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Cannabis Rezensionen

Kraut zum Wundern

Über einen Prachtband zum „Haschisch Marihuana und Hanf Museum“

Der Niederländer Ben Dronkers eröffnete 1983 in Rotterdam den Coffeeshop „Sensi Smile“ und gründete nach Jahren der Cannabiszucht 1985 die „Sensi Seed Bank“, einen der größten und erfolgreichsten Samenhändler für psychoaktiven Hanf. 1994 folgte die Gründung von HempFlax um auch beim aufkommenden Interesse an Faserhanf als nachwachsendem Rohstoff mit zu mischen. Er gilt unter Hanffans als Kulturheld, ist aber vor Allem ein erfolgreicher Geschäftsmann und Marketingprofi. Für seine Sammelleidenschaft und zur Verbreitung seiner Sicht auf Hanf und Hanfgeschichte, gründete er 1987 das „Hashish Marihuana and Hemp Museum“ in Amsterdam, später mit einer Dependance in Barcelona.

Nach 34 Jahren gibt es mit „Weed of Wonder“ zwar keinen kommentierten Katalog (es fehlen Quellenangaben zu Abbildungen, Objekten und Postulaten, obendrein gibt es kein Literatur- und kein Inhaltsverzeichnis), aber ein umfangreiches englischsprachiges Buch zu den Ausstellungen, das sich ansprechend aufgemacht und reichhaltig illustriert auch ohne Museumsbesuch genießen lässt.

Ben Dronkers, sein englischer Cannabis-Autor Jules Marshall und sein auf holländische Malerei des 17. Jahrhunderts spezialisierter Kunsthistoriker und Kurator Gerbrand Korevaar bewegen sich ideologisch und, da das Museum auch als Erziehungsstätte seiner Besucher konzipiert ist, auch propagandistisch in den Fußstapfen der Hanfverschwörungstheorie des verstorbenen amerikanischen Hanf-Fans Jack Herer, der 1985 mit seinem damals eine neue Begeisterung auch für nicht psychoaktive Hanfprodukte auslösenden Buch „The Emperor has no clothes“ die Grundlagen für dieses Denken bereitete.

Herer zu Folge sei salopp zusammengefasst das Wissen um Hanf als ökologisch korrekt ein phantastisches Spektrum an wertvollen Rohstoffen liefernde quasi die Welt retten könnende Wunderpflanze mit obendrein zahlreichen Wirkungen im Sinne einer Wundermedizin und als verkannte in gewisser Weise spirituelle Wunderdroge mit Wurzeln bis zu den Ursprüngen der Religion, in den 1930er Jahren ausgehend von den USA durch Lobbyisten von Öl-, Holz-, Chemie-, Pharma- und Medien-Unternehmen in Allianz mit Vertretern der Strafverfolgungsbehörden, namentlich Harry Anslinger, mit Hilfe rassistischer Verteufelung unterdrückt worden.

Hanf ist tatsächlich eine beeindruckende vielseitig verwertbare Nutzpflanze, und die jüngste Geschichte der menschenunwürdigen Verfolgung von Hanfnutzern basiert stark auf den rassistisch untermauerten Verboten und Klischees, die in den USA entwickelt wurden. Das historische Verhältnis von Menschen in diversen sich wandelnden Kulturen zum Hanf und den daraus gewonnenen Produkten in seinen vielen Aspekten und über die Jahrtausende hinweg ist jedoch weitaus komplexer.

Im vorliegenden Buch ist man demnach erfreulicherweise auch viel vorsichtiger bei historischen Bewertungen und berücksichtigt auch neuere Erkenntnisse zu Cannabismythen. Dennoch verfließen mitunter die Grenzen zwischen nicht oder kaum psychoaktivem europäischem Nutzhanf und dem aus Zentral- und Südasien stammenden Rauschhanf. Im Zweifel, wenn es sich z.B. um andere Rauschmittel gehandelt haben könnte, oder auch um Flachs oder andere bedeutende Nutzpflanzen, wenn wahrscheinlich eher Tabak geraucht wurde, wird zugunsten von Hanf entschieden und auch die entsprechenden Objekte, wie z.B. alte niederländische Malerei oder Pfeifen damit zu Hanfikonen aufgewertet. Auch werden mögliche negative Assoziationen und Zusammenhänge mit Hanfanbau, Hanfnutzung und Hanfkonsum, wie Imperialismus, Kolonialismus, Sklaverei, Röste, ökologisch negative Konsequenzen, Belastungen am Arbeitsplatz, Fords Nationalsozialismus-Connection, Abhängigkeit, Nebenwirkungen etc. pp. gemieden, umschrieben oder allenfalls am Rande gestreift.

Kurzum, das Buch ist eine sehr ansprechende ökonomisch motivierte durch die rosarote Hanfbrille betrachtete niederländisch-amerikanische Hommage an den Hanf und seine Produkte. Als solche stellt die Lektüre eine gute Vorbereitung auf einen auch die touristische Hanfszene ins Visier nehmenden Amsterdam- oder Barcelonabesuch oder für die verständnisvollere Kommunikation mit Hanfvermarktern und ihren gläubigen Kunden dar, denn es spiegelt die konstruierte Wissenswelt wieder, in der diese sich am Liebsten bewegen, und in der sie gerne mit ihren Waren und Produkten gesehen werden wollen.

Hash Marihuana & Hemp Museum/ Hemp Museum BV
“Weed of Wonder“
Amsterdam, Barcelona 2021
291 Seiten, gebunden
ISBN 9789090345918 (Green Cover)

by Achim Zubke

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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