognitive, denn es geht nicht einfach um Steigerung.“ Die früher diskutierten Fragen der Natürlichkeit der Gefühle, die beim emotionalen Enhancement evoziert werden, hält sie für nachrangig. „Ich denke, wir können biokonservative Argumentationen nach dem Motto ‚etwas ist deshalb problematisch, weil es künstlichen Ursprungs ist‘ mittlerweile ganz beiseite legen. Sie sind widerlegbar. Stattdessen sollte der Diskurs sich hauptsächlich mit der Lebensqualität der Konsumenten und den möglichen negativen Folgen des Konsums befassen.“

Ob Hirndoping, Antidepressiva oder Entaktogene: Hinweise auf gutes Gelingen und inneren Frieden sind möglich, das Vertrauen auf die andauernde Wirkung wird zumeist enttäuscht. Es besteht immer die Chance, dass unser Körpersystem allzu schnelle Veränderungen an sich als Störung empfindet. Wer sich aufgrund innerer Querelen ändern will, darf Zeit einplanen. Eine Binsenweisheit vielleicht, genauso wie die Feststellung, dass genau diese Zeit heutzutage Mangelware ist. Und, nur nebenbei bemerkt, treffen sich an dieser Stelle diejenigen, die Heilung auf Knopfdruck durch Pharmakotherapie und diejenigen, die spirituelle Erweckung durch Urwaldaufenthalte mit Ayahuasca-Sitzungen erwarten.

So sehr man den Optimierungswahn auch kritisieren mag: Quantified Self könnte durchaus zur zivilen Selbstermächtigung und der damit möglichen Autonomisierung von den Institutionen des Gesundheitssystems und Fitnessbranche beitragen. Folgt man allerdings Autoren wie Juli Zeh ist körperlich-geistige Kultivierung ohne Unterordnung unter das kapitalistische Leistungsdiktat überhaupt nicht möglich. Auch die junge Bewegung des Quantified Self kommt nicht um die Frage herum, ob sie einer weiteren Form leistungsgesellschaftlicher Anpassungsvorgänge unterliegen und zur Erosion gesellschaftlicher Solidarität beitragen.

Es ist nie einfach zu sehen, ob man etwas tut, weil man es von sich erwartet oder es von einem erwartet wird. So tief braucht man zudem nicht blicken, um zu erkennen, dass diese Technologie mehr ist als nur ein Mittel, genaueres über sich selbst zu erfahren. Denn an das Funktionsverständnis ist der Optimierungswille eng gekoppelt. Und ein hypertechnischer Ansatz, der zentrale Lebensbereiche in den Verfügungsbereich der Technik stellt, ist für Selbstverdinglichung durchaus sensibel.

 

]]>

 

zurück zur Startseite von Jörg Auf dem Hövel mit weiteren Interviews und Artikeln

 

Kategorien
Drogenpolitik Gesundheitssystem

Das Drogenverbot ist (mal wieder) am Ende

Der hochtechnisierte und globale Markt produziert ständig neue Substanzen, eine Kontrolle wird immer schwieriger

Die Problemlage ist seit langem bekannt: Einerseits steht eine Unmenge von Genussmittel und psychoaktive Substanzen zur Verfügung, die von Bürgern aus unterschiedlichsten Gründen konsumiert werden. Andererseits unterwirft sich die Gesellschaft über ihre Institutionen umfangreichen Regelwerken, die diesen Konsum in geordnete Bahnen lenken sollen. Während man bei den Genussmitteln froh darüber ist, dass der Staat deren Herstellung reglementiert und Inhaltsstoffe kontrolliert, damit gesunde Ernährung möglich bleibt, wird die Reglementierung bei den psychoaktiven Substanzen von einer mittlerweile nicht unerheblichen Teil von Bürgern und Experten kritisch gesehen. Denn um die Einhaltung der Regeln zu gewährleisten, setzt der Staat auf das Strafrecht. Wer also meint ein Kilogramm Zucker zu besitzen, der darf dies tun, bei einem Kilogramm Kokain sieht das anders aus.

Selbstschädigung unerwünscht, die Strafbewertheit des Besitzes von Drogen soll zudem deren Ausbreitung verhindern, der Schwarzmarkt muss die Wünsche der Kunden befriedigen. Rund um die Verhinderung illegaler Produktion und des Handels ist ein globales Politikfeld entstanden, in den USA der „war on drugs“ genannt. Immer wieder weisen Expertenkommissionen auf die mangelnde Effektivität und Effizienz dieser Drogenverbotspolitik hin. Gleichwohl ist über die Jahrzehnte ein umfangreicher Katalog verbotener Drogen entstanden, der, je nach politischer Strömung, weltweit zwar leicht variiert, im Grunde aber die gleichen Substanzen umfasst. Neue Substanzen, die als potentiell gefährlich gelten, werden hier eingefügt.

Seit einigen Jahren wird diese etablierten Drogenpolitik von einer Entwicklung überrollt, deren Ausmaße nun immer deutlicher werden. Die Technik zum Betrieb von chemischen Laboratorien hat sich vereinfacht und verbilligt, zudem ist das Wissen um die Synthese von neuen Molekülstrukturen durch das Internet hoch verfügbar. Durch die Öffnung des asiatischen und hier vor allem chinesischen Marktes steht eine Vielzahl von Produktionsstätten bereit, die auf jede Änderung in Drogengesetzen mit einer Änderung der chemischen Struktur der verbotenen Substanzen reagieren. Angedeutet hatte sich das schon 2004 bei Spice, einer obskuren Mischung aus synthetischen Cannabinoiden und Pflanzenteilen. Der psychoaktive Inhaltsstoff nannte sich JWH-018. Das eingeleitete Verbot führt dazu, dass andere Cannabinoide benutzt wurden, beispielsweise HU-210.

Einige weitere Beispiele:

1. Seit einigen Jahren beschickt die Szene der globalen Research-Chemicals- Experten in kurzen Abständen den Markt mit neuen Derivaten von Cathinonen. Eine 2009 durchgeführte Online-Befragung von knapp 2300 Website-Besuchern des Club-Magazins MixMag förderte zu Tage, dass bereits 41 Prozent das Cathinon-Derivat Mephedron schon einmal konsumiert hatten – oder das, was sie dafür hielten.

2. Auf den Websites chinesischer Anbieter ist eine weitere chemische Gruppe erhältlich, die sogenannten Piperazin-Derivate. Piperazin wurde früher gegen Wurminfektionen eingesetzt, seine stimulierenden Abkömmlinge BZP, TFMPP und m-CPP tauchen seit ein paar Jahren auf den europäischen Märkten auf. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) enthalten zwischen 20 und 50 Prozent aller in den EU-Mitgliedsländern als Ecstasy verkauften Tabletten mittlerweile Anteile von m-CPP. Weder m-CPP noch die anderen Derivate wurden bislang in klinischen kontrollierten Studien an Menschen getestet.

3. Eine jüngst veröffentlichte Erhebung zeigt, dass zwischen 1997 und 2011 über 200 neue Substanzen vom europäischen Frühwarnsystem entdeckt wurden, 49 Molekülstrukturen alleine im letzten Jahr. Der letzte Schrei scheinen Derivate von Pipradrol zu sein.

4. Die Produzenten gehen kaum noch das Risiko ein, eine bereits illegale Substanz unter einem anderen Namen zu verkaufen, sondern stellen umgehende neue Strukturen her, die noch nicht vom Verbot betroffen sind. So fand eine Gruppe um Kevin Shanks von den AIT Laboratories jetzt heraus, dass 95% der von ihnen untersuchten, in den USA von der DEA beschlagnahmten synthetischen Cannabionide und Stimulantien überhaupt nicht im Katalog der aktuell verbotenen Drogen standen.

In den USA behilft man sich nun damit, ganze Substanzklassen für illegal zu erklären. Reflexhafte Verbotsreaktionen werden das Problem nicht aus der Welt schaffen. Ähnlich wie beim Urheberrecht überrollt zur Zeit die technische Entwicklung die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und hier wie dort werden Konsumenten kriminalisiert. Das Ziel der „drogenfreien Gesellschaft“ ist überholt, diskutiert werden müssen neue Mittel und Wege, wie mit Drogen sinnvoll umgegangen werden kann.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/152231

Kategorien
Elektronische Kultur Gesundheitssystem

Interview mit Stephan Schleim über das Gedankenlesen

www.gedankenlesen.info

Interview mit dem Autor Stephan Schleim über sein Buch „Gedankenlesen“

Frage: Herr Schleim, wer an Gedankenlesen denkt, denkt zunächst an den klassischen Lügendetektor. Mit welcher Zuverlässigkeit können die herkömmlichen Polygraphen jemanden beim Lügen ertappen?

Stephan Schleim: Schon beim „klassischen Lügendetektor“ gibt es große Unterschiede. Interessanter als die wissenschaftlichen Daten ist hier ein Blick in die Gerichtssäle: In den USA lässt kein Gericht – außer im Bundesstaat New Mexico – den Polygraphen als Beweismittel zu. Auch in Deutschland genießt er keinen guten Ruf. Urteile des Bundesgerichtshofs aus den 1950er und 1990er Jahren erklären ihn höchstrichterlich als unzulässig. Die Begründung hierzulande wie in den USA ist, das Verfahren sei nicht wissenschaftlich gesichert.

Bringt die moderne Technik mit ihren bildgebenden Verfahren da einen Fortschritt?

Die einfache Idee vieler ist: Lügen seien gedankliche Prozesse; und Gedanken fänden im Gehirn statt; also müsse man nur das Gehirn untersuchen, et voilà, schon könne man zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden. Wer einmal selbst Hirnforschung betrieben hat, der weiß aber: In Sachen Hirn ist nichts so einfach. Dennoch ist es manchen Forschern gelungen, unter experimentellen Bedingungen auf bis zu 90 Prozent Zuverlässigkeit zu kommen. Dabei bleiben noch viele Fragen offen – es ist aber ein beachtlicher erster Erfolg.

Also ist die Unterscheidung zwischen „Lüge oder Wahrheit“ bald gerichtsverwertbar den Maschinen überlassen?

Nein, keineswegs, das ist noch unentschieden. Wenn man einem Studenten eine Spielkarte gibt und ihm sagt, er solle jetzt immer „nein“ antworten, wenn man ihn danach fragt, und ihn zudem dafür bezahlt, was heißt das? In Wirklichkeit gibt es viele Arten von Lüge, die viel komplexer sind. Wie ich im Buch argumentiere, könnte sich ein echter Lügendetektor im Sinne einer Gedankenlese-Maschine als verfassungswidrig herausstellen. Ob die Maschinen jemals im Gerichtsaal landen, das ist noch nicht abzusehen.
Stephan Schleim
Aber die Neuro-Wissenschaft erhofft sich viel von den bildgebenden Verfahren.

Ja, das ist korrekt. Nachdem die ausgerufene „Dekade des Gehirns“ (1990 bis 2000) vorüber ist und sich nun auch das „Jahrzehnt des menschlichen Gehirns“ (2000 bis 2010) dem Ende nähert, zeichnet sich jedoch ab, dass manche Hoffnungen überzogen sind. Die bildgebenden Verfahren können Erstaunliches sichtbar machen, dennoch bleibt es wichtig, genau hinzuschauen, was einem die Daten sagen. Wir messen Bildern aufgrund unserer Alltagserfahrung oft eine erhebliche Überzeugungskraft bei – aber was bedeuten Hirnbilder wirklich? Dieser Frage wurde bisher in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Ist es nicht bis jetzt so, dass die konkreten Inhalte des Denkens nur dann ausgelesen werden können, wenn die Vorgaben durch den Versuchsaufbau sehr eng sind? Der Proband darf also an einen Kreis oder ein Quadrat denken, nicht aber an seine Mutter?

Das kommt einem bestimmten Experiment sehr nahe, bei dem ermittelt werden konnte, ob jemand gerade an ein Gesicht denkt oder an einen Ort. Das wäre nur in einem sehr reduzierten Sinne „Gedankenlesen“. Allerdings gibt es auch schon erfolgreiche Versuche, den gedanklichen Inhalten weitaus näher zu kommen. Beispielsweise wurde es mit zehn verschiedenen Objektkategorien probiert; oder auch damit, anhand der Muster von Versuchsperson A die Erlebnisse von Versuchsperson B zu bestimmen.

Der ultimative Test einer universellen Gedankenlesemaschine wäre es aber, ein Experiment frei von jeglichen Beschränkungen durchzuführen, da gebe ich Ihnen recht. Ob es jemals so weit sein wird und wenn ja, wann, darüber lässt sich heute nur spekulieren. Es lohnt sich aber, die aktuellen Fortschritte genauer anzuschauen, um eine realistische Einschätzung darüber zu gewinnen, was schon möglich ist und was noch nicht.

Und was die Gesellschaft will.

Ja, natürlich, und dafür muss man die Datenlage richtig einschätzen können. Relativ unabhängig von dem, „was die Gesellschaft will“, dürfen die Wissenschaftler erst einmal ihrer Forschung nachgehen. Aus diesen Ergebnissen können dann technische Anwendungen entstehen, die wiederum auf die Gesellschaft rückwirken. Das wird am Beispiel der Lügendetektion mit dem Hirnscanner deutlich, wo zwei Firmen in den USA seit Kurzem mit Hirnforschern kooperieren, um diese Anwendung marktreif zu machen. Eine von beiden Firmen, „No Lie MRI“, will jetzt auch in den europäischen Markt einsteigen und plant dafür gerade eine Vorführung in der Schweiz.

Gesetzt den Fall, das Auslesen von Gedanken verfeinert sich immer mehr, lässt sich schon absehen, ob dies Auswirkungen auf das Selbstbild des Menschen haben wird? Ich kann mir vorstellen, einige Philosophen sichern schon das Terrain.

[lacht] Ja, tatsächlich versuche ich selbst, da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ein schlechtes Beispiel für einen viel beschworenen Einfluss auf das Selbstbild, manchmal wurde gar von einer „Kränkung des Subjekts“ geredet, stellt meines Erachtens die Willensfreiheitsdebatte dar. Da wurden manchmal Behauptungen aufgestellt, ohne überhaupt die Bedeutung solcher Wörter wie „Wille“ oder „Freiheit“ zu reflektieren. Ich frage mich, hat irgendein Mensch in Deutschland durch diese Diskussion aufgehört daran zu glauben, dass er – zumindest manchmal – aus freien Stücken handelt?
Ich wünsche mir, dass wir eine kritische Neurophilosophie bekommen, damit sich so eine verfehlte Diskussion nicht wiederholt; und ich wünsche mir, dass sich auch mehr Laien trauen, sich mit der Hirnforschung philosophisch auseinanderzusetzen: Einerseits gibt es dort nämlich wirklich Interessantes über den Menschen zu lernen, andererseits würde es dazu beitragen, dass sich die Diskussion nicht im abstrakten Raum des akademischen Elfenbeinturms verliert.

Existieren eigentlich Untersuchungen darüber, ob Liebe und Empathie uns tatsächlich die Gedanken des anderen fühlen lassen können – oder ist das ein gänzlich anderes Feld?

Was Sie ansprechen, ist sogar ein traditionelleres Forschungsfeld als das „Gedankenlesen“ in dem Sinne, wie ich es verwende. Von Natur aus können wir nämlich bestimmte Fähigkeiten entwickeln, die Gedanken eines anderen besser nachzuempfinden oder auch zu manipulieren. Haben Sie schon einmal Poker gespielt? Dann wissen Sie, wie schwer es ist. Wären wir aber perfekte Gedankenleser, dann würden solche Spiele keinen Sinn machen und auch unser sozialer Alltag wäre wesentlich härter. Das selbsterklärte Ziel der Forscher ist es nun aber gerade, es mit Hightech besser zu machen, als wir es von Natur aus können. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie dieses Wettrennen ausgehen wird.

Das Interview führte Jörg Auf dem Hövel

Kategorien
Gesundheitssystem Übermensch

Krebs und seine Metastasen: Es ist alles viel komplizierter

Die verschiedenen Zellen eines Tumors haben oft mehr genetische Unterschiede als Gemeinsamkeiten

Krebs entsteht aus einer einzigen entarteten Krebsstammzelle, die sich immer wieder teilt. Dabei können sich die neuen Zellen verändern. Es existieren also nicht nur unterschiedliche Arten von Krebs (über 200), sondern auch die Krebszellen eines Patienten unterscheiden sich signifikant voneinander. Hierin scheint der Grund zu liegen, weshalb bei einigen Patienten trotz der Strahlen- oder Chemotherapie bestimmte Zellen weiter wachsen.

Britische Forscher haben jetzt eine Studie veröffentlicht, in der die Tumore und Metastasen von vier Patienten mit Nierenzellenkrebs näher untersucht wurden. Die untersuchten Haupttumore variierten in sich stark und entwickelten weitere Unterlinien. Genetisch, so Studienleiter Charles Swanton, würden mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den Krebszellen existieren. Die Ergebnisse würden sich mit jüngeren Berichten über Leukämien und Bauchspeicheldrüsenkrebs decken, zitiert die Süddeutsche Zeitung Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Es können demnach in einem Körper viele Varietäten eines Krebsstamms existieren. Eine einzelne Gewebeprobe (Biopsie) kann daher ins Leere führen. Die neuen Erkenntnisse haben unbedingte Auswirkung auf die Krebstherapie. Zukünftig wird es darum gehen festzustellen, ob eine Mutation eines Krebstumors tatsächlich häufig vorkommt. Schon jetzt weiß man allerdings, dass es solche Basismutationen nicht immer gibt. Und die Entwicklung von Medikamenten für verschiedene Krebs- und Subkrebsarten wird kostspielig.

Die Studie von Charles Swanton weist erneut darauf hin, dass Früherkennung eine maßgeblich Rolle bei der Therapie spielt. Leider funktioniert diese nicht für alle Krebsarten wirklich gut. Trotz der neu entdeckten Komplexität darf nicht vergessen werden, dass die Überlebensraten bei allen Krebsarten seit Jahrzehnten ansteigen. Zur Zeit überlebt rund die Hälfte der Patienten mindestens die nächsten fünf Jahre nach einer Diagnose.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/151608

 

Kategorien
Cognitive Enhancement Drogenpolitik

„Hirndopende“, „Soft-Enhancende“ und „Nicht-Anwender“

Deutsche Studenten sind reserviert gegenüber dem Hirndoping – die erste vernünftige Studie zum Thema zeigt die geringe Verbreitung des Phänomens

Begriffe formen die Welt, aber so richtig wollte sich nie jemand mit dem Begriff des „cognitive enhancement“ anfreunden. Also Hirndoping. Das impliziert zwar Illegalität, aber egal, dachten sich die universitären und medialen Wortschöpfer. Die Welle der Studenten und Angestellten, die sich mit allerlei Mittelchen in den hyperkognitiven Orbit schießen, wollte allerdings nie richtig anlaufen. Aus anekdotischen Berichten (Nature-Befragung), kruden Selbsterfahrungsartikeln ((;-))) und Studien (DAK-Erhebung unter Arbeitsnehmern) konnte wenig Konkretes gezogen werden – es rappelte gleichwohl in der Pressekiste (z.B. hier).

Gut, dass es den HISBUS gibt. In diesem Online-Panel finden regelmäßig Befragung von Studenten statt und, wichtig, die Ergebnisse sind repräsentativ für alle Studierenden in Deutschland. Zwischen Dezember 2010 bis Januar 2011 nahmen knapp 8.000 Studenten an einer Befragung teil, die den Dopingleidenschaften der kommenden wirtschaftlichen und kulturellen Intelligencia auf dem Grund gehen wollte. In den Ergebnissen (in ihre Gesamtheit hier als pdf) und ihrer Interpretation finden sich gleich mehrere erhellende Elemente.

Um den freizeitorientierten Gebrauch auszuschließen, wurde in der Untersuchung die entscheidende Frage gestellt: „Welche Substanz(en) haben Sie zur eigenen geistigen Leistungssteigerung und/oder zur Beruhigung (nicht aus Genussgründen oder im Rahmen ärztlicher Verordnung) eingenommen?“

Glaubt man den Antworten, dann haben nur 5% der Befragten jemals eine psychoaktive Substanz eingenommen, um gezielt leistungsfähiger oder entspannter zu werden. Ist das viel? Ist das wenig? Angesichts der verschiedenen Mittel, die hier angegeben wurden, wohl eher wenig. Denn nicht nur die klassischen „cognitive enhancer“ wie Ritalin und Modafinil fallen unter die Autoren-Definition des Hirndoping, sondern auch Drogen wie Cannabis, MDMA, Speed und Kokain sowie Arzneimittel wie Betablocker, Schmerzmittel, Schlafmittel und Antidepressiva. Zudem beruft sich knapp die Hälfte derjenigen, die eine derartige Substanz eingenommen haben, auf den „ganz seltenen“ Gebrauch der Mittel. Am häufigsten werden leistungssteigernde Mittel zur direkten Prüfungsvorbereitung eingesetzt.

In einem mutigen Schritt entschlossen sich die Autoren der Studie, die Studenten in drei Gruppen einzuteilen: „Hirndopende“, „Soft-Enhancende“ und „Nicht-Anwender“. Die Hirndoper sind die oben genannten 5%, die Soft-Enhancenden weitere 5%, die ihre Leistungen versuchen zu optimieren, indem sie Vitaminpräparate, homöopathische und pflanzliche Substanzen sowie Koffein einnehmen.

Erhellend sind ja immer die absoluten Zahlen. Von den 7.989 Studenten, die diese Frage beantwortet haben, gaben 100 (1,3%) Personen Medikamente, 97 (1,2%) Cannabis, 77 (1,0%) Ritalin, 49 (0,6%) Betablocker und 38 (0,5%) Amphetamin an. Die größte Gruppe ist allerdings die der nachkodierten Soft-Enhancer und damit Anwender von pflanzlichen bzw. homöopathischen Mitteln: 344 Personen (4,3%) fügten ein, dass sie mit solchen Mitteln nachhelfen würden. Der eine Zeit lang als der „cognitive enhancer“ schlechthin gefeierte Wirkstoff Modafinil wurde von 17 Personen (0,2%), darunter nur eine Frau, genannt.

Schränkt man die Auswertung auf die sogenannten Hirndopenden ein, nehmen mehr als ein Drittel (35 %) von diesen Medikamente verschiedener Art ein, um sich zu fördern. Cannabis wird von fast jedem vierten Hirndopenden (23 %) zur Bewältigung studienbezogener Leistungsanforderungen konsumiert, Ritalin von 18 % .

Interessant sind die Bezugsquellen dieser substanzaffinen Gruppe. Der Großteil (43%) erhält ihr Mentaldoping nämlich vom Arzt verschrieben oder kauft es sich in der Apotheke (42%). Gewusst wie: Die ärztliche Verschreibung wird von Medizinstudenten mit 62 % signifikant häufiger als von Studierenden anderer Fachrichtungen angegeben. Nur ein Zehntel der Hirndoper bestellt eine Substanz im Internet. Der Hirndoping-Markt, wenn man ihn denn so nennen will, organisiert sich also weitgehend auf legalen oder Off-Label-Wegen über das deutsche Gesundheitssystem. Die Autoren der Studie jedenfalls gehen davon aus, dass die Studierenden beispielsweise auf Rezept Schmerzmittel oder Betablocker erhalten, diese jedoch während der Krankheit nicht vollständig verbrauchen und sie später außerhalb der Indikation für Hirndoping-Zwecke einnehmen.

Als Randbemerkung wird der relativ hohe Anteil der Hirndopenden unter den Studierenden der Veterinärmedizin und des Studienbereichs Sport und Sportwissenschaften (18% bzw. 14%) erwähnt. Es dürfte interessant zu eruieren sein, was genau die Veterinärmediziner hier so gerne einnehmen. Vielleicht sollte man die Ketaminbestände in den Institutskellern mal genauer überprüfen.

Nicht um geistige Leistungssteigerung, sondern um die Linderung von Nervosität und Lampenfieber geht es den Meisten

Nun versucht man wie üblich, den Dopern besondere Persönlichkeitseigenschaften nachzuweisen. Wenn man es genau nimmt, unterscheiden sich die Doper von ihren Komilitonen nur wenig. Obwohl sich die Autoren dazu hinreißen lassen, Hirndopern mangelnde Gewissenhaftigkeit im Studium nachweisen zu wollen. Zitat: „Viele Hirndopende haben offenbar geringer entwickelte Fähigkeiten zu planvollem und organisiertem Vorgehen, was sich auch auf das Lernverhalten im Studium auswirken dürfte. Durch die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln versuchen sie möglicherweise, unzureichende Organisationsfähigkeit und einen eventuellen Hang zu Prokrastination zu kompensieren.“ Das ist schön formuliert, anders gesagt nehmen diese sympathischen Mitbürger das Studium einfach etwas lockerer. Im entscheidenden Moment, kurz vor der Prüfung, wird dann durchgebüffelt, wobei es einen kleinen Anteil gibt, denen Kaffee dann nicht mehr ausreicht.

Wohlgemerkt geht es den Hirndopern überwiegend ohnehin nicht um geistige Leistungssteigerung, sondern um die Linderung von Nervosität und Lampenfieber. Daher die „hohen“ Werte für Betablocker und Medikamente. Nach ihrem Grund der Einnahme befragt waren Mehrfachnennungen möglich. Fast 50% der Doper wollen sich beruhigen, nochmal ein Drittel bekämpft Schmerzen. Selbst unter den als „Hirndopern“ definierten Studenten gaben nur 35% an, das Mittel eingenommen zu haben um schlauer zu werden.

Vieles spricht also dafür, das Phänomen „Hirndoping“ in die Mottenkiste der unscharfen Begriffe einzulagern. Hier wird nicht gedopt, sondern sediert, gefeiert und optimiert. Die Übergänge zwischen studentischer Vergnügungslust, Stressabbau, Gesundheitserhaltung über Ernährung und Nahrungsergänzung sowie lernorientierenden Konsumverhalten sind fließend. Und einer Stigmatisierung von Gesellschaftsgruppen zu „Hirndopern“ will ja wohl hoffentlich niemand Vorschub leisten. Ein Trend zu „leistungssteigernden Psycho-Pillen“, wie er gerne behauptet wird, so viel hat die Untersuchung klar gemacht, ist jedenfalls für deutsche Studenten nicht zu erkennen.

Erschienen in der Telepolis unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/151391

Kategorien
Gesundheitssystem Mixed

Schiffsabgase belasten die Umwelt stark

telepolis, 05.07.2011

Trotz neuer Richtlinien: Schiffsabgase belasten die Umwelt stark

Jörg Auf dem Hövel

Container- und Kreuzfahrtschiffe blasen enorme Schadstoffmengen in die Luft. In den Hafenstädten regt sich Widerstand.

Jahre lang war es relativ ruhig um die stinkende Pötte in den Häfen der Republik. Diese stoßen enorme Mengen an Abgasen aus, da ihre Motoren oder Hilfsmotoren immer laufen, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Man war gleichwohl glücklich: Glücklich darüber, dass der Warenumschlag Arbeitsplätze sichert, glücklich darüber, dass sich aus den Kreuzfahrtschiffen Touristenströme in die Innenstädte ergießen. Dabei war das Problem längst bekannt, denn die laufenden Schiffsdieselmotoren emittieren nicht nur den bekannten Feinstaub, sondern unangenehm viel Schwefel.

Kategorien
Bücher Drogenpolitik Elektronische Kultur Gesundheitssystem Mixed Projekte

Jörg Auf dem Hövel – Artikel Sitemap

 

/  Sitemap www.joergo.de bzw. www.aufdemhoevel.de Jörg Auf dem Hövel – Artikel zu Technik und Kultur – Eingangsseite Die Protestbewegung der 60er Jahre (I) Die Protestbewegung der 60er Jahre (II) ARGYREIA NERVOSA Ayahuasca Analoge Betel – Kaulust Sexy Betel – Über den Betel-Boom auf Taiwan Dieter Bohlen seine Wahrheit DU 782 – Lexikon der verschwindenen Dinge: Die Contenance DU 782 – Lexikon der verschwindenen Dinge: Die Telefonzelle.pdf Damania Ephedra Das kleine Graslexikon Das kleine Haschischsorten – Lexikon Interview_Kathrin_Spielvogel-GRAZIA.pdf Internet für Alle: Keep It Simple and Stupid KETAMIN Mimi und der Kifferwahn – Anti Marihuana Krimis der 50er Jahre Lactucarium TEUFELSDROGEN DIE PFEIFENKRITIK Wie der Staat mit Cannabis umgehen kann Die Mär vom Hirndoping – Rheinischer Merkur (pdf) Schlafmohn – Papaver somniferum Yohimbe Absinth- Der Fusel kehrt zuürck Abstinenz – von der christlichen Idee zur Richtlinie der Politik Ätherisches Hanföl Im krisengeschüttelten Afghanistan wird wieder Haschisch produziert Das Ende der Akzeptierenden Drogenarbeit? Der LSD-Entdecker Albert Hofmann verstarb im Alter von 102 Jahren Alkohol Amazon wächst mit skalierbarer IT Des Apfelmanns knorrige Hände packen den Boskop Drogenpolitik in Arizona Ashwagandha Urlaub und Cannabispolitik in Australien Der Autor Ayahuasca kommt vom brasilianischen in den Großstadtdschungel. Mit Alex Jolig und Sam auf den Azoren Bananenschalen rauchen? High werden? Junggesellen und Haschisch- Graf von Baudissin plaudert drauf los Bayerischer Haschisch – eine wahre Geschichte Ein Haschischrausch im Sommerloch Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“ blond – hunter s. thompson (pdf) blond 7/2002 – kelly trump (pdf) blond 100 (pdf) Aspekte der Sicherheit von E-Mail – Business Online 10/1997 An den kryptographischen Schlüsseln scheiden sich die Geister – Business Online 6/1998 Angst vor Piraterie, aber der Umsatz steigt, Business Online 7/1998 Horst Bossong: “Wir nutzen nicht das, was in den Drogen steckt” Interview mit dem A. Bredenfeld vom AiS, RoboCup Der Kongreß tanzt im Geist von Wolfgang Neuss Sohn von britischen Innenminister handelte mit Cannabis Rodney Brooks und die Maschinenmenschen Bungee Sprung vom Hamburger Fernsehturm Butandiol – GHB Die Cannabinoide und ihre Empfänger im Körper werden zu einem wichtigen Geschäft der Pharma-Industrie Cannabinoid Forschung Ein Vergleich der giftigen Inhaltsstoffe von Tabak und Marihuana Vom Mut kranker Menschen – Cannabis als Medizin Cannabis und die Lunge Das Ying und Yang der Cannabis-Psychose Die Macht der Pharma-Portale erbost das Kartellamt – Spiegel Online v. 15.10.2008 Viel THC, aber auch Pilze im Coffee-Shop Cannabis Computerspiele und Suchtgefahr Die IT-Architektur von Sabre (pdf) Costa Rica: „I make you good price, man“ Durch den Regenwald von Costa Rica Scientology im Cyberspace, ct 3/1996 Key Escrow, Computer Zeitung Ich, nur besser. Über Gehirndoping, Der Freitag v. 8. Juli 2010 Das Dilemma mit den neuen „Designerdrogen“ Chinas Gegner – Robert Enke und der Hundefellhandel Hünengräber, Langbetten, Dolmen: Auf Urkult-Tour in Norddeutschland Nun werden die Doping-Fabrikanten kreativ : Militante Mittel für Medaillenspiegel Drogen und Drogenpolitik – Texte von Jörg Auf dem Hövel und AZ Drogenklassifikationsversuche Was Drogentests leisten E-Mail-Sicherheit, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt v. 06.02.1998 Die Sprache setzt sich als Schnittstelle zwischen Mensch und Computer durch, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt v. 20.03.1998 Wohin mit den E-Mails von Schriftstellern?, DU, Nr. 752, Heft 11/2004 Die IT-Architektur von Ebay, Computerwoche, 18/2005 Die europäische Drogen-Beobachtungsstelle legt ihren Bericht für 2007 vor Durchatmen für Europas Kiffer Auge zu, Bussgeld oder Gefängnis Feiner Rohstoff – Der Journalist und Autor Jörg Fauser Das Pinguin-Imperium hat längst den Mittelstand erreicht, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Februar 2006 RFID in der Warenwelt, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.10.2004 Spam: Die digitale Plage, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Juli 2003 Nur ein wenig Verschlüsseln ist schwierig, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.02.1998 Wem gebe ich meinen Schlüssel?, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.12.1996 Kiffen und Kiffer im Film Der Fliegenpilz – Ein Ausstellungsbesuch mit Wolfgang Bauer Amand Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld FRESSFLASH Deep Fritz vs. Vladimir Kramnik, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.10.2002 Rezension: Robert Levine, Financial Times Deutschland(pdf) Kotzende Kiffer, durchgeknallte Diebe, pöbelnde Polizisten: 20 Jahre als Head-Shop-Besitzer Gastronomie-Tipp: Bergwolf Gastronomie-Tipp: Favorit Bar Gastronomie-Tipp: Monofaktur Gastronomie-Tipp: Negroni Bar Texte zur Gesellschaft Ginkgo biloba als Gedächtnisturbo? Welt am Sonntag v. 05.09.2009 GINSENG – EIN STECKBRIEF Die IT-Architektur von Google, Computerwoche, 20/2005 Container unter GPS-Kontrolle, FAZ vom 16.09.2003 Inselhopping auf den Kykladen Grohe – Die Mysterien des Haschisch Growing Area Der Aletsch Gletscher schmilzt, Hamburger Abendblatt (pdf) Die Erforschung psychedelischer Fische ist noch nicht über die Verbreitung von Mythen hinaus gekommen Hamburger Dialog 2003 Ja, Mann, heute ist Hanffest Kinderbuch Projekt: Zwei Kühe wollen heilige werden Oxytocin Historische Texte Hier nun eher Humor Angst und Schrecken mit Hunter S. Startseite – Artikel zu Technik und Kultur Warnung, Tarnung, Mimikry – Indoor-Anlagen Das Inferno Rennen in Mürren Interview mit Günther Amendt über Doping und die Pharmakologisierung des Alltags Interview mit Baba Rampuri Interview with Baba Rampuri Interview mit Gundula Barsch Interview mit Amon Barth Interview mit Jerry Beisler über den Haschisch-Trail und darüber hinaus Interview mit Ronald „Blacky“ Miehling Interview mit Mathias Bröckers Interview mit Jonathan Ott Interview with Jonathan Ott (EN) Interview mit Frank Zander von der Cannabusiness Interview mit dem Buchautoren Hans-Christian Dany über die Rolle von Amphetamin in der modernen Gesellschaft Interview mit Rick Doblin von MAPS Interview mit dem Kognitionsforscher John-Dylan Haynes Interview mit Mathias Erbe Interview mit dem Pharmazeuten Manfred Fankhauser Interview mit Ken Goffman aka R.U. Sirius über sein Buch Countercultures trough the Ages Interview mit Stefan Keuchel über Google, Blogs und Gut sowie Böse Interview Lester Grinspoon Interview mit Charles Grob Interview with Charles Grob Interview mit Franjo Grotenhermen Interview mit Franjo Grotenhermen Interview mit Jon Hanna über die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der unerforschten Substanzen Interview mit dem Suchtforscher Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie der Berliner Charité Interview mit Tilmann Holzer über die Geschichte des Cannabis-Verbots und dem Ausweg aus der Sackgasse der Drogenpolitik Interview mit dem Hanf-Forscher Michael Karus Interview mit James S. Ketchum über chemische Kriegsführung Interview mit Martin Krause Cannabis im Straßenverkehr Interview mit dem Suchttherapeuten Helmut Kuntz Interview mit Bruno Martin Interview mit Nana Nauwald Interview mit dem Philosophen Oliver Müller über chemo- und neurotechnologische Umbaumaßnahmen an Körper und Geist Interview mit Joseph R. Pietri dem König von Nepal Interview mit Christian Rätsch Interview mit Michael A. Rinella über Plato, das Symposion und die philosophischen Ursprünge moderner Drogenpolitik Interview with Michael A. Rinella about Plato and the Pharmakon Interview mit Carsten Schäfer, Autor der Max-Planck Studie über Cannabiskonsum und Strafverfolgung in der Bundesrepublik Interview mit Stephan Schleim über das Gedankenlesen Interview mit dem Psychiater Eckart Schmidt Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten für Salvia divinorum Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten für Salvia divinorum Interview mit Renate Soellner Autorin der Studie „Abhängig von Haschisch?“ Interview mit Wolgang Sterneck Interview mit dem Bremer Suchtforscher Heino Stöver Interview mit dem Coffee-Shop-Veteran Nol van Schaik Interview mit Henning Voscherau über synthetische Opiate vom Staat und die erreichbaren Ziele der Drogenpolitik Interview mit dem visionären Künstler Fred Weidmann Interview mit Psychologen Wulf Mirko Weinreich über das Bewusstseinsmodell von Ken Wilber und die Zukunft der Drogenkultur Interview mit Hans-Georg Behr Interview mit Hans-Georg Behr II Interview mit Claudia Müller-Ebeling Interview mit Hans Cousto von Eve & Rave Interview mit Roger Liggenstorfer Interview mit Gerhard Seyfried Interview mit Wolf-Dieter Storl Interview mit Sven Meyer Interview mit Professor Sebastian Scheerer Interview mit dem Kriminologen Sebastian Scheerer II Interface 5 Selbstkontrolle statt Zensur Big-Brother Award, Internet World 1/2000 Belauschen die USA die Top-Secret-Kommunikation vieler Regierungen?, Internet World 1/99 Gehört der Schlüssel zum Schlüsseldienst?, Internet World 3/98 Das weltweite Lauschsystem Echelon hört das Internet ab, Internet World Vom Mythos zur Realität: Der Große Bruder hört mit Enfopol, Internet World 8/99 Kanada leidet trotz zahlreicher Proteste weiterhin unter der Cannabis-Prohibition Kawa Kawa Beste Trompete in der deutschen Blaskapelle Die Kiffer Typen Typologisierung – Der Schläfer Die Kiffer Typen Typologisierung – Der Dauerkiffer Die Kiffer Typen Typologisierung Die Kiffer Typen Typologisierung – Der Sexmuffel Die Kiffer Typen Typologisierung Die Kiffer Typen Typologisierung – Der Esoteriker Die Kiffer Typen Typologisierung Die Kiffer Typen Typologisierung – Der Künstler Die Kiffer Typen Typologisierung Wie man aus dem Kino herausgeführt wird Deutschlands Küsten werden sich auf den Klimawandel einstellen muessen Klippel – Haschisch und Haschaschin aus den „Aegyptische Skizzen“ Koerperwelten Koffein – Ein Streckbrief Die schwarze Welle – Der Kaffee- und Kaffeehaus-Boom Kokain – Eine Kontroverse Mal ganz unten, mal ganz oben, aber immer: Kokain Das Haschischschmuggel-Museum in Alexandrien – E. Koller (1899) Krähenaugen LAN-Wahn Die Hand an der Knüppelschaltung Cannabis und Straßenverkehr Grenzüberschreitend übers Ziel hinaus, Timothy Leary Legal – aber wie? Das Wunder von Lengede, Berliner Zeitung v. 8. November 2003 OHNE LICHT LÄUFT GARNIX LSD Männer und Rausch Malana Power Project Fincahotels im Hinterland: Das andere Mallorca Golfplatz-Einweihung mit Manni Kaltz Zusammen gekniffene Ärsche Modafinil, die Firma Cephalon und ein Selbstversuch Welche Musik macht den besten Sex? Marihuana Mythen, Marihuana Fakten: Übersicht Marihuana Mythen Teil 1 Marihuana Mythen 10: „Immer mehr Menschen werden wegen Marihuana-Konsum ins Krankenhaus eingeliefert“ Mythos 11: „Marihuana verursacht das Amotivationssyndrom“ Mythos 12: „Marihuana ist eine der Hauptursachen für Unfälle im Straßenverkehr“ Mythos 13: „Marihuana ist eine Einstiegsdroge“ Mythos 14: „Die Cannabispolitik der Niederlande ist gescheitert“ Marihuana Mythen 15: „Mythen kommen und gehen: Die Zusammenfassung“ Marihuana Mythen – Teil 2: Die Potenz von Marihuana ist über die Jahrzehnte wesentlich angestiegen Marihuana Mythen Teil 3 Marihuana Mythen Teil 4 Marihuana Mythen – Teil 5 – Cannabis schwächt das Immunsystem “Mythos 6: Marihuana beeinflußt den sexuellen Reifeprozeß und die Fähigkeit zur Fortpflanzung” Mythos 7: „Marihuana-Konsum während der Schwangerschaft schadet dem Fötus“ Marihuana Mythos 8 – „Marihuana verursacht Hirnschäden“ Marihuana Mythen 9: „Marihuana macht süchtig“ Engelstrompeten und andere Nachtschattengewächse Experimental Tourism in New York Öffentlicher Raum und Shopping-Malls, telepolis, 28.11.2003 Freie Software soll den Markt revolutionieren, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.03.00 Das Ying und Yang der Cannabis-Psychose Cannabis in Osteuropa Ottensen III Oxy – orientalischer Mohn Oxytocin Zwischen Mode und Tierschutz Etwas schief ins Leben gebaut, Hamburger Abendblatt vom 8. Dezember 1999 Wie mich jede Frau rumkriegt Ideen des Königlich Sächsischen Bezirksarztes Dr. F.R. Pfaff (1864) Interview mit Prof. Dr. Rolf Pfeifer Mit dem Sachverständigen Harry Käding in die Pilze Pilze Placebos: Warum der Schein besser wirkt als nichts, DIE WELT, 11.Juli 2008 Gastronomie Tip Restaurant Roma Gastronomie Tip Restaurant Cuore Mio Projekte Was für ein Dope-Freak bist Du Nützliche Varianten – Wie der Staat mit Cannabis umgehen sollte Reise und Natur: Länder, Menschen, Orte Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Buddhismus Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Die Christen Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Hinduismus Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Islam Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch Chemie-Apotheken müssen schließen Rezension AILO – Concepts Rezension Arno Adelaars, Christian Rätsch, Claudia Müller-Ebeling: „Ayahuasca. Rituale, Zaubertränke und visionäre Kunst aus Amazonien.“ Rezension Bommi Baumann: Rausch und Terror Rezension Detlev Briesen: Drogenkonsum, Drogenpolitik, Deutschland, USA Rezension Broeckers/Liggenstorfer: Albert Hofmann und die Entdecktung des LSD Rezension Harry G. Frankfurt – Bullshit Rezension Andreas Rosenfelder- Digitale Paradiese Rezension DJ Elbe – Sand Pauli Rezension T.C. Boyle – Drop City Rezension zu Fellner/Unterreiner: Morphium, Cannabis und Cocain Thomas L. Friedman will beschreiben, wie sich der Westen auf die Globalisierung einstellen muss Rezension Pinchbek – 2012: Die Rückkehr der gefiederten Schlange Rezension zu Michael Geißler: Acid, Mao und I Ging. Erinnerungen eines Berliner Haschrebellen Rezension Detlev Briesen: Drogenkonsum, Drogenpolitik, Deutschland, USA Rezension Max Goldt: Quite Quality Rezension Grice Scott – Die schönen Blödmacher Rezension Franjo Grotenhermen, Britta Reckendrees: Die Behandlung mit Cannabis und THC Rezension Holbein: Weltverschönerung Rezension Peyote und die Huichol-Indianer Rezension Bommi Baumann: Rausch und Terror Rezension Korf: Cannabis in Europe Rezension Robert Levine Die grosse Verfuehrung Die CIA und der globale Drogenhandel Rezension Jeremy Narby – Intelligenz in der Natur Rezension Ingo Niermann Adriano Sack: Breites Wissen Rezension Pinchbek – 2012: Die Rückkehr der gefiederten Schlange Rezension Wolfgang Schneider: Die „sanfte“ Kontrolle, Suchtprävention als Drogenpolitik Rezension Jens Förster: Kleine Einführung in das Schubladendenken Rezension Max Goldt: Quite Quality Rezension zu Timmerberg: Shiva Moon Rezension Wolf-Dieter Storl: Ich bin ein Teil des Waldes Rezension Wolfgang Schneider: Die „sanfte“ Kontrolle, Suchtprävention als Drogenpolitik Rezension Bernhard van Treeck: Drogen- und Sucht-Lexikon Rezension Wink & Wyk: Mind-Altering and Poisonous Plants of the World Rezension Jürgen Wolsch – Drogen. Ein Wissenscomic Rezension Zig Zag Zen – Buddhism and Psychedelics Rezensionen Drogen und Drogenpolitik Smarte Chips für die Warenwelt, Morgenwelt, 14.06.2004 Gekonnte Einzelaktionen Beobachtung über die Wirkungen des Haschisch des Bremer Afrikaforschers Gerhard Rohlfs 1866 Cannabis Routen Die IT-Struktur von Sabre, Computer Zeitung, 09.10.2006 Rundgang in Ottensen SALVIA DIVINORUM Die Allerschönste, PETRA, März 2006 Dope auf dem Schulhof Marihuana in den Groschenheften der Sechziger Jahre Die Schwitzhuette Seychellen – Reif für 115 Inseln Wichtige Regeln für das hanfgerechte Surfen und Posten im Internet Der Computer im Portemonnaie, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt v. 28.08.98 Auf dem Suwannee River Special Tabak Der Pulsschlag des Prozessors, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21.03.2000 Test eines Vaporizers „Happy, Happy, Same, Same“ Nach dem unblutige Putsch in Thailand ist wieder einmal König Bhumibol gefragt. Wer ist dieser Mann? Gefahr im Paradies – Das Reiseziel Thailand im Wandel Reportage, THC-Pharm, Dronabinol, Delta-9-THC Thesen_zur_Drogenpolitik Tiefe – oberflächlich betrachtet Tipi Aufbau Anleitung Ganz Ohr sein – Die Tomatis Hörkur, Hamburger Abendblatt vom 7. Januar 1998 Der spielerische Krieg, Telepolis, 3.9.2005 Tröpfchenweises Wissen Reine Ruhe statt Radau und Rabatz, Telepolis, 18.10.2005 Der mobile Kunde im Visier, Telepolis, 08.12.2005 Der Trend zum functional food zeigt die Virtualisierung der Ernährung und birgt mehr Risiken als Vorteile, telepolis, 02.01.2007 Freiflug für Buchschnipsel, Telepolis, 30.06.2006 Werbeslogans und Verpackungsangaben werden sich radikal ändern, Wucht und Wahrheit in Tüten Kupfer am Limit – Technik, Wünsche und Probleme bei IPTV Ich© liebe Dich® , telepolis v. 1.11.2004 Das Pokerfieber grassiert – Warum Pokern zum Volkssport aufsteigt Einleitung zum Telepolis Übermensch Blog – Projekt Übermensch: Upgrade ins Nirvana Web 2.0 FURZTROCKEN ABER GUT Trocknen von Cannabis In den USA hat sich Cannabis als Medizin längst durchgesetzt Cannabis-Politik in den USA Die sozialistischen Staaten und das Internet, Spiegel Online v. 28.05.2002 Ho Chi Minh im Freudentaumel Vietnam sucht den Zugang zum Internet, FAZ Herba Cannabis – Aus dem „Lehrbuch der Pharmacologie“ (1856) von Carl Damian Ritter von Schroff Vor zehn Jahren kam das Potenzmittel Viagra auf den Markt, Welt am Sonntag v. 25. März 2008 Helmut Wenske Wie München ist Lob der Übertragung. Die Kunstwerke der Ulrike Willenbrink Der Riambakultus – Aus einem Vortrag von Franz von Winckel (1890) Glasfasernetz bricht alle Rekorde, Computerwoche, 01.09.2006 Das spezielle Yoga des Inders Bellur Iyengar stärkt das körperliche und geistige Befinden Das macht sie alle willig – Zu Besuch bei „Zaubertrank“ in Hamburg Winderhude Special Tabak
Buch: Abenteuer Künstliche Intelligenz /  (9 pages) Chessbase Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz De:Bug Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz FAZ Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz Abenteuer Künstliche Intelligenz. Auf der Suche nach dem Geist in der Maschine IX Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz Leseprobe I Leseprobe II Mac Profiler Rezension von Joerg Auf dem Hoevel: Abenteuer Kuenstliche Intelligenz RTV Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz

Buch: Pillen für den besseren Menschen  (10 pages) Leseprobe Kapitel 7 (pdf) Anregungen und Korrekturen Bestellen Eingangsseite Inhaltsverzeichnis (pdf) Inhaltsverzeichnis Kontakt Panorama Skript Panorama (pdf) Rezensionen

Floating/  (24 pages) Startseite: Der Floating- und Samadhi-Tank Anwendungen Fine: Flotation REST in Applied Psychophysiology Floating PSO Magazin (pdf) Liste mit Float-Centern in Deutschland, Europa und auf der Welt Geschichte Hutchison’s MEGABRAIN Hersteller und Institutionen Interview John C. Lilly Interview John C. Lilly II JOHN C. LILLY (A CHRONOLOGY) https://joergo.de/tank/kjellgren_buhrkall_norlander_2010.pdf Kleinanzeigen Kontakt Lilly Biographie Lilly Monographie Literatur Programming and Metaprogramming Ernesto A. Randolfi Stress Management and Relaxation Center for the Worksite REST-Assisted Relaxation and Chronic Pain Peter Suedfeld, REST Research References The deep self – Auszüge Was ist ein Tank? Was ist Floating?

zurück zur Startseite

Kategorien
Cognitive Enhancement Gesundheitssystem

Interview mit dem Medizinethiker Roland Kipke über Selbstformung

telepolis, 01.05.2011

Neuro-Enhancement für ein gelingendes Leben?

Jörg Auf dem Hövel

Der Medizin-Ethiker Roland Kipke über die Veränderung und Verbesserung mentaler Eigenschaften durch Selbstformung und pharmakologische Mittel

Frage: Nach anfänglicher Scheu hat sich zur Beschreibung des Neuro-Enhancement in den Medien der Begriff des Hirn-Doping durchgesetzt. Ist das eine hilfreiche Analogie?

Roland Kipke: Im Gegensatz zu dem in der Fachdebatte benutzten Begriff „Neuro-Enhancement“ ist „Hirn-Doping“ weniger sperrig und leichter verständlich. Das Problem ist, dass mit dem Begriff des Dopings von vornherein eine negative ethische Bewertung nahegelegt wird. Denn im Sport, von wo der Begriff entlehnt ist, gilt Doping weithin als unanständig. Ich kann damit leben, von mir aus kann man auch „Hirn-Doping“ sagen, aber ich bevorzuge den Begriff „Neuro-Enhancement“.

Um zu einer ethischen Einordnung zu gelangen, vergleichen Sie Neuro-Enhancement mit dem Konzept der Selbstformung. Was beinhaltet Selbstformung?

Roland Kipke: Selbstformung ist die absichtliche und nicht-therapeutische Veränderung mentaler Eigenschaften durch mentale Arbeit an sich selbst. Diese mentalen Eigenschaften reichen von einzelnen Gewohnheiten über kognitive Fähigkeiten bis hin zu tief verankerten Charakterzügen. Selbstformung kann zum Beispiel in einem einfachen Konzentrationstraining bestehen, in einer Meditationspraxis oder in dem Versuch, sein soziales Verhalten zu ändern. Welche Form und welches Ziel Selbstformung auch hat, stets ist sie eine mentale Aktivität. Sie geht stets mit erhöhter Selbstaufmerksamkeit und Selbststeuerung einher und besteht immer in mehr oder weniger langfristiger Übung.

Ist der Besuch eines Coaches, um am Arbeitsplatz besser agieren zu können, noch Selbstformung oder schon Therapie? Oder spielt diese Grauzone für ihren Vergleich mit dem Enhancement keine Rolle?

Roland Kipke: Was Selbstformung und Neuro-Enhancement auf der einen Seite ist und eine therapeutische Maßnahme auf der anderen Seite hängt davon ab, was krank bzw. was gesund ist. Der Krankheitsbegriff wird nun zwar vielfach kritisiert. Doch wir kommen weder lebensweltlich noch wissenschaftlich ohne ihn aus. Und ein hinreichend komplexer Krankheitsbegriff ist trotz mancher Grauzone durchaus in der Lage, eine praktikable Unterscheidung zwischen Therapie und „verbessernden“ Maßnahmen zu ziehen.

Zu Ihrer konkreten Frage: Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Anforderungen Ihres Arbeitsplatzes zu erfüllen, weil Sie krank sind, weil Sie über gewisse normale menschliche Funktionen nicht verfügen und dafür eine Hilfe suchen, ist diese Hilfe als Therapie einzustufen. Wenn Sie hingegen einen Coach aufsuchen, um „noch besser“ zu werden, handelt es sich um Selbstformung – vorausgesetzt natürlich, dass Sie selbst die Veränderung herbeiführen und sie nicht bloß passiv über sich ergehen lassen.

Unter welchen Aspekten haben Sie technisches beziehungsweise pharmakologisches Enhancement auf der einen Seite und Selbstformung auf der anderen Seite miteinander verglichen?

Roland Kipke: Ich habe sie in Bezug auf zwölf Aspekte personalen Lebens miteinander verglichen, die sich unter den vier Stichworten Identität, Freiheit, Moral und Glück versammeln. Dazu gehören unter anderem Authentizität, Selbsterkenntnis, Selbststeuerung, moralische Verantwortung, Selbstverwirklichung und die Orientierung an einem Lebensplan. Die Frage ist jeweils: In welchem Verhältnis stehen Selbstformung und Neuro-Enhancement zu diesen Fähigkeiten, Erfahrungsweisen und Selbstverhältnissen? Welche Folgen sind für sie aufgrund der spezifischen Handlungsstrukturen von Selbstformung und Neuro-Enhancement absehbar? Diese Frage ist von erheblichem ethischen Interesse, weil diese Fähigkeiten, Erfahrungsweisen und Selbstverhältnisse allesamt für uns Aspekte eines gelingendes Lebens sind.

Aber ist ein gelingendes Leben nicht hochindividuell?

Roland Kipke: Ja, was unter einem gelingenden Leben verstanden wird, ist je nach Individuum und Kultur teilweise sehr unterschiedlich. Das ist eine zentrale Einsicht der modernen Ethik, und deshalb sollte man mit Aussagen zum gelingenden Leben, die einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit verfolgen, sehr vorsichtig sein. Allerdings schlägt diese Vorsicht oft in eine totale Urteilsenthaltsamkeit um. Die ist ebenso unberechtigt wie das andere Extrem eines glückstheoretischen Paternalismus, der die andere bevormundet, auch wenn es ihm – vermeintlich – um deren Wohl geht.

Wir teilen grundlegende Überzeugungen, was ein gelingendes Leben ausmacht.

Roland Kipke: Richtig, und diese Überzeugungen betreffen nicht Einzelheiten, nicht die Frage, ob man gerne Sport treibt oder lieber gemütlich im Café sitzt oder ob man Baguette oder Schwarzbrot bevorzugt, sondern um grundlegende Dinge, wie dass wir alle Selbstverwirklichung schätzen, das heißt die Verwirklichung zentraler Wünsche, oder dass wir eine gewisse Kohärenz unseres Lebens anstreben. Der Standardeinwand lautet hier: Auch diese Überzeugungen und Werte werden nicht von allen Menschen geteilt. Das mag sein, sie werden aber von nahezu allen Menschen in unserer Gesellschaft oder in unserem „Kulturkreis“ geschätzt. Das mag für eine allgemeine Ethik in ihrer Suche nach universell gültigen Aussagen unbefriedigend sein, für eine angewandte Ethik, der es um konkrete Fragen für konkrete Menschen geht, nämlich für uns, reicht es hingegen aus.

Selbststeuerung und Selbsterkenntnis werden durch Neuro-Enhancement nicht gestärkt

Betrachtet man nun beispielsweise den Aspekt der Selbststeuerung. Wie schneiden hier Neuro-Enhancement und Selbstformung ab?

Roland Kipke: Selbststeuerung ist die Fähigkeit, den eigenen Willen gegen innere Widerstände durchzusetzen. Komplizierter ausgedrückt ist es die Fähigkeit, dem eigenen Willen zuwiderlaufende Handlungsimpulse wie Affekte oder Gewohnheiten an ihrer Handlungswirksamkeit zu hindern und die Handlungsimpulse durchzusetzen, deren Handlungswirksamkeit man wünscht. Ein erhöhtes Maß dieser Selbststeuerung ist in jeder Selbstformung gefragt, denn es geht ja gerade darum, vorhandene Verhaltensweisen umzuformen, und das können auch rein mentale Verhaltensweisen wie die Konzentration sein.

Selbststeuerung ist also einerseits eine Voraussetzung von Selbstformung, andererseits wird sie in jeder Selbstformung geübt und somit gestärkt. Auch wenn jede menschliche Person diese Selbststeuerungsfähigkeit hat, ist das Maß, in dem wir über sie verfügen, doch sehr unterschiedlich. Selbstformung tendiert dazu, dieses Maß zu erhöhen. Und ein hohes Maß an Selbststeuerung schätzen wir. Sie macht das Maß unserer Willensfreiheit aus. Diesen positiven Effekt bietet Neuro-Enhancement nicht. Denn es funktioniert ja gerade ohne diese Aktivität der Selbststeuerung. Selbststeuerung ist nicht gefordert und wird dadurch auch nicht gefördert.

Und wie ist das bei der Selbsterkenntnis?

Roland Kipke: Auch hier wirken sich die unterschiedlichen Handlungsstrukturen von Selbstformung und Neuro-Enhancement aus. Denn Selbstformung funktioniert nur mit einem erhöhten Maß an Selbstaufmerksamkeit. Ich muss mir meine Eigenschaften bewusst machen, ich muss sie mit Aufmerksamkeit verfolgen, um sie verändern zu können. Selbstaufmerksamkeit ist zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung für Selbsterkenntnis. Sicherlich wäre es falsch zu sagen, Selbstformung führt zwingend zu einem Mehr an Selbsterkenntnis. Aber sie hat auf jeden Fall eine Tendenz, Selbsterkenntnis zu befördern. Diese Tendenz hat Neuro-Enhancement nicht. Denn ich kann zwar die Wirkungen, die Neuro-Enhancer bei mir bewirken, mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgen, aber diese Selbstaufmerksamkeit ist nicht notwendig. Die erwünschte Veränderung kommt auch so zustande.

Was ist vor dem Hintergrund ihrer Erkenntnisse von diesem Satz zu halten: „Der Erleuchtung ist es egal wie du sie erlangst.“

Roland Kipke: Der Erleuchtung ist es vielleicht egal, aber uns kann es nicht egal sein, weil wir an einem gelingenden Leben interessiert sind. Und das besteht nicht allein in einzelnen Bewusstseinsinhalten, sondern in der Art, wie wir sind, erleben und uns zu uns selbst verhalten.

Vom Neuro-Enhancement kommt man schwer wieder los

Würden Sie denn dem Neuro-Enhancement zumindest den Status einer „Anschubfinanzierung“ mentaler Weiterentwicklung zubilligen wollen?

Roland Kipke: Wenn jemandem die mentalen Voraussetzungen fehlen, um sich selbst formen zu können, wem also zum Beispiel das nötige Mindestmaß an Selbststeuerung fehlt, dem könnte vielleicht mithilfe medizinischer Mittel geholfen werden, um das nötige „Startlevel“ zu gelangen. Nur würden wir so jemanden als krank ansehen und die Hilfe wäre Therapie und kein Neuro-Enhancement. Das wäre ohne Zweifel legitim. Ob darüber hinaus auch Neuro-Enhancement als Anschubfinanzierung in Frage kommt? Ich schließe das nicht völlig aus.

Sie sind also nicht strikt gegen Neuro-Enhancement?

Roland Kipke: Nein, aber meine Sorge ist, dass man, wenn man einmal damit anfängt und die Erfahrung macht, dass es funktioniert, schwer davon loskommt. Nicht im Sinne einer Sucht, sondern im Sinne einer Gewöhnung an einen einfachen Weg. Gegen eine Vereinfachung ist zwar an sich nichts zu sagen, wir schätzen ja die Vereinfachung durch Technik, aber die Vereinfachung mittels Neuro-Enhancement hat den gravierenden Nachteil, dass sie bestimmte wertvolle Erfahrungen und Selbstverhältnisse nicht ermöglicht oder nicht zu ihrer Stärkung beiträgt. Dass Selbstformung hingegen das Potenzial dazu hat, ist nicht so leicht zu erkennen, weil diese Erfahrungen und Selbstverhältnisse gerade durch das entstehen, was auf den ersten Blick als Nachteil von Selbstformung aussieht: die nötige mentale Aktivität, die Langsamkeit, die Anstrengung. Deshalb sehe ich eine „Anschubfinanzierung“ durch Neuro-Enhancement eher kritisch. Aus ihr droht eine Dauerfinanzierung zu werden.

Hat sich das sinnstiftende Element des „Besserwerden“ in der heutigen Zeit vielleicht überlebt, weil es in erster Linie der Zementierung ökonomischer Verhältnisse dient? Enhancement wird doch zur Zeit in erster Linie in militärischen und leistungsbezogenen Zusammenhängen diskutiert.

Roland Kipke: Sicherlich liegt dem Streben nach Selbstverbesserung zum Teil die Motivation zugrunde, in bestimmten ökonomischen Verhältnissen zurechtzukommen. Diese Tatsache entwertet aber dieses Streben nicht zwingend. Die Pointe meines Buches ist ja gerade: Egal welche Motivation dem Streben nach Selbstverbesserung zugrunde liegt und welche Eigenschaft man anstrebt – die selbstformerische Art, sich selbst zu verbessern, hat das größere Potenzial, einen Beitrag zu einem gelingenden Leben zu leisten.

Will der Mensch tatsächlich immer besser werden? Oder sind ihm andere Faktoren wie Anerkennung oder Liebe ebenso wichtig?

Roland Kipke: Ich glaube schon, dass wir allesamt besser werden wollen. Auch wenn wir versuchen, gerade nicht immer besser werden zu wollen, streben wir damit eine Eigenschaft an, die in unseren Augen besser ist. Aber die Annahme, dass alle Menschen besser werden wollen, ist für meinen Ansatz überhaupt nicht notwendig. Ich sage nur: Wenn jemand besser werden will, dann hat der Weg dieses Besserwerdens erhebliche Bedeutung für ihn. Und selbstverständlich: Besserwerden und Besser-Werden-Wollen ist bei weitem nicht alles, was es für ein gelingendes Leben braucht.

Überforderung durch die Angebote und Aufforderungen zur Selbstverbesserung?

Das klingt so, als ob Neuro-Enhancement wie Selbstformung weitere Techniken sind, die gewachsene Autonomie des Menschen noch weiter auszudehnen. Diese Autonomie, hier verstanden als der Zwang, seine Fähigkeiten ständig für seine persönliche Entwicklung einsetzen zu müssen, lässt uns doch aber schon heute reichlich unbehaglich im Raum stehen.

Roland Kipke: Was soll eine Autonomie sein, die in Zwang besteht? Autonomie ist gerade das Gegenteil von Zwang. Meinen Sie, dass wir uns zur Veränderung unserer Eigenschaften um unseres beruflichen Vorankommens willen gedrängt sehen? Ja, sicherlich gibt es das. Doch auch dann kann ich freiwillig versuchen, mich selbst zu verändern. Und auch wenn es eine im strengen Sinne unfreiwillige Selbstveränderung gibt, diskreditiert das nicht den großen Bereich freiwilliger Selbstveränderung.

Interessanterweise gibt es auch hinsichtlich des Autonomiegrades einen Unterschied zwischen Selbstformung und Neuro-Enhancement. Erstens ist bei Neuro-Enhancement ein echter Zwang oder die Umgehung des eigenen Willens sehr viel einfacher möglich. Zweitens: Auch wenn man freiwillig handelt, kann man feststellen, dass man nicht den langfristigen Wünschen und eigenen Wertvorstellungen entsprechend gehandelt hat. Das kennen wir: Wir wollen etwas und hinterher stellen wir fest, dass wir es eigentlich doch nicht wollten. Diese Erfahrung ist bei Neuro-Enhancement viel wahrscheinlicher, eben weil es so leicht und schnell zu machen ist. Selbstformung hingegen dauert lang und ist mühsam. Ich bin dadurch immer wieder quasi gezwungen, mich mit meinen handlungsleitenden Wünschen nach Selbstveränderung auseinanderzusetzen. Das Befolgen eines sozialen Drucks, das Mitschwimmen mit einer Mode ist daher unwahrscheinlicher. Selbstformung hat eine Tendenz zu einer starken Autonomie.

Meine Frage zielte eher auf die Unfähigkeit mancher Menschen ab, die vielen Wahlmöglichkeiten und Freiheitsspielräume für ein gelingendes Leben zu nutzen, weil sie schlicht überfordert sind. In dieser Hinsicht scheinen mir sowohl Neuro-Enhancement als auch Selbstformung weitere Techniken in der Angebotspalette einer extrem individualisierten Gesellschaft zu sein.

Roland Kipke: Zunächst ist Selbstformung ja nichts Neues. Menschen formen sich seit jeher selbst. Also kann man nicht sagen, dass nun auch noch das Angebot der Selbstformung hinzukomme. Das gilt höchstens für einzelne Methoden. Vor allem aber bewerte ich das Angebot an Möglichkeiten, sich selbst zu verändern, nicht als negativ. Im Gegenteil, ich schätze die Freiheitsspielräume. Ich sehe auch nicht, dass Menschen durch das Angebot an Selbstveränderungsmöglichkeiten überfordert sind. Wer sagt denn „Es gibt so viele Möglichkeiten der Selbstveränderung, ich weiß nicht, welche ich wählen soll?“ Ich finde es allemal schwieriger, mich mit verschiedenen Handytarifen zu beschäftigen. Was aber tatsächlich anstrengend ist oder einen gar überfordert, ist nicht zu wissen, was man will. Hier kann aber gerade Selbstformung eine Hilfe sein, weil man sich aktiv und aufmerksam mit sich selbst auseinandersetzt. Sich selbst zu formen kann das Selbstverstehen erhöhen. Selbstformung ist ein Mittel, um seine Identität zu klären. Neuro-Enhancement ist dazu aufgrund seiner spezifischen Handlungsstrukturen weniger in der Lage. Und schließlich kann Selbstformung auch darin bestehen, eine Haltung zu entwickeln, mit dem Angebot an Möglichkeiten zurecht zu kommen, eine Gelassenheit zu entwickeln, vielleicht auch eine Zufriedenheit mit der eigenen Persönlichkeit.

Ich muss noch einmal nachhaken: Sie denken also nicht, dass es ein berechtigtes Unbehagen bei vielen Menschen darüber gibt, im Gegensatz zu früher ständig neue Methoden der Selbstoptimierung ausprobieren zu müssen, um im Wettbewerb zu bestehen?

Roland Kipke: Grundsätzlich beurteile ich die Möglichkeit, sich selbst nach eigenen Vorstellungen verändern zu können, als positiv. Zweitens halte ich die Einschätzung, dass Menschen „ständig neue Methoden der Selbstoptimierung ausprobieren müssen“, für überzogen und deshalb falsch. Drittens: Wenn aber solch ein Druck vorhanden wäre, würde ich es für sehr problematisch halten. Viertens: Solch ein Druck würde vor allem durch wirksame Neuro-Enhancer entstehen, weniger durch das Angebot von Selbstformungsmethoden.

Literatur:
Roland Kipke: Besser werden. Eine ethische Untersuchung zu Selbstformung und Neuro-Enhancement, Paderborn, Mentis Verlag 2011