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FURZTROCKEN ABER GUT: Das Trocknen von Cannabis / Gras / Marihuana

Trocknen, Maniküren, Fermentieren

Wenn die Blütenstände der weiblichen Hanfpflanze den optimalen Reifegrad erreicht haben, wird geerntet. Das heißt, einzelne Blütenstände, Zweige oder die ganze Pflanze werden abgeschnitten und getrocknet. Vor oder nach dem Trocknen werden alle nicht deutlich harzdrüsenreichen Blätter mit Hilfe einer Schere entfernt (Maniküren). Sie werden als mildes Rauchmaterial, zur Bereitung potenter Leckereien oder zur Extraktion mittels organischer Lösungsmittel (Grasölgewinnung) verwendet. Meistens werden die Blätter in zwei Qualitäten getrennt, die großen Blätter und die kleinen beim Maniküren der Blüten anfallenden harzhaltigeren Blattspitzen. Bei der Ernte oder nach dem Entfernen der getrockneten Blüten anfallende Stengel und Wurzeln werden in der Regel nicht verarbeitet und unauffällig entsorgt. Herausragende Stammexemplare erhalten bisweilen Souvenircharakter oder werden gar zu neckischen Rauchutensilien umgeschnitzt.

Durch die Trocknung wird der Wirkstoff dem Rauchen und der Speisenzubereitung verfügbar gemacht. Mit dem Moment der Ernte wird jedoch kein weiterer Wirkstoff mehr produziert. Im Gegenteil: Umweltbedingungen wie Licht, Wärme und Luft tragen zu einem mehr oder weniger schnell voranschreitenden Zersetzungsprozess bei. Es droht Potenzverlust. Dies gilt es bei allen weiteren Verarbeitungsschritten, wenn nicht zu unterbinden, so doch zu vermeiden.

Das potente Harz wandert nicht in der Pflanze umher. Es bleibt dort, wo es entstanden ist, in den Harzdrüsen, die sich in großer Zahl auf den Blüten und den sie umgebenden Blättchen befinden.

Die Blütenstände sollen auch getrocknet bei ästhetischem Äusseren aromatisch riechen und gut rauchbar sein.

Für die weiteren Aktivitäten gilt deshalb:

– vorsichtige Handhabe der Blütenstände. Sie werden möglichst nicht direkt berührt, geschüttelt, grob gewendet oder anders mechanisch beansprucht, damit nur wenige Harzdrüsen durch Abfallen und Klebenbleiben an Fingern, Scheren und dergleichen verloren gehen. Besonders bei größeren Mengen wird eine Arbeitsunterlage benutzt, zum Beispiel Plastikfolie, Glas oder eine andere glatte Oberfläche, von der abgefallenes Harzdrüsen- und Blattmaterial zurückgewonnen werden kann.

– Trocknung an einem möglichst dunklen und nicht zu heissen Ort mit guter Lüftung. Die Aufbewahrung des getrockneten Krautes erfolgt in abgeschlossenen lichtundurchlässigen Behältnissen an einem trockenen und kühlen Ort. Bevorzugt werden Glasgefäße und nicht elektrostatische Plastikkontainer. Über längere Zeiträume werden getrocknete Blütenstände auch schon mal eingefroren.

Meist erfolgt direkt nach der Ernte die Maniküre, die durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Ziel der Maniküre ist es, die potenten harzigen Blütenstände von dem schwächeren Blattmaterial zu trennen und in eine ansprechende Form zu bringen. Läßt man die Blätter bis zur vollendeten Trocknung dran, hat das den Nachteil, daß sie eventuell schwerer zu entfernen sind und das sie den Trocknungsprozess mit ihrer Eigenfeuchtigkeit verzögern können. Gleichzeitig schützen sie die eigentlichen Blüten während der Trocknung vor äußeren Einflüssen, vor allem, wenn die betreffenden Zweige kopfüber aufgehängt werden. Bei der Maniküre sammelt sich unweigerlich einiges an Harz an Scheren und Fingern, hochpotentes Fingerhasch, zu Kügelchen gerollt und geraucht eine willkommene Belohnung für die Arbeitsbienen.

Wie trocknet man nun das Marihuana?

Zur eigentlichen Trocknung werden die Blütenstände mit Hilfe von Wäscheklammern, Klebestreifen oder dergleichen entweder an Leinen oder an einem Bord umgekehrt aufgehängt. Eine andere Form der Trocknung ist die lockere Ausbreitung der Blütenstände auf einer Unterlage bei ein- oder zweimaligem vorsichtigen Wenden. Bei guter Belüftung sollten die Blüten bei Temperatuiren von 20 bis 30 Grad Celsius in vier bis zehn Tagen getrocknet sein. Trocknen sie zu schnell, können die sterbenden Zellen im Rahmen dessen, was man eine Teilfermentation nennen könnte, nicht mehr genügend Chlorophyll und Stärke abbauen. Der Rauch schmeckt scharf und harsch. Läßt man der Blüte zuviel Zeit zum Trocknen wird sie oft nicht mehr richtig trocken und brennt schlecht. Ist es zu kalt und feucht, kann Schimmel auftreten. Dann muß eine Schnelltrocknung vorgenommen werden. Ist die Luft zu trocken oder die Temperatur zu hoch, kann es einerseits zu Aromaverlusten kommen, andererseits erscheint die Blüte aussen knochentrocken, während sie innen noch feucht ist. Auch zuviel an der Blüte belassene Stengel halten die Feuchtigkeit zurück und verzögern die Trocknung. Dies kann korrigiert werden, indem man das Blütenmaterial in einen geschlossenen Behälter gibt und dort einen Tag läßt, damit sich die Restfeuchtigkeit gleichmäßig verteilt. Die nun wieder feuchtere Blüte kann jetzt nochmal nachgetrocknet werden.

Als vollständig getrocknet gelten Blüten, die sich zwar zerbröseln lassen, aber nicht zu Staub zerfallen. Vor allem müssen sie sich gut rauchen lassen. Man macht eine Probe aufs Exempel. Zu trockene Blüten nehmen zum Beispiel durch Beigabe von Orangenschalen ins Aufbewahrungsgefäß wieder Feuchtigkeit auf.

Professionelle ZüchterInnen fermentieren ihr Produkt nur selten, da eine Fermentation immer das Risiko von Potenzverlusten durch Zersetzungsprozesse und abfallende Harzdrüsen beinhaltet. Es droht Schimmelbefall. Mißlingt die Fermentation erhält man ein übelriechendes wenig attraktives Ergebnis. Fermentierte Produkte aus sogenannten Drittweltländern sind meist durch nachlässige Trocknung (feucht auf einem Haufen, in der Sonne getrocknet oder feucht gepreßt) mit entsprechenden Potenzverlusten braun geworden. Das fermentierte Produkt läßt sich zum Teil besser rauchen. Besonders Tabakraucher klagen das ein. Hoch harzhaltiges Gras läßt sich allerdings generell nicht leicht ohne gelegentliche Hustenanfälle rauchen.

Eine einfache Fermentationsmethode, die man mit kleinen Mengen kleinerer Blüten oder mit Blättern ausprobieren kann, besteht darin, daß man das Pflanzenmaterial in einer Papiertüte oder einem nur wenig luftdurchlässigen Behältnis an einem warmen Ort bei gelegentlicher Lüftung so lange läßt, bis es über eine Phase eher unangenehmen Geruchs (ammoniakalisch) den gewünschten Zustand der Fermentation erreicht hat und nun vollständig getrocknet werden kann. Viel Glück.

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Männer und Rausch

Dann ist ein Mann ein Mann

Warum wir Männer uns eher für den Rausch begeistern. Und warum das auch o.k. so ist.

Kiffen, Saufen, Exzesse: Der Rausch ist nach wie vor eine Angelegenheit von Männern. Warum kippen wir uns eigentlich so viel lieber einen hinter die Binde als Frauen? Sollte irgendwas anders sein?

Schon seit einigen Jahrzehnten steht der deutsche Mann neben sich. Wünsche und Zumutungen drängen auf ihn und sein Selbstbewusstsein ein. Vor ein paar Jahren noch sollte man metrosexuell (Definition: Männer, die sich waschen) sein – haben aber wollte kein Weib diese Züchtung, es reicht ihnen bis heute, sie in Magazinen zu bewundern. Kurz darauf war die Damenwelt jedwede Art von Weicheier satt, der ganze Kerl war wieder gefragt. Romantisch und zärtlich oder doch lieber verwegen und Whiskey saufend? Intellektuell oder eben doch einfach nur reich? So geht das Spiel nun seit Jahrzehnten, nur die Zyklen sind kürzer geworden.

Im Gegensatz dazu hat sich das Rauschverhalten von Männern kaum verändert. Früher eine dicke Zigarre, heute Eimer rauchen oder Wodka-Red-Bull-Kampftrinken, dazu eine Schachtel Marlboro und eventuell „ne halbe E“. In Großstädten wie ländlichen Gebieten gibt es so gut wie keinen Mann über 16 Jahren mehr, der nicht Erfahrungen mit Alkohol, Tabak oder Cannabis gemacht hat. Mehr noch, bis zu diesem Alter haben 80 % bereits ihren ersten Alkohol-Vollrausch hinter sich. Alkopops haben dabei Bier und Schnaps längst überholt. Trotz Kater hört kaum einer nach diesem besoffenen Erlebnis komplett auf, es muss was dran sein am Rausch. Aber was?

Um vorne anzufangen: Wenn Erstklässler auf den Schulhof strömen, spielen die Mädchen auch nach 30 Jahren Feminismus und geschlechtergerechter Erziehung gesittet, schnattern viel und geben sich wichtig. Derweil rotten sich die Jungen immer noch zu Bolzggruppen zusammen, rennen, schwitzen und brüllen. Der MIT-Biologe David Page, der das Y-Chromosom erforscht, schreibt: „Die genetischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen stellen alle anderen Unterschiede im menschlichen Genom in den Schatten.“

Auch heute noch gesellt sich zu dieser genetischer Vorbildung ein Erziehungsstil, der meist die klassische „Männlichkeit“ eines Jungen verstärkt: Vernunft, wenig Emotionen, Stärke, Durchsetzungsfähigkeit. So wird versucht, aus dem Rotzlöffel ein mehr oder minder wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu machen. Die ersten Rauscherfahrungen, sei es nun mit Haschisch oder Bier, dienen später in erster Linie dazu, dem engen Korsett dieser elterlicher Fürsorge zu entkommen. Ein junger Mann durchstößt für eine kurze Zeit seine und die gesellschaftlichen Regeln des guten Anstands oder der Moral. Er prüft alles was ihm bislang als wichtig verkauft wurde, das Styling der Haare wird enorm wichtig. Ausflippen gehört dazu. Je nachdem was vorher im Elternhaus gelaufen ist, bleibt dieses Muskelspiel eine wichtige Episode für alle. Wenn aber mehrere negative Faktoren zusammenkommen, dann ist der junge Mann nicht in der Lage einen geregelten Umgang mit legalen oder illegalen Drogen zu lernen.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer Werbe- und Medienwelt, in der der Absturz gefeiert, aber scheinheilig vor Jugendlichen verborgen wird. Die Memoiren diverser Stars strotzen vor Gejubel und Gejammer, zuletzt protze Heiner Lauterbach mit Heroin, Bordell-Besuchen und 50 LSD-Trips, die bei ihm anscheinend nicht gewirkt haben. Grundsätzlich gilt: Der Konsum von Drogen ist umso risikanter, je geringer das eigene körperliche und psychische Wohlbefinden ist. Männern sehen ihren Körper halt oft nur als Maschine an, die zu funktionieren hat. Sie nehmen, so sagen auch die Wissenschaftler, Signale des Körpers weniger gut wahr, reden seltener über ihre Befindlichkeit und nehmen ungern Hilfe an, was sich auch darin zeigt, dass sie sich im Fall von Abhängigkeitserkrankungen später in Behandlung begeben als Frauen. Wenn dann alles schief läuft, landet Mann in einer der diversen Therapieeinrichtungen. Und da sitzen immer mehr Männer (2/3) als Frauen (1/3) , nur bei Essstörungen und Medikamentenabhängigkeit ist das Verhältnis umgekehrt.

Wenn alles gut läuft und ein Mann dem Rausch nicht völlig anheim fällt, dann nimmt er vor allem deswegen Drogen, weil ihm diese Entspannung oder Grenzerfahrungen ermöglichen. Der Kontrollverlust, von Frauen eher gemieden, ist bei Männern gerne gesehen. Wer ist der Breiteste, Higheste oder Schlagfertigste? Der Wettbewerb, das ewige Kräftemessen, bestimmt auch hier oft das Bild. Es ist dieses über sich hinauswachsen, der Abbau von Blockaden, diese enorme Dynamik, die dazu führt, dass Männer Flaschen exen und Pillen werfen. Schlecht ist nur, wenn hier dauerhaft die Grenzen zum Gefühl der Unverletzlichkeit und der Übermacht überschritten werden und langsam in die Alltagssicht integriert werden. Zu Hause und am Arbeitsplatz der ewige Arsch, in der Kneipe ein Held.

Hinzu kommt das Potential von Drogen als Schmierstoff in soziale Gruppen. Wer bis zum Eintritt in die Bundeswehr clean war: Spätestens hier kommt er mit kiffenden Gefreiten und alkoholabhängigen Unteroffizieren in Berührung. Dass die Armee völlig ungeeignete Initiationsriten in die Welt psychoaktiver Substanzen schafft, ist eine weithin unterbeleuchtete Tatsache deutscher Drogenkultur. Ob in der Gruppe oder alleine, Männer haben weniger Probleme damit ihren (harten) Konsum öffentlich zu zeigen. Im Gegenteil, er wird als Unangepasstheit, als herrlicher Tabubruch empfunden. Aber, wie Michel Graf, Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), anmerkt, fangen an dieser Stelle oft die Probleme an: „Das Stereotyp des starken Mannes, der keine Grenzen und keinen Schmerz kennt, stellt einen Risikofaktor für die Gesundheit der Männer dar.“

Die angedeuteten modischen Zumutungen der Moderne an den Mann treffen in diesem ohnehin auf ein Vakuum. Trotz Bürojob und respektablen Konsumverhalten fehlt den meisten Männern etwas. Das Problem ist zum einen: Es gibt keine wirklichen Herausforderungen in der Natur mehr zu bestehen. Da wir aber mit einem Teil der Person immer noch wie die grunzende Steinzeitmenschen handeln und zudem den Körper spüren wollen, schaffen wir uns künstliche Anregungen: Sport oder gar Extremsport, Freizeit-Challenge. Zum anderen schießen die Rauschzustände uns für kurze Zeit aus dem Normalbewusstsein und damit den Alltag raus. Es ist ein Gräuel nicht nur für konservative Politiker, dass der Rausch abseits der Gesellschaft und gefestigter Werte steht. Aber nur darin entfaltet er eben seine Sinnhaftigkeit.

Apropos: Es ist viel darüber gestritten worden, welche Auswirkungen der Zusammenbruch des kirchlich organisierten Glaubens hat, zudem darüber, ob der Mensch überhaupt an irgendeine höhere Macht glauben sollte, um glücklich zu leben. Beinahe genauso alt ist die Diskussion darüber, ob psychedelische oder besser gesagt entheogene Substanzen dabei eine sinnstiftende Rolle spielen sollten. Wie immer man das entscheidet, fest steht, das immer wieder Männer (und natürlich auch Frauen) zunächst aus nur profanen Gründen eine Substanz zu sich nehmen und plötzlich merken, dass diese ihnen nicht nur auf der psychischen Ebene gut tut, sondern einen Blick in eine andere Welt erlaubt, die den innersten Zusammenhang allen Seins offenbart. Dies, so lesen sie dann nach, nennt sich hochtrabend „Spiritualität“, ist aber nichts anderes als eine natürliche Erfahrung, die Menschen aller Kulturen seit Jahrtausenden machen. Nur ist diese Erfahrung weltweit sowohl auf der substanziellen Ebene („Drogenkonsument“) wie auf der geistigen Ebene („Esoteriker“) verpönt, belächelt, tabuisiert. Bei allem Bemühen um ein gesundes Selbstverständnis des Mannes bleibt dieser Gesichtspunkt meistens außen vor.

Klar, Drogenlust kann ein Männlichkeitsbeweis sein. Sieht man einmal von einer völligen Abstinenz ab, bleibt die spannende Frage, wie ein Mann sich selbst sehen und anderen gegenüber verhalten sollte und trotzdem seinem Hobby frönen kann. Heilige, Meditationsfreaks und Geläuterte mögen es anders sehen, aber für viele ist es gut, wenn das Tier in ihnen alle paar Monate aus dem Käfig der Zivilisation ausbrechen darf. Inzwischen ist ja soweit, dass Mannsein als eine Art Krankheit dargestellt wird. Damit dies nicht so bleibt, sind ein paar Komponenten wichtig.

(1) Eigene Gefühle sollten nicht ständig im Keller bleiben. Sie dürfen ausgedrückt und damit auch – und das fällt den meisten von uns schwer – mitgeteilt werden. Ja, ja, „Schön, dass wir darüber gesprochen haben“, aber eben dazu sind Partner und Freunde eben da: Mann teilt Freud und Leid. Das führt direkt zu (2), nämlich den Aufbau und Erhalt stabiler sozialer Beziehungen. Man muss keine Familienaufstellung nach Hellinger betreiben, um zu wissen, dass die eigene Herkunft maßgeblich bestimmt wo man heute steht. Ob man sich mit dem ganzen Eltern- und Verwandtenstress nun versöhnt oder nicht, wichtig ist nur diese Herkunft nicht zu verleugnen. (3) Es gibt einen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit. Befriedigung kann man in beiden Bereichen finden. (4) Das ideale und reale männliche Selbstbild können aufeinander abgestimmt werden. Es nutzt wenig sich wie wild von allem zu distanzieren, was weiblich ist und eine übertriebene Inszensierung von Männlichkeit zu betreiben. Wer die gesamten Tipps von „Men’s Health“, „Matador“ oder den Hollywood-Schinken ernst nimmt ist auf dem besten Weg in die Welt der Neurosen.

Um etwas hochgestochen zu enden: Letztlich ist ein freudiger Balanceakt zwischen verschiedenen Verhaltensweisen und Handlungen gefragt, die sich widersprechen, gleichwohl nur dann zur Blüte kommen, wenn man sie beide, vielleicht sogar während des Rausches, berücksichtigt: Da ist zunächst das Paar „Leistung und Entspannung“, denn viele neigen dazu auch im Feiern nur eine Art Sport zu sehen. Wichtig ist es aber auch sich entspannen zu können. O.k., das muss man den Kiffern nicht unbedingt sagen, hier gilt eher das Gegenteil. Diese Methode des „balancierten Mannsein“ (Reinhard Winter, Gunther Neubauer) lässt sich auf andere Verhalten genauso anwenden, als da sind: „Präsentation und Selbstbezug“, „Konflikt und Schutzsuche“, „kultureller Lösung und kulturelle Bindung“ und die legendären „Stärke und Begrenztheit“. Wer diese Paare in einen dynamischen Einklang bringt, der ist Mann und geht seiner Umwelt trotzdem nicht auf den Sack.

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OHNE LICHT LÄUFT GARNIX

Anmerkungen zur Beleuchtung

Ohne Licht keine Photosynthese, kein Pflanzenwachstum und auch kein Hanf. Zu Beginn aller gärtnerischen Aktivitäten wägt die Bäuerin deshalb ab, welche Lichtquellen sie zu nutzen gedenkt. Wenn alle anderen Bedingungen optimal sind (ausreichende Versorgung mit Kohlendioxid, Wasser und Nährstoffen bei günstigen Temperaturen und fehlenden Schädlingen), setzt nur noch die verfügbare Menge an Licht dem Wachstum seine Grenzen. Hanf kann benötigt vor allem Licht im blauen und im roten Bereich des Spektrums. Rötliches Licht wird während der Blüte mehr genutzt, bläuliches Licht mehr während der Phase des Blattwachstums. Dies gilt es bei der Wahl der Lichtquelle(n) zu bedenken. Wichtiger noch ist die Gesamtmenge des verfügbaren Lichtes.

Die Lichtquelle der ersten Wahl ist natürlich die Sonne. In unseren Breiten sind die Lichtverhältnisse im Sommer von Norden nach Süden zunehmend für eine ganze Reihe von passablen Aussensorten gut. Es könnte also dank Sonne praktisch überall ein Pflänzlein stehen. Leider lassen Wetter- und Lichtverhältnisse gerade in den Blütemonaten September und Oktober oft zu wünschen übrig. Pflanzerinnen nutzen hier die geschützten Verhältnisse, die Fensterbretter, Balkone oder Gewächshäuser bieten, leiten durch künstliche Abdunkelung eine vorzeitige Blüte in den sonnigsten Monaten ein oder setzen zusätzlich Lampen ein, um die Beleuchtunszeit auf die gewünschte Länge auszudehnen oder das Tageslicht zu verstärken. Reflektierende Wände oder bessere Ausnutzung des Lichteinfalls durch Bewegen der Pflanzen in mobilen Pflanzbehältnissen gehören zu den kleinen Tricks der Sonnenanbeterinnen.

Wem die Sonne nicht genügt, sich einen anständigen Vorrat zuzulegen, oder wer gerne exotische Spezialitäten relativ unabhängig von Aussenverhältnissen zu jeder Jahreszeit und mit maximalen Erträgen ziehen will, stellt sich schnell die Lampenfrage. Dabei sind zwei Überlegungen von besonderer Bedeutung:

1. Wie hoch sind Anschaffungskosten und laufende Kosten (Stromverbrauch) im Verhältnis zur Lichtleistung?

2. Wofür ist welche Lampe am besten geeignet?

Normale GLÜHBIRNEN mit ihrem Schwerpunkt im äußersten Rotbereich des Lichtspektrums und hoher Wärmeabstrahlung (90%) werden wegen ihrer geringen Lichtleistung pro Watt (als Maßeinheit für den Stromverbrauch) von ernsthaften Pflanzerinnen nicht benutzt. Auch die sogenannten „Pflanzlichtlampen“, die durch einen speziellen Überzug (zum Beispiel Neodyn) ein ausgewogeneres bläulicheres Licht liefern, taugen nichts. Ihre Lichtleistung ist durch den Filtereffekt des Überzugs sogar noch geringer. Manchmal werden sie zum Wärmen des Bodens beim Keimen oder bei Stecklingen eingesetzt. Wenn sie genutzt werden, dann werden Birnen mit höherer Wattzahl bevorzugt. WOLFRAMHALOGENLAMPEN sind auch nicht besser.

Auch QUECKSILBERDAMPFLAMPEN, wie frau sie vielleicht als Aquariumsbeleuchtung kennt, sind für die Pflanzenzucht nicht sonderlich geeignet, da sie in der Regel nicht allzuviel Licht im für Pflanzen schlecht nutzbaren Bereich des Spektrums liefern. Es soll einige wenige Birnen mit einem günstigeren Spektrum geben. Auch diese werden sehr heiß, bestrahlen nur eine kleine Fläche und sind nicht besonders effizient. Wenn, dann werden Birnen mit integriertem Reflektorüberzug bevorzugt und als Strahler installiert, um natürliches Licht zu verstärken oder die Tageslichtperiode künstlich zu verlängern.

Quecksilberdampflampen benötigen einen passenden Starter oder Transformator, im Englischen auch Ballast genannt.

NIEDRIGDRUCKNATRIUMLAMPEN (auch LPS- oder Low Pressure Sodium-Lampen) werden manchmal als Ergänzung zu Tageslicht, Neonröhren oder Metallhalogenidlampen (Mhs) montiert. Sie sind zwar sehr effektiv, liefern aber fast nur Licht in einem schmalen gelborangen Streifen des Spektrums. Sie sind deshalb alleine nicht für das Pflanzenwachstum geeignet. Die Pflanzen würden ausgeilen (dünn und spiddelig hochschiessen). Interessant, daß ihre Helligkeit bis zum Totalausfall nach etwa 18.000 Stunden Brenndauer nicht nachläßt. Zur Lampe gehören ein Ballast und eine Halterung, die genau zueinander passen müssen. Die Birne enthält brennbares und ätzendes Natrium!

LEUCHTSTOFF- oder NEONRÖHREN waren in den Siebzigerjahren die meistgenutzte künstliche Lichtquelle. Einige Röhren produzieren ein Lichtspektrum ähnlich der Sonne. Da ihr Licht nicht konzentriert und ihre Effizienz mit um die 30 % (Lichtenergie vom Gesamtverbrauch) nicht hoch genug ist, werden sie heute meist nur noch benutzt, um Stecklinge oder Keimlinge vorzuziehen. Ihr kühles diffuses Licht und ihre geringe Wärmeabstrahlung machen sie hierfür besonders geeignet. Auch Männchen zur Pollengewinnung zwecks Kreuzung zur Samenproduktion läßt frau, da es hier nicht auf Masse ankommt, schon mal unter Röhren spriessen. Um das Licht von Neonröhren voll auszunutzen, müssen sie sehr nahe an die Pflanzen gebracht werden (etwa 5 bis 10 cm). Steht nur wenig Raum zur Verfügung, werden manchmal Anlagen mit Röhren installiert, um viele kleine Pflanzen nebeneinander sehr früh zur Blüte zu bringen, die „IKEA-Bord-Methode“. Da Hanf für ein gesundes Blütenwachstum mindestens die doppelte Lichtmenge dessen benötigt, was für das Blattwachstum noch ausreichend gewesen sein mag, neigen unter Röhren gezogene Blüten, auch wenn die Potenz nicht unbedingt darunter leiden muß, generell dazu, langsamer zu wachsen und dünner auszufallen. Röhrentypen, die mehr Licht abstrahlen (HO-High Output oder VHO-Very High Output) verbrauchen im Verhältnis noch mehr Strom als normale Röhren. Ihr Vorteil ist das konzentriertere Licht. Speziell für Pflanzenwachstum vorgesehene Röhrentypen (GroLux, Agro und dergleichen) liefern zwar ein etwas ausgewogeneres aber dafür im Verhältnis zum Stromverbrauch deutlich weniger Licht!

Üblicherweise werden warm-weisse (rosaweisse) mit kalt-weissen (bläulichweisen) Röhren kombiniert. Meist werden Röhren mit einer Mindestlänge von 120 cm gewählt. Zu den Röhren gehören passende Fassungen mit den entsprechenden meist integrierten Transformatoren und am besten eingebauten Reflektoren. Da die kompletten Halterungen bis zu etwa zehn Jahren halten, können sie auch gebraucht genutzt werden. Standardröhren haben bei täglich 18 Stunden Leuchtzeit eine Lebensdauer von bis zu zweieinhalb Jahren, VHO-Röhren nur etwa die Hälfte. Die Intensität läßt mit der Zeit nach. Nach Ablauf von maximal dreivierteln ihrer angegebenen Lebenserwartung werden sie ausgewechselt. Flackernde Röhren gehen definitiv ihrem Ende zu. Wie bei allen Lampeninstallationen sollte frau sich gerade auch bei Röhren Gedanken über die Aufhängemöglichkeiten machen.

Neonröhren sind relativ preisgünstig in der Anschaffung. Das gilt noch mehr für die kreisförmigen Neonröhren mit integriertem Starter, die sich in normale Lampenfassungen schrauben lassen. Diese Teile werden manchmal bevorzugt mit höchstmöglicher Wattzahl und warmweiß als zusätzliche Lichtquelle angebracht. Ihre Effizienz ist allerdings nicht sonderlich hoch.

METALLHALOGENID-LAMPEN (MHs) und HOCHDRUCKNATRIUMDAMPFLAMPEN (HPS-High Pressure Sodiums) sind die mit Abstand effizientesten künstlichen Lichtquellen und haben sich in den Achtziger Jahren nicht nur bei holländischen Tomatenzüchtern sondern auch bei Hänflingen durchgesetzt. Sie strahlen von einem Punkt intensives und relativ weit reichendes Licht aus.

.Das Licht der MHs ist blauweiß und ähnelt dem Sonnenlicht. MHs setzen etwa 40 % der Stromenergie in Licht um. SUPER-MHs produzieren noch etwa 25 % mehr Licht und sind etwas teurer. Phosphorüberzogene MHs geben ein diffuseres Licht und weniger UV-Strahlung ab und sind deshalb für die Augen etwas weniger bedenklich. Ihre Lichtleistung ist allerdings vermindert. HPS leuchten mehr gelb-rosa ähnlich der Spätsommersonne und sind noch effizienter. Auf Grund der verschiedenen Spektren werden MHs bevorzugt für das Blattwachstum, also die vegetative Phase und HPS für die Blüte eingesetzt. Da meist für die verschiedenen Phasen getrennte Räumlichkeiten eingerichtet werden, stellt dies kein sonderliches Problem dar. Nicht selten werden beide Lampentypen miteinander kombiniert.

MHs bieten für das System, daß mit einer Lampe auskommen soll, das hellste und ausgewogenste Licht für ALLE Wachstumsstadien.

HPS sind für Keimlinge und Stecklinge weniger geeignet, da diese unter dem einseitig rötlichen Licht dazu neigen sich dem Licht zu stark zuzustrecken. Die Blüte unter solch einer Lampe kann aber kompakter werden und fällt wohl auch oft etwas reichlicher aus (bis zu 20%). Die Blütedauer verlängert sich bis zu einer Woche.

HPS-Lampen haben sich den Ruf erworben, die sichersten, effizientesten und letztlich preisgünstigsten Lampen zu sein. Übrigens ziehen sie wegen ihrem geringen Blauanteil kaum Nachtinsekten an, was im Sommer in offenen Anlagen (zum Beispiel Gewächshäusern) von Vorteil sein kann.

Die SON-T-Agro wird von Einigen als eine HPS-Birne gepriesen, die bei erhöhtem Blauanteil und gleichzeitig leicht erhöhter Gesamtlichtabstrahlung für alle Wachstumsphasen geeignet sei.

MHs und HPS werden bei täglich etwa 18 Stunden Betriebszeit alle 12 bis 18 Monate durch neue Birnen ersetzt. HPS-Birnen halten etwa ein Drittel länger als MHs. Die Lampen benötigen mehrere Minuten Anlauf, bis sie richtig hell werden. Ein leichtes Flackern während der Betriebszeit ist normal. Werden die Lampen gelöscht, können sie erst nach einer bis zu 15minütigen Erholungsphase wieder anspringen. Da dies an der Lebensdauer der Lampen zehrt, sollten sie nicht mehr als einmal am Tag gestartet werden. Es empfiehlt sich ein passendes Zeitschaltrelais.

Beim Erwerb der Birnen wird darauf geachtet, daß zu jeder Birne die passende Fassung oder Armatur und der richtige Transformator oder Ballast (, der übrigens während des Betriebs ein mehr oder weniger summendes Geräusch macht,) erstanden werden müssen. MHs und HPS benötigen verschiedene Transformatoren und Fassungen. Das gilt auch für Birnen mit unterschiedlicher Wattzahl!

Höherwattige Anlagen bis zu 1000 Watt sind im Verhältnis preisgünstiger. Aber im Kleinen und für eine gleichmässigere Ausleuchtung (bei Nutzung der sich überlappenden Lichtkegel) sind 400 Watt-Anlagen in Europa zur Zeit am beliebtesten. Eine 400-Watt-Anlage sollte für ein bis einandhalb Quadratmeter Beleuchtungsfläche ausreichen.

Beim Lampenkauf muß auch an passende Reflektoren gedacht werden. Die waagerechte Ausrichtung der Birnen mit umfassenden Reflektoren gilt als die Technik, die das zur Verfügung stehende Licht am umfassendsten auf die Pflanzen richtet. 20 bis 45 % mehr Licht soll so die Pflanzen erreichen als bei senkrecht in großen runden trichterförmigen Reflektoren aufgehängten Birnen. Für die horizontale Aufhängung dürfen im Falle der MH-Birnen nur hierfür geeignete Birnen (HOR) verwendet werden! MH-Birnen werden ansonsten senkrecht aufgehängt. Falsch ausgerichtete Birnen können durchbrennen. HPS-Birnen können in jeder Position eingeschaltet werden.

Beim Kauf von Lampen sollte unbedingt darauf geachtet werden, daß sie fabrikneu sind, und nicht aus Beschlagnahmeaktionen der niederländischen Polizei mit anschliessender Versteigerung oder Diebstählen stammen. Frau weiß in diesem Falle einfach nicht, wie lange das Ganze schon in Betrieb war.

Vor der Aufhängung wird auch darauf geachtet, daß entsprechende Möglichkeiten vorhanden sind. In der Armatur integrierte Transformatoren erhöhen das Aufhängegewicht erheblich und bedeuten eine zusätzliche Hitzequelle.

Für eine gleichmäßigere Beleuchtung und um Schattierungen zu vermeiden, spielt nicht nur die Pflanzenanordnung und die Nähe zum Licht eine Rolle. Es können auch Systeme installiert werden, die die Lichtquelle über den Pflanzen linear oder kreisförmig bewegen.

Im Pflanzraum werden außerdem reflektierende Anstriche oder dergleichen gewählt, um die Lichtausnutzung zusätzlich zu erhöhen.

Mit der Entscheidung für eine Lichtanlage beginnt meist erst die Investitionsspirale. Ventilation, Klimaanlage, Kohlendioxidzufuhr und so weiter, alles schreit nach Verbesserung. Ein nicht ganz billiges „Hobby“.

Wer genau weiß, was sie will kann sich die gewünschten Lampen unter Pseudonym im Lampenfachhandel aus Katalogen ordern. Für den Kleinkunden sollte die hoffentlich fachkundige Beratung im Growshop um die Ecke bei der Entscheidungsfindung und allen auftauchenden Fragen die kundigste Hilfe sein.

Und nicht zuletzt nochmal ein paar Sicherheitsregeln:

-Die gesamte Anlage darf in keinem Fall mit Feuchtigkeit in Kontakt kommen oder auch nur kommen können! Kurzschluß-, Brand- und Explosionsgefahr!

-Alle elektrischen Kabel und Geräte müssen kurzschluß- und stromschlagsicher verlegt sein!

-Die Sicherungssysteme müssen den Belastungen durch eine Anlage gewachsen sein!

-Es muß für eine gute Wärmeableitung an Lampe und Ballast gesorgt sein. Der Ballast sollte einen Griff haben, um seine Position eventuell unproblematischer verändern zu können.

-MH- oder HPS-Lampe niemals anfassen, auch nicht mit einem Tuch, solange sie noch heiß ist! Explosionsgefahr.

-Nie am Lampensystem arbeiten, solange es an den Stromkreislauf angeschlossen ist!

-Ausrangierte Lampen (insbesondere MH und HPS) sind Sondermüll! Ihre Inhaltsstoffe sind giftig, teilweise brennbar und explosiv! Am besten zur Entsorgung dort wieder abgeben, wo sie herkommen.

-Benutzte Lampen so wenig wie möglich bewegen! Sie sind stoßempfindlich und können leicht kaputt gehen.

-Wird eine Lampe beschädigt, muß sie sofort ausgeschaltet, abkühlen gelassen und vorsichtig entsorgt werden

-Haut und vor allem Augen durch Schutzgläser (keine modische Plastiksonnenbrille!) vor den UV-Strahlen schützen, die von den MH- und HPS-Lampen ausgestrahlt werden. Der Pflanzenraum ist kein Wohnraum! Nie ohne Schutz direkt in brennende MH- und HPS-Lampen sehen!

 

STROMVERBRAUCH

Strom wird, wenn er nicht durch einen kostspieligen, lauten und abgasintensiven Diesel-Generator oder ökologisch akzeptablere private Energiequellen geliefert wird, vom örtlichen Elektrizitätzwerk zu Preisen pro Kilo(=1000)wattstunde (kW/h) verkauft.

Eine simple Rechnung gibt eine Ahnung von den zu erwartenden Stromkosten:

Wattzahl der Birne (der Transformator verbraucht nur wenige Watt) mal Stunden täglicher Betriebsdauer ergibt den täglichen Stromverbrauch.

Eine 400 Watt-Lampe, die 50 Tage lang täglich 18 Stunden brennt (Blattwachstumsphase), und dann 50 Tage lang täglich 12 Stunden (Blütephase), verbraucht demnach insgesamt 400 x 18 x 50 plus 400 x 12 x 50 = 560.000 Watt beziehungsweise 560 kW . Dies multipliziert mit dem örtlichen (Atom-) Strompreis pro kW/h ergibt die zu kalkulierenden Stromkosten (allein für diese eine Lampe) für einen typischen Zyklus.

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Gespräch mit Renate Soellner Autorin der Studie „Abhängig von Haschisch?“

Abhängig von Haschisch?

Eine Studie, die sich mit dem Phänomen „Abhängigkeit von Cannabis“ beschäftigt, liegt nun schwarz auf weisses Papier gedruckt vor. Olala, ein Buch! Anlass genug für das Hanfblatt mal bei der Autorin Frau Dr. Renate Soellner von der Freien Universität Berlin nachzuhaken.

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Hanfblatt: Wie kam es dazu, dass Sie die Frage, ob man von Cannabis abhängig werden könnte, untersucht haben?

Soellner: Der Begriff Abhängigkeit wird sehr uneinheitlich verwendet. In den überwiegenden Fällen (siehe BtMG) dient er als Rechtfertigung für einen restriktiven Umgang mit Cannabis. Die Frage ob eine Abhängigkeit gleichzeitig als schädlich für das Individuum und/oder seine Umwelt angenommen werden muss, wird gar nicht mehr gestellt, vielmehr wird dieser Zusammenhang als gesichert angenommen. Dabei kommt es natürlich darauf an, was man unter Abhängigkeit versteht. Im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem vierjährigen Forschungsprojekt zu Konsummustern von Cannabis, beschäftigte ich mich eingehend mit dieser Thematik und fand die derzeitige Forschungslage unbefriedigend, so dass sich eine eigene Untersuchung hierzu geradezu aufdrängte.
Von 1993 bis 1996 wurden insgesamt 1458 Personen befragt und dabei jeweils 700 Einzelinformationen erfasst. Knapp 57 % der Befragten kamen aus Berlin, der Rest vor allem aus NRW und BW. Erreicht wurden die Cannabiskonsumenten besonders über die Medien, Universitäten, private und „Szene“-Kontakte sowie Hilfseinrichtungen für Jugendliche und junge Erwachsene. Lediglich 41 Konsumenten erfüllten die Diagnose „Abhängigkeit“ nach einem in der Psychiatrie gebräuchlichen Klassifikationssystem, den DSM-IV-Kriterien, kurz sie kifften mehr als sie eigentlich wollten.

Hanfblatt: Ist „Cannabis-Abhängigkeit“ aus Ihrer Sicht ein Problem?

Soellner: Dies ist davon abhängig wie man Cannabisabhängigkeit fasst. Entsprechend meiner Studien ist es nicht angebracht die Kriterien für Abhängigkeiten von anderen Stoffgruppen auf die Substanz Cannabis anzuwenden. Das heisst man müsste sich erst einmal darüber klar werden, was Abhängigkeit von Cannabis eigentlich bedeuten soll. Wendet man die offiziellen Abhängigkeitskriterien dennoch an, so zeigen unsere Ergebnisse, dass es nicht notwendigerweise ein Problem sein muss, von Cannabis abhängig zu sein. Allerdings gibt es eine Gruppe von Konsumenten, die über eine deutlich schlechtere psychosoziale Gesundheit verfügen als nicht abhängige Konsumenten.

Hanfblatt: Werden Sie sich auch weiterhin mit Fragen des Cannabiskonsums beschäftigen?

Soellner: Ja.

Hanfblatt: Wie sollte von Seiten der Politik mit Cannabiskonsumenten umgegangen werden?

Soellner: Nicht repressiv, sondern differenzierend hinsichtlich der Konsumform. Das heisst Hilfs- und Unterstützungsangebote für die, die sie brauchen.

Wer sich eingehender mit der Thematik beschäftigen will oder muss, dem sei die „Soellner-Studie“ empfohlen.

Renate Soellner
„Abhängig von Haschisch?
Cannabiskonsum und psychosoziale Gesundheit.“
Verlag Hans Huber, CH-Bern 2000
215 S., zahlreiche Grafiken
ISBN 3-456-83517-5
DM 49,80/Fr. 44.80/öS 364,-

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Interview mit Lester Grinspoon

HanfBlatt 6/1998

Marihuana – Ein medizinisches Wunder

Interview mit dem Cannabis-Experten Lester Grinspoon

Die medizinische Anwendung von Cannabis erregt auf internationaler Ebene und auch in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit. Unglücklicherweise beherrschen noch immer Angst und Desinformation die Diskussion, aber mehr und mehr Menschen entdecken die medizinischen Möglichkeiten der Pflanze. Einer der Pioniere der Erforschung des medizinischen Hanfs ist Lester Grinspoon, Professor an der Harvard Medical School in den USA. In den letzten 30 Jahren schrieb er über 140 Aufsätze und 12 Bücher über Cannabis und andere Drogen. In dem Interview berichtet Grinspoon über seine Arbeit, die neuesten Forschungsergebnisse und den „Krieg gegen die Drogen“.

HanfBlatt:
Was hat Ihr Interesse an Cannabis geweckt?

Grinspoon:
Es war 1967, als ich unerwarteter Weise etwas Zeit zur Verfügung hatte. Da dachte ich daran, mir einmal Marihuana näher anzuschauen, um zu sehen, warum es soviel Theater um die Pflanze gab. Ich war zu dieser Zeit sicher, daß Marihuana eine äußerst gefährliche Droge ist und ich verstand die jungen Leute nicht, die trotz aller Warnungen Cannabis rauchten. Die folgenden drei Jahre verbrachte ich mit Forschung und Sichtung der Literatur und ich mußte lernen, daß ich wie viele andere auch einer Gehirnwäsche unterzogen war. Marihuana ist zwar nicht harmlos, gleichwohl aber viel ungefährlicher als Alkohol oder Tabak. Und -um es vorweg zu nehmen- es ist deshalb der einzig vernünftige Weg damit umzugehen die legale Abgabe durch ein kontrolliertes System. Ich beschrieb das 1971 alles in dem Buch „Marihuana Reconsidered“. Damals wurde das Werk kontrovers diskutiert, heute ist es mit einer neuen Einleitung neu erschienen.

Ihre Forschung ergab, daß Cannabis im Vergleich zu Alkohol oder Tabak harmlos ist…

Ich denke Cannabis ist nicht harmlos. Es existiert keine an sich harmlose Droge. Aber Cannabis ist -egal welche Kriterien man heranzieht- weniger gefährlich als Alkohol und Tabak. Als Beispiel: Tabakkonsum kostet in den USA jährlich 425 Tausend Menschen das Leben, Alkohol vielleicht zwischen 100 und 150 Tausend, gar nicht zu sprechen von all den anderen Problemen, den Alkoholkonsum mit sich bringt. Mit Cannabis gab es keinen einzigen tödlichen Fall. Wenn Cannabis noch immer mit US-Pharmacopoeia1 stehen würde, wäre es unter den am wenigsten giftigen Substanzen aufgeführt.

Es stand noch im Pharmacopoeia am Anfang des Jahrhunderts.

Richtig. Cannabis war eine häufig genutzte Droge, bis es 1941 aus dem Pharmacopoeia entfernt wurde. Das war nachdem das erste drakonische Anti-Marihuana Gesetz im Jahre 1937 erlassen wurde, der „Marihuana Tax Act“. Dieses Gesetz macht es so schwer für Ärzte, Cannabis weiterhin zu verschreiben, daß sie einfach aufhörten es zu nutzen.

Grinspoon

Jüngst wurden Cannabinoid-Rezeptoren im menschlichen Hirn entdeckt. Welche Bedeutung haben diese Rezeptoren für die medizinische Anwendung von Cannabis?

Sehr große. Es ist einige Jahre her, als Solomon Snyder die körpereigenen Opiate entdeckte; sozusagen Substanzen wie Opium, die wir in unseren Körper produzieren. Daraufhin wurde geschlußfolgert, daß auch Opiat-Rezeptoren im Gehirn existieren müssen. Kurz darauf entdeckte eine Frau namens Candace Pert diese. Mit anderen Worten: Wenn man den Rezeptor als Schlüsselloch ansieht und den Neurotransmitter als Schlüssel, dann muß der Schlüssel zu dem Schlüsselloch passen, um die Tür zu öffnen.
Bei Cannabis war es andersherum: Der Rezeptor wurde zuerst gefunden, ich glaube 1990. Von diesem Moment an war klar, daß es ein körpereigenes Cannabinoid geben muß – ein Schlüssel, der den Rezeptor in Gang bringt. Und tatsächlich entdeckte eine Gruppe um W.A. Devane diesen Schlüssel und gaben ihm den Namen „Anandamide“, nach dem Sanskrit-Wort Ananda, was soviel wie Glück bedeutet. Nun wird viel rund um diese Rezeptoren und Anandamide geforscht, welche -und das ist wichtig- nicht nur im Gehirn, sondern ebenfalls in anderen Organen des Körpers entdeckt wurden.
In Zukunft werden wir sehen, daß diese Rezeptoren eine sehr wichtige Rolle bei der medizinischen Anwendung des Hanfs spielen. Schon jetzt ist der klinische Nutzen aber empirisch belegt und aus meiner Sicht Grund genug, um in eine Politik umgesetzt zu werden, die es Menschen erlaubt, Cannabis legal als Medizin zu nutzen.

Stehen diese Erkenntnisse nicht im Widerspruch zu der Behauptung, daß Cannabis Hirnschäden verursacht?

Aus meiner Sicht war diese Behauptung immer nur ein Mythos. Denken Sie doch einmal nach: Wenn der Körper seine eigenen, dem Cannabinoiden ähnliche Substanzen produziert, macht es einfach keinen Sinn das er eine damit einen Stoff herstellt, der sein Hirn zerstört. Schon lange bevor die körpereigenen Cannabinoide entdeckt wurde, gab es genug empirische Beweise dafür, daß Cannabis das Gehirn nicht angreift. Es gibt ein paar wenige methodisch zweifelhafte Studien zu diesem Thema von der NIDA3 und der DEA4.

Was können Sie über die DEA sagen?

Der Vorgänger dieser Organisation war das „Federal Bureau of Narcotics“ und es wurde 1930 von Harry Anslinger geleitet. Anslinger rief eine Kampagne ins Leben, die seiner Ansicht nach zur Aufklärung über die Gefährlichkeit von Marihuana beitragen sollte. In der Realität wurde es zu einer großen Desinformations-Propaganda. Das Flaggschiff dieser Kampagne symbolisiert hervorragend der Film „Reefer Madness“. Wer sich diesen Film heute anschaut, selbst wenn er keine Erfahrungen mit Marihuana hat, wird nur über die unglaublichen Übertreibungen lachen können.

Was denken Sie: Haben die großen pharmazeutischen Firmen etwas mit der prohibitiven Haltung der US-Regierung gegenüber medizinischen Cannabis zu tun?

Absolut. Die Organisation „The Partnership for a Drug Free America“ hat ein Budget von einer Million Dollar am Tag. Viel von diesem Geld kommt von den Pharma-Konzernen und Schnaps-Destillerien. Diese Firmen haben was zu verlieren. Die Pharma-Konzerne sind an Marihuana nicht interessiert, weil die Pflanze nicht patentiert werden kann. Und ohne Patent kann man kein Geld machen. Denken Sie beispielsweise an Krebs-Patienten in einer Chemo-Therapie, die unter ständiger Übelkeit leiden. Momentan können diese das beste der Medikamente gegen Übelkeit nehmen, Ondansetron. Normalerweise nimmt man das Oral, eine 8-Milligramm Pille kostet etwa 40 Dollar und für eine einmalige Behandlung braucht man drei oder vier Tabletten. Viele vertragen das Medikament aber oral nicht und sind auf eine intravenöse Injektion angewiesen. Die Kosten für eine solche Behandlung liegen bei 600 Dollar, denn der Patient muß ins Krankenhaus. Eine andere Möglichkeit: Der Patient raucht eine Marihuana-Zigarette und die Übelkeit wird ebenfalls gelindert. Zur Zeit ist Cannabis auf der Straße zwar sehr teuer. Für eine Unze5 zahlt man zwischen 200 und 600 Dollar. Das ist der Prohibitions-Tarif. Wenn Marihuana als Medizin verfügbar wäre, würde es erheblich weniger als andere Medikamente kosten, ich schätze zwischen 20 und 30 Dollar pro Unze. In den USA kann es nicht mit Steuern belegt werden, weil es ein Medikament ist. Ein Joint würde somit 30 Cents kosten. So könnte ein Chemotherapie-Patient für 30 Cent von seiner Übelkeit nahezu befreit werden. Man sieht also warum die Pharma-Konzerne wenig Interesse an Cannabis hegen.

Sehen Sie das als großes Hindernis in Richtung auf Veränderungen in der Drogenpolitik?

Das spielt zumindest eine Rolle.

In ihrem Buch „Marihuana, die verbotene Medizin“ führen sie viele Referenzen auf, die die heilende Eigenschaft von Hanf bestätigen. Können Sie uns einige der medizinischen Probleme nennen, bei denen Cannabis hilft?

Die am weitesten verbreiteten Erfolge wurden bei der Behandlung von Krebspatienten erreicht, die sich einer Chemotherapie unterziehen. Ein großes Problem bei der Chemotherapie ist, daß die eingesetzten Substanzen Übelkeit und Erbrechen verursachen. Das ist eine Form der Übelkeit, des Ekels, dem man sich kaum vorstellen kann. Es ist sehr wichtig diese Übelkeit zu bekämpfen, damit die Menschen ihr Körpergewicht halten. Wie schon vorhin bemerkt gibt es diverse Medikamente, nur ist Cannabis oft das effektivste. Ein weiteres Beispiel ist das Glaukom, eine krankhafte Steigerung des Augeninnendrucks. Vermindert man dieses Druck nicht, kann das Glaukom zur Erblindung führen. Es gibt hierfür einige Medikamente die gut wirken, aber bei vielen Menschen hilft Cannabis besser und mit weniger Nebeneffekten.

Bei Krämpfen hilft es ebenfalls?

Epilepsie wird seit Jahrhunderten mit Cannabis behandelt. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung in den USA die unter Epilepsie leiden, erhalten keine gute Linderung durch die konventionellen Arzneien. Bei vielen hilft da Cannabis besser. Ebenso bei der Multiplen Sklerose, einer sehr schmerzhaften Krankheit, unter der über zwei Millionen Menschen in den USA leiden. Jeder der einmal einen Krampf bei Schwimmen bekommen hat, ahnt die Schmerzen. Cannabis ist sehr effektiv bei Muskel-Spasmen, nicht nur bei Multipler Sklerose, sondern auch bei Lähmungen.
Es ist nicht lange her, als ich bei einer Diskussion im britischen Fernsehen zugegen war. Eine Frau aus dem Publikum meldete sich und erzählte, daß sie aus Leeds käme und die zweieinhalb Stunden Fahrt nach London auf sich genommen habe, obwohl sie aufgrund ihrer Multiplen Sklerose unter einer nicht zu kontrollierenden Blase leide. Cannabis würde ihr dagegen dabei helfen, die Kontrolle über ihre Blase zu halten.
Cannabis hilft bei leichten Schmerzen und wird auch seit Jahrhundert auf diesem Gebiet angewandt, genauso wie bei Migräne. Die Liste ist lang und ich glaube nicht, daß sie wollen, daß ich weiter mit der Aufzählung fortfahre. Kurzum: Es gibt viele Anwendungsmöglichkeiten, Cannabis hat einen erstaunlich niedrigen Grad an Giftigkeit und es ist preiswert. Meiner Meinung nach wird Cannabis die Wunderdroge des ausgehenden Jahrhunderts, genauso wie es Penicillin in der 40er Jahren war.

In ihrem ersten Buch über Cannabis, „Marihuana Reconsidered“, erwähnen Sie die Unsinnigkeit der Behauptung, daß die internationalen Konventionen, speziell die der UN, ein ernsthaftes Hindernis bei der Legalisierung von Cannabis sind. Stehen Sie noch heute auf diesem Standpunkt?

Keine Frage, ja. Übereinkünfte kann man ändern und ich denke, der Anschub hierfür wird von Europa ausgehen. Das Interesse wächst in Europa schneller als in den Vereinigten Staaten. Ende 1995 erhielten wir einen Brief des Deutschen Herausgebers des Buches „Marihuana, Die verbotenen Medizin“, der uns zur siebten Auflage gratulierte. Er sagte, daß das Buch eine „gesunde Debatte um das medizinische Cannabis in Deutschland“ angeschoben hätte. Die Europäer sind uns weit voraus und der Druck wird von ihnen kommen. Die momentane Situation ist aber auch wirklich furchtbar. Viele kranke Menschen kämpfen schon genug mit ihrer Krankheit, zusätzlich sind sie auch noch dem Druck der Illegalität ausgesetzt.

Denken Sie, daß die internationalen Abkommen den „Krieg gegen die Drogen“ am Leben erhalten?

Ich bin kein Experte, aber die Rechtsexperten mit denen ich sprach sagen, daß das nicht das Problem wäre. Der „Krieg gegen die Drogen“ hat eine erheblich größere Dimension als unsere Diskussion um den medizinischen Hanf. Der Weg könnte aber derselbe sein: Druck auf die Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft. Die Leute müssen aufgeklärt werden. Das gilt vor allem für die Ärzte. Sehen Sie, normalerweise erhalten Ärzte ihre Ausbildung über Drogen von den pharmazeutischen Konzernen, von Artikeln in Fachzeitschriften und Kampagnen. Viele dieser Institutionen haben aber -oft aus wirtschaftlichen Gründen- kein Interessen an einer Verbreitung von Cannabis. Seit einiger Zeit ändern sich aber was, denn vermehrt lernen nun die Ärzte von ihrer Patienten. Ein AIDS-Patient erzählt seinem Arzt, daß er Marihuana als Mittel gegen seinen Gewichtsverlust einsetzt. Und der Arzt sieht den Beweis auf der Meßskala seiner Waage. Das macht natürlich Eindruck und so ändern sich halt Einstellungen.

Aus dem Nexus Magazine 3/96
E-Mail: nexus@peg.apc.org
Übersetzt von Jörg Auf dem Hövel

 

 

 

 

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Krähenaugen

Krähenaugen, auch Brechnuss oder pharmazeutisch Semen strychni genannt, das sind die auf Grund ihres Strychningehaltes hochwirksamen Samen eines tropischen Baumes, des Krähenaugen- oder Brechnussbaumes, der englisch Poison nut-tree und botanisch Strychnos nux-vomica heisst. Der bis zu 25 Meter hohe Baum, der in seinen Früchten jeweils zwischen einem und neun der schönen eben an die Augen von Krähen erinnernden Samen enthält, ist in Asien auf Sri Lanka, vom tropischen Indien (Orissa, Südindien) bis nach Tibet, Südchina, Vietnam und Nordaustralien verbreitet. In diversen Tropenländern, so in Südostasien und Westafrika, wird er angebaut. Er bevorzugt den Rand trocken-heisser dichter, insbesondere küstennaher Wälder, sowie Flussufer und kommt bis zu einer Höhe von 1300 Metern vor. Hauptproduzenten der Krähenaugen überwiegend aus Wildbeständen sind Indien und Sri Lanka.

Die Samen dienten früher als Grundlage für Pfeilgift.

In der traditionellen chinesischen Medizin sind die Krähenaugen wohlbekannt. Sie heissen hier Ma-chíen-tzu oder auch Fan-muh-pieh. Als übliche medizinische Dosis gelten 0,006 bis 0,009 Gramm der Samen, also eine sehr geringe Menge. Oft werden die Samen vor ihrer Einnahme durch eine Hitzebehandlung teilweise „entschärft“.

In Indien stellen die Krähenaugen ein wichtiges nervenstimulierendes Heilmittel der ayurvedischen Medizin dar. Die in Hindi Kucla genannten Samen haben zahlreiche Indikationen, unter anderem gelten sie als herzstimulierend, blutdrucksteigernd, antidiuretisch, aphrodisierend und ejakulationshemmend. Die Dosierung der gemahlenen Samen schwankt zwischen 0,03 und 0,24 Gramm. Häufig wird den Samen allerdings zuvor in einem langwierigen Prozess ein Grossteil des Strychnins entzogen!

Strychnos Nux-vomica, 1828
Strychnos Nux-vomica, 1828

Als Krähenaugen bei uns noch medizinisch eingesetzt wurden, was zur Zeit als obsolet gilt, wurden Dosierungen zwischen 0,02 und 0,05 Gramm gegeben. Als höchste Einzelgabe wurden 0,1 Gramm der Nuss veranschlagt, 0,2 Gramm als höchste Tagesgabe.

Für homöopathische Nux-vomica-Zubereitungen gibt es nachwievor eine Reihe von Indikationen. Von besonderem Interesse dürfte sein, dass die D6-Form gut gegen Alkohol-Kater helfen soll.

Krähenaugen können einen Gesamtalkaloidgehalt von 0,24 bis 5 % aufweisen, enthalten aber im Schnitt 2,5 bis 3 %. Der Strychningehalt beträgt 1,2 bis 1,5 %. Er kann aber bis 2,3 % hochgehen. Das sehr bitter schmeckende Strychnin ist der Hauptwirkstoff der Samen. Das zweitwichtigste nahe verwandte Alkaloid Brucin schmeckt zwar auch extrem bitter, hat aber nur 1/50stel der Wirkstärke des Strychnins.

Strychnin wirkt als spezifischer kompetitiver Antagonist des inhibierenden Transmitters Glycin. Es lähmt hemmende Neuronen, insbeondere im Rückenmark. Es führt durch die Ausschaltung von Kontroll- und Hemmmechanismen bei gleichzeitigem Reizeinstrom zu einer Sensibilisierung bis hin zu heftigen schmerzhaften Krampfanfällen bei vollem Bewusstsein. Auch höhere Zentren wie Kreislauf- und Atemzentrum werden leichter erregbar. Strychnin wird schnell aus dem Verdauungstrakt aufgenommen, in der Leber umgewandelt und normalerweise relativ rasch ausgeschieden.Tödlich verlaufene Vergiftungen mit Strychnin sind bekannt. Dosierungen ab etwa 1 mg Strychnin pro Kilogramm Körpergewicht gelten als tödlich. Kinder sind erheblich empfindlicher. Schon 5 mg sollen eine lebensgefährliche Dosis darstellen können. Herz-, Leber- und Nierenkranke sind einem stark erhöhten Risiko ausgesetzt. Strychnin kann sich bei längerer wiederholter Anwendung und bei Leberschäden ausserdem gefährlich anreichern. Von den Samen sollen schon 0,75 bis 3 Gramm tödlich wirken können.

Strychnin ist bei uns berüchtigt als Ratten- und Nagetiergift, wahrlich ein schlechter Ruf.

Weniger bekannt dürfte der gelegentliche Einsatz in niedriger Dosis als Dopingmittel im Sport sein.

Besonders skrupellos ist das Strecken oder Fälschen von Heroin oder Kokain mit Strychnin durch Schwarzmarkthändler. Hier soll mit Hilfe des Strychnins eine erhöhte Wirksamkeit vorgetäuscht oder der bittere Geschmack von Heroin imitiert werden. Eine injizierte strychninhaltige Drogenmischung ist unberechenbar. Auch hier soll es bereits zu Todesfällen gekommen sein. Das Gerücht, LSD-Trips seien bisweilen mit Strychnin gestreckt worden, liess sich bis dato nicht belegen. Der ausgeprägt bittere Geschmack des Strychnins ist schon in minimaler noch nicht psychoaktiver Dosis zu erkennen und sehr verräterisch. Ein bitterer LSD-Trip sollte in jedem Fall verworfen oder zur Analyse gebracht werden.

Bei einer Strychninüberdosierung oder -vergiftung sollte in jedem Fall ein Arzt zur Hilfe geholt werden. Um Krampfanfälle zu unterdrücken werden beispielsweise Benzodiazepine oder Barbiturate gegeben. In Ozeanien wurde Kava-Kava als Gegenmittel eingesetzt. Selbst Curare wurde zur Unterdrückung der Krampfanfälle eingesetzt. Für eine reizarme Umgebung wird gesorgt. Substanzen mit zentral erregender Wirkung und starke äussere Reize können bei einer schon vorhandenen Übersensibilisierung Krampfanfälle auslösen und müssen gemieden werden.

Auf der anderen Seite gelten Krähenaugen in Asien auch als Gegenmittel bei bestimmten Vergiftungen, zum Beispiel Alkohol- oder Opiumvergiftung.

Eine Strychninüberdosierung ist geprägt von angstvoller Ich-Auflösung, erst Muskelsteifigkeit, dann schweren schmerzhaften Krämpfen in wiederkehrenden Anfällen bei vollem Bewusstsein und schliesslich Tod durch Atemlähmung, wahrlich kein angenehmes Ende. Erbrechen ist übrigens selten, der Name Brechnuss demnach nicht ganz angebracht.

Niedrige Strychnindosen wirken tonisch und analeptisch und schärfen die Sinnesfunktionen, insbesondere Sehkraft, Geruchssinn und Geschmackssinn. Wenn dies allein schon aphrodisisch sein kann, so scheint es im Einzelfall auch die Erektionsfähigkeit des Mannes verstärken zu können. Bei gefährlichen Überdosierungen wurde von starken Erektionen berichtet, die in diesem Zustand allerdings wenig erfreulich gewesen sein dürften.

Aus Indien und Persien sind eine Reihe aphrodisierender Rezepturen bekannt, in denen Krähenaugen wirksamer Bestandteil sind. Typischerweise enthalten diese Zubereitungen auch Rauschhanfblätter, -blüten oder Haschisch, meist zusätzlich Mohnblätter oder Rohopium, Stechapfelblüten, -blätter oder -samen und Gewürze.

In Nepal wird anlässlich Shiva´s Geburtstag ein aphrodisierendes Rauschhanfgetränk (Bhang) gereicht, das Krähenaugen enthält.

Im experimentierfreudigen Underground werden vereinzelt geringe Mengen (0,02 bis 0,1 Gramm) der geraspelten Samen als Aphrodisiakum oder als Anregungsmittel auf Parties eingenommen, meist in Kombination mit dem Rauchen von Rauschhanf. Als höchste deutlich psychoaktive Dosis gelten 0,2 Gramm, entweder in mehreren kumulativen Kleinstdosen oder einer Portion. Diese Menge würde noch helfen können, eine leicht psychedelische euphorische Trance zu induzieren. Das Überschreiten dieser Menge gilt als leichtsinnig und womöglich lebensgefährlich! (siehe oben)

Ein aktuelles Underground-Szene-Rezept empfiehlt eine Mischung von 0,05 bis 0,1 Gramm Krähenaugenraspeln, 0,2 bis 0,4 Gramm hochwertigem Haschisch, 0,1 Gramm bestem Rohopium und 5 bis 10 Datura stramonium-Samen (alternativ 1 bis 2 Datura suaveolens-Samen) eingearbeitet in eine Paste aus Trockenfrüchten, Nüssen, Honig, Gewürzen und Butter als hochpotenten, euphorisierenden und aphrodisierenden Ersatz für traditionelle Orientalische Fröhlichkeitspillen, die von ähnlicher Zusammensetzung gewesen sein sollen. Derartige Rezepturen unterstehen hierzulande allerdings dem Betäubungsmittelgesetz. Über die speziellen Risiken derartiger Kombinationen gibt es keine Informationen. Von Experimenten mit Krähenaugen ist auf Grund des hohen Risikos einer Überdosis sowieso generell abzuraten.

Bei uns sind die optisch attraktiven Krähenaugen nicht ohne weiteres erhältlich. In Indien und anderen asiatischen Ländern kann man sie aber sehr günstig und problemlos im Kräuterhandel erwerben.

Die Samen sind kühl, trocken und unter Lichtabschluss gelagert einige Jahre haltbar.

Eine Hand voll der charakteristisch diskussförmigen, grünlichgrauen bis beigen, durch feinste Härchen samtig glänzenden Samen aus Indien wies Trockengewichte von 1,1 bis 2,9 Gramm auf, bei einem Schnitt von 1,8 Gramm. Der Durchmesser der Samen reichte von 1,5 bis 2,6 cm. Die Dicke lag bei 5 bis 6 mm. Die geruchlosen Samen sind innen sehr hart und hornig, von grauer Farbe und schmecken extrem bitter. Mit einem guten Messer können die Härchen entfernt und Samenflocken abgeschabt werden. Bei Verwendung einer Reibe ist unbedingt darauf zu achten, diese nach Gebrauch gründlich zu reinigen. Ist die Einnahme der Flocken oder des Pulvers geplant, werden diese auf einer geeichten Milligram(!)-Waage ausgewogen, um Fehldosierungen zu vermeiden.

Samen, Samenpulver und -zubereitungen sind deutlich als giftig zu kennzeichnen und unbedingt von Kindern oder Ahnungslosen fernzuhalten.

Krähenaugen werden dennoch, wie oben erwähnt, durchaus immer mal wieder als Genußmittel eingenommen. Lassen wir deshalb einen Konsumenten zu Worte kommen:

`Ich habe Krähenaugen in zweierlei Kontexten benutzt. Einerseits als Aphrodisiakum, wenn ich mich eher abgelenkt und körperlich nicht ganz so präsent gefühlt habe. Die Dosis betrug in diesem Falle zwischen 0,03 und 0,1 Gramm. Es erhöht bei mir dann Wachheit, intensiviert das Körpergefühl, enthemmt leicht, verstärkt die Spannkraft, die Energie, die beim Sex von der Wirbelsäule ausgeht, macht aus nem eher lahmarschigen Fick ein standhafteres, sexuell reizvolles Erlebnis. Die andere Situation ist als Anregungsmittel auf Technoparties. Die Dosis belief sich dann auf 0,05 bis 0,1 Gramm maximal zweimal am Abend. Die Krähenaugen wirken einige Stunden und potenzieren sich in der Wirkung, wenn man nachlegt. Eine erhöhte Wachheit paart sich mit einer Sensibilisierung der Sinne. Besonders die Optik ist leicht psychedelisch verändert, farbiger, klarer. Tanzen fällt leichter. Die spezielle Muskelstimulation bewirkt aber auch eine gewisse Anspannung in bestimmten Bereichen, eine gewisse Steifigkeit im Nacken, eine Zusammenklauung der Hände, aber alles noch im erträglichen Bereich. Man ist auch enthemmt und selbstbewusster. Raucht man dazu noch Rauschhanf, läßt sich die Nacht auf unterhaltsame Weise rumkriegen, aber insgesamt schon eher ne glorreiche Ausnahme oder ne Notlösung.´

Dass der Konsum von Krähenaugen bzw. Ehrlichkeit zu Missverständnissen führen können, beweist folgende wahre Geschichte eines anderen fröhlichen Polytoxikomanen:

`Auf einer Party, auf der ich ziemlich abgebrannt war und schließlich nur ein Krähenauge hatte, war ich gerade dabei mir mit meinem Messerchen etwas von dem Samen herunterzuraspeln und mit verzogener Miene runterzuspülen, als ein Mädel mich fragte: „Was nimmst du da gerade?“ „Krähenaugen, die enthalten Strychnin, törnt gut!“ war meine korrekte Antwort. Sie verschwand und kam wenig später mit zwei besorgt dreinblickenden Fraggles zurück:“Du, wir haben gehört, du nimmst Strychnin, stimmt das? Können wir dir irgendwie helfen?“ Mein schallendes Gelächter verschreckte die wohlmeinenden Gemeindemitglieder noch mehr: „Klar, wenn ihr vielleicht noch n büschen was zum Rauchen habt?!“´

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Interview mit Roger Liggenstorfer

Pilzmänchen und Freiheitskappen

Interview mit Roger Liggenstorfer zum Thema Psilos

In den letzten Jahren hat sich die Einnahme von psiloc(yb)inhaltigen Pilzen zu einem Phänomen entwickelt, bei dem nicht mehr von einem vorübergehenden Hype gesprochen werden kann. Pilze sind wahrscheinlich noch vor LSD das am häufigsten gebrauchte Psychedelikum unserer Breiten. In den Niederlanden stellen sie die umsatzstärkste Basis eines jeden sogenannten „Smartshops“ dar, von denen es allein in Amsterdam etwa 50 Stück gibt. Diverse professionell gezüchtete Sorten sind dort frisch und getrocknet im Angebot. In Deutschland konnte man bis vor kurzem Anzuchtmaterialien kaufen bis hin zu mit Mycelien durchwachsenen Boxen, in denen die Pilze nur noch zur Fruktifizierung gebracht werden müssen. Vom Versandhandel, der in den einschlägigen Zeitschriften oder im Internet inserierte, liessen sich ausserdem sogenannte „Duftkissen“ oder „Raumaromatisierer“ bestellen, die einige Gramm der getrockneten Pilze enthalten. So hoffte man den Strafverfolgungsbehörden ein Schnippchen zu schlagen, denn die Wirkstoffe der Pilze sind wie auch in den Niederlanden explizit dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) unterstellt. Natürlich darf man die Behältnisse nicht öffnen oder gar den Inhalt verspeisen, denn das verstosse gegen das Gesetz, aber jeder weiss, wozu die relativ teuren Dinger wirklich gut sind. Manch ein Headshop oder ethnobotanischer Spezialitätenhändler (Smart-Shop) in den Städten liess die einträglichen Pilze in dieser Aufmachung über oder unter dem Ladentisch seinem erlauchten Kundenkreis zukommen. Aber im Grunde herrscht eine grosse Rechtsunsicherheit, was im Umgang mit den „Psilos“ oder „Zauberpilzen“ denn nun wirklich legal ist, und was mit Bestrafung bedroht wird. Mit einer von der Rot-Grünen Regierung durchgesetzten BtmG-Änderung wurden die „Psilos“ nun mit Wirkung zum 1.Juli 2001 entgültig „verboten“ und Ihre Freunde der Strafverfolgung anheimgestellt.

Als einer der wenigen Verleger geistbewegender Schriften zum Thema psychoaktiver Pflanzen und Substanzen ist Roger Liggenstorfer vom Nachtschatten Verlag über Stadt und Land allen Fraggles wohlbekannt. Er hat sich eingehend mit den Pilzen beschäftigt und plant die Veröffentlichung eines neuen Buches dazu. Also freuen wir uns ihm ein paar Fragen zum Thema stellen zu dürfen.

HB: Woher kommt deine Liebe zu den Psiloc(yb)inpilzen?

RL: Diese Symbiose mit den Pilzen hat bei mir schon früh angefangen: In den Siebziger Jahren, als ich anfing psychoaktive Substanzen zu konsumieren, war die Auswahl noch relativ klein, nebst Haschisch/Gras gab es hauptsächlich LSD und vereinzelt Pilze. Die ersten Pilze wurden dazumal noch von Wales/England importiert. Ich hatte das Glück, dass ich damals als Marktfahrer in der Schweiz von einem Pilzmännchen aus England besucht wurde, der einen riesigen Sack voll getrockneter ‚Spitzkegeliger Kahlköpfe‘ bei sich hatte. Wir probierten die natürlich gleich aus – und der Marktschirm flog fast davon, so high waren wir. Durch diese nun in grösserem Rahmen auftauchenden ‚Liberty Caps‘ mutmaßte man, dass diese Pilze eigentlich auch hierzulande wachsen könnten. Und sie wurden dann tatsächlich zahlreich gefunden – hauptsächlich in den Jurahöhen, die wiederum ‚Freiberge‘ heissen. Macht auch Sinn: Liberty Caps auf den Freibergen!

HB: Es gibt bereits einige wertvolle Bücher über Psilos, an deren Publikation du zum Teil maßgeblich beteiligt warst. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein weiteres Buch zum Thema Psilos zu machen?

RL: Die Idee zu diesem Buch kam mir als ich im Zusammenhang mit Gerichtsfällen in der Schweiz auf ein Rechtsgutachten aufmerksam wurde, das im Namen des Bundesamtes für Gesundheit bei einem bekannten Juristen in Auftrag gegeben wurde. Dieses Gutachten beschreibt auf eindrückliche juristische Weise, dass a) getrocknete Pilze kein Präparat im Sinne des BTM sind (ein Präparat ist es erst im Sinne des BTM, wenn die Inhaltstoffe extrahiert werden), und b) diese psilocybinhaltigen Pilze nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, wohl aber unter das Lebensmittelgesetz. Da sie aber als Lebensmittel nicht deklariert sind, kann bei einem nachgewiesenen Handel eine Strafe diesem Gesetz entspechend ausgesprochen werden, das aber weitaus humaner ist als eben das Betäubungsmittelgesetz. Dieses Gutachten inspirierte mich ein Buch mit dem Titel ‚Legalitätsbetrachtungen zu psilocybinhaltigen Pilzen‘ herauszugeben.

Wie weit ist dieses Buch gediehen?

Zuerst wollte ich nur dieses ’nackte‘ Gutachten (dessen Abdruckbewilligung ich vom Bundesamt für Gesundheit ausdrücklich bekam) herausgeben, mit einem kleinen Vorwort meinerseits. Dann dachte ich, wenn schon so ein Buch, dann sollten noch weitere Aspekte drin enthalten sein, so u.a. eine Legalitätsbetrachtung aus naturwissenschaftlicher Sicht (die Jochen Gartz beisteuert), aus einer kulturhistorischen/evolutionären Sicht und weitere Aspekte. Leider hatte ich mir da etwas zu viel vorgenommen, und dann blieb das Buch ‚auf der Strecke‘ liegen und viele andere Arbeiten haben mich überhäuft. Nun sind wir, ein Jurist der mir dabei noch hilft, dabei, das Buch fertigzustellen und hoffe, dass die Erscheinung noch dieses Jahr erfolgen wird.

HB: In welchen Kontexten werden Psilos genommen?

RL: Ursprünglich wurden die Pilze in einem schamanistischen/heilenden Kontext (siehe Maria Sabina) eingenommen. Heute werden sie hauptsächlich zum Spass, aber auch zur Selbsterkenntnis (die ja auch Spass machen kann!) verwendet. Als Partydroge sind die Pilze nicht wirklich geeignet, wenn überhaupt, dann in kleineren Dosierungen. Um einen wirlich intensiven Trip zu erleben, um eine Begegnug mit dem Pilzgott (oder der Pilzgöttin) zu erlangen, sollte man sich gut darauf vorbereiten und eine Umgebung wählen, in der man ungestört seine Reise durchleben kann. Vorteilhaft ist natürlich ein Platz in der Natur, da wohl keine andere Substanz eine so starke Symbiose Mensch-Natur erzeugen kann und ein Bewusstsein für unsere ‚Umwelt‘ wie auch für unsere ‚Innenwelt‘ entwickeln kann.

HB: Wo liegen die Risiken bei der Einnahme von Psiloc(yb)inpilzen?

Wie oben bereits beschrieben, ist es enorm wichtig sich Zeit zu nehmen und sich vorgängig Gedanken zu machen, wieso man diesen Pilztrip will (Set & Setting). Und genau hier liegen die Risiken: Schlechte Vorbereitung, Einflüsse von Aussen an die man nicht gedacht hat, selbst einen Haufen ungelöster Probleme in sich usw. können einen Pilztrip ins Gegenteil verwandeln – und plötzlich liegt man völlig verstört am Boden, weiss nicht mehr was oben und unten ist, was das alles soll – und die Kontrolle geht verloren und man wünscht sich, der Trip würde endlich aufhören. Und dies kann nicht der Sinn sein. Schön ist es, wenn man nach dem Pilztrip sagen kann: Wow, war das geil, das hätte ich nie gedacht, dass es so was Schönes gibt. Weil nach einer solchen Erfahrung ist man auch nicht gleich wieder geil auf den nächsten Trip: Zuerst verarbeiten, integrieren – und sich dann auf den nächsten Trip wieder freuen!

HB: Wer sollte keine Psilos zu sich nehmen?

RL: Wer psychisch labil ist, in einer persönlichen Krise steckt, sonst „viel um die Ohren hat“, sollte vorsichtig sein im Umgang mit (allen) psychoaktiven Substanzen. Auf keinen Fall sollte jemand, der unsicher ist, alleine auf einen Pilztrip gehen. Angst ist auch eine ganz schlechte Voraussetzung, dies heisst aber nicht, dass der nötige Respekt vor den Pilzen fehlen darf. Nicht jede (legale oder illegalisierte) Substanz ist für jede Person geeignet – das muss schlussendlich jede/r selbst herausfinden, ob und welche Substanzen für ihn/sie verträglich sind. Und dann gibt es bekanntlich auch noch einschlägige Literatur um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Unser Verlagsmotto heisst schliesslich nicht umsonst: Mehr Wissen – mehr Spass!

HB: Wie geht man in der Schweiz mit den Pilzen um? Wird der Genuß dieser putzigen kleinen Gesellen in der Öffentlichkeit wahrgenommen oder diskutiert? Wie sieht man ihn im Verhältnis zu anderen Genussmitteln, wie´z.B. Hanf?

RL: Zur Zeit haben Pilze in der Schweiz noch ein sogenanntes Schattendasein. Sie werden zwar wahrgenommen, zur Saison im Herbst gibt es dementsprechende Zeitungsartikel, in den Medien werden sie hauptsächlich positiv und auch mit dem den Pilzen typischen Schalk umschrieben. Sie werden eher als weiche Droge beschrieben, stärker als der Hanf, aber trotzdem weitaus weniger gefährlich als viele andere Substanzen. Und es herrscht natürlich hinsichtlich der Legalität eine grosse Unsicherheit. Ähnliche Diskussionen wie die neueste Betäubungsmittelverordnung in Deutschland sind hierzulande auch im Gange, das BAG (Bundesamt für Gesundheit) ist etwas in diese Richtung am Vorbereiten. Andererseits stehen wir in der Schweiz vor einer Revision des Betäubungsmittelgesetzes, bei der weiche Substanzen eigentlich eher liberalisiert werden sollten. Und es wäre ja Blödsinn pur, in einer Zeit der Liberalisierung nun eine weiche Substanz wie die Pilze auf den Index zu setzen – dies würde bekanntlicherweise wiederum ganz andere prohibitionsbedingte Probleme erzeugen.

HB: Was ist dir über den verschiedentlich postulierten traditionellen Gebrauch in der Schweiz z.B. unter Almhirten bekannt?

RL: Ein richtig traditioneller Gebrauch ist nicht bekannt. Es ist nicht erwiesen, dass die alten Eidgenossen dank der Pilze diese Schlauheit erlangten um sich von den Vögten zu befreien – aber ausgeschlossen ist es auch nicht. Sergius Golowin berichtet von Nachfahren alpenländischer Nomaden, die Kenntnisse von Pilzen haben, die aber sehr zurückhaltend sind mit Informationen. Aus anderen Quellen ist zu erfahren, dass Pilzkreise in den 60er und 70er Jahren im Berner Oberland in einem stark rituellen Kontext stattfanden (mit Schwitzhütten, Fasten, Gebeten, Räucherungen etc.). In der Neuzeit werden wieder vermehrt Pilz-Kreisrituale, wie ich sie im Buch ‚Maria Sabina‘ beschrieben habe, abgehalten.

HB: Was hälst Du von einem Psilotourismus? Man kennt ihn ja von vielen Orten auf der ganzen Welt. RL: Den gab es natürlich schon seit man von Pilzen weiss. Dieser Tourismus dürfte aber im Zuge der zunehmenden Verbote wieder steigen.

B: Wie wird sich der Umgang mit Psiloc(yb)inpilzen entwickeln?

RL: Ich denke, dass der Irrsinn mit dem Verbot psychoaktiver Pflanzen einmal ein Ende haben wird. Es ist die einzige Chance, uns und unseren Planeten zu retten. Hirnvitamine, wie sie Albert Hofmann auch nennt, sind genau so wichtig für unser Bewusstsein wie Mineralien, Vitamine und Spurenelemente für unseren Körper. Und Substanzen, die unser Bewusstsein verändern, waren schon immer ein evolutionärer Motor, d.h. Drogen haben schon immer gesellschaftliche Entwicklungen eingeleitet. Und so wie Kaffee das Industriezeitalter miteingeläutet hat, die psychedelischen Drogen wie LSD, Pilze etc. die Flower Power-Zeit ausgelöst und damit auch die spirituelle Auseinandersetzung beeinflusst haben, werden Drogen auch – oder erst recht – in Zukunft eine grosse Bedeutung haben. Hanf wird nach und nach wieder normalisiert, als nächstes werden die Pilze drankommen bis hin zu einer integrierten Rauschkultur – dass wir davon noch weit weg sind, ist mir bewusst, aber es ist wie gesagt, der einzige Weg um die Spaltung Geist/Materie durchbrechen zu können und wieder den Einklang mit uns und dadurch mit unserer (Um)-Welt zu erreichen.

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Interview mit Hans-Georg Behr

HanfBlatt 8/1997

„Ich sehe keine Bewegung“

Hans-Georg Behr. Der kiffende Psychater, Schriftsteller und anerkannte Experten in Sachen Cannabis, ist für die Einen noch immer ein rotes Tuch, für andere ein stets auskunftsfreudiges Kompendium. Behr spart ungern an Kritik und nimmt auch die Hanf-Bewegung davon nicht aus.

Im Gespräch spannt sich der Bogen von der momentanten Hanfeuphorie, über die herrschende Drogenpolitik, bishin zu dem Gefühl, was der Mensch als Glück bezeichnet. Es ist nützlich, ihm zuzuhören, denn nur wer auch die eigenen Prämissen in Frage stellen kann, entwickelt sich.

Hans-Georg Behr
Hans-Georg Behr

HanfBlatt: Ihre Aufsätze erfreuen durch eine farbige, ausdrucksstarke Sprache, Herr Behr.

Behr: Herr Professor Keup, der große Cannabis Gutachter der ersten Generation, hat einmal gesagt: „Längerer Cannabisgebrauch führt weg vom abstrakten Denken hin zu bildhaft-konkretem (Mechanismus unbekannt).“ Dafür bin ich natürlich eine Bestätigung.

HB: Wie sind sie zum Cannabis-Konsum gekommen und was bewegte sie, sich eingehend damit zu beschäftigen?

Behr: Albert Paris Gütersloh war in Wien ein sehr bekannter Künstler, Philosoph und Schriftsteller. Einmal fragte ich ihn, was das denn sei, und er riet mir, damit zu warten, bis er mir etwas abgäbe. Das hat er dann an meinem 16. Geburtstag getan. Das Zeug tat mir gut und so bin ich dabei geblieben.

Während meines Medizinstudiums begann die Hysterie um das Haschisch. Schon aufgrund meines Studiums habe ich darüber mehr gewußt als viele andere, und die Unehrlichkeit in der Argumentation hat mich maßlos geärgert. Praktisch haben wir es mit einer postkolonialen Übernahme von US-amerikanischen Normen unter völliger Leugnung der vorhandenen europäischen Geschichte der Pflanze sowie der medizinischen Tatsachen zu tun. Da habe ich dann halt ein bißchen gegen gemotzt.

Nicht, daß ich so was Besonderes am Kiffen finde – das ist für mich ein Rauschmittel bzw. Genußmittel wie viele andere auch.

HB: Worin liegt das Verbot denn noch begründet?

Behr: Unsere Gesellschaft braucht anscheinend immer wieder Sündenböcke. Die werden dann „Langhaarige“, „Penner“ oder „Flower-Power-Kinder“ genannt. Da gibt es viele Namen. Es ist doch seltsam, daß man sich bei den zwei Teufeln, die unsere verwaltete Gesellschaft kennt, bei der Sexualität auf Formen und beim Rausch auf Mittel beschränkt.

HB: Die Suche nach dem Sündenbock ist also auch ursächlich verantwortlich für die jetzige Hanf-Politik?

Behr: Also, wenn ich mir den historischen Anfang der Cannabis-Politik ansehe, dann kommen mir doch erhebliche Zweifel, ob das heute noch „politically correct“ wäre. Anslinger brauchte, nachdem die Prohibition gefallen war, eine Beschäftigung für seine Beamten. Er brachte den Hanf in’s Kreuzfeuer, indem er behauptete, daß die schwarze Bevölkerung Cannabis rauchte, um unter dessen Einfluß weiße Frauen zu schänden. Der weiße Mann müsse sich aus diesem Grund gegen das „Negerkraut“ wehren.

HB: Und so kam auch der Begriff des „Marihuana“ in’s Spiel.

Behr: Na ja sicher, wenn man etwas anders benennt, kann man es dämonisieren. Und nach einer Weile schnatterte die Ente ganz frei durch die Wildbahn. 1983 haben nicht einmal die High-Times-Redakteure gewußt, daß „Pot“ und „Hemp“ dieselbe Pflanze sind.

HB: Später übernahmen die Deutschen die Prohibition gegen den Hanf.

Behr: Die CDU liest noch heute, was unter Reagan signiert wurde und bringt es in den Bundestag ein. Die beiden abstrusen Verhärtungen im Betäubungsmittelgesetz sind allerdings unter SPD-Ägide erfolgt. Die Drogenpolitik der Bundesrepublik ist eine fantasielose Kopie der ärgsten amerikanischen Auswüchse, gewürzt mit etwas deutschem Perfektionismus.

HB: Nun scheint ja aber langsam Bewegung…

Behr: Nein, Nein. Das ist vielleicht ein Orkan im Wasserglas. Einmal angenommen, wir nehmen jetzt unsere anerkannten wissenschaftlichen Koryphäen. Soll jemand wie der Karl-Ludwig Täschner auf einmal sagen: „Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren Kollegen, ich habe die ganzen Jahre hysterischen Scheiß erzählt“?
Auch die Politiker können sich nicht an der Realität orientieren.

HB: Also muß erst noch eine neue Generation heranwachsen?

Behr: Auch das wird nichts nützen. Auch die neuen kommen nur hoch, wenn sie die Idiotien der Alten nachbeten. Der etablierte Apparat läßt nur seinen Nachwuchs zu. Was ist denn Claudia Nolte? Die ist doch das älteste Regierungsmitglied!

HB: Die Chance auf tatsächliche Bewegung ist also gleich null?

Behr: Die wirklichen Bewegungen finden woanders statt. Wir befinden uns doch in einer hyperkomplexen Gesellschaft, in der fast nichts mehr zu regeln ist. Natürlich kann überlegt werden: „Wenn wir das jetzt so und so machen, läuft das besser“, aber dazu braucht man schon lange keinen Staat mehr. Weitgehende Bereiche haben sich der staatlichen Regulierungsversuche entzogen – dort findet was statt, dort ist Bewegung.

HB: Der Staat zieht sich also auch aus der Drogenpolitik zurück?

Behr: Polizei und Justiz profitierten bisher am meisten von der staatlichen Drogenpolitik: Noch mehr Geld, noch mehr Posten, noch mehr Kompetenzen. Ausgerechnet die begehen jetzt Feigheit vor dem Feind und sagen: „Wir sind nicht in der Lage, dieses Problem in den Griff zu bekommen“. In Hamburg dürfen die Balkone grünen, weil die Ordnungshüter dies nicht mehr für ihre Aufgabe halten. Die andere Seite ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denen ist auch klar, daß man nicht jeden kleinen Kiffer verfolgen kann. Nun ist die Frage, wie klein man den Kiffer annimmt.

HB: Teilweise wird ja immer noch angenommen, daß der Wirkstoff des Haschisch, das THC, suchtbildende Eigenschaften hat.

Behr: Auch da müssen andere Normen gesetzt werden. Dieses Problem stellt sich auch bei der UNDCP. Dort ist schon sehr lange eine neue Anhörung zur Gefährlichkeit der einzelnen Substanzen beantragt. Das fürchten die wie der Teufel das Weihwasser. Sie wollen keine neue wissenschaftliche Debatte mehr, denn sie wissen, daß die heute ganz anders ausgehen würde als im Jahre 1949. Auf die drei Experten, die damals (von Anslinger ausgesucht) angehört wurden, stützt sich noch heute die Völkergemeinschaft.
Sie sehen, daß Ganze ist ein so verzurrtes Paket, daß da keine Bewegung reinkommt.

HB: Nun versuchen ja Teile der Legalisierungsanhänger, über den Faserhanf Bewegung in das Spiel zu bringen.

Behr: Ja, Ja, dann haben wir französische Zustände, wo die Hanffelder von der Europäischen Gemeinschaft subventioniert und die Kiffer mit Straßenrazzien beglückt werden. Darauf will ja auch Gesundheitsminister Seehofer hinaus. Gut und schön, dann sollen die Kids halt so blöde sein und dem Waigel Wasser auf die Mühle zu schütten. Die Konsequenz: Es gibt die guten Hanfbauer und die schlechten Kiffer.

HB: Und wie könnte ein Legalisierungsmodell aussehen?

Behr: Entwerfen kann man mehrere. Maßgebliche Fortschritte kommen ja aus den Oberlandesgerichten und vom Verfassungsgericht. Ich weiß auch nicht, ob wir von einem Drogenproblem reden sollten: Die Zahl der Kiffer ist mit vier bis fünf Millionen relativ konstant. Ob die das mal mehr öffentlich oder mehr geheim machen, spielt kaum eine Rolle. Die Zahl der Opiatabhängigen, seit 1901 erfaßt, macht immer etwa 0.2% der Bevölkerung aus: Legal, Illegal, Scheißegal. Eduard Lintner behauptet aber nach wie vor, bei einer Liberalisierung der Cannabis-Politik würden fünfmal mehr Leute kiffen. Er verrät natürlich nicht, woher er diese Zahlen hat. Aber auch sonst ist die Vorstellung völlig absurd. In Holland kiffen eher weniger Leute, weil der Nimbus des Unanständigen weg ist. Die Holländer behandeln das nicht anders als Pornographie. Aber mittlerweise hat sogar die Bundesregierung eingesehen, daß ein wenig Pornographie auch zum saubersten Deutschen gehört.

HB: All dies stellen Sie in Ihrem Buch: „Von Hanf ist die Rede“ dar. Was hat zur Neuauflage des Werkes geführt?

Behr: Wollen Sie die schöne oder die wahre Geschichte hören?

HB: Die Wahre.

Behr: Ich muß beide erzählen. Die Schöne: Mein Verleger blätterte das Buch durch und befand es für so gut, daß es neu aufgelegt werden müsse. Die Wahre: Jack Herer hat aus der Erstausgabe meines Buches sein: „The Emperor wears no clothes“ gequetscht. Matthias Bröckers setzte dem ganzen noch eins drauf und hat mein Buch ebenfalls als fast einzige Quelle benutzt. Da dachte sich mein Verleger, bevor er mit einem Plagiatsprozeß in die Zeitungen kommt, legt er lieber das Original wieder auf.

HB: Auch Bröckers ist ja ein wichtiger Apologet der Faserhanf-Bewegung.

Behr: Wenn sich der Bröckers hinstellt und dann sagt: „Wir wollen den guten Hanf, wir wollen den Planeten retten“, dann muß er aufpassen, welche Klientel er in sein Hanfhaus kriegt: Die Kiffer, die das, was sie nicht rauchen dürfen, wenigstens anziehen möchten. Und wenn der Christian Rätsch die Verschreibungsfähigkeit von Hanf fordert, dann bin ich froh, daß er nur Doktor der Philosophie ist, denn ansonsten müßte ich mir mein Abend-Bier von ihm verschreiben lassen.

HB: Nun führt ja auch ein Umweg manches mal zum Erfolg.

Behr: Entschuldigen Sie, aber mit Umwegen sollen sich doch die anderen befassen; wir selbst sollten gerade sein. Und wenn Rätsch 118 Indikationen auflistet, gegen die Hanf verschreibungsfähig sein soll – tja, dann denke ich mir: „Wußte ich es doch: Hanf heilt alles.“ Aber bei Asthma würde ich die Leute nicht auch noch rauchen lassen.

HB: Was gilt es zu tun, was bleibt übrig?

Behr: Da ich kein Hanf-bewegter Mensch bin, ist die Frage an mich falsch adressiert. Eine Legalisierung ist nicht unbedingt mein Ziel, eher eine Egalisierung. Soll ich mir den Kopf zerbrechen, wie man den Hanf dann besteuert? Die Holländer haben das übrigens auf ihre Weise gelöst, indem sie in den Coffee-Shops Kaffee abrechnen, der gar nicht getrunken wird.

HB: Herr Behr, ich danke für das Interview.

Behr: Sind sie immer so schnell zufrieden zu stellen? Das war doch höchsten die Anbahnung eines Gesprächs.

HB: Eines Gesprächs ja. Für ein Interview im HanfBlatt reichte das aus.

Behr: Glauben Sie? Obwohl ich seit 42 Jahren kiffe, habe ich was gegen Kurzatmigkeit. Derzeit sieht mir zuviel nach Bewegung aus: Es gründen sich Hanf-Vereine, eine Hanf-Partei und vieles mehr. Ich halte das für lächerlich. Denn es gibt so viele Gruppen die der Regierung sehr viel näher am Herzen liegen und die kriegen auch nichts.

HB: Das Problem der Kriminalisierung der Kiffer bleibt bestehen. Dagegen lohnt es sich doch vorzugehen.

Behr: Gegen die Kriminalisierung der Konsumenten ist ja bereits das Bundesverfassungsgericht vorgegangen. Eine höhere Instanz können Sie nicht haben. Natürlich tut die Bundesregierung so, als würde es dieses Urteil nicht geben. Die gute Tante SPD will das Thema auch nicht angreifen. Wenn Scharping aber rot-grün will, wird dieses Thema vielleicht auf die Tagesordnung gesetzt werden, obwohl ich auch hier sagen muß, daß man sich auf die Grünen nicht zu sehr verlassen sollte. Herr Plotnitz ist mit seiner Apothekengeschichte eine Lächelnummer.

HB: Die Marktwirtschaft entdeckt den Hanf.

Behr: Wenn ich mir die ganzen Anhänger anschaue: Jetzt gibt’s eine Zeitschrift mit dem Namen „Hanf“, jetzt soll „Grow“ rauskommen, wo irgendwelche Werbeagenturen erst das Media-Konzept und die Inseraten-Preise verschicken. Was soll ich denn dazu sagen? Wenn ich mir anschaue, wie die „Hanf“ gemacht ist, dann ist Ihr „HanfBlatt“ zwar auch kein Meisterwerk, aber unter Blinden ist der Einäugige König. Aber was bringt es? Wenn beklagt wird, wie böse die Polizei, wie uneinsichtig die Politiker sind, frage ich mich: Was soll’s. Dieses Lied kann ich auch satte dreißig Jahre singen. Ich sehe keine Bewegung.

HB: Wo könnte denn angesetzt werden?

Behr: Ein Gesamtpaket in der Drogenpolitik muß die unterschiedlichen Eigenschaften der Substanzen berücksichtigen. Die einzelnen Bestandteile des Pakets müssen wieder zerlegt werden. Die gegenwärtige Debatte leidet darunter, daß wenn der Eine von Cannabis redet, der Nächste von den Junkies, und der Dritte will Kokain behandelt wissen. Und: Die Sache ist nur dort aufzudröseln, wo der Knoten gemacht wurde – bei einer nuttigen Wissenschaft.

HB: Andere Kulturen gehen natürlich anders mit Drogen um. Sie selbst haben lange in Asien gelebt. Was hat sie dorthin verschlagen?

Behr: Insgesamt habe ich mich 18 Jahre in Asien rumgetrieben. Mein Großvater war auch schon um die Jahrhundertwende dort und hatte vor dem Ersten Weltkrieg einige wilde Prinzen aus Indien, Nepal und Afghanistan zu Besuch. Deren Adressen haben meine erste Reisen begleitet, und so sie noch lebten, traf ich uralte Herren, die sich für die Gastfreundschaft meines Großvaters freundlich rächten.
Afghanistan und Nepal liebte ich sehr, denn im Gegensatz zu Indien waren die beiden Länder nie Kolonien. Ganz Indien ist ja ein riesiger Minderwertigkeitskomplex. Asien ist ein Lehrstück für uns Europäer, die wir ja auch in einer Kastengesellschaft leben.

HB: Große Teile der psychedelischen Bewegung der 70er Jahre zog es nach Indien.

Behr: Ja sicherlich, die ganze Idee der Esoterik als Eskapismus vor der auch im Westen real existierende Not, das wird es immer geben. Jede Weltfluchtbewegung ist ja in Indien fantastisch aufgehoben. Was dort in den Gemeinden und Ashrams stattfindet, ist ja auch Weltflucht. Auch dort ist es nicht die Religion des Volkes. Die Gurus haben auch dort nur ihre Sektengemeinschaft.

HB: Ähnliches wiederholte sich jüngst, als die Techno-Bewegung Indien und Asien wiederentdeckte.

Behr: Schon Hermann Hesse war der Karl May des Buddhismus. In Europa gibt es buddhistische Gesellschaften seit 1874. Das hat es schon immer gegeben. Natürlich habe auch ich Hesse gelesen. Mit 16 bin ich dann in den Schulferien mit dem Fahrrad zu ihm gewallfahrtet. Zu meinem Entsetzen sah ich einen alten Junkie, der sich nicht geniert hat, vor mir einen Druck zu setzen. Verstehen Sie? Da kam der Jung-Kiffer zum alten Meister und sah einen alten Morphinisten.

HB: Sehr lehrreich.

Behr: Die ganze westliche Esoterik ist nichts anderes als Karl May’s Indianer-Kult. Da kann ich doch nur Nietzsches Zitat entgegenhalten: „Oh, wie grauenvoll ist es im Mitleid.“

HB: Weniger distanziert betrachtet ist vieles durch eine Suche nach Spiritualität motiviert.

Behr: Mit derselben Suche nach Spiritualität ist Rabindrunate Tagore nach Westen gegangen, um sich literarische Gewerkschafter als Organisationsmuster anzuschauen. Diese Beziehungen hat es immer gegeben und wird es immer geben. Ich interessiere mich dafür, ich schaue sie an, aber ich bin weder ihr Apostel noch ihr Adept. Natürlich war für mich in Asien auch der kulturelle Hintergrund interessant. Als ich 1956 dort war, war dieser schon heillos zerstört. Man sah nur Ruinen und Relikte. Und zu den Religionen: Wenn ich auf den Sinai in die Wüste fahre, dann kann ich verstehen, daß dort eine monotheistische Religion entstanden ist. Wo es nur Steine und Himmel gibt, da kann es auch nur einen Gott geben. Und wenn ich mir die vielgestaltige Landschaft hier oder in Indien anschaue, dann weiß ich, daß die Götter aus den Wurzeln hervorgekrabbelt und -gewachsen sind.

HB: Heute finden sich also kaum noch intakte nicht-christliche Glaubenssysteme?

Behr: Die Blöcke des kalten Krieges, die unterschiedlichen Einflußsphären, die Erniedrigung der Völker Afrikas und Asiens, denen erklärt wurde: Wenn du im Stehen pinkelst und die Cola-Dose richtig öffnest, bist du reif für die höheren Weihen des Fortschritts…

HB: Inwieweit hat Ihre medizinische Ausbildung Einfluß auf Ihren weiteren Lebenslauf gehabt?

Behr: Als Psychiater kümmert man sich nicht um Wehwechen. Da zählt die Krankheit der Seele. Das gibt eine gelassene Sicht auf Kleinigkeiten.
HB: Und was verbinden Sie mit dem Begriff der „Bewußtseinserweiterung“?

Behr: Bewußtsein wird durch Bewußtsein erweitert. Je mehr ich lerne und begreife, desto mehr erweitert sich mein Bewußtsein. Nun gibt es sicherlich Situationen -ob sie durch eine Substanz bewirkt sind oder durch Meditation spielt keine Rolle- die einem einen Horizont vorübergehend eröffnen, der wünschenswert erscheint. Den muß man dann in geduldiger Arbeit und ohne Rausch füllen. Unsere Vorgaben und unsere Lebensplanungen werden wir in jenen traumhaften und halluzinatorischen Phasen haben, die wir Glück nennen. Sich auf ein Mittel zu verlassen, das die ganze Sache liefert, ist immer trügerisch. Ebenso trügerisch ist es, sich auf die Dauer des Zustands zu verlassen.

HB: Beherbergt die Suche nach diesem Glück unter der Zuhilfenahme bestimmter Mittel die Gefahr für Psychosen?

Behr: Nein, kaum. Die Gefahr von Psychosen lauert ganz woanders. Wenn beispielsweise Hess von „Cannabis-Psychosen“ redet, irrt er. Die Cannabisinduzierten und aggrarierten Psychosen sind alle ausführlich untersucht worden. Eine Wechselbeziehung ist nicht feststellbar gewesen. Natürlich, wenn jemand schon in einer Psychose ist und glaubt, er kann sich durchs Kiffen heilen, wird das nicht funktionieren. Schon rein chemisch ist das unserem Körper nicht möglich.

HB: Nun wird ja auch versucht, Alkoholiker oder andere Drogenabhängige mithilfe von Ibogain zu heilen.

Behr: Obwohl ich einer derjenigen war, der diese Debatte in Deutschland auch losgetreten hatte, habe ich mit dieser Substanz meine Schwierigkeiten. Bestimmte Interaktionen sind zu zweideutig, als daß da schon jetzt die Hand für in’s Feuer gelegt werden kann. Es ist vielversprechend, aber noch wissen wir zuwenig über die Olive im Kleinhirn.

HB: Wie stehen sie ansonsten zu den sogenannten Hallzuzinogenen, wie LSD und Psilocybin?

Behr: LSD ist ein hervorragendes Diagnosticum in der Psychatrie, aber ich halte es für überhaupt kein Therapeutikum.

HB: Das spricht gegen die Arbeit von Stanislav Grov.

Behr: Ja. Als Diagnosticum ist es das beste, was wir zur Zeit haben. Und wenn der Herr von Sandoz sich heute hinstellt und behauptet, es wäre eine „dreckige“ Substanz, weil sie nicht punktuell wirkt, dann muß ich sagen, daß ich dieses bißchen Dreck gerne in Kauf nehme, weil immer dort, wo man nach Punkten gesucht hat, keiner war. Als Therapeutikum scheidet es genau aus diesen Gründen aus.

HB: Wenn wir beim Thema sind: Wie würden Sie in diesem Zusammenhang MDMA einordnen?

Behr: Vergleichsweise harmlos. Das größte Problem bei all diesen hochpotenten Chemikalien ist: Wenn sie unsauber hergestellt werden, können Sie verheerend sein.
Als LSD aus der Psychatrie entfernt werden mußte, setzte man große Hoffnungen auf MDMA. Die haben sich nicht erfüllt. Überhaupt verstehe ich nicht, wozu wir immer diese pharmakologischen Neuerungen, die oft keine sind, brauchen. Die Naturprodukte sind hier vorzuziehen, da sie weniger Nebenwirkungen haben. Dazu kommt: Ob einer sein Feierabend-Bier trinkt, ob er seinen Hanf raucht, ob er Coca-Blätter kaut…, es gilt der Satz von Paracelsus: Auf die Dosis kommt es an.
Ich bin heilfroh darüber, daß man jetzt von der moralischen Schaumschlägerei weg ist und daß bei Späterkrankungen und bei Krebs wieder Opiate gegeben werden. Es ist halt so, daß bei Opiaten ein bis zwei Drittel der schmerzstillenden Wirkung die Euphorie ist, so daß man gar nicht an seine Schmerz denkt. Das fehlt halt anderen Produkten und deswegen muß man den Körper vergiften und eine viel größere Dosis verabreichen.

HB: Gibt es ein Recht auf Rausch?

Behr: Als Wolfgang Neskovic in seiner Urteilsbegründung von einem „Recht auf Rausch“ schrieb, schrie die Nation auf. Wenn ich heute jemanden sage, daß der Rausch erlaubt ist, entgegnet der: „Nein, der Rausch ist außerhalb unserer Zivilisation.“ Ja, natürlich ist er das, sonst wäre es nicht der Rausch. Ein Rausch innerhalb der Zivilisation widerspricht ihrem Selbstverständnis, welches auf Vernunft ausgelegt ist. Wenn ich mir anschaue, daß etwa 60 Prozent der Bevölkerung gerne saufen und nur zwei Prozent behaupten, sie seien abstinent von allen Rauschmitteln, dann wundert mich doch, daß diese 2 Prozent die Leitlinien für die offizielle Politik stellen. Das ist meinem Demokratieverständnis nicht leicht zu erklären. Daß unser Bundestagsabgeordneter ….. mit einem schweren Alkoholproblem gegen jede pfleglichere Behandlungen von Kiffern ist, kann ich verstehen. Doch Gott sei Dank lallt er das im Plenum so, daß keiner es versteht.

HB: Herrscht also auch eine Art Angst vor dem Rausch?

Behr: Schon Horkheimer und Adorno haben in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ erwähnt, daß sich von diesem ältesten Ritual der Menschheit jede Zivilisation bedroht gefühlt hat. Im Rausch muß etwas liegen, was die Gesellschaft nicht bieten kann. 15tausend Leute sterben jährlich in unserer Republik an den Folgen des Alkohols. Soll man nun den Alkohol verbieten? Ich wette, die Zahlen würden sich sogleich vervierfachen, denn dann werden wieder die Badewannen zur Herstellung des Stoffes benutzt. Geschwindigkeitsrausch, Kaufrausch: Überall sonst nehmen wir Restrisiken in Kauf.
Es ist nicht zu verhindern, daß für manche Leute der Rausch ein tödliches Erlebnis wird. Aber soll man deswegen den Rausch schuldig sprechen? Dann sage ich: Autobahnen sofort sperren!
Hans-Georg Behr unterhielt Jörg Auf dem Hövel

 

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Special: Ketamin

 KETAMIN

Das psychedelische Narkosemittel

Ein Gespräch mit „K-Man“

HanfBlatt 1997, Update 1999

Die deutschen Medien, immer gern dabei, wenn es gilt eine neue „Teufelsdroge“ zu hypen, haben Ketamin entdeckt. „Teufelsdrogen“ oder „Horrordrogen“ haben eine lange Ahnenreihe in der begierig Antidrogenpropaganda aufnehmenden Medienlandschaft. Gerade der gute alte Hanf gehört als „Mörderkraut Marihuana“ dazu. Man mag von dem Gebrauch der unterschiedlichen Drogen halten, was man will, in puncto Kriminalisierung und Stigmatisierung sitzen letztlich alle Gebraucher von staatlicher Seite verbotener und vom Mainstream verteufelter Substanzen in einem stark beschossenen Boot. Grund genug, die „neue“ Droge Ketamin zumindest einmal zu beleuchten und mit einem relativ gut informierten Gebraucher zu sprechen. Denn nur eine freie, offene und möglichst ehrliche Auseinandersetzung kann zu einem angemessenen Umgang mit Drogen beitragen, der nicht auf der Verfolgung der Gebraucher und irgendwelchen Endlösungsphantasien in Richtung „Wollt ihr die totale Drogenabstinenz?“ beruht.

 

Hanfblatt: In letzter Zeit wird viel über ein rezeptpflichtiges in subnarkotischen Dosierungen psychedelisch wirksames Narkosemittel namens Ketamin gesprochen. Selbst die RTL-Hamburgwelle brachte am 19. September 97 einen Beitrag und machte potentielle Konsumenten neugierig. Du hast Ketamin einige Male genommen. Wie kamst du dazu?

K-Man: Ich hatte bereits Einiges über Ketamin gelesen, zum Beispiel „Der Scientist“ von John C. Lilly, wo er die Identität des Ketamins mit dem Decknamen „Vitamin K“ zu verschleiern versucht. Das ist irrefŸhrend, denn die eigentlichen Vitamine des K-Typs haben nichts mit der Droge Ketamin zu tun. Selbst das amerikanische Magazin „High Times“ hat sich dieser Verschleierungstaktik noch 1989 in einem ansonsten guten Beitrag über „Vitamin K“ angeschlossen. Dabei ist schon seit langem und auf jeden Fall seit den Siebziger Jahren bekannt, da§ das Narkosemittel Ketamin in deutlich unter den für eine Narkose notwendigen Dosierungen eine extrem starke Wirkung auf das Bewusstsein hat, die man im weitesten Sinne als psychedelisch bezeichnen kann. Das nur vorweg. So neugierig geworden, hatte ich Ketamin mit hoher Priorität in die Liste der Drogen eingereiht, die ich unbedingt noch probieren wollte. Ich war scharf auf die besondere Ketaminerfahrung, bei der der Witz sein sollte und auch ist, dass man fŸr kurze Zeit praktisch vollständig sein KörpergefŸhl verliert, aber der Geist hellwach in für das normale Wachbewusstsein total fremde und unbekannte Räume expandiert. Ich lernte schlie§lich einen liebenswerten Menschen kennen, der von Beruf Rettungssanitäter war und reichlich Erfahrungen mit Ketamin hatte. Er und Freunde von ihm injizierten sich das Ketamin. Zu der Zeit glaubte man, dies sei die einzig wirklich effektive Einnahmeform. †blicherweise wurde es intramuskulär injiziert. Er bevorzugte aber die intravenöse Einnahme. Er und einer seiner Freunde legten sich sogar Infusionen und benutzten einen Injektomaten um den kurzen aber extremen Törn zu verlängern. Schlie§lich ermöglichte er mir meine erste Erfahrung. Ich vertraute ihm und er gab mir auf seinem Hochbett eine intravenöse Injektion in fŸnf SchŸben in Abständen von etwa fünf Minuten von jeweils zwanzig Milligramm Ketamin, also insgesamt 100 Milligramm in zwanzig Minuten. Das war der stärkste Trip meines Lebens. Innerhalb einer Minute sauste mein Bewu§tsein in Räume, in denen es aus ineinanderwalzenden Blasen von planetarischen Dimensionen bestand und meine körperliche HŸlle und mein hämmerndes Herz nur noch sporadisch aufblitzende Erinnerungsfetzen waren. Und in dem Moment, in dem es mir kaum noch steigerungsfähig erschien, Ÿberwältigte mich eine neue Welle und trieb mich noch weiter raus. Ich landete schlie§lich nach vielleicht vierzig Minuten wie ein im Luftstrom aufs heftigste vibrierendes Doppeldeckerflugzeug. Mir schien, als hätte ich in die Richtung des Todes geschaut. Das Bewu§tsein kann sich selbst nicht entkommen. Mag sein, da§ irgendwann doch der Stecker ganz rausgezogen wird, und die Birne verglimmt in irgendeinem kosmischen Ganzen. Aber vorher schaut man sicherlich nochmal das Unglaubliche des Seins, und wenn es nur das eigene geistige Sein ist, denn diese Frage blieb fŸr mich auch bei meinen späteren Ketamin-Reisen offen.

Hanfblatt: In welchem Jahr war das?

K-Man: Tja, auf dem Kalender schrieb man das Jahr 1989, aber während der Ketaminerfahrung gibt es Zeit in dem Sinne nicht. Sie scheint äu§erlich kurz, aber drinnen unendlich. Ich hab dann im Laufe der Jahre noch sieben Mal Ketamin genommen. Aber nicht mehr gespritzt. Ich hatte mir Ÿberlegt, da§ bei vielen Drogen die Dosierung bei intramuskulärer Zufuhr nicht allzu weit unter der einer nasalen Dosis liegt. Beim nächsten Mal hab ich dann so circa 150 Milligramm des auskristallisierten Ketaminhydrochlorid-Pulvers geschnupft. Das ist schon eine ganze Menge. Praktisch bis es dir aus der Nase bröselt. Und das war genau der richtige Dosisbereich fŸr eine volle Erfahrung. Ich schätze die Spanne liegt so zwischen 120 und 200 Milligramm nasal fŸr eine etwa 45 minŸtige Erfahrung, bei der man den Körper die meiste Zeit gar nicht oder kaum noch spŸrt. Bei niedrigen Dosierungen, so 20 bis 60 Milligramm, wie sie bei manchen Leuten in der Clubszene in Amiland und Gro§britannien beliebt sind, ist man eher konfus drauf, mehr delirös, hat starke Wahrnehmungsveränderungen, ist ziemlich „out of ones mind“, und kann noch rumkaspern und sich dabei wegen dem Kontrollverlust und dem verschwundenen Schmerzempfinden leicht verletzen, wenn keiner auf einen aufpa§t. Halt ich nicht fŸr so weise. Kein guter Ersatz fŸrs Besoffensein. Wenn man schon unbedingt Ketamin nehmen will, dann sollte man sich einen sicheren ungestörten Platz suchen und Zeit nehmen und sich in einer bequemen Position hinlegen um das körperliche Bewu§tsein zu verlassen. Gemeinsam abzuheben kann auch spannend sein. Beim Schnupfen ziehen alle gleichzeitig das Pulver hoch und dŸsen kollektiv ab. Wenn man sich berŸhrt oder vielleicht auch nicht berŸhrt, wer wei§ das schon so genau, scheinen sich die Körperteile miteinander zu vermengen. Wenn man spricht, wird ein Gedanke in Sprache umgewandelt, die man schon nicht mehr versteht. Die wandert dann in eigenartigen akustischen Fetzen durch den Raum und erreicht den Anderen, der dir wieder was rŸberschickt, was irgendwie genauso unverständlich klingt. Aber irgendeine Instanz in deinem Hirn entschlŸsselt die Botschaft, und du verstehst sie ohne sie rational zu begreifen. Im Grunde erschien mir Sprache als eine zusätzliche spielerische Form der Kommunikation mit dem Ziel der Resonanzerzeugung zwischen menschseelischen AusstŸlpungen des allumfassenden kosmischen Netzes.

Ich glaube, da§ man auf Ketamin eine Menge Ÿber die Produktion der Realität seelisch erfahren kann. Meine gesamte subjektive Realität, die ich Ÿblicherweise meist als objektiv empfinde, erschien mir als ein Produkt meines Geistes, und ist sie nicht auch rational betrachtet vollständig eine Schöpfung meines Gehirns, das letztlich auch nur eine Fiktion ist?! Realität erzeugen hei§t Grenzen setzen, Innen und Aussen, Raum, das Andere mit seinen zugedachten Eigenschaften, Zeit zu erzeugen und sich selbst als erlebendes und handelndes abgetrenntes Subjekt zu konstruieren, das nicht erkennt, da§ es der Schöpfer des Ganzen ist, da§ es all das selber ist. Auf Ketamin lösen sich all diese Grenzen auf. Die Welt kann völlig neu geschaffen werden. Hier wird die Grenze zum Grössenwahn Ÿberschritten. Auf der anderen Seite steht die Erfahrung der totalen Ohnmacht, des hilflosen und unabänderlichen Eingebundenseins in letztlich nicht kontrollierbare Vorgänge in einer Welt, die sich hinter der totalen Subjektivität des eigenen Erlebens unentschlŸsselbar verbirgt und doch aufs Mächtigste auf das gesamte subjektive Sein bestimmend wirkt. Dann auch wieder, wie ich schon angedeutet habe, das Erleben, als Teilbewu§tsein in einem AllŸbergreifenden eingebunden zu sein. Tiefes Vertrauen in die Richtigkeit dessen, was ist. Sich in diese zähflŸssigen polydimensionalen GefŸhlsströme entspannt hineinfallen lassen. Naja und so weiter und sofort, nur um mal ne Andeutung zu machen, da§ Ketaminerfahrungen ziemlich markerschŸtternd sein können.

Hanfblatt: Sind das nicht sehr subjektive Erfahrungen?

K-Man: Na klar! Die Leute, die Ketamin nehmen, erleben alles Mögliche. Jede Reise ist eine ungeheuer intime und persönliche Erfahrung, fŸr die wir eh kaum Worte haben. Einige KŸnstler haben versucht sie ins Bildliche zu transformieren. Ich wei§ nicht, ob es derartige Versuche auch im musikalischen Bereich gibt. Wenn dann mŸ§ten es sehr abgefahrene dunkle Soundcollagen in Richtung Ambient sein. So stell ich mir das zumindest vor.

Hanfblatt: Hat man Halluzinationen auf Ketamin?

K-Man: Ich weiß nicht, was du darunter verstehst. Man hält sich in imaginären Welten auf, die alle möglichen Qualitäten haben. Manches erscheint extrem real. Es gibt Leute, die praktisch etwas erleben, von dem sie auch berichten können. Sehr intensive Dinge. Immer wieder wird von Kontakten mit nichtmenschlichen Wesenheiten berichtet. Inwieweit sie am Ende doch Projektionen des eigenen Geistes sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Auf Ketamin erscheint mitunter nichts als unmöglich. Das eigentliche Wunder ist für mich, da§ ich immer wieder in diese spinnerige, mir doch oft recht banal vorkommende Normalwelt, unsere von Spiritualität im weitesten Sinne nahezu abgenabelte, deutsche Konsensrealität zurŸckkehre. Trotzdem bin ich jedesmal wieder froh gewesen, erstmal wieder in die phantastische mit den Sinnen wahrnehmbare Schöpfung zu den körperlichen Wesen, die ich liebe, zurückzukehren und auf ein Neues noch eine Runde als der, der ich nunmal bin, drehen zu dürfen.

Hanfblatt: Ich dachte mehr, ob der Rausch sehr farbig ist.

K-Man: Farben spielen nicht so eine Rolle, zumindest nicht bei mir. Das sind eher so Seifenblasenfarben in plasmaartigen Mahlströmen. Man kriegt meistens gar nicht mit, ob man die Augen offen oder geschlossen hat. Töne kommen völlig verändert rŸber. Das KörpergefŸhl, soweit es Ÿberhaupt auftaucht, ist komplett verzerrt. Beim Runterkommen, mŸssen sich linke und rechte Gehirnhälfte erstmal wieder synchronisieren. Auch das KörpergefŸhl und die richtige Optik kommen langsam zurŸck. Das dauert mindesten eine Stunde, die man dann noch mental ziemlich am driften ist. Erst nach etwa vier Stunden ist man wieder vollkommen auf dem Teppich, wenn man so will. Man ist mit Sicherheit ziemlich beeindruckt danach. Das Erlebte ist allein mit dem nŸchternen Verstand nicht richtig zu begreifen.

Hanfblatt: Wo hattest du das Ketamin her?

K-Man: Du stellst Fragen! Nun gut, ein Engel hat es mir geschenkt! Aber Spa§ beiseite. Es wird entweder auf dem Weg von der Pharmaindustrie zum Anästhesisten abgezweigt. Ein bekanntes Präparat hei§t Ketanest. Oder aus der Tiermedizin. Da gibt es Fläschchen, die hei§en Ketavet. Wenn man die auf einer Untertasse eintrocknen lä§t, erhält man etwa 1,15 Gramm Ketaminhydrochlorid-Pulver. Häufig werden Ketaminpräparate aus Ländern mitgebracht, wo sie relativ problemlos Ÿber den Apothekentisch erhältlich sind. Das ist in den meisten Dritte Welt Ländern der Fall. Aus Indien kommt zum Beispiel Ketmin, aus SŸdamerika Ketalar. Das sind alles reguläre Präparate der Pharmaindustrie. Es besteht auch die Möglichkeit, sich Ketaminpräparate per Postversand schicken zu lassen. Eine Zeit lang war eine in Griechenland ansässige Firma in dieser Hinsicht aktiv. Der Zoll kann Probleme machen. FŸr die Medikamenteneinfuhr gibt es Vorschriften. Es soll Ÿbrigens auch vorkommen, da§ grö§ere Mengen des pharmazeutischen Rohstoffs irgendwo aufgekauft und dann in den schwarzen Markt geleitet werden. In Gro§britannien gab es sogenannte „XTC“-Tabletten, die statt dem erhofften entaktogenen MDMA das dissoziative Ketamin enthielten. Ketamin wirkt nämlich auch oral. Die effektive Dosis ist allerdings erheblich höher, und die Wirkung kommt langsamer und fŸr manchen angsteinflössender, hab ich mir sagen lassen.

Hanfblatt: Warum ist Ketamin bei uns eigentlich nur rezeptpflichtig, wo es doch so eine heftige Droge darstellt?

K-Man: Meines Wissens, weil es einfach eines der am besten verträglichen kurzwirkenden Narkosemittel ist. Es treten kaum Probleme mit der Atmung und dem Herz-Kreislaufsystem auf. Das Risiko einer †berdosis ist gering. In der Notfallmedizin ist es unverzichtbar. Es zum Betäubungsmittel zu machen, hie§e seinen Gebrauch auf Grund der damit verbundenen bŸrokratischen HŸrden ins Abseits zu drängen und damit vielen Menschen in Notsituationen eine sehr nŸtzliche risikoarme Hilfe zu verweigern. Eine Kriminalisierung kann nur eine Verschlimmerung der Situation fŸr die Konsumenten bedeuten. Ketamin-Afficionados wŸrden dann wieder mal auf eines der vielen PŸlverchen obskurer Zusammensetzung ausweichen mŸssen und sich unnötigen Risiken aussetzen.

Hanfblatt: Wo liegen denn die Risiken dieser Droge?

K-Man: Ketamin ist eine sehr stark bewu§tseinsverändernde Droge. Obwohl sie während der Erfahrung auch das Angstzentrum zu dämpfen scheint, so da§ trotz ihrer enormen Intensität, kaum Leute wirklich panisch werden, gibt das Erlebte, mitunter völlig Inner-Au§erweltliche doch ganz schön zu knapsen. Das kann echt weltbilderschŸtternd sein. Man mu§ sich Zeit lassen, das Ganze seelisch zu integrieren. Und dazu mu§ man bereit sein. Das erledigt sich nicht so einfach von selbst. Die meisten Leute, die Ketamin in der vollen Dosis mal genommen haben, wissen, da§ das normale Leben weitergeht, trotz dieser wundersamen Anderwelt, gegenŸber der das alltägliche Erleben vielleicht auf gewisse Weise beschränkt und banal erscheinen mag. Es gibt aber auch Leute, die sind so begeistert und fasziniert von diesen Innen-Au§enwelten, die sich ihnen als Realität produzierenden Entitäten auftuen, da§ sie immer wieder dorthin zurŸckkehren wollen. Bei ständiger Einnahme tritt wohl eine gewisse Toleranz gegenŸber den körperlichen Wirkungen auf. Wer aber Ketamin ma§los konsumiert, verliert schnell den Konsensrealitätsteppich unter seinen FŸssen. AusnŸchtern ist dringenst angezeigt. Ich persönlich glaube, bei manchen vielleicht dazu prädisponierten Menschen können die Ketaminerfahrungen so eine Art Todessehnsucht auslösen. Man verwechselt Ketaminsterbeerlebnisse mit dem richtigen Sterben. Das schnöde Erdendarsein scheint einem nicht mehr genug herzugeben. Man möchte fŸr immer zur anderen Seite wechseln. Ich glaube, dann hat man irgendetwas grundsätzlich falsch verstanden. Aber das sind mit Sicherheit eher Ausnahmen, die vielleicht im Ketamin genau das finden, was sie schon immer gesucht haben.

Das Injizieren von Ketamin erfordert natŸrlich die Einhaltung der Ÿblichen Safer Use-Regeln, wenn man sich keine schlimmen Infektionen wie zum Beispiel HIV, Hepatitis und so weiter holen will. Ein nicht unerhebliches Risiko von Verletzungen besteht durch den Verlust der körperlichen Kontrolle. Wer auf Ketamin rumhampelt oder sich gar aufs Fahrrad setzt, kann leicht stŸrzen und sich ernsthaft verletzen. John C. Lilly beschrieb, wie er sich auf Ketamin in seinen Isolationstank legte. Das mag eine au§erkörperliche Erfahrung noch zu intensivieren. Aber leider kriegt man auf Ketamin unter Umständen nicht mit, ob man so etwas wie eine Sterbeerfahrung hat, oder gerade wirklich stirbt, weil man mit dem Gesicht nach unten im Wasser liegt. Lilly selbst mu§te von Freunden so aus dem Tank gefischt und gerettet werden. Man sollte sich unter Ketamineinflu§ generell vom Wasser fernhalten. Damit schlie§e ich Badewannen, Jakuzis und dergleichen Schickimicki mit ein.

Ein weiteres Risiko ist die Hilflosigkeit unter dem Einflu§ von Ketamin. Man sollte es, wenn es denn sein mu§, nur unter absolut vertrauenswŸrdigen Menschen nehmen. In den USA wurden bereits Frauen mit Ketamin betäubt und vergewaltigt. Sie glaubten, es handle sich um Kokain und langten ahnungslos zu. Ein absoluter Alptraum im womöglich noch halbbewu§ten trippenden Zustand. Auch sogenannte Terroristen sollen Ketamin benutzt haben, um EntfŸhrungsopfer gefŸgig zu machen. Das scheint eine dunkle Seite des Ketamins zu sein. Aber eigentlich ist es nicht die dunkle Seite des Ketamins, sondern die der Menschen, die nicht respektvoll miteinander und mit so einem Mittel wie Ketamin umzugehen bereit sind.

Im übrigen sollte man ruhig mal den Beipackzettel lesen. Ketamin ist wohl im Allgemeinen zur Narkose, fŸr die ja deutlich höher dosiert wird, recht gut verträglich. Es sind dennoch zumindest theoretisch gefährliche Komplikationen mit möglicherweise tödlichem Ausgang denkbar, gerade was die Blockierung der Atemwege oder das Herz betrifft. Man sollte meines Erachtens auf keinen Fall andere Drogen wie Alkohol, Beruhigungs- und Schmerzmittel, sowie Stimulantien mit Ketamin kombinieren. Andere psychedelische Drogen erhöhen die im Einzelfall nicht zu unterschätzenden psychischen Risiken in Zusammenhang mit im Individuum schlummernden ¬ngsten.

Ich selbst habe ein paar mal eine mir bis dato unbekannte Form von Alpträumen gehabt, die ich nicht auf das Ketamin selbst, sondern auf die Erinnerung an meine persönlichen Ketaminerfahrungen zurŸckfŸhre. Das Thema ist: Ich bin hilflos bei vollem Bewu§tsein in meiner kŸnstlichen Innenwelt gefangen und schaffe es nicht, die Barriere zur normalen Aussenwelt zu durchbrechen und aufzuwachen. Sehr realistisch und intensiv.

Hanfblatt: Man sieht also, diese Droge ist im wahrsten Sinne des Wortes nur mit äu§erster Vorsicht zu geniessen.

K-Man: Allerdings. Ich finde, Ketamin ist kein Partyspass, höchstens etwas fŸr Leute, die wirklich ernsthaft auf der Suche nach tiefen innerseelischen Erfahrungen sind, Bewu§tseinsforscher im eigentlichen Sinne. FŸr Ketamin mu§ man bereit sein. Und wer die Finger davon lä§t, hat nichts versäumt, was nicht ohnehin schon da ist.

Hanfblatt: Zum Abschlu§ noch die Frage, ob es einen Lesetip gibt.

K-Man: Der Londoner Arzt Karl Jansen arbeitet an einem Buch Ÿber Ketamin. In der April 97 Ausgabe von „The Face“ war ein Artikel darŸber. In Gro§britannien, wo Ketamin unter jungen Drogenkonsumenten erheblich verbreiteter als bei uns sein soll, sind anscheinend einige Fälle bekannt, in denen sich Leute durch ständigen Ketaminkonsum aus ihren sozialen Bezügen herausmanövriert haben. Das sollte nochmal zu einem sehr behutsamen Umgang mit der Droge gemahnen. Auf der anderen Seite wurde und wird Ketamin interessanterweise zur UnterstŸtzung von bestimmten Psychotherapien eingesetzt. So auch von dem Göttinger Nervenarzt Hanscarl Leuner. Einer seiner Mitarbeiter namens Bolle hat ein nicht allzu spannendes Buch mit dem schönen Titel „Am Ursprung der Sehnsucht“ verfa§t, in dem Ÿber Sitzungen im wissenschaftlich-therapeutischen Rahmen berichtet wird. Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert, wie es so schön heisst.

Hanfblatt: Das lass ich einfach mal so stehen. Vielen Dank.

K-Man: Bitte gerngeschehen. Und vergiss nicht: Lös dein Ego auf, dann kommst du besser drauf.

Hanfblatt: Ach so! Na denn, guten Rutsch.

K-Man: P.S.: Das war ein Scherz.

Hanfblatt: Du bist wohl so einer, der immer das letzte Wort haben muss.

K-Man: Genau, der bin ich.

Strukturformel von Ketamin
Strukturformel von Ketamin

Ketamin Update (1999)

Zwei Jahre nach dem K-Man-Interview erscheint ein Update sinnvoll.

Frage: Wir haben das Ketamin-Interview 1997 geführt. Ich hatte das Interview zwei Hanf-Magazinen angeboten. Bei dem einen Magazin schreckte man wohl aus provinzieller Ängstlichkeit vor der zugegeben ziemlichen Brisanz eines offenen und ehrlichen Umgangs mit dem Konsum dieser hochwirksamen Substanz zurück. Kurioserweise erschien bei dem anderen Blatt irgendwann ein schwach recherchierter langweiliger Artikel über Ketamin. Er verstärkte bei mir den Eindruck, daß in diesem Medium Qualität weniger eine Rolle spielt als Vetternwirtschaft. Mit mir hatte man trotz meiner Nachfrage keinerlei Kontakt aufgenommen. Insgesamt ist die Entwicklung in diesem Milieu eines „Hanfspiessertums“ nach vier Jahren leider als enttäuschend einzuschätzen. Ein paar auf regelmässiges Einkommen bedachte und bedauerlicherweise von einer relativ stupiden Leserschaft ausgehende Hanfmedien machen eben keine Medien-Revolution. Im Zeitalter des sich selbst bekotzenden ausgehenden Kapitalismus scheint in der medialen Landschaft die stupide Wiederholung des ewig Gleichen Trumpf zu sein. Was wirklich ist, von einer anderen als der klischeehaft gewohnten Seite sprechen zu lassen, darauf scheint sich niemand einlassen zu wollen.

Aber jetzt nochmal zurück zum Thema. Hast Du in der Zwischenzeit nochmal wieder Ketamin genommen?

K-Man: Nein. Man soll zwar nie nie sagen, aber ehrlich gesagt, habe ich es auch nicht mehr vor. Mein Respekt vor dieser Substanz ist in den vergangenen Jahren noch gestiegen. Ich glaube, ich habe mich damals bemüht, ein ausgewogenes Bild zu vermitteln. Es ist einfach Realität, daß Ketamin und ähnliche Substanzen genommen werden, und zwar auch zur Selbsterforschung, zur Konfrontation mit dem Sein in der Welt, und nicht nur um einfach geil wegzudriften. Ketamin ist dabei sicher eine sehr kritisch zu betrachtende Substanz. Besonders, wenn man beabsichtigt, sie selbst einnehmen zu wollen.

Frage: Haben Dich neue Erkenntnisse in Deinem Umgang mit Ketamin beeinflußt?

K-Man: Eigentlich weniger. Aber der erschreckende Artikel von William E. White sollte jedem zu denken geben, der eine Affinität zu dissoziativen Anästhetika hat. Dazu gehören nicht nur Ketamin, sondern auch PCP, das berüchtigte Angeldust, der Hustendämpfer Dextrometorphan, kurz DXM oder auch Robo genannt, und Lachgas. William E. White ist der Internetgemeinde durch sein ausgezeichnetes DXM-FAQ bekannt. Er warnt eindringlich vor möglichen Gehirnschäden durch diese Substanzen. Das Risiko bleibender Schäden erhöhe sich mit Dosis, Dauer der Wirkung und häufiger Wiederholung der Einnahme. Manche scheinen sensibler zu sein, manche weniger. Es gäbe demnach Beweise für Schäden im Tierversuch und Hinweise darauf, daß auch Menschen bereits betroffen sind. White weist auch nochmal darauf hin, daß das Risiko epileptischer Anfälle und das von psychischen Komplikationen, wie Psychosen, bei Dissoziativakonsum deutlich erhöht zu sein scheinen. Ich möchte nochmal auf mögliche Risiken durch die blutdrucksteigernde und herzschlagbeschleunigende Wirkung des Ketamins bei prädisponierten Konsumenten hinweisen. Es gibt Leute, so White, die dissoziative Substanzen suchtartig konsumieren, was äußerst bedenklich ist. Ich möchte deshalb jeden eindringlich vor dem leichtfertigen Umgang mit Ketamin warnen.

Andererseits wird Ketamin in der Anästhesiologie nach wie vor als recht positiv bewertet. Für Hirnschäden habe ich in aktuellen Fachartikeln keine Bestätigung gefunden. Im Gegenteil, dort gibt es Hinweise, daß Ketamin auf Grund seiner Wirkungen am NMDA-Rezeptor sogar nervenschützend und nervenregenerierend wirken könne. Die neueste Entwicklung ist die 1997er Einführung in Deutschland des gegenüber dem herkömmlichen racemischen Ketamin doppelt so starkwirksamen rechtsdrehenden S-(+)-Ketamins. Es hat eine Reihe medizinischer Vorteile. So wirkt es bis zu einem Drittel kürzer mit einer entsprechend verkürzten Aufwachphase, rascherem Wiedererlangen kognitiver Fähigkeiten aber dabei länger anhaltender schmerzlindernder Wirkung. Die Leute, die es im medizinischen Rahmen bekamen, bevorzugten es gegenüber dem „alten“ Ketamin. Die von experimentellen Usern ja gerade gesuchten „psychomimetischen“ Wirkungen traten dennoch in gleichem Maße auf. Die gesundheitlichen Risiken gelten auf Grund der nur halb so hohen Dosis als verringert. In Kombination mit bestimmten Benzodiazepinen scheinen noch weniger, im medizinischen Notfall unerwünschte, „Nebenwirkungen“ aufzutreten. Wahrscheinlich wird man demnächst auch aus dem vielbeschworenen Underground Neues über S-(+)-Ketamin hören. Man darf gespannt sein. Die Pioniere sind mit Sicherheit schon aus den Startlöchern.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und betonen, daß ich, Bedenken hin oder her, es für ein Menschenrecht halte, bei freiem Zugang zu allen vorhandenen Informationen, selbst zu entscheiden, was man sich zuführt, und für den eigenverantwortlichen Umgang mit psychoaktiven Substanzen nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Danke.

 

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Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Grenzüberschreitend übers Ziel hinaus

 Grenzüberschreitend übers Ziel hinaus

Galilei des Bewußtseins oder Verführer der Jugend? Timothy Leary,
Prophet der Bewußtseinserweiterung, starb im Alter von 75 Jahren.

Das konservative Amerika der 60er Jahre sah in ihm den Verführer der Jugend, einen Drogenapostel, dessen angepriesene Substanzen und fernöstlichen Praktiken ihre Kinder, wenn nicht in den Tod, so doch in den Wahnsinn trieben. Die keimende Jugend- und Studentenbewegung dagegen sog seine -meist in Ekstase entstandenen- Ideen auf, sie dienten als Basis für den Protest gegen die bigotten Lebensweise eines in seinen Strukturen patriarchal-hierarchisch aufgebauten Staates.

Timothy Leary, ehemaliger Professor für Psychologie an der Harvard Universität, Künder der ständigen Erweiterung des Bewußtseins, Opa im Cyberspace und Uropa der Hippies, verstarb vor einer Woche an einem Krebsleiden. Was bleibt von Leary außer einem leblosen Hirn im Tiefkühlsarg und seiner Asche im Weltraum?

Timothy Leary hat viel gesagt, aber nur ein Satz schwebte als Konstante durch sein Leben: „Glauben Sie nichts von dem was ich sage, ich bin auch bloß neugierig.“ Dürstend nach neuen Erfahrungen, setzte er immer wieder neue Trends – nur um Jahre darauf wieder von ihnen Abstand zu nehmen. Propagierte er zunächst, daß die wahre Freude von den Sinnen, vom eigenen Körper und den menschlichen Beziehungen kommt, hörte er kurz darauf auf Albert Hofmann, den Schweizer Chemiker, welcher 1943 das mysteriöse Lysergsäurediethylamid (LSD) zum ersten mal synthetisierte: Der Einklang mit den Kräften der Natur bestimme das psychedelische Erlebnis, Maschinen brächten nicht sehr viel Freude, die großen Städte würden bald veröden, die Zukunft läge im friedlich, ökologisch orientierten Leben auf dem Land. Ende der 70er Jahre kündigte sich ein Paradigmenwechsel (Thomas Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2. Aufl. 1976, hatte Leary inzwischen auch gelesen) an. Maschinen waren von nun an „nötig, um Menschen einander näher zu bringen, ihnen eine Möglichkeit zum Lachen, zum vermehrten Aufnehmen zu geben, die Intelligenz zu erweitern und Informationen zu streuen.“ Diese Glaube an den kontinuierlichen technischen Progreß schritt fort in Learys Hoffnung auf die „Space Migration“ der Menschheit. Nur der Weltraum gäbe den Humanoiden eine Chance auf das Überleben ihrer Art, ja, Leary nahm sogar an, „daß der einzige Platz, wo wir in Zukunft noch Natur haben werden, in kleinen Raumkolonien sein wird“. Damit nahm er endgültig die Kraft aus seinem Denken und Handeln, die auf eine Verbesserung der (menschlichen) Umwelt auf dem Planeten Erde zielte. Ökologische Themen standen von nun an nicht mehr auf seiner Agenda.

Während die „neuen Kathedralen“ im All sich als Luftschlösser erwiesen, enstand Learys Neubau auf elektronischem Grund. Ihn, der Intelligenz als „Empfangen und Weitergeben von Information“ definierte, faszinierten Anfang der 90er Jahre die entstehenden Möglichkeiten der Kommunikation im Internet. War es zunächst nur zwischenmenschlicher Austausch, versprach die „Virtuelle Realität“ noch mehr. Waren die Drogen nur Schlüssel für die Pforten zu transzendenten Ebenen, konnte der Mensch jetzt, so Leary, sich eine andere Realität an einem anderen Ort selbst schaffen. Und endlich konnte auch die nutzlose Hülle des Körpers abgestreift werden. Nicht mehr der klassisch-mühsame Pfad eines religiösen Weges mußte gegangen werden, um das Ich sterben zu lassen, den Körper von der Lust zu befreien und in reines Bewußtsein überzugehen. Sollte es möglich sein die Essenz des Menschseins in die Weiten der elektronischen Sphären zu transformieren? Dies fragte sich mit den Netzjüngern auch Leary. Im Mekka der späteren Cyberkultur sitzend, sah Leary im Netzwerk den zukünftigen, anzustrebenden Aufenthaltsort für das menschliche Bewußtsein. Der Computer als Schnittstelle zwischen Mensch und Cyberspace: Paradiesische Zustände lockten die Technokraten. Den Pfad des Wissenschaftlers verließ Leary in seinem Leben meist nur scheinbar, für ihn lagen Gebetsraum und Laboratorium stets nebeneinander, eine Einsicht, für die der französische Philosoph Jean Guitton immerhin 93 Jahre nachgedacht hat.

Im Herbst 1960 kostete der Sohn irischer Einwanderer das „göttliche Fleisch“ eines Pilzes in Mexiko, ein einschneidendes Erlebnis, denn er glaubte das göttliche Wesen der Welt erkannt zu haben. Kurz zuvor zum Professor für Psychologie an der Harvard Universität ernannt, suchte er von dort an den Geheimnissen der mystischen Welterfahrung durch halluzinogene Substanzen mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden auf die Spur zu kommen. „Der Sinn des Lebens liegt darin, die vergessene Göttlichkeit wiederzuentdecken“, stellte Leary für sich fest. Waren es zunächst nur kleine Studentengruppen, denen Leary und seine Mitarbeiter den Wirkstoff des Pilzes (Psilocybin) verabreichten, veranstaltete er später zweiwöchige „psychedelische Kurse“ mit der weitaus stärkeren bewußtseinserweiternden Substanz LSD, zu denen mehr und mehr junge Personen pilgerten. Seinen Forschungsauftrag hatte er mittlerweile zurückgeben müssen. Dabei waren die Ergebnisse ermutigend: Von den 35 Insassen eines Gefängnisses, zumeist sogenannte Gewohnheitsverbrecher, wurden nur 32 Prozent nach einer mit Psilocybin begleiteten Therapie wieder rückfällig; eine Zahl, die sonst bei 67 Prozent lag. Die amerikanische Öffentlichkeit registrierte die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht mehr, sie war durch Pressemeldungen über die Gefahren des LSD-Konsums aufgebracht. Immer mehr Amerikaner gingen auf ihren ersten „Trip“, zu ernsthaften Unfällen unter dem Einfluß der 1943 erstmals synthetisierten Droge kam es aber erst, als der amerikanische Geheimdienst Personen ohne deren Wissen die Substanz verabreichte. Während die Droge so zum „Sorgenkind“ für ihren Entdecker, dem Schweizer Chemiker Albert Hofmann, wurde, nahm Leary seinen medialen Kampf gegen das Establishment und für die psychedelische Revolution auf. Zusammen mit der entstehenden Hippie-Bewegung glaubte Leary zutiefst daran, daß sich die Menschheit schnell zu höherer Weisheit entwic keln kann. Die Kinder aus den 60er Jahren, so hoffte Leary damals noch, „werden LSD nur noch für die Geisteskranken brauchen – die Geisteskranken in der zweiten Generation danach werden die sein, die an Symbolen festhalten und nach Macht streben. Aber schon die dritte Generation nach uns wird LSD nicht mehr brauchen. Sie wird in so vollständiger Harmonie und jeder Form der Energie leben, daß LSD unnötig wird.“

„Turn on, tune in, drop out“. Diese Verkürzung seiner Ideen auf einen Satz verstanden die staatlichen Stellen nicht nur als Aufforderung zum illegalen Drogenkonsum, sondern auch, und erst dies zwang sie zum Handeln, als Aufruf zum Ausstieg aus dem bestehenden gesellschaftliche System. Die Regierung nahm den Kampf gegen den zum „Staatsfeind Nummer Eins“ beförderten Revolutionär auf. Unwillig, für den Besitz von ein paar Gramm Marihuana zehn Jahre die Welt nur durch Gitterstäbe zu sehen, floh er aus dem Gefängnis und dem gelobten Land, setzte sich nach Nordafrika und Europa ab, bevor ihn 1973 der CIA aus Afghanistan in die Heimat zurück verfrachtete. Die Brandmarkung zum „Drogenapostel“ und „LSD-Papst“ ließ Learys Schriften zumeist ungelesen und dies obwohl sie die philosophischen Konzepte des radikalen Konstruktivismus sowie der modernen Hirnforschung enorm bereichern könnten. Seine Thesen: Jeder Mensch ist mit verschiedenen Formen des Bewußtseins ausgestattet, die Leary als Schaltkreise definiert. Diese Stufen treten nicht nur zwangsläufig im Laufe jeder menschlichen Entwicklung auf, sie können auch selektiv ein- und ausgeschaltet werden. Das Bewußtsein ist, so Leary, die von der Struktur empfangene Energie. Seine Forschungen brachten ihn dazu anzunehmen, daß es ebenso viele Dimensionen des Bewußtseins wie Strukturen im Körper gibt, die Energie empfangen und entziffern können. Diese Annäherung an die fernöstlichen Philosophien vollzieht die Neurowissenschaft heute nach. So nimmt Franzisco J. Varela vom „Institut des Neuroscience“ in Paris an, daß beim Tod das Ich auf der Strecke bleibt, während das Bewußtsein auf einer anderen Stufe von Zeit und Raum landet. „Die Existenz findet in verschiedenen Dimensionen statt, und die meisten liegen vermutlich jenseits der Individualität.“

Der Tod sollte Learys letzter Trip werden. Abermals ein Tabu der Gesellschaft aufgreifend, vermarktete er auch diesen Trip, zelebrierte er auch hier seine Person, kündigte sogar an, sein letztes Röcheln live im Internet zu übertragen. Sicher, wohin die finale Reise geht, war selbst Leary nicht. Seiner Theorie nach müßte sein Bewußtsein inzwischen als reine Energie weiterbestehen, eine Art der Unsterblichkeit, die ihm nicht genügte. Schon vor einigen Jahren legte Leary fest, daß sein Körper nach dem Ableben tiefgefrostet wird. In einem Metallsarg wartet momentan allerdings nur sein Materie gewordener Verstand darauf, von Wissenschaftlern der Zukunft wiederbelebt zu werden, die Asche seines Körpers unternimmt in einer Rakete die Flucht ins All. Die Furcht vor der Stabilität des amerikanischen Präsidialsystems hatte ihn auch kurz vor seinem Tod nicht verlassen: Das Testament verbietet sein Auftauen, wenn ein Republikaner Präsident ist.

Jörg Auf dem Hövel

 

Literatur:

  • T. Leary, R. Metzner, R. Alpert: Psychedelische Erfahrungen
  • T. Leary: Politik der Ekstase
  • T. Leary: Neurologik
  • T. Leary: Neuropolitik
  • T. Leary: Was will die Frau?
  • T. Leary: Höhere Intelligenz & Kreativität
  • T. Leary: Info-Psychologie
  • T. Leary: Über die Kriminalisierung des Natürlichen
  • E. Reavis (Hrsg.): Rauschgiftesser erzählen, Frankfurt 1967.
  • „Neue Kathedralen im Weltraum“, Interview mit Timothy Leary in der „Esotera“ v. 14.9.1980.

 

JENSEITS DES SELBST

Das Spiel der Energie

dauert länger

als unsere Wünsche

Das Spiel der Energie

dauert länger

als unser Körper

Das Spiel der Energie

dauert länger

als unser Leben

Hier draussen

sind Zeit

und Wünsche

ohne Bedeutung

 

Timothy Leary: Gebete