In Vietnam streitet man offiziell um den Umgang mit dem Internet. Wie passen sozialistische Werte und Modernisierung des Staates zusammen?
Nha Trang ist keine Schönheit, Hotelbauten verschandeln die Strandpromenade der rund eine viertel Million Einwohner zählenden Stadt an der Ostküste von Vietnam. Durch die breiten Straßen knattern unzählige Mopeds, zunehmend auch Autos und immer weniger Fahrräder. In den gläsernen Hotels begegnen sich junge Unternehmer und Parteifunktionäre, in den Straßen hängen neben Coca Cola-Schildern vergilbte Plakate, die an Volksgesundheit und sozialistische Tugenden erinnern. Auf kaum einen anderen Bereich wirkt sich die Gemengelage aus Marktwirtschaft und Sozialismus aber so offensichtlich aus wie auf die Telekommunikationspolitik des Landes. Das Internet soll den ökonomischen Aufschwung bringen, allerdings nicht die als degeneriert erachteten westlichen Werte.
Erst seit Ende 1997 ist das Land an das Internet angeschlossen, wobei der gesamte Datenverkehr über zwei Server läuft, die in Hanoi und Ho Chi Minh Stadt, dem ehemaligen Saigon, stehen. Diese Zentralisierung ist kein Zufall, ermöglicht sie doch die effektive Kontrolle des Datenflusses. An den zwei Gateways ins Ausland ist eine Schnüffelsoftware installiert, die einkommenden und ausgehenden elektronische Briefe auf verdächtige Inhalte überprüft.
Nur die Vietnam Data Communications (VDC), eine 100prozentige Tochter der staatlichen Telekommunikationsgesellschaft VNPT (Vietnam Post & Telecommunications Corporation) ist in Besitz einer Lizenz anderen Firmen den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Zur Zeit verfügt das Land über genau vier solcher Internet Service Provider, wobei VDC selbst als Provider auftritt. Die Provider führen ihre Betriebe unter restriktiven Bedingungen: Sie müssen dafür sorgen, dass bestimmte Adressen im ausländischen Internet aus Vietnam heraus nicht zu erreichen sind. Dies dient zum einen der Sperrung von Websites vietnamesischer Dissidenten, zum anderen soll so der weiteren Indoktrination der Bevölkerung Einhalt geboten werden. Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen werden rund 2000 Webseiten blockiert.
Eine der Homepages, die ganz oben auf der Liste der VDC steht, ist die der Allianz Freies Vietnam. Die Organisation von Exil-Vietnamesen setzt sich für die Demokratisierung des Heimatlandes ein und bemüht sich unter anderem den Informationsfluss aufrecht zu erhalten. Politische Nachrichten aus Vietnam werden von uns gesammelt und wieder ins Land zurück geschickt, erklärt H. Tran, außenpolitischer Sprecher der Organisation in Deutschland. Das Internet biete hierfür ideale Bedingungen und mit dem anwachsenden Datenaufkommen würde die Kontrolle der Inhalte immer schwerer.
Die Regierung in Hanoi hat einfach Angst vor dem Internet, sagt der Betreiber eines Internet-Cafés in Nha Trang. Die eingängigen Seiten seien zwar nicht erreichbar, aber beispielsweise sei das Angebot an erotischen Seiten so vielfältig, dass eine Sperrung aller betreffenden URLs gar nicht möglich sei. Im Raum stehen acht PCs, darunter sechs ältere mit 300er Prozessoren, aber auch zwei Computer neueren Kaufdatums. Ein AMD mit über einem Gigahertz, erklärt der Mann stolz. Vornehmlich Touristen nutzen seinen Service, in Travellerkreisen hat E-Mail die handgeschriebene Postkarte schon länger ersetzt. Immer häufiger sind es aber auch Vietnamesen, welche Kontakt in die Welt pflegen.
Das vietnamesische Politbüro ist genuin um die Hegemonie seiner Informationspolitik besorgt, meint aber zugleich, dass die ökonomischen Reformen vom Wachstum des Technologiesektors abhängig sind. Aber: Das Informationsmonopol ist unter den Bedingungen der IT-unterstützen Marktwirtschaft nicht zu halten. Die Begriffe nationale Sicherheit und wirtschaftliche Internationalisierung stehen für diese Quadratur des Kreises.
Um den Zugang zum Internet zu erleichtern, beschloss die Regierung in Hanoi jüngst eine Senkung der monatlichen Leitungs-Gebühren für Internet-Provider um 25 Prozent. Damit wird auch Privatpersonen der Einstieg ins Web erleichtert. Zur Zeit besitzen rund 170 Tausend Vietnamesen einen eigenen Zugang zum Netz der Netze, das sind 0,2 Prozent der Bevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland sind 43 Prozent der Bevölkerung online.
Weil der eigene Anschluss trotz der Preissenkungen für die allermeisten Vietnamesen noch immer zu teuer ist, boomen in den Großstädten die öffentlichen Zugänge. In der sozialistischen Vorzeige-Metropole Hanoi herrscht mittlerweile der Preiskampf zwischen den verschiedenen Cafés, der Preis für eine Stunde im Netz ist auf umgerechnet rund zwei Euro gefallen, in Ho Chi Minh Stadt liegen die Tarife noch tiefer.
Preiswert hatte auch Le Chi Quang seine Dokumente durchs Netz geschickt. Der 31jährige Computer-Dozent nutzte ein Cyber-Café in Hanoi, um einen ausführlichen Bericht über ein bilaterales Grenzabkommen zwischen der vietnamesischen und chinesischen Regierung zu veröffentlichen. Bei seinem nächsten Besuch stand die Polizei neben dem PC und verhaftete ihn. Le Chi Quang ist kein Einzelfall, Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder darauf hin, dass das vietnamesische Regime nach wie vor äußerst rigide gegen Kritiker vorgeht.
Für die alten Mandarine stellen die bürgerlichen Freiheiten nach wie vor keine Errungenschaft, sondern eine Gefahr für den Zusammenhalt des vietnamesischen Gemeinwesens dar. Neben dem Lust auf Konsum bringt das Internet aber genau diese Ideen der individuellen Rechte in die Städte und Dörfer des Landes. Ungeachtet dessen setzt die Kommunistische Partei weiterhin auf den Ausbau des Telekommunikationsnetzes. Planwirtschaft pur: Bis zum Ende des Jahres sollen zwei weitere Provider Lizenzen erhalten, der jüngst veröffentlichte Fünfjahresplan sieht vor, dass sich die Zahl der Internet-Zugänge versechsfachen, die Zahl der Internet-Nutzer verzehnfachen soll.
Milz an Leber: Sind die Drogen der Gegenwart so schlecht, oder womit haben wir das verdient? Einer der übelsten Schnäpse, die es je gab, wurde aus der Versenkung gezogen und wird uns natürlich völlig überteuert als neues Modegetränk präsentiert. Absinth, der Lieblingsschnaps besonders der Hardcore-Säufer im Frankreich des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, sei mit einem Alkoholgehalt von bis zu 70 % nicht nur einfach mit künstlichen grün oder rot fluoreszierenden Farbstoffen auffällig und mit ätherischen Ölen, vor allem Anisöl, interssant gemachter Fusel, sondern verdanke seinem Gehalt an (bitterstofffreiem!) Wermutöl eine ganz besondere gar an das herrliche Cannabis erinnernde nahezu psychedelische Wirkung. Wer diesen alkoholischen Leber- und Hirnzellenkiller in sich hineinschütte, dem erscheine die Welt wie verwandelt, dank der speziellen Kräfte der „Grünen Fee“.
Die Alkoholindustrie lässt sich anscheinend immer neuen Blödsinn einfallen, um ihr Gesöff an den Mann zu bringen. War es vor Jahren noch der Mythos von dem angeblich halluzinogenen Agavenwurm, dessen Leichnam am Grunde mancher mexikanischer Mezcal-Flaschen dümpelt, der diesen im Vergleich zum höherwertigen Tequila bäuerlichen Schnaps interessant machen sollte, so propagierte man vor kurzem den Cachaca, einen im Vergleich zu gutem Rum traurigen brasilianischen Zuckerrohrschnaps als Gebräu mit eingebautem Samba-Rythmus, und nun eben den Absinth, den Schnaps der durchgeknallten Künstler von van Gogh bis Alfred Jarry; Moulin Rouge lässt grüssen. Dabei ist der Gehalt an dem Wirk- und Schadstoff Thujon, um den sich die Mythen ranken (und das auch Bestandteil des ätherischen Öls anderer aromatischer Pflanzen, wie des dalmatinischen Salbeis ist), nach EU-Richtlinien auf 10 mg pro Liter begrenzt. Chemische Analysen der gehandelten Absinthe stellten Gehalte von 0 bis 10 mg Thujon pro Liter fest. Das dürfte mit dem stark schwankenden und bisweilen fehlenden Thujongehalt der für die Destillation oder die Gewinnung des (zugesetzten) ätherischen Wermutöls eingesetzten Wermutpflanzen zusammenhängen.
Bei derart niedrigen Thujongehalten tritt also mit einiger Wahrscheinlichkeit der Tod oder zumindest Koma in Folge einer Alkoholvergiftung ein bevor auch nur ein Thujonrausch im Ansatz spürbar sein kann. Man vermutet, dass der historische Absinth bis zu 100 mg Thujon pro Liter enthielt. Doch auch einige Selbstversuche einmaliger oraler Aufnahme von 50 bis 100 mg reinem Thujon, also der für 5 bis 10 Liter (!) Absinth zulässigen Höchstmenge, zeigten überhaupt keine Wirkungen. Das muss natürlich nicht repräsentativ sein. Berichte von Vergiftungen mit reinem Wermutöl im Grammbereich weisen auf Krampfanfälle und heftige Komplikationen im Magen-Darm-Trakt hin und stellen eine enorme Belastung für die Nieren und andere innere Organe dar. Ein tödlicher Vergiftungsverlauf ist möglich. Sodbrennen und unangenehmes Aufstossen mit Wermutaroma können schon nach ein bis zwei Gläsern Absinths auftreten. Abgesehen von den typischen fuseligen Alkoholwirkungen ist mir persönlich bei verschiedenen Absinthproben nichts Interessantes oder Angenehmes aufgefallen.
Rein geschmacklich liegt man meines Erachtens mit den entschärften Traditionsgetränken Pernod und Ricard immer noch Meilen vor den meisten der neuen spanischen, tschechischen, schweizer, deutschen oder britischen Absinthe. Aber allein der Name auf dem Flaschenetikett scheint bei manch einem (bezahlten?) Testtrinker schon Halluzinationen auszulösen und ihn in Oden an die „Grüne Fee“ ausbrechen zu lassen, oh Kraft der Sehnsucht, welch Zeiten Kind wir sind. Wer unbedingt einen stilvollen Alkoholrausch wünscht, sollte sich lieber an edlen Wein, gutes Bier oder möglichst hochwertige sorgfältig destillierte Schnäpse halten. Wem es trotzdem schmeckt und wer in Mythen schwelgen möchte, nun gut, dem sei es gegönnt.
Nachtrag 2011
Vom modischen Fusel zum Feinschmecker-Destillat
Waren die ersten überteuert als Absinth angebotenen bunten Alkoholkreationen vor Allem aus Spanien, der (damaligen) Tschechoslovakei und Großbritannien noch zum Abgewöhnen, so muss man doch heute zugeben und darf sich freuen, dass in deren Folge eine Vielzahl wohlschmeckender Kräuterdestillate mit unterschiedlichem Wermutanteil vom Typ des Absinths aus den traditionellen Herstellungsgegenden im Französischen und Schweizer Jura (insbesondere dem Val de Travers) über die regionalen Grenzen hinaus käuflich geworden sind. Ambitionierte Destillateure gibt es auch in Deutschland, Argentinien und anderen Ländern. Meistens verzichtet man bei diesen Feinschmecker-Produkten auf den Zusatz von (künstlichen) Farbstoffen. Manchmal wird Wermut zugegeben um eine bittere Note zu erzeugen. Das ist Geschmackssache. Es handelt sich dann eher um einen Ansatzschnaps als um einen echten Absinth. Mit dem jeweils passenden nostalgisch anmutenden Trinkritual gibt man sich in atmosphärisch reizvoll gestalteten Absinth-Bars (wie in Hamburg, Berlin und Solothurn) Mühe. Der zur Vermarktung eingebrachte „Thujon wirke irgendwie ähnlich wie THC“-Mythos gilt längst als wissenschaftlich widerlegt. Weder ist irgendeine THC-artige Wirkung zu erwarten, noch in den nachgewiesenen und üblicherweise konsumierten Mengen irgendeine andere psychoaktive Wirkung, die die bekanntermaßen bedenklich zu betrachtenden Alkoholwirkungen des Absinth-Schnapses in nennenswerter Weise modifizieren würde.
Unsere mehrteilige Serie klopft weiter auf die wild wuchernden Marihuana-Mythen. Die verwelkten Blätter mangelhafter wissenschaftlicher Arbeit fallen herab, übrig bleiben nur die gesunden Triebe nachvollziehbarer Forschungsarbeit.
Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Der achte Teil überprüft die Behauptung:
„Marihuana verursacht Hirnschäden“
„Doch, ich bin Napoleon“, sagte der eingelieferte Dauerkiffer, als man ihn eine Beruhigungsspritze verpaßte. So oder ähnlich muß man sich wohl das ausgemalte Bild dieses Mythos vorstellen. Um die Frage, ob Marihuana das Gehirn schädigt, schwelt seit Jahrzehnten die wissenschaftliche Kontroverse. In den siebziger Jahren wollten mehrere Studien nachgewiesen haben, das das Denkorgan von Cannabis-Konsumenten schlechter funktioniert als das von Abstinenzlern. Das Beeinträchtigen der Hirnzellen verursache, so diese Meinung, einen Verlust an Gedächnisleistung, kognitive Fehlleistungen und Probleme beim Lernen. So, so. „Ladies and Gentleman, we proudly present the hippest Boygroup in town:“
„THE FACTS“
Noch nie öffneten Forscher den Schädel eines Kiffers oder einer Kifferin. Wohl geschah dies aber bei Affen: Eine immer wieder zitierte Studie, die Hirnschwund nach dem Cannabis-Konsum feststellte, stammt aus den siebziger Jahren und wurde von R.C. Heath durchgeführt. Die Primaten durften den Rauch dreier Joints am Tag inhalieren. Heath entdeckte nach drei Monaten abnorme elektrische Funkbotschaften. Als er den grauen Schmalz der Rhesus-Affen examinierte, fielen ihm anatomische Veränderungen auf. Der synaptische Spalt (hier queren Informationen über chemische Botenstoffe das Gehirn) war geweitet, einzelne Synapsen waren verklumpt. Leider bestach die Untersuchung nicht gerade durch eine nachvollziehbare Versuchsaufbau. Gleich mehrere Verfahrensfehler kreideten andere Wissenschaftler Heath in der Folgezeit an: Eine Vergleichsgruppe fehlte, zudem litten die Pelztiere an akutem Sauerstoffmangel. Gerade dieser führt aber zu Schäden im Organ. Heath wollte bei den Affen eine panikartige Reaktion aufgrund des Grasrauchens festgestellt haben. Spätere Forschungsarbeiten wiederholten der Versuchsaufbau und kamen zu dem Ergebnis, daß die Affen weniger durch das Cannabis, als vielmehr durch die Situation des Experiments geschockt waren. Die Ergebnisse von Heath konnten auch in ihren anderen Bereichen später nicht bestätigt werden. In den USA wollte man es genau wissen und nahm die Forschung von Heath zum Anlaß, unter dem Titel „Marihuana and Health“ (1982) eine ganze Reihe von Experten zu Wort kommen zu lassen. Heath´s Arbeit wurde scharf kritisiert, ja demontiert.
Eine andere Studie, die ebenfalls in den siebziger Jahren für Aufsehen sorgte, ist die Arbeit von A.M.G. Campbell (in: Lancet 1971). Die Medien berichteten von „Hirnschrumpfung bei Kiffern“. Campell und seine Kollegen hatten zehn starke Cannabisraucher unter die Lupe genommen und Zeichen von Hirnschwund entdeckt. Nur stammten alle Subjekte ihres Forschungseifers aus einen psychatrischen Krankenhaus, die Hälfte war schizophren, drei hatten Kopfverletzungen erlitten, einer oder zwei waren Epileptiker. Zudem war von allen bekannt, daß sie Opiate, Beruhigungsmittel und andere Medikamente konsumiert hatten.
Fest steht: Der Zusammenhang von pharmazeutischen Agenten, dem menschlichem Hirn und dem Verhalten ist komplex. Schon der Nachweis einfacher Zusammenhänge bedarf diverser Experimente. Vereinfachungen aller Art verbietet damit eigentlich das wissenschaftliche Ethos. Aber natürlich greift der Rauschhanf, wie andere Substanzen auch, in die Funktion des Hirnes ein. Nur so entsteht der Rausch, die Veränderung der subjektiv erlebten Wirklichkeit. Fraglich ist halt nur, ob das bleibende oder gar schädliche Wirkungen hat.
Einigkeit herrscht darüber, daß das Lernen unter akutem Cannabiseinfluß weitaus ineffektiver ist. Und unbestritten ist auch, daß das Kurzzeitgedächnis erhebliche Einbußen hinnehmen muß. Dies kristallisierte sich in der Costa-Rica Studie ebenso heraus wie in einer Arbeit von R.H. Schwarz aus dem Jahre 1989. Abseits aller Wissenschaft ist dies eine Erfahrung, die wohl jeder erfahrene Kiffer bestätigen kann. Daß sich diese Beeinträchtigung aber, wie eine andere Untersuchung behauptet, bei starken Kiffern bis zu drei Monaten hinziehen kann, bleibt indes umstritten.
Der überwiegende Teil der Erhebungen und Laborexperimente, die Kiffer und Abstinenzler beäugten, fand keine Unterschiede in den kognitiven, intellektuellen oder wahrnehmenden Funktionen zwischen den beiden Gruppen. Dies gilt vor allem für die moderaten Kiffer, die nicht mehr als drei Joints pro Woche rauchen. Erst bei höheren Dosierungen ist es möglich, daß das heilige Kraut tatsächlich bleibende Schäden hinterläßt. In den meisten Fällen bleibt es aber schwierig, die Veränderungen im Denkschmalz eindeutig dem Cannabis zuzuweisen. Zumeist spielen auch andere Faktoren eine gewichtige Rolle, wie beispielsweise soziale Schichtzugehörigkeit, Bildung und Alkoholkonsum.
Neuere Forschungen (Varma u.a., 1988) maßen Intelligenz und Erinnerungsvermögen und konnten nicht ergründen, daß Kiffer und Kontrollgruppe sich unterschieden. Diese Ergebnisse decken sich mit zwei Studien, die die US-amerikanische Regierung bereits 1972 (National Institute of Mental Health) und 1980 (National Institute on Drug Abuse) führte.
Gerade die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Computertomographie liefern einen tieferen und gründlicheren Blick in das menschliche Denkorgan. M. Herkenham konnte damit 1990 die Rezeptoren im Hirn lokalisieren, an denen die Cannabinoide andocken. Er sagt offen, daß es trotz der Lokalisierung der Cannabis-Rezeptoren auch weiterhin unmöglich sei, psychologische Reaktionen vorherzusagen. Der Hanf besitzt in dieser Hinsicht kein genaues Wirkungsspektrum, wie beispielsweise Opiatderivate oder die bei der Bekämpfung von Schizophernie eingesetzten Neuroleptika. Herkenham und andere Forscher rufen aus diesem Grund zur Vorsicht auf, denn auch die oft genannten Einsatzgebiete des medizinischen Hanfs stehen auf den tönernen Füßen der genauen Kenntnis der Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und das Gehirn.
Die durch Computertomographie gewonnen Daten lassen keinesfalls des Schluß zu, daß das Hirn eines Kiffers schrumpft. J. Kuehnle scannte den Kopfinhalt von 19 Hardcore-Kiffern und konnte keine Schäden entdecken.
In der Studie von M. Fink (u.a., 1976) wurden in Griechenland 47 chronische Haschisch-Konsumenten erforscht. In ihren Hirnen fanden sich ebenfalls keine Abnormalitäten.
Berücksichtigt man die neurochemischen Daten von Tierversuchen, klinischen Fallstudien, empirischen Erhebungen, kontrollierten Laborstudien und Feldversuchen kann gesagt werden, daß Beeinträchtigungen des Hirns zwar möglich sind, bei einem kontrollierten Umgang aber äußerst unwahrscheinlich.
Tatsachen über Maschinen, Denkbarkeiten für Menschen
Für Rodney Brooks, den Primus der runderneuerten Künstlichen Intelligenz, funktioniert der Mensch zwar nicht mehr wie ein Computer, aber immerhin (wieder) wie eine Maschine.
„Nimm uns mit, Kapitain, auf die Reise“. Bei amerikanischen Steuermännern heuert man gerne an, sie bieten lockeres Lesevergnügen und unerschütterlichen Techno-Optimismus. Wenn dann auch noch Rodney Brooks ein Werk veröffentlicht, dann muss man zugreifen, schließlich ist der Mann der Reformator einer Disziplin, die trotz ihrer Fehlschläge von einer magischen Aura umgeben ist – der Wissenschaft von der Künstlichen Intelligenz (KI).
Ende der 80er Jahre zeigte die KI deutliche Anzeichen einer degenerierten Wissenschaft – zu hoch waren die geschürten Erwartungen gewesen menschliche durch elektronische Intelligenz ersetzen zu können. Die enormen Rechenleistungen ermöglichten zwar Erfolge bei Expertensystemen sowie Computern, die Schachweltmeister entnerven konnten. Beim Einsatz in der banalen Alltagswelt der Straßenüberquerungen und Häkelns scheiterten die artifiziellen Knechte aber gründlich. Warum? Dies fragte sich auch Brooks, der seit 1984 im Institut für künstliche Intelligenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Roboter entwickelte und zunehmend frustriert darüber war, dass die Artefakte immer noch nicht in der Lage waren zügig eine Treppe zu überwinden und zum Einsammeln von ein paar Bauklötzchen Stunden brauchten.
Der verführerische Titel „Menschmaschinen“ ist Zugeständnis an den Markt, was das Werk zunächst interessant macht ist die Beschreibung der Geburtsstunde und Entfaltung der „Neuen KI“. Der damals revolutionäre Grundgedanke von Brooks: Will man intelligente Maschinen bauen, muss die Kopplung zwischen Wahrnehmung und Handlung möglichst eng gestaltet werden. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass ein Roboter zunächst über ein inneres Weltmodell verfügen muss bevor er handeln kann. Brooks wollte diese „Kognitions-Box“, die bis dahin jeder für unabdingbar hielt, weglassen. Es entstand die Idee der „Subsumptionsarchitektur“. Damit ist eine Rechner- und Roboterarchitektur gemeint, in der die einzelnen Elementarverhaltennicht mehr in einer Zentraleinheit zusammengefasst werden, sondern unabhängig voneinander agieren. Das Verhalten des Gesamtsystems ergibt sich aus der Kommunikation der Subsysteme miteinander, die gemeinsam für gewisse Situationen bestimmte Interaktionsmuster ausführen. Brooks Ansatz findet seither in der Robotik immer mehr Anhänger.
„Ich war überzeugt – und bin es bis heute -, dass Intelligenzleistungen aus der Interaktion von Wahrnehmung und Handlung entstehen und dass in deren ausgewogener Implementierung auch der Schlüssel zur allgemeinen Intelligenz liegt.“
Allen, Genghis, Herbert – durch das gesamte Buch krabbelt die moderne Roboterforschung, immer unterhaltsam, immer verständlich. Zahlreiche Beispiele aus der Biologie helfen zu verstehen, dass Intelligenz einen realen Körper braucht, der mit der Umwelt interagiert ( Das Geheimnis der Intelligenz liegt nicht im Gehirn). Die klassische KI hatte bis dahin versucht, intelligente Maschinen zu bauen ohne Intelligenz verstanden zu haben und sie später in einer Mischung aus Verzweifelung und Übermut für intelligent erklärt.
Auf der ersten Overhead-Folie auf einem seiner Vorträge stand „THINK BIG“ und Brooks wäre nicht KI-Forscher am MIT, wenn er nicht versuchen würde, die vielfältigen Effekte der Robotertechnik auf das Leben der Menschheit in der Zukunft vorauszusagen. Es mutet seltsam an, dass ausgerechnet Brooks, dem die Probleme des Aufbaus komplexer Verhaltensweisen von Robotern bekannt sind, der Verschmelzung von Mensch und Maschine das Wort redet. Um das zu leisten, schlägt er einen Haken in ein Gebiet, in welchem er kein Experte ist – Nanotechnologie ist das Zauberwort.
Wenn man denn mosern will: An dieser Stelle bricht das Buch in die aus US-amerikanischen KI-Werken bekannten Hälften aus Science und Fiction auseinander. Dies gab schon den Büchern von Marvin Minsky, Hans Moravec und Ray Kurzweil in deutschen Buchhandlungen eine Chance und diskreditierte sie zugleich in der hehren europäischen Wissenschaftsgemeinde. Von der Überspanntheit des alten Dream-Teams ist Brooks weit entfernt, er sieht die Zukunft des Menschen nicht in der Auflösung im Reinraum des vom Fleisch befreiten Denkens. Die künftigen Revolutionen werden sich nach Brooks durch den Einzug von Kleinstmaschinen in den Körper ergeben. Gehörschnecken, Netzhautimplantate und andere elektronische Prothesen werden bald den Körper so vollständig bevölkern, dass die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine obsolet wird.
Aber die Maschinenwerdung ist nach Brooks nicht nur durch technische Evolutionen, sondern auch durch philosophische Erwägungen das Schicksal des homo sapiens. Weil der Körper aus Komponenten zusammengesetzt ist, die nach bestimmten – wenn auch noch nicht vollständig bekannten – Regeln interagieren, sind wir selbst Maschinen. Nachdem die klassische Künstliche Intelligenz die Computermetapher für den Menschen eingeführt hatte, geht Brooks wieder einen Schritt zurück. Dies ist nur folgerichtige Konsequenz seiner Sichtweise von KI, die auf einfachen Basisverhalten aufsetzt. Der Mensch, so Brooks, funktioniert zwar nicht wie ein Computer, aber immerhin wie eine Maschine.
Wenn man trotz aller Einwände aber jubeln will: Der gebürtige Australier stellt die Fragen der Zukunft schon heute – und er hat seine Antworten schon parat. Über die lässt sich streiten, aber genau das will Brooks ja. Ohne den empfindungslosen Impetus der Transhumanisten fordert er zur erneuten Reflexion über den menschlichen Bauplan auf. Und so bietet das Buch einen doppelten Einblick. Zum einen in die Labors einer Wissenschaft, die nach Jahren der Höhenflüge auf den Boden der Tatsachen zurück gekommen ist, zum anderen in die Weltanschauung einer Disziplin, die weiterhin auf dem schmalen Grat zwischen techno-evolutionärer Fortschrittsglauben und inhumaner Überwindung des Menschseins wandelt.
Rodney Brooks: Menschmaschinen. Wie uns die Zukunftstechnologien neu erschaffen. Frankfurt am Main, New York 2002, Campus Verlag, 280 Seiten. ISBN 3-593-36784-X. EUR 24,90
Die neue Superdroge mit eingebauter Erleuchtung, darum handelt es sich bei Betel mit Sicherheit nicht. Vielmehr haben wir es mit einem der weltweit am häufigsten genutzten psychoaktiven Genußmittel zu tuen. Mehrere hundert Millionen Menschen in Pakistan, Indien und Südostasien, von Südchina bis nach Madagaskar, von der Küste Ostafrikas (z.B. Sansibar) bis zu den Phillipinen und in die pazifische Inselwelt kauen täglich Betel. Neben Kaffee, Tee und Tabak erfreut sich Betel in diesem Teil der Welt der größten Beliebtheit.
Mit Betel ist in erster Linie die Betelnuß gemeint, der netzartig gemaserte, etwas größer als eine Muskatnuß werdende Fruchtkern einer dünnstämmigen, zwölf bis dreissig Meter hochschiessenden Palmenart (Areca catechu), die mit ihren wunderschönen feingefransten Blättern alle Klischees einer eleganten Palme erfüllt. Die bis zu acht Zentimeter langen Früchte, in deren Zentrum sich der begehrte Samen befindet, wachsen in großen unterhalb der Palmwedel herunterbaumelnden Büscheln heran und haben unreif eine dunkelgrüne, reif eine orangegelbe Farbe. Sie ähneln frischen Kokosnüssen, sind aber viel kleiner. Zierliche Betelpälmchen, gerade mal aus der ganzen Frucht gekeimt, wurden wohl wegen der äußerlichen Ähnlichkeiten bei uns sogar schon in Supermärkten unter der irreführenden Bezeichnung „Minikokos“ verkauft. Die Bezeichnung „Arekapalme“ ist ebenfalls gebräuchlich, schließt aber eine Reihe verwandter Palmarten ein. Aber nebenbei bemerkt: Es handelt sich dabei um eine hübsche Zierpflanze, aus der sich hierzulande kein Genußmittel gewinnen läßt. Als Genußmittel geeignet wären dagegen die kleinen Döschen oder Pfeifenköpfe, die in Indien aus Betelnüssen geschnitzt werden. Sie sind dafür aber doch wohl zu schade, oder!?
Als Betel bezeichnet man auch die frischen herzförmigen Blätter des Betelpfeffers (Piper betle), einer tropischen Kletterpflanze, die in denselben Regionen gezogen wird, in denen auch die Betelpalme angebaut wird. Traditionell besteht der sogenannte „Betelbissen“ aus frischen oder getrockneten und zerhackten Betelnußstückchen, die unter Zusatz von angefeuchtetem gebrannten Kalk (Löschkalk) in ein möglichst frisches (!) Betelpfefferblatt eingewickelt werden. Dabei schmeckt das Betelpfefferblatt erfrischend aromatisch und enthält ein schwach lokalanästhetisierendes und verdauungsförderndes ätherisches Öl.
Ein weiterer Zusatz für den frischen Betelbissen sind dunkelbraune pflanzliche Gerbstoffe, namentlich Gambir (gewonnen von Uncaria gambir, besonders in Indonesien und Malaysia) und Catechu oder Catha (von Acacia catechu, besonders in Indien gebräuchlich). Sie schmecken bitter und zusammenziehend. Möglicherweise verzögern sie die Wirkstoffaufnahme durch die Schleimhäute und verstärken manche Betelwirkungen.
Ein derartiger traditioneller Bissen ist schon allein auf Grund der Betelnuß psychoaktiv wirksam. Oft wird ihm noch kräftiger Kautabak zugefügt.
Außerdem sind Gewürze beliebt. Sie dienen (in Indien oft noch mit einem zahnpastaartigen Aroma getränkt und gezuckert) der Geschmacksverbesserung, der Verdauungsförderung und der Verschärfung des aphrodisischen Images, das der Betelbissen genießt. Zu den Gewürzen gehören Anis, Kardamon, Gewürznelken, Ingwer, Zimt, Muskatnuß, Kampfer, Kokosnuß, Fruchtstände des Betelpfeffers und viele mehr.
Auch alle möglichen bei uns als Drogen verschrienen Substanzen wurden dem Bissen bereits beigegeben: Haschisch, Opium, Stechapfelsamen usw.. Das nachträgliche Zufügen einer kleinen Prise Kokain zu gekalkten und aromatisierten Betelnußfertigbissen, wie sie von indischen Strassenhändlern in hygienische Tütchen abgepackt für wenige Pfennige in diversen Variationen erhältich sind, hat auch hierzulande (zu Wasser und in der Luft) vereinzelte Liebhaber gefunden. (Wer die erwähnten Tütchen in Indien erwirbt, sollte darauf achten, daß er keine Mischungen mit Tabak, Tabak pur oder nur aromatiserte Gewürze erwischt, die von denselben Händlern in ganz ähnlichen Verpackungen zu Pfennigbeträgen verkauft werden.) Natürlich läßt sich der Bissen ohne illegalen Zusatz risikoloser konsumieren. Betelnuß selbst unterliegt nämlich nicht dem Betäubungsmittelgesetz.
Die ganzen Nüsse oder zerhäkselte, gefärbte und aromatiserte Stückchen lassen sich bei uns in manchen asiatischen oder indischen Lebensmittelläden besorgen (und ohne weitere Zutaten konsumieren). In Indien (wo jährlich über 100 Millionen Kilogramm Betelnüsse verbraucht werden) nennt man die Betelnuß „supari“, das Betelpfefferblatt „pan“. „Pan masala“ bezeichnet eine Gewürzmischung für einen Betelbissen. Sie kann Betelnuß enthalten, muß es aber nicht. Ein indisches Urlaubsmitbringsel der besonderen Art sind die diversen silbrig kandierten Betelnußleckereien, die man sich zum Beispiel in Varanasi (Benares) zusammenstellen und in ein Blechdöschenset verpacken lassen kann. Für das Zerteilen ganzer getrockneter Nüsse gibt es spezielle Betelnußscheren. Die optisch ansprechenden kleinen Touriteile taugen allerdings nicht viel. Will man ernsthaft seine Betelnüsse selber schneiden, sollte man sich lieber für die größeren handfesten Küchenvarianten entscheiden.
Während in Indien und Thailand hauptsächlich die als vergleichsweise harmlos geltende sonnengetrocknete Nuß gekaut wird, bevorzugt man in Indonesien die stärkere frische Nuß, insbesondere die als am potentesten geltende, unreife grüne Nuß. Sie wird dort „pinang“ genannt, das Betelpfefferblatt „sirih“, die Löschkalkpaste „kapor sirih“. Die frische unreife Nuß läßt sich gut mit dem Messer schneiden, ist beim Kauen knackig und setzt schnell ihre Wirkstoffe frei. Beim Genuß eines solchen Betelbissens ohne Tabakzusatz schießt einem der sich rot färbende Speichel im Munde zusammen. Schnell baut sich ein wohligdumpfes Gefühl im Kopf auf, eine leicht benebelte Zufriedenheit, der sich der Neuling bis zur Ausgelassenheit oder Albernheit hingeben mag. Die Wirkung hält nicht allzulange an, vielleicht eine halbe bis eine Stunde deutlich. (Ein Ort, an dem so mancher seine ersten Erfahrungen mit frischem Betel gemacht hat, ist der Bauernmarkt des ansonsten sehr touristischen aber wunderbar gelegenen Künstlerdorfes Ubud auf Bali. In der zu Spaziergängen einladenden Umgebung kann man zahlreiche Betelpalmen bewundern.) In Indonesien fällt der Betelgenuß nicht so auf, wie in Indien (wo es unzählige Betelbissenverkäufer, sogenannte „pan wallas“, und z. B. entlang der Küste des Staates Karnataka große Betelpalmplantagen gibt). Er ist in den ländlichen Gebieten aber noch verbreitet. Wenn man aufmerksam hinguckt, sieht man wie bei uns Kaugummis, überall ausgespiene rotbraune Betelbissen. Betel wird nämlich nach dem Kauen nicht geschluckt, sondern ausgespuckt. In Indien kleben die Bissen überall an Wänden und auf dem Boden und man sollte sich hüten in die Flugbahn einer solchen ausgesogenen Mischung zu geraten. Allgemein läßt sich sagen, daß das Betelkauen dort auf dem Rückzug ist, wo die Moderne und das Zigarettenrauchen auf dem Vormarsch sind. In Thailand muß man schon aufmerksam über die Märkte streifen, um Stände zu entdecken, die die getrockneten Nüsse, meist für die ältere ländliche Bevölkerung, im Angebot haben.
Betelnüsse und Betelpfefferblätter sind nicht nur ein Genußmittel, sondern obendrein ein Heilmittel mit vielen Anwendungsmöglichkeiten. So wird die Betelnuß oder der ganze Betelbissen bei Zahn-, Kopf-, Bauch-, Muskel- oder Gelenkschmerzen, zum Fiebersenken, gegen schlechten Atem, gegen Durchfall, bei Hautjucken oder Insektenstichen, zur Blutstillung oder Wunddesinfektion, gegen Eingeweidewürmer und vieles mehr, innerlich oder äußerlich, ob als Pulver oder durchgekaut, eingesetzt. Deshalb ist die relativ lange haltbare getrocknete Betelnuß auch in der islamischen Welt, bis in die Türkei und nach Marokko erhältlich.
Indische Emigranten haben darüberhinaus für eine Verbreitung der Betelpalme über die afrikanische Ostküste und selbst in amerikanische Länder wie Jamaika, Trinidad, Belize und Brasilien gesorgt. Auch auf Hawaii und in Florida kann man Betelplantagen sehen.
Die Hauptwirkstoffe der Betelnuß sind die Alkaloide Arecolin und Arecaidin (sowie untergeordnet Guvacolin und Guvacin). Der Wirkstoffgehalt kann abhängig von Wuchsort, Reifegrad, Frische und anderen Faktoren um ein Mehrfaches schwanken. Er wird mit 0,15 bis über 1 % der getrockneten Nuß angegeben und soll im Mittel bei 0,4 bis 0,6 % liegen. Das Arecolin wird für die meisten körperlichen Wirkungen verantwortlich gemacht. Durch den Zusatz von gebranntem Kalk beim Kauen werden aber nicht nur die Alkaloide leichter aus der Nuß freigesetzt, sondern auch das Arecolin durch Hydrolyse zum Großteil in das stimulierende aber körperlich weniger bedenkliche Arecaidin umgewandelt. Nur ein geringer Teil der Alkaloide wird durch die Mundschleimhaut resorbiert. Der Großteil der Wirkstoffaufnahme erfolgt erst im Dünndarm. Der Zusatz des gebrannten Kalks soll übrigens auch an der Entstehung des roten Betelfarbstoffs beteiligt sein. Demnach wäre der blutrote Speichel so eine Art Qualitätsmerkmal für „Safer Betel“.
Die psychische Wirkung des Betels ähnelt der des Nikotins. Interessanterweise auch die manchmal auftretenden unangenehmen körperlichen Wirkungen, die dem Einsteiger den Genuß verleiden könnten. Dazu zählen Zittern, Schwindel, Übelkeit und Schweißausbrüche. Vor zu hohen Dosierungen ist unbedingt zu warnen. Menschen mit geschädigter Leber oder Herz-Kreislaufproblemen sollten sich in Zurückhaltung üben. Wie schon angedeutet, läßt sich durch das Kauen mit Löschkalk und die damit verbundene langsame und verträgliche Wirkstoffaufnahme der Wirkungsverlauf steuern. Betelnußpulver wird bisweilen gegessen oder Getränken, wie Kaffee oder Tee zugefügt. Diese Art der Einnahme birgt jedoch das Risiko einer zu hohen Arecolindosis. Nicht ohne Grund hat sich der Betelbissen mit dem Zusatz von gebranntem Kalk, über Jahrtausende in soziale und religiöse Riten integriert, als optimale Konsumform etabliert.
Ein softes wohliges Angeregtsein, das sich besonders bei bereits vorhandener Müdigkeit bemerkbar macht, eine Art Entspannung und leicht euphorische Stimmungsaufhellung ohne Mattigkeit gelten als charakteristische psychische Wirkungen eines Betelbissens. Es mag sich im Kopf ein Gefühl der Leichtigkeit einstellen. Die Leistungsfähigkeit für lange und anstrengende Tätigkeiten soll etwas erhöht sein. Bei höheren Dosierungen kann es zu einem Gefühl von Duseligkeit, einer etwas abgetretenen Gleichgültigkeit, einer gewissen Stumpfheit kommen. Die Handlungsfähigkeit und das Denkvermögen werden nicht sonderlich beeinflußt. Die Atmung kann bei Verengung der Atemwege intensiver erlebt werden, die Herztätigkeit verlangsamt und der Blutdruck gesenkt. Der Appetit wird reduziert. Der Speichelfluß wird durch die lokale Wirkung des Arecolins beim Kauen befördert.
Die Nuß allein schmeckt aromatisch, zusammenziehend, mit einer leichten, rauhen, ans Basische erinnernden Schärfe. Der gesamte Betelbissen betäubt vorübergehend den Geschmackssinn. Er wird nicht nur deshalb oft nach dem Essen gekaut, sondern auch weil er die Verdauung anregt.
Es läßt sich nicht leugnen, daß es zahlreiche gewohnheitsmäßige Betelkauer gibt. In den besagten Ländern erkennt man sie an den über die Jahre durch den charakteristischen Betel- und die Gerbstofffarbstoffe schließlich schwarz gefärbten Zähnen, in manchen abgelegenen Gebieten sogar ein Statussymbol. Häufig wird gleichzeitig Tabak mitgekaut. Es läßt sich daher schwer sagen, mit welcher Substanz beschriebene negative Folgen des Dauergebrauchs, wie das erhöhte Auftreten von beispielsweise Mundkrebs, in ursächlichem Zusammenhang stehen. Es wird aber vermutet, daß auch die Betelwirkstoffe schwach krebsauslösend sein können. Außerdem ist vor verschimmelten Nüssen zu warnen. In ihnen wurden karzinogene Aflatoxine festgestellt. (Dabei sollte Schimmel nicht mit dem weissen Kalkpulver verwechselt werden, mit dem die Betelnüsse ähnlich wie auch Muskatnüsse oft eingestaubt werden, um sie vor Schädlingsbefall zu schützen.) Wenn bei Dauergebrauch Probleme auftreten, dann möglicherweise in den Bereichen Mundraum oder Magen-Darm-Trakt. Ich kann nur betonen: Vorsichtiger, überlegter und gelegentlicher Gebrauch birgt nur minimale Risiken.
Zur Orientierung möchte ich ein paar Daten nicht verschweigen: Eine kleine getrocknete Nuß mag vielleicht gerade mal 2 Gramm wiegen, eine große gut proportionierte Nuß aber 10 bis 15 Gramm! Ein bis zwei Gramm der geriebenen (Muskatnußreibe), zerraspelten, zerhackten oder mit der Betelschere geschnittenen Nuß wird man mit Löschkalk gekaut oder als Aufguß zubereitet schon deutlich spüren. 4 bis 6 Gramm auf einmal sollten gegessen oder getrunken auf keinen Fall überschritten werden. Es wird nur vorsichtig höherdosiert, zumal Betel ein Genußmittel ist und sich die erwünschten psychischen Wirkungen durch hohe Dosierung nur unwesentlich steigern lassen, dafür aber unangenehme körperliche Erscheinungen die Erfahrung dominieren.
Sollte man (z.B. in Indonesien) die Gelegenheit bekommen, die frische Nuß zu kauen, so nimmt man ein Zehntel bis ein Achtel des knackigen Nußkerns (nicht die weisse zähfaserige Hülle mitkauen!) und wickelt diese mit einer kleinen Messerspitze der ätzenden Paste aus mit Wasser angerührtem gebrannten Kalk (oder Calciumhydroxid aus der Apotheke) in ein bis drei möglichst frische und saubere (!) grüne Betelpfefferblätter ein und kaut das Ganze langsam durch. (Zu den weiteren Zutaten siehe oben.) In Indien packt man sich meist erst die getrockneten Betelnußschnipsel, dann ein frisches Betelpfefferblatt, mit Kalkpaste bestrichen und Gewürzen bestreut, in die Backe und kaut darauf herum. Den beim Kauen reichlich entstehenden Speichel schluckt man übrigens (soweit möglich) runter. Den ausgekauten Bissen spuckt man auf jeden Fall aus.
Betel hat hier durchaus schon Freunde gefunden. Meist wird allerdings auf ein paar aromatisierten Schnipseln aus dem Asia-Shop rumgekaut. (Betelkaugummis könnten bei uns, marktorientiert betrachtet, erfolgversprechend sein.) Betel ist ein weiterer Beleg für das allen Menschen innewohnende Bedürfnis, seine psychische Befindlichkeit mit Genußmitteln zu manipulieren und das Leben damit zu erleichtern und zu bereichern. Einmal mehr wird die Absurdität und Unmenschlichkeit des „Antidrogenkrieges“ deutlich.
Ein Stück nach dem anderen wird von der dunkelbraunen Tafel abgebrochen und wandert zielsicher von meiner Hand in den Mund. Die Zunge spielt mit der Leckerei, die Geschmacksknospen erkennen den hohen Kakaoanteil und allmählich wechselt der Klumpen den Aggregatszustand. Er wird zähflüssig und das Aroma kommt zur vollen Entfaltung. Erneut wühlt sich die Zunge in den aufgeweichten Haufen. „Lecker“, denke ich, „Vollmilch.“ Der Brei ist nun soweit. Langsam schlucke ich ihn hinunter, genieße, greife erneut zu, kaue und lehne mich zurück in`s Sofa; zufrieden, wohlbehütet, und eingebettet im Rausch.
Ein klappernes Geräusch aus der Küche stellt den Kontakt zur Außenwelt wieder her. Ach ja, Helmut wollte sich ein Brot machen. An solchen Abenden nehmen seine Stullen Ausmaße an, die Ronald Mc Donald Tränen in die Augen schießen lassen. „Hoffentlich bringt er was zu Trinken mit“, wünsche ich mir, denn ich bin zu faul aufzustehen. Wieder grapsche ich zur Schokolade. Inzwischen sind annähernd 100 Gramm Naschwerk in meinem Magen sanft gelandet, ich dagegen bin noch weit von der Landung entfernt. Vor etwa einer halben Stunde rauschte der Rauch einer sanften Afghani durch unserer beider Lungen. Obwohl am Nachmittag gut gegessen, verspürte ich kurz darauf einen fast unstillbaren Kohldampf; einen Heißhunger auf irgendwas, der nun befriedigt wird.
Woher kommt das Phänomen der Essenslust nach der Einnahme von THC-haltigen Produkten? Die verschiedenen Wissenschaften finden die Ursache auf ihrem jeweiligen Gebiet: Mediziner vermuteten lange, daß einige Inhaltsstoffe des Cannabis´ den Blutzuckerspiegel des Konsumenten senken. Diese Mangelerscheinung sucht der Körper durch die Zufuhr von zuckerhaltigen Speisen auszugleichen. Neuere Testreihen zeigen aber, daß der Blutzuckerspiegel bei Haschisch- wie Marihuanagebrauch nicht wesentlich abfällt. Also: Nichts genaues weiß man nicht. In solche Wissenslücken springen einige Kollegen aus der Psychologie nur zu gerne. Hier wird die Fresslust mit der Befriedigung oraler Triebe erklärt. Fest steht nur: Marihuana hilft gegen Übelkeit und Erbrechen infolge von Chemotherapien bei Krebspatienten und gegen den Gewichtsverlust bei AIDS-Kranken. Dabei ist es bisher das Medikament mit den wenigsten Nebenwirkungen. Warum der Kiffer Appetit verspürt, welche Hungerzentren im Hirn vom Haschisch motiviert werden, ist weiterhin allerdings unklar.
Helmuts Exkursion in die Küche ist vorerst beendet. Seine kulinarische Abfahrt übertrifft meine Erwartungen. Auf dem Teller streiten zwischen zwei riesigen Graubrotscheiben zentimeterdick Wurst, Käse, Remoulade, Salat und Ketchup um die geschmackliche Vormachtsstellung. Zwei Flaschen Wasser, eine Tüte Chips und Gummibärchen balanciert er ebenfalls mit in´s Wohnzimmer. Meine Mundhöhle ist verklebt und ausgedörrt. Es scheint so, als ob die Produktion des Speichels total lahmgelegt, die Drüsen verstopft, funktionsuntüchtig sind. „Wasser!“, denke ich. Der Sprudel rinnt kühlend die Kehle hinunter, wäscht mein Inneres, neutralisiert jeden Geschmack. Eigentlich ist es kein Hunger der mich im nächsten Moment dazu treibt beherzt in die Tüte mit den Kartoffelzerealien zu greifen. Eher eine Gier, eventuell auch eine Art Ablenkungsmanöver von mir selbst. Unfähig oder unwillig mich heute in andere, wahrscheinlich gesündere Bereiche des Rausches fallen zu lassen, fahre ich auf das Fressen ab. Legt der innere Filmvorführer erst einmal die Spule mit dem Fressfilm ein, gibt es kein zurück. Dann läuft die Vorstellung bis zur Übersäuerung ab, die Vernuft macht Urlaub und es wird alles gestopft was essbar ist.
Mittlerweile hat Helmut die Tüte mit den Gummibärchen geöffnet. Jetzt tobt sich das Gebiß richtig aus, quetscht die soften Tierchen, bekommt neue Gelantine zugeführt noch ehe die alte vollständig verschluckt ist, kaut, zermalmt und fühlt sich an Zeiten des Schnullers erinnert. „Pervers gut“, murmelt er und während des nächsten Lachkicks flüchten einige Chipskrümel und zwei Bären denen der Kopf fehlt zwischen seinen Zähnen hindurch in die Freiheit.
Nach gut einer Stunde sind Kühlschrank sowie Speisekammer leergefräst. Erschöpft starren wir Richtung Fernseher, den ich aus alter Gewohnheit angeschaltet hatte. „Mach´ mal aus das Ding“, sagt Helmut, „und lass´ uns unterhalten.“ Bei einem Pfeifchen reden und lachen wir über Gott und die Welt. Geht doch.
Was ist gewachsen und was blüht uns? Vier Jahre rot-grüne Politik zeigen vor allem die Angst vor Veränderung.
Erinnern wir uns: Damals, 1998, versprach die SPD Innovation und Gerechtigkeit und das sollte auch für die Drogenpolitik gelten. Daraus ist wenig geworden. Es sollte ein Aufbruch in eine Ära nach Kohl werden, schließlich saßen nun die 68er in den Ledersesseln des Kanzleramts. Was kam war nur ein weiterer Rückfall. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Zwar setzte die Koalition Fixerräume und die lange aufgeschobenen Abgabe von Opiaten an Schwerstabhängige durch, ansonsten stagnierte die Politik. Denn gerecht ist es auf keinen Fall, dass Menschen aufgrund des Besitzes von ein paar Krümeln Haschisch den Führerschein oder Arbeitsplatz verloren. Es musste erst wieder richterliche Rauchzeichen aus Karlsruhe geben, um diesen gebührlichen Zustand zu beenden.
Eine gewisse Kontinuität lässt sich in der Drogenpolitik der SPD durchaus erkennen: Unter ihrer Ägide kam es bereits 1982 zu einschneidenden Verschärfungen im Betäubungsmittelgesetz und nun zu Samenverbot und der Praxis, Kifferinnen den Führerschein zu entziehen, obwohl diese gar nicht akut berauscht gefahren waren. Die Grünen haben sich, wenn überhaupt, nur zaghaft gegen diese eiskalte Repressionspolitik gewehrt. Ist es tatsächlich so, dass, wie Hans-Georg Behr es einmal so schön ausdrückte, die Bundesregierung, egal welche gerade herrscht, fest entschlossen ist, den nun einmal eingeschlagenen Holzweg bis zum bitteren Ende weiterzugehen?
Innenminister Schily laviert seit geraumer Zeit, mal will er die Legalisierung prüfen lassen, im nächsten Moment dementiert er dies. Würde er tatsächlich eine Kommission einberufen, dann würde er wohl sein grünes Wunder erleben. Selbst den verbohrtesten Sachverständigen ist nämlich mittlerweile klar, dass es in Deutschland eine Hanfkultur gibt, welche eben nicht aus rumhängenden, verelendeten Luschen besteht, sondern die wirtschaftlich und kulturell zu Tragen beginnt. Die vernebelten Video-Strips von Stefan Raab und Kiffer-Scherze von Harald Schmidt sind mediales Zeichen dieser Entwicklung. Nur ist es leider halt immer noch so: Wer seinen Kopf zu weit raus streckt, der kriegt was zwischen die Hörner; das musste nicht nur Xavier Naidoo erfahren. Die Boulevard-Medien sind Teil der Verlogenheit in der Drogenkultur des Landes.
Es ist ein Wunder, wie sehr sich die Grünen von ihren Wurzeln aus den 68er gelöst haben. Es kann doch kein Mensch, der die damalige Zeit mitgelebt hat glaubhaft versichern, dass die Kifferei in seinem Umfeld nur süchtige und sozial abgewrackte Typen hervorgebracht hat. Ist nicht vielleicht sogar das Gegenteil richtig? War diese böse Droge nicht vielleicht sogar Bestandteil des Antriebsstoffs, der den Motor der ideologischen Innovation antrieb, blumiges Versprechen auf eine bessere Welt? War die Revolte von 1968, die radikale Infragestellung der deutschen Nachkriegsgeschichte, nicht auch durch die gelebten Utopien der Blumenkinder getragen? Wo sind sie denn, die Verweise auf die stilleren Vertreter einer Generation, die nicht nur im proklamativen Weg nach außen, sondern auch in der Introspektion den Weg zur Verbesserung der Lebensumstände einer Gesellschaft suchten?
Es scheint fast so, als ob diese Menschen heute nur noch aus dem esoterischen Untergrund heraus wirken, dabei haben sie das Lebensgefühl einer Generation mitbestimmt. Dies mag heute kaum einer der wortgewaltigen Weisenräte zugeben. Hier liegt vielleicht eine Ursache für die konstante Abschiebung von Nutzern psychoaktiver Pflanzen und Substanzen in den pathologischen Bereich. Drogenkonsumenten, dass sind aus dieser Sicht immer Menschen, die der Hilfe von außen bedürfen. Was für ein Blödsinn! Es ist oft genug formuliert worden, sei aber hier noch einmal zu mitsingen formuliert: Der Mehrheit aller Genießer von psychoaktiven Spurenelementen nimmt sozial integriert und autonom am sozialen Leben teil und ist auf keines der Hilfesysteme angewiesen. Die neuen Untersuchungen zeigen darum eben auch, dass für die meisten Frauen und Männern der Cannabiskonsum eine Phänomen der Jugendzeit ist.
Merkwürdig ist daher, dass Rot-Grün es tatsächlich für einen Verdienst hält, dass der Sektor Drogenpolitik vom Innen- zum Gesundheitsministerium verlagert wurde. Abgesehen davon, dass damit nur der Zustand vor der Schreckensherrschaft von Kohl wieder hergestellt wurde, kann man nur sagen: Ja, Wahnsinn, Danke, Kifferinnen sind jetzt nicht mehr kriminell, nur noch krank! Das durften die Schwulen und Lesben auch lange Zeit von sich behaupten. Wann wird eingesehen, dass der geregelte Genuss von Hanfprodukten ein Stück Lebensart ist, nicht mehr, nicht weniger? Das große Tabu ist nach wie vor, dass der Genuss von Cannabis, LSD und Kokain seine Gefahren birgt, aber eben auch mächtig Spaß bringt.
Seltsamerweise kommen die Grünen erst mit dem näher rückenden Wahltermin wieder in Fahrt: Ihr rechtspolitischer Sprecher Volker Beck, Mitglied im Fraktionsvorstand des Bundestages, will die Diskussion mit der SPD nach einer Wiederwahl neu aufnehmen: Der Krankheitsdiskurs führt bei Cannabis nicht weiter. Hier geht es um das Verhältnis von Bürger und Staat beim Drogengebrauch, sagt er und fährt fort, diesmal muss die Entkriminalisierung von Haschisch in der Koalitionsvereinbarung stehen. Wie sagte meine Oma in solchen Fällen gerne: Wer es glaubt, wird selig. Die glattgebügelten Ökologen versprachen schon vor vier Jahren die Legalisierung des Hanfs dass sie an diesem Punkt so sang- und klanglos kapitulierten hat ihnen gerade unter ihren jungen Wählern eine Menge Sympathie gekostet. Fest steht und das weiß auch Volker Beck: Der drogenpolitische Neubeginn wäre nicht nur an die Legalisierung des Konsums geknüpft, innerhalb staatlich kontrollierter Rahmenbedingungen müssten auch Anbau und Handel freigegeben werden. Angesichts solcher Schritte kneifen SPD und Grüne. Schröder will die Legalisierung von Cannabis partout verhindern, das war schon vor vier Jahren so und wird so bleiben.
Es ist kein Zufall, dass nach Christa Nickels nun wieder eine SPD-Dame den Posten der Drogenbeauftragten der Bundesregierung einnimmt. Die SPD-Rechte Marion Caspers-Merk antwortete im Kölner-Stadt-Anzeiger auf die Frage, was sie denn für das neue Amt qualifiziere: Die neue Gesundheitsminsterin hat mich gefragt und mich reizte das neue Tätigkeitsfeld. Danke, Frau Casper-Merk, dass reicht uns schon. Dabei gab es durchaus Ansätze zu kollektiven Erleuchtung der Sozialdemokraten: Die SPD-Bundestagsfraktion setzte sich 1992 für eine Straflosstellung aller Drogenkonsumenten ein und warb auf zwei Parteitagen (1993 und 1996) für den legalen Zugang zu Cannabisprodukten zum Eigenverbrauch. Auch Bedingungen eines kontrollierten Verkaufs sollten geschaffen werden. Aber auch diese Blase zerplatzte, übrig geblieben ist eine Politik, welche die ewige Leier der Prävention spielt und nicht einsieht, dass es die Illegalität ist, welche die meisten Probleme erst schafft.
Und der kreidefressende Stoiber? Die Verwandlung von Hardcore-Ede zum milden Mann der Mitte darf man getrost als taktischen Manöver abtun. Von ihm und seinen Mannen ist im Falle eines Wahlsiegs ein Rückfall in dunkelste Zeiten zu erwarten. Die CDU/CSU präsentiert sich in der Drogenpolitik seit Jahrzehnten genauso kompetenz- wie innovationslos. Kurzum: Stoiber & Co. gehen gar nicht.
Schon ohne einen Kanzler Stoiber ist die Republik von Visionen weit entfernt. Schröders Pragmatismus lässt in der Regierungspolitik keinen Platz für Ideen um aus den geistig-moralischen Schrebergärten (Gerd Koenen) auszubrechen. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Dieser Satz Erich Kästners wird nur allzu gerne von unserem Brioni-Kanzler zitiert mittlerweile klingt dies wie die endgültige Verabschiedung des ideellen Untergrunds, auf welchem jedwede Handlung ja nun mal beruht. Aber für was macht Rot-Grün heute noch den Rücken gerade?
Die Schröder-Chor schmettert im Tenor einer Republik, in der schnöde Pop-Literaten wie Christian Kracht und Florian Illies (Generation Golf) deutlich herausstellen, dass die richtigen CDs im Schrank wichtiger sind als soziale Schieflagen. Stichwort: Spaßgesellschaft. Deren Ende ist auch nach dem 11. September nicht in Sicht. Noch nie war die Halbwertszeit von medial aufbereiteten und konstruierten Hypes so kurz. Vorgestern Essig-Diät, gestern Rinderwahnsinn, heute 80er Revival, morgen klaut Strunz Effe die Frau zurück. Alles begleitet von einer Talkshow-Tyrannei, deren Intimität von der eigenen Gefühlsunfähigkeit ablenken soll. Statt Visionen zu leben werden halbschlaffe Erektionen von platten Oberflächen gesogen. Von daher ist der Stillstand der von Schröder beschwörten Neuen Mitte nur Teil einer Gesellschaft, die sich stets auf der Suche nach dem nächsten Event in narzisstischer Anmut vor dem Spiegel dreht.
Noch steht der Beweis aus, dass ein nennenswerter Anteil von Anwendern psychoaktiven Substanzen deren Potential zur vielbeschworenen Bewusstseinserweiterung dazu nutzt aus diesem egozentrischen Reigen auszubrechen. Die Leute, die abseits der legalen Mainstream-Drogen Lust auf better living through chemistry haben, sind zudem zu einem großen Teil völlig desinteressiert an der politischen Durchsetzung ihrer Vorlieben. Sie kiffen sowieso, und wenn es passt fliegt auch mal ´ne Pillen in den Rachen. Legal illegal scheißegal.
Niemand müsste die Ideale von der Selbstbestimmung des Individuums bemühen, um zu einem Wandel in der Drogenpolitik zu kommen. Nein, es würde vollkommen reichen einen analytisch sauberen Blick auf die Realität zu werfen, um die Auswüchse einer fehlgeleiteten Politik gegenüber Substanzbenutzern aller Art einzusehen. Am augenfälligsten ist das seit jeher bei Cannabis, einer Pflanze, deren Wirkstoffe vergleichsweise harmlos auf den Menschen wirken.
Zukünftig kann es also nur darum gehen, dass die gesellschaftlichen Institutionen wie Schule und Elternhaus tabulos über Drogengebrauch aufklären und auch dazu anleiten. Dazu sind sie bislang nicht in der Lage, zum einen, weil Unwissen herrscht, zum anderen, weil ihnen Gesetze im Wege stehen, zum dritten, weil die eigene Abhängigkeiten und Süchte (Alkohol, Zigaretten, Fernsehen) selten thematisiert werden. Hier liegt ein weiteres markantes Problem der Diskussion: Drogenkonsumenten, dass sind immer die anderen. Damit wird der Komplex aus dem eigenen Verantwortungsbereich geschoben und als abhandelbares Objekt interpretiert. Nicht umsonst gab es größere Anschübe zu Reformen immer dann, wenn Familienmitglieder oder Menschen im Bekanntenkreis von Politikern Drogen konsumierten. Das Apothekenmodell von Heide Moser und der nachhaltige Einsatz von Henning Voscherau für die Heroinvergabe sind Beispiele hierfür.
Also alles wie gehabt? Nein, wohl nicht. Trotz Samenverbot und anderen verschärfenden Maßnahmen, die wohlgemerkt alle während der Legislaturperiode von Rot-Grün durchgesetzt wurden, floriert die Hanfszene. Hanf ist heute mehr denn je Mode, Ernährung, Droge, Kult, Musik, Schmuck, Weltanschauung. Kiffen und alles rund ums Kiffen ist normaler denn je, das Geseier von der kulturfremden Droge schon lange widerlegt. In den Bars und Clubs des Landes wird munter eingerollt und der eine zieht an der Sportzigarette, der andere halt nicht. Früher wurde die Tüte noch mit verschwörerischen Blick weitergereicht, dass tut heute nicht mehr Not. Eine wenig erwähnte Tatsache ist zudem, dass Kiffen nach wie vor eine Kultur des Teilens ist. Der Eine besorgt oder baut an, die Nächste baut, geraucht wird zusammen. Und auch die ideologischen Fehden innerhalb der ökonomisch orientierten Hanf-Szene nehmen ab. Mittelfristig wird die Null-Bock-80er Generation in die Institutionen tanzen und es bleibt abzuwarten, ob sie ihre rauchgeschwängerten Wurzeln nicht verleugnet. Die vielen Cannabis-Connaisseure werden bis dahin weiterhin vor allem eines haben (müssen): Ausdauer.
An was soll diese arme Pflanze eigentlich alles Schuld sein? Vielfältig sind die Vorwürfe, nebulös oft die Beweise. Die Mythen rund um den Hanf ranken munter weiter, doch Rettung ist in Sicht, denn das HanfBlatt zerreißt den Schleier des Unwissens und der Boshaftigkeit. Dahinter leuchten die prallen Harzdrüsen der Erkenntnis. Aber bleiben wir auf dem Boden. Wie sieht es wirklich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Der elfte Teil der Serie dreht sich um den Mythos:
„Marihuana verursacht das Amotivationssyndrom“
Der Standardwitz zum Thema: Sagt der Eine: „Hasch macht gleichgültig.“ Der Andere: „Mir egal.“ Die gleichgültig machende Eigenschaft des Rauschhanfs ist nicht nur einer der ältesten Mythen, er findet auch immer wieder Unterfütterung durch neue wissenschaftliche Untersuchungen. Sollte Haschisch tatsächlich aus einem normalen, arbeitswilligen Bürger einen apathischen und unproduktiven Versager machen?
DIE FAKTEN
Die herrschende Lehre geht davon aus, daß das Konzept des „amotivationalen Syndrom“ in einem Aufsatz von W.H. McGlothin und L.J. West im Jahre 1968 entworfen wurde. Der regelmäßige Konsum von Cannabis, so die beiden Autoren, führe zur Entwicklung eines passive, introvertierten und eben demotivierten Persönlichkeitstypus. Die hinter diesem Konzept stehende Idee entstand allerdings schon sehr viel früher. Die us-amerikanischen Regierungsbehörden setzten diesen Gedankenvirus, um einen rassistischen Stereotyp für die mexikanischen Arbeiter, den „Borracho“, zu entwickeln. Die Prohibitionisten sahen in der für sie ungewohnten Gelassenheit der Marihuana rauchenden Mexikaner nur Wertlosigkeit und Faulheit. Schaut man sich die Untersuchungen aus den 60er Jahren genauer an, fällt auf, daß hier nur schwer kiffende Jugendliche ausgewählt wurden, die ohnehin schon in medizinischer Behandlung waren. McGlothin und West prüften die Verfassung von Mittelklasse-Angehörigen, die vor dem Beginn ihres Konsums konforme und leistungsorientierte Söhne und Töchter waren, in deren Garageneinfahrt ein Basketballkorb das Grundstück zierte (Achtung: Dies war ein Stereotyp). Das THC setzte bei Ihnen ein altes Gefühl frei: Langzeitpläne gerieten aus dem Blick, die Konzentrationsfähigkeit über längere Perioden nahm ab. Gegenwärtiges Genießen wurde erheblich wichtiger als die ungewisse Zukunft. In einer Gesellschaft der westlichen Hemissphäre werden solche Auffälligkeiten natürlich schnell zum Politikum, denn wo soll der Weg hingehen, wenn die Jugend den Anforderungen der sozialen Umwelt nicht mehr gerecht wird? Seither widersprechen sich die Ergebnisse: College-Studenten waren wiederholt Ziel von Erhebungen – während in einigen Fällen ein Abnehmen der Leistungsbereitschaft und auch der Noten eruiert wurde, fanden andere Untersuchungen keine Unterschiede zu Nichtrauchern oder sogar Steigerungen der Tüchtigkeit. Interessant ist, daß die großen Feldstudien in Costa Rica, Griechenland und Jamaika keine Beweise für das „Amotivationssyndrom“ fanden. In Jamaika wird Ganja auch konsumiert um zu arbeiten. In dem Bericht heißt es, „daß Ganja als Arbeitsstimulans wirkt“. J. Schaeffer und seine Mitarbeiter schauten sich 1981 das Verhalten einer religiösen Vereinigung in den USA an, die im rituellen Rahmen regelmäßig Gras paffen. Sie fanden keine Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen. Vielleicht kommt Andrew Weil dem Kern der Sache nahe, wenn er behauptet: „Amotivation ist in den USA eine Ursache für starkes Marihuanarauchen und nicht umgekehrt.“
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Trotzdem gibt es durchaus Gründe, die Theorie der Amotivation ernst zu nehmen. Wenn aus dem Kind die Blüte des Erwachsensein treibt, ist es an der Zeit an den An- und Unannehmlichkeiten des Lebens teilzunehmen. Es warten nicht nur Pickel und das andere Geschlecht, sondern auch erste Grenzerfahrungen mit berauschenden Substanzen. Der erste Suff, der erste Joint. Wer hier dem Rausch zu heftig und regelmäßig zuspricht, dem fällt die Integration in das bestehende Bürgertum der rangelnde Ellbogen schwer. Denn wie sinnlos, wie nichtig wirken die Versprechungen des materiellen Reichtums gegen dem lässigen Verweilen im „Hier und Jetzt“. Oder wie Rowan Robinson es ausdrückt: „Warum sollte man endlose Stunden dafür aufwenden, Reichtum anzusammeln, um sich das Glück und die Zufriedenheit zu kaufen, die bei Cannabiskonsum bereits in jedem Augenblick vorhanden sind?“ Sinnsuchende Sekretärinnen dürfen die Besitzer von Esoterik-Shops reich machen, der heranwachsende Jugendliche muß erste seine Leistung bringen, bevor er sich dem Gedankens des ewigen Fortschritts wieder abwendet. Ob es aber tatsächlich so einfach ist, wie Robinson behauptet, daß das „Amotivationssyndrom“ nur dem „Zweifel an der Weisheit des Fortschrittsdenken“ entspricht, muß bezweifelt werden. Denn natürlich ist ein Mensch anderen Dingen gegenüber unmotiviert, wenn sich der Hauptaugenmerk seines Lebens einer Droge zuwendet. Hang-over, Lustlosigkeit, Antriebsschwäche, Ziellosigkeit und Lethargie sind allen Kiffern bekannte Phänomene nach einer durchqualmten Nacht. In fernen Ländern (und im Urlaub) mag dies zu einer Philosophie gehören, in „spätkapitalistischen“ Gesellschaften kann dieser Weg aufs Abstellgleis führen, auch wenn Gleichgesinnte mit im selben Wagon sitzen.
Aber runter mit dem Zeigefinger und zurück zu den medizinischen und sozialen Erkenntnissen. S. Cohen erinnert die Wissenschaftsgemeinde 1986 daran, daß das „Syndrom“ äußerst variabel in seiner Präsentation ist und zudem extrem durch Einflüsse vor dem Beginn des Cannabis-Konsums bestimmt wird, daß die Existenz des „Amotivationssyndrom“ bezweifelt werden kann. Bei vielen von diesem „Syndrom“ Betroffenen wurde zudem eine körpereigene depressive Störung diagnostiziert, die durch den Cannabiskonsum an die Oberfläche des Geistes durchbrach. J.A. Halikas und seine Kollegen belegten das 1978. D.J. Kupfer ging schon 1973 sogar soweit, das diese von Depression geplagten Menschen den Hanf als selbstverschriebene Behandlung nutzen. Zum Schluß muß noch einmal in Erinnerung gerufen werden, daß der große Teil der in den zahlreichen Studien untersuchten Individuen in medizinischer Behandlung waren und demnach nicht repäsentativ für die Allgemeinheit der Cannabis-Genießer sind. Und wenn es dieses „Syndrom“ wirklich geben sollte, wie kann dann seit drei Jahren jeden Monat das HanfBlatt erscheinen?
Bei genauerer Sicht ist der Titel des Buches von Bernhard van Treeck falsch gewählt. Es sollte „Drogen=Sucht-Lexikon“ heißen, denn so einfach ist letztlich die Gleichung, die der Facharzt für Psychiatrie aufmacht. Drogenkonsum, dass ist der kriminelle Rand der Gesellschaft, eine Welt voller Süchtiger, ehemaliger Süchtiger und Noch-Nicht-Süchtiger, die alle geheilt werden müssen. Sicher, da fließt seine Berufserfahrung ein, aber es wundert schon, dass es van Treeck auf über 700 Seiten nicht schafft, dem Zauber, der von den pflanzlichen und chemischen Substanzen ausgeht, näher zu kommen. So bleibt das Gefühl, dass sich hier mal wieder ein Therapeut seiner Klientel (auch durch die Aufnahme von Szeneslang) anbiedern will, um sie dann fest in die Arme zu schließen. Man merkt: Weder liebt er die Menschen noch die Pflanzen, die er so wortreich beschreibt. Allem haftet etwas pathologisches an. Dazu kommen noch diverse Ungenauigkeiten und krasse Fehler im Text. Im Einzelnen:
(1) Auf Seite 80 („Ausstiegsmotiv“) versteift sich van Treeck tatsächlich zu der Annahme, dass die „vollzogenen Strafen bei Drogenkonsum möglicherweise nicht hoch genug sind, um abschreckend zu wirken.“ (2) Der Artikel zum Stichwort „Freundschaft“ beginnt mit dem bemerkenswerten Satz: „In der Drogenszene gibt es in der Regel nur Zweckegmeinschaften, kaum Freundschaften.“ (3) Unter dem Stichwort „Ayahuasca“ fehlt die Nennung von DMT als ein Hauptwirkstoff des Gebräus. (4) Die Seiten über „Cannabis“ vermengen wissenschaftliche umstrittene Ergebnisse mit Mythen aus dem literarischen Bereich. (5) Der für ein Lexikon dieser Art zentrale Begriff der „Entkriminalisierung“ fehlt völlig, nicht aber der Hinweis (6) auf den „Flashback“ nach Hanfkonsum, einer Theorie aus der Steinzeit der Cannabisforschung. (7) Der Begriff Neurose wurde bereits 1776 eingeführt, nicht 1977, wie van Treeck annimmt. Unter „Marihuana“ versteht das Lexikon „zerkleinerte Blätter der Cannabispflanze“, ein grober Faux pas. (8) Selbst bei so einem simplen Getränke wie dem „Radler“ (o.a. „Alsterwasser“) schreibt van Treeck ins Leere. Er würde Bier mit Orangen(!)-Limonade mischen, na, dann mal Prost, Bernhard.
In fast voyeuristischer Weise beschreibt van Treeck die Schicksale von Musikern und anderen Künstlern, denen aus seiner Sicht allein die Droge (und eben nicht die Droge und der soziale Zusammenhang) zum Verhängnis wurde. Nie scheint der Arzt zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht trotz, sondern aufgrund ihres Drogengenusses kreativ sind. Unter dem Stichwort „Aggressivität“ bleibt denn auch nur das Schwarz-Weiß-Potential jedweder Droge übrig, die Agressivität entweder zu erhöhen oder zu vermindern.
Darüber könnte man lachen, wäre nicht zu vermuten, dass das Machwerk, vom Verlag als „überarbeitete und erweiterte Neuauflage“ gepriesen, in den Buchläden der Republik in den Händen besorgter Eltern landen wird, die glauben damit den Phänomenen „Pubertät“ (fehlt ebenfalls im Lexikon), „Entspannung“ (fehlt) „Glück“ (fehlt) oder gar „Liebe“ (fehlt) oder „Spiritualität“ (fehlt) näher zu kommen.
Treeck , Bernhard van: Drogen- und Sucht-Lexikon
Berlin, Neuaufl. 2004
345 S. m. Abb.
SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF
Kartoniert/Broschiert
ISBN 3896025422
EUR 14,90
Langsam, aber stetig geht es voran in der Serie des HanfBlatts, welche die Mythen rund um die Marihuana-Pflanze analysiert. Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Wissenschaft soll auch hier die wichtigen Fragen beantworten; schauen wir, was die Halbgötter in ihren weißen Kitteln wissen, was wir nicht schon geahnt haben. Im vierten Teil der Serie geht es um die Behauptung:
„Marihuana schädigt die Lunge“
„Räusper, Hust. Alles Lüge. Hüstel.“ So könnte auf diesen Vorwurf reagiert werden, doch hier wird ja bekanntlich der Stier ernsthaft bei den Hörner gepackt. Ein Argument gegen Marihuana ist seine Schädlichkeit für den Atemapparat, wenn es geraucht wird. Der Vorwurf: Gras enthält so hohe Konzentrationen von Schadstoffen, daß Konsumenten das Risiko eingehen, sich dauerhafte Lungenkrankheiten zuzuziehen. Der Mythos besagt, daß „ein Joint zehn Zigaretten gleicht“. Starker Tobak, und hier kommen
DIE FAKTEN
Um gleich am Beginn für Klarheit in den Nebelschwaden zu sorgen: Das Rauchen jeglicher Pflanze ist schädlich. Beim Verbrennungsprozeß entstehen Substanzen, welche die Entstehung von Krebs begünstigen. Dies gilt für Cannabis ebenso wie für Tabak. So weit, so schlecht, aber wie schädlich ist der Hanfrau(s)ch? Was wäre die Wissenschaft, ja, was wäre das Leben ohne den Vergleich? Um zu einer relativen Einschätzung der Schädlichkeit des Rauschhanfs zu kommen, greifen desses Befürworter deshalb auf Daten zu, die das negative Potential ihres heiligen Grases mit dem Tabak vergleichen. Bis auf die psychoaktiven Wirkstoffe ist der Tabakqualm dem Marihuanaqualm recht ähnlich. Kiffer atmen allerdings zumeist tiefer ein und behalten den Rauch länger in den Lungen – auf diese Weise gelangen auch mehr Schadstoffe in den Blutkreislauf.
Die bisherigen Studien zum Thema zeigen: Regelmäßige Marihuana-Konsumenten leiden öfter als Nichtraucher an chronischem Husten und chronischer Schleimentwicklung. Ab hier scheiden sich aber die Geister, denn während manche Wissenschaftlern behaupten, daß Grasrauchen zur Bronchitis führen kann, sehen andere keinen Nachweis dafür, daß kiffen die Entzündung der Luftröhrenäste verursacht. Seit 1982 führt ein regierungsnahes Intitut in den USA Forschungen an „reinen Kiffern“, „reinen Tabakrauchern“, „Konsumenten von beiden“ und „Nichtrauchern“ durch. Hierbei wurden durchaus Veränderungen in den Lungen von „reinen Kiffern“ analysiert, diese waren aber weit weniger ausgeprägt wie bei den „reinen Tabakrauchern“. Und noch etwas viel den Forschern auf: Die Beeinträchtigung beschränkte sich bei den Kiffern in erster Linie auf die großen Kanäle der menschlichen Atemmaschine, kleinere Luftröhren waren kaum geschädigt. Dies sah bei den Tabakkonsumenten dunkler aus, bei ihnen mutierten gerade die peripheren Äste. Das ist nach den Aussagen der Wissenschaftler auch der Grund dafür, daß Tabakraucher schneller und öfter an Bronchitis erkranken.
Ein Grund zur Entwarnung für die „reinen Kiffer“? Zumindest gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber, daß das Pur-Rauchen zu Lungenkrebs führt. Gleichwohl fand man bei den Fans des reinen Grases Bronchien vor, die sich im Vorstadium der tödlichen Krankheit befanden. Wer zudem meint, sein Gras oder Haschisch mit Tabak zu vermengen, setzt sich garantiert einer erhöhten Krebsgefahr aus.
Diese Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund einer Jahrtausende alten medizinschen Anwendnung des Hanfs und der modernen Drogengesetzgebung gesehen werden. Seit mindestens 3000 Jahren verschafft Cannabis Asthmatikern Erleichterung, denn das Inhalieren des Rauches führt zu einer Erweiterung der Bronchien, die bis zu einer Stunde anhält. Zudem kann Cannabisrauch Husten unterdrücken und wurde auch schon bei der Behandlung von Keuchhusten erfolgreich eingesetzt. Ein Paradoxon stört im Kifferhimmel: Die heilige Pflanze schädigt und heilt zugleich – unabhängig von der Dosis. Aber nicht nur die pflanzlichen Inhaltsstoffe, wie das THC und die Cannabiole, greifen in die Körperfunktionen ein, das geltende Verbot der Heilpflanze zeigt ebenfalls Auswirkungen auf die Gesundheit des Konsumenten. In einigen Staaten der Erde sind aufklärende Literatur und auch Wasserpfeifen verboten, obwohl diese Schadstoffe aus dem Rauch herausfiltern. Die Forderungen der Legalisierungsbefürworter sind aus diesen Gründen eindeutig: Erst wenn Wasserpfeifen und Vaporizer zum Massenprodukt werden, kann von einer wirksamen Vorsorge im Gesundheitssektor gesprochen werden. Wer viel Cannabis raucht, sollte auf Produkte mit hoher Potenz zugreifen, weil dann weniger inhaliert werden muß. Die orale Zufuhr von Cannabis sei auch deshalb unbeliebt, weil der Rauschhanf zu teuer für diese kostenintensive Konsumform ist. Eine Legalisierung, so die Hoffnung der Anti-Prohibitionisten, würde das ändern. Legales Marihuana wäre zudem eher frei von Zusatzstoffen, die dem Käufer ein frisches Aussehen oder eine harzige Konsistenz suggerieren möchten. Vollzieht man diesen Gedanken bis zum Ende, wäre die Legalisierung der Pflanze der einzige Weg, um die Gesundheit der Cannabis-Liebhaber zu schützen.
Solange bleibt für den Konsumenten -wie bisher- nur der Zugriff auf andere, mildere Formen des Gebrauchs, will er oder sie sich nicht den Gefahren einer Lungenerkrankung aussetzen.
Jörg Auf dem Hövel
Nachtrag 2008
Es gibt neue Studien, deren Fazit: Die schädlichen Effekte von Tabak und Cannabis addieren sich, raucht man die beiden Kräuter zusammen, ist das weder aus Gründen eines kräftigen Highs noch aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll. Mehr unter https://joergo.de/cannabislunge.htm
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