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Portrait des Künstlers und Rock’n’Rollers Helmut Wenske

Bericht über Helmut Wenske

Portrait des Künstlers und Rock’n’Rollers Helmut Wenske

Der musikalische Entertainer Götz Alsmann titulierte ihn liebevoll als Kauz, doch wo Käuze in die Nacht rufen, da ist der außergewöhnliche (Lebens-)Künstler, Autor und Rock’n’Roller Helmut Wenske dann wohl eher ein frei fliegender Uhu. 1940 während des Zweiten Weltkriegs wurde er im hessischen Hanau bei Frankfurt am Main geboren. Sein Vater starb 1941 als 22-jähriger Soldat an der Ost-Front. Als Kind erlebte Wenske die Bombardierungen durch die Alliierten kurz vor Kriegsende 1945 und litt unter der Willkürherrschaft einer brutalen manisch-depressiv gestörten Mutter und ihrer wechselnden Partner. Aus einer beschissenen aber im nachhinein betrachtet eine interessante Persönlichkeit prägenden Kindheit in einem der für die im Wiederaufbau befindlichen Städte der Nachkriegszeit typischen Wohnghettos emanzipierte er sich mittels seines künstlerischen Talents und Rock´n´Roll.

Mitte der Fünfziger sieht er im Kino den Film „Saat der Gewalt“ und ist von der neuen Musik darin mit ihrem knallharten Sound begeistert. Bald geht er auf sein erstes Konzert und ist von da an vom Rock´n´Roll infiziert. In Zusammenhang mit der durch die Stationierung US-amerikanischer Truppen bestehenden Bar- und Club-Szene wurde Hanau eine der Hochburgen dieser gegen den Mief der Fünfziger rebellierenden musikalisch aufgepeitschten Abfeierkultur. Helmut Wenske war als party-wütiger „Halbstarker“ mitten drin und voll dabei. Rückblickend gesehen war der Startschuss für die kommenden musikalisch geprägten mehr oder weniger rebellischen im Kern hedonistischen Jugendbewegungen gefallen.

Wenske machte sich schnell auf Grund seines Talents einen Namen als Szene-Maler. Nach Lehren als Porzellanmaler und Schaufensterdekorateur verdingte er sich vielfältig, u.a. für das Kaufhaus Hertie, als Groschenheftchentitelgestalter, Plakat- und Stripteasekulissenmaler und Porno-Illustrateur. Horror-Filme und -Literatur inspirierten ihn. Gleichzeitig verfolgte er die musikalische Entwicklung vom Rock´n´Roll über die eher weniger innovative Beat-Zeit bis zur psychedelischen Hippie-Ära.

Über Johnnie Dee vom Edelhippie-Pop-Duo Adam and Eve, dem er seinen Cadillac psychedelisch anmalte, kam er 1967 zu Bellaphone Records mit Sitz in Frankfurt. Für diese als kreativer Kopf arbeitend erlangte er schließlich Berühmtheit durch seine Cover- und Poster-Illustrationen für Bands, die ihm persönlich zusagten. Durch den zeitgemäßen Einstieg in den täglichen Cannabiskonsum erlebte er einen ungeheuren kreativen Schub. Darum bemüht, sein Ego abzuschalten und hochkommen zu lassen, was innen drin ist, entstanden auf Grund seines vorhandenen Talents beeindruckende durch seine Erfahrungen geprägte psychedelisch-phantastische Bilder mit ineinander verwobenen albtraumhaften Motiven, die heute gleichzeitig Zeitdokumente, Psychogramme von Wenske und zeitlose originelle Einblicke in die menschliche Seele darstellen. Wenskes meisterhafte für ihn damals überlebenswichtige Kunst prägte das visuelle Image auf Plattencovern von Bands wie Creedance Clearwater Revival, Jeronimo, Steel Mill, Dzyan, Canned Heat, Tina Turner, Jimmy Hendrix und vor allem Nektar, zu denen eine sich gegenseitig befruchtende geradezu synergistische Beziehung bestand. Wenske fühlte sich unter den zeitgenössischen Künstlern am ehesten noch von dem ihm in mancher Hinsicht verwandten HR Giger angeregt. Wenskes Werke selbst wurden auf Vernissagen bewundert, mit Dali verglichen und hochgelobt. Er zählte zu den künstlerischen Risingstars. Zu Recht: Seine Bilder sind nicht mit einem Blick erfassbar, auf morbide Weise schön und drücken jenseits von mit Sehnsüchten nach Ganzheit und heiler Elfenwelt überfrachtetem psychedelischem Kitsch Ängste und Qualen des in eine grausame absurde Welt geworfenen erotisch penetrierten Seins aus, oder so ähnlich. Aber genau diese Art von Geschwafel und die dazugehörige aufgeblasene schmarotzerhafte Kunstszene gingen ihm schließlich auf die Nerven.

Seine Werke dienten noch als Titelbilder auf Buchumschlägen zahlreicher anspruchsvoller Fantasy- und Science Fiction-Romane, u.a. auch von Lem und Philip K. Dick. Mit Ausnahme des Meisters der Paranoia interessierte Wenske sich jedoch selbst gar nicht für dieses zum Hirnwichs tendierende Genre. Optisch versteinerte Wenske in seiner künstlerischen Hoch-Zeit zum dauerbekifften verzottelten Freak. Nach einem Lungenriss im Alter von 35 Jahren und zusätzlich noch von Kreislaufproblemen gebeutelt sah er sich nach zwölf Jahren des Exzesses Ende der Siebziger schlussendlich gezwungen den Cannabiskonsum einzustellen, den letzten Haschklumpen im Klo zu versenken, und hörte prompt auch auf wie besessen zu malen. Er hatte ohnehin praktisch alles rausgelaasen, was er rauslassen wollte. „Die Dämonen waren besiegt.“ („Shakin´all over.“) Ein neuer klarerer Trip begann. Dass sein Talent nicht gleichzeitig mit dem Cannabiskonsum flöten gegangen war, beweisen vereinzelt in der Folge entstandene Werke. Dem Alkohol gegenüber blieb Wenske weiterhin zugeneigt.

Anfang der Achtziger erlebte Rock´n´Roll ein verklärtes Revival. Man erinnere sich an die Teds, Rock´n´Roll-Tanzkurse, den fetten Elvis und schnulzige Schmalztypen wie Peter Kraus. Das stank Wenske gewaltig: „Nee, Leute! Rock´´n´Roll war wild, ungezügelt, roh und vulgär. Der gehörte auf die Straße, auf den Rummelplatz und in die versifften, alkoholgeschwängerten, nach Schweiß stinkenden, verräucherten Rockschuppen, wo die Amis mit den Nutten ihren Sold verjubelten, sich mit den Halbstarken rumprügelten, Tische und Stühle zu Bruch gingen, Köpfe blutig geschlagen wurden und junge Typen mit ölglänzenden Haartollen und gefährlich langen Koteletten verbissen auf ihre Gitarren eindroschen, bis nur noch der Beat durch den Raum donnerte, durch die spastisch zuckenden Glieder peitschte und alles vergessen ließ, was jenseits der vier Wände existierte!“ („Scheiß drauf“, S.178)

Er fing an zu Schreiben und lieferte 1983 unter dem Pseudonym Chris Hyde mit dem Werk „Rock´n´Roll Tripper (1)“ einen bukowski-esken im Straßenslang geschriebenen Meilenstein an Stories ab, der heute als authentisches Werk zum Eintunen in die damalige Zeit gefeiert wird. Auch auf das heute kaum noch bekannte Phänomen der zwischen 1956 und 1965 besonders aktiven aus den Niederlanden tourenden indonesischen Rock´n´Roll, Dance- und Show-Bands richtete er das Augenmerk mit einem Buch.

Als literarischen Nachschlag gab es dann 1988 den „Tripper 2“. Er liefert u.a. interessante Einblicke in die Scheinheiligkeiten des Rock-Geschäftes, das sich ab Ende der Sechziger Jahre der Vermarktung der modischen „Love and Peace“-Attitüde der Hippies und der von diesen geprägten musikalischen Verschwurbelungen widmete und erinnert auch daran, dass für viele Protagonisten der damaligen naiv durchgestarteten Drogen-„Scene“ am Ende Sucht, Psychosen und frühzeitiger Tod standen, während sich die zunächst innovative psychedelisch inspirierte Musik in technoidem Bombast und Glamgewittern verlor. Erst mit Punk gelang vorübergehend ein musikalischer und subkultureller Befreiungsschlag, back to the Roots, wenn man so will. Das galt auch für Wenske. Er kehrte zum ursprünglichen Rock´n´Roll-Feeling zurück.
Ein besonderes Steckenpferd des Autors sind die Bands, mit denen er auf Konzerten abgefeiert und zu denen er abgetanzt hat und die er egal wie alt weiterhin gerne selbst erlebt. So wird er zum lebendigen Musikkriker und zum Chronisten der Hanauer und mit Hanau verbundenen Rock(´n´Roll)-Szene. Wenskes 2003 erschienenes Werk „Scheiss drauf!“, zunächst einmal eine gelungene unterhaltsame Selbstdarstellung in Bildern, ist demzufolge gleichzeitig eine Hommage an den in Hanau erlebten Rock´n´Roll und seine Protagonisten.

Zwischenzeitig wurde Wenske in interessanten Fernsehdokumentationen als Zeitzeuge und Persönlichkeit gewürdigt. Und auch wenn Kunst für ihn selbst nicht mehr das Ding ist, so bietet doch das jüngste Werk aus dem CoCon-Verlag (2009) einen sehr attraktiven farbigen Einblick in sein vergangenes kreatives Schaffen, gepimpt mit Würdigungen künstlerischer Weggefährten.
Was trieb Wenske in den letzten Jahren? Seinen Lebensunterhalt verdiente er seit Anfang der Neunziger mit harter körperlicher Arbeit. Wenn möglich, reiste er mit Erika, seiner Frau und langjährigen hübschen Lebensgefährtin (seit 1959 zusammen!) nach Nordafrika und Südostasien. Dort reitet er dann gerne Araberhengste, Kamele oder Elefanten. Und er macht selbst als Gast-Sänger mit befreundeten Bands, na was wohl?! Rock´n´Roll!

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Info und Contact Helmut Wenske:
www.wenske-hyde.com

Die Bücher:

Wenske
Rock`n `Roll Junkie.
Psychedelic Maler.
Underground Autor.
120 S., Kunst- und Fotoband (mit mehr als 100 zumeist farbigen und teils ganzseitigen Abb.)
mit Textbeiträgen diverser Autoren
CoCon Verlag, Hanau 2009
www.cocon-verlag.de
ISBN 978-3-937774-64-0
19,80 Euro

Chris Hyde
Rock`n`Roll-Tripper
168 S., Tripper 1 (1983) und 2 (1988) mit 44 teils ganzseitigen Abb. auf 24 Fotoseiten
archiv der jugendkulturen e.V., Berlin 2003
ISBN 3-936068-45-3
18,- Euro

Wenske/Hyde
Scheiss drauf! Eine Rock`n´Roll-Bio in Bildern, ein Leben gegen den Strich.
276 S. mit über 400 teils ganzseitigen SW-Abb.
archiv der jugendkulturen e.V., Berlin 2003
ISBN 3-936068-69-0
22,- Euro

 

Der Film:

Daniel Siebert/ Axel Czarnecki
Shakin´ all over. Helmut Wenske – ein Leben gegen den Strich.
DVD, 60 minütige Doku mit musikalischen Beiträgen
2006 amigofilm productions e.k.
www.amigofilm.com


 

 

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Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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