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Special: Ketamin

Ketamin, Reportage, Dosierung, Wirkung,

 KETAMIN

Das psychedelische Narkosemittel

Ein Gespräch mit „K-Man“

HanfBlatt 1997, Update 1999

Die deutschen Medien, immer gern dabei, wenn es gilt eine neue „Teufelsdroge“ zu hypen, haben Ketamin entdeckt. „Teufelsdrogen“ oder „Horrordrogen“ haben eine lange Ahnenreihe in der begierig Antidrogenpropaganda aufnehmenden Medienlandschaft. Gerade der gute alte Hanf gehört als „Mörderkraut Marihuana“ dazu. Man mag von dem Gebrauch der unterschiedlichen Drogen halten, was man will, in puncto Kriminalisierung und Stigmatisierung sitzen letztlich alle Gebraucher von staatlicher Seite verbotener und vom Mainstream verteufelter Substanzen in einem stark beschossenen Boot. Grund genug, die „neue“ Droge Ketamin zumindest einmal zu beleuchten und mit einem relativ gut informierten Gebraucher zu sprechen. Denn nur eine freie, offene und möglichst ehrliche Auseinandersetzung kann zu einem angemessenen Umgang mit Drogen beitragen, der nicht auf der Verfolgung der Gebraucher und irgendwelchen Endlösungsphantasien in Richtung „Wollt ihr die totale Drogenabstinenz?“ beruht.

 

Hanfblatt: In letzter Zeit wird viel über ein rezeptpflichtiges in subnarkotischen Dosierungen psychedelisch wirksames Narkosemittel namens Ketamin gesprochen. Selbst die RTL-Hamburgwelle brachte am 19. September 97 einen Beitrag und machte potentielle Konsumenten neugierig. Du hast Ketamin einige Male genommen. Wie kamst du dazu?

K-Man: Ich hatte bereits Einiges über Ketamin gelesen, zum Beispiel „Der Scientist“ von John C. Lilly, wo er die Identität des Ketamins mit dem Decknamen „Vitamin K“ zu verschleiern versucht. Das ist irrefŸhrend, denn die eigentlichen Vitamine des K-Typs haben nichts mit der Droge Ketamin zu tun. Selbst das amerikanische Magazin „High Times“ hat sich dieser Verschleierungstaktik noch 1989 in einem ansonsten guten Beitrag über „Vitamin K“ angeschlossen. Dabei ist schon seit langem und auf jeden Fall seit den Siebziger Jahren bekannt, da§ das Narkosemittel Ketamin in deutlich unter den für eine Narkose notwendigen Dosierungen eine extrem starke Wirkung auf das Bewusstsein hat, die man im weitesten Sinne als psychedelisch bezeichnen kann. Das nur vorweg. So neugierig geworden, hatte ich Ketamin mit hoher Priorität in die Liste der Drogen eingereiht, die ich unbedingt noch probieren wollte. Ich war scharf auf die besondere Ketaminerfahrung, bei der der Witz sein sollte und auch ist, dass man fŸr kurze Zeit praktisch vollständig sein KörpergefŸhl verliert, aber der Geist hellwach in für das normale Wachbewusstsein total fremde und unbekannte Räume expandiert. Ich lernte schlie§lich einen liebenswerten Menschen kennen, der von Beruf Rettungssanitäter war und reichlich Erfahrungen mit Ketamin hatte. Er und Freunde von ihm injizierten sich das Ketamin. Zu der Zeit glaubte man, dies sei die einzig wirklich effektive Einnahmeform. †blicherweise wurde es intramuskulär injiziert. Er bevorzugte aber die intravenöse Einnahme. Er und einer seiner Freunde legten sich sogar Infusionen und benutzten einen Injektomaten um den kurzen aber extremen Törn zu verlängern. Schlie§lich ermöglichte er mir meine erste Erfahrung. Ich vertraute ihm und er gab mir auf seinem Hochbett eine intravenöse Injektion in fŸnf SchŸben in Abständen von etwa fünf Minuten von jeweils zwanzig Milligramm Ketamin, also insgesamt 100 Milligramm in zwanzig Minuten. Das war der stärkste Trip meines Lebens. Innerhalb einer Minute sauste mein Bewu§tsein in Räume, in denen es aus ineinanderwalzenden Blasen von planetarischen Dimensionen bestand und meine körperliche HŸlle und mein hämmerndes Herz nur noch sporadisch aufblitzende Erinnerungsfetzen waren. Und in dem Moment, in dem es mir kaum noch steigerungsfähig erschien, Ÿberwältigte mich eine neue Welle und trieb mich noch weiter raus. Ich landete schlie§lich nach vielleicht vierzig Minuten wie ein im Luftstrom aufs heftigste vibrierendes Doppeldeckerflugzeug. Mir schien, als hätte ich in die Richtung des Todes geschaut. Das Bewu§tsein kann sich selbst nicht entkommen. Mag sein, da§ irgendwann doch der Stecker ganz rausgezogen wird, und die Birne verglimmt in irgendeinem kosmischen Ganzen. Aber vorher schaut man sicherlich nochmal das Unglaubliche des Seins, und wenn es nur das eigene geistige Sein ist, denn diese Frage blieb fŸr mich auch bei meinen späteren Ketamin-Reisen offen.

Hanfblatt: In welchem Jahr war das?

K-Man: Tja, auf dem Kalender schrieb man das Jahr 1989, aber während der Ketaminerfahrung gibt es Zeit in dem Sinne nicht. Sie scheint äu§erlich kurz, aber drinnen unendlich. Ich hab dann im Laufe der Jahre noch sieben Mal Ketamin genommen. Aber nicht mehr gespritzt. Ich hatte mir Ÿberlegt, da§ bei vielen Drogen die Dosierung bei intramuskulärer Zufuhr nicht allzu weit unter der einer nasalen Dosis liegt. Beim nächsten Mal hab ich dann so circa 150 Milligramm des auskristallisierten Ketaminhydrochlorid-Pulvers geschnupft. Das ist schon eine ganze Menge. Praktisch bis es dir aus der Nase bröselt. Und das war genau der richtige Dosisbereich fŸr eine volle Erfahrung. Ich schätze die Spanne liegt so zwischen 120 und 200 Milligramm nasal fŸr eine etwa 45 minŸtige Erfahrung, bei der man den Körper die meiste Zeit gar nicht oder kaum noch spŸrt. Bei niedrigen Dosierungen, so 20 bis 60 Milligramm, wie sie bei manchen Leuten in der Clubszene in Amiland und Gro§britannien beliebt sind, ist man eher konfus drauf, mehr delirös, hat starke Wahrnehmungsveränderungen, ist ziemlich „out of ones mind“, und kann noch rumkaspern und sich dabei wegen dem Kontrollverlust und dem verschwundenen Schmerzempfinden leicht verletzen, wenn keiner auf einen aufpa§t. Halt ich nicht fŸr so weise. Kein guter Ersatz fŸrs Besoffensein. Wenn man schon unbedingt Ketamin nehmen will, dann sollte man sich einen sicheren ungestörten Platz suchen und Zeit nehmen und sich in einer bequemen Position hinlegen um das körperliche Bewu§tsein zu verlassen. Gemeinsam abzuheben kann auch spannend sein. Beim Schnupfen ziehen alle gleichzeitig das Pulver hoch und dŸsen kollektiv ab. Wenn man sich berŸhrt oder vielleicht auch nicht berŸhrt, wer wei§ das schon so genau, scheinen sich die Körperteile miteinander zu vermengen. Wenn man spricht, wird ein Gedanke in Sprache umgewandelt, die man schon nicht mehr versteht. Die wandert dann in eigenartigen akustischen Fetzen durch den Raum und erreicht den Anderen, der dir wieder was rŸberschickt, was irgendwie genauso unverständlich klingt. Aber irgendeine Instanz in deinem Hirn entschlŸsselt die Botschaft, und du verstehst sie ohne sie rational zu begreifen. Im Grunde erschien mir Sprache als eine zusätzliche spielerische Form der Kommunikation mit dem Ziel der Resonanzerzeugung zwischen menschseelischen AusstŸlpungen des allumfassenden kosmischen Netzes.

Ich glaube, da§ man auf Ketamin eine Menge Ÿber die Produktion der Realität seelisch erfahren kann. Meine gesamte subjektive Realität, die ich Ÿblicherweise meist als objektiv empfinde, erschien mir als ein Produkt meines Geistes, und ist sie nicht auch rational betrachtet vollständig eine Schöpfung meines Gehirns, das letztlich auch nur eine Fiktion ist?! Realität erzeugen hei§t Grenzen setzen, Innen und Aussen, Raum, das Andere mit seinen zugedachten Eigenschaften, Zeit zu erzeugen und sich selbst als erlebendes und handelndes abgetrenntes Subjekt zu konstruieren, das nicht erkennt, da§ es der Schöpfer des Ganzen ist, da§ es all das selber ist. Auf Ketamin lösen sich all diese Grenzen auf. Die Welt kann völlig neu geschaffen werden. Hier wird die Grenze zum Grössenwahn Ÿberschritten. Auf der anderen Seite steht die Erfahrung der totalen Ohnmacht, des hilflosen und unabänderlichen Eingebundenseins in letztlich nicht kontrollierbare Vorgänge in einer Welt, die sich hinter der totalen Subjektivität des eigenen Erlebens unentschlŸsselbar verbirgt und doch aufs Mächtigste auf das gesamte subjektive Sein bestimmend wirkt. Dann auch wieder, wie ich schon angedeutet habe, das Erleben, als Teilbewu§tsein in einem AllŸbergreifenden eingebunden zu sein. Tiefes Vertrauen in die Richtigkeit dessen, was ist. Sich in diese zähflŸssigen polydimensionalen GefŸhlsströme entspannt hineinfallen lassen. Naja und so weiter und sofort, nur um mal ne Andeutung zu machen, da§ Ketaminerfahrungen ziemlich markerschŸtternd sein können.

Hanfblatt: Sind das nicht sehr subjektive Erfahrungen?

K-Man: Na klar! Die Leute, die Ketamin nehmen, erleben alles Mögliche. Jede Reise ist eine ungeheuer intime und persönliche Erfahrung, fŸr die wir eh kaum Worte haben. Einige KŸnstler haben versucht sie ins Bildliche zu transformieren. Ich wei§ nicht, ob es derartige Versuche auch im musikalischen Bereich gibt. Wenn dann mŸ§ten es sehr abgefahrene dunkle Soundcollagen in Richtung Ambient sein. So stell ich mir das zumindest vor.

Hanfblatt: Hat man Halluzinationen auf Ketamin?

K-Man: Ich weiß nicht, was du darunter verstehst. Man hält sich in imaginären Welten auf, die alle möglichen Qualitäten haben. Manches erscheint extrem real. Es gibt Leute, die praktisch etwas erleben, von dem sie auch berichten können. Sehr intensive Dinge. Immer wieder wird von Kontakten mit nichtmenschlichen Wesenheiten berichtet. Inwieweit sie am Ende doch Projektionen des eigenen Geistes sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf Ketamin erscheint mitunter nichts als unmöglich. Das eigentliche Wunder ist für mich, da§ ich immer wieder in diese spinnerige, mir doch oft recht banal vorkommende Normalwelt, unsere von Spiritualität im weitesten Sinne nahezu abgenabelte, deutsche Konsensrealität zurŸckkehre. Trotzdem bin ich jedesmal wieder froh gewesen, erstmal wieder in die phantastische mit den Sinnen wahrnehmbare Schöpfung zu den körperlichen Wesen, die ich liebe, zurückzukehren und auf ein Neues noch eine Runde als der, der ich nunmal bin, drehen zu dürfen.

Hanfblatt: Ich dachte mehr, ob der Rausch sehr farbig ist.

K-Man: Farben spielen nicht so eine Rolle, zumindest nicht bei mir. Das sind eher so Seifenblasenfarben in plasmaartigen Mahlströmen. Man kriegt meistens gar nicht mit, ob man die Augen offen oder geschlossen hat. Töne kommen völlig verändert rŸber. Das KörpergefŸhl, soweit es Ÿberhaupt auftaucht, ist komplett verzerrt. Beim Runterkommen, mŸssen sich linke und rechte Gehirnhälfte erstmal wieder synchronisieren. Auch das KörpergefŸhl und die richtige Optik kommen langsam zurŸck. Das dauert mindesten eine Stunde, die man dann noch mental ziemlich am driften ist. Erst nach etwa vier Stunden ist man wieder vollkommen auf dem Teppich, wenn man so will. Man ist mit Sicherheit ziemlich beeindruckt danach. Das Erlebte ist allein mit dem nŸchternen Verstand nicht richtig zu begreifen.

Hanfblatt: Wo hattest du das Ketamin her?

K-Man: Du stellst Fragen! Nun gut, ein Engel hat es mir geschenkt! Aber Spa§ beiseite. Es wird entweder auf dem Weg von der Pharmaindustrie zum Anästhesisten abgezweigt. Ein bekanntes Präparat hei§t Ketanest. Oder aus der Tiermedizin. Da gibt es Fläschchen, die hei§en Ketavet. Wenn man die auf einer Untertasse eintrocknen lä§t, erhält man etwa 1,15 Gramm Ketaminhydrochlorid-Pulver. Häufig werden Ketaminpräparate aus Ländern mitgebracht, wo sie relativ problemlos Ÿber den Apothekentisch erhältlich sind. Das ist in den meisten Dritte Welt Ländern der Fall. Aus Indien kommt zum Beispiel Ketmin, aus SŸdamerika Ketalar. Das sind alles reguläre Präparate der Pharmaindustrie. Es besteht auch die Möglichkeit, sich Ketaminpräparate per Postversand schicken zu lassen. Eine Zeit lang war eine in Griechenland ansässige Firma in dieser Hinsicht aktiv. Der Zoll kann Probleme machen. FŸr die Medikamenteneinfuhr gibt es Vorschriften. Es soll Ÿbrigens auch vorkommen, da§ grö§ere Mengen des pharmazeutischen Rohstoffs irgendwo aufgekauft und dann in den schwarzen Markt geleitet werden. In Gro§britannien gab es sogenannte „XTC“-Tabletten, die statt dem erhofften entaktogenen MDMA das dissoziative Ketamin enthielten. Ketamin wirkt nämlich auch oral. Die effektive Dosis ist allerdings erheblich höher, und die Wirkung kommt langsamer und fŸr manchen angsteinflössender, hab ich mir sagen lassen.

Hanfblatt: Warum ist Ketamin bei uns eigentlich nur rezeptpflichtig, wo es doch so eine heftige Droge darstellt?

K-Man: Meines Wissens, weil es einfach eines der am besten verträglichen kurzwirkenden Narkosemittel ist. Es treten kaum Probleme mit der Atmung und dem Herz-Kreislaufsystem auf. Das Risiko einer †berdosis ist gering. In der Notfallmedizin ist es unverzichtbar. Es zum Betäubungsmittel zu machen, hie§e seinen Gebrauch auf Grund der damit verbundenen bŸrokratischen HŸrden ins Abseits zu drängen und damit vielen Menschen in Notsituationen eine sehr nŸtzliche risikoarme Hilfe zu verweigern. Eine Kriminalisierung kann nur eine Verschlimmerung der Situation fŸr die Konsumenten bedeuten. Ketamin-Afficionados wŸrden dann wieder mal auf eines der vielen PŸlverchen obskurer Zusammensetzung ausweichen mŸssen und sich unnötigen Risiken aussetzen.

Hanfblatt: Wo liegen denn die Risiken dieser Droge?

K-Man: Ketamin ist eine sehr stark bewu§tseinsverändernde Droge. Obwohl sie während der Erfahrung auch das Angstzentrum zu dämpfen scheint, so da§ trotz ihrer enormen Intensität, kaum Leute wirklich panisch werden, gibt das Erlebte, mitunter völlig Inner-Au§erweltliche doch ganz schön zu knapsen. Das kann echt weltbilderschŸtternd sein. Man mu§ sich Zeit lassen, das Ganze seelisch zu integrieren. Und dazu mu§ man bereit sein. Das erledigt sich nicht so einfach von selbst. Die meisten Leute, die Ketamin in der vollen Dosis mal genommen haben, wissen, da§ das normale Leben weitergeht, trotz dieser wundersamen Anderwelt, gegenŸber der das alltägliche Erleben vielleicht auf gewisse Weise beschränkt und banal erscheinen mag. Es gibt aber auch Leute, die sind so begeistert und fasziniert von diesen Innen-Au§enwelten, die sich ihnen als Realität produzierenden Entitäten auftuen, da§ sie immer wieder dorthin zurŸckkehren wollen. Bei ständiger Einnahme tritt wohl eine gewisse Toleranz gegenŸber den körperlichen Wirkungen auf. Wer aber Ketamin ma§los konsumiert, verliert schnell den Konsensrealitätsteppich unter seinen FŸssen. AusnŸchtern ist dringenst angezeigt. Ich persönlich glaube, bei manchen vielleicht dazu prädisponierten Menschen können die Ketaminerfahrungen so eine Art Todessehnsucht auslösen. Man verwechselt Ketaminsterbeerlebnisse mit dem richtigen Sterben. Das schnöde Erdendarsein scheint einem nicht mehr genug herzugeben. Man möchte fŸr immer zur anderen Seite wechseln. Ich glaube, dann hat man irgendetwas grundsätzlich falsch verstanden. Aber das sind mit Sicherheit eher Ausnahmen, die vielleicht im Ketamin genau das finden, was sie schon immer gesucht haben.

Das Injizieren von Ketamin erfordert natŸrlich die Einhaltung der Ÿblichen Safer Use-Regeln, wenn man sich keine schlimmen Infektionen wie zum Beispiel HIV, Hepatitis und so weiter holen will. Ein nicht unerhebliches Risiko von Verletzungen besteht durch den Verlust der körperlichen Kontrolle. Wer auf Ketamin rumhampelt oder sich gar aufs Fahrrad setzt, kann leicht stŸrzen und sich ernsthaft verletzen. John C. Lilly beschrieb, wie er sich auf Ketamin in seinen Isolationstank legte. Das mag eine au§erkörperliche Erfahrung noch zu intensivieren. Aber leider kriegt man auf Ketamin unter Umständen nicht mit, ob man so etwas wie eine Sterbeerfahrung hat, oder gerade wirklich stirbt, weil man mit dem Gesicht nach unten im Wasser liegt. Lilly selbst mu§te von Freunden so aus dem Tank gefischt und gerettet werden. Man sollte sich unter Ketamineinflu§ generell vom Wasser fernhalten. Damit schlie§e ich Badewannen, Jakuzis und dergleichen Schickimicki mit ein.

Ein weiteres Risiko ist die Hilflosigkeit unter dem Einflu§ von Ketamin. Man sollte es, wenn es denn sein mu§, nur unter absolut vertrauenswŸrdigen Menschen nehmen. In den USA wurden bereits Frauen mit Ketamin betäubt und vergewaltigt. Sie glaubten, es handle sich um Kokain und langten ahnungslos zu. Ein absoluter Alptraum im womöglich noch halbbewu§ten trippenden Zustand. Auch sogenannte Terroristen sollen Ketamin benutzt haben, um EntfŸhrungsopfer gefŸgig zu machen. Das scheint eine dunkle Seite des Ketamins zu sein. Aber eigentlich ist es nicht die dunkle Seite des Ketamins, sondern die der Menschen, die nicht respektvoll miteinander und mit so einem Mittel wie Ketamin umzugehen bereit sind.

Im übrigen sollte man ruhig mal den Beipackzettel lesen. Ketamin ist wohl im Allgemeinen zur Narkose, fŸr die ja deutlich höher dosiert wird, recht gut verträglich. Es sind dennoch zumindest theoretisch gefährliche Komplikationen mit möglicherweise tödlichem Ausgang denkbar, gerade was die Blockierung der Atemwege oder das Herz betrifft. Man sollte meines Erachtens auf keinen Fall andere Drogen wie Alkohol, Beruhigungs- und Schmerzmittel, sowie Stimulantien mit Ketamin kombinieren. Andere psychedelische Drogen erhöhen die im Einzelfall nicht zu unterschätzenden psychischen Risiken in Zusammenhang mit im Individuum schlummernden ¬ngsten.

Ich selbst habe ein paar mal eine mir bis dato unbekannte Form von Alpträumen gehabt, die ich nicht auf das Ketamin selbst, sondern auf die Erinnerung an meine persönlichen Ketaminerfahrungen zurŸckfŸhre. Das Thema ist: Ich bin hilflos bei vollem Bewu§tsein in meiner kŸnstlichen Innenwelt gefangen und schaffe es nicht, die Barriere zur normalen Aussenwelt zu durchbrechen und aufzuwachen. Sehr realistisch und intensiv.

Hanfblatt: Man sieht also, diese Droge ist im wahrsten Sinne des Wortes nur mit äu§erster Vorsicht zu geniessen.

K-Man: Allerdings. Ich finde, Ketamin ist kein Partyspass, höchstens etwas fŸr Leute, die wirklich ernsthaft auf der Suche nach tiefen innerseelischen Erfahrungen sind, Bewu§tseinsforscher im eigentlichen Sinne. FŸr Ketamin mu§ man bereit sein. Und wer die Finger davon lä§t, hat nichts versäumt, was nicht ohnehin schon da ist.

Hanfblatt: Zum Abschlu§ noch die Frage, ob es einen Lesetip gibt.

K-Man: Der Londoner Arzt Karl Jansen arbeitet an einem Buch Ÿber Ketamin. In der April 97 Ausgabe von „The Face“ war ein Artikel darŸber. In Gro§britannien, wo Ketamin unter jungen Drogenkonsumenten erheblich verbreiteter als bei uns sein soll, sind anscheinend einige Fälle bekannt, in denen sich Leute durch ständigen Ketaminkonsum aus ihren sozialen Bezügen herausmanövriert haben. Das sollte nochmal zu einem sehr behutsamen Umgang mit der Droge gemahnen. Auf der anderen Seite wurde und wird Ketamin interessanterweise zur UnterstŸtzung von bestimmten Psychotherapien eingesetzt. So auch von dem Göttinger Nervenarzt Hanscarl Leuner. Einer seiner Mitarbeiter namens Bolle hat ein nicht allzu spannendes Buch mit dem schönen Titel „Am Ursprung der Sehnsucht“ verfa§t, in dem Ÿber Sitzungen im wissenschaftlich-therapeutischen Rahmen berichtet wird. Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert, wie es so schön heisst.

Hanfblatt: Das lass ich einfach mal so stehen. Vielen Dank.

K-Man: Bitte gerngeschehen. Und vergiss nicht: Lös dein Ego auf, dann kommst du besser drauf.

Hanfblatt: Ach so! Na denn, guten Rutsch.

K-Man: P.S.: Das war ein Scherz.

Hanfblatt: Du bist wohl so einer, der immer das letzte Wort haben muss.

K-Man: Genau, der bin ich.

Strukturformel von Ketamin
Strukturformel von Ketamin

Ketamin Update (1999)

Zwei Jahre nach dem K-Man-Interview erscheint ein Update sinnvoll.

Frage: Wir haben das Ketamin-Interview 1997 geführt. Ich hatte das Interview zwei Hanf-Magazinen angeboten. Bei dem einen Magazin schreckte man wohl aus provinzieller Ängstlichkeit vor der zugegeben ziemlichen Brisanz eines offenen und ehrlichen Umgangs mit dem Konsum dieser hochwirksamen Substanz zurück. Kurioserweise erschien bei dem anderen Blatt irgendwann ein schwach recherchierter langweiliger Artikel über Ketamin. Er verstärkte bei mir den Eindruck, daß in diesem Medium Qualität weniger eine Rolle spielt als Vetternwirtschaft. Mit mir hatte man trotz meiner Nachfrage keinerlei Kontakt aufgenommen. Insgesamt ist die Entwicklung in diesem Milieu eines „Hanfspiessertums“ nach vier Jahren leider als enttäuschend einzuschätzen. Ein paar auf regelmässiges Einkommen bedachte und bedauerlicherweise von einer relativ stupiden Leserschaft ausgehende Hanfmedien machen eben keine Medien-Revolution. Im Zeitalter des sich selbst bekotzenden ausgehenden Kapitalismus scheint in der medialen Landschaft die stupide Wiederholung des ewig Gleichen Trumpf zu sein. Was wirklich ist, von einer anderen als der klischeehaft gewohnten Seite sprechen zu lassen, darauf scheint sich niemand einlassen zu wollen.

Aber jetzt nochmal zurück zum Thema. Hast Du in der Zwischenzeit nochmal wieder Ketamin genommen?

K-Man: Nein. Man soll zwar nie nie sagen, aber ehrlich gesagt, habe ich es auch nicht mehr vor. Mein Respekt vor dieser Substanz ist in den vergangenen Jahren noch gestiegen. Ich glaube, ich habe mich damals bemüht, ein ausgewogenes Bild zu vermitteln. Es ist einfach Realität, daß Ketamin und ähnliche Substanzen genommen werden, und zwar auch zur Selbsterforschung, zur Konfrontation mit dem Sein in der Welt, und nicht nur um einfach geil wegzudriften. Ketamin ist dabei sicher eine sehr kritisch zu betrachtende Substanz. Besonders, wenn man beabsichtigt, sie selbst einnehmen zu wollen.

Frage: Haben Dich neue Erkenntnisse in Deinem Umgang mit Ketamin beeinflußt?

K-Man: Eigentlich weniger. Aber der erschreckende Artikel von William E. White sollte jedem zu denken geben, der eine Affinität zu dissoziativen Anästhetika hat. Dazu gehören nicht nur Ketamin, sondern auch PCP, das berüchtigte Angeldust, der Hustendämpfer Dextrometorphan, kurz DXM oder auch Robo genannt, und Lachgas. William E. White ist der Internetgemeinde durch sein ausgezeichnetes DXM-FAQ bekannt. Er warnt eindringlich vor möglichen Gehirnschäden durch diese Substanzen. Das Risiko bleibender Schäden erhöhe sich mit Dosis, Dauer der Wirkung und häufiger Wiederholung der Einnahme. Manche scheinen sensibler zu sein, manche weniger. Es gäbe demnach Beweise für Schäden im Tierversuch und Hinweise darauf, daß auch Menschen bereits betroffen sind. White weist auch nochmal darauf hin, daß das Risiko epileptischer Anfälle und das von psychischen Komplikationen, wie Psychosen, bei Dissoziativakonsum deutlich erhöht zu sein scheinen. Ich möchte nochmal auf mögliche Risiken durch die blutdrucksteigernde und herzschlagbeschleunigende Wirkung des Ketamins bei prädisponierten Konsumenten hinweisen. Es gibt Leute, so White, die dissoziative Substanzen suchtartig konsumieren, was äußerst bedenklich ist. Ich möchte deshalb jeden eindringlich vor dem leichtfertigen Umgang mit Ketamin warnen.

Andererseits wird Ketamin in der Anästhesiologie nach wie vor als recht positiv bewertet. Für Hirnschäden habe ich in aktuellen Fachartikeln keine Bestätigung gefunden. Im Gegenteil, dort gibt es Hinweise, daß Ketamin auf Grund seiner Wirkungen am NMDA-Rezeptor sogar nervenschützend und nervenregenerierend wirken könne. Die neueste Entwicklung ist die 1997er Einführung in Deutschland des gegenüber dem herkömmlichen racemischen Ketamin doppelt so starkwirksamen rechtsdrehenden S-(+)-Ketamins. Es hat eine Reihe medizinischer Vorteile. So wirkt es bis zu einem Drittel kürzer mit einer entsprechend verkürzten Aufwachphase, rascherem Wiedererlangen kognitiver Fähigkeiten aber dabei länger anhaltender schmerzlindernder Wirkung. Die Leute, die es im medizinischen Rahmen bekamen, bevorzugten es gegenüber dem „alten“ Ketamin. Die von experimentellen Usern ja gerade gesuchten „psychomimetischen“ Wirkungen traten dennoch in gleichem Maße auf. Die gesundheitlichen Risiken gelten auf Grund der nur halb so hohen Dosis als verringert. In Kombination mit bestimmten Benzodiazepinen scheinen noch weniger, im medizinischen Notfall unerwünschte, „Nebenwirkungen“ aufzutreten. Wahrscheinlich wird man demnächst auch aus dem vielbeschworenen Underground Neues über S-(+)-Ketamin hören. Man darf gespannt sein. Die Pioniere sind mit Sicherheit schon aus den Startlöchern.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und betonen, daß ich, Bedenken hin oder her, es für ein Menschenrecht halte, bei freiem Zugang zu allen vorhandenen Informationen, selbst zu entscheiden, was man sich zuführt, und für den eigenverantwortlichen Umgang mit psychoaktiven Substanzen nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Danke.

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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