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Psychoaktive Substanzen Specials

Special Tabak: Smoke gets in your eyes

HanfBlatt, Juli/August 2005

Smoke gets in your eyes

Optimierte Nikotinanfluter: Industrie-Zigaretten und deren Zusatzstoffe

Jörg Auf dem Hövel

Was heutzutage von Maschinen zu einer Standard-Zigarette eingewickelt wird verdient des Namen „Tabak“ nicht mehr. Das pflanzliche Grundmaterial, die Blätter der seit Jahrtausenden genutzten Tabakpflanze, dient nur noch als hellbrauner Träger für einen bunten Cocktail aus Substanzen, mit denen die Zigaretten-Herstellern ein bestimmtes Geschmacks- und Wirkungsspektrum erreichen wollen. Schon ein hochwertiger Tabak wie der für kubanische Zigarren wird in einer Lauge getränkt, um das Kraut für den Connaisseur überhaupt genießbar zu machen. Kaum jemand würde getrockneten Tabak anzünden und dessen Verbrennungsprodukt in die Lungen gelangen lassen, wenn er nicht vorher einer subtilen chemischen Behandlung unterzogen worden wäre. Die moderne Zigarettenindustrie hat dieses Verfahren so weit verfeinert, dass bei einem relativ milden Rauch die maximale Nikotinaufnahme gewährleistet ist. Denn viel Nikotin im Körper bedeutet jede Menge Raucher, die nicht Schachteln, sondern Stangen kaufen.

Nikotin gilt als das wichtigste Alkaloid im Tabak. Beim Rauchen werden etwa 30% des in der Zigarette enthaltenen Nikotins freigesetzt, wovon wiederum bis zu 95% beim intensiven Inhalieren resorbiert werden. Die Aufnahme der Substanz über die Lunge ist aber kein Kinderspiel. Tabakrauch beißt und kratzt, nur die gewöhnte, abgestumpfte Lunge will mehr davon. Um aber auch die unerfahrenen und damit meist jungen Probierer zum Kioskkunden werden zu lassen setzen die Hersteller auf mehrere Zusatzstoffe, die den schmerzhaften Rauch milder erscheinen lassen. Das zieht vor allem junge Raucher an. Aus den sogenannten „Tabakindustrie-Dokumenten“, deren Herausgabe ein US-Bundesgericht Ende der 90er Jahre erzwang, geht hervor, dass die Fabrikanten der großen, weiten Freiheit aus dem Zigarettenmarkt bewusst einen Kindermarkt gemachten haben. Mit Erfolg, heute beginnen Raucher ihre Karriere zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr.

Über die Jahre, so nimmt man an, wurden alle Parameter einer Zigarette so verändert, dass die Nikotinaufnahme maximal, der damit verbundene Inhalationsschmerz aber minimal bleibt. Chemie und Biochemie des modernen Zigarettenrauches sind relativ unerforscht, bisher weiß man nur, dass im Hauptstromrauch über 4800 Substanzen wirbeln. Rund 70 davon gelten als krebserregend oder stehen im Verdacht krebserregend zu wirken. Hierzu zählen vor allem die aromatischen Kohlenwasserstoffe (wie sie auch bei der Verbrennung von Diesel-Kraftstoff auftreten) und Armine sowie die Nitrosamine.

 

Ascher

 

Für die Glimmstengelhersteller ist Nikotin der Stoff ihrer Träume, denn regelmäßig genossen entsteht körperliche und psychische Abhängigkeit. Spätestens seit den 50er Jahren wird zwar jeder Schüler und Erwachsene vom Staat darüber aufgeklärt, dass „Zigaretten süchtig machen“, dem Erfolg der Zigarette tat das lange keinen Abbruch. Um die zunehmend misstrauische Gesellschaft von der Harmlosigkeit der Zigarette zu überzeugen, senkten die Firmen sogar den offiziellen Nikotinanteil im Tabak – wie sich jetzt herausstellte war dies ein Täuschungsmanöver, das auf der Überlistung der Messmethode beruhte. Das Vorgehen der Konzerne war gewitzt: Nikotin kommt im Rauch des Tabaks in zwei Formen vor, als gebundene, säurehaltige Substanz (in Salzform) und als „freies“ Niktotin. Die Messmethoden erfassen allerdings nur das gebundene Nikotin. Durch den Zusatz von Ammoniak, Harnstoff oder Soda in das Tabakgemisch und die Züchtung basischer Tabaksorten veränderten die Hersteller wie Philip Morris (Marlboro) und R.J. Reynolds (Camel, Winston) in den 60er Jahren den Säure-Base-Haushalt hin zu einer mehr basischen Mischung. Ab einem ph-Wert von sechs steigt nämlich der Anteil des freien Nikotins sprunghaft an. In einem internen Dokument schreibt die Firma R. J. Reynolds schon 1973 begeistert: „Dieses wird schneller vom Raucher aufgesogen und dieser nimmt einen deutlichen Nikotinstoß wahr.“

Der Trick bestand also daraus, den pH-Wert der Tabak-Mischung zu erhöhen, was den Nikotingehalt im Rauch erhöht, ohne aber die absolute und messbare Menge an Nikotin in der Mischung zu ändern. Gleiche Menge, höhere Verfügbarkeit für den Raucher – besser konnte es kaum laufen. Das zeigte sich auch an den Umsatzzahlen. Es wird angenommen, dass der Siegeszug der Marke „Marlboro“ auch auf dieses Effekt zurück zu führen ist.

Quälender Qualm

Der Griff in den Chemiekasten geht aber noch weiter. Die Liste der den Tabakhäckseln zugesetzten Mittel umfasst je nach Hersteller bis zu 600 Stoffe. Nur die Beimischungen können bis zu 10 % des Gesamtgewichts einer Zigarette ausmachen, eine Zahl, die von den Herstellern bestritten wird.

Zugemischt, und das geben auch die Hersteller zu, werden fast immer Zucker und Kakao. Zucker karamellisiert während des Verbrennens und sorgt für einen milden Geschmack, dieser sanfte Dunst lässt sich leichter inhalieren. Das Problem: Beim Verbrennen von Zucker entstehen krebserzeugende Aldehyde.

Ebenfalls beliebt im Cocktail ist das kühl schmeckende Menthol. Es findet sich heute nicht nur in Menthol-Zigaretten, sondern in geringen Anteilen in fast allen Fluppen, besitzt es doch lokalanästhetische Eigenschaften. Anders ausgedrückt: es betäubt die Bronchien und macht sie unempfindlicher gegenüber dem quälenden Qualm. Zudem führt das Inhalieren von Menthol zu einer höheren Atemfrequenz, einem erhöhten Atemvolumen sowie einer tieferen Inhalation des Rauches.

Auch das Feuchthaltemittel Propylenglykol ist fast immer enthalten. Es steht im Verdacht bei der Verbrennung gesundheitsschädlich zu wirken, aber genaue Studien hierzu fehlen. Aus dem ebenfalls oft zugesetzten Glycerin entstehen in der Glutzone giftige Epoxide.

Die Liste der giftigen Substanzen lässt sich weiter fortsetzen. Um die Eigenschaften des Tabakrauches genauer zu erforschen hat Verbraucherschutzministerin Renate Künast nun eine Kommission eingesetzt, die dem Wesen des Qualms auf die Schliche kommen soll. Die Überprüfung der toxischen Eigenschaften des Rauches dürfte allerdings bis zu zwei Jahren dauern, wie aus dem Ministerium zu hören ist. Wenngleich es danach kein Reinheitsgebot für Zigaretten geben wird, steht doch zu vermuten, dass diverse Zusatzstoffe verboten werden.

Zigarette

Unter http://www.verbraucherministerium.de steht schon jetzt eine Aufstellung bereit, die für alle Marken und Sorten deren Zusatzsstoffe aufführt. Für wahrliche Aufklärung sorgt dieser Katalog aber nicht, mussten die Hersteller doch nur die Mittel bei der Ministerin vorlegen, die in größerer Menge im Glimmstengel vorkommen. Genaue Mengenangaben fehlen völlig, vieles läuft zaghaft unter „Aroma“. So fehlt die Angabe von Menthol für normale Zigaretten völlig.

Aus dieser Sicht wirken die Bemühungen des Verbraucherschutzministeriums seltsam naiv, verlässt es sich doch vollständig auf die Angaben aus der Industrie. Ein unabhängiges Institut, das die Inhaltsstoffe von Zigaretten regelmäßig überprüft existiert in Deutschland nicht. Die Tabak-Industrie besitzt Hegemonie bei der Analyse des blauen Dunstes.

Der Clou für die Hersteller: Alle der von ihnen zugesetzten Substanzen sind legal, sie stehen in Tabakverordnung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) von 1977. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg drängen nun darauf, dass dieses Chemo-Register extrem gekürzt wird, nicht zuletzt deshalb, weil es sich dabei eigentlich um Zusatzstoffe für Lebensmittel handelt. Der Toxikologe Heinz Thielmann vom Krebsforschungszentrum warnt: „Durch die hohen Temperaturen beim Rauchen entstehen daraus neue Substanzen, deren gesundheitliche Risiken fatal sind.“ Aus Sicht der Heidelberger müssen alle Zusatzstoffe, die dazu dienen, das Rauchen zu erleichtern und insbesondere das tiefere Einatmen des Rauches zu ermöglichen, sowie alle Beimischungen, die die Bioverfügbarkeit von Nikotin erhöhen, verboten werden.

Das mag zwar alles helfen die passionierten Rauchern vor allzu groben Eingriffen in ihren Körperhaushalt zu schützen, neben strengeren Kontrollen der Inhaltstoffe von Zigaretten muss es aber auch darum gehen, den Einzelnen zu mehr Selbstverantwortung beim Gebrauch dieser Droge zu führen. Angesichts der Fitness,- Wellness- und Öko-Food-Welle ist es ein weiteres Zeichen für die jedem Menschen offenbar inne wohnende Lust auf abstruse Widersprüche, sich täglich gleich mehrere dieser Chemo-Keulen reinzuziehen. Die massenhaft gerauchte Zigarette ist vielleicht das Symbol schlechthin für den völlig degenerierten Umgang mit psychoaktiven Substanzen in unserer Gesellschaft. Ohne Sinn(lichkeit) und Verstand wandern Verbrennungsprodukte in die äußerst sensiblen Lungen – und schon während des Ausatmens wird auf die Industrie gemotzt, die keine Feinstaubfilter in die Diesel-PKWs einbaut. Und als ob es irgendein Problem lösen würde, greifen immer mehr Konsumenten zur Light-Zigarette, in der Hoffnung auf einen gesundheitlichen Vorteil. Nur langsam besinnen sich starke Raucher darauf, dass es auf dem Zigaretten-Markt auch einige wenige Marken gibt, die keine Beimischungen vornehmen.

Das politische System hat sich weitgehend darauf zurück gezogen mit Hilfe gesundheitlicher Argumente moralisch-symbolische Politik zu betreiben, nicht zuletzt, um die Steuerungsverluste in anderen Sektoren mit restriktiver Innen- und Sicherheitspolitik zu kompensieren. Von der Doppelmoral der nicht zweckgebundenen Tabaksteuer mal ganz abgesehen. Aus Sicht der Tabak-Hersteller ist der an sich gerichtete Vorwurf der steten Perfektionierung ihres Produkts ohnehin absurd – sie richten sich einfach nach den sonst so hochgelobten Marktmechanismen.

Gute Rauchware, mäßig genossen, könnte durchaus ein zu pflegendes Kulturgut sein, sie ist eben mehr als nur ein „Suchtmittel“. Sie kann als Abgrenzungsobjekt gegenüber Eltern, einer hochkontrollierten Gesellschaft oder als Zeichen von Emanzipation wirken, mehr noch, sie kann sogar als Abschussrampe aus dem gewohnten Zeit-Raum-Kontinuum dienen.

Aber die meisten Konsumenten unterwerfen sich dem Diktat einer Massenindustrie, die eine Droge perfekt optimiert hat, ohne über die angewendeten Verfahren noch die benutzten chemischen Zusatzmittel Auskunft geben zu müssen. Bei jedem Hühnerei kann man inzwischen verfolgen, woher es kommt, unter welchen Bedingungen das Tier gelebt hat und – vor allem – welche Inhaltstoffe dieses Ei zum gesunden Nahrungsmittel machen. Bei dem zerhackten und in Papier eingerollten Kraut ist weiterhin unklar, welche Substanzen in welchen Mengen vorhanden sind.

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Pilze. Ein Special.

HanfBlatt, November 2004

SPASS ATTACKS

Die Invasion der lachenden Pilze

Auf dem Planeten Erde wurden bis dato etwa 1700 Atombomben gezündet, einige davon überirdisch, Atompilze, mit der tausendfachen Sprengkraft von Hiroshima. Ist das lustig? Wohl kaum. Aber Politiker, die für dergleichen verantwortlich sind (,und für noch viel mehr,) erdreisten sich, spezielle Inhaltsstoffe zahlreicher frei und unvorhersagbar in der Natur spriessender Pilze zu verbieten und deren KonsumentInnen damit in die Kriminalität zu drängen. Dabei können diese „Lachenden Pilze“, wie eine Art im Japanischen genannt wird, bei ihren KonsumentInnen nicht nur Lachstürme über die Absurdität des Seins und Glücksgefühle in tiefer Verbundenheit mit dem Körper, sich selbst, der Schönheit und Energie des Natürlichen und Frohsinn im Vorstoß zu den Urgründen der Gemütlichkeit, hervorrufen, sondern auch tiefe persönliche Erfahrungen bis ins poppende spirituelle Mark hinein (erschütternd) katalysieren. In dieser Hinsicht stehen sie dem Lysergsäurediäthylamid nicht nach, auch wenn sie nur gerade mal halb solange wirken, sehr ähnlich, aber doch irgendwie ganz anders. Pilze

Pilze, die die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin enthalten, erfreuen sich eines außerordentlich guten Rufes. Ihr Konsum erlebt seit einigen Jahren einen enormen Boom. Vielleicht handelt es sich mittlerweile um die verbreitetste psychedelische Droge noch vor dem halbsynthetischen LSD. Pilze stehen für Natur. Viele KonsumentInnen entwickeln zu ihnen eine ganz persönliche Beziehung. Es ist schwer zuoft Pilze zu nehmen. Sie weisen selbst ein individuelles Limit. Man merkt, wann erst einmal wieder genug ist. Psychisch unvorbereitet eingenommene Pilze sind nicht unbedingt ein gelungener Partygag. Sind Cannabisspeisen schon bedenklich, weil schwer einzuschätzen und nicht für jederman gleichermaßen gut verträglich, kann eine ahnungslos verspachtelte Pilz(über)dosis zu einem Horrortrip mit panischen Ängsten werden und aus Verzweiflung im Krankenhaus enden, dem denkbar ungünstigsten Ort für den Ausklang einer danebengegangenen Seelenreise.

Psilocybin
Psilocybin

Körperlich sind Psiloc(yb)inpilze im allgemeinen gut verträglich. Es kann bei einigen Leuten zu Magenbeschwerden und Übelkeit kommen. In Einzelfällen wurde auch von Kreislaufproblemen berichtet. Man kann aber davon ausgehen, daß von den richtig identifizierten gängigen Psilos (, wie sie liebvoll genannt werden,) selbst in höheren Dosierungen keine gesundheitlichen Risiken für den Körper ausgehen. Die verspeisten Mengen wildgewachsener Pilze sind üblicherweise so gering, daß selbst Umweltschadstoffe kaum zur Geltung kommen dürften. Der Rahmen für die Einnahme der Psilos muß stimmen. In Mexiko werden sie rituell in Heilungszeremonien unter Anleitung einer Schamanin oder eines Schamanen eingenommen. Das sollte uns zu denken geben. Ungestörter Freiraum mit Selbstentfaltungsmöglichkeiten, freundliche natürliche Umgebung bei gutem Wetter, vertraute erfahrene Freunde usw. sind eine gute Basis für eine Pilzreise, auf der sich die Seele öffnen soll. Dann klappt´s nicht nur mit dem Nachbarn, dann kommt vielleicht auch der Spaß nicht zu kurz.

Allseits bekannt ist mittlerweile das alljährliche herbstliche Erscheinen der kleinen Spitzkegeligen Kahlköpfe (botanisch Psilocybe semilanceata) auf unseren Wiesen und Weiden. Selbst an städtischen Strassenrändern, auf Heuballen, an Bundeswehrschießbahnen und dergleichen mehr wurden sie gesichtet und gesammelt, versteht sich von selbst. Typischerweise aber sondiert der meist städtische Pilzjäger vom Auto aus das Terrain, während er im Schleichtempo durch wenig befahrene Seitenwege in der stadtnahen ländlichen Provinz tuckert. Diese Wiese, etwas geschützt am Waldesrand mit kurzem, teils verrottendem und büschelweise wachsendem Gras, leicht uneben, von friedlichen Kühen oder gar Pferden beweidet, ja, die könnte in Frage kommen. Einmal als spitzkegelhöffig entdeckte Biotope werden dann regelmäßig wieder aufgesucht, bis die Grundstücksbesitzer an jeder Seite der Koppel Verbotsschilder anbringen. So erging es zumindest einer beschaulichen verschachtelten stadtnahen Weide, der Heimstatt eines neugierigen Pferdes. Sie wurde Anfang der Achtziger Jahre, beim Besuch zweier an ihrem Rande gedeihender Hanfpflanzen mit einem grüneheckeguerillagrowenden Freund durch Zufall entdeckt und erlebte im nächsten Jahr, durch Mund zu Mund-Propaganda in der Vorstadt populär geworden und zum Volkspilzsammelplatz aufgestiegen, ihren Count down. Dabei hatten wir längst ein paar Feldwege weiter rund um einen Pfadfindergrillplatz eine bei weitem ergiebigere Wiese entdeckt. Und in Zukunft radelten wir mit eingezogenen Köpfen an dem gutbesuchten Ausflugsziel vorbei, auf daß uns keiner erkenne und etwa heimlich die Verfolgung aufnehme. Denn es ist ein Geschenk, eine besondere Ehre, wenn Dir jemand seine ganz spezielle Wiese zeigt. Aber man weiß ja nur zu gut, daß sowas gern mit gierigen Füssen getreten wird.

Wer einmal ausgiebig Spitzkegelige Kahlköpfe gemeinsam mit einem erfahrenen „Fachmann“ gesammelt hat, wird keine allzu großen Schwierigkeiten mehr bei der Identifikation dieser charakteristischen Zipfelmützen haben. Alle Pilze, bei denen auch nur der leiseste Zweifel an ihrer Identität besteht, werden selbstverständlich verworfen. Die spitzkegeligen Kahlköpfe gelten als relativ gleichbleibend hochpotent. Kleine Pilze sollen etwas potenter sein als die größeren. Bei Analysen getrockneter Pilze wurden Psilocybingehalte um die 1% ermittelt. Da Psilocybin verhältnismäßig beständig ist, lassen sich die Pilze getrocknet, luft- und lichtabgeschlossen zu 1 Gramm-Päckchen verpackt und tiefgefroren ohne allzu großen Wirkungsverlust bis zur nächsten Sammelsaison aufbewahren. Auf nüchternen Magen genommen ist eine Dosis von 0,2 bis 0,4 Gramm der getrockneten Pilze bereits emotional spürbar. Ab einer Dosis von etwa 1 Gramm werden die Effekte bereits recht intensiv und „farbig“. 2 bis 3 Gramm gelten als volle Dosis.

Darüberhinausgehend kann der Trip recht anstrengend werden. Die Kahlköpfe enthalten noch andere dem Psilocybin nahestehende Substanzen, wie Baeocystin und Norbaeocystin, die wahrscheinlich an ihrer spezifischen Wirkung beteiligt sind. Psilocybe semilanceata ist der wahre „King of the Koppel“. Aber paß auf, er kann dich zum „Fool on the Hill“ machen. Ein weiterer kleiner „Psilo“ unserer Grünflächen ist der Panaeolus subalteatus, zu deutsch Dunkelrandiger Düngerling. Sein Wirkstoffgehalt ist vergleichsweise gering. Die Vermutung, er würde „auch törnen“, führt bisweilen dazu, daß Laiensammler alle möglichen ähnlichen Düngerlinge oder irgendwie glockenförmig wachsenden Kleinpilze einsammeln und womöglich auch noch schlucken. Da empfiehlt das Männlein aus dem Walde: Finger weg, es lohnt sich nicht, Übelkeit und dergleichen zu riskieren, wenn man von Pilzen (noch) keine Ahnung hat. Andererseits steht der „Dunkelrandige“ im Ruf ruhiger und noch erotisierender als die durchgeknallten Kahlköppe zu wirken. Dosierungen ab 2,7 Gramm getrocknet auf leeren Magen sollen für einen entsprechenden Törn notwendig sein.

„MEXIKANISCHE PILZE“!

Psilocybin
Psilocybin

Mittlerweile werden auf manchen Goa-Openair-Parties psiloc(yb)in-haltige Pilze offen angeboten. Außerhalb dieser „Temporär Autonomen Zonen“ ist man auf Grund der unklaren Rechtslage noch nicht ganz so mutig wie in den Niederlanden. Der Inhaber des Amsterdamer Smartdrugshops „Conscious Dreams“ wagten es im Sommer 1994 als erstes, offen über den Ladentisch, gezüchtete Psiloc(yb)inpilze vom Typ Psilocybe cubensis zu verkaufen. Die Polizei ließ nicht lange auf sich warten. Die Sache ging vor Gericht. Dort wie hier sind die nahezu identisch wirkenden Inhaltsstoffe der Pilze Psilocin und Psilocybin nach dem Opium- bzw. Betäubungsmittelgesetz verboten, nicht aber ausdrücklich die Pilze. Dem Gerichtsurteil zufolge, werde der Wirkstoffgehalt der Pilze aber erst durch Trocknen so hoch konzentriert (, nämlich etwa um den Faktor 10 gegenüber frischen Pilzen), daß es sich um eine verbotene Ware handle. Prompt wurden nur noch die frischen Pilze verkauft. Gerade Freitags herrschte Hochbetrieb im Laden. Dezente braune Papiertüten beherbergten eine gute Portion von 30 Gramm frischen Psilocybe cubensis zu 25 Gulden, auf daß es ein beschwingtes Wochenende würde. Die auf Touristen orientierten Headshops der Amsterdamer Innenstadt zogen nach. Sie boten allen Unkenrufen zum Trotz getrocknete Pilze an. Ein unglaublicher Boom setzte ein. Mittlerweile hat fast jede holländische Kleinstadt Shops, bei denen ethnobotanische Kräuter und energetisierende Aminosäurepräparate im Vergleich zum Pilzumsatz eher eine untergeordnete Rolle spielen. Viele Leute kamen auf die Idee sich selbst zu versorgen. So nahmen zahlreiche Growshops Pilzzuchtzubehör mit in ihr Programm auf. Es entstanden auch ausschließlich auf Pilzzuchtzubehör spezialisierte Läden. Ungeduldige können sich dann die frischen und mittlerweile auch wieder die getrockneten Pilze gleich mitnehmen. In der Schweiz hat es nun vor kurzem ein Gerichtsurteil gegeben, demnach dort Psilos in keiner Form illegal seien. Ja, in der Schweiz, in der Schweiz, tausche Psilos gegen Nazi-Gold. Traut man sich dagegen in der BRD aus Angst vor der Konfrontation mit den Justizbehörden (noch?) nicht die Pilze selbst zu verkaufen, so handeln doch zahlreiche deutsche Growshops und Händler ethnobotanischer Spezialitäten bereits mit dem entsprechenden Zubehör und schon von Mycel durchwachsenen Anzuchtboxen, bei denen nicht mehr ganz so viel schief gehen kann. Der Anbau von Psilos ist nämlich nicht gerade einfach und muß unter kontrollierten hygienischen Bedingungen erfolgen.

PSILOCYBIN

Die für die Zucht beliebteste, in subtropischen und tropischen Gebieten der ganzen Welt auf Rinder- und Büffelkacke gedeihende (und zum Beispiel Thailand-Reisenden von den Inseln Koh Samui und Koh Phangan bekannte) Art ist die oben erwähnte Psilocybe cubensis (früher auch Stropharia cubensis genannt). Obwohl die hier gehandelten Pilze dieser Art so gut wie nie aus der freien Wildbahn, geschweige denn aus Mexiko stammen, sondern praktisch immer laborartig gezüchtet wurden, werden sie häufig als „mexikanische“ angepriesen und verkauft. Sie hatten lange Zeit den Ruf besonders potent zu sein. Dies stimmt jedoch so nicht. Ihr Wirkstoffgehalt kann starken Schwankungen unterworfen sein, selbst von Pilz zu Pilz. Es gibt diverse Zuchtlinien. Die meisten sind nicht allzu potent. Auch liegt ein Teil der Wirkstoffe als leicht zerfallendes Psilocin vor. Das bedeutet meist einen deutlichen Potenzverlust durch Trocknung und Lagerung. Wer die erforderlichen hygienischen Voraussetzungen einer Cubensis-Zucht meistert, kann große Mengen dieser zu ziemlichen Größen heranspriessenden Pilze ernten. Sie dominieren deshalb den Markt, zumal sie auch geschmacklich und magentechnisch als recht verträglich gelten. Cubensis wird üblicherweise höher dosiert als die Kahlköpfe. In den Niederlanden gelten 3 Gramm getrocknete, entsprechend etwa 30 Gramm frischen Pilzen als eine gute Dosis. 5 bis 6,5 Gramm der getrockneten „Superburschis“ sollen für einen extremen Abflug garantieren.

„HAWAIIANISCHE PILZE!“

Psilocin
Psilocin

Eine weitere gezüchtete Pilzart ist seit einiger Zeit in den Niederlanden recht beliebt: Panaeolus cyanescens, früher auch Copelandia cyanescens genannt. Es handelt sich um eine kleine blauende Pilzart vom Typ der Düngerlinge, deren natürliches Verbreitungsgebiet sich keineswegs nur auf Hawaii beschränkt, sondern über weite Gebiete der Tropen und Subtropen erstreckt und mit dem des Cubensis überschneidet. Auf Bali wurde sie Touristen in psychedelischen Omelettes serviert. Sie gilt als besonders potent, was nicht unbedingt von allen veröffentlichten Analysen bestätigt wird. In den Niederlanden werden 20 Gramm der frischen Pilze als volle Dosis veranschlagt, für die dann meist dasselbe wie für das 30 Gramm-Cubensis-Äquivalent bezahlt werden muss. Immer neue teilweise in der Natur sehr seltene Arten erobern das Herz der Züchter. Zum letzten Schrei gehört die aus den USA stammende Psilocybe azurescens. In einzelnen Exemplaren wurden laut einer aktuellen Analyse ein Wirkstoffgehalt von insgesamt über 2 % auf die Trockenmasse ermittelt. Dies würde die obigen Sorten im Schnitt um mindestens das Doppelte übertreffen. Die Amis nennen sie „Flying Saucers“, „Fliegende Untertassen“. Vielleicht wird der Tag, an dem Du sie nimmst, „der Tag, an dem sie Kontakt aufnahmen“.
PSILOCIN

Gibt es eine einfach zu ziehende, fast von selbst, womöglich noch auf Holzspänen im eigenen Garten spriessende und reichlich fruchtende Art, die den Laborgezüchteten auch in der Potenz nicht allzusehr nachsteht? Naja, wer so fragt… Natürlich, die gibt es! Gestatten, Psilocybe cyanescens (, früher auch Hypholoma cyanescens genannt). Sie gedeiht gut auf allem möglichen verwesenden pflanzlichen Material, zum Beispiel an Flußufern und selbst auf früheren Müllhalden oder auf Holzstückchen in Rhododendronparks. Möglicherweise wurde sie irgendwann einmal aus den USA eingeschleppt. Sie kann praktisch guerillaartig an unauffällige Standorte in der Natur verbracht werden. Aber ein kleiner Dämpfer muß sein: Pilze sind schwer berechenbar, ihr Wachstum von vielen Umweltfaktoren abhängig, so daß es sein kann, daß vielleicht in einem Jahr fast überhaupt keine, in einem anderen Jahr Unmengen Pilze aus dem Boden schiessen. Vielleicht geht das Mycel (,der faserige unterirdische Teil, der den eigentlichen „Pilz“ darstellt,) auf Grund irgendwelcher Bedingungen zu Grunde oder der Wirkstoffgehalt der als Fruchtkörper sich aus dem Mycel entwickelnden Pilze ist plötzlich nur verschwindend gering. Je kontrollierter die Bedingungen ausfallen unter denen Mycel und Pilze wachsen, desto abschätzbarer und vor allem steigerbarer werden sowohl Potenz als auch möglicher Ertrag. Aber es kann gerade im Freien vieles dazwischen kommen. Das weiß auch jeder, der regelmässig einen bestimmten Pilzstandort in der Natur aufsucht. Bei den „Psilocyanos“ erweist sich auch, wie abhängig der Wirkstoffgehalt von der gewählten Sorte ist. Spezielle aus den USA stammende Zuchtsorten sollen zu den stärksten Psilos überhaupt gehören. 1 Gramm dieser getrockneten Powerpakete entspräche etwa 5 bis 6 Gramm durchschnittlicher Psilocybe cubensis! Wildwachsende einheimische Psilocyanos fallen, so sie denn überhaupt mal in der freien Flur entdeckt werden, lange nicht so extrem aus. Wie problematisch es sein kann, bestimmte wildwachsende Psilos von ihren unwirksamen oder gar toxischen Verwandten zu unterscheiden, zeigt die recht seltene, sich aber bei uns immer weiter in Richtung Westen ausbreitende, potente Art Inocybe aeruginascens, von der vor nicht allzu langer Zeit voller Begeisterung die Rede war, da ein Trip mit ihr aufgrund eines zusätzlichen Wirkstoffes („Aeruginascin“) von einer besonders euphorischen Note geprägt sein sollte. Sie ähnelt leider einer Reihe anderer giftiger Inocyben, die selbst vom Fachmann nur schwer zu unterscheiden sind. Wer also kein unnötiges Risko eingehen will, sollte sich sowieso generell vor und nach dem Sammeln ausführlich in der Fachliteratur informieren und sich von Kennern beraten lassen. Besser isses.

AZ

P.S.
Anne Stephanos vom Zauberpilzblog hat mich auf eine schöne Ergänzung zum Artikel aufmerksam gemacht. Sie weist darauf hin: „Hauptsächlich überliefert ist der Gebrauch psychogener Pilze von Mittel- und Südamerikanischen Schamanen. Für diese indigenen Kulturen waren die Zauberpilze das „Fleisch der Götter“ und eine hochheilige Angelegenheit – man berauschte sich damit nicht zu hedonistischen Zwecken wie heute junge Menschen im Westen. Die Sakraldroge wurde gezielt eingesetzt, um Visionen oder Heilungen zu ermöglichen.“ Quelle: http://zauberpilzblog.net/blog/2016/10/24/kulturgeschichte-psychogener-pilze-zusammenfassung-bisheriger-forschung/  Wer regelmäßig mehr über Zauberpilze erfahren möchte, dem kann ich Annes Blog nur ans Herz legen.

 

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Engelstrompeten und andere Nachtschattengewächse

HanfBlatt, Mai 2004

Fasziniert starrte ich auf die herrliche weisse Blüte umgeben von violettblauer Dunkelheit einen sichtbaren Duft in diese düstere Sphäre ausströmend, der zugleich Botschaft ihrer Potenz, ihrer pflanzlichen magischen Seele zu sein schien. Der ecuadorianische Meister, der dieses schlichte ultimative Porträt einer einzelnen Engelstrompetenblüte gemalt hatte, wusste sehr wohl, welch mächtigen Geistes diese von den indianischen Kulturen mit höchstem Respekt behandelte Wesenheit ist. Die Erinnerung an die Begegnung lebt.

Hyoscyamus Kasbeg Georgien
Hyoscyamus am Kasbeg in Georgien

Auf der anderen Seite des grossen Ozeans regiert in puncto Engelstrompeten anscheinend die Dummheit. Das Sommerloch schreit nach Sensationen. Nachdem mehrere Vergiftungen Jugendlicher durch unvorsichtig und überdosiert eingenommene Pflanzenteile des Stechapfels und der sowohl botanisch als auch vom Wirkstoffgehalt nahe verwandten Engelstrompete bekannt wurden, griffen die Geschichtenverkäufer von BILD bis SPIEGEL und von RTL bis SAT 1 das Thema in gewohnt reisserischer Weise auf. Unter absurden, nichts abgrenzenden, alle Assoziationen offenlassenden Wortschöpfungen wie „Biodrogen“ (Spiegel) oder auch „biogenen Suchtdrogen“ (Der Nervenarzt) wurde die Panikwerbetrommel für das Phänomen des Konsums heimischer Rauschpflanzen, der „Drogen aus dem Blumenbeet“ als „neuer Modedrogen“ der „Pflanzenjunkies“ gedreht. „Ihr Revier: Botanische Gärten!“ (SAT 1) Was im „Pflanzenrausch“ (Medical Tribune) geschieht? Natürlich glauben mal wieder viele sie könnten fliegen (Spiegel). Wahrscheinlich fliegen sie dann in Schwärmen an den Fenstern vernebelter Redaktionsräume vorbei. Besonderes Augenmerk wurde diesmal auf die von unseren Vorfahren in traditionellen Kontexten ehrfurchtsvoll genutzten und seit der Zeit der christlichen Hexenverfolgung als „teuflisch“ denunzierten Nachtschattengewächse gelegt. „Drogenpilze“ fanden diesmal eher beiläufig Erwähnung. Vielleicht weil sie keine guten Garanten für einen „Horrortrip durch Biodrogen“ (SAT 1) sind.

 Büschel-Bilsenkraut-Physochlaina-orientalis
Büschel Bilsenkraut Physochlaina-orientalis, Hamburg 2016

Zu Ehren kam dagegen bei SAT 1 die gute alte Bananenschale, deren angebliche Wirksamkeit ein Gag der kalifornischen Spassguerilla der 60er Jahre war und schon damals wiederlegt wurde. So stand der „akte 2000“-Moderator neben einem Haufen Bananen und faselte davon, „wer es schafft, Bananenschalen zu rauchen, steht vor dem Horror-Trip seines Lebens“. Da fragt man sich doch unwillkürlich, was pfeifen die sich da eigentlich in den Studios rein? Wahrscheinlich zuviel Kaffee…Das wäre ja alles amüsant, wenn es nicht einerseits Leute geben würde, die den propagandistischen Blödsinn, der dort verzapft wird, tatsächlich glauben, und dadurch im Umgang mit diesen Pflanzen und deren Freunden gelinde gesagt verunsichert werden, und andererseits potentielle jugendliche Konsumenten erst neugierig gemacht werden. Die Verteufelung von allem was knallt ausser Alkohol, ist wohlbekannt und funktioniert immer nach demselben Schema. Jugendliche glauben soetwas schon lange nicht mehr. Sie sehen zwischen den Zeilen den neuen kostenlosen Törn. Nur in diesem Fall bestehen tatsächlich vergleichsweise hohe Risiken!

Sechsklappige Datura stramonium Kapsel Schwanheimer Dünen Frankfurt Hoechst November 2008
Sechsklappige Datura stramonium Kapsel, Schwanheimer Dünen, Frankfurt Hoechst, November 2008

 

Vorkommnisse, bei denen Jugendliche unüberlegt viel zu hohe Dosen von tropanalkaloidhaltigen Nachtschattengewächsen eingenommen hatten und halluzinierend und desorientiert in Krankenhäuser eingeliefert wurden, hat es wie gesagt gegeben. Traurig ein Fall, bei dem 1997 ein junger Mann in Frankfurt nach Einnahme von Engelstrompetenblüten  unerkannt von den ebenfalls berauschten und verwirrten Freunden im Main ertrank. Zurecht muss deshalb vor der uninformierten Einnahme dieser bizarren und reizvollen Gewächse gewarnt werden! Zu ihnen gehören die bei uns vielerorts wild gedeihende Tollkirsche (Atropa belladonna; ich habe sie sogar auf  Schul- und Kindergartengeländen gesehen!), das erheblich seltenere Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), der Ödland, Böschungen und Feldraine liebende und bisweilen in grossen Populationen auftretende Stechapfel (Datura stramonium), die selten z.B. in botanischen Gärten angepflanzten, aber im Kräuterpflanzenhandel erhältlichen Alraunen (Mandragora ssp.) und die Tollkräuter (Scopolia ssp.), sowie die überaus prächtigen als Kübelpflanzen sich zunehmender Beliebtheit erfreuenden Engelstrompeten (Brugmansia ssp.) und weitere exotische Stechapfelarten (Datura metel u.a.). Die in zahlreichen Formen mit den unterschiedlichsten Blüten aus den südamerikansichen Anden von Kolumbien und Ecuador stammenden teilweise bis zu mehreren Metern hoch und viele Jahre alt werdenden Engelstrompetensträucher sind wohl die am einfachsten zugänglichen psychoaktiven Nachtschattengewächse. Ihrer Schönheit haben sie es zu verdanken, dass sie an vielen Orten der Welt zur Zierde gepflanzt werden. In manchen tropischen Bergregionen haben sich riesige Populationen verwilderter Pflanzen gebildet, so z.B. auf Bali oder in den südindischen Palani-Bergen. Jungpflanzen werden bei uns im Frühjahr selbst in Supermärkten gehandelt, Samen gibt es in jeder Blumensamenhandlung. In den Gärten sind die Pflanzen ob ihrer Blütenpracht im Spätsommer nicht zu übersehen. Selbst in Kübeln auf dem Kuhdamm nahmen sie passiv an der Love-Parade 1993 teil. Eine sehenswerte berühmte Sammlung sehr alter, grosser und auch fruchttragender Sorten befindet sich in den Herrenhäuser Gärten in Hannover. Das gibts nur einmal…

Gelb blühende Mandragora officinarum, 2016

Was beachten Afficionados, die allen Unkenrufen zum Trotz, darauf beharren, ihre Befindlichkeit durch diese potenten Heilpflanzen zu verändern?

Alle erwähnten Nachtschattengewächse enthalten eine Gruppe von Tropanalkaloiden. Die Mischungsverhältnisse und Konzentrationen dieser psychoaktiven Wirkstoffe schwanken nicht nur zwischen den Arten, sondern auch von Pflanze zu Pflanze und von Pflanzenteil zu Pflanzenteil, teilweise um ein Vielfaches! Dies erschwert eine zielgerechte Dosierung, macht sie aber nicht unmöglich. Bei Analysen von Engelstrompeten waren die Samen am wirkstoffhaltigsten. Die Blüten waren erheblich potenter als die Blätter; aber darauf gibt es keinen Verlass! Es wird also das genau abgewogene getrocknete Rohmaterial zu einem einheitlichen Produkt verarbeitet, also z.B. ein alkoholischer Extrakt oder eine Salbe hergestellt oder das Pflanzenmaterial einfach zu einem einheitlichen Pulver verrieben. Dieses Produkt wird dann in klar abgemessenen Dosierungen eingenommen, äusserlich aufgetragen, geraucht oder geräuchert. Begonnen wird mit möglichst niedrigen Dosen, beispielsweise mit 0,1 Gramm der getrockneten Blätter, Blüten oder Samen oder einem entsprechenden Äquivalent der Zubereitungen.

Die Aufnahme der Wirkstoffe wird stark verzögert, wenn man z.B. ganze Samen schluckt. Sie kommt in der Regel deutlich schneller, wenn man einen Tee oder einen alkoholischen Extrakt trinkt oder etwa die Samen gut zerkaut. Relativ prompt wirkt der inhalierte Rauch. Hat man vorher gegessen, dauert es bis zur Wirkungsentfaltung oral aufgenommener Produkte natürlich länger. Da manchmal mehrere Stunden bis zur Entfaltung der vollen Wirkung vergehen können, übt man sich in Geduld und dosiert auf keinen Fall gleich nach. Sollte die Wirkung zu schwach sein, läßt man sich mehrere Tage Zeit bis zur nächsten Gelegenheit. Überhaupt kann sich die Wirkung der Alkaloide bei wiederholter Einnahme soweit kumulieren, dass eine Dosis überschritten wird, die schliesslich heftigere Reaktionen zur Folge hat, als ursprünglich beabsichtigt und erwartet.

Gelbblühende Hladniks Tollkraut, Scopolia carniolica Jaco. ssp. hladnikiana, aus Slowenien in Hamburg, 2009
Gelbblühende Hladniks Tollkraut, Scopolia carniolica Jaco. ssp. hladnikiana, aus Slowenien in Hamburg, 2009

Unkontrollierbare Rauschzustände mit starken körperlichen Nebenwirkungen und real erscheinenden „echten“ Halluzinationen mit dem Risiko selbst oder andere gefährdenden Verhaltens sind die grösste Gefahr bei Einnahme von Nachtschattengewächsen. Sie gelten dem schlaueren Teil der Nachtschattenfreunde als zu vermeidendes Übel, das allenfalls tränierten Schamanen vorbehalten sein sollte. Andere dagegen suchen aus oft törichter Abenteuerlust diese Zustände und sind auch nicht mit guten Worten davon abzuhalten. Diesen kann man jedoch auf den Weg geben, dass immer mindestens eine erfahrene und kräftige Vertrauensperson mit guten Nerven, sowie sehr viel Zeit und Geduld dabei sein sollte, die die Situation im Auge behalten, auf das Verhalten der Beteiligten, wenn angebracht, mässigenden Einfluss ausüben und notfalls unverzüglich Hilfe herbeiholen kann. Dieser oder diesen Personen gebührt dann entsprechender Dank. Nie sollte man sich allein einem starken Nachtschattentrip hingeben, es sei denn man befindet sich in einer gemütlichen Gummizelle oder sonst einer schützenden Umgebung.

Bevor Nachtschattengewächse eingenommen werden, wird gründlichst überlegt, ob sich die Einnahme in Anbetracht zahlreicher meist als eher unangenehm erlebter Wirkungen überhaupt lohnt. Starke Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, erhöhte Köroertemperatur, trockene Haut, erweiterte Pupillen, dadurch bedingte Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühle, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Schlafstörung, Benommenheit, Koordinationsstörungen, Erschöpfung, Lähmungsgefühle bis hin zur Paralyse und dergleichen gehören zu den Begleiterscheinungen die mit zunehmender Dosis verstärkt auftreten und das Ganze schnell fragwürdig erscheinen lassen. Deliröse Zustände mit düsteren, erschreckenden und zu Fehlverhalten animierenden, nicht kontrollierbaren Halluzinationen bei hohen Dosierungen können das vermeintliche Abenteuer zum Alptraum werden lassen. So eine Vergiftung kann mehrere Tage dauern! Einen derartigen Trip beschreibt z.B. der norwegische Kultautor Ingvar Ambjörnsen („Weisse Nigger“) anschaulich in seinem Roman „Sarons Haut“. Nicht selten treten rückwirkend in Bezug auf den Rauschzustand Erinnerungslücken auf und machen die Erfahrung damit de facto überflüssig und unnötig riskant.

Wilder Wermut Artemisia absinthium am Selim-Pass, Armenien, September 2017
Wilder Wermut Artemisia absinthium am Selim-Pass, Armenien, September 2017

Obendrein können tödliche Vergiftungen vorkommen! Menschen mit gesundheitlichen Problemen wie Herz-Kreislaufstörungen unterliegen einer stark erhöhten Gefährdung. Die Einnahme von Tollkirschen ist auf Grund ihres Wirkstoffprofils in dieser Hinsicht besonders riskant!

Bei hohen Dosierungen oder Dauergebrauch wurden bisweilen anhaltende psychische Störungen beobachtet. Dies ist der Grund, warum in Kulturen mit traditionellen Gebrauchsriten die Einnahme und überwachte Vergabe meist nur sehr erfahrenen schamanischen Heilern vorbehalten bleibt!

Das Problem im Umgang mit den tropanalkaloidhaltigen Nachtschattengewächsen sind letztlich nicht die Heilpflanzen selbst, sondern die durch jahrhundertelange christliche Verfolgung verlorengegangenen risikomindernden Umgangsformen mit diesen hochwirksamen Naturgeschenken. Die richtigen Umgangsformen vorsichtig und respektvoll wiederzubeleben oder auch neu zu erlernen, das ist die Aufgabe, der die Freunde der bewusstseinsverändernden Kräfte der Engelstrompeten, der stechenden Äpfel und der tollen Kirschen gegenüberstehen.

Angeblicher Liebesapfel - die Frucht der Alraune
Angeblicher Liebesapfel – die Frucht der Alraune

Lassen wir zum Abschluss einen gelegentlichen Konsumenten niedriger Dosen psychoaktiver Nachtschattengewächse zu Worte kommen; nennen wir ihn „Larry Lotter“:

„Kleine Mengen, das heisst ein viertel bis ein Blatt vom Stechapfel, der Engelstrompete oder dem Bilsenkraut geraucht oder 5 bis 15 Stechapfelsamen bzw. 1 bis 4 Engelstrompetensamen gut durchgekaut erzeugen bei mir ein Gefühl von etwas stumpfsinniger, aber humoriger Entspannung, manchmal auch eine erhöhte Sinnlichkeit oder einen gewissen magischen unvorhersehbaren Aspekt in der Wahrnehmung, der mit Hanf sehr gut harmoniert und sich potenziert. Nicht umsonst sind Stechapfel und Hanf die Pflanzen des Rauschgottes Shiva. Diese Kombination verstärkt aber auch die Mundtrockenheit und kann eine Art Kater am nächsten Tag bewirken. Man muss sich sehr vorsichtig an die individuell verträgliche Dosis herantasten! Erquicket Euch an dem Anblick dieser faszinierenden Geschöpfe. Lasset Euch von ihrem Duft betören. Lauschet den Engelstrompeten!“

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BUCHTIPS:

Ulrike und Hans-Georg Preisse
„Engelstrompeten. Brugmansia und Datura“
Stuttgart, Ulmer 1997
141 S., geb., Großformat, zahlreiche Farbfotos
ISBN 3-8001-6614-3

Wunderbar illustriertes Grundlagenwerk für jeden an der Züchtung dieser Schönheiten zu Zierzwecken Interessierten.

Monika Gottschalk
„Engelstrompeten. Die schönsten Sorten. Pflegen. Überwintern. Vermehren.“
München, BLV 2000
95 S., zahlreiche Farbfotos
ISBN 3-405-15760-9

Reich illustriertes, liebevoll gemachtes, praxisnahes und preiswertes Einsteigerwerk für den von der Schönheit der Brugmansien Faszinierten. Enthält auch Bezugsquellen.

Atropa Belladonna Tollkirschenblüte
Atropa Belladonna Tollkirschenblüte

 

Frische-Alraunensamen
Frische Alraunensamen

 

 

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Schlafmohn – Papaver somniferum

Eine alte Nutzpflanze

HanfBlatt 3/2004

Assoziiert mit Schlaf, Traum und Tod, betäubungsmittelrechtlich strengstens verboten, wie sonst nur die exotische Kokapflanze oder der geliebte Hanf, gedeiht der Schlafmohn (botanisch Papaver somniferum) alle Sommer wieder in bundesdeutschen Gärten. Begeben wir uns nur einmal auf ein simples Schlafmohn-Spotting, so entdecken wir die Drogenpflanze als illegale Zierpflanze prächtig gedeihend in zahlreichen Gärten, ob in Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen oder Bayern. Eine Kleingartensiedlung in Lüneburg verblüffte letztes Jahr dadurch, da§ praktisch jeder zweite Garten mitmachte und selbst der Kinderspielplatz mit Schlafmohn eingefriedet worden war. Verwildert finden wir ihn am Ostseesteilufer und an Böschungen in Autobahnnähe ebenso wie in einem Botanischen Garten, wo er sich über weite Areale verbreitet hat. Die frisch geschnittenen grünen Kapseln wurden von Floristen auf dem Kuhdamm in Berlin oder auf Märkten in Frankfurt verkauft. Getrocknete, noch unbehandelte (das heißt noch nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Essigsäure extrahierte und des Morphins beraubte) aber oftmals in ihren Herkunftsländern bereits geritzte Köpfe, werden nach wie vor zu Dekozwecken oder in der Friedhofsgärtnerei zur Winterszeit angeboten.Die Samen wurden, obwohl der Anbau strengstens verboten ist, in offiziellen Samentütchen am Münchner Viktualienmarkt gehandelt. Sie sind auch, oft noch gut keimfähig, als Gewürz und zum Backen erhältlich.

Kaum jemand scheint sich der Strenge des Schlafmohnverbotes bewusst zu sein. Es ist ein Verbot, das praktisch nicht durchgesetzt wird. Viele Normalbürger könnten über die Durchsetzung dieses absurden Gesetzes kriminalisiert werden. Ein Spaß, der die ein oder andere Anzeige vielleicht wert wäre. Aber Scherz beiseite: Ziel sollte natürlich die Entkriminalisierung des Umgangs mit diesem über Jahrtausende die Menschheit begleitenden Attributes der Hera und der Aphrodite sein.

Der Schlafmohn ist eine wunderschöne einjährige Blume, nicht zu verwechseln mit dem wildwachsenden roten Klatschmohn (Papaver rhoeas) und dem mehrährigen zur Zierde angepflanzten orange oder rotblühenden Türkenmohn, auch Orientalischer Mohn (botanisch Papaver orientale oder Papaver bracteatum) genannt. Diese enthalten kein Morphin oder ähnlich begehrte Alkaloide.

Schlafmohn ist in unserem Klima tatsächlich leicht zu ziehen, sogar auch in Mittelgebirgslagen. Er benötigt viel Sonne, aber weniger Hitze. Zu Beginn des Wachstums wird Phosphor benötigt, Stickstoff später. Düngung erwies sich als ertragssteigernd. Er wird meist im April leicht bedeckt in wärmeren, nährstoffreichen Boden in gutem Humus- und Kulturzustand gesät und benötigt zur Keimung ein bis zwei Wochen. Zum Keimen und im frühen Wachstumsstadium ist ausreichend Feuchtigkeit erforderlich, zur Blüte weniger, zur Kapselentwicklung noch weniger und zur Reife Trockenheit. Die Keimlinge werden ausgedünnt durch Auszupfen der Nachzügler, sobald sie sich gegenseitig bedrängen, damit sich lieber weniger Pflanzen zu ausreichender Größe entwickeln können, als dass viele Pfänzchen mickrig bleiben. Auch Unkraut wird entfernt. Krustenbildung des Bodens wird durch Hacken verhindert. Die Blüte erfolgt meistens Ende Juni, Anfang Juli, kann sich im Einzelfall bei großüchsigen Sorten auch bis Anfang August rauszögern. Die Knospen richten sich erst kurz vor der Blüte auf und öffnen sich ziemlich abrupt. Schon nach ein bis zwei Tagen fallen die Blüenblätter ohne zu Welken ab. Die Blüte des Mohnbestandes zieht sich vielleicht ein bis zwei Wochen hin, abhängig von der Zahl der Seitentriebe. Die Kapseln reifen in etwa vier bis sechs Wochen aus.

Der Schlafmohn blüht weiß, violett, rot oder in Mischungen dieser Farben. Seine Blüten sind einfach, geschlitzt oder gefüllt. Manche Sorten bilden nur zwei bis drei Bläten und Köpfe aus, manche vier bis sechs und mehr. Die Mohnköpfe oder Samenkapseln sind rund, tonnenförmig, birnenförmig oder länglich geformt. Eine besonders kuriose Form wird „Henne mit Küken“ genannt und weist an jeder großen Kapsel zahlreiche kleine Seitenableger auf. Es gibt zwergwüchsige Pflanzen, aber auch Exemplare mit einem Blütendurchmesser bis 16 cm und einem Höhenwachstum bis 140 cm. Es gibt frühreifende Sorten mit einer Vegetationsdauer von etwa 90 Tagen, aber auch spätreifende. Die schmackhaften Samen sind bläulich, grau, wei§ oder bräunlich gefärbt. Es gibt eine Variante, deren Kapseln sich beim Trocknen öffnen, so da§ die Samen herausrieseln, der sogenannte Schöttmohn. Logischerweise beliebter ist die geschlossen bleibende Variante, der Schließmohn.

Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien - Kopie
Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien

 

In vielen Ländern wird der Schlafmohn nämlich in erster Linie wegen der leckeren nahrhaften Samen angebaut, die wir von Mohnbrot, -brötchen, kuchen, -pudding usw. kennen. Selbst wenn die getrockneten Mohnköpfe zur Alkaloidextraktion (Morphin und andere) oder das Ritzen zur Opiumgewinnung im Vordergrund stehen, bilden die Samen ein begehrtes Nebenprodukt. Sie enthalten etwa 45 bis 50 % eines hochwertigen (Speise-) Eis , au§erdem knapp 25 % Proteine mit fast allen wichtigen Aminosäuren außer Tryptophan, au§erdem Kohlehydrate und Mineralstoffe, insbesondere Calcium (5-6%) und Eisen (0,8-0,9%), sowie Spuren von Alkaloiden, die einen empfindlichen Urintest opiatpositiv erscheinen lassen können.

Aber zurück zu den sortenabhängigen erblichen Eigenschaften des Schlafmohns. Sie sind Ausdruck der Zucht durch den Menschen. Auch der maximale Wirkstoffgehalt, insbesondere der des Morphins, scheint genetisch vorgegeben zu sein. Seine Ausprägung unterliegt aber stark den klimatischen Bedingungen und Umweltfaktoren unter denen der Schlafmohn wächst. So ist der Morphingehalt beispielsweise in warmen Sommern höher. Regen während der Kapselreife verringert ihn. Hierzu wurden in den Fünfziger und Anfang der Sechziger Jahre in der ehemaligen DDR und anderen Ostblockländern eine Reihe von Studien durchgeführt.

Was vielen Menschen nicht bekannt ist, ist die Tatsache, daß auch der bei uns in Deutschland gedeihende Mohn ein hochwertiges Ritzopium liefern kann. Es wurden bei Anbauversuchen in Deutschland zwischen 7 und 30 mg getrocknetes Rohopium (4% Wassergehalt) pro Kapsel geerntet mit einem durchschnittlichen Morphingehalt von 15,5 %!. Bei anderen Versuchen waren Gehalte zwischen 16 und 20 % Morphin (bei Spitzen um die 22 %) nicht ungewöhnlich. Unverschnittenes Schwarzmarktopium aus den bedeutsamen Schlafmohnbauländern (Goldener Halbmond, das hei§t Afghanistan, Pakistan und Nachbarländer, Goldenes Dreieck, was für Burma, Laos und Thailand steht, Libanon, sowie Mexiko und Kolumbien) enthält oft nur vergleichsweise niedrige Gehalte von deutlich unter 12 %. Aus dem Großteil dieses Opiums wird allerdings Morphin extrahiert und auf chemischem Wege in Heroin umgewandelt, für das ein viel größerer Markt besteht. Nur wenig Schwarzmarktopium gelangt zum Beispiel durch iranische Geschäftsleute oder direkt aus Afghanistan oder über Ru§land nach Deutschland. Wenn es mal erhältlich ist, werden Preise zwischen 10 und 20 DM, teilweise hoch bis 40 oder gar 70 DM pro Gramm verlangt und auch bezahlt. Es hat einen erstaunlich guten Ruf, selbst bei Leuten, die von sich behaupten, Heroin niemals anrühren zu wollen. Die auch dem Konsum von Opium inhärenten Risiken, insbesondere das tödlicher Überdosierung und das einer Abhängigkeitsentwicklung, rechtfertigen eine mythische Höherstellung des Opiums nicht.

Zur Opiumgewinnung werden die ausgewachsenen noch grünen Kapseln, frühestens nach acht bis zehn Tagen, in unseren Breiten eher zwei bis drei Wochen nach Abfallen der Blütenblätter oberflächlich so geritzt, dass möglichst viele der in Kettengruppen im Parenchymgewebe der grünen Kapseln konzentrierten Milchröhren angeschnitten werden und der wei§e Milchsaft austreten kann, ohne dass er ins Innere der Kapsel fließt und damit verloren geht und auch die Samenernte beeinträchtigt. Deshalb sind dickwandige Kapseln für das Opiumritzen besser geeignet. Dafür werden Messser mit rasiermesserscharfen Klingen verwendet und eine wohlgelernte Ritztechnik. Den richtigen Erntezeitpunkt zu erkennen ist eine auf Erfahrungswerten beruhende Kunst für sich. Geritzt wird üblicherweise nachmittags und zwar senkrecht, waagerecht oder spiralförmig. Kurze Schnitte werden bevorzugt, wenn mehrmals geritzt werden soll, lange umfassende Schnitte bei einmaliger Ritzung. Der Ertrag und der Morphingehalt der folgender Ritzungen verringern sich. Der austretende noch dünnflüssige Milchsaft kann gleich eingesammelt werden, um ihn vor Regen, Licht und Hitze geschützt zu trocknen. 1 Gramm frische Milch ergab im experimentellen Anbau bei Darmstadt etwa 0,34 g getrocknetes Opium. Oder man lässt den Milchsaft über Nacht dickflüssig und braun werden, um ihn dann am nächsten Morgen mit einem stumpfen Werkzeug abzuschaben und in ein Gefäß oder auf einem Mohnblatt für die weitere Verarbeitung und Trocknung abzustreifen.

Wie arbeitsaufwendig die Opiumernte ist, zeigen Versuche in der ehemaligen DDR. Eine Person konnte in einer Stunde durchschnittlich 200 Kapseln ritzen und nur 100 Kapseln abschaben. Bei einem Ertrag von etwa 40 bis 50 mg noch recht wasserhaltigen Opiums (20 bis 30 %) pro Kapsel wurde eine für die Gewinnung von 100 Gramm Rohopium erforderliche Arbeitsleistung von 31 Stunden errechnet. In der sogenannten Dritten Welt wird da wohl fixer gearbeitet und zwar für viel weniger Lohn. So rentiert sich die Opiumgewinnung zu medizinischen Zwecken bei uns schon lange nicht mehr, und wir profitieren mal wieder von der Armut der anderen. (Was die Opiumgewinnung für medizinische Zwecke betrifft, ist Indien der Hauptlieferant.)

Welche Teile der Pflanze enthalten Morphin?

Die gesamte Pflanze enthält Morphin. Dieses konzentriert sich in den Milchröhren der Pflanze, die sich wiederum besonders dicht in den oberen Pflanzenteilen, insbesondere in den Wänden der durchschnittlich etwa 3 bis 4 cm hoch werdenden Kapseln entwickeln. So weisen der obere Stengelabschnitt und die ausgewachsenen noch unreifen grünen oder bereits gereiften braunen Kapseln den mit Abstand höchsten Morphingehalt auf. Nach der Samenreife fand man 70 % des in der ganzen Pflanze enthaltenen Morphins in den von den Samen befreiten Kapseln. In den getrockneten Schlafmohnkapseln wurde Morphin abhängig von Sorte, Anbaubedingungen und Pflanzenindividuum mit einem Anteil zwischen 0 und 1,7 % ermittelt, eine enorme Spannbreite, die Dosierungen schwierig, mitunter sogar lebensgefährlich macht! Typisch war eine Spanne zwischen 0,1 und 0,8 %, mit einer Ballung bei 0,2 bis 0,4 %. Wie gesagt, gibt es aber auch Varietäten mit einem ganz niedrigen Morphingehalt und solche mit einem Gehaltsmaximum von 1% oder mehr!

Auch die Kapselgröße ist stark schwankend. Mag der Durchschnitt des Gewichts der leeren Kapseln bei 1,5 bis 3 Gramm liegen, so wurden doch in einzelnen Kapseln Morphinmengen zwischen 0 und 38 mg analysiert, eine unabschätzbare Variationsbreite, die bei Selbstversuchen fatale Folgen haben kann.

Für jemanden, der Morphin nicht gewohnt ist, sind bereits 10 mg (0,01g) eine kräftige, 30mg eine starke und über 100 mg eine möglicherweise lebensgefährliche, 300 bis 400 mg eine mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Dosis! Dies sollten Experimentierer, die sich trotz Verbotes über die Pflanze hermachen, bedenken.

Sowohl Opium als auch der getrocknete Schlafmohn enthalten außer dem im Jahre 1806 von Friedrich Sertürner isolierten Morphin zahlreiche weitere Alkaloide, insgesamt etwa 25, die ihren Anteil an der Gesamtwirkung haben, so dass diese nicht mit der des reinen Morphins identisch ist und durchaus spŸrbaren Schwankungen unterworfen sein kann.

Die im Schlafmohn produzierten Alkaloide bilden die Grundlage einer Unzahl wertvoller Medikamente. Morphin ist zweifellos das bekannteste unter ihnen. Es machte Opium über Jahrtausende hinweg zum stärksten Schmerzmittel. Opium hat unendlich viel Schmerz und Leid gelindert und ist insofern ein echtes Geschenk der Götter. Auf der anderen Seite wurde es aber auch zum Inbegriff für Sucht und körperliche Abhängigkeit, die sich bereits nach wenigen Wochen täglichen Konsums einstellt. Bemerkenswert ist bei täglicher Einnahme die Entwicklung einer Toleranz für Einzeldosen, die einen Experimentierer umbringen würden. Nach Entzug verschwindet die Toleranz wieder, eine erhöhte Sensibilität tritt auf. Das Risiko einer tödlichen Überdosis durch Fehleinschätzungen erhöht sich. Der Entzug nach täglichem missbräuchlichen Opiatkonsum wird körperlich und psychisch umso anstrengender, je länger und umso höher dosiert konsumiert wurde.

Morphinentzug

Gähnzwang, Niesen, Ängstlichkeit, Opiatgier, Schwitzen, Tränenflu§, Unruhe, Schlaflosigkeit, schließlich Pupillenerweiterung, Gänsehaut, Zittern, Glieder-und Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe, Hitzewallungen, Appetitlosigkeit, dann Steigerung der Herzschlagfrequenz, Blutdruckanstieg, Fieber, †belkeit bis hin zum Erbrechen, Durchfall, das Ganze begleitet von innerer und motorischer Unruhe und Getriebenheit bis hin zu Zwangsvorstellungen, eine seelische Empfindlichkeit und Konfrontation mit dem, was mehr oder weniger lange unterdrückt wurde, mit der eigenen beschissenen Lebenssituation und verdrängten Gefühlen, prägen den Entzug, der etwa sieben Tage umfasst. Je schlechter die Zukunftsperspektiven, desto sinnloser erscheint der Entzug. Nach dem Entzug kann es manchmal noch Monate der Lustlosigkeit, inneren Leere und Depressivität dauern, bis sich wieder ein inneres Gleichgewicht herstellt. Ein Entzug sollte immer vorher mit einem Arzt abgesprochen werden. Es können lebensbedrohende Komplikationen auftreten. Eine schützende und pflegerisch kompetente Umgebung kann hilfreich sein.

schlafmohnpostkarte
In Deutschland werden Morphinpräparate zur Linderung starker Schmerzen, wie zum Beispiel bei Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium, nur sehr zurückhaltend verschrieben. In Dänemark werden etwa 15 mal soviel Morphinpräparate zu diesem Zweck verschreiben. Es kursiert noch immer das Schreckgespenst der Sucht und angeblicher Lebensverkürzung durch Opiate und Opioide durch die Reihen der deutschen Ärzteschaft. Dabei könnte über die Linderung körperlicher Schmerzen psychisches Leid verringert und damit zusammenhängende körperliche Beschwerden beseitigt werden. Zum Deutschsein scheint Leiden irgendwie dazuzugehören. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Drogenexperimentierer nehmen zunächst nur geringe Dosierungen, zum Beispiel 0,1 Gramm des zähen, klebrigen charakteristisch pflanzlich-süßlich riechenden Opiums oral oder den (zur Erhöhung der Löslichkeit des Morphins eventuell angesäuerten) Tee aus 2 bis 6 Gramm der in Viertel geschnittenen und möglichst schnell getrockneten Mohnköpfe. Sie beschränken die Einnahme auf wenige Gelegenheiten. Beim Rauchen des Opiums, das auf dem Prinzip des Verkochens der Wirkstoffe basiert, werden grö§ere Mengen verbraucht. Der Kurze mit der Inhalation zusammenhängende Törn verführt bisweilen zum exzessiven Gebrauch.

Abhängige könnten sich durch höhere Dosierungen aus eigener Ernte selbst versorgen. (Es lässt sich schwer sagen, wieviel Anbaufläche zur Versorgung eines abhängigen Opiatgebrauchers erforderlich wären. Es kursiert beispielsweise die Zahl von einem maximalen Opiumertrag von 8 kg pro Hektar. Bei einem durchschnittlichen Morphingehalt von 12 % würde dies 1 kg Morphin entsprechen. Aus der noch grün getrockneten Gesamtpflanze liessen sich auf industriellem Wege etwa 8 kg Morphin extrahieren, aus den Mohnköpfen und den oberen 10 cm Stengel etwa 4,3 kg.) Die schwere Einschätzbarkeit der Dosierung macht die Selbstversorgung allerdings zu einem riskanten Unterfangen. Auch durch Schlafmohntee hat es bei uns bereits Todesfälle gegeben!

Wie wirkt nun Morphin als der wichtigste Inhaltsstoff des Opiums? Er wirkt schmerzlindernd, das heißt der unangenehme Charakter vorhandener Schmerzen schwindet, verstopfend, pupillenverengend, hustenreizstillend, herzschlagverlangsamend und atemverflachend bis hin zum Atemstillstand, der bei fehlender künstlicher Beatmung oder sofortiger Zufuhr eines Opiatantagonisten die typische Todesursache einer reinen Opiatüberdosis darstellt. Zusätzlicher Konsum von Alkohol, Benzodiazepinen (Valium, Rohypnol usw.), Barbituraten (Speda u. dergl.) erhöht das Risiko gefährlicher vielleicht tödlich endender Komplikationen. Ü †belkeit bis hin zu Erbrechen treten bei gelegentlichen Gebrauchern und höheren Dosierungen häufig auf. Auch Appetitminderung, Verengung der Magen- und Darmschließmuskeln, sinkende Körpertemperatur, Juckreiz, Schweißausbrüche, Harnverhaltung, Muskelentspannung, Schwindel, Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufabsturz gehören zum Wirkungsspektrum. Aber für den Konsumenten entscheidender ist die sedativ-hypnotische Wirkung, das matte Wegdämmern zwischen Wachen und Schlaf kombiniert mit einem wohlig-warmen fliessenden Körpergefühl bei oberflächlicher Betäubung der Haut und einer zu Ängsten und Sorgen distanzierten emotionalen Gleichgültigkeit bis hin zu abgehobener Euphorie.

Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien
Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien

 

Manch eine(r) fühlt sich unter Opiaten erst „normal“, kann sich vielleicht zum ersten mal selbst ertragen. Wenn man die Wirkung so empfindet, sollten, glaube ich, die Alarmglocken schrillen. Wenn Mensch es nicht anders lernt, mit sich selbst liebevoller umzugehen, ist Mensch gefährdet, die Droge in abhängiger Weise zu konsumieren. Schlauer ist sowieso, wer die Finger von Opium und Opiaten völlig lässt. Das Denken bleibt unter Opium relativ klar. Mancheiner driftet ins Träumerische ab. Dies ist aber keineswegs die Regel. Der schwülstige Opiumtraum ist eher die Ausnahme und wohl nicht mehr ganz zeitgemäß. Heute schaltet man eher die Glotze an und lässt sich berieseln. Die Kombination mit Cannabis fördert die Phantasie, intensiviert den Rausch, verstärkt aber auch den Zugang zu eventuell vorhandenen Ängsten.

Die Sexualität ist während der Wirkung besonders bei dauerhaftem Konsum eher gehemmt, kann aber besonders in Kombination mit anderen Zutaten (Stechapfel, Brechnuss, Cannabis, Gewürze, nach dem Prinzip der „Orientalischen Fröhlichkeitspillen“,) und nur ausnahmsweisem Gebrauch im besonderen Setting lustvoll gestaltet werden.

Oral eingenommenes Opium oder Schlafmohntee beginnen erst nach vielleicht einer halben bis einer Stunde zu wirken. Es folgt ein Törn der Wirkungssteigerung. Die gesamte Wirkdauer beträgt etwa 4 bis 6 Stunden. Hohe Opiumdosen wirken länger, gerauchtes Opium erheblich schneller und kürzer. Ein Hang over mit Mattigkeitsgefühlen am nächsten Tag ist nicht ungewöhnlich.

Insgesamt steht Opium für mich eher für, wenn auch wohligen, Leerlauf, Stagnation, Isoliertheit, Vormichhindümpeln, Warteschleife, Ruhigstellung, also nicht gerade das, was ich mir für mein Leben wünsche. Aber jedem, wie er oder sie es gerade braucht.

Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien
Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien

Einen Feldzug gegen eine Pflanze und die Menschen, die letztlich eigenverantwortlich damit umgehen, zu führen, ist nicht nur absurd, sondern hat fatale Folgen, wie die gescheiterte Repressionspolitk nur zu offensichtlich zeigt. Die Kriminalisierung der OpiatgebraucherInnen hat maßgeblich zur Verelendung und zur Verbreitung von Krankheiten wie chronischer Hepatitis und AIDS unter einer großen Zahl von Menschen beigetragen, die genau wie wir alle ein Recht darauf haben, menschenwürdig behandelt zu werden und selbstbestimmt zu leben. Sie brauchen dieses Recht nicht erst durch abstinentes und angepasstes Verhalten zu erwerben, wie es in der Gründungserklärung der Selbsthilfeinitiative JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) heißt.

 

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Kawa Kawa

Kava – Die Südseedroge

Erschienen im Hanfblatt, 2003

„Schmeckt`s?“ Detlef verzieht sein Gesicht: „Geht so.“ Er trinkt gerade einen Becher eines schlammigen, die Mundschleimhäute betäubenden Getränks, zubereitet aus Kavawurzelpulver und Wasser. In etwa einer Stunde wird er vielleicht einen Teil des speziellen Südsee-Feelings begreifen, denn Kava ist die traditionelle Droge der Kulturen der pazifischen Inselwelt.

Kava, auch Kawa Kawa, Yangona oder Rauschpfeffer, botanisch Piper methysticum, genannt, ist ein Pfeffergewächs, aus dessen Wurzelstock schon seit sehr langer Zeit ein entspannendes und mitunter euphorisierendes Gebräu zubereitet wird.

Als Ursprungsort der Pflanze wird die Inselgruppe des heutigen Vanuatu angenommen. Ausgehend von wilden Pflanzen, wahrscheinlich von der Art Piper wichmanii, wurde allein über Stecklinge die heutige Kulturform entwickelt. Bemerkenswert ist, dass Kava nun schon seit Jahrhunderten ausschliesslich über Stecklinge vermehrt wird und von den seefahrenden Välkern praktisch auf jede von ihnen besiedelte Insel mitgenommen wurde. Im Laufe der Zeit wurden von den Kavapflanzern über hundert unterschiedliche domestizierte Varianten mit teilweise erheblichen Wirkunterschieden ausgewählt und selektiv vermehrt. Sie werden zu verschiedenen Anlässen konsumiert. Gerade die milderen und kurzwirksamen Typen werden für den alltäglichen Gebrauch bevorzugt. Eine Haltung, die die soziale Integriertheit dieser Droge unterstreicht. Zentrum der Kavavielfalt ist Vanuatu. Auch auf Papua-Neuguinea, Wallis und Futuna, Fidschi, Tonga, Samoa und Pohnpei wird Kava angebaut und kulturell integriert genutzt. Auf Tahiti, den Marquesas und Hawaii wurde das Kava durch christliche Sekten und Alkohol verdrängt und tritt höchstens noch verwildert oder als Zierpflanze auf. Neuerdings erlebt Kava allerdings im pazifischen Raum ein erhebliches Revival, verbunden mit einer Besinnung auf die eigenen kulturellen Werte und der Erkenntnis der schlimmen Folgen übermässigen Alkoholkonsums. Eingeführt durch Migranten findet Kavakonsum nun auch auf Neukaledonien, in Neuseeland, Australien und den USA (Kalifornien) seine Liebhaber. Kavaexperten sprechen diesem Mittel durchaus eine Zukunft als mildes Rauschmittel im südostasiatischen Raum und vielleicht sogar in den westlichen Ländern zu. Die Kavawirkstoffe sind bereits Bestandteil zahlreicher Arzneimittel. Auch hier besteht ein ausbaufähiger Markt. Seit Ende der Sechziger Jahre wurde immer wieder versucht, Kava als „legale Droge“ in der „Drogensubkultur“ zu vermarkten. †bertriebene Versprechungen („mildes Acid“), schwache Qualitäten und der gewähnungsbedürftige Geschmack hielten die meisten Neugierigen davon ab, mehr als ein paar Experimente mit Kava zu machen.

Das vergleichsweise sanfte Kava solte nicht zum „Dröhnen “ genommen werden, zumal es ein derartiges Bedürfnis kaum befriedigen dürfte. Kavawurzel enthält neben Stärke, Fasern, Zucker, Proteinen, Mineralstoffen und Wasser zu 5 bis 15 % eine Gruppe von Wirkstoffen, die man gemeinhin als Kavalactone bezeichnet. Insbesondere sind Kavain, Methysticin, Yangonin, Dihydrokavain, Dihydromethysticin und Demethoxyyangonin an der Wirkung beteiligt. Sie wirken ärtlich betäubend wie Lokalanästhetika, harntreibend, schmerzlindernd, muskelentspannend, anti-epileptisch, krampfreduzierend, beruhigend und schlaffördernd und verstärken und verlängern die Barbituratnarkose, wenn man Wert darauf legt. Auch gewisse bakterien- und pilzhemmende Eigenschaften werden ihnen zugesprochen. Dabei sind sie durchaus als verhältnismässig unbedenkliche Alternative zu herkämmlichen Arzneipräparaten einsetzbar. Für den täglichen Konsum werden andere Kava-Chemotypen bevorzugt als für medizinische Zwecke. Klone mit hohem Gehalt an schnellwirkendem Kavain und niedrigem Gehalt an †belkeit erzeugendem, langsam und langanhaltend wirkendem Dihydromethysticin werden lieber für den Alltagseinsatz verbraucht.

Kavalactone sind wasserunlösliche, in den Wurzelzellen fein verteilt vorliegende Harze. Sie müssen zur Zubereitung des begehrten Getränkes aufgeschlossen und in Flüssigkeit zur Schwebe gebracht werden. Deshalb wird zunächst einmal die Wurzel möglichst stark zerkleinert, so dass möglichst viele Zellwände zerstört werden. Traditionell geschah dies durch Zerkauen der Wurzel. Eine Praxis die ursprünglich von jungen Männern oder Jungfrauen ausgeführt wurde. Heute wird diese, die weissen Kolonialherren zutiefst abstossende Methode kaum noch praktiziert, zumal sie nicht nur als unhygienisch gilt, sondern in Anbetracht der Härte der Wurzel und der zu zerkauenden Mengen auch recht anstrengend sein kann. Andererseits hat ein derartig hergestelltes Getränk den Ruf, besonders stark zu sein. Für eine Dosis werden beispielsweise ein bis fünf Mund voll jeweils etwa zehn Minuten kräftig durchgekaut und ausgespuckt.

Andere Methoden, die Wurzel zu zerkleinern, sind das Zerstampfen und Zermalmen mit H ilfe von Steinen oder das Zermahlen mit Hilfe von mechanischen Mühlen oder „Fleischwölfen“, die durchaus auch mit Motorkraft angetrieben werden können. Der nächste Schritt besteht darin, die erhaltene Masse mit kaltem Wasser aufzuschwemmen (, heisses Wasser soll sogar ein stärkeres Getränk ergeben; Kokosnussmilch und Kuhmilch können meines Erachtens als löslichkeitsverstärkende Alternative eingesetzt werden, „Geschmackssache“). Schliesslich wird die gut vermengte Mischung durch ein relativ grobes Filter, beispielsweise aus Pflanzenfasern oder Nylonstoff , abgeseiht und die potente Restflüssigkeit aus der zurückbleibenden Wurzelmasse abgepresst. Das erhaltene gräulich-milchige Gebräu wird dann in Kokosnusshälften oder Gläsern ausgeschenkt. Mit mehr oder weniger verzogener Miene spült es der Kavatrinker möglichst frisch runter. Bleibt das Kavagebräu länger stehen, scheiden sich die Wirkstoffe ab, das Getränk wird schal. Das bereits ausgepresste Wurzelmaterial wird oft nochmal für einen zweiten Durchgang verwendet. Die Wirkstärke kann abhängig von Ausgangsmaterial, das heisst Sorte, Reifegrad und Wurzelteil, und Zubereitung sehr variabel und schwer abschätzbar ausfallen.

(Hier möchte ich nochmal einen Hinweis einflechten: Das erhaltene Getränk kann meiner Meinung nach auch mit Rohrzucker oder Honig gesüsst oder mit Gewürzen wie Zimt oder Vanille verfeinert werden. Die Variante mit Kakaozusatz gefiel mir gut. Die Mischung mit Guarana ergibt sowas, wie einen …kospeedball. Lecithin erhöht die Aufschwemmbarkeit der Kavalactone. Vielleicht wird in Zukunft einmal ein sprühgetrocknetes Kavainstantgetränk entwickelt.)

In der Regel wird Kava erst abends getrunken, denn helles Licht beeinträchtigt die Wirkung. Meist wird vor dem Abendessen getrunken, damit sich die subtilen Effekte besser entfalten knnen. Ist das Kava sehr stark, kann andererseits eine Mahlzeit vor der Einnahme die Wirkung abmildern. Wird vorher nichts gegessen, kännen eine leichte warme Mahlzeit oder ein heisses Getränk nach Einsetzen der Wirkung über Wärme, Aufläsung in Fetten und die Anregung von Verdauungsvorgängen die Resorption und damit Intensität und Dauer der Kavawirkung intensivieren. Kava selbst dämpft eher den Appetit. Wird zuviel gegessen, kännen †belkeit und Erbrechen einsetzen. Softdrinks, Kokosnusssaft oder Erdnüsse helfen gegen den eher unangenehmen Geschmack des Kavagebräus. Lärm kann die Kavaerfahrung stären. Das respektieren auch diejenigen, die kein Kava getrunken haben. In Ruhe wird dann „dem Kava gelauscht“, der veränderte Bewusstseinszustand zugelassen und genossen, wertvolle „Botschaften“ erspürt. In anderen kulturellen Kontexten steht die gemeinsame Kavaerfahrung unter dem Motto lebhafter Unterhaltung, Musizieren, Singen und Witze erzählen. Selten wird unter Kavaeinfluss getanzt oder enthemmt kopuliert.

Kava wird so gut wie nie allein, sondern fast ausschliesslich in geselliger Runde und meist nur von Männern genommen. (Erst in jüngster Zeit erobern Frauen auch diese Domäne.) Die Kavastunde stellt sowas wie einen gesellschaftlichen Feierabend dar. Im traditionellen Kontext wird Kava beispielsweise bei Begrüssungszeremonien, Friedensverhandlungen, Versöhnungen, Heilritualen und zu Vorhersagen als tragendes Element eingesetzt. Auf vielen Inseln gibt es heute aber auch sowas wie Kavakneipen.

Kava dämpft Aggressivität, bewirkt im positiven Falle einen subtilen Zustand der Ruhe, Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Friedlichkeit und Freundschaftlichkeit ohne das Denken zu beeinträchtigen. Man kann den Zustand allerdings auch als eher stumpfe Ruhigstellung empfinden. Manchein Dröhnbütel ist genau auf die abstumpfenden Effekte sehr hoher Dosierungen scharf. Bei einer hohen Dosis können Torkeligkeit, Koordinationsstörungen, †belkeit und Erbrechen die Folge sein.

Eine Kavaabhängigkeit auf physiologischer Basis konnte nie festgestellt werden. Langfristiger intensiver Gebrauch kann im Einzelfall zum Austrocknen der Haut und zu Hautausschlägen führen, die sich allerdings bei Absetzen der Droge zurückbilden. Heftiger Kavadauerkosum kann „apathisch“ machen, vor allem wenn die ein besonders potentes Getränk ergebende frische Wurzel verwendet wird. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Kava gelegentlich und in Massen (, nicht in Massen,) genommen, nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine relativ verträgliche Droge ist. Zu warnen ist allerdings vor der Kombination mit Alkohol. Die Effekte verstärken sich gegenseitig, auch die negativen Wirkungen des Alkohols (, besonders die auf die Leber,) werden potenziert. Im allgemeinen wird diese Kombination in der Südsee gemieden: Das „friedliche“ Kava vertrage sich nicht mit dem „aggressiven“ Alkohol, er „vergifte“ die Kavastimmung. Die Kombination mit Cannabis führt zu einer Verstärkung der Cannabiswirkung (, „in Richtung Sofa“, wie Detlef sagt).

Die Kavawurzel wird meist nach 3 bis 4 Jahren geerntet. Eine Wurzel wiegt dann zwischen 5 und 50 Kilogramm frisch. Das ergibt 1 bis 10 Kilogramm getrocknet. Ca. 20 % davon sind Seitenwurzeln. Diese haben einen Kavalactongehalt von ca. 10-15%, der Hauptwurzelstock einen von 5-10% und die Stammwurzel von vielleicht 5 %, nur um mal einen Anhaltspunkt über die variierende Potenz innerhalb der Wurzel zu geben. So werden beispielsweise auf Fidschi die Preise der Wurzelteile entsprechend der Wirkstoffgehalte gestaffelt: 1 Kilogramm Seitenwurzel (waka) kostete 1990 etwa 18 DM, die Hauptwurzel (lewena) 12 DM das Kilo und die Stammwurzel (kasa) nur 6 DM pro Kilogramm. Beste Qualitäten sollen aus Vanuatu kommen. Dort ist die Wurzel bei den Farmern ab 1 DM pro Kilo erhältlich.

Auf Fidschi werden jährlich mehrere tausend Tonnen Kavawurzel geerntet, auf Tonga mehrere hundert, auf Vanuatu wahrscheinlich Mengen im tausend Tonnenbereich. Samoa ist ein weiterer Exporteur.

Bei uns ist Kavawurzel durchschnittlicher Qualität im Kräuterhandel ohne Schwierigkeiten zu moderaten Preisen erhältlich. Die bereits zu feinem Pulver zermahlene Form eignet sich besser zur Zubereitung von Getränken. An die Dosierung tasten sich Anfänger vorsichtig heran, beginnend mit wenigen Teelffeln des Wurzelpulvers. 20 bis 30 Gramm pro Dosis sollten fürs Erste nicht überschritten werden. Weniger ist oft mehr. Kava ist weniger eine Droge, als ein subtiles entspannendes Genussmittel.

Zahlreiche Präparate mit Kavaextrakten sind in Apotheken oder Reformhäusern erhältlich. „Dr. Dünners Kawa-Kawa-Kräutertabletten“ aus dem Reformhaus, bestehend nur aus Wurzelpulver und Extrakt, kännen beispielsweise fein vermahlen als Pulver, teelöffelweise in Milch verührt getrunken werden. „Antares 120“ aus der „Apo“ enthält 120mg Kava-Lactone pro Tablette, „Kavasedon-Tropfen“ enthalten 25 mg Kavapyrone pro Milliliter, „Neuronica“ 200 mg D,L-Kavain pro Kapsel. Hier gilt natürlich, in puncto Nebenwirkungen: Lesen Sie den Beipackzettel und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!

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Lesetip:
(leider nur auf Englisch)

Chris Kilham
„Kava-Medicine Hunting in Paradise, The Pursuit of a Natural Alternative to Anti-Anxiety Drugs and Sleeping Pills.“
Park Street Press 1996
ISBN 0-892 81-640-6
Vincent Lebot, Mark Merlin, Lamont Lindstrom

„Kava-The Pacific Drug.“
Yale University Press 1992
ISBN 0-300-05213-8

 

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Psychoaktive Substanzen Specials

Argyreia nervosa

Viel Wind um eine psychedelische Winde

Der freie respektvolle Umgang mit nicht vom Aussterben bedrohten Pflanzen ist ein Menschenrecht. In diesem Sinne lohnt es sich, die enormen Potentiale unserer pflanzlichen Freunde kennenzulernen, auch wenn es manchmal etwas mühsam erscheint. Aber wie heißt es doch so schön: Erst die Arbeit und dann das Vergnügen.

Zu den wichtigsten heilenden heiligen Drogen der mexikanischen Urbevölkerung gehören neben dem meskalinhaltigen Peyotl-Kaktus, den Psiloc(yb)in-Pilzen, dem Stechapfel und dem Wahrsagesalbei die Samen bestimmter Trichterwindenarten, die als Oluliuqui bekannt geworden sind. Botanisch handelt es sich um die Samen von Turbina corymbosa (, früher auch Rivea corymbosa genannt,) und von Ipomoea violacea (, auch Ipomoea tricolor oder Ipomoea rubro-caerulea genannt). Die Samen von Ipomoea violacea werden häufig mit denen von Ipomoea purpurea verwechselt, deren Wirkstoffgehalt unbedeutend ist. Beide tauchen in Samentütchen des Gartenfachhandels in zahlreichen Varietäten unter dem englischen Namen „Morning Glory“ auf und sind wegen ihrer schönen Blätter und Blüten als einjährige Zierpflanzen sehr beliebt. Um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen, hier der aktuelle botanische Hinweis: Die Samen von Ipomoea violacea sind länglich und schwarz, die von Ipomoea purpurea rund und schwarz, und die viel selteneren Samen der Turbina corymbosa sind klein, rund und ockerbraun. In zahlreichen anderen Winden vom Typ Ipomoea wurden praktisch dieselben Wirkstoffe wie in der traditionellen Indianerdroge nachgewiesen, wenn auch meist in geringen Mengen. (Diese Wirkstoffe gehören bemerkenswerterweise zur Gruppe der Mutterkornalkaloide, Substanzen, die sich chemisch von der Lysergsäure ableiten lassen und zu denen auch das nahe verwandte halbsynthetische d-Lysergsäurediäthylamid, abgekürzt LSD, zählt.) Herauszuheben ist die Ipomoea carnea, die einen recht hohen Lysergsäurederivatgehalt aufweist, in den tropischen Gebieten Amerikas vorkommt und deren Samen von den peruanischen Shipibo-Indianern sogar als visionsverstärkender Ayahuasca-Zusatz eingesetzt werden. Aber bei der mit Abstand potentesten Winde unter den psychedelischen Winden, handelt es sich um eine ganz besondere Art.

Samen der Argyreia nervosa
Samen der Argyreia nervosa

Die Samen der tropischen Winde mit dem neckischen Namen Baby Hawaiian Woodrose, oder botanisch korrekt Argyreia nervosa, gut zerkaut oder frisch zerstampft auf möglichst leeren Magen einzunehmen heißt, sich auf eine lang anhaltende psychedelische Entspannung einzulassen. Meist stellt sich innerhalb etwa einer Stunde ein wohliges, schlaffes, schließlich sinnlich verstärktes bis schmelzig-erotisches Körpergefühl ein. Der Geist wird wacher. Insbesondere akustische (Musik) und optische Wahrnehmungen (, zum Beispiel der Blick in den Spiegel,) werden intensiver, vielleicht sogar sich halluzinogen wandelnd, empfunden. Begleitet wird der Törn von einer freundlichen bis albernen, irgendwie abgehobenen Enthemmung und energetischer Euphorie. Besonders zu Beginn und während der ersten ein bis zwei Stunden nach Einnahme der Samen kommt es typischerweise zu einer meist vorübergehenden Schwummrigkeit oder gar Übelkeit. Mancheiner scheint hier besonders empfindlich zu sein. So ist es im Einzelfall auch schon zu Erbrechen und Durchfall gekommen. Auch Bauchkrämpfe sollen auftreten können, wogegen das Einnehmen einer entspannten und bequemen Körperhaltung hilft. „Go with the Flow“, zu deutsch, „mit dem Fluß gehen“ scheint das Geheimnis der Argyreia nervosa-Erfahrung zu sein. Zumindest erleichtert es sie ungemein, auch was die körperliche Befindlichkeit betrifft. Während kleine Samenmengen anregend wirken können, kann insbesondere bei höheren Dosierungen ein Gefühl starker körperlicher Mattigkeit ausgeprägt sein. Die individuellen Empfindlichkeiten scheinen auch hier zu variieren. (Man muß ja nicht immer in der Landschaft rumhüpfen, du altes Raverhaus.) Farbige Muster bei geschlossenen Augen, fliessende Wahrnehmungsveränderungen, ähnlich denen unter Einfluß mäßiger Dosen LSD, aber „ruhiger“, und ein anderes Zeit-Raum-Empfinden leiten über in einen tiefen psychedelisch en Erfahrungsbereich. Die Pupillen erweitern sich. Ein Fenster zum visionären inneren Space emotional prall gefüllter Assoziationen und Erinnerungen kann sich öffnen. Wer das nicht will, der sei gewarnt. Bemerkenswert und irgendwie charakteristisch ist, daß die Wirkung der Samen etwa vier bis sechs Stunden nahezu auf demselben, bei höheren Dosierungen recht heftigem Intensitätsniveau bleibt, allso nicht in den Wellen kommt, in denen psychedelische Erfahrungen sonst meist verlaufen. Schließlich läßt sie langsam aber kontinuierlich nach. Nach dem Trip ist Schlaf möglich. Der folgende Tag kann von positiver relaxter Stimmung, aber auch von einem Hangover mit dem Gefühl von Abgeschlagenheit und geistiger Leere geprägt sein. Auch hier spielt die individuelle Prädisposition eine wichtige Rolle.

Bei Überdosierungen kann es auf Grund der gefäßverengenden und blutdrucksenkenden Eigenschaften der Wirkstoffe zu Durchblutungsstörungen und möglicherweise gefährlichen Kreislaufproblemen kommen. Kurze Ohnmachten sind eine sehr ernstzunehmende Warnung. Kranke sollten die Samen auf keinen Fall nehmen (, zumindest nicht ohne kompetente schamanische Betreuung, die man hier kaum finden wird). Sie werden sich wahrscheinlich noch kränker fühlen. Schwangere sollten unbedingt die Finger von (je)der Droge lassen. Die Alkaloide wirken nämlich erheblich wehenfördernd. Vor der Kombination mit anderen Drogen muß gewarnt werden, auch wenn von angenehmen Erfahrungen zum Beispiel in Kombination mit gerauchten Hanfprodukten berichtet wird.

Die wundersame Wirkung der Samen, dieser auch Silberkraut oder Kleine Holzrose genannten wunderschönen mehrjährigen bis zu acht Meter rankenden tropischen Winde mit grossen herzförmigen an der Unterseite silbrig behaarten Blättern und trichterförmigen weißvioletten Blüten, ist wie gesagt auf den höchsten in der Windenwelt bekannten Gehalt an psychoaktiven Mutterkorn-Alkaloiden, insbesondere d-Lysergsäureamid = LSA = LA-111 = Ergin und ähnlichen Substanzen, zurückzuführen. (Das chemisch verwandte, aber doch deutlich anders wirkende halbsynthetische LSD wurde übrigens noch nie in der „freien Natur“ nachgewiesen.) Er wird mit 0,3 % angegeben. Damit wären die Argyreia-Samen aufs Gewicht bezogen etwa 25mal so stark wie analysierte Turbina corymbosa-Samen und immer noch 5mal so stark wie analysierte wildwachsende mexikanische Ipomoea violacea-Samen. Der Wirkstoffgehalt von in nordischen Gefilden gewachsenen Ipomoea violacea-Zierformen soll noch erheblich niedriger ausfallen.

Ein Argyreia-Same wiegt im Schnitt etwa 0,1 Gramm. Liebhaber dieser potenten Droge raten zu vorsichtiger Dosierung und langsamem Herantasten an eine individuell verträgliche psychedelische Dosis. Schon ein Same kann deutlich gespürt werden. Mancheine(r) ist mit derartigen Dosierungen schon voll und ganz zufrieden. Als volle Dosis gelten vier bis neun Samen. Als obere Grenze werden höchstens so um die dreizehn Samen veranschlagt. Ab dieser Dosis treten häufig Kreislaufprobleme auf, ohne daß der Trip dabei mehr hergibt.

Wie erwähnt, werden die ziemlich harten Samen gut zerkaut oder zerstampft, bevor man sie runterschluckt. Ansonsten würden sie den Verdauungstrakt ohne allzugroßes Trara passieren. Man hat mit mäßigem Erfolg versucht, das Risiko von Magen-Darm-Problemen durch Waschen der noch ganzen Samen und Abreiben der äußeren Samenschale zu reduzieren. Durch mehrstündiges Einweichen der zermahlenen Samen in kaltem Wasser an einem dunklen Standort mit anschließendem Abfiltern durch einen Kaffefilter und Runterspülen des so entstandenen Extraktes soll eine mögliche Magenreizung umgangen werden. Diese Art der Zubereitung eines Kaltwasserauszugs entspricht der traditionellen indianischen Methode einen Oluliuqui-Extrakt zuzubereiten. Aber vermutlich hängen die Nebenwirkungen der Windensamen zumindest teilweise auch direkt mit den psychedelischen Wirkstoffen zusammen.

Die Samen sollten so frisch wie möglich genommen werden. Die empfindlichen Alkaloide zersetzen sich im Laufe der Zeit. Es können unerwünschte nicht psychoaktive Zerfallsprodukte entstehen. Die ganzen Samen, kalt und trocken im Dunkeln gelagert, mögen etwa ein halbes bis vielleicht ein Jahr nur wenig an Potenz verlieren. Dann sind sie jedoch irgendwann ausmusterungsbedürftig. Beim Erwerb bedenke man, wie lange die Samen bereits unter welchen Bedingungen gelagert wurden. (Beim Händler erfragen!)

Die Samen der Argyreia nervosa werden als Dauerbrenner unter den „Legal Highs“ nun schon seit bald dreissig Jahren in den USA im Versandhandel angeboten. (1965 wurden sie zum ersten mal analysiert, und ihr hoher Wirkstoffgehalt sprach sich in den psychedelischen Sechzigern schnell rum.) Zahlreiche Kleinanzeigen in Magazinen wie „High Times“ bezeugen, daß es eine anhaltende und gerade in letzter Zeit im Rahmen des psychedelischen und schamanischen Revivals sogar noch gestiegene Nachfrage für die Samen geben muß, obwohl ein regelmässiger Gebrauch sehr ungewöhnlich und bedenklich ist. Typisch bei den meisten Argyreiaprobierern ist eine vorübergehende Experimentierphase, die bald eingestellt wird, zumal wenn andere, weniger den Verdauungstrakt belastende und körperlich ermattende Psychedelika wie LSD oder Pilze zur Verfügung stehen. Damit gelangen die Samen in den Ruf eines Provinzpsychedelikums. (Die Provinz dabei sozusagen als der Ort verstanden, wo man aus der Not heraus selbst Muttis Muskatnüsse oder Engelstrompeten aus den öffentlichen Grünanlagen futtert, nur um nicht immer nur besoffen sein zu müssen.) Dies wird ihren ganz eigenen Qualitäten jedoch in keiner Weise gerecht. Es wurden und werden Preise von bis zu einem Dollar pro Samen verlangt. In der Regel sind sie aber in den USA, insbesondere bei Abnahme größerer Mengen, natürlich nur zur Blumenzucht und nicht zum menschlichen Konsum gedacht, erheblich günstiger erhältlich, nämlich zu Preisen von umgerechnet zwischen etwa 8 und 30 Pfennig das Stück. Bei uns wird im ethnobotanischen Fachhandel häufig ein etwas überhöhter Standardpreis von 1 DM pro Samen verlangt. Die Samen sind (noch) kein Betäubungsmittel im rechtlichen Sinne.LSA

Die hawaiianische Baby-Holzrose wird nicht nur auf Hawaii und in Kalifornien zur Samengewinnung angebaut. Sie gedeiht auch in anderen tropischen Gebieten. So soll sie in Südindien heimisch sein. Weltweit wird sie vereinzelt als attraktive mehrjährige Zierpflanze gezogen. Nicht zuletzt tragen Freaks mit ein paar Samen im Gepäck zur Verbreitung bei, so gesehen auf der Insel Koh Phangan/Thailand. Die Argyreia nervosa wird außerdem in den Staaten für die Floristik angebaut, wo die hübschen Samenkapseln in (Trocken-)Blumenarrangements zum Einsatz gelangen. Auch bei uns läßt sich aus den Samen oder über Stecklinge eine hübsche licht- und wärmeliebende Kübelpflanze ziehen, die, da kälteempfindlich, im Gewächshaus oder in der Wohnung überwintern muß. Es gibt eine Reihe weiterer Argyreia-Arten, die wohl auch Lysergsäure-Derivate enthalten, deren Wirkstoffgehalte aber noch weitgehend unbekannt sind. Die Baby Hawaiian Woodrose oder Argyreia nervosa wird manchmal mit der Large Hawaiian Woodrose, zu deutsch Große Holzrose, oder Merremia tuberosa verwechselt. Diese sieht völlig anders aus. Das gilt auch für die Samen, die größer ausfallen, aber einen deutlich geringeren Wirkstoffgehalt aufweisen.

Zusammenfassend läßt sich nocheinmal herausstellen: Geniesser dieser megapotenten Superturbohüperheiperwindensamen sind besonders angetan von intensiviertem akustischen Erleben und einer Enthemmung in Kombination mit einem schmelzig-erotisch-sinnlichen Körpergefühl. Manche schätzen die introspektiven Potentiale bei einem relativ hohen Grad von Selbstakzeptanz, sprich keiner ausgeprägten Ego-Auflösung sondern mentales Driften auf anhaltend hohem energetischen Niveau. Einige mögen die als niederschmetternd empfundene Wirkung überhaupt nicht, fühlen sich eher krank, deuten soetwas an wie eine Empfindung psychedelischen Stumpfsinns, so es denn soetwas überhaupt geben kann. Für die meisten der an der Einnahme psychedelischer Substanzen interessierten Menschen handelt es sich einfach um eine irgendwie anstrengende Erfahrung, die dann auch wieder nicht so interessant ist, als daß man sie ständig wiederholen möchte. Nichtsdestotrotz ist Argyreia nervosa ein einzigartiges Beispiel für ein leicht erhältliches, einfach zu konsumierendes hochpotentes pflanzliches Psychedelikum aus dem fruchtbaren Schosse der Natur, obendrein noch nahe verwandt mit dem berüchtigten LSD, vielleicht sogar schon ein „moderner Klassiker“ unter den „High-Pflanzen“?!

„Fühlst Du Dich auch so animalisch?“ „Ich fühle mich argyreia nervosa!“

 

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Butandiol – GHB


1,4-Butandiol

Über 1,4-Butandiol ist bisher (12/98) noch nicht allzuviel bekannt. Es gilt als Ersatz für das unter der Bezeichnung „Liquid Ecstasy“ zuerst in den US-Medien und jetzt auch in Deutschland verteufelte GHB (Gamma-Hydroxy-Butyrat). Mal wieder ist eine neue „Horrordroge“ am Start. Das macht neugierig und man will mehr wissen, und zwar die vorhandenen „Facts“ und nicht das zur Lachnummer degenerierte „volksverhetzende“ Propaganda-Geschwafel der offiziellen Antidrogenpolitiker und der sensationsgeilen Journaille.

Wer alles Wichtige über GHB und damit letztlich auch über 1,4-Butandiol erfahren will, der sollte sich „GHB-The Natural Mood Enhancer“ von Ward Dean, John Morgenthaler und Steven Wm. Fowkes, erschienen 1998 bei Smart Publications, PO Box 4667, Petaluma, CA 94955, ISBN 0-96227418-6-8, bestellen. Dort wird auch beschrieben, wie sich aus frei erhältlichen Chemikalien (Gamma-Butyro-Lacton, kurz GBL, und Natriumhydroxid bzw. alternativ andere basische Salze) auf einfache Weise GHB-Salz synthetisieren läßt. Man sollte bedenken, daß dieses fachkundige Buch von dem verantwortungsbewußten rekreativen und mehr noch dem medizinischen Einsatz von GHB gegenüber positiv eingestellten Autoren stammt. GHB mag bei weitem nicht so gefährlich sein, wie es sensationshungrige Medien weismachen wollen, dennoch gibt es eine ganze Reihe ernstzunehmender Mediziner, die vor dem verantwortungslosen Gebrauch, möglicherweise noch in Kombination mit anderen psychoaktiven Drogen, warnen!
GHB

Sowohl 1,4-Butandiol als auch GBL lassen sich problemlos im Chemikalienfachhandel bestellen, über Internet beispielsweise zum Preis von 15,25 DM für 250 Gramm 1,4-Butandiol, ca. 99% rein, oder 12,80 DM für 100 ml gamma-Butyrolacton 99+%. Dazu kommen natürlich noch Bestell- und Versandkosten. Der Versand erfolgt per Post direkt nach Hause.

In der Chemie wird 1,4-Butandiol wegen seiner hygroskopischen und weichmachenden Eigenschaften an Stelle von Glycerin und Glycol verwendet und zwar in der Textil- und Papierindustrie und zur Rauchwarenveredlung! Es ist außerdem ein wichtiges Zwischenprodukt zur Synthese anderer Chemikalien, unter anderem auch von Butyrolacton! (Siehe „Fachlexikon ABC Chemie“)

1,4-Butandiol hat eine Molmasse von 90,12 und eine Dichte von 1,02, das heißt 1 Milliliter (ml) wiegt ungefähr 1 Gramm! (so wie Wasser!)

1,4-Butandiol, in der Chemie auch 1,4-Butylenglycol genannt, schmilzt bei etwa 20 °C. Die farblosen Kristalle oder die weiße Kristallmasse verwandeln sich in eine klare Flüssigkeit. Wenn es ersteinmal flüssig oder fest ist, bleibt es meist eine Zeit lang in dem entsprechenden Aggregatzustand. Zur Aufbewahrung eignen sich am besten gut verschließbare braune Glasflaschen. Zum Konsum wird die flüssige Form bevorzugt. Verfestigtes 1,4-Butandiol kann in Heizungsnähe leicht wieder verflüssigt werden. Es läßt sich gut mit Hilfe einer Pipette mit Meßskala entnehmen und dosieren. Flaschen mit Pipettenverschluß sind demnach ideal.

Bei einer Temperatur von 134 °C ist 1,4- Butandiol entflammbar! Bei 230 °C verdampft es. Im Chemikalienhandel wird es als schwach wassergefährdender Stoff und gesundheitsschädlich kategorisiert. Es reize die Augen und die Haut und sei gesundheitsschädlich beim Verschlucken! Bei Berührung mit den Augen sollen diese gründlich mit Wasser abgespült und ein Arzt konsultiert werden.

Das Lycaeum-Drogenarchiv im Internet warnt vor der Einnahme von 1,4-Butandiol und GBL. Beide Substanzen könnten Krankheit verursachen, selbst wenn sie nur leicht unrein seien. Industrielle und technische Produkte sollten als ungeeignet für menschlichen Konsum angesehen werden.

Mit Hinweis auf die entsprechende Fachliteratur wird dort im Internet, nachlesbar unter www.lycaeum.org, berichtet, daß das pharmakologische und toxikologische Profil von 1,4-Butandiol, wie von GBL, mit dem von GHB praktisch identisch seien, da diese Substanzen im tierischen und menschlichen Körper schnell und umfassend zu GHB umgewandelt würden, dieses dann seine typischen Wirkungen entfalte und dann eben als GHB entsprechend schnell und vollständig abgebaut würde. Demzufolge sind von diesen Substanzen weder krebserregende noch organschädigende Wirkungen zu erwarten. Dieser zwar zunächst entwarndende, aber dürftige Informationsstand sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß über mögliche gehirn- oder andere Organe schädigende Wirkungen des 1,4-Butandiols praktisch noch nichts bekannt ist. Selbst wenn die Risiken ähnlich einzuschätzen sind wie bei GHB, so bleibt immer noch die Frage offen, ob nicht chemische Verunreinigungen mögliche nachteilige Wirkungen entfalten könnten. Selbst bei nur 1% Verunreinigung wären an einer Dosis von 3 ml immerhin 30 Milligram (mg, also 0,03 Gramm) unbekannter Substanzen beteiligt. Es wäre wichtig herauszufinden um welche Verunreinigungen es sich jeweils handelt oder handeln kann und welche toxischen Risiken mit ihnen verbunden sind. Derartige Risiken sind übrigens bei aus verunreinigten Ausgangssubstanzen synthetisiertem Schwarzmarkt-GHB noch erheblich höher einzuschätzen.

1,4-Butandiol ist auf Grund seiner psychoaktiven Wirkungen bereits stark überteuert quasi als psychoaktives Schlangenöl verkauft worden. Unter der Bezeichnung „Borametz“ sollte es sich um einen angeblich aus Rußland stammenden Pflanzenextrakt handeln. Diesen „Borametz-Schwindel“ hat John Hanna aufgeklärt. Sein umfangreicher und sehr interessanter Bericht, der auch weitere Hintergründe zu 1,4-Butandiol liefert, erschien in der lesenswerten Zeitschrift „TRP“, Kurzform für „The Resonance Project“, Ausgabe Nr. 2, Winter 1997/98, siehe im Internet unter www.resproject.com. Mit einem psychoaktiven Produkt, dessen Risiken kaum bekannt sind, Profit machen zu wollen, ist verantwortungslos! In diesem Falle sind sogar schon eine Reihe von Risiken bekannt, nämlich die, die für GHB gelten. Besonders bei Verbreitung in einer leichtfertig diverse psychoaktive Substanzen gleichzeitig konsumierenden Szene, wie zum Beispiel auf Technoparties, bestehen hohe Risiken negativer Reaktionen!

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an überteuerten GHB-Ersatzmixturen, die die ein oder andere Vorläufersubstanz als wirksame Grundlage enthalten. Die Präparate heissen zum Beispiel „Gamma-G“ („40 Dosis-Flasche für 89.95 $“, „High Times“-Anzeige 3/99), „Revivarant“ oder „Renewtrient“. Vermutlich GBL wird in den USA seit August 1998 als „Blue Nitro“ verkauft. Der Umsatz soll sich bei steigender Tendenz auf über 5000 Flaschen pro Woche belaufen, bei einem Preis von 64.95 $ pro Flasche. ( Siehe San Francisco Examiner, 11. 01.1999)

Die Verkaufsmedien für diesen Handel sind Internet, einschlägige Magazine, Sex-Shops, Techno-Parties, Smart-Shops etc.. Die obskure Substanz 4-Hydroxy-2-Furanon, die im Körper angeblich auch in GHB umgewandelt wird, wird in affiger Sex-Shop-tauglicher Verpackung, in den Niederlanden als „G-Spot“, ein „vitaminangereichertes Aphrodisiakum“ „als diätischer Zusatz“ vertrieben. Die Smartshops, die das simple Präparat verkaufen, verlangen 25 Gulden für eine Dosis. Man erhält eine primitive Plastikflasche mit 15 ml eines ekelhaft schmeckenden Gebräus, dessen Wirkung vielleicht 1 bis 1,5 ml 1,4-Butandiol entspricht. Wenn man das nicht Wucher nennen darf! Hier geht es um die schnelle Mark ohne Rücksicht auf Verluste.

Tatsache ist aber auch, daß 1,4-Butandiol mittlerweile zunehmend als leicht erhältlicher preiswerter Ersatz für GHB eingenommen wird, sicherlich eine Folge der Kriminalisierung von GHB. In der Szene wird es auch bezeichnet als „Einsvier“ (für 1,4), „Einsvierbe“ (1,4-B), „Oneforbe“ (Englisch ausgesprochen), „Butandiol“ (davon gibt es allerdings noch andere nicht psychoaktiv wirksame Varianten), „Liquid“, „Liquid Ecstasy“ (so werden auch GHB und praktisch unwirksame Smart-Shop-Plagiate genannt) und „Borametz“ (nach dem Schwindelprodukt). Außerdem wird es noch mit anderen „Kosenamen“ belegt. Der Phantasie der Konsumenten sind da keine Grenzen gesetzt. („Love Potion Number Zwei ?“).

Obwohl es nicht selten pur geschluckt wird, möchte ich davon nicht nur wegen dem Geschmack nach verbranntem Plastik, sondern wegen möglicher schleimhautreizender Wirkungen abraten. 100 %iger Alkohol ist auch nicht sonderlich schleimhautverträglich.

Weniger bedenklich erscheint das (übrigens problemlose) Einrühren einer Dosis in 200 bis 300ml (einem großen Glas) Fruchtsaft (nicht Milch!). Eingenommen wird das geschmacklich verträgliche Gebräu damit es schneller und intensiver wirkt auf möglichst nüchternen Magen, einige Stunden nach der letzten Mahlzeit.

Bei 1,4-Butandiolkonsum sollte Alkohol vermieden werden. Vorher eingenommen scheint er das Gefühl für die spezifischen 1,4-Butandiol-Wirkungen zu verringern. Obendrein verstärkt er die dämpfenden und auch andere eher unangenehme Wirkungen wie Schwindelgefühl und Übelkeit. Er erhöht, wenn beide Substanzen gleichzeitig in stärkerer Dosis eingenommen werden, drastisch das Risiko gefährlicher Reaktionen.

Ähnliche Warnungen gelten für alle Arten von Downern. Barbiturate, Benzodiazepine, Opiate usw. können in Kombination mit 1,4-Butandiol zu gefährlichen Komplikationen, unter Umständen möglicherweise bis zum Tod durch Atemstillstand führen.

Auch von der Kombination mit Aufputschmitteln wie Amphetamin, Ephedrin und Kokain muß dringend abgeraten werden. Das gilt auch für „Ecstasy“ (MDMA et. al.). Negative Wirkungsverstärkungen in Sachen Herz-Kreislaufsystem sind denkbar. Genaue Untersuchungen über Wechselwirkungen stehen noch aus.

Coffein gilt als natürlicher Blocker der GHB- und damit wohl auch der 1,4-Butandiol-Wirkungen. Dadurch besteht in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, auftretende Müdigkeit und Duseligkeit mit einer starken Tasse Kaffee oder dergleichen zu bekämpfen oder die Ernüchterung zu forcieren. Andererseits blockiert Coffein vorher genommen die volle Entfaltung der Wirkungen, was meist ja nicht erwünscht ist.

Cannabis (Rauschhanf) vor Einnahme von 1,4-Butandiol geraucht, verstärkt die einschläfernden Wirkungen von 1,4-Butandiol. Die Kombination forciert mitunter ein Driften in einen träumerischen Halbschlaf, der schließlich in (evtl. unruhigen) traumreichen Schlaf übergehen mag. Es ist auch möglich, daß das bei höheren Dosierungen beider Substanzen auftretende Gefühl des „Bedröhntseins“ sich noch verstärkt. Nimmt man jedoch zuerst das 1,4-Butandiol ein, dann kann sich ein „Stonedsein“ mit einer eigenartigen etwas abgetretenen chemisch-spacigen Note einstellen. Das Wohlgefühl vom 1,4-Butandiol mag sich dabei verstärken, die veränderte Wahrnehmung der Sinne und damit der Umwelt auch. Wer generell Angst vor Bewußtseinsveränderung hat, dem sei von dieser Kombination abgeraten.

Als Schlaf- und Entspannungsmittel nach anstrengenden Psychedelika-Trips ist 1,4-Butandiol nicht unbekannt.

Letztlich scheinen sich die 1,4-Butandiol-Wirkungen am besten auf nüchterenen Magen und ohne vorher irgendeine andere psychoaktive Substanz genommen zu haben, zu entfalten. Auch das Risiko unangenehmer Wirkungen wird so reduziert.

Zu den Dosierungen ist folgendes zu sagen: Jeder Konsument muß seine individuelle Sensibilität ermitteln. Diese mag von Fall zu Fall deutlich schwanken. Einige Faktoren sind ja bereits angesprochen worden. Viel hängt von der persönlichen Stimmungslage, der körperlichen Verfassung, wie z.B. Müdigkeit oder Aufgekratztheit, ab. In welchem Umfeld und zu welchem Zeitpunkt man die Substanz nimmt und mit wem ist äußerst bedeutend. Eine relaxede Atmosphäre mit alten Freunden oder vertrauenswürdigen neuen Freunden scheint ideal. Auf der Strasse oder auf unübersichtlichen hektischen Parties ist 1,4-Butandiol kontraindiziert. Ein gewisses Risiko besteht nämlich in einer Überdosierung. Weil es so schön ist, nimmt man einfach immer mehr und schließlich eine einschläfernde Überdosis. An sich zwar relativ ungefährlich, wenn ausschließlich 1,4-Butandiol genommen wurde, kann sie schon innerhalb einer viertel bis halben Stunde zu einem tiefen komaähnlich erscheinenden Schlaf führen. Dieser soll zwar nach 3 bis 5 Stunden beendet sein, der Betreffende erwacht wohl in der Regel entspannt und erfrischt. Tritt der Zustand allerdings an einem ungünstigen Ort auf, besteht die Gefahr der Vorteilnahme durch Andere (sexuell oder materiell) oder von Überreaktionen uninformierter Freunde oder Beisteher, sprich Rufen der Notfallambulanz, die dann mit eigentlich unnötigen unangenehmen „Wiederbelebungsmaßnahmen“ beginnt. Ein reales Risiko ist auch das des Erbrechens während der Bewußtlosigkeit, wenn man sich nicht an die obigen Abstinenzregeln gehalten hat. Die Kombination mit anderen Drogen macht das Risiko von Atemstillstand und anderen Komplikationen schwer abschätzbar. Hier ist der Notfallarzt möglicherweise doch der richtige Partner auf dem Weg zur Ernüchterung. Aber soweit muß man es ja nicht kommen lassen. Eine übliche Sicherheitsmaßnahme ist es, wenn Freunde gegenseitig aufeinander aufpassen, sich auch über die Drogen zu informieren, die man genommen hat, damit im Notfall das entsprechende Wissen an den behandelnden Arzt weitergeben werden und dieser dann die (hoffentlich) richtigen Maßnahmen einleiten kann.

GHB und seine Ersatzaanaloge haben einen gewissen Ruf als „Date-Rape-Droge“. Generell sollte frau ihre Drinks in Anwesenheit dubioser Typen im Auge behalten. Alkohol und Benzodiazepine sind die klassischen Drogen um (meist) eine Frau gegen ihren Willen gefügig zu machen.

Ich möchte jetzt noch ein paar subjektive (!) Anhaltspunkte zur Dosierung geben:

Auf nüchternen Magen, ohne vorherige Einnahme anderer psychoaktiver Substanzen und ohne ausgeprägte Müdigkeit, wirken 1 bis 1,5 ml 1,4-Butandiol bereits subtil. Da sie die Sensibilität für Berührungen erhöhen und leicht enthemmen, aber bei Männern in der Regel kaum mit der Erektionsfähigkeit ins Gehege kommen, stellen sie eine ideale aphrodisische Dosis dar. Dies mag auch bei 2ml noch der Fall sein. Das Erreichen von Erektion und Orgasmus können dann aber verzögert sein. Dafür werden Sex und Orgasmus vielleicht intensiver erlebt. (GHB ist in den USA auch bei manchen Gruppensexfans beliebt.) Ab dieser Dosis (2ml) ist ein deutlicher „Törn“ oder „Rush“ spürbar. Nach bereits 5 Minuten schwach, nach 10 Minuten deutlich, entfaltet sich eine kräftig verstärkende Wirkung. Diese schönste Phase hält etwa eine Stunde an. Eine halbe bis eine Stunde bleibt die Wirkung auf dem erreichten Niveau, um dann über etwa eine Stunde auf Normalnull abzuflachen. Nach 3 bis 4 Stunden ist wieder weitgehende Nüchternheit, vielleicht mit einem euphorischen Nachhall, hergestellt. Gewisse entspannende körperliche Nachwirkungen, auch als Mattheit oder Müdigkeit empfunden, mögen länger, eventuell noch am nächsten Tag, spürbar sein. Der Schlaf kann besonders bei Menschen ohne Schlafprobleme gestört sein, was sich durch zwar erleichtertes Einschlafen aber vorzeitiges Aufwachen nach 3 bis 5 Stunden auszeichnet. Allerdings fühlt man sich dann meistens relativ frisch.

Die eigentliche Wirkung von 1,4-Butandiol ist geprägt durch ein angenehmes erotisches, sinnliches an „Ecstasy“ erinnerndes Körpergefühl. Atmen, Streicheln, Räkeln und Massieren, vielleicht auch Kopulieren, sanfte körperliche Entspannungsübungen oder wiegender Tanz kommen angenehm. Dabei fließt gleichzeitig eine ganz schön starke unruhige aber angenehme an Kokain erinnernde innere Energie. Enthemmung und erhöhte Emotionalität vermögen den Gedanken- und Gesprächsfluß ähnlich wie bei Alkohol und MDMA zunächst kräftig anzuregen. Dabei kann es zu einer in manchen Stadien des Alkoholrausches ebenfalls auftretenden Sentimentalität (z.B. vom Stile, „erinnerst du dich noch, die alten Zeiten“) kommen. Die damit einhergehende, an MDMA erinnernde, freundliche bis herzliche aber nicht haltlose Neigung zu einer liebevollen Öffnung (nach dem Motto, „was ich dir immer schon mal Gutes sagen wollte“) und die bestehenbleibende Bewußtheit für die eigene Befindlichkeit lassen die Öffnung aber deutlich ehrlicher, persönlicher, sympathischer und haltbarer als üblicherweise im Alkoholrausch erscheinen. Das unterscheidet den 1,4-Butandiol-Törn auch vom egomanischen Redeschwall unter Kokain- oder Amphetamineinfluß. Im Einzelfall kann es aber durchaus zu lautem rechthaberischen und aggressiven Gebaren kommen. Da das Ausagieren aufgrund des dennoch vorhandenen körperlichen Wohlgefühls und mangelnder Koordinationsfähigkeit oder Torkeligkeit in der Regel gedämpft ist, kommt es wohl selten zu ernsthaften Auseinandersetzungen unter 1,4-Butandioleinfluß. Erst bei höheren oder wiederholten Dosierungen stellt sich eine vorübergehende Gedächtnisschwäche mit Problemen, sich an kurz zuvor Gedachtes zu erinnern oder passende Worte zu finden, und ein reduzierter Gedankenfluß ein, ein bedröhntes Driften in die eigene innere körperliche Welt bis hin zum ständigen Wegnicken, das allerdings nicht unbedingt als unangenehm empfunden wird. Im Gegensatz zu Opiaten, die einen in die wohlige selbstgenügsame und desinteressierte Isolation zurückzuwerfen vermögen, bleibt die generelle mentale Bereitschaft zum Kontakt mit dem Anderen und der Außenwelt reizvoll und erhalten, selbst wenn die Fähigkeit dazu am schwinden ist. Die Qualität des Denkens und der äußerlichen Wahrnehmungen scheint sich nicht so zu verändern wie es unter Einfluß von Cannabis oder Psychedelika der Fall ist. In diesem Sinne wirkt 1,4-Butandiol allein nicht psychedelisch.

Positive fließende Musik, schmelzige eingängige Sounds und fluffige Melodien und Rhythmen wirken allerdings verstärkt mitreissend und euphorisierend. (Erlebt bei Technomusik und der Schnulze „Liquido“ von „Narcotic“, die wie die Faust aufs 1,4-Butandiol, das auch „Liquid“ genannt wird, zu passen schien.) Die Fähigkeit, sich auf Langweiliges oder Hektisches zu konzentrieren, besonders optisch, wird mit zunehmender Dosis fortschreitend reduziert. Das Reaktionsvermögen ist schon bei niedriger Dosis eingeschränkt! Besonders unter Einfluß höherer Dosierungen sollte man nichts unternehmen bei dem Taumeligkeit, Konzentrations- und Koordinationsstörungen Beeinträchtigungen darstellen.

2,5 ml 1,4-Butandiol stellen eine Dosis dar, die die meisten Menschen schon kräftig beschwingt aber gut kommunikationsfähig beläßt. Bei einer Dosis von 3 ml stellt sich in der Regel ein starker euphorischer aber auch kräftig beduselnder Törn ein. Eine Dosis von 4 ml soll bereits schlaffördernd wirken.

Zur Nachdosierung wartet man entweder bis etwa 2 oder 3 Stunden nach Einnahme der ersten Dosis und entscheidet dann, ob man den ersten Rausch noch toppen will. Der zweite Törn wird insbesondere dann ein wenig stumpfsinniger ausfallen, wenn man gierig wird, mehr will und eine höhere Dosis einnimmt. Wer unbedingt gezielt den Anfangstörn verlängern will, der nimmt bereits nach Erreichen des Plateaus, also etwa nach einer Stunde eine zweite Dosis, die allerdings nur etwa die Hälte der vorhergegangenen Dosis oder weniger betragen sollte, wenn man auf dem gleichen Niveau bleiben will. Mehr als zwei, allenfalls drei Dosierungen sind nicht zu empfehlen. Das Schöne des Rausches schwindet dann schnell zu Ungunsten einer unkreativen Bedröhntheit. In der Praxis allerdings werden sicherlich eine Reihe begeisterter Probierer erstmal übertrieben „auf die Kacke hauen“, bis sie (hoffentlich) ihre persönlichen Grenzen gefunden haben. Es bleibt nur zu hoffen, daß diese Experimentiererei nicht auf Kosten der Gesundheit geht. Über die möglichen Langzeitfolgen für Leber, Nieren, Herz, Gehirn usw. ist noch nichts bekannt! Deshalb muß vor dem experimentellen Gebrauch von 1,4-Butandiol eindringlich gewarnt werden!

Der Törn ist bei höheren Dosierungen von einem zunehmenden Schwindelgefühl und einer Torkeligkeit begleitet, die an späte Stadien des Alkoholrausches erinnert, aber bereits spätestens beim Abklingen der Wirkung wieder schwindet. Ein gewisser Kopfdruck bis hin zu Kopfschmerzen kann als weniger angenehme Wirkung auftreten. Schon vorhandene Kopfschmerzen werden wahrscheinlich bestehen bleiben. Die Kombination mit anderen Drogen (z.B. Stimulantien und Alkohol) scheint das Risiko von Kopfschmerzen zu erhöhen. 1,4-Butandiol scheint auch harntreibend zu wirken. Ein guter Flüssigkeitsumsatz ist zum Schutz vor schleimhautreizenden Wirkungen und zum beschleunigten Ausschwemmen potentiell schädlicher Nebenprodukte wahrscheinlich nicht verkehrt. Ein leichter Magendruck und Sodbrennen wurden als unangenehme Wirkungen genannt. Übelkeit kann bei hohen Dosierungen und besonders bei vollem Magen auftreten. Im Anschluß an die Wirkung kann in der Regel problemlos und mit gutem Appetit gegessen werden.

Die Wirkung ist wie so oft beim ersten Mal am schönsten, vorausgesetzt die Umstände stimmen. Konsumenten sind begeistert von dem sinnlichen Körpergefühl, „natural beauty“, der „Körpergefühldroge“, dem kräftigen, enthemmenden, duseligen „Schwindeltörn“, der „ganz gut reinknödelt“. Wird die Substanz allerdings nachlässig eingenommen, können die körperlichen Empfindungen als nicht ganz so angenehm empfunden werden. Müdigkeit mag dominieren, die eingeschränkte Fähigkeit zu Denken und zu Handeln mag als nervig empfunden werden. Alles hat eben mindestens zwei Seiten. Und keineswegs sollte man es mit der Einnahme dieser noch wenig bekannten Substanz übertreiben. Bei suchtgefährdeten Personen ist ein Risiko eines zumindest vorübergehenden exzessiven Gebrauchs gegeben! Nur die sporadische Einnahme zu passenden Gelegenheiten garantiert den höchsten Genuß. Neugierige sollten trotz der vielleicht verlockend klingenden psychoaktiven Wirkungen Zurückhaltung üben bis Näheres über eventuelle weitergehende gesundheitliche Risiken von 1,4-Butandiol bekannt ist!
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Psychoaktive Substanzen Specials

Absinth- Der Fusel kehrt zuürck

HanfBlatt, Mai 2002

Milz an Leber: Sind die Drogen der Gegenwart so schlecht, oder womit haben wir das verdient? Einer der übelsten Schnäpse, die es je gab, wurde aus der Versenkung gezogen und wird uns natürlich völlig überteuert als neues Modegetränk präsentiert. Absinth, der Lieblingsschnaps besonders der Hardcore-Säufer im Frankreich des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, sei mit einem Alkoholgehalt von bis zu 70 % nicht nur einfach mit künstlichen grün oder rot fluoreszierenden Farbstoffen auffällig und mit ätherischen Ölen, vor allem Anisöl, interssant gemachter Fusel, sondern verdanke seinem Gehalt an (bitterstofffreiem!) Wermutöl eine ganz besondere gar an das herrliche Cannabis erinnernde nahezu psychedelische Wirkung. Wer diesen alkoholischen Leber- und Hirnzellenkiller in sich hineinschütte, dem erscheine die Welt wie verwandelt, dank der speziellen Kräfte der „Grünen Fee“.

 

Absinth Poster

Die Alkoholindustrie lässt sich anscheinend immer neuen Blödsinn einfallen, um ihr Gesöff an den Mann zu bringen. War es vor Jahren noch der Mythos von dem angeblich halluzinogenen Agavenwurm, dessen Leichnam am Grunde mancher mexikanischer Mezcal-Flaschen dümpelt, der diesen im Vergleich zum höherwertigen Tequila bäuerlichen Schnaps interessant machen sollte, so propagierte man vor kurzem den Cachaca, einen im Vergleich zu gutem Rum traurigen brasilianischen Zuckerrohrschnaps als Gebräu mit eingebautem Samba-Rythmus, und nun eben den Absinth, den Schnaps der durchgeknallten Künstler von van Gogh bis Alfred Jarry; Moulin Rouge lässt grüssen. Dabei ist der Gehalt an dem Wirk- und Schadstoff Thujon, um den sich die Mythen ranken (und das auch Bestandteil des ätherischen Öls anderer aromatischer Pflanzen, wie des dalmatinischen Salbeis ist), nach EU-Richtlinien auf 10 mg pro Liter begrenzt. Chemische Analysen der gehandelten Absinthe stellten Gehalte von 0 bis 10 mg Thujon pro Liter fest. Das dürfte mit dem stark schwankenden und bisweilen fehlenden Thujongehalt der für die Destillation oder die Gewinnung des (zugesetzten) ätherischen Wermutöls eingesetzten Wermutpflanzen zusammenhängen.

Bei derart niedrigen Thujongehalten tritt also mit einiger Wahrscheinlichkeit der Tod oder zumindest Koma in Folge einer Alkoholvergiftung ein bevor auch nur ein Thujonrausch im Ansatz spürbar sein kann. Man vermutet, dass der historische Absinth bis zu 100 mg Thujon pro Liter enthielt. Doch auch einige Selbstversuche einmaliger oraler Aufnahme von 50 bis 100 mg reinem Thujon, also der für 5 bis 10 Liter (!) Absinth zulässigen Höchstmenge, zeigten überhaupt keine Wirkungen. Das muss natürlich nicht repräsentativ sein. Berichte von Vergiftungen mit reinem Wermutöl im Grammbereich weisen auf Krampfanfälle und heftige Komplikationen im Magen-Darm-Trakt hin und stellen eine enorme Belastung für die Nieren und andere innere Organe dar. Ein tödlicher Vergiftungsverlauf ist möglich. Sodbrennen und unangenehmes Aufstossen mit Wermutaroma können schon nach ein bis zwei Gläsern Absinths auftreten. Abgesehen von den typischen fuseligen Alkoholwirkungen ist mir persönlich bei verschiedenen Absinthproben nichts Interessantes oder Angenehmes aufgefallen.

Rein geschmacklich liegt man meines Erachtens mit den entschärften Traditionsgetränken Pernod und Ricard immer noch Meilen vor den meisten der neuen spanischen, tschechischen, schweizer, deutschen oder britischen Absinthe. Aber allein der Name auf dem Flaschenetikett scheint bei manch einem (bezahlten?) Testtrinker schon Halluzinationen auszulösen und ihn in Oden an die „Grüne Fee“ ausbrechen zu lassen, oh Kraft der Sehnsucht, welch Zeiten Kind wir sind. Wer unbedingt einen stilvollen Alkoholrausch wünscht, sollte sich lieber an edlen Wein, gutes Bier oder möglichst hochwertige sorgfältig destillierte Schnäpse halten. Wem es trotzdem schmeckt und wer in Mythen schwelgen möchte, nun gut, dem sei es gegönnt.

Nachtrag 2011

Vom modischen Fusel zum Feinschmecker-Destillat

Waren die ersten überteuert als Absinth angebotenen bunten Alkoholkreationen vor Allem aus Spanien, der (damaligen) Tschechoslovakei und Großbritannien noch zum Abgewöhnen, so muss man doch heute zugeben und darf sich freuen, dass in deren Folge eine Vielzahl wohlschmeckender Kräuterdestillate mit unterschiedlichem Wermutanteil vom Typ des Absinths aus den traditionellen Herstellungsgegenden im Französischen und Schweizer Jura (insbesondere dem Val de Travers) über die regionalen Grenzen hinaus käuflich geworden sind. Ambitionierte Destillateure gibt es auch in Deutschland, Argentinien und anderen Ländern. Meistens verzichtet man bei diesen Feinschmecker-Produkten auf den Zusatz von (künstlichen) Farbstoffen. Manchmal wird Wermut zugegeben um eine bittere Note zu erzeugen. Das ist Geschmackssache. Es handelt sich dann eher um einen Ansatzschnaps als um einen echten Absinth. Mit dem jeweils passenden nostalgisch anmutenden Trinkritual gibt man sich in atmosphärisch reizvoll gestalteten Absinth-Bars (wie in Hamburg, Berlin und Solothurn) Mühe. Der zur Vermarktung eingebrachte „Thujon wirke irgendwie ähnlich wie THC“-Mythos gilt längst als wissenschaftlich widerlegt. Weder ist irgendeine THC-artige Wirkung zu erwarten, noch in den nachgewiesenen und üblicherweise konsumierten Mengen irgendeine andere psychoaktive Wirkung, die die bekanntermaßen bedenklich zu betrachtenden Alkoholwirkungen des Absinth-Schnapses in nennenswerter Weise modifizieren würde.

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Betel

HanfBlatt, Mai 2002

Something Special

Die neue Superdroge mit eingebauter Erleuchtung, darum handelt es sich bei Betel mit Sicherheit nicht. Vielmehr haben wir es mit einem der weltweit am häufigsten genutzten psychoaktiven Genußmittel zu tuen. Mehrere hundert Millionen Menschen in Pakistan, Indien und Südostasien, von Südchina bis nach Madagaskar, von der Küste Ostafrikas (z.B. Sansibar) bis zu den Phillipinen und in die pazifische Inselwelt kauen täglich Betel. Neben Kaffee, Tee und Tabak erfreut sich Betel in diesem Teil der Welt der größten Beliebtheit.

Mit Betel ist in erster Linie die Betelnuß gemeint, der netzartig gemaserte, etwas größer als eine Muskatnuß werdende Fruchtkern einer dünnstämmigen, zwölf bis dreissig Meter hochschiessenden Palmenart (Areca catechu), die mit ihren wunderschönen feingefransten Blättern alle Klischees einer eleganten Palme erfüllt. Die bis zu acht Zentimeter langen Früchte, in deren Zentrum sich der begehrte Samen befindet, wachsen in großen unterhalb der Palmwedel herunterbaumelnden Büscheln heran und haben unreif eine dunkelgrüne, reif eine orangegelbe Farbe. Sie ähneln frischen Kokosnüssen, sind aber viel kleiner. Zierliche Betelpälmchen, gerade mal aus der ganzen Frucht gekeimt, wurden wohl wegen der äußerlichen Ähnlichkeiten bei uns sogar schon in Supermärkten unter der irreführenden Bezeichnung „Minikokos“ verkauft. Die Bezeichnung „Arekapalme“ ist ebenfalls gebräuchlich, schließt aber eine Reihe verwandter Palmarten ein. Aber nebenbei bemerkt: Es handelt sich dabei um eine hübsche Zierpflanze, aus der sich hierzulande kein Genußmittel gewinnen läßt. Als Genußmittel geeignet wären dagegen die kleinen Döschen oder Pfeifenköpfe, die in Indien aus Betelnüssen geschnitzt werden. Sie sind dafür aber doch wohl zu schade, oder!?

Als Betel bezeichnet man auch die frischen herzförmigen Blätter des Betelpfeffers (Piper betle), einer tropischen Kletterpflanze, die in denselben Regionen gezogen wird, in denen auch die Betelpalme angebaut wird. Traditionell besteht der sogenannte „Betelbissen“ aus frischen oder getrockneten und zerhackten Betelnußstückchen, die unter Zusatz von angefeuchtetem gebrannten Kalk (Löschkalk) in ein möglichst frisches (!) Betelpfefferblatt eingewickelt werden. Dabei schmeckt das Betelpfefferblatt erfrischend aromatisch und enthält ein schwach lokalanästhetisierendes und verdauungsförderndes ätherisches Öl.

Betelnüsse auf einem Markt in Battambang, Kambodscha
Betelnüsse auf einem Markt in Battambang, Kambodscha

Ein weiterer Zusatz für den frischen Betelbissen sind dunkelbraune pflanzliche Gerbstoffe, namentlich Gambir (gewonnen von Uncaria gambir, besonders in Indonesien und Malaysia) und Catechu oder Catha (von Acacia catechu, besonders in Indien gebräuchlich). Sie schmecken bitter und zusammenziehend. Möglicherweise verzögern sie die Wirkstoffaufnahme durch die Schleimhäute und verstärken manche Betelwirkungen.

Ein derartiger traditioneller Bissen ist schon allein auf Grund der Betelnuß psychoaktiv wirksam. Oft wird ihm noch kräftiger Kautabak zugefügt.

Außerdem sind Gewürze beliebt. Sie dienen (in Indien oft noch mit einem zahnpastaartigen Aroma getränkt und gezuckert) der Geschmacksverbesserung, der Verdauungsförderung und der Verschärfung des aphrodisischen Images, das der Betelbissen genießt. Zu den Gewürzen gehören Anis, Kardamon, Gewürznelken, Ingwer, Zimt, Muskatnuß, Kampfer, Kokosnuß, Fruchtstände des Betelpfeffers und viele mehr.

Auch alle möglichen bei uns als Drogen verschrienen Substanzen wurden dem Bissen bereits beigegeben: Haschisch, Opium, Stechapfelsamen usw.. Das nachträgliche Zufügen einer kleinen Prise Kokain zu gekalkten und aromatisierten Betelnußfertigbissen, wie sie von indischen Strassenhändlern in hygienische Tütchen abgepackt für wenige Pfennige in diversen Variationen erhältich sind, hat auch hierzulande (zu Wasser und in der Luft) vereinzelte Liebhaber gefunden. (Wer die erwähnten Tütchen in Indien erwirbt, sollte darauf achten, daß er keine Mischungen mit Tabak, Tabak pur oder nur aromatiserte Gewürze erwischt, die von denselben Händlern in ganz ähnlichen Verpackungen zu Pfennigbeträgen verkauft werden.) Natürlich läßt sich der Bissen ohne illegalen Zusatz risikoloser konsumieren. Betelnuß selbst unterliegt nämlich nicht dem Betäubungsmittelgesetz.

Die ganzen Nüsse oder zerhäkselte, gefärbte und aromatiserte Stückchen lassen sich bei uns in manchen asiatischen oder indischen Lebensmittelläden besorgen (und ohne weitere Zutaten konsumieren). In Indien (wo jährlich über 100 Millionen Kilogramm Betelnüsse verbraucht werden) nennt man die Betelnuß „supari“, das Betelpfefferblatt „pan“. „Pan masala“ bezeichnet eine Gewürzmischung für einen Betelbissen. Sie kann Betelnuß enthalten, muß es aber nicht. Ein indisches Urlaubsmitbringsel der besonderen Art sind die diversen silbrig kandierten Betelnußleckereien, die man sich zum Beispiel in Varanasi (Benares) zusammenstellen und in ein Blechdöschenset verpacken lassen kann. Für das Zerteilen ganzer getrockneter Nüsse gibt es spezielle Betelnußscheren. Die optisch ansprechenden kleinen Touriteile taugen allerdings nicht viel. Will man ernsthaft seine Betelnüsse selber schneiden, sollte man sich lieber für die größeren handfesten Küchenvarianten entscheiden.

Während in Indien und Thailand hauptsächlich die als vergleichsweise harmlos geltende sonnengetrocknete Nuß gekaut wird, bevorzugt man in Indonesien die stärkere frische Nuß, insbesondere die als am potentesten geltende, unreife grüne Nuß. Sie wird dort „pinang“ genannt, das Betelpfefferblatt „sirih“, die Löschkalkpaste „kapor sirih“. Die frische unreife Nuß läßt sich gut mit dem Messer schneiden, ist beim Kauen knackig und setzt schnell ihre Wirkstoffe frei. Beim Genuß eines solchen Betelbissens ohne Tabakzusatz schießt einem der sich rot färbende Speichel im Munde zusammen. Schnell baut sich ein wohligdumpfes Gefühl im Kopf auf, eine leicht benebelte Zufriedenheit, der sich der Neuling bis zur Ausgelassenheit oder Albernheit hingeben mag. Die Wirkung hält nicht allzulange an, vielleicht eine halbe bis eine Stunde deutlich. (Ein Ort, an dem so mancher seine ersten Erfahrungen mit frischem Betel gemacht hat, ist der Bauernmarkt des ansonsten sehr touristischen aber wunderbar gelegenen Künstlerdorfes Ubud auf Bali. In der zu Spaziergängen einladenden Umgebung kann man zahlreiche Betelpalmen bewundern.) In Indonesien fällt der Betelgenuß nicht so auf, wie in Indien (wo es unzählige Betelbissenverkäufer, sogenannte „pan wallas“, und z. B. entlang der Küste des Staates Karnataka große Betelpalmplantagen gibt). Er ist in den ländlichen Gebieten aber noch verbreitet. Wenn man aufmerksam hinguckt, sieht man wie bei uns Kaugummis, überall ausgespiene rotbraune Betelbissen. Betel wird nämlich nach dem Kauen nicht geschluckt, sondern ausgespuckt. In Indien kleben die Bissen überall an Wänden und auf dem Boden und man sollte sich hüten in die Flugbahn einer solchen ausgesogenen Mischung zu geraten. Allgemein läßt sich sagen, daß das Betelkauen dort auf dem Rückzug ist, wo die Moderne und das Zigarettenrauchen auf dem Vormarsch sind. In Thailand muß man schon aufmerksam über die Märkte streifen, um Stände zu entdecken, die die getrockneten Nüsse, meist für die ältere ländliche Bevölkerung, im Angebot haben.

Betelnüsse und Betelpfefferblätter sind nicht nur ein Genußmittel, sondern obendrein ein Heilmittel mit vielen Anwendungsmöglichkeiten. So wird die Betelnuß oder der ganze Betelbissen bei Zahn-, Kopf-, Bauch-, Muskel- oder Gelenkschmerzen, zum Fiebersenken, gegen schlechten Atem, gegen Durchfall, bei Hautjucken oder Insektenstichen, zur Blutstillung oder Wunddesinfektion, gegen Eingeweidewürmer und vieles mehr, innerlich oder äußerlich, ob als Pulver oder durchgekaut, eingesetzt. Deshalb ist die relativ lange haltbare getrocknete Betelnuß auch in der islamischen Welt, bis in die Türkei und nach Marokko erhältlich.

Indische Emigranten haben darüberhinaus für eine Verbreitung der Betelpalme über die afrikanische Ostküste und selbst in amerikanische Länder wie Jamaika, Trinidad, Belize und Brasilien gesorgt. Auch auf Hawaii und in Florida kann man Betelplantagen sehen.

Die Hauptwirkstoffe der Betelnuß sind die Alkaloide Arecolin und Arecaidin (sowie untergeordnet Guvacolin und Guvacin). Der Wirkstoffgehalt kann abhängig von Wuchsort, Reifegrad, Frische und anderen Faktoren um ein Mehrfaches schwanken. Er wird mit 0,15 bis über 1 % der getrockneten Nuß angegeben und soll im Mittel bei 0,4 bis 0,6 % liegen. Das Arecolin wird für die meisten körperlichen Wirkungen verantwortlich gemacht. Durch den Zusatz von gebranntem Kalk beim Kauen werden aber nicht nur die Alkaloide leichter aus der Nuß freigesetzt, sondern auch das Arecolin durch Hydrolyse zum Großteil in das stimulierende aber körperlich weniger bedenkliche Arecaidin umgewandelt. Nur ein geringer Teil der Alkaloide wird durch die Mundschleimhaut resorbiert. Der Großteil der Wirkstoffaufnahme erfolgt erst im Dünndarm. Der Zusatz des gebrannten Kalks soll übrigens auch an der Entstehung des roten Betelfarbstoffs beteiligt sein. Demnach wäre der blutrote Speichel so eine Art Qualitätsmerkmal für „Safer Betel“.

Die psychische Wirkung des Betels ähnelt der des Nikotins. Interessanterweise auch die manchmal auftretenden unangenehmen körperlichen Wirkungen, die dem Einsteiger den Genuß verleiden könnten. Dazu zählen Zittern, Schwindel, Übelkeit und Schweißausbrüche. Vor zu hohen Dosierungen ist unbedingt zu warnen. Menschen mit geschädigter Leber oder Herz-Kreislaufproblemen sollten sich in Zurückhaltung üben. Wie schon angedeutet, läßt sich durch das Kauen mit Löschkalk und die damit verbundene langsame und verträgliche Wirkstoffaufnahme der Wirkungsverlauf steuern. Betelnußpulver wird bisweilen gegessen oder Getränken, wie Kaffee oder Tee zugefügt. Diese Art der Einnahme birgt jedoch das Risiko einer zu hohen Arecolindosis. Nicht ohne Grund hat sich der Betelbissen mit dem Zusatz von gebranntem Kalk, über Jahrtausende in soziale und religiöse Riten integriert, als optimale Konsumform etabliert.

Ein softes wohliges Angeregtsein, das sich besonders bei bereits vorhandener Müdigkeit bemerkbar macht, eine Art Entspannung und leicht euphorische Stimmungsaufhellung ohne Mattigkeit gelten als charakteristische psychische Wirkungen eines Betelbissens. Es mag sich im Kopf ein Gefühl der Leichtigkeit einstellen. Die Leistungsfähigkeit für lange und anstrengende Tätigkeiten soll etwas erhöht sein. Bei höheren Dosierungen kann es zu einem Gefühl von Duseligkeit, einer etwas abgetretenen Gleichgültigkeit, einer gewissen Stumpfheit kommen. Die Handlungsfähigkeit und das Denkvermögen werden nicht sonderlich beeinflußt. Die Atmung kann bei Verengung der Atemwege intensiver erlebt werden, die Herztätigkeit verlangsamt und der Blutdruck gesenkt. Der Appetit wird reduziert. Der Speichelfluß wird durch die lokale Wirkung des Arecolins beim Kauen befördert.

Die Nuß allein schmeckt aromatisch, zusammenziehend, mit einer leichten, rauhen, ans Basische erinnernden Schärfe. Der gesamte Betelbissen betäubt vorübergehend den Geschmackssinn. Er wird nicht nur deshalb oft nach dem Essen gekaut, sondern auch weil er die Verdauung anregt.

Es läßt sich nicht leugnen, daß es zahlreiche gewohnheitsmäßige Betelkauer gibt. In den besagten Ländern erkennt man sie an den über die Jahre durch den charakteristischen Betel- und die Gerbstofffarbstoffe schließlich schwarz gefärbten Zähnen, in manchen abgelegenen Gebieten sogar ein Statussymbol. Häufig wird gleichzeitig Tabak mitgekaut. Es läßt sich daher schwer sagen, mit welcher Substanz beschriebene negative Folgen des Dauergebrauchs, wie das erhöhte Auftreten von beispielsweise Mundkrebs, in ursächlichem Zusammenhang stehen. Es wird aber vermutet, daß auch die Betelwirkstoffe schwach krebsauslösend sein können. Außerdem ist vor verschimmelten Nüssen zu warnen. In ihnen wurden karzinogene Aflatoxine festgestellt. (Dabei sollte Schimmel nicht mit dem weissen Kalkpulver verwechselt werden, mit dem die Betelnüsse ähnlich wie auch Muskatnüsse oft eingestaubt werden, um sie vor Schädlingsbefall zu schützen.) Wenn bei Dauergebrauch Probleme auftreten, dann möglicherweise in den Bereichen Mundraum oder Magen-Darm-Trakt. Ich kann nur betonen: Vorsichtiger, überlegter und gelegentlicher Gebrauch birgt nur minimale Risiken.

Betelblatt

Zur Orientierung möchte ich ein paar Daten nicht verschweigen: Eine kleine getrocknete Nuß mag vielleicht gerade mal 2 Gramm wiegen, eine große gut proportionierte Nuß aber 10 bis 15 Gramm! Ein bis zwei Gramm der geriebenen (Muskatnußreibe), zerraspelten, zerhackten oder mit der Betelschere geschnittenen Nuß wird man mit Löschkalk gekaut oder als Aufguß zubereitet schon deutlich spüren. 4 bis 6 Gramm auf einmal sollten gegessen oder getrunken auf keinen Fall überschritten werden. Es wird nur vorsichtig höherdosiert, zumal Betel ein Genußmittel ist und sich die erwünschten psychischen Wirkungen durch hohe Dosierung nur unwesentlich steigern lassen, dafür aber unangenehme körperliche Erscheinungen die Erfahrung dominieren.

Sollte man (z.B. in Indonesien) die Gelegenheit bekommen, die frische Nuß zu kauen, so nimmt man ein Zehntel bis ein Achtel des knackigen Nußkerns (nicht die weisse zähfaserige Hülle mitkauen!) und wickelt diese mit einer kleinen Messerspitze der ätzenden Paste aus mit Wasser angerührtem gebrannten Kalk (oder Calciumhydroxid aus der Apotheke) in ein bis drei möglichst frische und saubere (!) grüne Betelpfefferblätter ein und kaut das Ganze langsam durch. (Zu den weiteren Zutaten siehe oben.) In Indien packt man sich meist erst die getrockneten Betelnußschnipsel, dann ein frisches Betelpfefferblatt, mit Kalkpaste bestrichen und Gewürzen bestreut, in die Backe und kaut darauf herum. Den beim Kauen reichlich entstehenden Speichel schluckt man übrigens (soweit möglich) runter. Den ausgekauten Bissen spuckt man auf jeden Fall aus.

Betel hat hier durchaus schon Freunde gefunden. Meist wird allerdings auf ein paar aromatisierten Schnipseln aus dem Asia-Shop rumgekaut. (Betelkaugummis könnten bei uns, marktorientiert betrachtet, erfolgversprechend sein.) Betel ist ein weiterer Beleg für das allen Menschen innewohnende Bedürfnis, seine psychische Befindlichkeit mit Genußmitteln zu manipulieren und das Leben damit zu erleichtern und zu bereichern. Einmal mehr wird die Absurdität und Unmenschlichkeit des „Antidrogenkrieges“ deutlich.

 

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Special: Lactucarium

Lactucarium gehört zweifellos zu den obskuren Substanzen. Aber es handelt sich hierbei nicht um einen „Fake“, sondern um ein tatsächlich psychoaktiv wirksames Pflanzenprodukt, den eingedickten Milchsaft aus den Stengeln und Blättern blühender Latticharten, wie sie als wildwachsende „Unkräuter“ an Wegesrändern, auch mitten in der Stadt, auf „Ödland“, an Flußläufen und Kanälen, am Rande landwirtschaftlicher Nutzflächen, besonders in Weinbergen, im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet sind. Bei der bekanntesten Lattichart handelt es sich allerdings um den banalen Garten-Salat (Lactuca sativa). Und auch dieser kann eine Substanz liefern, die seit Ende der Siebziger Jahre in den USA als Lettucene oder Lettuce-Opium vertrieben wird, zu deutsch: Salat-Opium oder besser Lactucarium.

Doch eins vorweg: Lactucarium wirkt definitiv nicht wie echtes Schlafmohnopium, genausowenig, wie irgendwelche gerauchten Kräutermischungen wie richtige potente Hanfblüten oder gar gutes Haschisch törnen. Aber: Lactucarium wirkt, milder, subtiler, anders, aber durchaus so, daß man sich darauf einlassen und Gefallen an dem mentalen Driften unter Lactucarium-Einfluß finden kann. Gewisse Ähnlichkeiten mit Opium, sowohl vom Äußerlichen, als auch von der Wirkung, der Anwendung und seiner Gebrauchsgeschichte lassen sich zudem nicht leugnen, sondern sind offensichtlich.

Lattich wird und wurde überall auf der Welt genutzt, wo er gedeiht. Er war schon den alten Ägyptern heilig und wurde in Tempelgärten angepflanzt. Man hat ihn sowohl als Speise (die bekannten Salatblätter) als auch wegen seiner psychoaktiven Wirkungen genossen. Insbesondere dem Fruchtbarkeistgott Min nahestehend, hatte Lattich einen erotisch stimulierenden Ruf, erinnert nicht zuletzt auch der weiße Milchsaft an das lebensspendende Sperma. Bei den Griechen galt der Lattich ganz im Gegenteil als Symbol für Impotenz und den Mangel an Lebenskraft. Dieser Ruf hat sich bis heute gehalten und basiert wohl auf den tatsächlich eher beruhigenden und einschläfernden Eigenschaften des Lattichsaftes. Als Heilpflanze wurde Lattich als harntreibendes und abführendes Mittel, und ganz besonders auch zur Dämpfung von Reizhusten bei Atemwegserkrankungen und zur Schmerzstillung (sogar bei Operationen) eingesetzt. Aufgrund dieser Qualitäten wurde er bei den erwähnten Indikationen auch als Ersatz für Opium angesehen. Lattich war über Jahrtausende eine wichtige Heilpflanze und ist erst in diesem Jahrhundert in die Vergessenheit geraten.

Lactuca virosa bereit zur Lactucarium-Ernte
Lactuca virosa bereit zur Lactucarium-Ernte

Alle wilden und zur Salatgewinnung gezüchteten Latticharten enthalten psychoaktive Sesquiterpenlacton-Bitterstoffe, insbesondere Lactucin und Lactucopicrin (die in geringer Konzentration auch in Zichorien, Chicoreée, Endivien und Löwenzahn anzutreffen sind). Diese konzentrieren sich insbesondere in dem weissen Milchsaft der bei manchen Arten an günstigen Standorten über zwei Meter hoch werdenden Lattichpflanzen. Der wirkstoffhaltige Saft fließt erst zur Blüte richtig sämig und intensiv durch Stengel und Blätter. Die wilden ein- bis zweijährigen Latticharten enthalten erheblich mehr der Bitterstoffe als der domestizierte Gartensalat.

Lactuca virosa, aus einem botanischen Buch von 1828
Lactuca virosa, aus einem botanischen Buch von 1828

Als potenteste Lattichart gilt der steinige und sonnige Orte bevorzugende Giftlattich (Lactuca virosa), der diesen etwas dick aufgetragenen Namen eigentlich zu Unrecht trägt, weil es praktisch nie zu ernsthaften Lattichvergiftungen gekommen ist. Der Giftlattich kommt von Mitteleuropa bis Nordafrika und Westasien vor, und ist in den USA und vermutlich anderen Ländern eingebürgert. Es ist gar nicht so leicht, die einzelnen wilden Latticharten zu unterscheiden. Dies ist für die sporadische Gewinnung des bitteren Saftes auch nicht von so erheblicher Bedeutung. Wichtiger ist es, die Latticharten nicht mit anderen ähnlich aussehenden „Unkräutern“ zu verwechseln. Dies ist mit den Gänsedisteln, auch Hasenkohl genannt (botanisch Sonchus) möglich. Sie enthalten ebenfalls einen weissen Milchsaft und können als Salat gegessen werden, sind aber nicht für psychoaktive Wirkungen bekannt. (Eine Art wird allerdings in Chile als Kokaersatz gekaut, was uns zu denken geben sollte.)

Wer Lattich anbauen möchte, besorgt sich am besten die Giftlattichsamen. Was kaum noch jemand weiß, Giftlattich wurde um 1847 im Moselgebiet zur Gewinnung des Milchsaftes, dem Lactucarium germanicum, angebaut. Die Ernte des Saftes begann mit Beginn der Blüte (ab Mai, kann sich aber bei wilden Pflanzen bis in den Herbst hinziehen). Stengel oder Blütenknospen werden abgeschnitten oder mit den Fingernägeln abgeknippst (Vorsicht, auch Blattläuse lieben Lattich) und der austretende Milchsaft zum Beispiel in einer Tasse oder auf einer glatten Fläche aufgesammelt. Bei kleinen Mengen sind selbst Fingernägel oder Barettabzeichen geeignet. Schon bald gerinnt der Milchsaft, wird zäh und gummiartig und färbt sich erst gelblich, dann braunschwarz und glänzend ähnlich wie Opium. Der Saft riecht auch charakteristich scharf, an frischen Schlafmohn erinnernd. Von der selben Pflanze kann etwa zwei Monate bis zu mehrmals täglich Saft gezapft werden, durch immer neue tiefere Schnitte, bzw. Schnitte an anderen Blüten. Der Ertrag ist gering, Tröpfchen für Tröpfchen, die Ernte mühselig. Den gesammelten Saft läßt man vorsichtig an der Sonne trocknen. Die damalige Ernte an potentem deutschen Lactucarium, dem Lactucarium germanicum, fand übrigens ihren Weg von Zell an der Mosel über England nach Amerika und wurde dort wahrscheinlich zum Verfälschen von echtem Schlafmohnopium für die Kundschaft aus der chinesischen Gemeinde verwendet. Sein Preis schwankte in Abhängigkeit von dem des Opiums. Auch in anderen Ländern wurde damals von verschiedenen Latticharten Lactucarium gewonnen und nach dem Herkunftsland benannt, so in Österreich, Frankreich, England und Kanada.

Wem das Gewinnen des Lattichsaftes zu mühselig ist, der kann aus den frischen Blättern der blühenden Pflanze einen Preßsaft oder aus den getrockneten Blättern einen Tee zubereiten. Für den Tee werden etwa zwei Teelöffel des Krautes pro Tasse mit siedendem Wasser überbrüht und ein paar Minuten stehen gelassen, bevor abgegossen und getrunken wird. Sowohl Heißwasserauszüge, der Tee als auch der Preßsaft lassen sich zu einem Festextrakt eindicken, in dem die Wirkstoffe allerdings nicht in der Konzentration vorliegen wie im Lactucarium, das einen Bitterstoffgehalt zwischen 0,2 und etwa 1 % aufweisen soll.

Wenn das Lactucarium eingenommen wird, sollen schon Dosierungen von 0,05 bis 0,1 Gramm hustenreizlindernd wirken. Bei Schmerzen wurden bis zu 0,3 Gramm gegeben. Die maximale Einzeldosis wird mit 0,3 bis maximal 1 Gramm angegeben. Die von Hedonisten genommenen Mengen liegen meist zwischen 0,2 und 1 Gramm. Zu hohe Dosierungen können neben Benommenheit und beschleunigtem Schlaf auch Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Schweißausbrüche, Übelkeit und beschleunigten Stuhlgang zur Folge haben. Zur Vorsicht sollte auch gemahnen, daß die Bitterstoffe als schwache Kontaktallergene wirken können. Wer also eine Salatallergie hat, sollte die Finger von Lactucarium lassen. Wer Lactucarium einnimmt, sollte um Reizungen zu vermeiden für eine ausreichende Grundlage im Magen sorgen. Die Wirkdauer ist relativ kurz, vielleicht 2 Stunden deutlich, mag sich aber mit steigender Dosis verlängern. Erheblich kürzer wirkt das Rauchen von Lactucarium.

Lactuca virosa
Lactuca virosa

Das war die Einnahmeform, die zuletzt für Aufsehen sorgte. Auf der Suche nach legalen Highs stiessen findige Geschäftsleute aus den USA auf das alte Heilmittel. Die Firma Woodley Herber brachte Anfang 1977 zwei Präparate auf den Markt, „Lettucene 1 und 2“, die als potenter Ersatz für Haschisch und Opium vor allem in der „High Times“ beworben wurden. Auch in Deutschland versuchte die Hamburger Firma „Naschpo“ das Zeug unter die Kiffergemeinde zu bringen. Bei Preisen von bis zu 6,60 DM pro Gramm ein Unterfangen, das keine langfristigen Erfolge zeigte, aber die Aufmerksamkeit der Medien von der Hamburger Morgenpost („Dieser Salat macht „high“. Neue Droge macht Rauschgift-Fahnder ratlos.“) bis zu Stern („Schöne Träume aus Kopfsalat“) und Spiegel („Legaler Smoke“) garantierte. Tatsächlich gaben die Präparate rein äußerlich ein gutes Imitat der Schwarzmarktprodukte ab, aber die Wirkung war einfach zu schwach und wenig überzeugend um einen Stammkundenkreis zu gewinnen. In den USA folgten eine Reihe Nachfolgeprodukte, darunter auch potentere Präparate aus reinem Lactuca virosa-Saft. Aber das Interesse der Neugierigen ließ bald nach. Heute kann man im ethnobotanischen Fachhandel getrocknete Blätter des blühenden Giftlattichs erwerben, die man wie auch die anderer Latticharten gut rauchen kann. Das potentere Lactucarium muß man schon selber gewinnen.

Lactucarium soll nicht allzulange haltbar sein, vielleicht ein halbes bis maximal ein Jahr. Dunkel, kühl und trocken verstaut, erhöht sich die Haltbarkeit aber erheblich. So war das auf diese Weise gelagerte, oben erwähnte „Lettucene-Opium“ auch noch 15 Jahre später geraucht wirksam. Lactucarium wird genau wie Opium geraucht, nach dem Prinzip der Verdampfung der Wirkstoffe, also mit einer Opiumpfeife, aus einer Haschölpfeife oder von einer ausgeglühten Alufolie (z.B. durch ein Papierröllchen) inhaliert. Um beim Rauchen eine Wirkung zu verspüren, sind mindestens 0,1 bis 0,2 Gramm Lactucarium erforderlich. Es kann erheblich mehr geraucht werden. Schon allein das Zeremoniell und der an Opium erinnernde Rauch üben beruhigende Wirkung aus. Lassen wir einen Lactucarium-Raucher zu Wort kommen:

„Als ich zum ersten mal frisches Lactucarium aus einer Haschölpfeife geraucht hatte, sah ich in der Glotze gerade einen Film über eine von Christo verpackte Seine-Brücke in Paris. Mit einem mal hatte ich das Gefühl, an Stelle der Kamera zu schweben, in Zeitlupe unter der Brücke und entlang der Brücke zu gleiten. Die Zeit schien ungeheuer gedehnt. Eine Milde, eine Entspannung ein köstlich gefrorenes Lächeln hatten Besitz von mir ergriffen. Ein langer glücklicher Moment voll Klarheit und Ziellosigkeit, ein gedankenloses hypnotisches Driften in köstlicher Ruhe. Das Ganze dauerte vielleicht zwanzig, dreissig Minuten Echtzeit. Spätere Erfahrungen waren dumpfer, vielleicht weil das Überraschungsmoment weg war, die Naivität, die die Öffnung für eine frische Erfahrung begünstigte. Rauchen war aber allemal interessanter als das Essen des bitteren Lattichsaftes. Nach Einnahme größerer Bobbel waren ruhige ermattete Zurückgezogenheit ins Innere bei reduzierter Phantasie und einem kribbeligen, aber irgendwie auch betäubten unerotischen Körpergefühl die Folge. Mehr so ein softer Pflanzendowner, Einschlaffmittel.“

Gute Nacht.