Wenn von Ginseng die Rede ist, ist meist der Koreanische Ginseng, botanisch Panax ginseng, gemeint. Dessen mitunter menschenähnlich aussehende Wurzel stellt das in Ostasien seit Jahrtausenden begehrte Heilmittel dar. Die Pflanze selbst ist ein bescheidener kleiner mehrjähriger Strauch, der sich nur sehr langsam entwickelt, im Winter seine wenigen Blätter verliert, erst ab dem dritten Jahr seiner Existenz blüht und dann meist nur einen Stand mit roten Früchten entwickelt, deren Samen wiederum Monate zum Keimen benötigen.
Vorkommen
Wild wächst Ginseng im Unterholz schattiger Wälder in den Bergen Koreas und in der Mandschurei. Mittlerweile sind wilde oder aus früherem Anbau verwilderte Ginsengpflanzen so selten geworden, daß besonders für Wurzeln alter Pflanzen sehr hohe Preise bezahlt werden.
Der Begriff „Designerdrogen“ ist ja schon an sich fragwürdig. Man versteht darunter gemeinhin psychoaktiv wirksame noch legale chemische Substanzen, die von „Underground-Chemikern“ in der Absicht entwickelt, „designed“ wurden, bestehende Drogenverbote, bei uns also das Betäubungsmittelgesetz, zu umgehen und sich damit einer effektiven Strafverfolgung zu entziehen. Nun wurden aber die meisten der sogenannten „Designerdrogen“ zuerst im Rahmen ganz legaler Forschung in Laboren der pharmazeutischen Industrie oder von Wissenschaftlern an Universitäten entwickelt. „Underground-Chemiker“ brauchen nur in der einschlägigen Fachliteratur nachzuschlagen, um auf die Synthesewege potentiell psychoaktiver Substanzen zu stossen. Zugegeben, nicht zuletzt inspiriert durch die beiden von dem amerikanischen Chemiker Alexander Shulgin und seiner Frau Ann vorgelegten Meilensteine „Pihkal“ und „Tihkal“, Bücher, in denen Synthese und Wirkungen zahlreicher Phenyläthylamine und Tryptamine detailliert beschrieben werden, machen sich vermehrt Chemiekundige an die Synthese und Entwicklung noch rarer oder gar neuer „Psychodelikatessen“.
In grossem Masstab wird aber vor allem das produziert, was der Markt bereits verlangt, und das sind in erster Linie Amphetamin („Speed“), LSD („Acid“) und MDMA („XTC“). Die dem MDMA in Chemismus und Wirkung nahestehenden aber nicht so beliebten Substanzen (MDA, MDE, MDOH, MBDB, BDB), die am ehesten der Vorstellung von „Designerdrogen“ entsprechen, da sie in grossen Mengen als „Ecstasy“ verkauft wurden und zum Teil noch werden, sind mittlerweile alle dem deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtmG) unterstellt.
Zwei Substanzen, die 1998 in holländischen Smart-Shops auftauchten, wurden noch im selben Jahr in die strengste Stufe Anlage 1 (nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel) des BtmG aufgenommen.
2-CT-2 trat an die Stelle des 1997 in den Niederlanden verbotenen Sinnesverstärkers 2-CB. Der Amsterdamer Avantgarde-Smart-Shop „Conscious Dreams“ brachte, mutig wie immer, 2-CT-2 in weissen Tabletten zu 8 Milligramm, je zwei zu 25 Gulden, 3 zu 35 Gulden auf den Markt. Es handelt sich dabei um ein recht lang wirkendes leicht psychedelisches Phenyläthylamin, das bei den meisten Konsumenten keine allzugrosse Begeisterung auslöste, weil eine stärker stimulierende Komponente fehlte und oft Schwummrigkeit und eine gewisse Übelkeit besonders zu Beginn der Wirkung das Erleben beeinträchtigen.
Der Arnhemer Konkurrent „The Shamen“ schickte 4-MTA ins Rennen, ein Amphetamin-Derivat, dessen Wirkung an „Ecstasy“ erinnern sollte. Die Substanz fand deshalb schnell ihren Weg in die britische Club- und Rave-Szene. Viele Konsumenten beklagten allerdings einen fehlenden „Peak“ und legten nach, was zu mehreren Todesfällen geführt haben soll. Die Substanz entpuppte sich als voreilig auf den Markt geschmissen und im Vergleich zur Wirkung mit einem hohen gesundheitlichen Risiko behaftet.
Nicht gerade neu, aber dafür bei uns nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt, ist Dextrometorphan, kurz DXM, ein Opiat, dass in rezeptfrei in der Apotheke käuflichen Hustenmitteln enthalten ist. In entsprechender „Überdosis“ (100 bis 250 Milligramm) wirkt es enthemmend und wahrnehmungsverändernd. Höhere Dosierungen wirken zunehmend halluzinogen-delirös bis narkotisch. Schon Rosa von Praunheim („50 Jahre pervers“) nahm es in den Sechziger Jahren als noch „Romilar“-Tabletten (die reines DXMHydrobromid enthielten) in Apotheken freiverkäuflich waren. Der „Missbrauch“ führte dazu, dass dieses Präparat in der BRD vom Markt genommen wurde. Manche holländischen Smart-Shops verkaufen die reine Substanz in psychoaktiver Dosis als „Robo“.
Es tut sich ausserdem etwas im nicht ganz so leicht zugänglichen Chemikalienhandel: Einige kleinere Schweizer und Deutsche Chemikalienhändler führen in ihrem Sortiment neuerdings psychoaktive Substanzen aus der Reihe der Tryptamine, die nicht den jeweiligen Betäubungsmittelgesetzen unterstehen. Ähnlich wie zuvor die Händler ethnobotanischer Spezialitäten versuchen sie bestehende Gesetzeslücken zu nutzen und die Zugänglichkeit psychoaktiver Spezereien zu erhöhen. Selbstverständlich werden die entsprechenden Substanzen in keiner Weise zum Konsum angeboten. Im Gegenteil: Vor dem Konsum wird entweder ausdrücklich gewarnt, oder die Kundschaft muss sich gar schriftlich verpflichten, die bestellte Ware nicht in unerlaubter Weise anzuwenden.
5-Meo-DIPT (5-Methoxy-N,N-Diisopropyl-Tryptamin) ist eine dieser Substanzen. In geringen Dosierungen zwischen 6 und 12 Milligramm oral eingenommen wirkt es vier bis acht Stunden lang leicht psychedelisch und emotional öffnend. Ein gewisser Ruf als sinnlichkeits- und hingabeverstärkendes Aphrodisiakum eilt ihm (im Internet) voraus. Jedoch wissen Konsumenten auch von eher umangenehmen Wirkungen wie Übelkeit und Schweissausbrüchen zu berichten. Schon leichte Überdosierungen können zu als ausgesprochen anstrengend empfundenen Rauschzuständen führen. In Form der freien Base kann 5-Meo-DIPT in Dosen von wenigen Milligramm auch geraucht werden. Das „High“ ist dann lediglich ein bis drei Stunden spürbar. 5-Meo-DIPT lässt sich unter Umständen auch psychotherapeutisch einsetzen, z.B. im Rahmen einer psycholytischen Therapie.
DPT (N,N-Dipropyl-Tryptamin) zählt zu den besonders eifrig im Internet diskutierten psychedelischen Substanzen. Es wird sowohl oral eingenommen, als auch geschnupft, geraucht und intramuskulär injiziert. Obwohl es schon seit den 60er Jahren bekannt ist und die chemisch nahe verwandten Substanzen DMT und DET seit dieser Zeit dem BtmG unterstehen, blieb DPT bislang von dieser Einschränkung verschont. Dennoch ist kaum etwas über seinen Gebrauch in den letzten drei Jahrzehnten bekannt geworden. Eine obskure New Yorker Sekte „The Temple of the True Inner Light“ benutzt seit Jahren in den U.S.A. unbehelligt DPT als Sakrament. In psychotherapeutischen Kontexten wurde DPT gelegentlich auch bei uns eingesetzt.
Kompliziert wird es für Chemikalienhändler und ihre Kundschaft, wenn eine Substanz beispielsweise in der Schweiz (noch) gehandelt werden kann, während sie in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz untersteht und nicht verkehrsfähig ist, wie dies bei Alpha-Methyl-Tryptamin der Fall ist, das in den 60er Jahren in der UdSSR als langwirkendes Antidepressivum „Indopan“ in Tabletten zu 5 und 10 Milligramm auf dem Markt war und in Dosierungen von 5 bis 20 Milligramm geraucht stimulierende und leicht psychedelische Effekte induzieren soll.
Einige der gehandelten und dem BtmG entgangenen Substanzen sind noch weniger „Designerdrogen“ im obigen Sinne, sondern Naturstoffe in reiner Form, die allerdings meist nicht extrahiert, sondern vollsynthetisch hergestellt werden.
Dazu gehört 5-Meo-DMT (5-Methoxy-N,N-Dimethyl-Tryptamin), das in Dosierungen von 5 bis 20 Milligramm geraucht wird, um auf einen sehr schnell einsetzenden, aber nur zehn bis zwanzig Minuten anhaltenden, ins Innere gerichteten stark energetischen Trip, in der Regel ohne ausgeprägte Farbvisionen, zu gehen. Bekannt geworden ist 5-Meo-DMT als Hauptwirkstoff im rauchbaren getrockneten Sekret der Bufo alvarius-Sonora-Wüsten-Kröte. In zahlreichen Pflanzen wurde es nachgewiesen. Einige von Ihnen werden vermutlich seit Jahrtausenden von südamerikanischen Schamanen als bewusstseinsverändernde Schnupfpulver eingenommen. Andere haben erst in den letzten Jahren als Bestandteil von Ayahuasca-Analogen Bedeutung erlangt. 5-Meo-DMT ist kurzfristig mit der 13. BtmG-Änderungsverordnung, unterschrieben von der Grünen Gesundheitsministerin Andrea Fischer, zunächst befristet für den Zeitraum eines Jahes und wirksam ab Oktober 1999, dem deutschen Betäubungsmittelgesetz unterstellt worden, allerdings unter der Bezeichnung 3-Methoxy-DMT (2-(5-Methoxy-indol-3-yl)-ethyl)-dimethyl-azan).
Harmalin ist ein interessanter antidepressiver, innerhalb von einer halben Stunde und nur vier bis fünf Stunden lang wirkender reversibler Monoaminoxidase (MAO)-Hemmer, der gemeinsam mit dem sehr ähnlich wirkenden Harmin und weiteren verwandten Alkaloiden in hoher Konzentration in Steppenrautensamen (botanisch Peganum harmala), in niedrigerer Konzentration in der Ayahuasca-Liane (bot. Banisteriopsis Caapi) vorkommt. Die Pflanzenprodukte sind viel preiswerter als die Reinsubstanzen und werden seit Jahrtausenden genutzt. Allerdings lässt sich reines Harmalin oder Harmin effektiver dosieren. Üblich ist die Einnahme von z.B. 150 Milligram des Harmalin-Hydrochloridsalzes eine halbe Stunde vor Einnahme anderer Substanzen, um diese erst oral psychoaktiv wirksam zu machen, wie dies bei DMT und DMT-haltigen Pflanzenextrakten der Fall ist, oder aber deren psychedelische Wirkungen zu verstärken, wie dies beispielsweise bei Meskalin und meskalinhaltigen Kakteen oder psiloc(yb)inhaltigen Pilzen der Fall ist.
Die Reinsubstanzen DMT, Meskalin, Psilocybin und Psilocin unterstehen allerdings dem deutschen BtmG, die diese Substanzen enthaltenden Pflanzen und Pflanzenteile seit dem 1.2.1998 mit Hilfe von SPD- und SPD/Grünen-regierten Ländern auch, „wenn sie als Betäubungsmittel mißbräuchlich verwendet werden sollen“, wie es so schön heisst.
Wer allen möglichen, insbesondere den weitgehend unbekannten gesundheitlichen Risiken zum Trotz, den Umgang mit den oben erwähnten (noch) „legalen“ Substanzen beabsichtigt, sollte vorher alle verfügbaren Informationen einholen und sich mit den auf dem aktuellsten Stand befindlichen Gesetzestexten (BtmG, Arzneimittelgesetz, Gefahrstoff-Verordnung, Chemikalien-Verbotsverordnung) vertraut machen und wissen, dass er auf eigenes Risiko handelt. Im Falle des beabsichtigten Handels sollte vorher ein kompetenter Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden.
Die Händler lehnen sich in jeder Hinsicht am weitesten aus dem Fenster und begeben sich aufs drogenpolitische Glatteis. Einerseits sind sie Pioniere, die ernsthaft Interessierten die Zugänglichkeit zu psychedelischen und psychotherapeutisch einsetzbaren Sakramenten erleichtern, andererseits leiten sie vielleicht durch eine mögliche Popularisierung das Auge des Gesetzes beschleunigt auf die entsprechenden Substanzen. Letzten Endes lässt sich aber der fatale Antidrogenkrieg eh nicht gewinnen, selbst wenn am Ende alle Chemikalien der Welt in den Anlagen des BtmG erfasst würden.
Placebos ohne Täuschung. Jetzt ist es soweit: Placebos wirken selbst dann, wenn die Patienten wissen, dass sie ein Scheinmedikament einnehmen. Oder nicht? (Telepolis v. 29.04.2011)
Arzneimittelherstellung und pharmazeutische Industrie
Subjektiver Rausch und objektive Nüchternheit
Der Medizin-Anthropologe Nicolas Langlitz über das Forschungs-Revival psychedelischer Substanzen, die objektive Erkenntnis subjektiven Erlebens und kulturell beeinflusste Psychopharmakawirkung. (Telepolis v. 12.01.2012)
Zur philosophischen Basis heutiger Drogenpolitik: Interview mit Michael Rinella über das Symposion und Platos Neueinordnung der Ekstase (Deutsch & english version).
„Salvia ist keine Eskapisten-Droge“
Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten für Salvia divinorum, dem sogenannten „Wahrsagesalbei“ (and here is the english version)
MAPS: Psychedelika als Therapie
Interview mit Rick Doblin, Gründer der „Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies“, über MDMA und die Probleme bei der Arbeit mit psychoaktiven Substanzen
Interview mit Christian Rätsch
Christian Rätsch -der wohl anerkannteste Ethnobotaniker Deutschlands- im Gespräch. Esoterischer Schamanenkult, psychoaktive Pflanzen, „Das Gute“, „Das Böse“ und Richard Wagner sind Themen.
Interview mit Wolf-Dieter Storl
GRÜNE aufgepasst: Dieser Pflanzenkenner und -lauscher weiß, was man von Pflanzen lernen kann.
Der umfassende Einblick in die Welt der psychoaktiven Substanzen: Alle Specials (mit aktuellen Ergänzungen) von az, dazu weitere Artikel aus Magazinen, Zeitungen und Online-Medien.
Das Drogenverbot ist (mal wieder) am Ende
Der hochtechnisierte und globale Markt produziert ständig neue Substanzen, eine Kontrolle wird immer schwieriger (Telepolis v. 21.06.2012)
Ecstasy und seine Kinder
Mal wieder schafft eine Drogenstudie mehr Verwirrung als Aufklärung. (Telepolis v. 18.04.2012)
Das Ende der Akzeptierenden Drogenarbeit? Ein Abgesang
Wer meint, sich stimulieren zu müssen, aber dabei auf synthetische Amphetamine, gemeinhin als “Speed” bekannt, verzichten möchte, der kann im Pflanzenreich fündig werden. Wenn man von den beliebten coffeinhaltigen Anregungsmitteln einmal absieht, wird man unweigerlich auf die zahlreichen über trockenere Gebiete des Planeten verbreiteten Meerträubelarten stoßen, botanisch Ephedra genannt.
Es handelt sich um niedrige besenartig verzweigte Büsche oder Sträucher mit dünnen immergrünen Ästchen, die an Schachtelhalm erinnern, und unscheinbaren schuppenförmigen Blättern. Wie bei Hanf gibt es männliche und weibliche Pflanzen, die sich erst zur Blüte unterscheiden lassen. Die Früchte erscheinen als kleine auffällig rote Beerenzapfen.
Meerträubel ist eine sehr urige Pflanze und bevölkert unseren Planeten schon viele Millionen Jahre. Auch ist Meerträubel ein treuer Begleiter der Menschheitsgeschichte und eine der ältesten bekannten psychoaktiven Heilpflanzen überhaupt. Es wurde als Beigabe in den Neandertalergrabhöhlen von Shanidar (auf dem Gebiet des heutigen Iran) gefunden. Seine Wirkungen wurden praktisch überall genutzt, wo es wild gedieh, sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt. In Kulten und religösen Ritualen spielte es immer wieder eine Rolle.
Als stimulierende Wirkstoffe enthalten viele eurasische und nordafrikanische Ephedraarten unterschiedliche und schwankende Mengen an natürlichen Amphetamin-ähnlichen Wirkstoffen, den sogenannten Ephedra-Alkaloiden. Zu diesen zählen vor Allem l-Ephedrin und Pseudoephedrin, außerdem Norephedrin, N-Methylephedrin und einige andere. Sie alle wirken ähnlich, aber nicht identisch. Die spezielle Mischung in einer vorliegenden Ephedraprobe kann eine von sensiblen Menschen durchaus spürbar unterschiedliche Geamtwirkung entfalten. Jedoch wirken alle blutdrucksteigernd, gefäßverengend, herzschlagbeschleunigend, kreislaufstimulierend, harntreibend, antiallergisch (insbesondere nasenschleimhautabschwellend), krampflösend auf die Bronchien (hustenreizlindernd, antiasthmatisch), appetithemmend und zentral anregend.
Die Alkaloide selbst werden deshalb in Arzneimitteln eingesetzt, zum Beispiel zur Linderung von Erkältungen mit Husten oder in fragwürdigen Appetitzüglern.
Beliebt als so eine Art “Armeleute-Speed” waren Anfang der Achtziger die in Apotheken frei erhältlichen Medikamente Ephedrin Knoll (mit 0,05 Gramm d,l-EphedrinHCl pro Tablette) und Percoffedrinol, das damals noch Ephedrin und Coffein in einer sich gegenseitig verstärkenden Mischung enthielt, bis diese Präparate schließlich 1984 rezeptpflichtig wurden und dann schon bald (1987) vom Markt verschwanden.
Heute taucht Ephedrin bei uns nur noch als ein untergeordneter Bestandteil in Kombinationspräparaten auf.
In den Achtzigern existierte in den USA ein legaler Versandhandel für ephedrinhaltige Tabletten und Kapseln, die stärkere, sonst nur auf dem Schwarzmarkt erhältliche “Speed”-Präparate imitierten. In Amsterdamer Headshops konnte man reines Ephedrin-Hydrochlorid erwerben, um damit “Speed” oder “Kokain”-Pulver zu strecken oder zu imitieren.
Ephedrin war nie so beliebt, wie seine euphorisierenderen Konkurrenten. Es war in erster Linie problemloser und preiswerter erhältlich. Dabei können die Ephedra-Alkaloide als Ausgangssubstanzen für die Synthese der chemisch und pharmakologisch nahe verwandten illegalen Amphetamine (insbesondere durch Reduktion Methamphetamin) dienen. Mittlerweile obliegen sie deshalb einer verschärften internationalen Kontrolle.
An die Stelle der Reinsubstanzen ist in den letzten Jahren vermehrt das verträglichere Ephedrakraut getreten. (Aber Vorsicht: Es ist bei uns zumindest apothekenpflichtig und darf außerhalb höchstens als botanisches Anschauungsmaterial gehandelt werden.) Von vielen Leuten wird die Wirkung eines Ephedratees als körperlich angenehmer, weniger “brutal” und psychisch euphorisierender beschrieben, als dies bei den Pharmapräparaten der Fall sein soll. Dafür ist der reale Wirkstoffgehalt weniger abschätzbar, die Dosierung etwas problematischer. Auch enthält das Ephedrakraut Gerbstoffe und andere Substanzen, die in größerer Menge genossen durchaus “auf den Magen hauen” können.
Ephedra hat im Rahmen der Technobewegung und des damit popularisierten “Ecstasy”-Konsums eine neue Bedeutung als Zusatz anregender Kräutertabletten erlangt, die von findigen und windigen Geschäftsleuten durch massive Werbung als legale und scheinbar nicht gesundheitsschädliche “Alternative”, als sogenannte “Kräuter-Ecstasys”, oft maßlos überteuert, an den Mann gebracht wurden. Sie enthalten in der Regel aber nur geringe Mengen Ephedra. Dieses ist obendrein meist der einzig nennenswert psychoaktive Bestandteil. Nicht viel mehr als eine Idee in Pillenform. Selbermischen kommt auf jeden Fall preisgünstiger, und man weiß, was drin ist.
Die Ephedra-Alkaloide und damit auch das Ephedra-Kraut sind außerdem nicht ganz unbedenklich. Wer Herz-Kreislaufprobleme, insbesondere Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, besonders in Hirn und Extremitäten, Schilddrüsenstörungen, eine Prostataerkrankung, eine geschädigte Leber oder Niere oder ein Engwinkelglaukom hat oder gar schwanger ist, sollte auf jeden Fall die Finger von der Droge lassen!!!
Coffein verstärkt gefährliche Nebenwirkungen. Auch Alkohol und Nikotin sind sicherlich keine guten Partner für Ephedra.
Hohe Dosierungen machen sich durch Pupillenerweiterung, Nervosität, Zittern, Schweißausbrüche, eventuell Herz-Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, starke Mundtrockenheit, Harnverhaltung und Verstopfung bemerkbar. Die körperliche Symptomatik dominert.
Bei toxischen Dosen kann es zu Krämpfen, Herrhythmusstörungen, Schock und Atemlähmung kommen. Selbst Herzinfarkt und Schlaganfall werden in der medizinischen Literatur erwähnt.
Komplikationen sind allerdings bei überlegtem, gelegentlichem und wohldosiertem Gebrauch selten.
Zu den Nachwirkungen zählen insbesondere bei höheren Dosierungen oder wiederholter Einnahme eine mehr oder weniger ausgeprägte Mattigkeit, eventuell Gefühle von Niedergeschlagenheit und vor allem Schlafstörungen (Einschlafschwierigkeiten, unruhiger, schwitziger Schlaf), kurz ein Aufputschmittel-Hangover. Künstliche Stimulation geht in jedem Falle auf Kosten der eigenen Energiereserven.
Wer täglich Ephedra nimmt, geht das Risiko einer Gewöhnung ein. Schnell entwickelt sich Toleranz. Immer größere Mengen werden gebraucht, um eine der ersten Dosis auch nur annähernd vergleichbare psychisch stimulierende Wirkung zu erzielen. Das zehrt aus und erhöht erheblich das Risiko negativer Folgen. Fahrigkeit, Nervosität, Gereiztheit, Konzentrations- und Schlafstörungen, sowie schwerwiegendere vorübergehende psychische Störungen wurden bei anhaltendem, stark übertriebenen Gebrauch von ephedra-alkaloidhaltigen Pharmapräparaten beobachtet. Ephedrin ist so konsumiert letztlich nicht weniger bedenklich als stärkere Arten von “Speed”. Vom nicht ärztlich verordneten täglichen Gebrauch ist deshalb dringend abzuraten.
Wie wirkt das Zeug nun eigentlich? Was ist der Reiz daran?
Wenn es nur ausnahmsweise mal genommen wird, dann setzt innerhalb von 15 bis 60 Minuten langsam eine Wachheit mit Klärung der Gedanken ein, oder auch eine Art von Aufgeregtheit und Hibbeligkeit, so ein Gefühl wie “jetzt gehts los”, vielleicht sogar mit einer euphorischen Note zumindest zu Beginn, aber das wars dann auch schon, wenn man sich nicht selbst in den Törn reinschafft. Die Angeregtheit oder auch Erregtheit hält etwa vier Stunden deutlich und bis zu sechs oder gar acht Stunden insgesamt an. Wer zu innerer Unruhe, Aggressionen und Gereiztheit neigt, mag im Einzelfall eine Verstärkung dieser Züge erleben. Wer die Dinge eher locker angeht, mag die Stimulatuion zum mentalen Driften, sich Räkeln, zum Labern, Spazierengehen, Tanzen, Kuscheln oder Rammeln nutzen. Wenn man es auf das Letztere anlegt, sollte man nicht vergessen, daß Ephedra besonders zu Beginn seiner (auch gefäßverengenden) Wirkung und mit steigender Dosis nicht gerade die Durchblutung vor allem der männlichen Geschlechtsorgane fördert und schließlich den Orgasmus eher hinauszögert, was ja erwünscht sein kann. Die Ephedrastimmung muß nicht unbedingt erotisch sein, kann aber im entsprechenden Ambiente insbesondere von Frauen sinnlich erlebt werden. Aber watt dem einen sin Nachtigall, ist dem anderen bekanntlich sin Uhl. So kann man auch das typische Kribbeln unter der Kopfhaut auf der einen Seite willkommen heißen und genießen oder als unangenehm nervigen Kratzreiz erfahren.
Das Inhalieren von Cannabisdämpfen in Kombination mit Ephedra wird als wohltuend beschrieben. Das Cannabis gebe dem bisweilen vergleichsweise ernüchternden oder allenfalls manischen Ephedratörn erst eine wirklich interessante, sinnliche, zusätzlich erotisierende, phantasie- und humorvolle Note, wobei andersherum das Ephedra dem wirren und ermüdenden mancheiner Cannabisdröhnung entgegenspaziere. Wie dem auch sei…
Wie wird Ephedra genommen?
Man kann das zu feinem Pulver gemahlene Ephedrakraut in Kapseln abgefüllt oder in zum Beispiel O-Saft gerührt herunterspülen. Auch Extrakte lassen sich durch Heißwasserauszug, Abfiltern und Eindampfen herstellen und ähnlich einnehmen. Alkoholische Getränke sind noch effektiver bei der Extraktion.
Die traditionelle Zubereitung erscheint allerdings als die Vernünftigste und Schmackhafteste: Man bereitet einfach einen Tee zu. Dazu werden pro Tasse oder Becher ein bis zwei Gramm der getrockneten Zweigchen mit kochendem Wasser überbrüht und zwei bis drei Minuten ziehen gelassen, damit nicht zuviel der bitteren und magenbelastenden Gerbstoffe in den Tee übergehen. Oder man läßt das Kraut zehn Minuten köcheln, bevor man abgießt. Das schmeckt dann nicht mehr so gut, extrahiert aber mehr der Alkaloide. Nimmt man frisches ungetrocknetes Kraut für die Abkochung, verbessert sich der Geschmack des Tees. Der Tee kann mit Honig oder Rohrzucker gesüßt und mit Limonensaft aufgepeppt werden. Diesen kann man auch von Anfang an zufügen. Er erhöht die Wasserlöslichkeit der Alkaloide. So zubereitet schmeckt der Ephedratee gar nicht mal so schlecht. Aber es gibt erhebliche Unterschiede in den Sorten. Leider auch im Wirkstoffgehalt. So läßt sich nicht ohne Weiteres sagen, wieviel Ephedra für die gewünschte Wirkung erforderlich ist. An eine neuerworbene Probe tasten sich Ephedra-User deshalb vorsichtig heran, Tässken für Tässken.
Die Spanne des Alkaloidgehaltes reicht von geringen Mengen von vielleicht 0,2 % bis zu 3,3 %! Im Allgemeinen steigt der Alkaloidgehalt kontinuierlich vom Frühjahr bis zum Herbst an. Deshalb werden die frischen neugewachsenen jungen Zweige meist im Oktober, manchmal auch während der Blüte geerntet.
Die Dosierung: Wieviel nimmt man denn nun?
Nehmen wir als Anhaltspunkt mal die typische medizinisch-therapeutische Dosis von EphedrinHCl. Sie liegt zwischen 0,01 und 0,05 Gramm. Zum “Aufputschen” wurden aber höhere Dosen genommen, üblicherweise 0,05 bis 0,15 Gramm (also 50 bis 150 Milligramm).
Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt des hier erhältlichen getrockneten Ephedrakrautes dürfte zwischen 0,5 und 1,5 % Ephedra-Alkaloide betragen. Die typische therapeutische Dosis für die Einnahme als Tee liegt bei 1 bis 4 Gramm des Krautes. Wer sich stimulieren will, nimmt in der Regel mindestens 2 bis 5 Gramm.
Welche Sorten gibt es?
Insgesamt sind bis zu 70 Ephedraarten beschrieben worden. Fast alle enthalten Ephedra-Alkaloide. Ein paar der wichtigeren Arten seien hier genannt. Dabei ist zu bedenken, dass in den amerikanischen Arten keine (!) Ephedra-Alkaloide gefunden wurden, Konsumenten insbesondere von Mormonentee und Tlanchalahua aber von anregenden Wirkungen berichten. Vielleicht spielen andere Inhaltsstoffe eine Rolle. Auch mag die Identität des konsumierten Tees nicht immer eindeutig sein.
In Mexiko trinkt man einen schmackhaften “Schlankheits-Tee” von Tlanchalahua (Ephedra trifurca) in der Dosis von 1 Gramm pro Teebeutel pro Tasse, den man nur ein bis drei Minuten ziehen läßt. Eine Tasse wirkt eher subtil. Nach drei bis fünf Tassen war eine deutliche Wirkung spürbar. In leckeren u.a. Zitronengras enthaltenden mexikanischen Teemischungen wie “Yogi” und “Samadhi” macht Ephedra trifurca einen Anteil zwischen 20 und 40 % aus.
In Mexiko wird auch Ephedra americana als Tee getrunken oder gegen Kopfschmerzen geraucht. Ephedra americana wächst in trockeneren Gebieten von Nordamerika über die Anden (curip-huaracan ist der Quetschua-Name) bis runter in den Norden von Chile (dort pingo-pingo genannt). Ein solcher Tee wirkte lediglich harntreibend. Aus den USA kommt manchmal der Mormonentee (meist Ephedra nevadensis) zu uns. Ein Teelöffel pro Tasse, zehn Minuten ziehen lassen, wird als Dosis für ein anregendes Getränk angegeben.
Eine robuste mehrjährige Sorte aus den Bergen Nordindiens und Tibets (von 3000 bis 5600 Meter hoch!) ist Ephedra gerardiana (Somalata). Sie läßt sich auch bei uns im Freiland anbauen und übersteht selbst harte Winter. Die Erträge sind zwar nicht gerade hoch, Potenz und Geschmack aber gut.
Eine der klassischen Ephedrasorten für den Apothekenhandel ist die vom Kaukasus bis nach China (dort neben anderen Ephedraarten Ma Huang genannt) verbreitete Ephedra equisetina. Es wurden in getrockneten frischen grünen Zweigen Alkaloidgehälter von 0,6 bis 1,75 % gemessen, mit Spitzenwerten bei 3,3 %.
In denselben Gebieten gedeiht auch Ephedra intermedia ( auch Ma Huang genannt) mit mittlerem Wirkstoffgehalt (zwischen 0,8 und 1,35 % Alkaloide). Wildwachsende Ephedraarten gelten in manchen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (insbesondere in Kasachstan) als eine der populärsten Drogen des Undergrounds. In geheimen Labors wird mitunter Ephedrin extrahiert und weitervertrieben oder daraus durch Oxidation das potentere und euphorisierendere Methcathinon (Ephedron) synthetisiert.
Ephedra sinica (Ma Huang) aus China gilt gemeinhin als sehr potente Ephedraart, mit Spitzen bei um die 3 % im Herbst. Die Durchschnittswerte lagen jedoch bei Analysen kultivierter Pflanzen bei 1,2 bis 1,6 %. Außerdem soll “Ma Huang” als Tee nicht gut schmecken.
Im Mittelmeerraum wachsen an den Küsten und Flußufern eine Reihe von Ephedraarten, einige davon als typische schon recht ansehnliche Sträucher der Macchia (Ephedra major). Sie lassen sich im Urlaub problemlos ernten. Interessant ist auch Ephedra distachya (auch Ephedra vulgaris genannt), die schon in der Antike medizinisch genutzt wurde. Der Tee hat einen recht angenehmen Geschmack. Wirkstoffgehalte von 0,65 bis 1,7 % der Alkaloide wurden gemessen. In ihr ist nicht Ephedrin das Hauptalkaloid, sondern das deutlich schwächere Pseudoephedrin. Pseudoephedrin wurde von sensiblen Gebrauchern als weniger stimulierend und mehr körperlich wirkend beschrieben. Einzelne Bestände von Ephedra distachya und seinen nächsten Verwandten kommen auch an der südwestfranzösischen Atlantikküste und hoch bis Südtirol, die Schweiz (Ephedra helvetica) und das ungarische Donaugebiet vor. Sie sind dort aber rar und sollten geschont werden.
Auch das im Mittelmeerraum vorkommende Ephedra fragilis, das “Zierliche Meerträubel”, wurde schon von “den Alten” anno dunnemals genutzt.
Wo kriegt unsereins dett Meerträubli her?
Wenn man nicht selber ernten kann oder in den Herkunftsländern Ephedrakraut einkaufen will, konnte man früher versuchen über eine “Kräuterapotheke” Ephedra zu erwerben. Die “Apothekendroge” muß einen “vorgeschriebenen Mindestgehalt” von 0,5 bis 1,25 % an Alkaloiden aufweisen. Sie soll in der Regel aus Zentralasien, Indien oder Südosteuropa stammen. Meist handelt es sich um “Ma Huang”.
Dasselbe Material, aber auch selbst importiertes Ephedrakraut anderer Herkunft, läßt sich anonymer und zuverlässiger im ethnobotanischen Fachhandel bestellen, dort aber nur “als optisches Anschauungsmaterial”, leider machmal etwas überteuert. Von den Händlern sollte man Angaben über botanische Identität, Herkunft und Alkaloidgehalt einfordern, damit man sich beim Betrachten der Proben an den hoffentlich korrekten Angaben ergötzen kann.
Damiana. Allein der Name klingt schon nach zärtlicher Verführung, läßt Herzen höher schlagen. Der Tee zur liebevollen Vereinigung, der Likör der leidenschaftlichen Eroberung. Herr Doktor, bei mir hat sich aber nichts geregt. Im Bereich der Aphrodisiaka bewegt man sich schnell auf dem Glatteis. Nichts ist von so vielen Faktoren abhängig wie die Entfaltung der Sexualität. Meist denkt man bei Aphrodisiaka an Mittel, die praktisch automatisch eine dauerhafte Erektion erzeugen, mach mir den Hengst, oder aber instantmäßig den Geschlechtspartner willfährig machen sollen. Dem liegt wohl ein Mißverständnis zugrunde. So simpel wirken Aphrodisiaka in der Regel nicht. Erotik, sexuelles Erleben ist immer ans Gehirn gekoppelt. Deshalb können die stark psychoaktiven Substanzen auch die intensivste Steigerung der erotischen, sexuellen und sinnlichen Empfindungen induzieren. Der Absturz liegt dabei aber bisweilen nicht allzuweit entfernt, dann nämlich, wenn sich eigene innere und zwischenmenschliche Abgründe auftuen.
Bei gelegentlichem Damianakonsum gesunder Menschen geht es mehr um subtile Wirkungen auf den Eros, die man empfinden mag oder auch nicht. Ähnlich verhält es sich mit seinen nur schwach psychoaktiven Wirkungen. Der moderate Konsum von Damiana ist aber auch vergleichsweise unbedenklich. Regelmässig genossen soll es besonders bei bestehenden Funktionsschwächen und bestimmten Krankheiten, die sich negativ auf Potenz und Libido auswirken, der Gesundung förderlich sein und einen allgemein kräftigenden Effekt entfalten.
Damiana, botanisch Turnera diffusa (früher auch Turnera aphrodisiaca genannt), ist ein meist kleinbleibender gelbblühender Strauch, der in den trockenen warmen Regionen Amerikas vom Süden der USA, insbesondere Texas und Südkalifornien, über Mexiko, insbesondere Nordmexiko und Baja California, bis nach Südamerika verbreitet ist. Verwandte Turnera-Arten gedeihen übrigens sowohl in der Karibik und in Südamerika als auch in den tropischen Zonen Asiens und werden teilweise ähnlich wie Damiana genutzt. Hauptanbauland für Damiana ist Mexiko, wo es zudem reichlich von Wildbeständen gesammelt wird. Kurioserweise lautet dort die gängige Bezeichnung für das „echte“ (Turnera diffusa-)Damiana-Kraut „Damiana de California“. (Damiana werden in Mexiko nämlich auch noch andere ähnlich genutzte Kräuter genannt.)
Die kleinen gezackten Blätter werden getrocknet und galten schon bei den amerikanischen Ureinwohnern als Aphrodisiakum und wichtiges Heilmittel gegen asthmatische Beschwerden und Atemwegserkrankungen. Es wird außerdem zur Appetitsteigerung, zur Linderung von Rheuma und Migränekopfschmerzen, zur Entspannung bei Menstruationsbeschwerden, gegen Bauchschmerzen, Durchfall und Harnwegsleiden, bei Nervosität, als Kräftigungsmittel bei Schwächezuständen, sowie als mildes Hirntonikum, besonders im Alter, eingesetzt.
Bei uns kann man das aromatische getrocknete Damianakraut mit seinen vielen kleinen holzigen Zweigchen günstig im Kräuterhandel erwerben. Man sollte aber unbedingt darauf achten, daß es sich um das „echte“ Damianakraut, sprich Turnera diffusa, handelt. Auch andere Kräuter werden bisweilen als Damiana verkauft.
Wenn man etwa einen Teelöffel des Krautes pro Becher nimmt, mit siedendem Wasser überbrüht und vor dem Abseihen etwa fünf bis zehn Minuten ziehen läßt, läßt sich daraus ein ganz passabler aromatischer Alltagstee zubereiten, der mit Honig gesüßt noch besser schmeckt. Davon kann man täglich, besonders in den Abendstunden, ein paar Tassen trinken. Wer allerdings schnell spürbare Wirkungen erwartet, muß höher dosieren, was dem Geschmack des entstehenden Gebräus nicht unbedingt zugute kommt. Ein bis zwei gehäufte Eßlöffel oder etwa fünf Gramm Damiana dürften die Minimaldosis darstellen. Der Teeextrakt soll noch stärker (und vermutlich bitterer) werden, wenn man ihn durch bis zu einstündiges Auskochen zubereitet. Wer sensibel genug ist, wird eine leicht erhöhte Körperlichkeit und Sinnlichkeit empfinden. Besonders Frauen sollen sich etwa eine Stunde nach dem Genuß bisweilen entspannter und sexualisierter fühlen können. Alkoholische Extrakte gelten als wirkungsvoller. In Mexiko gibt es mit Damiana aromatisierte Liköre mit entsprechend verführerischem Image. Ein alkoholischer Auszug läßt sich einfach herstellen, indem man 30 bis 50 Gramm der Blätter mit etwa einem halben Liter Wodka übergießt und knapp eine Woche, nicht direkt in der Sonne, ziehen läßt, gelegentlich umschüttelt und den entstandenen alkoholischen Extrakt schließlich abfiltriert. Zur Likörherstellung wird das zurückgebliebene Damianakraut nochmal mit etwa 350 ml Wasser übergossen und ein paar weitere Tage ziehen gelassen, bevor man abfiltert. Die beiden Extrakte werden miteinander vermengt und eine halbe bis eine Tasse Honig, notfalls unter vorsichtigem Erwärmen, darin gelöst. Den entstandenen Likör läßt man, damit sich ein abgerundeter Geschmack bildet, mindestens ein paar Wochen, wenn nicht gar Monate, an einem dun klen Ort stehen.
Welche Stoffe für die Damianawirkung verantwortlich sind, ist noch nicht ganz klar. Ätherisches Öl, reichlich Harz, der Bitterstoff Damianin und die Gerbsäure Tannin gehören zu den bekannten Inhaltsstoffen. In den Stengeln soll gar Coffein nachgewiesen worden sein.
Damiana wirkt harntreibend. Zuviel kann möglicherweise leicht reizend auf die Harnwege und übelkeitserregend wirken. Wer Leberprobleme hat, sollte sich in Sachen Damiana zurückhalten. Vor hochdosiertem Dauergebrauch wird gewarnt.
Eine gewisse Berühmtheit hat das Rauchen von Damiana als „Legal High“ erlangt, zum Beispiel in einer Wasserpfeife beim Trinken des Tees. Möglicherweise entwickeln die Harze dabei eine psychoaktive Wirkung. Damiana gehört auf jeden Fall zur Garde der zahlreichen Kräuter, die geraucht einen mehr oder weniger starken „Effekt“ haben, ohne auch nur entfernt an so kräftig psychoaktiv wirksame Rau(s)chkräuter wie den Rauschhanf oder den Stechapfel zu erinnern. Aber wohl auch auf Grund seines exotischen und aphrodisischen Images und des wohlklingenden Namens findet sich Damiana in zahlreichen Kräutermischungen, die als rauchbare Marijuanaalternativen vermarktet wurden und werden. Zweifellos läßt es sich als nikotinfreie Grundlage für einen sinnlichen Kräuterjoint einsetzen. Ob einem der spezifische Geschmack des recht teerigen Rauches zusagt, muß man selbst entscheiden.
Zum Abschluß möchte ich einen männlichen Damiana-Probierer zu Wort kommen lassen:
„Bei einem bitteren Tee aus zwanzig Gramm Damianablättern habe ich eine gewisse träumerische körperliche Verinnerlichung erlebt und so eine Art Sedierung, nur etwa ein, höchstens zwei Stunden lang. Bei einem ziemlich ekligen Tee aus vierzig Gramm der Blätter war ich definitiv irgendwie breit, aber in keiner Weise halluzinogen oder psychedelisch oder wie auch immer, mehr gedämpft, insgesamt eher schwach. Wenn ich Damiana rauche, spüre ich eine nicht allzu lang anhaltende eigenartige wache Leichtigkeit. Damiana scheint sehr sanft zu sein oder schwach, besonders wenn man Stärkeres gewohnt ist oder unangemessene Erwartungen hat. Am besten gefällt es mir als normaldosierter Tee, ein gehäufter Teelöffel der Blätter pro Becher, in entspannter Atmosphäre. Dazu vielleicht noch ein kleiner Spliff und die Dinge sich entfalten lassen.“
Am Alkohol zeigt sich, wie eine Gesellschaft mit einer Droge lebt, mit der sie eigentlich nicht umgehen kann
Obwohl Alkohol eine stark psychoaktive Substanz ist, hat sich die flüssige Droge nicht nur weltweit verbreitet, sie ist auch in vielen Ländern legal zu erwerben. Der Reiz des Rausches ist hoch, die Lust auf Wein, Bier, Schnaps oder Alcopops ungebrochen. Der Alkohol nimmt eine zentrale Stellung unter der Rauschmitteln ein. Warum bloß?
Fusel besitzt einen enormen Rückhalt in der deutschen Bevölkerung, 73 Prozent der Bundesbürger halten es für akzeptabel, wenn jemand „mal einen über den Durst trinkt“. Angesichts der jährlich rund 40.000 Toten und den volkswirtschaftlichen Schäden mutet es seltsam an, dass ausgerechnet diese Substanz einen so hohen Stellenwert in der Gesellschaft besitzt. Rund 1,7 Millionen Deutsche trinken mehr als Leber, Herz oder Hirn vertragen, weitere 1,7 Millionen gelten als klassische Alkoholiker.
Die Lösung für dieses Phänomen liegt auf mehreren Ebenen:
(1) Weingeist und seine Derivate sind über Jahrhunderte ins kollektive Bewusstsein gebrannt worden, die Droge ist voll etabliert. Ganze Institutionen und markante Zeitsteine im Jahresverlauf drehen sich um den Alkoholrausch. Das Oktoberfest, der Fasching, aber auch die „besinnliche Weihnachtszeit“ sind ohne die Unmengen an ausgeschenktem Bier, entkorkten Flaschen und gestürzten Kurzen nicht denkbar. Und: Alkohol ist ein wichtiger Schmierstoff persönlicher und geschäftlicher Beziehungen.
(2) Umsatz und Gewinn der Hersteller stimmen. Alkoholherstellung kann lukrativ sein, die deutschen Weinregionen sind dazu Touristenmagneten. Die Lobby besitzt politischen Einfluss.
(3) Der Droge selbst wohnt wenig revolutionäres Potential inne. Ihre bewusstseinsverändernde, transformatorische Spannkraft ist im Vergleich zu entheogenen Substanzen gering. Simpel gesprochen: Den Mächtigen droht vom Alkohol wenig Umstürzlerisches, auch deshalb wird er nicht verboten.
(4) Alkohol ist gut zu dosieren und für verschiedene Zwecke nutzbar. Niedrig dosiert wirkt er meist kommunikativ, in mittleren Dosen enthemmend, in hohen Dosen lässt er alles vergessen. Zudem ist er gut mit anderen psychoaktiven Substanzen wie Kaffee und Cannabis – um mal nur die harmlosesten zu nennen – mischbar.
Angesichts dieser Vorteile werden die erheblichen Nachteile als Kollateralschäden in Kauf genommen. Nicht nur, aber auch aus diesem Zynismus heraus lässt sich der Schluss erklären, den die Befürworter eines Verbots von Cannabis in die Diskussion führen: Man hat einfach Angst in dieser zur Sucht neigenden Gesellschaft ein weiteres Fass aufzumachen.
Zwei Problemgruppen hat man im Auge. Das sind zum einen die Jugendlichen, die, glaubt man den Zahlen, immer früher mit dem Alkoholkonsum anfangen und auch immer früher den Vollsuff praktizieren. Einige Zeit herrschte Aufregung um die sogenannten Alcopops, im Grunde recht biedere Zucker-Mischgetränke mit viel Alkohol, eine Art hässliche Nachgeburt der Techno-Generation. In Folge eines Alcopopgesetzes reduzierte sich der Konsum bei den unter 18-Jährigen auf 16 Prozent von vormals 28 Prozent im Jahr 2003.
Die Alkoholdealer halten seither dagegen: Kneipen bieten im herrlichsten Neusprech eine Alkohol-“Flatrate“ an, von 20-2 Uhr kann gesoffen werden was geht. „Binge Drinking“ ist Komasaufen, Ziel ist der möglichst schnelle Rausch inklusive Bewusstlosigkeit. Beliebt ist dieser Sport zurzeit in Großbritannien und einigen Ländern Skandinaviens, dort wird der Alkohol nicht nur unter Jüngeren ohnehin gerne zügig konsumiert. Ich erinnere mich an den Besuch einer Feier in Schweden, bei der alle Anwesenden binnen kürzester Zeit extrem betrunken waren, ohne Hemmung torkelten und auf die Straße kotzten.
Nur nebenbei: Seit Jahrzehnten dringt aus den teutonischen Schmieden keine Information über das Saufverhalten der Soldaten nach draußen. Aus guten Grund, denn jeder, der die Ehre hatte in dem Haufen zu dienen, weiß, dass hier der Grundstein für manche Alkoholikerkarriere gelegt wird. Die Anfälligsten bleiben gleich da.
Die andere Problemgruppe sind die stark trinkenden fast-schon oder tatsächlichen Alkoholiker. Alles in allem dümpelt der Pro-Kopf Verbrauch von reinem Alkohol in Deutschland seit über zehn Jahren bei rund 10 Litern jährlich, nur die Verhältnisse zwischen den Sorten verschieben sich. Wichtig bei der ganzen Zahlenspielerei um steigenden oder sinkenden Verbrauch von Bier und Wein ist: Ein Anteil von ungefähr acht Prozent der Bevölkerung konsumiert rund 40 Prozent des verkauften Alkohols.
Suchtvermeidend kann die alte Regel sein, nicht alleine zu trinken. Aber die Umgehungschancen sind groß, man braucht sich nur in den Dorf-und Großstadt-Kneipen umzusehen, in denen Abend für Abend die selben Kapeiken am Tresen hocken, sich gegenseitig die Welt erklären und Freundschaft fürs Leben schließen. Die deutsche Schlagerkultur („Sieben Fässer Wein“, „Einer geht noch“, ) und zahlreiche Alltagsweisheiten („Auf einem Bein kann man nicht stehen“) feuern den Alkoholkonsum noch an.
Es kann als weiterer Hinweis auf die Komplexität der Drogenwirkung im Spannungsfeld von Set und Setting interpretiert werden, dass trotz einem Jahrhundert intensiver Erforschung der Alkoholabhängigkeit die Therapie derselben weiter schwierig bleibt (s. Interview mit dem Suchtforscher Andreas Heinz).
Laaaaangweilig: Geschichtsstunde
Zurück in der Zeit. Der Alkohol schaffte es als Wein und damit „Blut Jesu“ in die christliche Mythologie, in den griechischen Mythen galt Dionysos nicht nur als Gott des Weines, sondern auch der der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Der Alkoholrausch galt als kleine Vorwegnahme der Unsterblichkeit, eine Vorahnung des ewigen Lebens. Vom Mittelalter bis in die Neuzeit wurden dem Wein magische Kräfte zugesprochen, er wurde als Heilmittel gegen jedwede Wehwechen und ernsthafte Krankheiten eingesetzt. Die therapeutische Breite schien unerschöpflich. Bis in die 80er Jahre des letzten 20. Jahrhunderts hinein erhielt jeder Matrose in der englischen Marine täglich eine Portion Rum (rund 100 ml).
Im Mittelalter gehörte das maßlose Trinken zum Bürgeralltag, wer es sich leisten konnte, der soff. Mit der Rationalisierung des Lebens änderte sich ab dem 16. Jahrhundert auch die Einstellung zum Alkohol, die Obrigkeit setzte vermehrt auf Alkoholverbote, die immer auch im Zusammenhang mit den Luxusverboten standen, wie Kleiderordnungen, Verboten von bestimmtem Schmuck, teuren Kutschen und vergoldeten Möbeln. Religiöse Strenge und Abstinenz bedingen sich bei den christlich geprägten Religionen. Gleichwohl galten gerade die Mönche als Vorreiter des Suffs und der Völlerei.
Die Zwanghaftigkeit, die vom Alkoholismus ausgeht, wurde lange Zeit nicht gesehen, bis ins 18. Jahrhundert hinein galt es als freie Entscheidung des Trunkenboldes sich tagtäglich die Birne dichtzuknallen. In Amerika und Europa wurde der Alkohol im 19. und 20. Jahrhundert zum Sündenbock für alle möglichen schlechten Verhaltensweisen des Menschen. Die Mäßigkeitsbewegung radikalisierte zur Prohibition. In den USA gab es erste Verbote in einigen Bundestaaten bereits in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Nahezu alle wurden nach ein paar Jahren widerrufen. 1869 gründete sich dann die „Prohibition Party“ (die bis heute existiert!), es kam zu (heute noch üblichen) seltsamen Bibelauslegungen und schließlich zur berühmten Prohibition von 1919-1933.
Der Alkoholkonsum der Arbeiterklasse ging daraufhin tatsächlich zurück: sie konnten sich den teuren Schwarzmarktschnaps nicht leisten, zugleich tranken der Mittelstand und die Jugendlichen soviel wie nie zuvor; die Mafia entstand. Es war weniger der Aufstand der Massen, als vielmehr ökonomische und juristische Zwänge, die zur Aufhebung der Prohibition im Jahre 1933 führten. Viele Großunternehmen wie Cadillac, General Electric, Boeing und die Southern Pacific Eisenbahngesellschaft glaubten, dass durch die Wiedereinführung der Getränkesteuer ihre Einkommensteuer gesenkt werden könnte. Dazu kam eine um sich greifende Missachtung der Pohibitions-Gesetze, die langsam auf andere Bereiche übergriff. Der Respekt vor dem Recht sank.
Initiation
Will man den Wert einer Droge an den Initiationsriten festmachen zeigt sich in der westlichen Welt ein Phänomen: Die Einführung in den Alkoholrausch besteht meist aus einem dreiphasigen Lall-, Taumel- und Kotzereignis.
Wer dagegen von den guten Seiten des Alkohols sprechen will, der spricht vom Wein. Noch heute trinken in Frankreich die Menschen durchschnittlich sechs Gläser am Tag und leben trotzdem lang; diese Geschichte durchstreift die Weinstuben der deutschen Republik genauso häufig wie die von der niedrigen Herzinfarktquote unter den Franzosen.
Wein, das bedeutet heute eine enorm diversifizierte Kultur, die sich zwischen den beiden Enden Genuss und Sucht entfaltet. Sie variiert vom Tetrapack bis zum Luxusgut. Weinkeller, Dekantierflaschen, Degustation, Weinführer, Weinzeitschriften: Das Brimborium rund um den gegärten Traubensaft könnte als gute Matrize für die Eingliederung des Rauschhanfs und seiner Produkte dienen. Es ist die eingehende Beschäftigung mit der psychoaktiven Substanz, die Liebe zum Objekt, die Kenntnis von Wirkung und Nebenwirkung, das liebevolle Stapeln von Flaschen im Weinregal oder später Weinkeller, die einem Missbrauch der Droge vorbeugt, besser gesagt: vorbeugen kann.
Neben den wichtigen sozialen und individuellen Faktoren steigt die Gefahr in ein Abgleiten in die Abhängigkeit mit der Radikalität der Dareichungsformen und Einnahmetechniken. Sicher, die Dosis macht das Gift und auch gebrannte Schnäpse können ebenso wohldosiert wie Wein werden, dies setzt aber mehr Erfahrung voraus. Die meisten älter werdenden Jugendlichen verstauen das 80 Zentimeter Bong aus gutem Grund irgendwann im Schrank und setzen auf mildere Formen der THC-Aufnahme.
Der Deutsche Brauer Bund weist in einem Gutachten auf die vielen positiven Eigenschaften hin, die der Alkohol hat. Für den Chef des Brauerbundes, Richard Weber, ist Bier ohnehin kein Sucht-, sondern ein Genussmittel. Er sagt: „Wir sind Bierbrauer, keine Drogendealer“. Genau in diesem Punkt irrt er.
Die Bayern pochen seit Jahrhunderten auf ihren Suff, für sie ist der niedliche Gerstensaft in erster Linie ein „Lebens-“ besser noch „Grundnahrungsmittel“. Sie haben es geschafft. Dazu argumentieren die Hersteller mit Zahlen: Man gebe im Jahr rund 562 Millionen Euro an Werbegeldern in Deutschland aus, von den 200.000 Arbeitsplätze mal ganz abgesehen. Es ist dem Druck dieser Lobby zu verdanken, dass bisher keine weitreichenden Verbotsmaßnahmen umgesetzt werden. Aber der Fall des Rauchverbots zeigt: der Alkoholindustrie könnten schwere Zeiten bevorstehen. Eine potentielle Fremdgefährdung in Folge von Alkoholkonsum, gegenüber der die Gefahren des Passivrauchens vergleichsweise harmlos erscheinen, ließe sich hier ob im Straßenverkehr oder durch alkoholbedingte Straftaten problemlos an Hand von Statistiken belegen.
Die vielen Varianten des Alkohols werden derzeit jedoch überwiegend als Nahrungs- und Genussmittel akzeptiert, die heil- oder unheilvolle Wirkungen im Kräftespiel von Dosis, Individuum und sozialem Umfeld entfalten. Dahin sollten es eigentlich auch mehr der anderen und viel diskutierten Drogenzubereitungen schaffen. Denn die Zunahme an Verboten führt immer tiefer in eine repressive Gesellschaftsform hinein; vielleicht werden die Tabaknutzer tatsächlich bald zu den „neuen Junkies“, wie Günther Amendt vermutet. Eine freiere Gesellschaft bräuchte für die vielen Verlockungen die Bereitschaft zur Entwicklung vernünftiger regelmäßig an die aktuellen Umstände angepasster Konsumregeln, die nicht pauschal in Ignoranz gesellschaftlicher Realitäten mit staatlicher Autorität durchgeprügelt werden, sondern ein breites Spektrum im Feld von spirituellen Ritualen wie bei Ayahuasca, über Weindegustationen an der Mosel, schicken Whiskyverkostungen in den Städten bis zu rammelnden Techno-Festen abdecken.
Vom Filterkaffee zur Latte Macchiato: Die Kaffeekultur erlebt den Höhepunkt ihres Booms
Seit ein paar Jahren rollt eine schwarze Welle über Stadt und Land. Nachdem Kaffee lange Zeit ein Dasein als aus schnorchelnden Maschinen tropfende Plörre gefristet hat, ist der Wachmacher in neuer Aufmachung plötzlich wieder hip geworden. Espresso-Bars nach italienischem und Galao-Bars nach portugiesischem Vorbild, „Coffee to Go“ im US-Style, in den Privathaushalten mehren sich wuchtige und knuddelige Espresso-Maschinen, es gibt sogar Shops in Innenstadtlagen, die nur mit an Geschirrspüler erinnernden Aufmunitionierungs-„Pads“ für die neue Schnell-Schnell-Kaffeemaschinen-Generation ihren Umsatz generieren. Nicht nur in den noch gebliebenen traditionellen Kaffeeläden legt man wieder Wert auf exotische Sorten mit genauer Herkunftsangabe, selbst bei Tchibo und Arko versucht man sich in blümerantem Kaffee-Exotismus zu übertrumpfen. Aus dem Einheitsgesöff der 80er ist ein ausdifferenziertes Produkt geworden, inzwischen kommt der seltsame Spruch „eine Latte, bitte“ bei keiner Bedienung mehr schräg an. Fehlen nur noch Capuccino-Seminare in Volkshochschulen. Deutliches Zeichen des Booms ist nicht zuletzt das Vordringen der Starbucks-Kette.
Zentralste Lage in Hamburg, gegenüber dem Rathaus. Das Anstellen ist nervig, vor allem, wenn danach 3 Euro für eine Tasse koffeinhaltiges Heißgetränk gezahlt werden müssen. Aber halt, bei Starbucks geht es nicht um Koffein, sondern, wie immer in den Zeiten nachmoderner Produktverhökerung, um Lifestyle. Marvin Gaye im Hintergrund, der Kaffeemacher ruft meinen verflüssigten Lifestyle zusammen mit meinem Vornamen aus. Wie persönlich! Die Sessel sind bequem, ich versinke im Schaum. Irgendwo in weiter Ferne ahnt man den hippiesken Ursprung des Ladens.
Zwei Studenten aus San Francisco eröffneten 1971 in Seattle das erste Starbucks-Cafe, es ging ihnen um die Verbreitung der Genusskultur von Kaffee und Tee. Kommt zusammen, chillt aus, hängt ab in einer außeruniversitären Teestube, einem freakigen Gruppenraum. Das erste Logo von Starbucks zeigte noch eine barbusige Hippie-Nixe, das wurde im Rahmen der political correctness abgeschafft. Der Duft, die Musik, die Entspannung; in den USA war dieser Ansatz neu. Die Welt muss beglückt werden, klar, der heutige Inhaber Howard Schultz will Starbucks in so ziemlich jedes Land der Welt bringen. Das Ziel sind weltweit mehr als 20.000 Filialen, mehr als McDonald’s, er eröffnet jeden Tag drei neue Kaffeebars. In Deutschland sind es Anfang 2007 genau 57 Läden in 19 Städten.
Im Sessel neben mir eine etwa 35-jährige Frau mit Harry Potter-Roman. Gegenüber ein Typ mit Wollmütze und Tarnhose, Handy auf dem Tisch. Lang geübte Lässigkeit. Er trinkt Bionade aus einer Plastikflasche. Aus einer Plastikflasche! Wenn das nicht der Untergang des Abendlandes ist, dann weiß ich auch nicht. Aber wer kann schon in dieser Welt ohne Widersprüche leben. Die Fluktuation ist hoch, die Frau liest weiter. To stay, to go, Transit und Verweilen, der Kaffee wirkt.
Die Ziele von Starbucks waren hoch gesteckt. Noch 2002 plante man bis Ende 2007 über 180 Filialen in Deutschland. Der Plan geht nicht auf, das urbane Publikum trinkt nicht mit, die Kette stößt in Deutschland auf einen bereits etablierten Markt, der von Kaffeehäusern nach Wiener Vorbild, italienischen Espresso-Bar-Abkömmlingen und „szenigen“ Cafes besetzt ist. Auch für die anderen Ketten wie San Francisco Coffee Company und Balzac ist Old Germany ein hartes Pflaster. Leiser Marktführer war 2002 laut „Food Service“ Segafredo mit 81 Outlets und einer interessanten Strategie: Der italienische Kaffeeröster kooperiert mit zwei Tankstellennetzen (Agip und Esso) sowie mit der Mitropa, was Präsenz in Bahnhöfen ermöglicht.
In den privat geführten Kaffeehäusern ticken die Uhren anders. Hier hängt man entweder beim Milchkaffee ab oder gibt sich sein zerebral-gutturales Stößchen. Der Inhaber ist oft Kaffeefan aus Leidenschaft. Diese atmosphärischen Sitzcafes wollen wenig gemein haben mit der alten, an die Konditorei angehängte Oma-Stube. Durch Wärme und Gemeinschaft etablieren sie den „dritten Ort“, einen Platz zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Das ist nichts neues, sondern aus der Wiener Kaffehauskultur abgeschaut. Dort sollen sich manche Literaten ihre Post ins Cafe gebracht haben lassen. Heute bietet das moderne Cafe ebenfalls ein ideales Ambiente, gerade für die Scharen von halbkreativen Halbarbeitslosen, die auf das nächste Teilzeitprojekt warten und die vielen Mutter-Baby-Einheiten, die auf das nächste Kind warten.
Vati und die halbglücklichen Festangestellten ziehen die agressivere Variante des Koffein-Schubs vor. Sie stürzen den doppelten Espresso in der Mittagspause, das garantiert Arbeitswut. Der To-Go-Hype ist die bürgerliche Variante des Kokain-Booms, Starbucks dealt die Kaffee gewordene Globalisierung. Was verdrängt wird: Die alleinige Nutzung von Kaffee als gesüßtes Aufputschmittel zur Aufrechterhaltung der Arbeitsleistung fordert seine Opfer letztlich wahrscheinlich nicht viel anders als der Missbrauch anderer Stimulantien, wie Koka, Kath oder Ephedra. Irgendwie haben es die Kaffee-Vermarkter im Einklang mit dessen Konsumenten allerdings geschafft den Teufelstrank im Gegensatz zu anderen Anregungsmitteln als harmloses Stimulantium zu etablieren.
Die Marktforschung erforscht den Trend und gibt die Erkenntnisse weiter: Der Deutsche trinkt im Jahr über 150 Liter Kaffee. Gerade das junge, angemessen situierte Zielpublikum feiert in der Nacht, will aber am nächsten Morgen fit sein. Party-Gänger sind enorm koffeinaffin, am Morgen danach hilft die schicke Espresso-Schleuder, die als Prämie beim Kauf des Ipod mitgeliefert wurde. In Folge weiter Verbreitung ist Kaffee seit zwei Jahrhunderten aus dem Fokus drogenpolitischer Zwangsmaßnahmen geraten. Ein Umstand, der sich, wie sich an anderen Substanzen zeigen lässt, durchaus ändern kann.
Sultan Murad der IV. (1623-1640) verfolgte Kaffeetrinker mit Folter und Todesstrafe, da er die Kaffeehäuser für Orte des politischen Widerstandes hielt. In Hessen war ab 1766 eine 14-tägige Gefängnisstrafe für das Trinken von Kaffee vorgesehen. Das galt für Arme, Reiche durften Trinken, wenn sie einen Obolus in die Staatskasse zahlten. Friedrich der II. von Preußen erklärte ein Monopol auf die Einfuhr und das Rösten von Kaffee. Es wurden Kaffeeschnüffler eingesetzt, um das schon damals in der Bevölkerung beliebte Produkt zu entdecken. Seit zwei Jahrhunderten gilt Kaffee nun als versinnbildlichte Nüchternheit und Trockenheit der protestantischen Arbeitsethik, die To-Go-Variante ist letzter Ausfluss dieser Entwicklung. Es kann durchaus vermutet werden, dass Kaffee auch deshalb nach Definition der Weltgesundheitsorganisation nicht als Suchtmittel gilt, weil er die Arbeitsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft nicht zu beeinträchtigen scheint.
Von der viertelstündigen Anflutungsphase des Koffeins merke ich nichts, ich stehe bereits nach fünf Minuten in Schweiß und hacke Buchstabenfolgen in die Tastatur. Besonders kreativ fühle ich mich nicht, dafür ist die Atmosphäre bei Starbucks nicht so ganz mein Ding. Ab mit dem Fahrrad Richtung Karo-Viertel, dort, in einem unorganisierten Cafe ist es ruhiger. Vielleicht der bessere Zustand des Kaffee-Genusses: Außen steht die Zeit still und innen werkelt die sanfte Konzentration. Wie sagte der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar so schön: „Ins Kaffeehaus gehen Leute, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen.“
Wirkung und Dosierung
Koffein ist die weltweit am häufigsten konsumierte pharmakologisch aktive Substanz. Koffein (= Thein=Guaranin) in Reinform ist ein weißes, geruchloses Pulver, das von dem Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge 1820 erstmals aus Kaffeebohnen isoliert wurde. Eine starke Tasse Kaffee entspricht einer „vernünftigen“ Koffein-Dosierung (100 mg), die optimal wirksame Menge ist aber von Menschen zu Mensch unterschiedlich. Ein kleiner Espresso enthält circa 40 mg Koffein, eine Tasse Schwarztee bis zu 50 mg, Vollmilchschokolade rund 15 mg pro 100 g-Tafel, Halbbitterschokolade sogar 90 mg pro Tafel. Coca Cola bringt es auf rund 30 mg in der 330er Dose. Die maximale Konzentration im Blut wird 15-20 Minuten nach der Einnahme erreicht. Tee flutet langsamer an als Kaffee, wirken tut die Substanz dann 1-4 Stunden, je nach Stoffwechsel des Konsumenten. Bei Menschen liegt die tödliche Dosis bei ungefähr 10 Gramm Koffein, also etwa 100 Tassen Kaffee.
Eine subjektive Kurzbilanz der Möglichkeiten und internationale Topologie des beliebten Wachmachers
Ja, ich bin koffeinabhängig, und das ist auch gut so. Ja, ich konsumiere Koffein, auch wenn mich die nervositäts- und gereiztheitsfördernde Wirkung gelegentlich ebenso nervt, wie die sich vehement artikulierende Darmperistaltik, die Rumpelkammer im Magen, Sodbrennen und saures Aufstoßen, das ungeile Körpergefühl, die schlechte Durchblutung von Haut und Extremitäten, die Stauung in den Krampfadern, die Blähung der Hämorrhoiden, der Kopfdruck bis hin zum Kopfschmerz, die vielen unangenehmen Nebenwirkungen, die bisweilen auftreten können. Ja, manchmal erreiche ich durch die Einnahme überhaupt nicht, was ich erzwingen will, werde schlapp und todmüde anstatt aufgeputscht, laberfreudig, konzentriert und wach. Ja, ich habe Angst vor dem Entzug, ein oder zwei Tagen bohrenden Kopfschmerzen und einem tagelang anhaltenden Gefühl der Mattigkeit und dem wiederkehrenden Gedanken, jetzt was mit Koffein, das wärs, und die kommende Zeit bin ich gerettet, besonders morgens und mittags und nachmittags und am frühen Abend. Ja, wenn ich es mal zur Abstinenz schaffe, dann baue ich regelmäßig meine von langer Hand geplanten Rückfälle. Ja, ich war in den letzten zwei Jahrzehnten nie länger als ein ganzes Jahr koffeinabstinent. Oha, und das mach mir erst mal einer nach.
Ich kenne praktisch keine Koffeinabstinenzler. Denn Koffein ist in zahlreichen Pflanzen und Produkten enthalten. Und man kann sie jederzeit konsumieren ohne strafrechtliche Konsequenzen dafür befürchten zu müssen, auch auf der Arbeit oder im Straßenverkehr. Kein Lebensabschnittspartner zwingt mich mit meiner Tasse Koffein-Dröhnung auf den zugigen Balkon. Niemand schnappt mich und führt mich in Handschellen ab, wenn ich von meinem Koffein-Dealer ein Pfund fein gemahlenen Stoff nach Hause trage um mir einen Schuss (Espresso) zuzubereiten. Überall kann ich problemlos Nachschub besorgen, notfalls an der Tanke. Ja, als Koffein-Junkie bleibt es allein mir überlassen, was ich wann, wo und wie zu mir nehme. Herrliche Zeiten, wurden doch einst Koffeinkonsumenten eingesperrt, verstümmelt oder umgebracht. Wobei sich schon wieder mancherorts so etwas in dieser Richtung herauszukristallisieren scheint, wenn es um die Reinsubstanz, den Stoff auf dem das aufgeregte Zittern basiert, das Koffein, geht. In der Volksrepublik China, dem Land des Tees und in Folge des lokalen Wirtschaftswunders neuerdings auch begeisterter stylischer Kaffeetrinker, wird das reine Koffein als gefährliche Droge klassifiziert.
Ein Potential für Denunziatoren bietet sich also auch wieder beim Koffein. Bis dato zapft man in erster Linie Steuern aus der Leidenschaft für den banalen zerebralen Treibstoff des materialistischen Arbeits- und Konsumalltags, zu dem sich die einst in rituellen Kontexten mit spirituellen oder das Sozialleben fördernden Intentionen eingenommenen Koffein-Drogen entwickelt haben. Und ich bin einer von Vielen, einer unter Gleichen, einer von Euch. Auch wenn wir selbst untereinander den Grad unserer Abhängigkeit gerne leugnen, wissen wir doch im Grunde alle Bescheid: Ohne unser Käffchen, unseren legalen Kick, unser Koffein-Äffchen, wollen und können wir nicht sein. Warum auch? Man gönnt sich doch sonst nichts! Jeder hat seine individuelle Suchtgeschichte. Mit Muttermilch fing alles an.
Ich weiss noch, wie ich von einem Klassenausflug aus dem Hamburger Freihafen meine ersten grünen Kaffeebohnen mitbrachte. Die röstete ich zu Hause im Topf auf der Herdplatte, mahlte sie mit Omas alter Kaffeemühle, dann wurde frisch aufgebrüht und -voila- mein erster Filter-Kaffee war fertig, zu meinen Geschmacksknospen zwar nicht gerade zärtlich, aber in seiner natürlichen Vollkommenheit unvergeßlich, der Beginn einer großen Leidenschaft. Filter-Kaffee ist meines Erachtens immer noch die beste Art und Weise den Charakter eines guten Arabica-Kaffees zu erkennen. Man unterscheidet nach Ländern und Provenienzen, teilweise auch nach Plantagen. Aus vielen Tropenländern kommen exzellente Kaffees, besonders aus Guatemala, Kolumbien, Äthiopien und Indonesien. Zu den auf Grund ihrer geringen Produktionskapazität raren und wegen ihrer hohen Qualität besonders nachgefragten und daher teuren Kaffees zählen der Jamaica Blue Mountain, ein geradezu idealer Kaffee, der von der Insel Kona (Hawaii), eher sanft und abgerundet, Kaffee von den Galapagos-Inseln (Ecuador) und St.Helena.
Seit dem Kaffeespezialitätenboom in den Neunzigern tauchen immer neue Spezereien auf. Der von wilden Kaffeebäumen stammende Waldkaffee aus Äthiopien ist eine dieser interessanten Entdeckungen. Was leider die Ausnahme bleibt, sind ökologisch verträglich angebaute und fair gehandelte Kaffees. Initiativen für diese Richtung sind unbedingt zu unterstützen. Diese sollten aber nie die Qualität aus dem Auge verlieren. Geschmack und Wirkung müssen einfach optimal sein. Ein schlechtes Gewissen allein ist kein guter Konsumratgeber und nichts worauf man auf Dauer verbesserte ökonomische Verhältnisse aufbauen kann.
Wenn Kaffee wirkungstechnisch das „Crack“ unter den Koffein-Drogen ist, dann ist Guarana das „Speed“. Eine sanftansteigende und relativ langanhaltende Wirkung versprechen die gerösteten und gemahlenen Samen dieser brasilianischen Regenwaldliane (Paullinia cupana). Ein Teelöffel des hellbraunen feingemahlenen Guarana-Pulvers mit Bourbonvanille-Rohrohrpuderzucker vermengt und in einem Becher kalter Bio-Vollmilch eingerührt bilden ein köstliches Getränk. Beim Guarana gibt es aber leider erhebliche Qualitätsunterschiede. Gutes Guarana ist nicht zu dunkel geröstet, riecht nicht muffig oder gar schimmelig und schmeckt auch nicht erdig oder holzig, sondern leicht bitterlich scharf mit einem ganz eigenen leckeren Aroma. Auch der Wirkungsbogen ist wie beschrieben, bei schlechteren Qualitäten jedoch deutlich kürzer und entweder schwächer oder nervöser. Ich muss zugeben, dass ich trotz jahrelangen Konsums selten überzeugende Qualitäten bekommen habe. Eine Probe einer Kosmetikzubehörfirma, die für mich behördlich analysiert wurde, enthielt gar ein ganzes Potpourrie an Schimmelarten. Der Dilettantismus bei Einkauf und Lagerung hat zu einem nachlassenden Ruf beim Guarana geführt.
Ende der Achtziger marktschreierisch angepriesen und überteuert verkauft, findet man Guarana jetzt häufiger als Bestandteil in Lebensmitteln oder in Pharmapräparaten als als Reinsubstanz zur eigenständigen Getränkezubereitung, traurig eigentlich. Brasilianische mit Guaranaextrakten aromatisierte Limonaden stellen übrigens schon lange eine passable Alternative zu Cola-Getränken dar. Man denke zum Beispiel an „Brahma-Guarana“ oder „Guarana-Antarctica“, die 2006 die schlappe brasilianische WM-Fußballmannschaft sponsorten.
Aus Südamerika stammt auch Mate, ein Heißwasseraufguß der getrockneten oder gerösteten Blätter des Mateteebaums (Ilex paraguariensis). Traditionell wird Mate mit Lippenverbrennungsrisiko für Ungeübte durch ein Metallröhrchen mit eingebautem Sieb, der Bombilla, aus einem kleinen Kalebassenkürbis getrunken. Diese Paraphernalia stellen beliebte Mitbringsel für Reisende zwischen Südbrasilien und Argentinien dar. Trotz postulierter Gesundheitsvorteile und wiederkehrender Werbekampagnen hat sich das zwar koffeinhaltige aber nicht besonders aufregend schmeckende Getränk keinen nennnenswerten Markt jenseits der Reformhäuser erobern können. In Teemischungen taucht es dagegen regelmäßig auf, und mit dem erfrischenden „Club-Mate“, einem zuckerhaltigen Kaltgetränk auf Mate-Basis steht Feierwütigen eine angenehme Alternative zu Cola-Getränken zur Verfügung.
Ähnlich von Wirkung und Geschmack, aber wesentlich obskurer ist Guayusa. Die Blätter des Guayusa-Baumes (Ilex guayusa) kann man zu kleinen Bündeln zusammengefasst in Kräutergeschäften in Ekuador erwerben. Von einem Volksgenussmittel kann man bei Guayusa allerdings nicht sprechen. Es handelt sich um ein Heilkraut, dass von diversen indigenen Stämmen der Region rituell eingenommen wird. Dabei wird auch die in größerer Menge getrunken brechreizbefördernde Wirkung zur inneren Reinigung genutzt.
Jenseits seines Vorkommens praktisch unbekannt ist Yoko, nein nicht Ono, sondern Yoco, die Rinde der Stengel der in Kolumbien und Ekuador spriessenden und mit Guarana verwandten Dschungel-Liane Paullinia yoco. Das Besondere an Yoko ist, dass aus der Rinde ein Kaltwasserauszug bereitet wird. Verwendet wird das wildwachsende frische Yoco als morgendliches Aufputschmittel. Dabei stellen die von Yoco begeisterten Stämme einen anscheinend besonders viel Koffein enthaltenden Auszug her. Die Liane soll sehr langsam wachsen und dürfte sich somit einer kommerziellen Nutzung widersetzen.
Die Edelste unter den Koffeinpflanzen ist der Tee (Camellia sinensis). Der aus Südchina stammende Baum, der über tausend Jahre alt werden kann, wird im kommerziellen Anbau in der Regel so zusammengestutzt, dass man ihn gemeinhin nur als Teestrauch kennt. Auf Bergen angelegte Teeplantagen gehören zu den landschaftlich reizvollsten Monokulturen. Wie aber auch bei Kaffee und Kakao ist die Geschichte des Teeanbaus in weiten Teilen und in vielen Regionen bis zum heutigen Tag auch eine Geschichte der Ausbeutung von Mensch und Natur. Tee ist ohne Zweifel die vielseitigste der Koffeindrogen. Durch verschiedene Verarbeitungsmethoden gibt es ein breites Spektrum an Produkten mit unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen und auch Koffeingehalt. In Ostasien, ausgehend von China über Korea, aber zur Perfektion verfeinert in Japan, hat sich eine einzigartige Teekultur entwickelt, die den Genuss zur spirituellen Erfahrung werden lassen kann.
Die größte Vielfalt des Tees als Produkt lässt sich zweifelsohne in der Volksrepublik China erfahren, vom bei hohen Qualitäten jahrelang lagerbaren und nur schwach Koffein-haltigen Pu-Erh-Tee aus Yunnan über weiße, gelbe, rote und schwarze fermentierte Tees bis zu legendären Grüntees, wie den leider wie allgemein verbreitet meist mit Pestiziden gespritzten berühmten Longjing-Tee vom Westlake, der frisch geerntet in heißen Pfannen getrocknet wird, und dessen bessere Qualitäten bereits vor Ort 60 Euro pro 100 Gramm kosten. 100 Gramm der Spitzenblätter einiger alter kaiserlich ausgezeichneter Longjing-Teesträcher wurden 2005 gar für knapp 14.500 Euro ersteigert. Für 3 Gramm über 60 Jahre gelagerten Pu-Erh-Tee zahlte ein chinesischer Liebhaber knapp 1.000 Euro. Hier kennt die Narretei also genauso wenig Grenzen wie unter Weinfreunden. Wer wirklich stimuliert werden möchte, sollte qualitativ möglichst hochwertigen Grüntee trinken oder sich auf halbfermentierten Oolong-Tee einlassen. Taiwan bietet exzellente Qualitäten. Relativ viel dieses Tees wird mehrfach hintereinander aufgegossen, aber immer nur für kurze Zeit ziehen gelassen. So erhält man ein maximales Geschmackserlebnis und dabei eine ordentliche Dosis Koffein. Die aufgegangenen Blätter sind obendrein ein Augenschmauß und lassen weitere Schlüsse über die Qualität zu. In der Regel gelten die früh im Jahr gesprossenen obersten Blätter mit Triebspitze als Topqualität. In den auf Massenproduktion von Schwarztee ausgerichteten Ländern wie Sri Lanka hat man vor Ort dagegen oft Schwierigkeiten auf die Schnelle wirklich gute Qualitäten zu finden. Das Meiste geht zur Devisengewinnung in den Export. Wie bei Kaffee bleiben oft nur schlechtere Qualitäten im Land.
Noch deutlicher kann man dies beim Kakao erfahren. Dieser aus Mittelamerika stammende Baum (Theobroma cacao) liefert Früchte mit einem leckeren weißen an Litschis erinnernden aber schleimigen Fruchtfleisch, das den einheimischen Kindern in einer Plantage auf Java, durch die wir in den Achtzigern spazierten, wohl mundete. Was man allerdings aus den darin enthaltenen Kakaosamen in den reichen Ländern herstellt, nämlich Schokolade, das kannten sie nicht. Das was damals an Schokolade in diesen Anbauländern erhältlich war, war ein äußerst bescheidenes und für einheimische Verhältnisse sehr teures Angebot importierter harter tropentauglicher Ware für westliche Reisende. Man stelle sich derartige Verhältnisse einmal für den Weinanbau am Rhein vor. Andererseits hat dagegen Mexiko als Heimatland des Kakaos eine richtige Trinkschokoladenkultur mit spezialisierten Geschäften, die köstlich nach geröstetem Kakao duften, und die zu erkunden sich unbedingt lohnt. Man vergleiche ihre Produkte aber nicht mit der mittlerweile exaltierten Schokoladenspezialitätenkultur, wie sie sich seit den Neunzigern besonders in Mitteleuropa etabliert hat. Es bringt sicherlich Spaß auch im Kakao immer neue abenteuerliche Geschmacksrichtungen zu entdecken, aber ob sich dieser Trend langfristig wird halten können, bleibt abzuwarten. Schokoladengeniesser sollten diese Welle, die bis in den letzten Supermarkt geschwappt ist, ruhig auskosten. Der Koffeingehalt von Schokolade ist gering. Wenn man allerdings Koffein-abstinent lebt und dann eine Tafel Bitterschokolade verspeist, wird man durchaus einen Effekt vergleichabr einer Tasse Tees oder Kaffees verspüren können. Leider bekomme ich von manchen gerade auch teuren Bitterschokoladen ausgeprägte migräneartige Kopfschmerzen.
Die letzte bedeutende koffeinhaltige Pflanze ist der Kola-Baum (Cola ssp.). Seine frischen rotbraunen oder weißen Samen spielen im kulturellen Leben Westafrikas eine wichtige Rolle. In afrikanischen Geschäften kann man die frisch eingeflogenen „Kolanüsse“ („Colanuts“) bisweilen günstig kaufen. Man muss sie dann entweder baldigst kauen (ein Viertel bis ein Drittel einer Samenhälfte dürfte fürs Erste genügen), zügig trocknen oder in Schnaps einlegen um sie haltbar zu machen. Ein Enzym sorgt für schnelle Rotbraunverfärbung an der Luft. Auf Grund des Feuchtigkeitsgehaltes sind die Samen sehr schimmelanfällig. Im getrockneten Zustand gilt das schon für Guarana Gesagte. Vorsicht vor Schimmel und dergleichen! Kolanüsse enthalten zwar ziemlich viel adstringierende Gerbstoffe und bedeutende Mengen des bitteren Koffeins, haben aber auch korrekt verarbeitet ein charakteristisches Aroma. Sie dürfen nicht muffelig oder pilzig riechen oder schmecken. Nicht umsonst werden sie seit über hundert Jahren zum Aromatisieren von Erfrischungsgetränken benutzt. Der Koffein-Gehalt von Kola-Getränken und den meisten Kola-Zubereitungen (Schokakola, Kola-Dallmann usw.) basiert allerdings auf künstlich zugesetztem Koffein. Würde man ganz auf Kola-Samen setzen, wäre das Produkt auf Grund der einzusetzenden Menge möglicherweise ungenießbar. Einer meiner besten Liköre basierte auf frischen weißen und roten Kolasamen in Wyborowa-Wodka fein vermahlen, mit Bourbon-Vanille angesetzt und ziehen gelassen, dann abgefiltert und mit Ahorn-Sirup verfeinert. Lange Zugzeiten und diverse Nachfiltrationen nahmen ihm seine Gerbstofflast, aber beließen das charakteristische Aroma und eine Up-up-in-the-sky-Koffein-Potenz bei einer wunderbar klaren rotbraunen Farbe.
Wer nach Koffein giert, kann mittlerweile auf eine enorme Palette an angereicherten Bonbons, sogenannten „Energy“-Getränken und medizinischen Präparaten, die den schnellen Kick versprechen, zurückgreifen. Percoffedrinol (50 mg, bis Anfang 1984 noch zusätzlich mit 13 mg Ephedrin HCl pro Tablette!) und Coffeinum-Tabletten (200mg pro Tablette) sind reine Koffein-Präparate. An Koffein führt kein Weg vorbei. Und wer sich fragt, was Koffein aus uns macht, der greife einmal zu dem amerikanischen Kult-Comic „Too Much Coffee Man“ von Shannon Wheeler. Beissender und pointierter kann man das neurotisch-wahrhaftig-wahnhaftige Kreisdenken eines archetypischen Koffein-Addicts wohl kaum darstellen.
Ayahuasca ist ein halluzinogenes, in der „richtigen“ Dosis stark bewußtseinsveränderndes Gebräu aus verschiedenen Pflanzen, das insbesondere im oberen Amazonasgebiet von Kolumbien über Ecuador, Peru und Brasilien traditionell von indianischen Schamanen für Heilungsrituale eingesetzt wird und dort momentan ein kulturelles Revival erfährt. Westliche Suchende pilgern mittlerweile als Touristen in organisierten Gruppen zu den „Schamanenoriginalen“ um ihre Zivilisationsschäden kurieren zu lassen oder zumindest etwas Authentisches zu erleben, daß ihrem Leben einen neuen Drall zu geben vermag. Brasilianische Sekten, in deren spirituellem Mittelpunkt die gemeinsame ritualisierte Einnahme von Ayahuasca steht, machen von sich reden. Insbesondere die erheblich in die Offensive gegangene Santo Daime (= Ayahuasca)- Gemeinschaft hat mittlerweile eine ganze Reihe von praktizierenden Ablegern auch bei uns in Deutschland. Ruth Fischer-Fackelmann beschreibt recht eindringlich den Weg ihrer persönlichen spirituellen Heilung direkt in die Arme dieser esoterischen Gemeinde in dem Buch „Fliegender Pfeil“, aber ohne die entsprechenden Santo Daime-Erfahrungen schwer nachvollziehbar. Gleichzeitig ist in den westlichen Ländern in Folge der Publikationen vor allem von Terence McKenna und Jonathan Ott (, insbesondere seines sehr empfehlenswerten wissenschaftlich fundierten Buches „Ayahuasca Analogues“) ein neues Interesse an Ayahuasca erwacht. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Entdeckung, daß die für die Zubereitung eines dem Ayahuasca analog wirkenden Gebräus notwendigen Wirkstoffe sich keineswegs nur in exotischen südamerikanischen Regenwaldpflanzen sondern auch in erheblich leichter zugänglichen und auch bei uns gedeihenden Gewächsen finden lassen. Hierzu unten mehr.
Bei Ayahuasca geht es um den in seiner reinen Form dem BtmG unterstehenden Wirkstoff N,N-Dimethyltryptamin, kurz DMT. Synthetisch hergestelltes DMT war bereits in den 60er Jahren ein bekanntes Psychedelikum. Wegen geringer Verfügbarkeit und seiner heftigen überwältigenden und oft als unkontrollierbar empfundenen halluzinogenen Wirkung genoß es in den USA aber keine besonders weite Verbreitung. Bei uns blieb es wohl nur ganz wenigen Hobbychemikern und ihrem neugierigen Bekanntenkreis vorbehalten. Es ist nur selten und in kleinen Mengen auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Zur Zeit werden für ein Gramm reines weißes oder weniger fein raffiniertes orangerotes bis braunes wachsartiges DMT-Pulver in rauchbarer Baseform Preise von bis zu 500 DM und mehr bezahlt. Ein ausgesprochener Luxus, auch wenn die typische Fullblown-Experience bereits mit 0,04 bis 0,05 Gramm, in einer Haschölpfeife oder auf andere Weise verdampft und in möglichst ein bis zwei tiefen Atemzügen inhaliert, zu erreichen sein soll. DMT muß in seiner reinen Baseform geraucht oder als Salz injiziert werden. Durch den Mund eingenommen, sprich oral, wirkt es nicht. Es sei denn…
Unser Körper verfügt über chemische Abwehrmechanismen, die verhindern sollen, daß wir von in den Nahrungsmitteln enthaltenen Substanzen, die unseren körpereigenen Botenstoffen ähneln oder gar mit ihnen identisch sind, überflutet werden. Ein nahrungsbedingtes Wechselbad von Vergiftungen würde unser Funktionieren in unangenehmer Weise beieinträchtigen. Nun sitzen wir nicht mehr auf den Bäumen, in ständiger Furcht vor Feinden und auf der Hut vor den Unbilden der Natur. Vielleicht können wir es uns mittlerweile erlauben, einige dieser Schutzmechanismen gezielt zu blockieren, um bestimmte Substanzen in uns soweit vordringen zu lassen, daß sie das Bewußtsein vorübergehend in andere Dimensionen driften lassen…
DMT ist eine extrem bewußtseinsverändernde Substanz, die in einer Reihe von Pflanzen und auch im menschlichen Gehirn nachgewiesen wurde. Das Überflutetwerden des Gehirns mit zusätzlichem DMT wird durch die sogenannte Monoaminoxidase, kurz MAO, verhindert. Nun gibt es Substanzen, die die Aktivität der MAO vorübergehend hemmen, sogenannte MAO-Hemmer. Zu den MAO-Hemmern gehören die beta-Carboline. Sie sind in zahlreichen Pflanzenarten nachgewiesen worden.
Zu der Gruppe der beta-Carboline wiederum gehören die Harmala-Alkaloide (Harmalin, Harmin u.a.). Sie sind der Wirkstoff verschiedener vor allem im Amazonasgebiet zur Zubereitung von Ayahuasca benutzter Schlingpflanzen mit dem botanischen Namen Banisteriopsis, insbesondere der Banisteriopsis caapi, des „Vine of the Soul“. Die Schlingpflanze selbst wird wie das daraus gekochte Gebräu auch Ayahuasca genannt. Andere Bezeichnungen sind Caapi, Yaje und Yage. Für die Ayahuasca-Zubereitung werden die Stämme benutzt, in denen Wirkstoffgehalte von 0,05 bis fast 2 %, im Durchschnitt meist zwischen 0,2 und 0,6 % festgestellt wurden. Es überwiegt in den schwankenden Alkaloidmischungen das Harmin gegenüber Harmalin und Tetrahydroharmin.
In erheblich höherer Konzentration (durchschnittlich 2 bis 4 %) sind Harmala-Alkaloide in den Samen der Steppenraute enthalten, die botanisch Peganum harmala heißt. Dabei dominiert das gegenüber Harmin deutlich potentere Harmalin das Alkaloidgemisch. Die Steppenraute wächst in trockenen Gebieten von Spanien über Marokko und Ägypten und von Ungarn über die Türkei und Rußland bis nach Indien und Tibet. Sie hat sich auch in trockenen Gebieten der USA ausgebreitet. Die Steppenrautensamen stellen in ihren Herkunftsländern nach wie vor ein wichtiges Heilmittel dar. Sie werden unter anderem auch gegen den bösen Blick oder zur Tranceinduktion geräuchert und sind von den örtlichen KräuterhändlerInnen günstig zu erwerben. In der Türkei heißt die Steppenraute üzerlik und ein Kilogramm der Samen mag umgerechnet so an die 10 DM kosten. In Nordindien nennt man die Samen hermal oder isband. Dort sind sie noch günstiger erhältlich. In Nordafrika sind sie als harmel, mejennena oder besasa bekannt. Man weiß nicht, ob in den Verbreitungsgebieten der Steppenraute auch deren die orale DMT-Wirkung begünstigende Eigenschaft in sakralen halluzinogenen Tränken zur Anwendung kam und wieder in Vergessenheit geriet. Darüber gibt es in wissenschaftlichen Kreisen Spekulationen. Mögliche DMT-Lieferanten aus dem Pflanzenreich wachsen jedenfalls auch im Verbreitungsgebiet der Steppenraute.
Harmala-Alkaloide allein wirken in niedriger Dosis (entsprechend 2 bis 4 Gramm Steppenrautensamen) hypnotisch-meditativ-beruhigend. Manche empfinden die Wirkung auch als geistklärend und mental-anregend. Andere mögen die Wirkung nicht, nehmen sie aber für die Aktivierung des DMTs in Kauf. Hohe Harmala-Dosen, auf einmal oder durch Einnahme in kurzen Abständen kumuliert aufgenommen, wirken fast immer übelkeiterregend, erbrechenfördernd und stuhlgangbeschleunigend. Sie dämpfen den Kreislauf und erzeugen Schwindelgefühle. Auf der psychischen Ebene können sie bei Einzelpersonen zunehmende Halluzinationen, angefangen bei Lichtblitzen und Nachbildern, bei offenen Augen, aber insbesondere bei geschlossenen Augen farbige mahlstromartige Bildsequenzen bei verhältnismäßig erhaltenem Ego und energetisiertem aber niedergeschmetterten Körpergefühl begünstigen. Typischer ist scheint ein Überwältigtsein von der als negativ empfundenen körperlichen Symptomatik in Kombination mit einem gedämpften Zustand im Kopf zu sein. Diese unangenehmen Erfahrungen haben dazu geführt, daß manchenorts den Harmala-Alkaloiden eine halluzinogene Wirkung pauschal abgesprochen wurde. Dem würde ich, schon aus meinen eigenen Erfahrungen heraus, so nicht beipflichten. Wahrscheinlich wurde von den südamerikanischen Indianern zuerst die starke Wirkung der Harmala-Alkaloidhaltigen Lianen entdeckt. Durch Experimente mit allen möglichen Zutaten, vielleicht auch durch Intuition, Eingebung oder Vision, wer weiß, stießen sie auf die außerordentliche Verstärkung und auch qualitative Veränderung des Rausches durch die Zutat bestimmter , wie wir heute wissen, DMT-haltiger Pflanzen. Die aus Sicht der heutigen Pharmazie verblüffende Kombination, die das Charakteristische des Ayahuasca-Gebräus ausmacht, wurde gefunden. In ihr spiegelt sich das ganze innige Verhältnis, das die Regenwaldindianer zu ihrem lebendigen Kosmos hatten und teilweise noch haben.
Wir kennen jetzt die zwei wichtigsten Lieferanten von MAO-Hemmern, wobei den Steppenrautensamen üblicherweise der Vorzug gegeben wird. Sie sind leichter erhältlich, preiswerter, potenter und einfacher in eine einigermaßen konsumentenfreundliche Form zu bringen. Dazu werden sie üblicherweise zermahlen. Manchmal werden sie der Einfachheit halber schon in dieser Form eingenommen. Üblicherweise werden sie aber in mehreren Gängen durch langes Kochen in Wasser, das zur Verstärkung der Löslichkeit auch angesäuert werden kann, mit anschließendem Abfiltern durch ein Tuch ausgelaugt. Die erhaltenen gelbbraunen und unter UV-Licht fluoreszierenden Abkochungen können abgekühlt getrunken werden. (Exkurs: Dort wo die lebende menschliche Haut oder auch die Mundschleimhäute mit dem Harmala-Extrakt in Berührung kommen, werden sie im UV-Licht noch lange leuchten. Daran lassen sich Harmala-Freaks auf Blacklight-Parties leicht identifizieren. Check it out, Babies!) Da sie aber fürchterlich schmecken, geht man meist noch einen Schritt weiter. Man kocht sie soweit ein, bis ein zäher Extrakt entsteht, den man in Kügelchen oder Würste formen kann, die beim Abkühlen nachhärten. Gemessen an der für die Extraktion abgemessenen Samenmenge werden gebrauchsfertige Stücke gerollt oder geschnitten, die zum Beispiel einer Ausgangsmenge von 4 Gramm Samen entsprechen und damit eine typische Dosis des Harmala-Anteils für eine Ayahuasca Analog – Portion darstellen. Der zähe schwarzbraune Extrakt läßt sich an einem kühlen und trockenen Ort im Dunkeln lange lagern. Pudern mit Bärlappsporen verhindert das Aneinanderbacken der portionsfertigen Stückchen.
An dieser Stelle muß eine Warnung ausgesprochen werden: Harmala-Alkaloide sind MAO-Hemmer. Und solange die MAO blockiert ist, fehlt unserem Körper der Schutz vor bestimmten kreislaufbelastenden Substanzen. Deshalb dürfen am besten 24 Stunden vor und nach Einnahme von Harmala-Alkaloiden bestimmte Nahrungsmittel, Drogen und Medikamente nicht eingenommen werden. Dazu gehören: Alkohol, Beruhigungsmittel, Antiallergika, Opiate, Stimulantien, Meskalin, Muskatnuß, ätherische Öle, Koffein, alter Käse, Bananen, Ananas, Tyrosin-haltige Lebensmittel wie Fisch, Geflügelleber, Pferdebohnen, Chiantiwein usw. usf.. Am besten ist es, wenn man einen ganzen Tag vor Einnahme von Ayahuasca bis auf Wasser nichts zu sich nimmt und auch nach dem Trip noch einen Tag fastet, bevor man wieder mit leichten Mahlzeiten anfängt. Die Indianer praktizieren noch viel längere Diät- und Enthaltsamkeitsvorschriften. Fasten dient auch der mentalen Vor- und Nachbereitung der Reise und aus einem leeren Magen kotzt es sich besser und weniger. Aber dazu unten mehr. Andererseits muß entschärfend hinzugefügt werden, daß die Harmala-Alkaloide nach unbestätigten Undergrounderfahrungen mit zu den verträglichsten und kurzwirkensten MAO-Hemmern überhaupt zu zählen scheinen. So verstärken und verändern sie beispielsweise die Wirkung von Psilocybinpilzen, Cannabis, niedrigen Dosen von Alkohol, Coffein und Amphetaminen und wurden ohne nachteilige Folgen mit ihnen kombiniert. Auch Diätvorschriften wurden ohne Konsequenzen mißachtet. Aber solange hierüber keine eingehenden Untersuchungen vorliegen, ist natürlich äußerste Vorsicht angebracht. Besonders gefährlich scheint zumal die gemeinsame Einnahme mit „Ecstasy“ (MDMA u. ähnliche Substanzen) zu sein (Überhitzung, Kreislaufkollaps).
Bei den seit langer langer Zeit verwendeten klassischen südamerikanischen DMT-Lieferanten handelt es sich einmal um die Blätter der Chagropanga-Liane (Diplopterys cabrerana) und zum anderen die Blätter des Chacruna-Strauches, von dem es verschiedene botanische Arten gibt, die selbst Experten kaum auseinanderhalten können. Am gebräuchlichsten sind die Blätter von Psychiotria viridis, die auch Bestandteil des Santo Daime sind, und die der Psychiotria carthaginiensis, bei der es sich lediglich um eine lokale Abart der viridis zu handeln scheint. In ihnen wurden schwankende DMT-Gehälter gefunden, von praktisch nix bis zu fast 0,7 %, im Schnitt 0,2 %. In 4 Chacropanga-Proben wurden Gehälter zwischen 0,17 und 1,75 % analysiert, immer bezogen auf das Trockengewicht. ( Eine aus den traditionellen Zutaten zubereitete Ayahuasca-Portion enthielt im Durchschnitt aus verschiedenen Untersuchungen um die 0,03 Gramm DMT und etwa 0,15 Gramm beta-Carboline pro Dosis. Die Indianer trinken nicht selten mehrere Portionen während der nächtlichen Zeremonien. Auch sind wohl manchenorts erheblich höhere „heroische“ Dosierungen als die bislang analysierten nicht ungewöhnlich.) Die bewährten Psychiotria-Blätter sind mittlerweile auch bei uns zu zunehmend erschwinglichen Preisen im einschlägigen Fachhandel für ethnobotanisches Anschauungsmaterial zu erwerben, wobei die botanischen Angaben der Vertreiber selbstverständlich mit einer gewissen Skepsis zu prüfen sind. Dort ist auch ein weiteres Pflanzenprodukt erhältlich, das zwar kein Bestandteil des klassischen Ayahuascas ist, aber sich in Brasilien des Rufes erfreut, Zutat zu einem traditionellen Rauschgetränk namens „Vinho de Jurema“ gewesen zu sein. Es handelt sich um die Wurzelrinde eines Baumes mit der botanischen Bezeichnung Mimosa hostilis. Da vermutlich dieselbe Baumart zuerst aus Mexiko als Mimosa tenuiflora beschrieben wurde, sollte dies wohl die botanisch korrekte Bezeichnung sein. Aus der Wurzelrinde wurden fast 0,6 % DMT isoliert. Neuere Analysen sollen erstaunliche Gehälter von bis über 1 % und im Schnitt vielleicht 0,8 % ergeben haben!!! Die Wurzelrinde riecht geradezu nach DMT (charakteristisch aromatisch, irgendwie an indische Parfüms oder dergleichen erinnernd). Sie ist wohl der erste zuverlässige nichttraditionelle Ayahuasca Analog – Bestandteil, der bei uns auf dem legalen Markt erhältlich ist. Der rötlichbraune Extrakt aus nur 4 bis 8 Gramm der Wurzelrinde kann bereits eine ausgesprochen intensive Erfahrung katalysieren.
Zahlreiche andere Pflanzen sind auf Grund chemischer Analysen als DMT-Lieferanten im Gespräch (,siehe hierzu Jonathan Ott). Die ganze Geschichte hat nur einen Nachteil: Die Vermutung eines DMT-Gehaltes basiert oft nur auf einzelnen, teilweise schon Jahre zurückliegenden Analysen. Häufig tritt DMT nicht alleine auf, sondern in Kombination mit anderen psychoaktiven Tryptaminen, die den Rausch „verfälschen“ können. Dabei sind in der Natur schwankende Wirkstoffgehälter und schwankende Wirkstoffanteile an der Tagesordnung. Auch können von Menschen bislang kaum angetestete Pflanzen körperlich unverträgliche oder gar schädigende Substanzen enthalten, von denen wir noch nichts wissen. Das kann die Einnahme eines Pflanzenextraktes, in der Hoffnung er enthalte DMT, zu einem gefährlichen Spiel machen, insbesondere dann, wenn man nicht einmal die Regel des sich vorsichtig und zuerst mit niedrigen Dosierungen Herantastens beachtet.
Zu den Pflanzen, die mit als erstes als mögliche DMT-Lieferanten in Frage kamen, gehört die Wurzelrinde einer in den USA verbreiteten Pflanze mit botanischem Namen Desmanthus illinoensis. Es stellte sich jedoch heraus, daß der DMT-Gehalt meist nicht so hoch ausfiel, wie zuerst analysiert. Auch schien die Wurzel noch andere wenig verträgliche Substanzen zu enthalten, so daß die Desmanthus illinoensis-Ayahuasca Analog-Erfahrung bisweilen mehr die eines stundenlangen Krank- und Vergiftetseins mit fürchterlicher Übelkeit, Erbrechen und fiebrigen Träumen wurde, wie ich aus eigener Erfahrung zu berichten weiß.
Begeistert waren die Psychedeliker zunächst auch von der Vorstellung ein einfaches auch bei uns prächtig gedeihendes Gras, daß sich durch Rasenmähen mehrmals im Jahr würde ernten lassen, könnte der DMT-Lieferant der Zukunft sein. Es handelt sich dabei um bestimmte Phalaris-Arten, insbesondere Phalaris arundinacea, von dem sogar besonders potente Varietäten vom Typ „Killer strain“ ausgemacht und als Samen oder Ableger in den ethnobotanischen Handel gebracht wurden. Man mußte jedoch lernen, daß auch hier der Wirkstoffgehalt meist sehr niedrig ausfällt und das Gras überhaupt erst durch eine bestimmte Beschneidungstechnik zur Tryptaminbildung angeregt wird. Zudem bestand das Wirkstoffgemisch anscheinend oftmals überwiegend aus 5-Methoxy-DMT (auch 5 Meo-DMT), das zwar geraucht potenter als DMT ist, aber dessen stark körperliche, energetische und wenig visionäre Wirkung in Ayahuasca Analogen nicht erwünscht ist. Außerdem enthält das Gras toxische Substanzen, die anscheinend für Weidevieh mitunter tödlich sein können, und für Menschen lieber auch nicht auf dem Speisezettel stehen sollten. Heute wird aus Phalaris allenfalls auf nicht ganz unkompliziertem chemischem Wege ein rauchbares Tryptamingemisch gewonnen.
Aus den DMT-haltigen Pflanzenteilen kann praktisch auf dieselbe simple Weise wie aus den Steppenrautensamen ein flüssiger oder fester Extrakt gewonnen werden. DMT in seiner basischen Form ist jedoch nur schwer in Wasser löslich. Es wird deshalb meist leicht angesäuert, zum Beispiel mit Zitronensäure oder Essigsäure. Mit konzentriertem Alkohol (Weingeist) läßt sich das DMT noch besser ausziehen. Der nach dem Abdampfen erhaltene Festextrakt wird entweder in portionierte Kugeln gerollt oder sollte er pulvrig ausfallen, in möglichst große Kapseln abgefüllt. Es wird darauf geachtet, daß die Dosierungen einigermaßen überschaubar an dem eingesetzten Ausgangsmaterial orientiert ausfallen.
Zur eigentlichen Einnahme eines Ayahuasca Analoges werden die Harmala-Alkaloid-Fraktion und die DMT-Fraktion entweder gleichzeitig heruntergespült (,im Falle fester „Bobbel“ oder Kapseln langt Wasser, ansonsten wird es wohl eher ein Runterwürgen,) oder zeitlich verzögert, zunächst der Harmala-Extrakt und dann nach einer halben bis einer Stunde, wenn dieser deutlich zu wirken angefangen hat, der DMT-Extrakt. Angenommen man hat sich für die zweite Methode entschieden, dann treten üblicherweise nach 20 bis 30 Minuten die ersten Symptome einer DMT-Wirkung auf, Energetisierung, bei zunehmender Veränderung der Wahrnehmung und was weniger angenehm ist, Übelkeit. Jetzt ist Disziplin angesagt. Je länger das „Gift“ im Magen behalten wird, desto mehr Wirkstoff kann resorbiert werden. Meist dauert es nicht mehr allzulange, dann setzt „reinigendes“ Erbrechen ein. Jetzt rächt es sich, wenn man nicht gefastet hat. Auch später kann es noch zu Erbrechen und explosionsartigen Darmentleerungen kommen. Sie gehören bei den Indianern zur körperlichen und spirituellen Reinigung dazu. Danach scheint möglicherweise ein kurzer Moment der Klarheit zu folgen, die Ruhe vor dem Sturm und spätestens darauf bricht die DMT-Erfahrung mit geballter Kraft herein. Der intensivste Teil der Erfahrung dauert bei niedrigeren Dosierungen vielleicht eine Stunde plus eine weitere Stunde auf etwas gesetteltem Niveau. Es folgen ein bis drei Stunden des Herabkommens noch stark geprägt von dem gerade Erlebten, gedankenverloren und/oder voller positiver Energie und emotional geöffnet. Die „heilende“ energetische Wirkung der Erfahrung kann noch den ganzen nächsten Tag und darüber hinaus anhalten. Höhere DMT-Dosierungen können eine gewaltige Intensivierung der Erfahrung bewirken, deren „Plateau“ sich dann dementsprechend auf bis zu vier Stunden verlängern mag.
Mit der Beschreibung der Ayahuasca-Erfahrung haben sich schon Einige an anderer Stelle abgemüht. Sie ähnelt anderen psychedelischen Erfahrungen, insbesondere denen mit hohen Dosen von Psiloc(yb)in-Pilzen, fällt aber doch deutlich anders aus. Die Ayahuasca-Erfahrung ist in jedem Fall superindividuell. Sie zeigt gnadenlos auf, wo du stehst. Sie verbindet dich mit dem was ist. Insofern kann sie intensiver sein als jede konventionelle Therapieerfahrung. Sie bietet die Chance mit sich zumindest in Teilen ins Reine zu kommen oder vollständig auseinandergenommen zu werden. Unausgereiftes, Themen, die nach Bearbeitung lechzen, drängen sich immer wieder in den Vordergrund. Das Ganze wird insbesondere bei geschlossenen Augen illustriert von ausgesprochen farbigen Halluzinationen und Visionen. Diese nehmen mit der Dosis an Intensität, Farbigkeit und Involviertsein zu. Wer weniger mit Psychothemen belastet ist, den kann die Erfahrung im wahrsten Sinne des Wortes in äußerst plastische völlig andere Sphären versetzen. Von derartigen Welten, allerdings in einem kulturell völlig anderen Kontext, berichten die ausgezeichneten „Ayahuasca Visions“ des Malers und Schamanen Pablo Amaringo. Während der besonders in höheren Dosierungen überwältigenden Reise wird die Kontrolle weitgehend abgegeben. Es ist nicht so, daß sich die Erfahrung nicht beeinflussen läßt. Dies ist die Kunst der indianischen Schamanen, die mittels Gesang, Musik, Körperhaltung und ritualisierter Handlungen, die Ayahuasca-Erfahrung zu strukturieren und in eine heilsame Richtung zu lenken vermögen. Auch durch Denken und Visualisieren läßt sich Einfluß auf das aus dem Inneren Steigende nehmen. Gegenüber äußeren, insbesondere akustischen Reizen besteht eine hohe seelische Sensibilität. Am falschen Ort, zur falschen Zeit genossen kann das Erleben zu einer ausgesprochenen Höllenfahrt in die Seele werden.
Es wird deutlich, daß es sich bei Ayahuasca Analogen nicht um einen neuen Partyspaß handelt. Sie bergen letztlich dieselben psychischen Risiken, die auch mit der Einnahme anderer starker Psychedelika verbunden sind. Labilen Persönlichkeiten und in Krisen befindlichen Menschen ist generell von der Einnahme derartiger Substanzen abzuraten. Aber wer will schon weise sein und sich in einer konsum- und protzorientierten Gesellschaft eingestehen, daß gerade in seinem Falle Zurückhaltung angesagt ist.
Natürlich wäre es besser, wenn Ayahuasca (Analoge) nur in einer kulturell integrierten Weise, in einem rituell strukturierten Rahmen und von erfahrenen Heilern, Schamanen oder Therapeuten begleitet, eingenommen werden würden. Trutz blanke Hans und alledem, die spirituellen Bedürfnisse und der Wunsch nach „Heilung“, sich im kosmischen Spiel besser zu verstehen, vielleicht auch nur die nackte Neugier, die selektive Tunnelrealität des „Normalen“ zu transzendieren,oder der Wunsch etwas Besonderes zu erleben oder zu überleben, um sich persönlich aufzuwerten, liegen nicht wenigen Leuten so sehr am sehnsuchtsgeplagten Herzen, daß sie ein für Ottilie Normalverbraucherin derart obskures Zeug wie Ayahuasca (Analoge) zu sich nehmen und nehmen werden.
Ergänzung 2008
Analogik
Nur zur Information und eindringlichen Warnung, wie es törichte Menschen all überall tun, aber keineswegs zum Nachmachen, sei Folgendes über die Zubereitung gängiger Ayahuasca-Analoge berichtet.
Getrennte Kochung erlaubt diesen Narren eine bessere Dosierung. Um Harmala-Alkaloide in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben, werden pro Dosis 2 bis maximal 4 Gramm möglichst frischer Peganum harmala-Samen gemahlen oder im Mörser zerstoßen, etwa 10 (bis 20 )Minuten mit ca. einem Becher Wasser (100 bis 200 ml) ausgekocht, manche fügen zu Beginn noch einen Spritzer Essig oder Zitronensaft hinzu um die Löslichkeit der Alkaloide zu erhöhen, und durch einen (Kaffee-)Filter oder ein (Taschen-)Tuch gegossen. Der erhaltene Sud wird getrunken (widerlich) oder vorsichtig unter ständigem Rühren eingekocht bis er sirupartig andickt und dann zusammengekratzt und zu Kügelchen geformt. Sollte er beim Abkühlen bereits hart und pulvrig geworden sein, wird er entweder wieder aufgelöst und das Ganze wiederholt oder als Pulver in Kapseln abgefüllt. Das Eindicken funktioniert besser mit größeren Mengen. Der erhaltene Extrakt wird dann analog der eingesetzten Menge in gleichgroße Kugeln aufgeteilt (Bei 30 Gramm Samen z.B. in 10 bis 15 Kugeln). Wer einen besseren Ertrag haben will, kocht die im Filter gesammelten Samenreste noch ein oder zweimal auf die gleiche Weise aus, fügt die gesammelten Extrakte zusammen und kocht dann ein. Es wird unbedingt ein Anbrennen vermieden. Statt Steppenrauten-Samen werden auch Stücke der Banisteriopsis caapi-Liane genommen. Hier gestaltet sich die Dosierung jedoch erheblich schwieriger. Der gewonnene Extrakt wird vorab in kleinen Dosen an getrennten Abenden getestet. Er sollte analog zu der Dosis von 2 bis 4 Gramm Steppenrautensamen keine übelkeiterregende Wirkung haben. In dieser möglichst minimalen Dosis wirken die Harmala-Alkaloide leicht psychoaktiv, schwach bewusstseinverändernd, leicht antidepressiv. In höheren Dosen schwindelerregend, übelkeiterzeugend, halluzinogen, körperlich niederschmetternd.
Der Extrakt aus Mimosa hostilis-Wurzelrinde wird analog gewonnen. 4 bis 7 Gramm gelten als eine volle Dosis. Weniger ist zu Beginn mehr. Beim Einkochen wird noch vorsichtiger vorgegangen. Der Extrakt selbst schmeckt nicht ganz so übel. Aber Geschmäcker sind verschieden. Als traditionelle Alternative werden Diplopterys cabrerana oder Psychotria viridis-Blätter genommen. Hier ist die Dosierung unzuverlässiger.
Auf nüchternen Magen und bei klarem Geiste werden erst die Harmala-Extrakte eingenommen und deren Wirkung abgewartet. Das hat den Vorteil, dass sie dann in jedem Falle bereits aktiv im System sind, wenn die Tryptamine zugeführt werden, und nicht mehr ausgekotzt werden können. 30 (bis 60) Minuten später werden die Tryptamin-Extrakte zugeführt. Die Wirkung tritt meist innerhalb von 30 (bis 60) Minuten ein. Fast unweigerlich stehen Übelkeit und (mit Glück nur einmaliges) Erbrechen am Beginn der Erfahrung. Dies wird oft als reinigend empfunden, was insofern zutrifft, als dass ab
diesem Zeitpunkt nur noch die bereits absorbierten Alkaloide im System aktiv sind. Wird nicht erbrochen, mag die Wirkung sich stärker entfalten, weil noch weitere Tryptamine resorbiert werden. Oft bleibt dann aber auch die initiale Übelkeit länger präsent. Mindestens eine halbe Stunde sollte man jedoch den Brechreiz im Griff behalten, denn sonst werden nur unzulänglich Tryptamine resorbiert und die Wirkung bleibt schwach.
Für die Erfahrung wird ein ruhiger bequemer störungsfreier Raum mit der Möglichkeit, schnell auf Toilette zu gelangen, um spontan zu erbrechen oder zu scheissen gewählt. Die offene Dschungelhütte ist hier ideal. Ein entspannter Babysitter, vielleicht noch mit medizinischen Erfahrungen (Krankenpfleger/Rettungssanitäter) oder mit extremen Erfahrungen vertraut (Schamane/Therapeut) ist ratsam. Ersterfahrungen lassen sich auch im Rahmen von Santo Daime, Friends of the Forrest oder tourenden Schamanen machen. Wer sich selbst gut kennt, wird sich vertrauensvoll in die heilenden Arme des Ayahuasca-Spirits begeben. Dazu raten kann man hier zu Lande allerdings nicht. Wer bereits in der Psychiatrie gesessen hat oder auf Grund von psychischen Problemen in Behandlung war oder nach gängigen Standards gehen sollte, suche sich bitte erfahrene Anleiter als Begleiter, wenn es denn unbedingt sein muss.
In jedem Falle hat man in der Regel nach 2 Stunden anstrengendem Selbsterfahrungs-Trip bereits das Gröbste hinter sich. Dann geht es über mehrere Stunden langsam bergab. Gerade diese Zeit wird oft als sinnlich und euphorisch erlebt und bietet die Möglichkeit, sich wieder zu sammeln.
Tabakrauch soll erdend wirken. Aber Achtung im Umgang mit Feuer! Entspannende chillige oder euphorisierende Musik trägt ihren Teil zu der Erfahrung bei. Eine Langspielplatte, ein MP3-Set oder eine gute Kassette im Reversemode empfiehlt sich. Man plant mindestens 2 Stunden Paralyse ein oder hat den supereinfühlsamen Privat-D.J. am Start.
So gehen wahnsinnige Experimentierer vor. Aus rechtlichen und vielleicht auch moralischen Gründen (wer weiß) muss hier generell vor jeglicher Einnahme von tryptaminhaltigen Zubereitungen gewarnt werden. DMT z.B. untersteht dem BtmG. Sein Besitz und der Umgang mit ihm sind demnach verboten, auch in Zubereitungen aus Pflanzenteilen (der Konsum selbst allerdings nicht). Also Finger weg von diesem Teufelszeug! Oder wollt ihr etwa wie die 68er enden?!
Wunderschön üppig in gelbgrün blüht auf meinem Fensterbrett der Bauerntabak. Ich kann ihn gar nicht genug bewundern. Da erschüttert ein Anruf mein tristes Dasein. Es ist mein Kollege, der rasende Reporter: „Special Tabak, alles klar?!“ Na gut, „Bröselmaschine“ in den CD-Player eingeschoben, und los gehts.
Nie zuvor wurde auf diesem Planeten so viel Tabak konsumiert, wie heute, und die Zahl der Konsumenten ist, weltweit gesehen, immer noch im Steigen begriffen. In Folge der „Entdeckung“ Amerikas durch Columbus im Jahre 1492 und damit auch des Tabaks verbreitete sich nach einer Anfangsphase, in der er in Europa zunächst hauptsächlich als Heil- und Zierpflanze genutzt wurde, der den „Indianern“ abgeschaute Tabakkonsum (Rauchen, Schnupfen, Kauen) bis in die entlegensten Winkel der Welt. Dabei entspannen sich immer wieder Debatten und gab es örtlich Verfolgungen, die den gegenwärtig geführten in Sachen Cannabis nicht nachstanden (siehe „Smoke“ von Gilman/Xun (Hrsg.)).
Ein Drittel der erwachsenen Weltbevölkerung konsumiert mittlerweile Tabak, hauptsächlich in Form des Rauchens von Zigaretten, welches sich nachdem 1881 in den USA die erste Maschine zur massenhaften Zigaretten-Fabrikation entwickelt worden war, im 20. Jahrhundert als die zeitgemäße, der allgemeinen Beschleunigung Rechnung tragende, ohne großes Brimborium, selbst im Schützengraben unter Beschuss, vollziehbare Konsumform etabliert hat. Als Besonderheit halten sich in Indien noch Bidis (in ein Temburni-Blatt eingewickelter Tabak) und in Indonesien Kretek (Gewürznelkenzigaretten, siehe Hanusz „Kretek“). Obendrein wird dem nach wie vor in Süd(ost)asien verbreiteten Betelbissen oft Kautabak zugesetzt. In Deutschland sind aber Tabakkauen und -schnupfen, obwohl sie kurioserweise seit 1993 tabaksteuerfrei sind, aus der Mode gekommen. Dem Pfeiferauchen haftet der Muff des Antiquierten an. Lediglich das Rauchen von Zigarren, symbolisch für das erstarkende Bürgertum und den aufkommenden Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, findet, heute als Zeichen von Status und Geschmack beworben, immer noch seine Liebhaber. Bonbonartig aromatisierten Tabak aus kitschigen Wasserpfeifen zu qualmen, ist ein modischer Trend aus der islamischen Welt, der in letzter Zeit in entsprechendem Ambiente als stilvoll propagiert wird. Immerhin saugten schon Promis wie Willy Brandt und Angela Merkel am Schlauch, frei nach dem Motto „Ziehen, nicht Blasen“.
Schon vor 8000 Jahren soll Tabak angebaut worden sein. Diverse Nicotiana-Arten wurden von indianischen Kulturen genutzt (siehe Christian Rätsch „Schamanenpflanze Tabak“, 2 Bände). Nur der rosa-rot blühende Echte oder Virginische Tabak (Nicotiana tabacum) und untergeordnet der robustere und nikotinreichere Bauerntabak (Nicotiana rustica, in Rußland „Machorka“) haben sich zur Genussmittelproduktion etabliert. Einst im rituellen Kontext eingesetztes Hilfs- und Heilmittel der Schamanen, dann Inspiration für Dichter und Denker oder aber Treibstoff für Macher wie für Schwätzer, gilt Tabak heute als das profane Suchtgift schlechthin, ohne medizinischen Wert und mit tötlichen Folgen.
Für das Jahr 2000 wird Tabak von der WHO für weltweit 4,2 Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich gemacht (siehe WHO „The Tobacco Atlas“). In Deutschland schätzt man die Zahl der jährlich vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums sterbenden Menschen auf bis zu 140.000. Krebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen gelten als todbringende Folgen des Tabakkonsums. Je früher ein Raucher anfängt, und je mehr er täglich konsumiert, desto kürzer ist laut Statistik seine Lebenserwartung, desto höher das Risiko an Folgeerkrankungen wie Krebs, chronischer Bronchitis, Lungenerkrankungen, Augenschäden, Durchblutungsstörungen mit erhöhtem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und im Alter eventuell eher an Demenz zu leiden. Mögliche Hautveränderungen werden von Medizinern ebenfalls als Argument gegen den Tabakkonsum vorgebracht. (Siehe Haustein „Tabakabhängigkeit“). Der Zigarettenrauch enthält bis zu 70 krebsauslösende Substanzen, daneben andere bedenkliche Gifte, wie Kohlenmonoxid, Benzol und Cadmium.
Cannabis- und Kräuterzigarettenraucher sollten sich übrigens nicht in falscher Sicherheit wiegen: Auch der durch Verbrennung entstehende Rauch anderer Kräuter ist reich an Teer, potentiellen Karzinogenen und Giftstoffen.
Ein weiterer Nachteil des Qualms ist, dass durch das sogenannte Passivrauchen nicht nur der sich eigenverantwortlich seine Lunge Teerende, sondern auch die in seiner Atmosphäre aus Rauch leben müssenden Mitmenschen, beispielsweise Raucher-Kinder, Kollegen oder Besucher öffentlicher Veranstaltungen über die allgemeine Geruchsbelästigung hinaus gesundheitlich beeinträchtigt werden. Viele Nichtraucher sind nicht länger bereit, sich durch Raucher einschränken zu lassen.
Nikotin ist der charakteristische Hauptwirkstoff des Tabaks. Dieses Alkaloid wurde in reiner Form erstmals von Reimann und Posselt im Jahre 1828 an der Universität Heidelberg isoliert. Es wirkt aktivierend und gleichzeitig emotional dämpfend. Die Wirkung hält, in den als Genussmittel üblichen Dosen inhaliert, etwa 20-90 Minuten an, in höheren Dosen und oral eingenommen auch länger. Bei zu hoher Dosis kommt es zu Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Darmkontraktionen, Schweißausbrüchen und kollapsartigem Blutdruckabfall. Etwa 0,04 bis 0,06 Gramm reines Nikotin gelten für Erwachsene als potentiell tödliche Dosis. Kinder sind schon bei 0,01 Gramm gefährdet. Der Tod erfolgt durch Atemlähmung. Tabak enthält je nach Sorte und Verarbeitung zwischen 0,05 und bis zu 8 % Nikotin. Nikotindauerkonsum, egal in welcher Form, wird als Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die bekannten Durchblutungsstörungen („Raucherbein“) angesehen, die im späten Stadium Amputationen erforderlich machen. Auch der Potenz soll Nikotin nicht zuträglich sein. Nikotin wird ein hohes Suchtpotential zugesprochen. Der körperliche Nikotinentzug, eine allgemeine Mißstimmigkeit, dauert allerdings nur etwa 24 bis 48 Stunden. Das Verlangen nach Nikotin bleibt dagegen noch etwa 2 bis 4 Wochen erhalten. Es tritt später eventuell noch sporadisch auf. Um vor dem eigentlichen Nikotinentzug das Runterkommen von der Gewohnheit des Rauchens zu erleichtern, wird neuerdings mit pharmazeutischen Nikotinpflastern und -kaugummis aus der Apotheke „substituiert“, die manche Raucher als geradezu harten Stoff empfinden. Sie klagen über Schlafstörungen und Alpträume als „Nebenwirkungen“. Diverse Verhaltenstips, Entspannungsmethoden und therapeutische Hilfen zur Überwindung der Nikotinabhängigkeit werden angeboten, teilweise von den Krankenkassen finanziert. Ihre Effektivität steht und fällt im Einzelfall jedoch mit der generellen Bereitschaft des Rauchers, sein Verhalten wirklich ändern zu wollen.
Die Tabakindustrie bestritt jahrzehntelang den Zusammenhang zwischen ihrem Produkt und möglichen gesundheitlichen Folgen. Immer wieder konterte sie mit neuen angeblich risikomindernden Trends, wie einem niedrigen Nikotingehalt, der allerdings, wie sich herausstellte, ganz im Sinne der an Umsatzmaximierung interessierten Industrie, zu einer vermehrten kompensierenden Qualmerei führte. Der abhängige Konsument verlangt nämlich nach einem zünftigen Nikotin-Kick und danach seinen Nikotin-Pegel zu halten. Die Zigarettenfilter auf Celluloseacetat-Basis gerieten in Verruf, da ihre feinen Fasern auf die Dauer selbst möglicherweise krebsauslösend sind. Die zahlreichen industriellen Zusätze zur Verbesserung von Aroma, Brenneigenschaften, Geschmack, Inhalierbarkeit und Wirksamkeit, die durch das Beizen und Saucieren in den Tabak geraten, werden ebenfalls kritisch beäugt. Erst sie, und nicht (allein) der reine Tabak, seien für manche der durch die Verbrennungsprozesse entstehenden Schadstoffe und die mit ihnen verbundenen gesundheitlichen Folgen des Zigarettenrauchens verantwortlich zu machen. Sie würden auch die Attraktivität des Rauchens und damit das Suchtrisiko erhöhen (siehe dazu den Beitag von adh in diesem Heft). Einige esoterische Industrie-Kritiker gehen gar von der Unschuld des unbehandelten Tabaks und der relativen Harmlosigkeit des Nikotins aus, wittern in den in bösartiger Absicht von der skrupellosen Industrie eingesetzten Zusätzen das eigentliche Übel.
Nicht viel anders als im Falle von Koka, Opiummohn oder Rauschhanf hat die menschliche Leidenschaft für den Tabak auch ökologisch (Zerstörung noch intakter Biosysteme durch Expansion des Anbaus und Verarbeitungsprozesse, die auf Kosten der Umwelt gehen), ökonomisch (wirtschaftliche Abhängigkeiten), sowie kulturell und politisch weitreichende Folgen (siehe z.B. „BUKO Agrar Dossier 24: tabak“ oder Hengartner/Merki (Hrsg.) „Tabakfragen“). So sind der Tabak und seine Konsumenten nicht nur ins Visier von Gesundheitspolitikern, sondern auch von Ökologen und Globalisierungsgegnern (siehe www.rauchopfer.org) geraten. Die intensiv um Markterweiterung kämpfende Zigarettenindustrie sieht sich in den westlichen Ländern in der Defensive. Sie konzentriert ihre Aktivitäten zur Erschließung neuer Märkte für westliche Zigaretten durch aggressives Marketing jetzt verstärkt auf Entwicklungsländer (z.B. besonders auf Frauen und Kinder in Afrika und Asien, siehe Geist/Heller/Waluye „Rauchopfer“). Bei aller berechtigten Kritik am Gebahren der Tabaklobbyisten und dem destruktiven Konsumverhalten der Raucher, scheinen sich in dieser Debatte, insbesondere, was die Feindseligkeit und die Forderungen nach immer mehr „Rauchverboten“ betrifft, bisweilen linke und rechte Puritaner im Regulierungswahn und in lustfeindlicher Einigkeit die Hände zu reichen. Denn, was gerne vergessen wird, bei allen bedenklichen Auswirkungen, Rauchen ist immer wieder auch eine Lust, kann manchmal durchaus eine Bereicherung des Lebens sein, besonders wenn man es schafft, das Kraut nur gelegentlich zu genießen. Für viele Raucher ist es das oft selbst dann noch, wenn sie nicht vom Glimmstengel lassen können, sich also abhängig verhalten, so gesehen „süchtig“ sind.
Wären räumliche Einschränkungen des Rauchens zum Schutz von Nichtrauchern, Werbeverbote außerhalb von Fachmagazinen, Beschränkung des Verkaufs auf Fachgeschäfte, Verpflichtung zur Deklaration von Inhaltsstoffen und zweckgebundene Steuern für die Prävention bei Kindern und Jugendlichen und die Linderung der Folgen des Tabakkonsums noch nachvollziehbar, so trägt die Irrationalität, mit der die Schikane und gleichzeitige Ausnutzung der Tabakkonsumenten als Geldquelle inzwischen betrieben und wegen angeblich sinkender Konsumentenzahl als Triumph gefeiert wird, nicht nur absurde Züge, sondern führt offensichtlich zur Schaffung von Schwarzmärkten und Raucher-Subkulturen. Das Letztere ist vielleicht gar nicht mal so schlecht, sitzen die Raucher doch auf diese Weise bald in einem Boot mit den Gebrauchern anderer verteufelter Genussmittel. Da besteht doch Solidarisierungspotential! Dann stehen die Kiffer hinter der Turnhalle nicht mehr allein herum, sondern können sich mit ihren quarzenden Lehrern ein Stück weit darüber unterhalten, wie sich das so anfühlt, wenn man als sozial ausgegrenzter Betroffener einem geheimen Laster frönt.
Wie heuchlerisch die Hetze gegen die Raucher ist, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Staat bei einer Einnahme von mehr als 14 Milliarden Euro allein an Tabaksteuern (für das Jahr 2003), wozu noch Umsatzsteuern, sowie indirekt obendrein die Lohnsteuern der 100.000 in Tabakverarbeitung und -handel beschäftigten Menschen kommen, den Löwenanteil (mehr als zwei Drittel) am Umsatz der dagegen geradezu bescheidenen Tabakindustrie einstreicht, ohne dafür adäquate Gegenleistungen zu bieten, während die gesundheitlichen Folgekosten des Tabakkonsums in erster Linie über Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen von der Allgemeinheit getragen werden.
In Anbetracht der hohen Preise für Zigaretten, die in erster Linie mal wieder die Ärmsten zu Billigprodukten (Feinschnitt und Steckzigaretten) oder zum Kauf auf dem Schwarzmarkt (2004 stellte der deutsche Zoll 25 Milliarden Schmuggelzigaretten sicher) nötigen, mag man als Abhängiger in Erwägung ziehen, sein eigenes Kraut anzubauen, so wie es zuletzt in den mageren Jahren der unmittelbaren Nachkriegszeit verbreitet war. Obendrein wäre in Bezug auf die Machenschaften der Tabakindustrie eine Selbstversorgung auch noch politisch oberkorrekt. Wer seinen Tabak selbst verarbeitet, behält gewissermaßen auch die Kontrolle über das Produkt, was er am Ende konsumiert, auch wenn das dann gesundheitlich nicht unbedingt weniger fragwürdig ist. Nikotinhaltiges Blattwerk lässt sich leicht gewinnen. Der private Anbau zur Selbstversorgung und ohne Verkaufsabsicht, in der Praxis sind das in Deutschland immerhin bis zu 99 Pflanzen pro Person, ist tabaksteuerfrei. Mindestens 50 Gramm getrocknete Tabakblätter pro Pflanze können geerntet werden.
100 Gramm sind durchaus realistisch. Eine Fläche von ca. 5 mal 5 Metern würde demnach für die Produktion von 10.000 Selbstgedrehten (mit je 1 Gramm Tabakblättern) ausreichen. Das sind, aufs Jahr gerechnet, 27 kräftige Kippen pro Tag. Im von der EU hoch subventionierten professionellen Anbau wird auf dieser Fläche sogar das Doppelte geerntet. Eine ganz legale Selbstversorgung ist für den durchschnittlichen Raucher also durchaus denkbar. Schon in einer einzigen reifen Tabak-Kapsel können 1500 bis 3500 winzige hochgradig keimfähige Tabaksamen enthalten sein. Eine voll ausreifende Tabakpflanze kann bis zu 150 Kapseln bilden! Die Samen liefern übrigens auch ein wertvolles Speiseöl. Sie werden im Freiland zwischen September und November reif. Man kann sie im Fachhandel (www.tabakanbau.de) erwerben oder Bauern um ein paar Samen bitten. Die bekannteste Sorte der Wessis ist der Badische Geudertheimer. DDR-Nostalgiker mögen sich für den „Rot Front“-Korso entscheiden. Reich an aromatischen ätherischen Ölen, aber hierzulande niedrig im Ertrag sind die früher so beliebten Orient-Tabake. Eine Nikotinbombe, aber geschmacklich verrufen, ist der Bauerntabak (s.o.). Bei der Sortenwahl ist zu beachten, wofür der Tabak genutzt werden soll (für Zigaretten, Zigarrren, Wasserpfeife, Kautabak etc.). Der züchterische Trend im professionellen Anbau geht übrigens zu Sorten mit vermindertem Nikotingehalt, aber auch geringerem Teergehalt. Die Samen bleiben bei dunkler, trockener und kühler Lagerung 5 bis 10 Jahre keimfähig. Man kann sie zwar auch im Blumentopf auf dem Fensterbrett ziehen, das ist aber nicht sonderlich ertragreich. Am Besten, man sät sie ab Ende März nicht zu dicht bei >10°C, besser aber bei 20°C, als Lichtkeimer oberflächlich ohne Erdbedeckung an einem geschützten Standort (Gewächshaus) aus. Sobald die Pflanzen etwa sechs Blätter haben, werden sie vorsichtig vereinzelt. Nach den Eisheiligen kann man sie hierzulande ins Freiland bringen. Etwa 45 cm Spielraum pro Pflanze sind gut. Ein warmer lichtreicher Standort, reichlich Wasser und genügend Dünger, und der Tabak sprießt prächtig bis zu 2 Meter in die Höhe. Schließlich müssen zur besseren Blattentwicklung noch die Blüten rechtzeitig geköpft und die Seitentriebe ausgezupft, sprich gegeizt werden. Näheres findet man in der Fachliteratur für den wiedererwachenden Tabakselbstanbau (Barth/Jehle „Tabakanbau und Tabakverarbeitung leicht gemacht“).
Schwieriger ist es da schon, den richtigen Erntezeitpunkt für die Blätter zu ermitteln, während sie an der Pflanze von unten nach oben aufsteigend dabei sind, sich in Richtung gelb oder erbsgrün zu entfärben. Noch komplizierter wird es beim langsamen Trocknen. Das Tabakblatt enthält zwar in jedem Falle mehr oder weniger Nikotin, entlockt den meisten Knarzern aber pur geraucht vor allem Hustenanfälle, denn erst durch das gekonnte Trocknen, Fermentieren, Soßieren mit Geschmack gebenden und die Brenneigenschaften beeinflussenden Zutaten und Mischen verschiedener Tabaksorten wird aus dem rohen Tabak ein aromatisches Genussmittel. Hier ist also enthusiastisches Tüfteln und Experimentieren des engagierten Hobbybauern oder eine Abkehr vom gewohnten Verwöhnaroma hin zum urtümlichen Rachenkratzer die Alternative. Wann sich gar der Guerilla-Anbau für den durchschnittlichen deutschen Lullenlutscher-Sargnagelschmaucher tatsächlich zu lohnen anfängt, steht allerdings noch in den Sternen. Bei aller Begeisterung für diese schöne und erstaunliche Pflanze, knuffige Grow-Magazine für den Underground-Kleinbauern Marke „Tabakblatt“ gibt es noch nicht am Zeitungskiosk. Auch Vereine, wie „Tabak als Medizin“ und „Tabak rettet die Welt“ („e.V.“) lassen noch auf sich warten. Aber wie lange noch?!
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