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Drogen und Drogenpolitik – Texte von Jörg Auf demHövel und AZ

Gesundheit und Drogenpolitik

Zwischen 1994 und 2013 von Jörg Auf dem Hövel und AZ veröffentlichte Artikel

Psychopharmakologie

Ein verheißungsvolles Antidepressivum scheitert in der entscheidenden Studie. Der Fall zeigt erneut, wie wenig verstanden die Chemie des Gehirns ist. (Telepolis v. 22.11.2011)

Therapeutische Wahrheiten und Illusionen
Zu den Ursachen der weltweiten Pandemie psychischer Krankheiten. (Telepolis v. 14.08.2011)

Placebos ohne Täuschung. Jetzt ist es soweit: Placebos wirken selbst dann, wenn die Patienten wissen, dass sie ein Scheinmedikament einnehmen. Oder nicht? (Telepolis v. 29.04.2011)

 

Arzneimittelherstellung und pharmazeutische Industrie

Länger leben durch Vitaminzusatz? Hilft die Einnahme von Antioxidantien? (Telepolis v. 25.01.2013)

Krebs und seine Metastasen: Es ist alles viel komplizierter
Die verschiedenen Zellen eines Tumors haben oft mehr genetische Unterschiede als Gemeinsamkeiten. (Telepolis v. 16.03.2012)

Hoffnung für Zuckerkranke
Die Entwicklung der „künstlichen Bauchspeicheldrüse“ macht Fortschritte. (Telepolis v. 13.12.2011)

Kleine Geschenke begründen die Freundschaft
Weltweit haben Medizinstudenten schon früh Kontakt zur pharmazeutischen Industrie
(Telepolis v. 02.06.2011)

Marketing statt Evidenz: Durch Gerichtsverfahren veröffentlichte Dokumente zeigen die gewieften Methoden der pharmazeutischen Industrie (Telepolis v. 09.03.2010)

Innovationsmangel: Big Pharma sucht nach Orientierung
(telepolis v. 13. August 2008)

Placebos: Warum der Schein besser wirkt als nichts (DIE WELT v. 11. Juli 2008)

 

Interviews

Subjektiver Rausch und objektive Nüchternheit
Der Medizin-Anthropologe Nicolas Langlitz über das Forschungs-Revival psychedelischer Substanzen, die objektive Erkenntnis subjektiven Erlebens und kulturell beeinflusste Psychopharmakawirkung. (Telepolis v. 12.01.2012)

Zur philosophischen Basis heutiger Drogenpolitik: Interview mit Michael Rinella über das Symposion und Platos Neueinordnung der Ekstase (Deutsch & english version).

„Salvia ist keine Eskapisten-Droge“
Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten für Salvia divinorum, dem sogenannten „Wahrsagesalbei“ (and here is the english version)

Alte Pflanzen, neue Heilung?
Interview mit dem Experten für historische Pharmakologie Werner Dressendörfer

Der Körper geht sich selbst
Interview mit dem Buchautoren Hans-Christian Dany über die Rolle von Amphetamin in der modernen Gesellschaft

„Eine integrale Drogenpolitik wäre weit von einer generellen Drogenfreigabe entfernt!“
Interview mit dem Psychologen Wulf Mirko Weinreich über das Bewusstseinsmodell von Ken Wilber, die Zukunft der Drogenkultur und die psychotherapeutische Praxis

„Die Verelendungsprozesse hören nur durch die Vergabe von Methadon oder Heroin nicht auf“
Interview mit dem Bremer Suchtforscher Heino Stöver

Chemische Kriegsführung
Der Psychiater James S. Ketchum �ber seine Experimente im Dienste der US-Armee mit Belladonnoid-Glycolaten und LSD

Zur Neurobiologie der Alkoholabhängigkeit
Interview mit dem Suchtforscher Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie der Berliner Charité

Die Heroinabgabe muss kommen
Interview mit Henning Voscherau über synthetische Opiate vom Staat und die erreichbaren Ziele der Drogenpolitik

Von einem, der auszog, …
Baba Rampuri spricht über die Welt der Yogis (and here is the english version)

Der ewig missachtete Richterspruch
Staatsanwalt Carsten Schäfer über seine Max-Planck Studie zu Cannabiskonsum und Strafverfolung in den Bundesländern

Evolution
Interview mit dem Buchautoren und 68er-Veteranen Bruno Martin

Der Bandit von Kabul
Jerry Beisler im Gespräch über den Haschisch-Trail und das Afghanistan der 70er Jahre

„Kunst war mir immer suspekt“
Interview mit dem visionären Künstler Fred Weidmann

MAPS: Psychedelika als Therapie
Interview mit Rick Doblin, Gründer der „Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies“, über MDMA und die Probleme bei der Arbeit mit psychoaktiven Substanzen

Halluzinogene in der praktischen Forschung
Interview mit Prof. Charles Grob über seine Studien mit MDMA und Psilocybin.
(Hier die englische Version)

Aus den Tiefen
Interview mit Amon Barth

Annäherung an das richtige Leben
Interview mit Wolfgang Sterneck

Wenn der Konsum zum Problem wird
Interview mit dem Psychiater Eckart Schmidt über starke Cannabis-Raucher

Die Hanfapotheke
Franjo Grotenhermen spricht über ein Projekt, in dem Kranke Cannabis bestellen können.

Grenzwertig: Fahren und Gefahren mit THC
Interview mit dem Rechtsanwalt Martin Krause über Cannabis und eine kraftfahrzeuggestützte Lebensweise.

„Der Leistungssport wird seine ‚Unschuld‘ nie wieder zurückgewinnen“
Interview mit Günter Amendt, Experte für Drogenökonomie und Drogenpolitik, über Doping, die Pharmakologisierung des Alltags und das Scheitern der Prohibition.

Natur und „research chemicals“
Interview mit Jon Hanna, Herausgeber der Psychedelic Resource List, über den globalen ethnobotanischen Markt.

„Wir haben in unserer Gesellschaft insgesamt ein Problem mit dem Genießen“
Interview mit Prof. Gundula Barsch, Mitglied der Nationalen Drogen- und Suchtkommission im Bundesgesundheitsministerium über ihr Konzept der Drogenmündigkeit.

Dem Kiffer (mit Problemen) kann geholfen werden
Interview mit dem Suchttherapeuten Helmut Kuntz.

Interview mit Tilmann Holzer vom „Verein für Drogenpolitik“
Holzer spricht über das „Cannabis-Regulierungsmodell“ des Vereins.

Interview mit Joseph R. Pietri, dem „König von Nepal“
Der Haschisch-Schmuggler spricht über seinen Job.

Interview mit Nol van Schaik
Der Coffee-Shop Aktivist über die Praxis des niederländischen Modells.

Interview mit Gerhard Seyfried
Die Comic-Ikone über seine neue Lust am Schreiben.

„Rauschkultur als Form der Religiösität und des Hedonismus“
„Die soziale Realität muß die Normen durch Lächerlichkeit aushebeln“
Zwei Gespräche mit Professor Sebastian Scheerer, Kriminologe an der Universität Hamburg. Es geht um den Streit um das Cannabiskraut, das Urteil des Verfassungsgerichts, die Drogenpolitik in Deutschland und die Auswirkungen von Drogen auf das Bewusstsein.

Interview mit Ronald „Blacky“ Miehling
Der ehemalige Kokainhändler Ronald Miehling hat über Jahre den deutschen Markt mit Kokain versorgt.

Interview mit Christian Rätsch
Christian Rätsch -der wohl anerkannteste Ethnobotaniker Deutschlands- im Gespräch. Esoterischer Schamanenkult, psychoaktive Pflanzen, „Das Gute“, „Das Böse“ und Richard Wagner sind Themen.

Interview mit Wolf-Dieter Storl
GRÜNE aufgepasst: Dieser Pflanzenkenner und -lauscher weiß, was man von Pflanzen lernen kann.

„Ich sehe keine Bewegung“
„Sind wir durch mit dem Interview?“
Zwei Gespräche mit Hans-Georg Behr, dem zornigen Hanf-Veteranen. Der kiffende Psychiater hat eine bemerkenswerte Art, seine Meinung auszudrücken…

Mr. Cannabusiness
Interview mit Frank Zander, dem Organisator der grössten Hanfmesse Deutschlands.

„Wir nutzen nicht das, was in den Drogen steckt“
Interview mit Horst Bossong, dem früheren Drogenbeauftragten der Hansestadt Hamburg.

Gespräch mit Renate Soellner
Autorin der Studie „Abhängig von Haschisch? Cannabiskonsum und psychosoziale Gesundheit.“

„Unglücklicherweise wissen wir nicht genug über Cannabis, dabei wäre es einfach heraus zu finden.“
Interview mit Jonathan Ott, Autor des Buches „Pharmacotheon“.
(Hier die englische Version)

„Techno, Tanzen, Törnen, Ficken – Wegbereiter der Extase“
Interview mit dem Eve&Rave Urgestein Hans Cousto

Von alten und neuen Hexen und einem neuen Naturverständnis
Interview mit der Ethnologin Claudia Müller-Ebeling

Vom Wandeln zwischen den Welten
Schamanismus-Expertin Nana Nauwald im Interview

Pilzmännchen und Freiheitskappen
Interview mit Roger Liggenstorfer zum Thema psilocybinhaltiger Pilze

Der ganze Drogenkrieg kippt…
Hanf- und Verschwörungs-Experte Mathias Bröckers im Gespräch

Hanf – Eine Nutzpflanze unter vielen?
Ein Interview mit Hanf-Forscher Michael Karus, Geschäftsführer des nova-Instituts

 

Substanz-Specials

Der umfassende Einblick in die Welt der psychoaktiven Substanzen: Alle Specials (mit aktuellen Ergänzungen) von az, dazu weitere Artikel aus Magazinen, Zeitungen und Online-Medien.

Absinth, Alkohol, Argyreia nervosa, Ashwaganda, Ayahuasca, Bananenschalen, Betel, Damiana, Designerdrogen, Ephedra, Fliegenpilz, GHB ( 1.4 Butandiol), Ginkgo, Ginseng, Kawa Kawa, Ketamin, Koffein, Kaffee, Kokain, Krähenaugen, Lactucarium, LSD, Modafinil, Nachtschattengewächse, Oxy, Oxytocin, Pilze, Placebo, Ritalin (Methylphenidat), Salvia, Schlafmohn, Tabak, Teufelsdrogen (Yaba, Speed), Viagra, Yohimbe, Zigaretten.

 

Neue Drogenpolitik

Das Drogenverbot ist (mal wieder) am Ende
Der hochtechnisierte und globale Markt produziert ständig neue Substanzen, eine Kontrolle wird immer schwieriger (Telepolis v. 21.06.2012)

Ecstasy und seine Kinder
Mal wieder schafft eine Drogenstudie mehr Verwirrung als Aufklärung. (Telepolis v. 18.04.2012)

Das Ende der Akzeptierenden Drogenarbeit? Ein Abgesang

Abstinenz: Von der christlichen Idee zur Richtlinie der Politik

Klassifikation von Drogen: Britische Experten urteilen neu

Regulierungsmodelle: Wie der Staat mit Cannabis umgehen sollte

Bedenklich: Cannabis auf dem Schulhof

Wie stellt sich die Cannabis-Szene die Legalisierung vor? Legal, aber wie?

Wo ist wieviel erlaubt? Gesetze und Realitäten des Hanfkonsums in Europa und Osteuropa

Zu Besuch beim Organisator des Hamburger Hanffest: „Wir wollen uns zeigen.“

Ergo: Thesen zur Drogenpolitik

 

Drogen – global

Die europäische Drogenbeoachtungsstelle legt ihren Bericht für 2007 vor
Same procedure as every year

Die Wiedergeburt einer alten Bekannten
In Afghanistan wird wieder Haschisch produziert

Gefahr im Paradies
Thailand im Wandel

Mal ganz unten, mal ganz oben, aber immer: Kokain
Eine Polemik zum Fall Kate Moss

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch
Teil 1: Das Christentum, Teil 2: Der Hinduismus, Teil 3: Der Islam,
Teil 4: Der Buddhismus, Teil 5: Das Judentum

Chemie-Apotheken schließen
Research Chemicals

Ritualgruppen und neue Kirchen nutzen den Trank als Sakrament:
Ayahuasca kommt in den Großstadtdschungel

Weltweite Cannabis-Politik und ihre Missachtung:
Arizona, Australien, Großbritannien, Costa Rica, Indien, Kanada, Vietnam, USA, Europa, Ost-Europa

Grasgeflüster:
Auf welchen Routen reisen Haschisch und Marihuana?

Ausführliche Rezension eines Buches von Alfred McCoy:
Die CIA und die Drogenbarone

Cannabis-Praxis

Spice: Aufstieg einer dubiosen Psycho-Droge (telepolis v. 22.02.2009)

Das Ying und Yang der Cannabis-Psychose

Berauschende Aromaten?
Welchen Anteil kann ätherisches Hanfblütenöl an der psychoaktiven Wirkung von Rauschhanf-Präparaten haben?

Internet:
Sicheres Surfen und das Posten in Grow- und Drogen-Foren

In medias res:
Das Graslexikon und das Haschlexikon

Handwerk:
Die Growing-Area

Vorsicht :
Cannabis und der Führerschein
Welche Fehler Kiffer in Polizeikontrollen und danach machen.

Mangelhaft:
Ein Test mit Drogentests

Schädlich:
Cannabis und die Lunge
Ein Vergleich der giftigen Inhaltsstoffe von Cannabis und Tabak

 

Cannabis als Medizin

Cannabinoid-Arzneimittel im Aufwind:
Man hofft auf das große Geschäft

This will get you medicated!
In den USA hat sich Cannabis als Medizin längst durchgesetzt

Viel THC, aber auch Mikroben
Uni Leiden untersucht Coffee-Shop-Cannabis

Antiseptisch:
Zu Besuch bei THC-Pharm

Verdampfung:
Universität Leiden testet den Vaporizer

Feinstofflich:
Die Forschung zu den Cannabinoiden

Alltag:
Cannabis in der Praxis medizinischer Anwendung

Interview über Cannabis in der Medizin
mit dem Apotheker Manfred Fankhauser

Interview mit Lester Grinspoon
über Cannabis als Medizin

Interview mit Franjo Grotenhermen,
dem Vorsitzenden der „Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“

 

Mischen possible

Portrait des Künstlers und Rock’n’Rollers Helmut Wenske

Eine kurze Geschichte der Orgie

Albert Hofmann: Zum Tod des Chemikers und Naturphilosophen

Männer & Rausch Warum wir?

Halluzinogene Fische? Ein Mythos?

Nautische Architektur: Die Kunst des Mathias Erbe

Fressflash: Wenn der Rausch im Essen deponiert wird

Die ultimative Pfeifenkritik

Der ebenso ernst zu nehmende Psychotest

Mattscheibe:Kiffen und Kiffer im Film

Netzwerkpartys: Im LAN-Wahn

Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“

Wahrer Trash: Ein Bericht vom Cannabis-Kongress

Nachruf auf Timothy Leary

20 Jahre als Head-Shop Besitzer

Mit einem Fan auf dem Hamburger Hanffest 2000

Verkostung beim Nachtschattenmagier:
Miraculix aus Winterhude

Historische Kultur:
Deutsche Anti-Marihuana-Krimis aus den 50ern
Als die Bayern auszogen den Weltmarkt mit Haschisch zu überfluten
Marihuana in den Groschenheften der Sechziger Jahre

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Rezensionen

Rezension zu Michael Geißler: Acid, Mao und I Ging. Erinnerungen eines Berliner Haschrebellen

Kurioses aus den Aufzeichnungen eines Haschrebellen

Wer in den 60ern dabei war und sich noch an irgendetwas erinnern kann, was tatsächlich passiert ist, der war angeblich nicht wirklich dabei und war wahrscheinlich nicht richtig high. Der 2003 verstorbene Berliner Haschrebell Michael Geißler war definitiv dabei. Seine jetzt posthum veröffentlichten an Münchhausen und Castaneda erinnernden irrwitzigen Kifferstories, Trips zu hirnspeisenden serienmordenden Gurus, steinalten Arsenikessern, mit von Meskalin erleuchteten Terroristen, durchgeknallten Makaken, auf Satanistenärsche niederfahrenden Kugelblitzen, Elfentänzen und dergleichen, geben einen immerhin amüsanten Einblick in die ausufernde Phantasiewelt und Denke eines schelmischen Extremisten einer bizarren Szene von mehr oder weniger sympathischen SpinnerInnen einer Zeit, in der Alles möglich schien – Klolektüre.

Michael Geißler: Acid, Mao und I Ging. Erinnerungen eines Berliner Haschrebellen
gonzo Verlag, Mainz 2008
Tb., 257 Seiten
ISBN 978-3-9812237-0-5
12.95 Euro

 

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Cognitive Enhancement

Ginkgo biloba als Gedächtnisturbo?

Welt am Sonntag v. 05.09.2009

Ginkgo als Gedächtnisturbo?

Das pflanzliche Mittel soll Demenzkranken helfen und auch bei gesunden Menschen die Konzentration stärken. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind unter den Experten sehr umstritten.

Wer heute durch den Botanischen Garten in Jena streift, der wandelt auf den Spuren Goethes. Der Deutschen liebster Dichter war ein Pflanzenexperte, wobei es ihm eine Pflanze besonders angetan hatte: der Ginkgo-Baum. 1792 ließ er einen männlichen Ginkgo in dem von ihm beaufsichtigten Botanischen Garten einpflanzen. Dieser steht heute noch. Schon Ende des 18. Jahrhunderts war bekannt, dass Ginkgos uralt werden können. Aus Asien eingeführt, entzog sich die Pflanze den gängigen Klassifikationen, denn trotz seiner laubblattähnlichen Blätter ist der Ginkgo kein Laubbaum, sondern eine nacktsamige Pflanze, allerdings auch kein Nadelholz. Schon damals umgab die Pflanze ein Mythos, der durch Goethes Leidenschaft und sein berühmtes Gedicht noch verstärkt wurde. Es beginnt mit den Worten:

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.

Seither ist der Ruf von Ginkgo (lat. Ginkgo biloba) als geistförderndes Tonikum etabliert. Ob die Inhaltsstoffe aber tatsächlich gegen den altersbedingte Abbau der kognitiven Fähigkeiten helfen ist bis heute umstritten. Weltweit gehen Wissenschaftler der Wirkung der Pflanze auf den Grund.

In Deutschland hat Ginkgo ein pharmazeutische Karriere hinter sich, in keinem anderen Land wurde soviel des Antidementivums verschrieben wie hier. Bei Vergesslichkeit verschrieben Ärzte bis 2002 gerne Ginkgo. Der Grund war auch ein praktischer: Die Nebenwirkungen sind gering, das Mittel gilt als allgemein durchblutungsfördernd und genießt den Ruf eines milden mentalen Stärkungsmittels. Der Grund für die positive Wirkung auf den menschlichen Stoffwechsel wird in der hohen Konzentration an Flavonoiden und Terpenoiden vermutet. Flavonoide gelten als gefäßverstärkend, Terpenoide sind in ihrer speziellen Form, den Ginkgoliden und einem Bilobalid, nur im Ginkgo zu finden. Sie sollen schützende Wirkung auf die Mitochondrien haben. Dies sind fest umschlossene Extra-Bereiche in einer Nervenzelle, die als „Kraftwerke“ der Zelle bezeichnet werden. Auf den ansonsten durch Psychopharmaka so oft angesprochenen Neurotransmitterhaushalt scheinen diese Wirkstoffe weniger Einfluss zu nehmen.

Zwischen 2003 und 2004 kommt es in Deutschland zu einem Einbruch bei den Ginkgo-Verordnungen. Innerhalb kurzer Zeit sacken die Verschreibungen durch deutsche Ärzte um 85 Prozent ab. Der Grund: Die Krankenkassen zahlen seither die Behandlung mit Ginkgo nur noch in Ausnahmefällen. Damit steht Ginkgo nicht allein, der Kauf praktisch aller über 2500 zugelassenen Pflanzenmedikamente wird seither nicht mehr von den gesetzlichen Kassen erstattet.

Lange Zeit waren viele wissenschaftliche Studien rund um die Eigenschaften von Ginkgo von deutschen Medizinern verantwortet. Mehr noch, der größte Hersteller des Tonikums, die Firma „Dr. Wilmar Schwabe“ finanziert bis heute viele der Experimente, die den Mechanismen und mentalen Auswirkungen von Tebonin auf den Grund gehen sollen. Wie andere Hersteller ist auch Schwabe verpflichtet, durch klinische Studien die Wirksamkeit eines Produkts nachzuweisen, wenn er eine Zulassung dafür beansprucht. Das Problem der Glaubwürdigkeit solcher Studien ist systeminhärent.

In einem ersten Schritt wird heute daher grundsätzlich zwischen den Wirkung von auf kranke und gesunde Menschen unterschieden werden. Bereits 1998 nahmen sich Barry Oken und Daniel Storzbach von der Oregon-Universität für Gesundheitswissenschaften in Portland, USA, 50 Studien vor, die den Effekt von Ginkgo auf den Verlauf der Alzheimer-Demenz untersucht hatten. 46 Studien wiesen eine unklare Diagnose auf, die anderen vier zeigten aus Sicht der Autoren eine moderate, aber signifikante Wirkung einer drei bis sechs Monate währenden Behandlung mit 120 bis 240 Milligramm Ginkgo-Extrakt auf die geistige Leistungsfähigkeit.

Unter Leitung von Jaqueline Birks sichtete die unabhängige Cochrane Collaboration 2001 die Lage und bezog alle soliden Studien ein, die Ginkgo an Patienten mit Demenz oder kognitivem Handicap getestet hatten. 35 Studien wurden in die Meta-Analyse einbezogen, damit kommt man auf 4247 Probanden, denen Ginkgo-Extrakte in unterschiedlichen Dosierungen verabreicht wurden. Und schon hier stellte man das erste Problem fest: Die tägliche Dosis schwankte zwischen 80 und 600 Milligramm. Ein weiteres Problem: Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde mit Hilfe von über 20 unterschiedlichen Tests überprüft. Aus Sicht der Autoren erschwert dies die Vergleichbarkeit der Studien untereinander enorm.

Wenn überhaupt, dann muss Ginkgo über einen längeren Zeitraum verordnet werden, um Effekte bei dementen Menschen zu erzielen. Bei Experimenten, die mindestens 12 Wochen andauerten, so das Cochrane-Institut, kommt es eher zu signifikanten Unterschied zwischen Placebo- und Ginkgo-Probanden. Insgesamt resümiert man: Die Ergebnisse sind zu inkonsistent und nicht überzeugend genug, als dass Ginkgo für die Behandlung von Demenzkranken empfohlen werden kann. Zugleich bedauert man, dass aufgrund der weltweiten Vorrangstellung der Acetylcholinesterasehemmer bei der Demenzbehandlung die zukünftige Forschung mit Ginkgo biloba erschwert ist.

In Deutschland prüfte zuletzt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das Potential von Ginkgo bei der Behandlung der Alzheimer-Demenz. Auch hier wies man auf die Uneinheitlichkeit der Studienlage hin und forderte weitere klinische Vergleiche.

Gehirn-Turbo?

Noch unsicherer ist die oft kolportierte Fähigkeit von Ginkgo auch gesunden Menschen dabei zu helfen, konzentrierter und ausdauernder zu arbeiten. Im Jahre 2000 machte sich eine Forschungsgruppe um den Biopsychologen David Kennedy von der Northumbria Universität in England daran, für konsistente Daten zu sorgen. Allerdings waren es nur wenige Probanden, nämlich 20, die an dem Experiment teilnahmen. Das Phänomen der geringen Teilnehmerzahl zieht sich wie ein roter Faden durch die Erforschung von Ginkgo für Gesunden. In der britischen Studie erhielten die Teilnehmer entweder 360 mg Ginkgo-Tonikum, 400 mg Ginseng, oder in der Luxusvariante 960 mg eines Kombinationsprodukts aus Ginkgo und Ginseng. Man stellte bei allen drei Anwendungen im anschließenden Test eine geringe Verbesserung des Erinnerungsvermögens fest. Nebenbei bemerkt: Die selbe Forschungsgruppe überraschte 2002 die Fachöffentlichkeit mit einem Versuch mit Kaugummi kauenden Probanden. Diese wiesen ebenfalls ein besseres Erinnerungsvermögen auf als die kieferberuhigte Kontrollgruppe. Man sieht, wie wenig es teilweise bedarf, um den Geist in Bewegung zu bringen.

Der australische Psychologe Nicholas Burns von der Universität Adelaide hat die Wirkung von Gingko an gesunden Menschen über einen längeren Zeit überprüft. Die 104 allesamt männlichen Probanden waren zwischen 18 und 43 Jahren alt und erhielten über 12 Wochen eine vergleichsweise geringe Dosis von 120 mg. Die Männer schlossen daraufhin die 13 Tests ihrer kognitiven Funktionen nicht besser ab als die Placebo-Gruppe. Zu einem anderen Ergebnis kommt allerdings eine Forschergruppe um die Leiterin des Gerontopsychiatrisches Zentrum im Alexianer Krankenhaus Krefeld, Brigitte Grass-Kapanke. Sie wollen nach einer dreimonativen Einnahme eine Steigerung der Merkfähigkeit um 25% beobachtet haben. Die Ginkgo-Kandidaten waren durchschnittlich 55 Jahre alt und hatten angegeben, unter Konzentrationsschwierigkeiten zu leiden und auch teilweise sich Dinge nicht mehr gut merken zu können.

Die wissenschaftlichen Erforschung des Ginkgos am Menschen geht in das dritte Jahrzehnt. Aus subjektiver Perspektive verhilft Ginkgo offensichtlich vielen Menschen bei der Linderung ihrer Beschwerden, anders sind die immer noch hohen Verschreibungszahlen in Deutschland, aber auch weltweit, kaum zu erklären. Bei Demenz kann Ginkgo unter Umständen den Lebensalltag der Patienten verbessern, eine Kurierung der Krankheit ist nicht möglich. Gesunden Menschen, die Ginkgo als Mittel zur Förderung ihrer Gedächtnisleistung anwenden wollen, helfen die konzentrierten Wirkstoffe der Pflanze kaum und wenn überhaupt, dann umso eher, desto älter der Konsument ist. Dem 43-jährigen Autoren dieser Zeilen hat ein Ginkgo-Extrakt in einer Testreihe von täglich 240 mg über zwei Monate nicht geholfen.

Das menschliche Gehirn scheint im engen Zusammenspiel mit dem Körper ein Gleichgewicht zu halten, welches nur schwer optimiert werden kann. Ist es außer Kontrolle, besteht eher die Chance, es mit Medikamenten wieder in Schwung zu bringen. Aber ist der natürliche Alterungsprozess des Gehirns eine Krankheit? Wie immer man die Frage beantwortet, zumindest lässt er sich mit den bisher bekannten Medikamenten kaum aufhalten.

 

 

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Rezensionen

Rezension AILO – Concepts

HanfBlatt Nr. 111 AILO – Concepts cover
Frage: Wie komponiert man Chill-Out-Music, in der sich der Hörer sphärisch aufgehoben fühlt ohne sich zu weit in den unendlichen Räumen des Kosmos zu verlieren? Antwort: Wie Ailo es tut. Das griechische Duo hat ein exzellentes downbeat-Album aus einem Guss vorgelegt. Ost und West in Symbiose, physisch starke Sounds, alles mit Liebe zum Detail abgemixt. Das erinnert an FSOL, spielt aber nicht ganz so sehr mit der Aura, wirkt kräftiger. Die akustischen Gitarren klingen konkret, die schnorchelnden Amöben robben über sie hinweg, im Hintergrund lockt der Klang des anatolische Cafés: Klangwelten. Dabei ist der Sound nie breiig, sondern immer crisp. Fazit: Zart-bitter Chill-Out mit perlenden Sequenzer-Schichten und naturnahen Sounds. Tiefenentspannung ohne Melancholie, wenig Pathos, aber auch wenig Kanten. Alles zieht gleich Rauchschlieren aus einer gut gestopften Pfeife vorüber. Töne zum wegdriften, danach fragt man sich, was man eigentlich die letzte Stunde gemacht hat.

AILO: Concepts
Label: Iono Music

 

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Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview with Daniel Siebert, expert for salvia divinorum

hanfblatt, Nr. 117, January 2009

„Salvia is not an escapist drug. Quite the contrary; it is a philosopher’s tool“

Interview with Daniel Siebert, the leading expert for Salvia divinorum

Mr. Siebert, is it still true that the Salvia divinorum available on the worldwide market is based on clones of an primordial plant from the Sierra Mazateca?

Daniel Siebert: Live Salvia divinorum plants have been collected in the Mazatec region several times in the last few decades. These have been collected in various locations, so they might be different clones. However, since the Mazatecs always propagate the plant from cuttings (it almost never produces seeds), it is quite possible that many of these different collections are clonally identical. Most of the salvia being sold today is imported from Mexico, and much, if not most, of that is grown in the Mazatec region. Some is also being farmed commercially in other countries. All cultivated Salvia divinorum plants originated from cuttings that were collected in the Mazatec region, since that is the only place where this species is traditionally cultivated. Whether or not it also occurs there as a truly wild plant has not been determined with certainty. There are populations in that region that appear wild, but these may be feral populations of plants that were deliberately planted in those locations in the past. The fact that the plant almost never produces seeds suggests that these populations are not truly wild. It may very well be that this species no longer exists anywhere in the wild. If that is the case, then it is entirely dependent on human beings to keep it from going completely extinct. Even if truly wild populations are identified in the future, it is likely that they would only exist in a very small geographic area. From an ecological perspective, this is a very rare plant. The fact that many countries are making Salvia divinorum illegal endangers the entire species.

Daniel Siebert in his Lab

It is popular to post Salvia trips on Youtube. Most of the people seem to have an extraordinary experience. Are these sessions detained under the sensible conditions of set and setting?

Most of the You Tube salvia videos show people using the herb carelessly and at excessively high doses. I am puzzled as to why anyone would want to post videos of themselves or their friends acting so foolishly. Not only are these people embarrassing themselves publicly, but they are also creating a negative impression of salvia, which plays right into the hands of people who would like to make it illegal. These videos typically show people trying to interact with the camera and other people in the room while they are on salvia. By doing that, they miss out on the most interesting and valuable aspect of salvia’s effects: the inner experience. It is important to use salvia at appropriate doses, in a peaceful environment, with adequate preparation, and with one’s attention directed inwardly during the experience. This is clearly not what people are doing in the You Tube videos.

What type of taking type would you recommend? Chewing the leaves, smoking them, alcohol extraction of leaves or pure Salvinorin A?

Personally, I prefer taking salvia orally, which is what the Mazatecs do. When taken orally, the effects develop more gradually and last considerably longer than is the case with smoking. That makes it easier to transition into the experience and gives one more time to explore it and make constructive use of it. The more gradual onset of effects also makes it possible to remember why one has taken salvia and what one wants to accomplish during the experience. This is especially important when one is taking salvia for serious self-exploration and inner work, which in my opinion is how it is best used. When taken orally, the peak effects usually last 45 minutes to 1.5 hours and then subside over another hour or so. In contrast, smoking produces effects that manifest very suddenly and only last 5 or 6 minutes before starting to subside. The sudden onset of effects is often very disorientating and the effects begin to fade before one is able to get a handle on what is happening. This is especially true when smoking strong extracts. However, some people find it difficult to obtain a desired level of effects when taking salvia orally. Those people may only be able to obtain a strong experience by smoking.

Observing the public discussion about drug using their is a bias, the different types, qualities and contents of the experience of different drugs are neglected. The english word for the nice german „Rausch“ is „intoxication“. Would it be helpful to make good characterization of drug experiences despite of the fact that they are so individual?

Generalizations can cause people to form inaccurate ideas about specific drugs. I see this happen frequently with Salvia divinorum. Because it produces visionary effects, people frequently call salvia a „hallucinogen,“ „psychedelic,“ or „entheogen.“ These are all appropriate as general terms for vision-inducing substances, but it is important to understand that salvia’s effects differ from all similarly categorized drugs. Unfortunately, people often transfer their preconceptions about other drugs on to salvia. Salvia is unique.

And as what kind of experience type would you classify the salvia trip?

I usually describe Salvia divinorum as a vision-inducing herb and salvinorin A as a vision-inducing diterpenoid. I try to avoid the terms „hallucinogen,“ „psychedelic,“ and „entheogen,“ mainly because those words tend to make people think of alkaloids such as LSD and psilocybin. Salvia trips vary in character, depending on set, setting, and dosage, but generally speaking, they are dream-like visionary experiences.

Salvia divinorum species from Oaxaca (Mexico). Photographed at the Conservatory of Flowers in San Francisco

There is a running discussion about the quality of these experiences. On the one hand, they are described as chaotic emissions of the brain, an unreal hallucination, on the other as valuable states of consciousness. Is there something like a trick to convert or translate the visions to common sense to be helpful in everyday life?

Salvia provides access to parts of the psyche that are normally out of reach. For this reason, people often learn a lot about themselves during salvia trips. If one wants to gain insight from one’s salvia experiences, the most important thing to remember is to stay focused and pay attention. The images and scenes that appear are often meaningful. Sometimes the meaning is immediately apparent. But sometimes it does not become clear until afterwards, when the person has had time to reflect on the experience. It can be helpful to write an account of the experience shortly after the effects have subsided. Salvia is especially useful as a tool for gaining insight and clarity when one feels confused about one’s life path or relationships.

But is it not possible that the insights in the own life are too overwhelming? So that one cannot get the message?

Yes, that can happen. Often people are unable to make sense of the material that comes up during salvia experiences. This can happen for many reasons: lack of maturity, lack of metal focus, too many distractions, lack of preparation, lack of experience, etc.

If you should compare the benefits of a salvia experience with other therapeutic options to learn more about the own self and its embedding in den social world, what would be your conclusion? And can one compare the danger of salvia-trips and other therapeutic options?

I am not really qualified to answer this question because I don’t know much about psychotherapy or psychiatry. I do know that people often have profound insights during salvia experiences and that they often feel revitalized and mentally refreshed following such experiences. Certainly salvia can benefit many people, provided that the set, setting, and dosage are appropriate. But, I would not recommend it for everyone. Although it does seem to have a lot of potential, the use of salvia as a therapeutic tool has barely been studied at all.

In an interview with Hans-Christian Dany, author of a worth reading book about amphetamin he mentioned that there can be good reasons to stay sober when the social-economic conditions are wrong. Dany was thinking about the capitalistic system in which drugs like speed contribute to hold up the control over people. Is this a worth-thinking-about argument for salvia consumption too?

I don’t think social-economic conditions have much to do with weather or not a person chooses to use salvia. Salvia is not an escapist drug. Quite the contrary; it is a philosopher’s tool. It often motivates people to carefully examine their lives and make positive changes. Provided that it is used wisely and with adequate preparation, the occasional use of salvia does not compromise the ability to live a healthy, productive life, or to be a good member of society.

Thank you for the interview.

 

 

 

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Mixed

Zusammen gekniffene Ärsche

Im „Meridian“ schrammt die Info-Elite an der Entspannung vorbei

Plötzlich spülte mich die Wellness-Welle ins „Meridian“, einer Fitness-Oase in Hamburg-Eimsbüttel. Diese neue Art der Erholungsstätten will den Schweissgeruch vom Aerobic-Image abspülen, sich reinwaschen vom proletarisch verkommenen Body-Building. Hier soll den gestressten Shareholdern die nötige Dosis von Körperkraft und Ruhe verabreicht werden. Und zwar schnell.

Schon der Eingangsbereich glänzt wie eine Hotel-Lobby, hinter dem marmornen Front-Desk wieseln glattgehobelte Duftwasserträger. Wozu die Damen am Empfang meinen Namen in den Computer hackt, ist mir nicht verständlich. Tagesgäste sind hier ungern gesehen, man will lieber unter sich bleiben, scheint es. Vorbei sind die Zeiten, in denen man noch vom Bademeister persönlich die pappige Eintrittskarte unter der Glaswand hindurchgeschoben bekommen hat. Hier ist Transparenz angesagt, die nach innen gekehrte Architekturtaktik der Versicherungskonzerne, die durch gläserne Fassaden ihr undurchsichtiges Spiel kaschieren wollen. Die mich anwidernde Pseudo-Wächter-Funktion der Medienbranche wird auch hier konterkariert, in dem für die gepuderten „Pissecke der Literatur“-Vertreter ein spezieller Check-In Counter eingerichtet ist. Da scheint mir doch objektive Berichterstattung garantiert.

Meine dummen Scherze lassen die Dame am Counter kalt, sie gibt sich humorlos. Die Unsitte, die Gäste erst beim Verlassen des Etablissements zur Kasse zur bitten, habe ich das erste Mal vor zwölf Jahren im Mic Mac Moisburg erlebt. Schön, wenn sich provinzielle Bauernfängerei auch im urbanen Raum durchsetzt. Dafür gibt es ein Armband mit Transistor, der Tür, Tor, Umkleideschrank und Geldbörse öffnet. Wahrscheinlich überträgt das Mistding auch meine Schüttelbewegungen unter der Dusche an die Zentrale.

Ambiente ist das Zauberwort der Branche und das Wort „Sparen“ wurde dem Innenarchitekten nicht ins Brevier geschrieben. Mir soll es recht sein, denn der Schuppen umhüllt mich tatsächlich wie ein Tag am Meer.

Immer das gleiche in der Sauna: Die Frauen begutachten die Männern wie ein Stück Vieh. Ich kann es nicht verstehen, weshalb sich das starke Geschlecht nicht vehement für strikte „Männer-Tage“ einsetzt. Ich glitsche durch das Spalier der peitschenden Blicke und rette mich erst mal in den Ruheraum. Meine Begleiter fällt mit seinem 08/15 Bademantel schon fast unangenehm auf, hier trägt man Kimono oder Kaftan. Als erstes stürmen wir ins Dampfbad. Intarsien, kleine Kacheln mit Goldblatt, ein Himmel aus Sternen, die auch noch hin und her gedimmt werden. Wie im Kino hier, denke ich.

In den Whirlpools hocken die Typen wie die Käfer im Mist. Nur der Kopf schaut heraus. Aber hier lehnt keiner der Kopf zurück, denn das könnten von den Mit“streitern“ ja als Schwäche ausgelegt werden. Und so scheitern die Männer hier eher noch als die Frauen am gesetzten Ziel der Entspannung. Ständig flitzen ihre Augen: „Wer kommt das jetzt rein? Hat der mehr Muskeln? Hui, eine Torte. Mit den Titten würde ich aber nicht nackt rumlaufen.“

So, meine Herren, kann man nicht genesen! Wie sich sammeln, wenn sich nur erneut zerstreut wird? Mein Beileid. Zur Entschuldigung sei gesagt, dass es aber wahrlich nicht einfach ist in technisch designten Binnenklimata wirklich zu leben.

In der Simulation von Natur und zauberbergschen Luftkur stört der Ausblick auf die Hinterhöfe Eimsbüttels kaum jemanden. Die krude Mischung aus römischer Therme und japanischem Garten, aus Schwimmbecken mit flimmernden Spektrallichteinfall und räuchernden Duftbecken, betört, lässt aber die zusammen gekniffenen Ärsche auch nicht lockerer werden. Die Sensibilität für das Authentische ist den Damen und Herren der Cyberbranche eh abhanden gekommen. Was im Büro als platter Desktop über den Monitor flimmert, findet hier sein dreidimensionales Pendant. Und nach 20 Minuten in der halbwarmen Eukalyptus-Sauna bestätigt sich unter der Dusche die schreckliche Vermutung: Die Typen hier sind cool, duschen aber warm.

Die Kulisse mit ihren autistischen Schauspielern findet einen Höhepunkt in der Kräuter-Heu-Sauna, in welcher aus Lautsprechern ein Wasserfall plätschert und tropische Vögel ihre Balzrufe ablassen. Das turnt die Dame neben uns trotzdem nicht an, sie bittet uns die Schwitzhütte zu verlassen, wenn wir denn reden wollen. Ehrlich: Nur leise frönten wir der zudem bruchstückhaften Unterhaltung, kein Deut von breitbeinigen Männlichkeitsgehabe von Barmbeker-Fussballclub-Saunen. Die Torte meint tatsächlich, ihren Stress durch intensives Geplätscherlauschen abzubauen. Da ist meine Empfehlung doch, sich mal wieder mit dem nackten Arsch auf ein Stück echte Erde zu hocken. Das löst vielleicht die psychischen Blähungen, mit Glück führt es sogar zu einem Überdenken der nutzlosen Tätigkeit als International-Communications-Director, mit viel Glück vielleicht zu einer Trennung von ihrem mit-schwarzen-Schnallen-Schuhen-am-Sonntag-an-der-Alster-spazieren-gehenden-Edelfreund. Sie verlässt auf alle Fälle genervt den heissen Raum, als ich ihr dies mit Hand im Schritt aufs Brot schmiere. Für uns ist die Zeit ebenfalls gekommen – spätestens als wir mit dem Bademeister eine Prügelei wegen nicht der nicht getragenen Badelatschen vom Zaun brechen. Schade, wenn das einzig Witzige am Tag in solch einer Stätte die blutenden Nase des Geschäftsführers ist.

 

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Rezensionen

Rezension Pinchbek – 2012: Die Rückkehr der gefiederten Schlange

HanfBlatt Nr. 116

Kopf aufgebrochen für 2012

Wintersonnenwende 2012 ist Stichtag für Apokalyptiker, erlösungshungrige Esoteriker und paranoide Psychotiker. Großartiges werde geschehen. Darauf deute schon der alte Maya-Kalender hin, so sagt man. In der durch Empathogen- und Psychedelika-Konsum weichgespülten Rave-Szene ging einst der rhetorisch begnadete Psilo- und DMT-Apostel Terence McKenna mit seinen Visionen von anstehenden Transformationen hausieren. Die Verifizierung blieb ihm in Folge eines tödlichen Hirntumors erspart. Nun versucht der amerikanische Journalist Daniel Pinchbek noch rechtzeitig auf diesen Wagen aufzuspringen. Mit „Breaking open the Head“ (2002) hatte er als teilnehmender Beobachter interessante Einblicke in die damalige psychedelische Szene geboten. Sein Nachfolgewerk ist dagegen ein mit Zitaten und Gedankensalat aufgeblähtes langatmiges und ermüdendes Dokument eines von esoterischem Input überladenen Suchenden der sich individuellen Impulsen folgend relativ ziel- und orientierungslos durch die Ödnis der längst noch nicht ausgestorbenen New Age-Szene treiben lässt.

Von Quantensprüngen über Ufos, Avalon und Kornkreisen bis zum heiligen Gral und den Hopis, nichts bleibt dem Leser erspart. Über seinen anstrengenden Ego-Trip vernachlässigt der Autor Frau und Kind und entdeckt die Freuden des spontanen Fremdgehens, und muss daraus gleich den Versuch der Kreation einer neuen globalen Sexualitätsphilosphie von kosmischen Dimensionen machen. Da schmunzelt selbst der Bonobo. Nun gut, die Verzettelung in esoterischem Mindfuck war schon immer eine der bedauerlichen Degenerationserscheinungen gegenkultureller Bewegungen. Am Ende landet der Autor bei der Sekte der Ayahuasca schlürfenden Daimistas in Brasilien und erhält eine Prophezeiung, die wohl der Garant für Einladungen zu kommenden Vorträgen in der Eso-Szene sein soll, direkt von der gefiederten Schlange natürlich, der alten Maya-Gottheit Quetzalcoatl, in Form einer knappen wenig originellen aber gefälligen New Age-Fusionsschau. Immerhin gibt Pinchbek zu bedenken, dass das Ganze auch einfach nur seinem aufgebrochenen Kopf entsprungen sein könnte.

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Daniel Pinchbek
„2012. Die Rückkehr der gefiederten Schlange.“
Sphinx bei Hugendubel Verlag,
Kreuzlingen/München 2007
Geb. mit Su., 480 S.
ISBN 978-3-7205-9000-6

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Interviews Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten für Salvia divinorum

hanfblatt, Nr. 117, Januar 2009

„Salvia ist keine Eskapisten-Droge, im Gegenteil,
es ist ein philosophisches Instrument“

Interview mit Daniel Siebert, dem weltweit führenden Experten
für Salvia divinorum, den Wahrsagesalbei.

Daniel Siebert erforscht den Wahrsagesalbei (Salvia divinorum) seit über 20 Jahren. Er untersuchte die Pflanze in ihrer natürlichen Umgebung in Mexiko, arbeitete vor Ort mit Schamanen zusammen, entdeckte die Psychoaktivität des Inhaltstoffs Salvinorin A, veröffentlicht wissenschaftliche Aufsätze über den Göttersalbei und hält gut besuchte Vorträge. Salvinorin A gilt als das potenteste natürlich vorkommende Halluzinogen. Zur Zeit wohnt er mit Frau und jungem Kind im kalifornischen Malibu. Im Gespräch geht das Aussterben der bedrohten Pflanzenart und die besondere Qualität der Salvia-Erfahrung.

Daniel Siebert in seinem Labor

Herr Siebert, stimmt es nach wie vor, dass das gesamte auf dem weltweiten Markt erhältliche Salvia divinorum von einem Klon abstammt, der aus einer Ursprungspflanze aus der mexikanischen Sierra Mazateca gezogen wurde?

Daniel Siebert: Lebende Salvia divinorum Pflanzen werden seit Jahrzehnten in der Mazateca-Region gesammelt, es wird also unterschiedliche Klone geben. Die Mazateken vermehren die Pflanze per Setzling, denn sie produziert sehr selten Samen. Daher ist es gut möglich, dass die verschiedenen Exemplare identisch sind. Der überwiegende Teil von heute verkauften Salvia wird aus Mexiko importiert und davon wiederum stammt das meiste aus der Mazateca-Region. Aber es wird durchaus auch in anderen Ländern Salvia kommerziell angebaut. Es kann durchaus sein, dass die Pflanze nirgendwo mehr auf der Welt wild wächst. Sollte dies der Fall sein, liegt es in den Händen der Menschen sie vor dem Aussterben zu bewahren. Aus ökologischer Sicht ist es eine sehr seltene Pflanze. Die Tatsache, dass viele Länder Salvia divinorum verbieten gefährdet die gesamte Art.

Zur Zeit ist es äußerst populär seine Salvia-Trips auf Youtube zu veröffentlichen. Die meisten der Menschen scheinen eine außergewöhnliche Erfahrung zu machen. Was ist aus ihrer Sicht zu den Bedingungen zu sagen, unter denen Salvia genommen wird?

Die meisten der Youtube-Videos zeigen Menschen, die das Kraut unvorsichtig und in maßlos überhöhten Dosen nehmen. Ich bin verwundert: Warum sendet irgendjemand Videos in die Welt, auf denen man so töricht handelt? Die Leute blamieren sich nicht nur, sie sorgen auch für ein negatives Image von Salvia und das spielt genau in die Hände derjenigen, die die Pflanze verbieten wollen. Typischerweise zeigen die Filme Menschen in ihren Interaktionsversuchen mit Kamera und anderen Menschen im Raum. Dabei geht die eigentliche Qualität der Salvia-Wirkung verloren: Die innere Erfahrung. Es ist wichtig Salvia mit guter Vorbereitung, in angemessener Dosis und in friedlicher Atmosphäre zu nehmen, wobei die Aufmerksamkeit nach Innen gelenkt werden sollte. Dies ist nun garantiert nicht das, was die Leute auf Youtube tun.

Welche Einnahmeform würden sie empfehlen? Das Kauen oder Rauchen der Blätter, einen Alkoholextrakt oder pures Salvinorin A?

Ich persönlich bevorzuge die orale Aufnahme. So machen es auch die Mazateken. Oral flutet die Wirkung langsamer an und dauert zugleich beträchtlich länger als beim Rauchen. Dies macht den Übergang in die Erfahrung leichter, gibt mehr Zeit sie zu erforschen und konstruktiv mit ihr umzugehen. Die langsame Anflutung ermöglicht zudem ein Erinnern daran, warum man Salvia genommen hat und was man während des Erlebnis angehen wollte. Dies ist besonders dann wichtig, wenn jemand den Göttersalbei für ernsthafte Selbsterkenntnis und innere Arbeit konsumiert. Das ist aus meiner Sicht ohnehin die beste Art Salvia zu nutzen.

Wie lange dauert so eine Erfahrung?

Oral genommen hält die Spitzenwirkung zwischen 45 Minuten und 1,5 Stunden an. Das Abklingen dann noch einmal eine Stunde. Dagegen führt das Rauchen zu einem schnellen Effekt, der nur fünf bis sechs Minuten anhält, bevor er wieder abklingt. Das plötzliche Anfluten ist oftmals sehr desorientierend und bevor man dann überhaupt schnallt, um was es geht, verschwindet die Wirkung auch schon wieder. Gerade bei starken Extrakten kann das passieren. Manche Leute empfinden die orale Wirkung aber als zu schwach, daher rauchen sie lieber.

Verfolgt man die öffentliche Drogen-Diskussion herrscht Befangenheit: Unterschiedliche Typen, Inhalte und Wirkqualitäten von unterschiedlichen Drogenarten kommen nicht zur Sprache. Das englische Wort für das schöne deutsche Wort „Rausch“ ist „intoxication“, also Vergiftung. Würde es helfen vernünftige Charakterisierungen von Drogenerlebnissen einzuführen, trotz der Tatsache, das die Wirkung so individuell verschieden ist?

Generalisierungen führen oftmals zu oberflächlichen und inakkuraten Vorstellungen über bestimmte Drogen. Das sehe ich regelmäßig bei Salvia divinorum. Weil es visionäre Effekte verursacht nennen es die Menschen „halluzinogen“, „psychedelisch“ oder „entheogen“. Das sind zwar alles angemessene Generalisierungen für Vision-induzierende Substanzen, es ist aber wichtig zu verstehen, dass die Wirkung von Salvia sich von allen ähnlich kategorisierten Drogen unterscheidet. Bedauerlicherweise übertragen die Menschen ihr Vorwissen über andere Drogen auf Salvia. Aber Salvia ist einzigartig.

Und als was für eine Art von Erfahrung würden sie Salvia beschreiben?

Üblicherweise nenne ich Salvia divinorum ein Vision-induzierendes Kraut und Salvinorin A als Vision-induzierende Diterpenoid. Die Begriffe „halluzinogen,“ „psychedelisch“ oder „entheogen“ versuche ich zu vermeiden, hauptsächlich, weil dies die Menschen an Alkaloide wie LSD und Psilocybin denken lässt. Salvia Trips variieren in ihrem Charakter, abhängig von Set, Setting und Dosierung, aber generell gesagt sind es traumartige, visionäre Erfahrungen.

Über die Qualität dieser Erfahrungen läuft eine lang anhaltende Diskussion. Von den einen werden sie als chaotische Zustände des Gehirn beschrieben, als irreale Halluzinationen. Andere beschreiben sie dagegen als wertvolle Verfassungen des Bewusstseins, aus denen zu lernen ist. Gibt es so etwas wie einen Trick um die Erfahrungen so zu übersetzen, dass sie in Leben und Alltag hilfreich sind?

Salvia divinorum species from Oaxaca (Mexico). Photographed at the Conservatory of Flowers in San Francisco

Salvia ermöglicht Zugang zu Teilen der Psyche, die sich normalerweise außer Reichweite befinden. Aus diesem Grund lernen viele Menschen oftmals etwas über sich. Um das zu ermöglichen ist es sehr wichtig, während der Erfahrung fokussiert und achtsam zu bleiben. Die Bilder und Szenen die auftauchen sind häufig bedeutungsvoll. Nicht immer ist diese Bedeutung sofort zugänglich, dann hilft es abzuwarten und nach der Sitzung das Erlebte zu reflektieren. Es kann hilfreich sein bereits kurz nach dem Abklingen eine Zusammenfassung aufzuschreiben. Salvia kann nützlich sein, gerade wenn es um die Einsicht in den weiteren Lebensweg oder Freundschaften geht.

Aber sind die Einsichten nicht manchmal überwältigend? So dass die Nachricht gar nicht zu extrahieren ist?

Ja, das kann vorkommen. Häufig ergibt das Material was nach oben kommt keinen Sinn. Das kann aus mehreren Gründen passieren: Fehlende Reife, fehlender Fokus, zu viel Ablenkung, mangelnde Vorbereitung, fehlende Erfahrung, um einige Beispiele zu nennen.

Wenn Sie die Vorteile von Salvia mit anderen therapeutischen Optionen vergleichen müsstest, mehr über sich und die Welt zu erfahren, was wäre Ihr Fazit? Kann man die Gefahren eines Salvia-Trips mit anderen Therapien vergleichen?

Ich bin eigentlich nicht qualifiziert diese Frage zu beantworten, denn ich weiß nicht viel über Psychotherapie. Ich weiß, dass Menschen tiefe Einsichten während eines Salvia-Trips haben und das sie sich danach oft vitalisiert und mental erfrischt fühlen. Sicherlich kann Salvia vielen Menschen helfen, vorausgesetzt Set, Setting und Dosierung stimmen. Aber ich würde es nicht jedem empfehlen. Obwohl es viel Potential hat ist der Nutzen von Salvia als therapeutisches Werkzeug kaum erforscht.

In einem Interview mit Hans-Christian Dany, Autor eines lesenswerten Buches über Amphetamin, behauptet dieser, dass es gute Gründe geben kann, unter den falschen Umständen nüchtern zu bleiben. Dany denkt dabei an das kapitalistische System, in dem Drogen wie Speed zur Kontrolle der Gesellschaft beitragen. Ist dies ein Argument, welches sich aus deiner Sicht auf den Salvia-Konsum übertragen lässt?

Ich denke die sozial-ökonomischen Bedingungen haben wenig damit zu tun, ob eine Person sich entscheidet Salvia zu nehmen oder nicht. Salvia ist keine Eskapisten-Droge, im Gegenteil, es ist ein Philosophen-Instrument. Es motiviert die Menschen das eigene Leben zu betrachten und positive Veränderungen herbeizuführen. Der gezielte und gelegentliche Einsatz von Salvia kompromittiert nicht die Fähigkeit ein gesundes, produktives Leben zu führen, geschweige denn ein fruchtbares Mitglied der Gesellschaft zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Rezensionen

Rezension: Grice Scott – Die schönen Blödmacher

HanfBlatt Nr. 109

Schön ist, wenn bereits der Titel eines Buches so viel über dessen Inhalt aussagt, dass ein unsinniger Kauf vermieden werden kann. Im englischen Original heißt das Buch von Trevor Grice und Tom Scott „The Great Brain Robbery“, die deutsche Übersetzung „Die schönen Blödmacher“. Beide Titel weisen auf die einseitige und vereinfachte Darstellung eines an sich komplexen Sachverhalts hin. Tom Scott behauptet schon in der Einleitung: „Tatsächlich konnte man bis vor Kurzem Cannabis verteidigen – weil das endgültige Urteil noch ausstand. Aber das hat sich geändert. Wissenschaftler aus aller Welt sind in den Gerichtssaal zurückgekehrt, und das Urteil lautet: schuldig!“.

Dieser Tenor durchzieht das gesamte Werk, welches sich als „Lese- und Arbeitsbuch für Jugendliche und Erwachsene“ bezeichnet: Cannabis und die anderen Drogen sitzen auf der Anklagebank, aber von einem fairen Prozess kann nicht die Rede sein. Längst überholte Behauptungen aus der Mottenkiste der Reefer-Madness-Ära (verminderter Sexualtrieb durch Kiffen), veraltete Informationslage (Marihuana sei „in keiner Weise ein wirksames, sicheres Medikament“) oder schlicht falsche Beschreibungen der Wirkung einer Droge (LSD führe zu „starker Müdigkeit“). Dazu kommt noch simple Angstschürung („die Methoden der Drogendealer sind raffinierter geworden“) und fadenscheinige Bilder („Marihuana ist ein Einbrecher. Er arbeitet heimlich und hinterlässt keine Spur. Am Morgen danach sieht es so aus, als ob alles in Ordnung wäre, doch nichts funktioniert mehr richtig.“). Und ausgerechnet im Kapitel „Die harten Fakten“ werden wissenschaftliche Scheingenauigkeit und christliches Weltbild vermengt („Die Synapse, der Treffpunkt von Elektrizität und Chemie, ist der Ort, wo stimmungsverändernde Substanzen (…) ihre schwarze Magie entfalten.“).

Im Kapitel über Marihuana wollen Scott und Grice den „schlagendsten Beweis für die anhaltende Negativwirkung von Marihuana auf das Gedächtnis“ an einem Versuch festmachen, den Forscher um V.O. Leirer mit Piloten im Jahre 1991 durchführten. Diese sollten 24 Stunden nach einem Joint im Flugsimulator brillieren, schnitten dabei aber schlechter ab als die nüchterne Kontrollgruppe. Hätten Scott und Grice den Bericht wirklich gelesen, hätten sie bemerken müssen, dass Leirer und seine Kollegen von „sehr feinen“ und „sehr marginalen“ Unterschieden in der Performance sprachen, die weniger ausgeprägt waren, als die durch das Alter der Piloten verursachten Unterschiede.

So spielt das Buch mit den Ängsten von Eltern, Lehrern und Kindern und ist zu keiner Zeit in der Lage den Zeigefinger runter zu nehmen. Das im Kern für jede Droge eine Dosis-Wirkungsbeziehung herrscht scheint die Autoren nicht klar zu sein. Es stellt sich zudem die Frage, ob sie tatsächlich daran glauben, dass sie auf Basis ihres Abstinenzparadigmas einen Zugang zur Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen erhalten.

Harsch gesagt: Es ist nahezu unvorstellbar, dass irgendeinem, der deutschen Sprache mächtigen Jugendliche oder Erwachsenen männlichen oder weiblichen Geschlechts, dieses Buch eine Hilfestellung sein könnte.

Tom Scott, Trevor Grice:
Die schönen Blödmacher – Was man über Drogen wissen muss
Verlag An der Ruhr
Mülheim an der Ruhr 2007
Broschiert: 179 Seiten
ISBN-10: 3834602302
EUR 16,50

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Gesundheitssystem Psychopharmakologie

Die Macht der Pharma-Portale erbost das Kartellamt

Spiegel Online v. 15.10.2008

Ärzte müssen sich seit 2004 regelmäßig fortbilden – eine gute Idee, schlecht umgesetzt. Denn viele wichtige Web-Kurse für Mediziner werden von der Pharmaindustrie gesponsert oder selbst betrieben, Produktwerbung inklusive. Jetzt will das Kartellamt einschreiten.

Alles begann mit einer guten Idee. Damit ihre Heilmethoden auf dem neuesten Stand sind, sollten sich alle deutschen Mediziner regelmäßig weiterbilden. Auch die abgelegensten Arztpraxen der Republik sollten vom wissenschaftlichen Fortschritt durchdrungen werden und zeitgemäße Therapien anbieten. Das von den Gesundheitsexperten erdachte System war denkbar einfach und wurde 2004 im Rahmen der Gesundheitsreform eingeführt: Pro absolvierter Fortbildung erhält jeder Arzt Punkte, innerhalb von fünf Jahren muss er 250 ansammeln.

Offen blieb allerdings, wer die Weiterbildung für die rund 145.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten organisiert, vor allem aber wer sie finanziert. Die Ärzte selbst? Die Berufsverbände? Oder die Pharmaindustrie? Gegen letztere Variante sprach ein Passus im Sozialgesetzbuch, laut dem die Fortbildungen „frei von wirtschaftlichen Interessen“ sein müssen. Die Landesärztekammern müssen die Schulungen zertifizieren – um deren Qualität zu sichern und, so der Plan, einseitige Darstellungen oder gar Produktwerbung zu verhindern.

Doch dazu sind die Ärztekammern offenbar nur bedingt in der Lage. Inzwischen haben sich im Internet kostenlose Portale durchgesetzt, von denen der überwiegende Teil durch die pharmazeutische Industrie betrieben oder indirekt gesponsert wird.

Ein gesundheitsökonomisches Wunder

Rund hundert solcher virtuellen Schulen existieren derzeit. Alle großen Pharmakonzerne sind mit einem eigenen CME-Portal (Continuing Medical Education) im Netz vertreten, wie etwa Pfizer mit „pro-cme.de„, Astra Zeneca mit „top-cme.de“ oder Sanofi-Aventis mit „online-cme.de„. Dazu kommt eine Vielzahl von krankheitsbezogenen Internet-Seiten, die mit Unterstützung von Pharmaunternehmen betrieben werden.

Mediziner erhalten mit ihrer individuellen Arztnummer Zugang zu den Portalen. Damit ist weitgehend sichergestellt, dass tatsächlich der Arzt selbst die Vorträge ansieht und den anschließenden Fragebogen ausfüllt. Werden alle Fragen korrekt beantwortet, erhält der Teilnehmer die begehrten CME-Punkte. Das gesundheitsökonomische Wunder ist: Trotz der aufwendigen Programmierung und Aktualisierung der Lernmodule verlangt kaum einer der CME-Anbieter Geld.

Kann unter diesen Bedingungen ein Fortbildungsmarkt entstehen, so wie vom Gesetzgeber gewünscht? „Nein“, sagt Roland Holtz. „Warum sollte ein Arzt für etwas zahlen, was er zwei Mausklicks entfernt gratis erhält?“ Holtz hatte zusammen mit der Universität Hannover versucht, ein kostenpflichtiges Fortbildungs-Portal zu etablieren. Aus seiner Sicht scheiterte dies an der Marktdominanz der Pharma-Portale. Er stellte Strafanzeige gegen die größten Betreiber und informierte zugleich das Bundeskartellamt.

Das knöpfte sich daraufhin die Ärztekammern vor, die für die Zertifizierung der CME-Websitesn verantwortlich sind. In einem 19-seitigen Brief an die Bundesärztekammer monierte das Kartellamt die Online-Kurse, von denen viele „als Fortbildung getarnte Werbemaßnahmen“ seien, vor allem aber die Marktverstopfung. Man drohte, den Ärztekammern per Unterlassungsverfügung das Genehmigen solcher Schulungs-Portale zu verbieten.

Harsche Antwort der Ärztekammern

Die Antwort kam zügig, der Tonfall war harsch. Man unterliege nicht den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches, sondern allein dem jeweiligen Kammer- und Heilberufsgesetzen der Länder, so die Bundesärztekammer. Ihre Empfehlungen zur ärztlichen Fortbildung ließen ein „transparentes Sponsoring in Bezug auf Fortbildungsmaßnahmen“ ausdrücklich zu. Damit waren die Fronten geklärt. Das Bundeskartellamt wird nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wahrscheinlich exemplarisch gegen eine der Landesärztekammern vor Gericht ziehen.

Das könnte auch die Ärztekammer Hamburg betreffen. Deren Präsident Frank Ulrich Montgomery erklärt: „Bei zertifizierter ärztlicher Fortbildung sind die kommerziellen Hintergründe, wenn es sie gibt, klar erkennbar.“ Man vergebe für Fortbildungsveranstaltungen grundsätzlich nur dann Punkte, wenn neben der Anforderung an die wissenschaftliche Qualität auch die Sponsoren und die Verbindungen der Referenten zur Industrie transparent seien.

Doch schon eine kurze Stichprobe lässt daran zweifeln. Die Hamburger Ärztekammer hat im vergangenen Jahr 16 Online-Fortbildungen zertifiziert. Alle werden von der Firma Eumecom angeboten, die zum Pharmakonzern GlaxoSmithKline gehört. Letzteres aber ist weder auf der CME-Website des Unternehmens noch auf dessen CME-Unterseiten wie etwa „ringvorlesung.de“ auf den ersten Blick zu erkennen. Erst eine gezielte Suche im dortigen Impressum schafft die von Montgomery versprochene Transparenz. „Die Ärztekammer würde sich freuen, wenn deutlicher hervorgehoben würde, wer die Anbieter des Angebots sind“, sagte Montgomery zu SPIEGEL ONLINE ein.

Andere CME-Portale propagieren einzelne Medikamente – mal offensiv, mal subtil, wie zum Beispiel auf „Univadis“. Dieses ist von der zum US-Konzern Merck gehörenden Pharmafirma MSD aufgesetzt, nach Unternehmensangaben sind hier über 40.000 deutsche Ärzte registriert. In einer Beispieltherapie wurde hier einer Diabetes-Patientin der Fettwertsenker Simvastatin verschrieben. Den hat MSD im Portfolio, doch das Problem für den Pharmakonzern ist, dass Simvastatine als Generika erhältlich sind – der Patentschutz lief 2006 aus. Schlechte Aussichten also, noch große Gewinne zu erzielen. Allerdings hat MSD mit dem Wirkstoff Ezetimib einen weiteren Lipidsenker im Köcher.

In der Fortbildung wurde dem Arzt nun eine Kombinationstherapie aus beiden Wirkstoffen vorgestellt – und in den anschließenden Fragen galt eine solche Therapie als einzig richtige Antwort. Der Hintergrund: MSD hat Simvastatin und Ezetimib in einem neuen Kombinationspräparat mit Namen Inegy vereinigt, auf das der Arzt zwangsweise stoßen wird, wenn er den Empfehlungen des CME-Portals folgt. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE teilte MSD mit, das Modul sei bereits nicht mehr im Netz.

Das stimmt zwar, doch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hatte von MSD schon 2007 die Löschung des Moduls verlangt. Lange passierte nichts, erst vor etwa zwei Monaten verschwand es dann von der Website. KVB-Vorstandschef Axel Munte zeigt sich gleichwohl zufrieden: „Auch wenn man über die Dauer bis zur Rücknahme der Fortbildung geteilter Meinung sein kann, so finde ich es insgesamt erfreulich, dass die entsprechende Fortbildung inzwischen vom Netz genommen worden ist.“

Noch liegt der Anteil der Internet-Portale am gesamten CME-Markt bei geschätzten zehn Prozent. Doch alle Beteiligen sind überzeugt, dass er stetig wachsen wird. Denn im Internet lassen sich die nötigen CME-Punkte bequem und schnell sammeln: Pro absolvierter Einheit gibt es zwischen zwei und fünf Punkte.

Kooperation mit Pharmaindustrie ausgelagert

Der größte CME-Anbieter, der Heidelberger Springer-Verlag, verzeichnet nach eigenen Angaben monatlich über 20.000 Teilnahmer an Online-Fortbildungskursen. Über 50.000 deutsche Ärzte seien registriert und könnten aus über 300 Fortbildungen wählen. Rund 35.000 davon drücken nach Angaben des Verlags regelmäßig die virtuelle Schulbank.

Die Partnerschaft mit der pharmazeutischen Industrie lagert Springer in ein eigens dafür geschaffenes CME-Portal aus. Hier werden ausschließlich Fortbildungen in Kooperation mit Unternehmen aus der Pharmabranche angeboten. „CME mit Partnern“ nennt Springer das Projekt.

Offen ist, ob das immer ergiebig ist. Die Weiterbildung zur Therapie bei Morbus Paget etwa, einer krankhaften Deformierung der Knochen, wird laut Springer-Verlag von der Firma Novartis unterstützt. In der Online-Lehrstunde wird eine Studie vorgestellt, in der ein neues Novartis-Medikament mit der bislang marktführenden Arznei verglichen wurde. Es überrascht kaum, dass das Novartis-Mittel als das bessere angepriesen wird.

Verschwiegen wird jedoch, dass bis heute kein Medikament die Ausbreitung des Knochenwuchses bei Morbus Paget tatsächlich hemmt. So suggeriert die Fortbildung einen Therapiefortschritt, wo allenfalls eine bessere Verträglichkeit gegeben ist. Stephan Kröck, Mitglied der Geschäftsführung im Springer-Verlag, sieht das anders: „Die Studienlage legt hier tatsächlich einen Vorteil des neuen Präparats in einigen Bereichen nahe. Dies sollte man Ärzten, die Patienten mit Morbus Paget behandeln, mitteilen, und wir halten die Art der Darstellung in diesem Beitrag für absolut angemessen.“

Bedenken bei der Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer ist weniger glücklich über die von der Industrie gesponserten Fortbildungen, sieht aber kaum Alternativen. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Senats für ärztliche Fortbildung, hat die große Menge an notwendigen Angeboten als Problem ausgemacht. Sie könne von den Berufsverbänden allein nicht erbracht und von den Ärztekammern nicht bis ins letzte Detail überprüft werden.

Wie lange sich die Kammer auf dieses Argument zurückziehen kann, ist unklar. Denn schon Stichproben reichen aus, um die wissenschaftliche Unausgewogenheit vieler Fortbildungen festzustellen. Selbst wenn man zugesteht, dass gerade bei neu eingeführten Medikamenten die Fachinformationen auf das Produkt bezogen sein müssen, dürfte das kaum die alternativlose Darstellung des neuen Wirkstoffs rechtfertigen. Denn insbesondere bei neuen Arzneimitteln besteht Anlass zur Vorsicht, weil gefährliche Nebenwirkungen oft erst später bekannt werden – nachdem Zehntausende oder Hunderttausende Patienten das Mittel bereits eingenommen haben.