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Cannabis Reisen

Hanf im Reisfeld

HanfBlatt, Nr. 65, Mai/Juni 2000

Hanf im Reisfeld

Marihuana rauchen bringt auch in Vietnam mächtig Spaß – selbst wenn das Kraut nicht wirkt

Die Propellermaschine durchstößt brummelnd den grauen, vietnamesischen Himmel. Unter uns liegt Saigon, vor uns der Urlaub an der Küste von Vietnam. Seit Tagen ist Whiskey fester Bestandteil unserer Ernährung – natürlich nur, um den Magen resistent gegen die ungewohnte Schmarotzer zu machen. So sitzen mein Freund und ich genauso duhn wie degeneriert im wackelnden Flieger der Vietnam Airlines. Liegt es daran, dass sich bei mir alles dreht? Auf alle Fälle wundert mich mal wieder diese merkwürdige Erfindung des rechten Winkels: Häuser, Felder, Strassen – von oben sehen Landschaft und Leben so wohlgeordnet aus. Wo die Natur unbeackert ihrem Dasein nachgeht, wird es runder. Am Boden mäandernde Flüsse, an Bord rosa Damen, die hier Stewardessen von Beruf werden. In den Reihen vor mir nur schwarze Pilze, die wie die asiatischen Beatles auf Tour aus den Kopfstützen wachsen. Ein Fallschirmsprung wäre jetzt geil: Unsere Jungs da unten vor den Schlitzaugen in Sicherheit bringen. Missing in Action VI. Raushauen aus ihren Wasserkäfigen und dann Richtung Kambodscha durchschlagen. Ich beruhige mich wieder von meinem Military-TV-Overdrive. Lieber mal an Jasmin-Blüten denken. Aber neben mir saust der Propeller, zerschneidet Blüte um Blüte. Was ist mit dem Wiskey an Bord? Die Nachschubroute scheint vermint. Egal, O-Saft von rosa Plüschhasen bringt es auch. Ich hoffe sehr, dass diese Gewänder keine Erotikneurosen symbolisieren. Schade, die Wirkung des Alkohols lässt nach. Landung.

küste bei nha trang

Flugabwehrgeschütze am Rollfeld und eine Stadt fast ohne Langnasen, wie die Vietnamesen die hellhäutigen Erdbewohner nennen. An der Strandpromenade wird der Tourismus geprobt: Coca Cola, Langnese, Kioske, Massagen, Maniküre, aber Marihuana? Kein Stress, wir sind ja im Urlaub. Wir ziehen in eine kleine Herberge an der Promenade. Leicht verfallen, die Zimmer muffeln. Ist das der Geruch des asiatischen Sozialismus? Wie auch immer, die Menschen sind neugierig und freundlich. „Where do you come from?“, „How old are you?“ und „What is your Name?“, werden für die nächsten Tage die Einführungssätze in Gespräche, die sich 10 bis 15 mal am Tag wiederholen.

Es wird Abend und damit leider kühl. Am Strand hat es sich eine Gruppe von fünf Typen trotzdem im Kreis gemütlich gemacht. Mein kontaktfreudiger Freund steuert auf die Männer zu und es beginnt ein Austausch von englischen Brocken. Ich sitze etwas schüchtern daneben. Der Koch aus unserem Etablissement gesellt sich dazu und nach ein paar Schlücken eines vietnamesischen Extremalkohols wird die Runde lockerer. Zeichensprache hilft, ein Typ mit Baseballmütze führt Taschenspielertricks vor. Irgendwie biegen wir das Gespräch in Richtung Rauschhanf. „Marihuana, you know, for smoking“, sagt mein Freund, spitzt die Lippen und deutet tiefe Inhalationszüge an. Die Jungs lachen, was in Asien bekanntlich gar nix heisst. „Heroin?“, fragt einer und wir schütteln entgeistert den Kopf. „No, Marihuana!“, antworten wir. Einem der Männer geht ein Licht auf, „Ahh, Malihuana…“, ruft er und redet auf seine Freunde ein. Plötzlich grinsen alle wissend. „No have“, sagt der Eine, bietet sich aber an welches zu besorgen. Wir sind kurz unsicher, denn das geht ja fast zu glatt. Gleich am ersten Abend sollten wir auf die sprudelnde Quelle der lokalen Psychoköstlichkeiten gestoßen sein? Und was ist, wenn der Typ nicht mit Hanf, sondern Haftbefehl zurück kommt? Egal, wir sind heiß.

Ohne ein gewisses Vertrauen in die Menschen lebt es sich verkehrt und unsere Männer vom Strand wirken einfach sympathisch. Der freundliche Vietnamese dampft mit seinem Moped los, während wir fröhlich weiterquatschen. Geld wollte er nicht haben, er verspricht uns beste Ware für umgerechnet 15 Mark. Zwei Stunden später schlurfen wir zurück ins Hotel. Der Koch schließt hinter uns das Tor zu – von dem Gras keine Spur. Das ist uns mittlerweile auch egal, wir haben uns trotzdem mit den Jungs zum Fußball verabredet. Von riesigen Joints träumend reisst mich das Telefon auf dem Nachttisch aus dem Nickerchen. „Your Cigarettes are here“, sagt eine Stimme zu mir. Schlaftrunken stolpere ich ans Hoteltor, vor dem der Vietnamese mit seinen Freunden lächelnd steht. Etwas spät für einen gemeinsamen Joint vertrösten wir uns auf den nächsten Tag. Ich bedanke mich für die Aktion bei ihm und falle zurück in die Heia.

Das Tageslicht enthüllt das ganze Desaster: Das Kraut, welches sich in dem Beutel befindet, überhaupt mit dem wohlklingenden Namen „Marihuana“ zu beschönigen, wäre eine Beleidigung für jeden berauschenden Hanf in der Welt. Zwar handelt es sich um weibliche Blütenstände, diese hängen aber traurig und in ihrer Mickrigkeit völlig vertrocknet an dünnen Stengelchen. Der Haufen verblüfft durch einen dezenten Braunton, von Harz keine Spur. Die Geruchsprobe lässt auf eine unabsichtliche Fermentierung schließen. Aus den Hüllkapseln rieseln immerhin Samen. Um gar nicht erst in postkoloniale Pöbeleien zu verfallen machen wir die Probe aufs Exempel. Die mitgelieferten Blättchen sind so dick wie Zeitungspapier und natürlich ohne Klebefläche. Die daraus gebastelte Tüte gleicht einem männlichen Geschlechtsorgan nach drei Tagen Daueraufenthalt in der Badewanne. Der Geschmack ist ohne Charakter und erinnert schwer an „Deutsche Hecke“ Jahre vor 1994. Eine erheiternde Stimmung setzt nach dem Genuss des Joints ein, aber das hat definitiv nichts mit dem Gras zu tun. Wir amüsieren uns vielmehr über uns selbst und das Knistern der unzähligen Samen. Und komischerweise ist uns klar, dass wir hier nicht übers Ohr gehauen wurden, sondern das dies die normale vietnamesische Qualität darstellt.

Über den Genuss und die medizinische Anwendung von Marihuana in Vietnam ist wenig bekannt. Es wird aber vermutet, dass im Zuge der chinesischen Herrschaft über das Land auch der Hanf Einzug in die Kultur und die Medizin des Landes gehalten hat. Die chinesische Han-Dynastie eroberte schon rund 100 Jahre vor Christus weite Teile Asiens und auch das heutige Vietnam. Kaum ein Volk war so vielseitig in der Nutzung der Hanfpflanze wie die Chinesen: Hanf diente schon vor der Einverleibung Vietnams seit mindestens zwei Jahrtausenden (sic!) als Nahrung, zur Produktion von Seilen, Kleidung und Fischernetzen und zur Gesundung des Körpergeistes. Im heutigen Vietnam ist der Cannabis-Konsum unter Jugendlichen durchaus verbreitet. Ein Bericht im Auftrag der Europäischen Union spricht (eher anekdotisch) von „jungen Menschen, die in den öffentlichen Parks von Hanoi Cannabis rauchen und Mahjong spielen“. Das klingt doch nett! Der Report spricht weiter von „kleinen Läden“, in denen eine Zigarettenschachtel voll Cannabis für einen halben Dollar zu kaufen ist. Wir haben jedenfalls einen recht unkomplizierten und unglorifizierenden Umgang der Jugend mit Marihuana erlebt. Was nicht heißen, soll, dass die Polizei dem Treiben arglos zusieht. Wer mit Cannabis erwischt wird, sieht zumindest einer saftigen Geldstrafe entgegen, vom durchaus möglichen Aufenthalt im Gefängnis mal ganz abgesehen.

Glaubt man den spärlichen Informationen ist Vietnam in erster Linie Transit-Land für einen regen Verkehr mit Drogen aller Art. Im benachbarten Kambodscha wird Hanf in großer Menge angebaut – allein 1996 wurden weltweit 56 Tonnen Cannabis konfisziert, die aus Kambodscha stammten. Tatsächlich stammt das zweite Beutelchen Gras, welches wir erstehen, aus Kambodscha, aber dazu später mehr. Die Probleme mit Cannabis konsumierenden Jugendlichen werden von der vietnamesischen Regierung selbst als gering eingestuft. Kein Wunder, konzentriert man sich doch im „Kampf gegen die Drogen“ in erster Linie auf Opium und Heroin. Vietnam fungiert auch hier als Transitstrecke: Die lange Küste des Landes, das verwirrenden Mekong-Delta mit seinen rund 25 Tausend Fischerbooten und die grüne Grenze zu Kambodscha machen eine Kontrolle des Warenaustausches nahezu unmöglich. Über die seit 1991 offene Grenze zu China soll sich ebenfalls ein bunter Handel mit Produkten aller Art etabliert haben. Anfang der 90er Jahre kam zudem ans Licht, dass hohe Polizeibeamte und Militärs am Geschäft mit Heroin kräftig mitverdient hatten. Bis Ende der 80er Jahre hatte die Regierung (in guter sozialistische Tradition) bestritten, überhaupt drogennutzende Einwohner zu haben. Heute sieht das anders aus: 1996 sollen schon 240 Tausend Menschen heroinabhängig gewesen sein. Das Problem ist virulent: Über der Eingangstür zur örtlichen Diskothek hängt ein großes Schild mit dem Aufdruck „No Heroin please“ und in den Stadt stehen Schilder, die mit an die Volksgesundheit appellieren.

schilder in nha trang

Nach dem dem Frühstück schwingen wir uns aufs Moped und fahren aus der Stadt heraus. Kurz darauf landen wir auf der N1, der Nationalstrasse des Landes. Hier fließt der gesamte Verkehr des Landes von Norden nach Süden und zurück. Alte sowjetische LKWs, Hühnertransporte, Busse, Mopeds, Fahrräder und Fußgänger teilen sich die schmale Straße. Armut herrscht abseits der Vorzeigestrassen der Stadt. Wellblechhütten, die Kinder spielen und leben fröhlich im Dreck. Ein zähes Volk tut sich auf, zum Teil noch körperlich durch den Krieg mit den USA und den Agent Orange-Einsatz gezeichnet. Verkrüppelte Beine, Arme, ein deformiertes Rückgrat bei einem vielleicht achtjährigen Kind, ein Kropf am Hals eines alten Mannes. Um den Irrsinn des Krieges zu ertragen, rauchten sich die US-Soldaten reichlich mit Marihuana dicht, kaum ein Amerikaner, der den Vietnam-Krieg ohne „Dope“ überstand. Der Heroinkonsum soll allerdings auch beträchtlich gewesen sein und hat amßgeblich zu seiner späteren Ausbreitung beigetragen. Offiziell starben zwischen 1964 und 1975 58.183 amerikanische Krieger. Süd-Vietnam hatte 223.748 Tote zu beklagen, für Nord-Vietnam wird die Zahl auf über eine Million geschätzt. 10 Prozent der Zivilbevölkerung (rund vier Millionen Menschen) starben, die meisten bei den Bombardements der US-Truppen im Norden des Landes.

Angesichts dieses, erst 25 Jahre zurückliegenden Krieges, verwundert es schon, dass die Jugend die westlichen Konsumgüter ohne Vorbehalte in ihre Lebenswelt integriert hat. Ob Nike-Baseballmützen und Turnschuhe, Levis-Jeans oder Fast-Food-Ketten. Fernseher und Touristenstrom bringen die heilsversprechende Nachricht von Coca Cola und MTV in das entfernteste Bergdorf. Und ob die sich gerne im Dreck wälzende Traveller-Kultur eine besseren Eindruck der westlichen Kulturerrungenschaften hinterlässt, wird selbst von den Einheimischen bestritten. Aber ob Traveller oder Tourist – jeder Reisende ist Medium dieser Nachricht und damit Teil eines Problems, welches mit den soziologischen Begriffen vom „gravierenden Wertewandel in traditionellen Gesellschaften“ nur unzureichend beschrieben ist.

Unsere Freunde vom Strand haben uns als verträgliche Menschen und wohl auch gute Einnahmequelle schätzen gelernt. Ein paar Tage später besorgen sie uns ein Beutelchen Gras, welches aus Kambodscha stammen soll. Um es kurz zu machen: Auch dieses Killergras lässt uns höchstens müde werden, die Wirkung von Tabak und Marihuana sind nicht eindeutig aus einander zu halten. Zwar sieht es etwas besser aus als die erste Ladung, Geruch und Geschmack sind aber wieder vollkommen indifferent. Aber irgendwie bringt es trotzdem Spaß kiffend auf dem Balkon zu sitzen und durch Palmen aufs südchinesische Meer zu schauen. Im Urlaub in fernen Ländern ist das Bewusstsein eh schon so sensibilisiert und von taufrischen Eindrücken umschmeichelt, dass schon der Qualm einer Sportzigarette den letzten Schubser ins Reich der Wohlfühligkeit gibt.

kinder

Kurz vor Ende unseres Aufenthalts in der Stadt finden wir eher zufällig heraus, aus welcher Quelle die Beutelchen mit dem Gras stammten. Ich will der Information kaum trauen, versuche es aber trotzdem: Am Straßenrand steht einer kleiner Stand auf Rädern, Zigaretten und Tabak werden verkauft. Hinter dem Wägelchen liegt eine Oma und schläft. Ich warte bis sie die Augen aufschlägt, dann frage ich nach Marihuana. Sie lacht, greift unter ihren Stand und zieht eine Plastiktüte hervor. In dieser warten viele Beutelchen auf Kundschaft. Nachdem ich ihr das Geld überreicht habe, legt sie sich wieder schlafen.

 

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Psychoaktive Substanzen Specials

LSD

HanfBlatt, Nr. 66, Mai 2000

Ein weiterer Konditionierungsversuch zur wichtigsten Substanz des 20. Jahrhunderts

lsd

Wem wir das Zeug zu verdanken haben, ist doch wohl klar: Dem Schweizer Chemiker Albert Hofmann. Der rüstige Rentner, mittlerweile weit über 90, ist immer noch gut beieinander. Ob das daran liegt, dass er LSD (Lysergsäurediäthylamid) so selten oder immer mal wieder ganz bewusst genommen hat, lässt er selber im Dunkeln. Er entdeckte die Wirkung des LSD´s am 16. April 1943 bei einer intuitiv motivierten Nachsynthese. Die zufällig Vergiftung mit der Substanz machte ihn neugierig und drei Tage später nahm er als erster Mensch in einem heroischen Selbstversuch die unerwartet mächtig einfahrende Dosis von 0,25 Milligramm LSD. Was folgte ist Legende.

Der erste Beipackzettel der Firma Sandoz, bei der Hofmann forschte und die LSD ein paar Jahre später als Medikament auf den Markt brachte, empfahl Psychiatern die Einnahme von LSD um ihre Patienten besser verstehen zu können. „Modellpsychose“ nannte sich der Spaß. Schon bald waren auch Freunde und Bekannte der Mediziner bestens mit der unterhaltsamen Substanz versorgt. Die beeindruckenden Wirkungen stießen schnell auf großes Interesse bei spirituell Interessierten, Intellektuellen und Künstlern, deren Berichte eine breite Öffentlichkeit neugierig machten. Der Weg für LSD als Volksdroge der 60er Jahre war geebnet. Die enorm transformatorischen Erfahrungen auf breiter Ebene schrieen geradezu nach einer Umgestaltung der als spießig, lustfeindlich und entspiritualisiert empfundenen „spätkapitalistischen“ Gesellschaft. Das Hippie-Zeitalter begann – Wassermann lass jucken.

Es lässt sich nicht leugnen: LSD wurde einer der maßgeblichen Motoren für seit den 60er Jahren anhaltende weltweite gesellschaftliche Veränderungen. Musik, Kunst, Konsumgewohnheiten, Frauenbewegung, Sekten, Esoterik, Psycho-Welle, ökologisches Bewusstsein, Anti-Rassismus: Die Zeit war reif für mehr Zärtlichkeit und für Katalysatoren vom Schlage des LSD. Kein Wunder, dass es von den Herrschenden sofort verteufelt wurde.
lsd

Das LSD-Revival der 90er

Einen Wimpernschlag vor dem Milleniumswechsel feierte LSD sein viel beachtetes Comeback. Raver, selbsternannte Schamanen, Neo-Hippies und Psycho-Freaks waren sich plötzlich wieder einig: Körperlich gut verträglich bietet es eine starke Ego-Auflösung zu einem angemessenen Preis. Was will man mehr in Zeiten der Orientierungslosigkeit? Während in den 60ern sich Dank LSD alles in den Köpfen änderte und man erwartete, dass sich folglich auch die Welt ändern müsste, empfand man am Ende des zweiten Jahrtausends das sich die Welt rasend ändert, folglich musste sich auch was in den Köpfen tun.

Die Wirkung

Das halbsynthetische LSD wird immer wieder als einmalig in seiner Ego-auflösenden Wirkung hervorgehoben. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von „natürlichen“ Substanzen, die nicht nur in ähnlichen Kontexten genommen werden und wurden, sondern tatsächlich auch vergleichbar zu wirken scheinen, gemeinhin unter dem Oberbegriff Psychedelika zusammengefasst. Von diesen dürften Meskalin, enthalten in diversen Kakteen, insbesondere dem Peyotl und dem San Pedro-Kaktus, Psilocin und Psilocybin, enthalten in zahlreichen Pilzen, DMT, Hauptwirkstoff im „Ayahuasca“, und chemisch dem LSD nahe verwandte Lysergsäureamide, enthalten in den Samen verschiedener Winden, die Bekanntesten sein. Chemikern haben wir allerdings eine ganze zum größten Teil kaum beforschte Palette an weiteren Psychedelika zu verdanken.

Nichts desto Trotz bleibt LSD für viele seiner Afficionados das faszinierenste Vehikel, um ihren Bewusstseinszustand nachhaltig zu verändern. Warum? Schwer zu sagen. Die ausgeprägt subjektiven Erfahrungen die mit LSD gemacht werden, schließen verallgemeinernde Aussagen über die Wirkung der Substanz aus. Ein inspiriertes Gedicht über eine Butterblume gibt da vielleicht mehr her als eine ellenlange verzweifelte wissenschaftliche Abhandlung. LSD nehmen heißt um den heißen Brei herumzutanzen oder sich mit voller Hingabe in ihn hineinzuwerfen, ihn das erste mal im Leben wirklich zu schmecken, nachdem man ausgiebig an ihm gerochen hat.

Über LSD zu sprechen, um damit zu behaupten wie es wirklich wirkt, sollte vermieden werden. Deshalb entschließen wir uns für Endlosgelaber. So ist die Wirkung von LSD, zumindest wenn man danach gefragt wird. Die Wahrheit ist demnach die Erfindung eines Lügners. Ist das alles nur eine Blase, ein abgefahrener Traum, in dem wir leben? Steckt erst dahinter die reale Welt, die nur mit den geöffneten Pforten der Wahrnehmung erkannt wird?

LSD nehmen kann heißen, sich auf den Weg zu machen grundlegende Fragen des Seins immer wieder neu zu stellen. Oder auch nicht. Da droht der Gang in die esoterische Buchhandlung. Mit Chance fährt man aber auch „nur“ mit dem Mähdrescher quer durch die eigene Psyche und man soll sich wundern, was dabei so zutage tritt. Dein innerer Reichsparteitag erwartet LSD-Bombennächte. White Light, White Noise. LSD ein fadenscheiniges Vergnügen? Oder ein wohlfeiler Genuss der Sonderklasse? Oder etwas für Durchgedrehte auf der Schwelle zum übernächsten Millenium? 20.000 Jahre LSD? Was macht LSD aus unbescholtenen Bürgern? Zufrieden mampfende Konsumidioten oder aufmüpfige durch den Raum flutschende Yogis? Mehr Fragen als Antworten, wie man sieht – und dazu kommt noch, dass es offensichtlich zu viele falsche Fragen gibt. Eine gute Frage ist: Why not?
lsd blotter

Dosierung

Leider ist LSD eine nur auf dem Schwarzmarkt erhältliche Substanz. Die dort gehandelten Produkte unterstehen keinerlei Qualitätskontrolle. Nur gut ausgestattete Chemielabore sind in der Lage zu analysieren, was sich in den gehandelten „LSD-Trips“ in welcher Dosis befinden mag. LSD selbst ist ausgesprochen anfällig für Zersetzung, insbesondere im Licht, an der Luft und bei Wärme. Die Haltbarkeit ist sehr kurz. Das macht es de facto unmöglich Dosierungsempfehlungen zu geben. Dennoch existieren in der durchwachsenen Szene der „Acid-Heads“ einige Ratschläge, die unerwünschte Überdosierungen zu vermeiden helfen sollen. Die Erfahrungen von Freunden können Hinweise geben. Man sollte aber bedenken, dass die LSD-Wirkung in hohem Masse von subjektiven und äußeren Einflüssen abhängig ist, Set und Setting halt, die das Erleben in jedem Einzelfalle völlig neu bestimmen. Im Zweifelsfalle wird zunächst lieber weniger genommen, das heißt bei den auf dem Schwarzmarkt üblichen bunt bedruckten Löschblättern, ein Viertel bis die Hälfte des „Löschis“.


„Just say know“

Timothy Leary

Man muss es sich vorstellen: Ein Mann aus gutem katholischem Hause wird Professor, lehrt an der ehrwürdigen Harvard-Universität, schreibt wissenschaftliche Beiträge über Psychotherapie, hat eine nette Frau und mäht am Wochenende Rasen. Aber eines Tages erhält „Onkel Tim“, wie Timothy Leary (22.10.1920 – 31.05.1996) später liebevoll genannt wurde, seine wahre Bestimmung, katalysiert durch den Konsum einen mexikanischen Pilzes. Das war Anfang der 60er Jahre und es brodelte mächtig. Leary flog trotz durchaus sinniger Experimente mit Halluzinogenen aus Harvard (das erste und letzte Mal das ein Professor flog) und begab sich auf den Trip seines Lebens. Für die Hippies und Beatniks wurde er zur Kultfigur des Aufstands gegen das rigide Gesellschaft, für die Normal-Valium-Bürger zum gefährlichsten Mann der USA, der ihre Kinder zu Langhaarigkeit, Kriegsmüdigkeit und Drogenabhängigkeit treibt. „Turn on, tune in, drop out“, ein Satz dessen explosive Wirkung heute kaum noch vorstellbar ist, denn er forderte direkt zum Ausstieg aus dem kapitalistischen, freudlosen und unerotischen System auf.

Tim Leary

Foto aus dem „Wired-Magazin“

Die Nachricht Learys war aufregend: Veränderte Zustände des Bewusstseins bergen einen großes Potenzial für eine positive psychische Entwicklung des Menschen. Sie ebnen den Weg für einen effektiveren und vollkommeneren Gebrauch des Nervensystems. Was dabei rauskommt ist eine schöpferischere und intellektuell reifere Persönlichkeit. Hätte Leary nun Meditation oder Yoga propagiert, wäre er weniger berühmt geworden und das us-amerikanische Establishment hätte weiter ihre Alk-Fürze in die Sofa-Kissen abgelassen. So aber luden sie ihre gesamten Ängste auf ihn und die von ihn propagierten Drogen ab. Das Leary Drogen wie LSD, Pilze und Meskalin als die Vehikel für eine prima evolutionär-revolutionäre Abfahrt feierte, lag in der Natur dieser Substanzen, machten sie doch auf schnelle und beeindruckende Weise klar, was in uns steckt. „Onkel Tim“ brannte darauf mit zu erleben, wie die Menschheit die alten Konditionierungen aufbricht und jeder einzelne sein Bewusstsein über die feste „Programmierung“ seiner „Schaltkreise“ hinaus entwickelt.

LSD in der Psychotherapie

Der seriöse Aspekt in der Anwendung des LSD ist sein Einsatz in psychotherapeutischen Kontexten. Zwei Herangehensweisen lassen sich unterscheiden: Die sogenannten Psycholytiker spülen mit Hilfe von LSD schwer zugängliche innere Zustände an die Oberfläche, die erst dadurch therapeutisch bearbeitbar werden. Die klassischen Psychedeliker erhoffen sich von einer durch eine hohe Dosis LSD katalysierten spirituellen Erfahrung heilende Auswirkungen auf das Leben des Menschen. Leider wurden die wissenschaftliche Erforschung und die professionelle Anwendung von LSD als Therapeutikum durch die Verbotspolitik praktisch lahmgelegt. Der Schweizer Psychotherapeut Peter Gasser erhielt Ende 2007 die Erlaubnis, LSD zu therapeutischen Zwecken versuchsweise zu benutzen.

Literatur

Plichtlektüre ist

Albert Hofmann: LSD – Mein Sorgenkind

Nicht auf dem neuesten Stand, aber eine gute Basis ist

Peter Stafford: LSD

Und in der gesellschaftliche  Einordnung: Günter Amendt: Die Legende vom LSD

LSD-Poem

Erdbeeren, Bananen, Kirschen, Simpsons, Donalds, Supermans, Silver Surfers und Marsipulamis, Che Guevaras und Super Marios, Kreuze, Knoten, Schlüssel, Flügel, Glocken, Sonnen, Wallace and Grommits, Jerry Garcias und Jesuse, Friedenstauben, Goofys und E.T.´s, Peace Zeichen, Tintenfische und Pentagramme, Horusaugen, Flying Horses, Yin und Yangs, Chill-Pills, Eicheln, Mond und Sterne, Feuer, Schlangen, Pyramiden, Noten, UFOs und Ganeshas, Oms, Fat Freddy´s Cat und Fritz der Kater, Pyramidenaugen, Totenköpfe, Mickey Mäuse, Sterne, Karos, Herzen, Beavis and Buttheads und Father of LSD, Tiger, Fische, Bären, Formeln, Looney-Birds und Jubiläums-Teile, verrückte Muster, Hofmänner und Mirakulix, Helme, Augen und explodierende Hakenkreuze, Ha´s, Aliens, Klobürsten, Gay Bikers on Acid und Abendmahle, No Limits -LSD.

az und adh

Nachtrag 2008: Im Alter von sagenhaften 102 Jahren verstarb am 29. April 2008 der Entdecker des LSD, Albert Hofmann, in seinem Haus in Burg im Kanton Basel-Land.

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Psychoaktive Substanzen Specials

Salvia Divinorum

HanfBlatt, Nr. 67/2000

SALVIA DIVINORUM

Lieferant des stärksten aus dem Pflanzenreich bekannten Psychedelikums

Das, was das Gewebe der Realität zerreißt. Salvinorin A. Vorweg: Salvia Divinorum unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz. Aber wir wollen die Pflanze kennenlernen, die uns diese bemerkenswerte Substanz liefert.

Salvia divinorum species from Oaxaca (Mexico). Photographed at the Conservatory of Flowers in San Francisco

Salvia divinorum ist eine einzigartige psychoaktive Salbeiart, auch „Wahrsagesalbei“ genannt, die in den Bergen von Oaxaca, einem mexikanischen Bundesstaat, von Mazateken Indianern, die sie „Hierba de la Pastora“ (Kraut der Schäferin) oder „Hierba de la Virgen“ (Kraut der Jungfrau) nennen, für schamanische Rituale gezogen wird. Echte Wildvorkommen sind nicht bekannt. Sie wird nur über Stecklinge (Klone) vermehrt. Praktisch alle im Umlauf befindlichen Stecklinge sollen von nur zwei lange auseinanderliegenden Sammlungen im Herkunftsgebiet abstammen. Man spricht vom sehr bitteren Wasson & (Albert) Hofmann – Klon und dem wohl verbreiteteren Palatable – Klon. Ein wahres Klonwunder also, daß sich gegenwärtig auch hierzulande im Kreise experimentierfreudiger Psychonauten eines regen Interesses erfreut. Die Pflanze ist nicht ganz anspruchslos, was ihre Wachstumsbedingungen betrifft. Sie liebt es warm bei hoher Luftfeuchte und guter Wasserversorgung, viel Licht, aber keine direkte Sonnenbestrahlung und kein Frost, halt so wie in der juten alten Heemat, dem tropischen Bergland der Sierra Mazateca. Wer auf diese Ansprüche Rücksicht nimmt, wird mit schnellem Wachstum belohnt. Das nicht sonderlich attraktive großblättrige Gewächs kann zwei bis drei Meter hoch werden. Auch lassen sich relativ problemlos Stecklinge gewinnen. Im Wasserglas beginnen sie nach zwei bis drei Wochen zu wurzeln.

Der Eigenanbau lohnt, denn im ethnobotanischen Fachhandel werden für 1 Gramm der getrockneten Blätter Preise von durchschnittlich 5 bis 8 DM verlangt. Und ein innerhalb von weingen Monaten auf 1 bis 1,5 Meter hochgeschossener Steckling, kann locker 20 Gramm und mehr getrockneter Blätter liefern. Für Stecklinge werden Preise von durchschnittlich 35 bis 40 DM verlangt. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, daß es sich um gesunde grüne, möglichst gut angewurzelte Exemplare handelt. Sie überstehen keine langen Transportzeiten und werden im Falle des Versandes, sofort nach dem Auspacken in eine Umgebung hoher Luftfeuchte verbracht, zum Beispiel in eine Art Reanimationszelt aus durchsichtiger, noch luftdurchlässiger Kunsttofffolie. Regelmässiges Übersprühen mit kalkfreiem Wasser tut es auch. Im Winter stagniert bei uns das Wachstum, wenn man keine künstliche Beleuchtung einsetzt. Im Frühling treiben die Pflanzen wieder aus. Deshalb werden auch Stecklinge meist erst ab dem Frühjahr versandt.

Die Blätter werden üblicherweise während der wärmsten Jahreszeit, also bei uns im Sommer oder Spätsommer geerntet. Ihr Wirkstoffgehalt scheint dann am höchsten zu sein. In den Tropen gewachsene Salvia divinorum soll potenter sein (bis zum 1,5 fachen). Es können sowohl einzelne Blätter als auch ganze Zweigspitzen geerntet werden. Aus den Seitenachseln treiben dann neue Triebe aus.

Die Blätter werden sofort frisch verwendet oder bei Raumtemperatur getrocknet.

Der nicht wasserlösliche Wirkstoff der Blätter kann nur über die Mundschleimhäute oder die Lunge in ausreichend kurzer Zeit in genügender Menge resorbiert werden, um die für einen intensiven Effekt notwendige Schwellendosis im Körper zu überschreiten. Dazu werden verschiedene Einnahmemethoden praktiziert.

1. Die frischen Blätter werden zu einer Art Zigarre gerollt und in die Backe(n) gequetscht, ausgedrückt, zerkaut, wobei man darauf achtet, daß möglichst viel Saft möglichst lange mit den Mundschleimhäuten in Berührung kommt. Das Runterschlucken des Saftes wird herausgezögert. Ist man mit dem Kauen durch, kann noch nachgelegt werden. Für einen Kauvorgang sollten 15 bis 30 Minuten veranschlagt werden. Eine typische Dosis sind 10 große Blätter. Die Blätter schmecken charakteristisch, nicht gerade lecker. Sie können auch bitter sein. Wieweit der Gehalt an zusätzlichen Bitterstoffen vom Klonahnen und der Anbaumethode abhängt, ist noch nicht ganz klar. Spaß bringt die Kauprozedur auf jeden Fall höchstens den Zuschauern.

2. Die getrockneten Blätter werden angefeuchtet und wie ein Pfriem in der Backe plaziert und ausgekaut wie die frischen Blätter. Die getrockneten Blätter schmecken vielleicht einen Tick „besser“ als die frischen, aber auch nur einen „Tick“.

3. Die getrockneten Blätter werden in einer Wasserpfeife geraucht. Dabei kommt es darauf an, möglichst viel Rauch möglichst lange und oft hintereinander in die Lungen zu kriegen. Die minimale gerauchte Dosis liegt bei einem halben Gramm der Blätter. Das ist schon „eine ganze Menge Holz“.

4. Es wird ein alkoholischer Extrakt aus den Blättern gewonnen. Dazu weicht man die getrockneten Blätter meherere Tage an einem dunklen Ort in soviel möglichst reinem trinkbarem Alkohol (Weingeist) ein, daß die Blätter bedeckt sind. Schließlich wird abgefiltert. Der erhaltene Extrakt kann nun durch Verdunstenlassen des Lösungsmittels weiter konzentriert werden. Läßt man den Alkohol vollständig abdunsten, erhält man einen schon recht konzentrierten nahezu festen Extrakt, der geraucht werden kann.

Der alkoholische Flüssigextrakt wird eingenommen, indem man ihn entweder leicht verdünnt mit Wasser oder pur ( vorsicht „brennt“) in den Mund nimmt und die Schleimhäute möglichst lange umspülen läßt. Für minimale Effekte sollte der Extrakt mindestens einer Ausgangsmenge von 2 Gramm der getrockneten Blätter entsprechen. Es werden oft viel höhere Dosierungen genommen. Die Potenz des Extraktes ist natürlich auch vom eingesetzten Ausgangsmaterial abhängig. Deshalb sind erhebliche Schwankungen möglich.

Der Festextrakt wird geraucht, indem man ihn möglichst vollständig verdampft und in möglichst wenigen lange einbehaltenen Zügen inhaliert. Auch hier wird das Äquivalent von mindestens einem halben Gramm der Blätter, oft aber eher das von ein bis vier Gramm der Blätter geraucht um eine deutliche Wirkung zu erzielen. Verdampfungsmethoden werden dem banalen Rauchen vorgezogen.

5. Es wird über einen komplizierten Extraktionsprozeß der reine Wirkstoff Salvinorin A gewonnen, beziehungsweise ein hochkonzentrierter Extrakt hergestellt. Der reine Wirkstoff wird von einer ausgeglühten Alu-Folie oder in einer Haschölpfeife verdampft und inhaliert. Die gerauchten Dosierungen liegen zwischen 0,3 und 2 Milligramm, sprich 0,0003 und 0,002 Gramm! Da dies für einen Laien äußerst schwer zu dosieren ist, hat man Salvinorin A auch in einem Verhältnis von 1 zu 25 auf die getrockneten Blätter aufgebracht, von denen dann 25 Milligramm, also 0,025 Gramm, eine typische Rauchdosis darstellen, die in einem Zug inhaliert werden kann. Bislang ist der reine Wirkstoff nur in einer kleinen Szene mehr oder weniger erfahrener Underground-Psychonauten in den USA, insbesondere in Kalifornien, zum Einsatz gekommen. Einer dieser Psychonauten, Mister „D.M. Turner“, hat ein sehr lesenwertes Buch über Erfahrungen mit Salvinorin A geschrieben. („Salvinorin. The Psychedelic Essence of Salvia Divinorum.“ Panther Press, San Francisco, 1996, ISBN 0-9642636-2-9). Ein deutsches Büchlein wird von Herrn Bert Marco Schuldes mit äußerster Spannung erwartet.

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Was hat es nun mit der merkwürdigen Wirkung dieser Pflanze auf sich? Es handelt sich bei dem Wirkstoff Salvinorin A um das stärkste aus der Pflanzenwelt bekannte Psychedelikum. Obendrein noch um ein Diterpen, also eine Substanz, die sich von den anderen bekannten Psychedelika chemisch erheblich unterscheidet.Wie Insider zu berichten wissen, scheinen Erfahrungen mit der Inhalation der geradezu winzigen Wirkstoffmengen von einer solchen Intensität und dermaßen bizarr, außer Kontrolle geraten und beängstigend zu sein, daß kaum jemand Lust auf die Wiederholung eines solchen Törns verspürt. Erfahrungen mit dem reinen Wirkstoff sind bei uns gegenwärtig sehr selten. Dagegen haben sich viele Leute schon durch die erheblich geringer konzentrierten alkoholischen Extrakte oder die Blätter getestet, oder sollte man besser gekämpft sagen?! Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Es scheint so, als müsse man das Gespür für die oft recht subtile Wirkung erst entwickeln. Vielleicht gibt es eine individuelle Schwellendosis. Und selbst wenn soetwas wie ein typischer Salvia-Raum des Bewußtseins erreicht wird, übt dieser auf einen Großteil der Konsumenten keinen sonderlichen Reiz aus. Dann gibt es aber auch wieder die besonders Sensiblen, die sich von der eigenartigen Bilder- und Gefühlswelt, die sich mittels Salvia erschliessen lassen kann, faszinieren lassen und sich zu wiederholten Besuchen aufmachen.

SALVINORIN A
SALVINORIN A

Lassen wir einfach mal einen Experimentierer berichten:

„Mir erging es so, daß ich einige Male mehr und mehr der Blätter oder des Extraktes geraucht und gekaut hatte, und doch schon recht „breit“ wurde, ohne mir darüber klarzusein, wie breit ich eigentlich war. Wenn ich die Augen schloß, spürte ich eine Intensität, die sofort verschwandt, wenn ich die Augen öffnete und mich Vertrautem zuwandte. Ich hatte das Gefühl, immer noch nichtgenug genommen zu haben. Andererseits hatte ich doch deutliche Koordinationsstörungen. Am Telefon lallte ich noch umständlicher als sonst. Musik kam gut. Als ich mir bei einer Gelegenheit im Foyer des Gruner & Jahr-Affenfelsens eine Fotoausstellung ansah, war ich keineswegs außer Kontrolle. Aber der merkwürdige Zustand, in dem ich mich befand, im Kontrast zu dem was ich tat, in Kombination mit dem wohlschmeckenden Lakritzeis, an dem ich wollüstig schleckte, beflügelte mein Amüsement, ohne daß ich genau sagen könnte, wie es mir emotional ging…

Auch die Kombination mit der Inhalation geistbeflügelnder Hanfdämpfe konnte mich nicht vollständig in einen Bereich bringen, den ich endgültig als Salvia-Space akzeptiert hätte, obwohl sie dem Ganzen eine spannendere Note verlieh…

Ein anderes Mal war der Bann dann schließlich doch gebrochen. Mittels des im Mundraum zerfliessenden konzentrierten alkoholischen Extraktes, spät in der Nacht. Ich hatte einen ganzen Film halluzinogener Visionen, insbesondere bei geschlossenen Augen. Und das Ganze von kristallklar kitschig-trivialer Intensität. Szenerien, wie durch ein vorgeschaltetes Auge oder ein Fischauge gesehen, vor einer Kulisse sanft fliessender holzmaserungsartiger Muster mit immer wieder wechselnder Motivwahl, …bunte Fische, spielende Delphine, ein Pingiun auf einer Eisscholle, jetzt sich tummelnde Wale in der Abenddämmerung…Banale graphisch perfekte bunte Bilder aus einer herrlich heilen Welt, aus dem Innern meines Geistes, aber doch auch wie FÜR MICH auf eine innere Leinwand projiziert. Aber auch hier: Beim Öffnen der Augen spüre ich zwar noch die Stärke der Droge, könnte mir aber fast einbilden, völlig nüchtern zu sein, bilde ich mir ein. Wie von selbst schliessen sich die Augen und ich gebe mich der urigen Energie und den eigenartigen Bildern wieder hin. Überraschend, ein schönes beeindruckendes Erlebnis.

Zwei Tage später nochmal mit einer erheblich höheren Dosis. Sofort, der Wunsch aufzustehen, keinen Bock zu liegen und auf Visionen zu warten, zu den anderen ins Wohnmobil rübergehen. Enthemmt, albern, völlig schräge drauf, alles ist schräge, irgendwie auch leicht halluzinogen verändert, schräge eben, auch räumlich, Schräglage. Schön, könnte ruhig noch stärker sein. Die Wirkung ist wie üblich kurz. Vielleicht eine halbe Stunde recht kräftig, nach zwei Stunden verflogen…

Als Nachwirkung hatte ich manchmal leichte Kopfschmerzen, besonders nach der Raucherei.“

Noch ist (mir) nicht klar, wo und wie genau Salvia divinorum und insbesondere der obskure Wirkstoff Salvinorin A in der Familie der Psychedelika einzuordnen sind. Es bleibt abzuwarten, ob es sich bei Salvia divinorum-Konsum nur um eine vorübergehende Modeerscheinung handelt, oder ob sich tatsächlich ein Stamm von Liebhabern etablieren wird. Vielleicht muß tatsächlich erst das morphogenetische Feld für eine Art Salvia divinorum -Konsens-Space erkaut und erraucht werden. Wer weiß? Oder wird gar das reine Salvinorin A als neuer Renner auf dem Markt psychedelischer Möglichkeiten auftauchen? Die Wirkungsbeschreibungen in den vorliegenden Berichten klingen eigentlich nicht so verlockend. Hört sich eher nach kosmischer Verwirrung oder gar psychedelischem Nihilismus an. Sollte das das Ende der Fahnenstange sein? Ich hoffe nicht.

Exkurs:

Die attraktiven Coleus-Arten: Verwandte der Salvia divinorum?

Eine Varietät des schnellwachsenden und wegen ihrer schönen meist mehrfarbigen Blätter als Topfpflanzen beliebten Coleus blumei-Sträuchleins und die weniger bekannte Coleus pumilus gelten bei den Mazateken-Indianern als nahe Verwandte der Salvia divinorum und stehen in einem gewissen Ansehen. Sie werden ähnlich wie diese in Heilungszeremonien eingesetzt, indem man die frischen Blätter zerquetscht und mit Wasser aufgeschwemmt zu sich nimmt oder sie zerkaut, so heißt es. Dieses Wissen animierte Undergrozndfreaks über Jahrzehnte hinweg immer wieder zu fruchtlosen Selbstversuchen mit den bei uns erhältlichen Topfpflanzen. Lasset euch gewarnt sein: Das bei uns gewachsene Coleus blumei-Kraut ist ein Augenschmauß, aber kein Gaumenkitzel. Im Gegenteil: Es schmeckt fürchterlich, und obendrein wirkt es nicht. Auch nicht, wenn man es in getrockneter Form raucht. Die original im tropischen Mexiko gewachsenen Varietäten dagegen sollen tatsächlich, wenn man sie beispielsweise raucht, einen durchaus spürbaren Effekt entfalten. Dafür verantwortliche Wirkstoffe sind bis dato nicht bekannt.

az

Und hier ein Interview mit dem Salvia Experten Daniel Siebert

 

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Psychoaktive Substanzen Specials

Ashwagandha

HanfBlatt, Nr. 65, April 2000

Ashwagandha

Ashwagandha, botanisch Withania somnifera, im Deutschen „Schlafbeere“, englisch „Winter Cherry“, ist ein bis zu eineinhalb Meter hoch wachsender Strauch aus der Famlie der Nachtschattengewächse mit auffallenden korallenroten Früchten, die an die leckeren Kapstachelbeeren erinnern, aber ungeniessbar sind. In der traditionellen indischen Kräuterheilkunde, der ayurvedischen Medizin, spielt Ashwagandha eine bedeutende Rolle. Ashwagandha gedeiht in Indien, Sri Lanka, Pakistan, Afghanistan und anderen asiatischen Ländern. Die Pflanze wächst wild in trockeneren Ödlandgebieten, wird aber auch angebaut. Sie findet sich auch in weiten Teilen Afrikas und in Südeuropa. Wo sie gedeiht, wird sie in der Regel medizinisch genutzt, so zum Beispiel in dem momentan so angesagten Südafrika (wo sie auf Afrikaans „geneesblaarbossie“ genannt wird).

Schon die alten Ägypter schätzten die Pflanze. So soll sie beispielsweise in Girlanden, die die Mumie von Tutanchamun schmückten, nachgewiesen worden sein. Bei der im alten Indien als Aphrodisiakum geltenden Wunderwurzel „jangida“ soll es sich um Withania somnifera gehandelt haben. Im arabischen Raum war ihre narkotische schlaffördernde Wirkung bekannt. Der syrische Name „Sekran“ bedeutet „Rauschmittel“.

Traditionell werden die Blätter, die Wurzel und hiervon insbesondere die Wurzelrinde angewandt. In Indien gilt die getrocknete Ashwagandha-Wurzel als verjüngendes Tonikum, als Stimulans und Aphrodisiakum, aber auch als Narkotikum. Es wurde und wird bei zahlreichen Symptomatiken eingesetzt, so unter anderem bei rheumatischen Erkrankungen, bei Ängstlichkeit, Nervosität und Schlafstörungen, bei Stress, in der Rekonvaleszenz, bei Appetitlosigkeit, bei Immunschwäche sowie Alterungserscheinungen wie zum Beispiel seniler Debilität, insgesamt ein Anwendungsfeld, das dem der Ginsengwurzel sehr ähnlich ist. Ashwagandha wurde deshalb auch als „Adaptogen“ kategorisiert und „Indischer Ginseng“ genannt. Auffallend ist auch eine gewisse harntreibende Wirkung. Zudem soll sie blutdrucksteigernd, schleimreduzierend und antiasthmatisch wirken und positiven Einfluss auf die Verdauung nehmen. Aufgrund wahrscheinlicher antibakterieller Wirkungen wird das Wurzelpulver, häufiger allerdings noch die Blätter, traditionell äusserlich bei Schwellungen, Entzündungen und Geschwüren aufgetragen.

Als Hauptwirkstoffe hat man Steroidlactone vom Typ der Withanolide extrahiert.

Sehr preiswert lassen sich die Ashwagandha-Wurzeln in den Heimatländern der Pflanze, zum Beispiel in indischen Kräuterläden erwerben. Bei uns ist sie frei verkäuflich und bisweilen im ethnobotanischen Fachhandel erhältlich. In indischen Apotheken erhält man potente aber nicht unbedingt nach europäischen Massstäben standardisierte Präparate, die konzentrierten Ashwagandha-Wurzelxtrakt enthalten, zum Beispiel „Dabur Ashwagandha Capsules“ mit jeweils 300 mg Extrakt pro Kapsel.

Als therapeutische Dosierung werden 2 mal täglich 300 mg des Extraktes empfohlen. Wer jedoch auch psychisch eine Entspannung spüren möchte, die subjektiv an Baldrian, Kava-Kava und Ginseng erinnern mag, erhöht diese Dosis meistens. Als entspannendes, hingabeförderndes, sowie erektionsverlängerndes Aphrodisiakum werden in Indien 2 bis 4 Gramm des Wurzelpulvers mit Milch gekocht, eventuell mit Zucker, Honig und Langem Pfeffer (botanisch Piper longum) aufgepeppt oder einfach mit Butterschmalz vermengt eingenommen. Die Dosierungen bei Erkältung und Husten, bei Rheumatismus und bei „Genereller Debilität“ liegen ebenfalls in diesem Bereich. Höhere Dosierungen gelten nicht als gefährlich, allenfalls als einschläfernd.

Die Einnahme von extrakthaltigen Kapseln ist am wirkungsvollsten. Es kann auch die feingemahlene Wurzel in Kapseln eingenommen werden. Aus der pulverisierten oder kleingehäkselten Wurzel lässt sich eine nicht besonders angenehm schmeckende Tee-Abkochung zubereiten, die sich allerdings mit Gewürzen, Süssungsmitteln etc. verfeinern lässt. Durch längeres Einlegen in hochwertigen Wodka lässt sich ein alkoholischer Auszug herstellen. Es ist möglich die Wurzel zu kauen, was auch gegen Zahnschmerzen helfen soll. Sie kann sogar geräuchert oder geraucht werden, eine traditionell zum Beispiel bei Asthma angewandte Methode.

Einen gewissen Ruf hat sich Ashwagandha unter Hanfliebhabern als rekreativ eingesetzter relaxender Wirkungsverstärker erworben. Der Wurzel werden Entspannung und Aphrodisie verstärkende Eigenschaften zugesprochen. Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Themenkomplex stehen leider wie so oft noch aus. Ob sich die in ihren Heimatländern hochangesehene und als weitgehend unbedenklich geltende Wurzel bei uns als Heil- oder gar softes Genussmittel etablieren wird, bleibt abzuwarten.

az

 

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Medizin

Cannabinoid Forschung

Sichere Handhabung, unglaubliche Eigenschaften

In den USA etabliert sich die Erforschung der Cannabinoide

„Vor 1990 wußten wir nicht genau, wie Cannabinoide funktionieren“, gibt Norbert E. Kaminski, Professor für Pharmakologie an der Michigan State Universität zu. „Die meisten Forscher dachten, daß die Bestandteile des Cannabis unspezifisch wirken, indem sie aufgrund ihrer Löslichkeit in Fett die Zellmembranen durchdringen.“ Erst in den späten 80er Jahren gelang es, die für die Cannabinoide zuständigen Rezeptoren im Detail zu studieren. Neuen Aufschwung erhält die Erforschung der Hauptbestandteile des Cannabis nun durch Entscheidungen auf der politischen Bühne: Durch die Volksentscheide in Kalifornien, Arizona und anderen Bundesstaaten der USA, Marihuana als Medizin zuzulassen, sieht sich der Staat gezwungen, die Eigenschaften der einst verpönten Pflanze genauer unter die Lupe zu nehmen. Höchste Ebenen sind eingeschaltet: Das „Office of National Drug Control Policy“ hat die „National Academy of Science“ beauftragt in einer 18 Monate währenden Studie die wissenschaftliche Basis und den therapeutischen Nutzen des medizinalen Hanfs zu erforschen (www2.nas.edu/medical-mj/). Die Studie wird nicht vor Anfang 1999 veröffentlicht, fest steht aber schon jetzt, daß Cannabis damit in den erlauchten Kreis der soliden Wissenschaft eindringt.

Den großen Sprung machte das Wissen um den Rauschhanf mit der Entdeckung der Cannabinoid-Rezeptoren. Dies sind kleine Empfangsstationen in Hirn und Körper, an die zum Beispiel THC, der aktivsten Wirkstoff im Cannabis, andocken kann. Alle Substanzen, die an diese, CB-1 Rezeptor genannte Stationen andocken können, werden Cannabinoide genannt. Der 1988 entdeckte CB-1 Rezeptor kommt hauptsächlich im Hirn vor, der CB-2 Rezeptor wurde 1990 entdeckt und treibt sein Wesen im gesamten menschlichen Körper. Steven R. Childers, Professor für Physiologie und Pharmakologie an der Wake Forest Universität in Winston-Salem, ist begeistert: „Das schöne an den Entdeckungen ist, daß sie Chemiker auf der ganzen Welt dazu bringen, Derivate aller Art zu entwickeln.“ Die synthetisch hergestellten Cannabinoide wirken potenter und effektiver. Drei dieser Derivate gelten mittlerweile als Standard im Forschungsbetrieb. Sie hören auf die kryptischen Namen WIN 55212-2 sowie CP 55-940, die als Agonisten fungieren, und SR 141716A, der als Antagonist eingesetzt wird (siehe HANFBLATT April 98).

Steven R. Childers
Steven R. Childers

Goldgräberstimmung kam 1992 auf, als ein Team um Raphael Mechoulam an der Universität von Jerusalem entdeckte, daß in jedem menschlichen Körper ein körpereigenes Cannabinoid existiert. Das Team gab dem Neurotransmitter den Namen „Anandamide“, nach dem Sanskrit-Wort für „Glückseligkeit“. Und Jüngst entdeckte man ein anderes körpereigenes Cannabinoid (2-AG). „Sehr potent sind diese chemischen Verbindungen nicht“, stellt Childers fest, „in dieser Hinsicht haben sie Ähnlichkeit mit dem THC. Und sie sind extrem instabil.“

Noch eine große Überraschung wartete auf die Wissenschaftler: Entgegen den Erwartungen ist der CB-1 Rezeptor enorm häufig im Gehirn vertreten. Childers: „Niemand hat erwartet, daß der Rezeptor für Marihuana in so hoher Menge im Hirn existiert.“ Diese Entdeckung paßt für Childers trotzdem ins Bild der bisherigen Forschungsergebnisse. „Wir wissen durch eine Anzahl von Tierversuchen, daß Cannabinoide Auswirkungen auf das Kurzzeitgedächnis haben. Und das macht auch Sinn, denn im Hippocampus, einem Teil des Großhirns, kommen viele CB-1 Rezeptoren vor. Und der Hippocampus ist ein wichtiger Teil des Kurzzeitgedächnisses“, führt der Wissenschaftler aus.

Paul L. Kaufman
Paul L. Kaufman

Der Schritt von den Enthüllungen der Cannabinoid-Rezeptor Forschung zu konkreten medizinischen Anwendungen ist nicht immer einfach. Beim Glaukom, einer gefährlichen Erhöhung des Augeninndendrucks, hilft Marihuana nachgewiesenermaßen. Daß sich Gras nicht als Medikament durchgesetzt hat, hat seinen Grund nicht nur in der Illegalität der Droge und dem mangelnden Interessen der Pharmakonzerne.

Für Paul L. Kaufmann, dem Direktor des Glaukom-Zentrums an der Universität von Wisconsin in Madison, liegt dies eher an der Wirkungsdauer von Cannabis. Marihuana reduziert den Augeninnendruck nur für drei oder vier Stunden, muß aus diesem Grunde öfter am Tag angewendet werden. Was vom Konsumenten eventuell als angenehm empfunden wird, ist der Forscher Graus. Sie wollen ein Medikament, welches ohne psychoaktive Nebenwirkungen lange wirkt. Ein anderes Problem sieht Kaufmann darin, daß noch weitestgehend unbekannt ist, warum genau Cannabis den Augeninnendruck senkt. Kaufmann gibt zu bedenken: „Die Leute sagen, daß man Marihuana einfach legalisieren sollte. Dies ist nicht unsere Art ein Medikament zu entwickeln. Wir wollen die Mechanismen verstehen, die hinter den Vorgängen stecken, und dazu die Moleküle so verändern, daß man mehr von den positiven und weniger von den negativen Effekten hat. Dann folgen klinische Testreihen und am Ende hat man ein therapeutisches Produkt. So sollte auch beim Marihuana vorgegangen werden.“ Gleichwohl ist auch Kaufman von den neuen Erkenntnissen begeistert: „Wir können durch die Rezeptor-Forschung die hydrodynamischen Eigenschaften des Auges besser verstehen lernen.“

Sandra Welch
Sandra Welch

Ein weiterer Anwendungsbereich von Cannabinoiden sind deren schmerzstillenden Eigenschaften. Howard Fields, Professor für Neurology an der Universität von Californien in San Francisco, ist sicher: „Die momentane Explosion an Wissen über Cannabinoide, und hier vor allem das künstliche Herstellen von Agonisten und Antagonisten, wird uns befähigen, neue Schmerzmittel zu entwickeln.“ Seine Kollegin vom Medical College in Richmond, Virginia, stimmt zu: „Unser Ziel ist es, die Dosis der Cannabinoide soweit zu senken, daß kaum noch Nebeneffekte auftreten“, sagt Sandra Welch, Professorin für Pharmakologie. Wird Marihuana geraucht, nimmt der Konsument über 60 unterschiedliche Cannabinoide auf. Es ist zum Teil noch unklar, welche von diesen wie wirken, zudem muß noch erforscht werden, wie das Zusammenspiel der Cannabinoide funktioniert.

In den USA drängen mittlerweile immer mehr Forscher in das Gebiet der Cannabinoid-Forschung. Die Euphorie ist ungebremst: Angeheizt durch die gesellschaftlichen Umbrüche, die in Marihuana nicht mehr nur eine suchtbringende Droge sehen und den Fortschritten in der Rezeptor-Theorie erlebt das Wissen rund um die Cannabis-Pflanze einen enormen Aufschwung. Zunehmend werfen auch die großen Pharma-Konzerne ein Auge auf die Umtriebe, sie hoffen auf Medikamente, die die Kassen klingeln lassen. Auch namhafte Experten und Institute scheuen sich nicht mehr, Cannabis-Blüten ins Reagenzglas und unters Mikroskop zu packen. Mit der International Cannabinoid Research Society (ICRS) hat sich eine Organisation gegründet, die sich auf Cannabinoide konzentriert. Vor zwanzig Jahren galten Cannabinoide in erster Linie als Bestandteile einer Pflanze, mit der Mißbrauch (Rausch) betrieben wird. Heute steht dagegen die Erforschung eines der Hauptbestandteile des Neurotransmittersystems im Gehirn im Vordergrund.

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Psychoaktive Substanzen Specials

Oxy – orientalischer Mohn

Über Orientalischen Mohn und andere Merkwürdigkeiten

Der hirnverbrannte und menschenverachtende „Krieg gegen Drogen“ treibt immer wieder absonderliche Blüten. Bei einer dieser Blüten geht es um eine äusserst beliebte und verbreitete Zierpflanze. So wurde in der Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar 1982 nicht nur der Anbau von Hanf endgültig verboten, mit der einzigen Ausnahme, wenn er „als Schutzstreifen bei der Rübenzüchtung gepflanzt und vor der Blüte vernichtet“ würde. Auch der Anbau von Schlafmohn (Papaver somniferum) wurde verboten. Dies mag in der Logik der Prohibitionistesn noch verständlich sein, weil sich von den grünen Mohnköpfen, wenn auch unter Mühen, selbst hierzulande hochwertiges Opium ritzen und aus den getrockneten Mohnköpfen ein potenter morphinhaltiger Tee kochen lässt, der zu einem oral einnehmbaren Festextrakt eingedampft werden kann. In Polen und anderen Ländern des Ostblocks braute man aus dem sogenannten Mohnstroh unter Zusatz von Chemikalien ein gesundheitlich äusserst bedenkliches injizierbares Gemisch zusammen, das unter der Bezeichnung „Compot“ oder „Polnische Suppe“ bekannt wurde.

Seltsam ist dagegen das gleichzeitige Verbot einer anderen Mohnart, des Orientalischen Mohns oder Türkenmohns, im damaligen Betäubungsmittelgesetz botanisch Papaver orientale und Papaver bracteatum genannt. Ob es sich bei den sehr ähnlichen Pflanzen doch um zwei verschiedene Arten handelt, ist umstritten. Es gibt zahlreiche Sorten und Kreuzungen. Die mehrjährige Staude, die leicht über Samen und Wurzelstecklinge vermehrt werden kann und mit ihren grossen orangen, roten oder rosa Blüten im Mai und Juni eine Augenweide zahlloser Vorgärten darstellt, enthält weder Morphin noch Codein, die beiden in erster Linie für die berauschende Wirkung des Schlafmohns verantwortlichen Alkaloide. Kein einziger Fall des „erfolgreichen“ Mißbrauchs dieser Zierpflanze dürfte dokumentiert sein. Dennoch setzte man sie pauschal mit Cannabis und Schlafmohn gleich. Der Grund: Die Pflanze enthält in den reifen Samenkapseln mehr oder weniger Thebain. Dieses Alkaloid ist dem Codein und Morphin chemisch nahe verwandt. Es selbst gilt aber zumindest bei Tieren angewandt als „Krampfgift“. Es wirkt demnach nicht sonderlich berauschend sondern eher krampffördernd, eine Wirkung auf die Normalsterbliche in der Regel gerne verzichten. Findige Chemiker könnten allerdings auf die Idee kommen, das Thebain aus der Pflanze zu extrahieren und auf einem nicht ganz einfachen chemischen Wege in morphinähnlich wirkende Substanzen (wie z.B. Codein, Oxycodon, Etorphin oder Buprenorphin) umzuwandeln. In dieser Hinsicht wurde bis in die Siebziger Jahre nämlich von US-Regierungsseite aus eifrigst geforscht. Man hatte die grandiose Idee, diesen chemischen Prozess zu monopolisieren, statt Schlafmohn, der auf dem Weg vom Feld zur Pharmaindustrie überall abgezweigt und ohne grossen Aufwand illegal konsumiert werden kann, den nicht so locker konsumierbaren Orientalischen Mohn anzubauen. So wollte man in Zeiten des Kalten Krieges den medizinischen Bedarf an Codein und anderen Opiaten und die zur Vorbereitung eines drohenden Weltkrieges anzulegenden Vorräte dieser Schmerzstiller sichern, und gleichzeitig der Ausrottung des Schlafmohns, dessen Anbau dann ja eindeutig nur noch dem Zwecke liederlicher verbotener Berauschung dienen würde, freie Bahn geben.

Schlafmohnsamen als Quelle von Öl, Brötchenbelag, Würzmittel oder Bestandteil schlesischer Leckereien hielt man schlichtweg für ersetzbar, z.B. durch Samen anderer Mohnarten. Die Endlösung der Schlafmohnfrage erschien den Forschern in greifbare Nähe gerückt. Nun bleiben wissenschaftliche Erkenntnisse, die in jederman zugänglichen Fachzeitschriften publiziert werden, ja auch kriminellen Elementen nicht lange verborgen. Selbst in der „High Times“ wurde schliesslich darüber berichtet. So befürchtete man, dass die zunächst genialisch anmutende Idee auch nach hinten losgehen könnte. Was wäre, wenn chemisch versierte Übeltäter einfach Orientalischen Mohn anpflanzen, das Thebain extrahieren und in potente Opiate umwandeln würden. Irgendwie so muss man gedacht haben, als man auf die Schnapsidee kam, den Orientalischen Mohn in der BRD zu verbieten. Dieses Verbot blieb in der Öffentlichkeit praktisch vollkommen unbeachtet. Im Frühjahr blühte der Türkenmohn wie eh und je auch in den Gärten von Richtern, Polizisten, Politikern und Staatsanwälten, ohne dass sich jemand einer Schuld bewusst war. Am 1.September 1984 wurde dann sang- und klanglos der Anbau zu Zierzwecken wieder zugelassen. Ende einer absurden Episode möchte man meinen.

Nicht ganz, denn jetzt kommen aus den USA Meldungen über die zunehmende Verbreitung des Konsums eines „neuen“ und dabei doch mal wieder so alten „Superopiates“: Oxycodon (= früher Dihydroxycodeinon= heute Dihydrohydroxycodeinon) heisst die Substanz, die aus Thebain synthetisiert wird. Von dieser Teilsynthese wurde zuerst schon 1916 in Deutschlands Fachpresse berichtet. Als medizinisches  Präparat wurde es von der Firma Merck 1919 unter dem Namen Eukodal zur Schmerzlinderung und Hustendämpfung eingeführt. Bereits 1920 berichtete man in der Fachliteratur von einem ersten Fall von „Eukodalismus“. Fälle von „Eukodalsucht“ hielten sich aber bis in die Dreissiger Jahre in Grenzen. Dennoch unterstellte man die Substanz schliesslich dem Opiumgesetz. Zu einem neu aufflammenden Interesse an diesem lange Zeit im Abseits dümpelnden Opiat dürfte jetzt auch das neue recht teure Buch des Chemieafficionados mit Undergroundattitüde Otto Snow beitragen. Er hat sein Werk schlicht und einfach „Oxy“ (ISBN 0-9663128-2-1, 31.95 US-$) genannt. Es handelt sich um eine Sammlung von Reprints überwiegend älterer englischsprachiger und sogar einiger deutscher wissenschaftlicher Texte rund um den Anbau von Schlafmohn, die Gewinnung von Morphium, die Extraktion von Thebain und die Teilsynthese von, man kann es schon erahnen: Oxycodon. Praktische auf eigenen Erfahrungen beruhende Anleitungen gibt er nicht. Das Ganze versteht sich eher als sammlerische Vorarbeit und Herausforderung an die Drogenpolitik – denn, indem Snow den Menschen ein gewisses Know How zur Gewinnung und Herstellung der wirksamsten und verträglichsten Gruppe von Schmerzmitteln, nämlich den Opiaten, zur Verfügung stellt, ermächtigt er sie, sich selbstbestimmt und unabhängig von staatlicher Gnade und restriktiven Gesetzen zum Beispiel in Zeiten der Krise von katastrophen- oder kriegsbedingten Schmerzen zu befreien. So gesehen sicherlich ein heroischer Akt.

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Cannabis Psychoaktive Substanzen

Interview mit Frank Zander, Mr. Cannabusiness

Integration in das System der Wirtschaft?

Interview mit „Mr. Cannabusiness“

Mit der Cannabusiness etablierte er die größte Hanfmesse der Republik. Im E-Mail Interview mit dem HanfBlatt beschreibt Frank Zander den Stand und die Aussichten der deutschen Hanfwirtschaft und gibt Tips für junge Unternehmer.

HanfBlatt:

7500 Besucher auf der CannaBusiness 1996, 8.000 Besucher auf der CannaBusiness 1997. Es scheint fast so, als hätte sich in Deutschland eine „schwarze“ Messe etabliert.

Zander:

Nicht nur die Besucherzahlen belegen, daß sich die CannaBusiness als Messe und Marketinginstrument tatsächlich etabliert hat. In diesem Jahr stieg die eh schon hohe internationale Beteiligung ausländischer Aussteller um fast 6% auf einen Gesamtanteil von nunmehr 46,4%. Aber was meinen Sie mit „schwarzer“ Messe?

Ein Wortspiel. Aber um es ernst zu nehmen: Es handelt sich ja um eine Veranstaltung, in der es um den Verkauf von Produktlinien rund um die Cannabis-Pflanze geht. Zubehör zum Genuß einer illegalen Droge macht ein Viertel (23,3%) der Messe aus, Instrumentarium zum Züchten des verbotenen Gewächses ein weiteres Viertel (28,8%). Ist Ihnen nicht manchmal mulmig zumute?

Stoßen Sie mit dieser Frage nicht in das gegnerische Horn der Dämonisierung? Grundsätzlich sollten wir erst einmal davon ausgehen, daß Cannabiskonsumenten, eine immer größer werdende Zahl von Nichtrauchen den Sympathisanten und medizinischen Anwendern den Genuß von Haschisch und Marihuana als legal ansehen. Illegal ist und wird er per Gesetzeskraft „gemacht“ und durch Rest-Volkes Stimme als das angesehen. „Dieses“ Zubehör (Paraphernalia) zum Genuß wird auch auf anderen Messen gehandelt, nur nie im Hanfkontext behandelt. Viele dieser Artikel sind im konventionellen Handel erhältlich. Das „Instrumentarium“ zum Züchten… (Growing) kann natürlich zum erfolgreichen, aber illegalem Anbau von Drogen benutzt werden. Aber genauso gut können „legale“ Pflanzen mit diesem Instrumentarium erfolgreich gezüchtet werden. Nur lassen sich diese Produkte mit dem Spannungsgeladenen Image vom Cannabis besser verkaufen. Richtig, hier habe ich mit dem Auge gezwinkert – ich wollte lediglich verdeutlichen, das heutzutage alle diese Produkte, verstreut , aber in allen Lebensbereichen legal erhältlich sind. Warum sollte mir da also mulmig werden? Mit CannaBusiness nennen wir nur das Kind beim Namen.

Womit sie den Dämon erfolgreich verscheucht haben.

Davon kann ja wohl nicht die Rede sein.

Das zum Verbrennen von heilenden Kräutern genutzte Rauchzubehör geht ja wohl noch immer recht erfolgreich über die Ladentische.

… noch immer recht erfolgreich…? Immer erfolgreicher. Das liegt wohl auch darin begründet, das unter anderem auch durch die CannaBusiness die Rauchkulturen der Welt zusammenführt und dem europäischen Markt hautnah präsentiert werden.

Wie, denken Sie, sieht das Marktpotential von „rauschfreien“ Hanfprodukten aus?

Auf lange Sicht werden sich eine Reihe von Hanf-Produkten-Linien am Markt durchsehen, dessen sind wir sicher (siehe auch HPL, Nova-Institut). Kurzfristig muß aber zunächst der industrielle Einsatz von Hanfrohstoffen wie beispielsweise als Dämmstoff oder in der Autoindustrie gesichert werden. Die Aufschlußanlagen Zehdenick und BaFa sind da erst der Anfang. Vergessen wir nicht, welche Hürden Hanf-Rohstoffe zu nehmen haben: Starke Preis- und Ressourcenkonkurrenz anderer Rohstoffe, Forschungs- und Entwicklungsdefizite hinsichtlich technischer Parameter, Lobbies, deren Witschaftsgruppen die sie vertreten, die neue, starke Konkurrenz durch den Hanf erkannt haben, um nur einige zu nennen. Nicht zu vergessen, das Image, welches gelegentlich von einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema zurückschrecken läßt. Aber gerade dieses junge, frische, herausfordernde Image des Hanfs war überaus erfolgreich bei der ersten Plazierung von Hanfprodukten im Konsumerbereich seit 1994. Die Produktlinien Textil, Kosmetik und immer stärker Food & Beverage (Nahrungsmittel) haben in den wenigen Jahren Marktanteile, wenn auch im Promillebereich, erobern können. Von einer Marktdurchdringung kann aber noch lange keine Rede sein. Dazu wäre es erforderlich, diese Hanfprodukte in die Vertriebsschienen großer, konventioneller Handelshäuser zu plazieren. Wie schwierig so ein Unterfangen ist, weiß jeder der es schon einmal versucht hat. Auch wären nur wenige der heutigen Hanf-Firmen in der Lage, die Lieferkonditionen in ihrem Umfang zu erfüllen. Versuche dahingehend aber gab es schon einige im Textilbereich. Sang und klanglos gingen die ersten Versuche von Otto und Quelle unter. Bei dem Quelle-Angebot seinerzeit dürfte der Mißerfolg auch in der Fehleinschätzung seitens Frau Steilmann hinsichtlich der weiblichen Zielgruppe begründet liegen. Das bei den „Großen“ dennoch an das ökologische Käuferpotential gegla ubt wird, zeigen neuere Kataloge, die eine breite Palette pro-ökologischer Textilien aus nachwachsenden Rohstoffen anbieten, wo dann auch der Hanf wieder dabei ist. Und hier liegt die Chance. Auch wenn der Hanf singulär über ein starkes Image-, sprich Marketingpotential verfügt, so sollte er immer im Kontext „nachwachsende Rohstoffe“ gesehen werden und das auch von den Mitbewerbern. Es ist nicht einfach für eine natürlich Ressource wie dem Hanf, der fast 50 Jahre dem Landwirtschafts-, Industrie- und Handelskreislauf entzogen war, erneut Fuß zu fassen und relevante Marktanteile zu erobern. Wir halten es da aber mit Bröcker’s „Schlachtruf“: Es gibt viel zu tun. Pflanzen wir es an! Nach 50 Jahren Abstinenz aus dem Wirtschaftskreislauf sieht sich der Hanf einer ständig gewachsenen, starker Interessensvertretung seiner Rohstoffkonkurrenz gegenüber. Unter technischen und ökologischen Aspekten besitzt der Hanf eine starke Ausgangsposition, um als

natürliche Ressource seinen Platz im Kreislauf der Wirtschaft zurück erobern zu können. Stünde dem Hanf oben beschriebenes Instrumentarium zur Verfügung, würde alles ein klein wenig schneller und effizienter gehen – nur sollte man nicht zu schnell ungeduldig werden.

Das klingt nach den Rahmenbedingungen des Kapitalismus, oh, Verzeihung, der Marktwirtschaft. Sehen Sie einen signifikanten Unterschied zwischen der Hanfszene und anderen Zweigen der Wirtschaft? Wird sich hier mit der Nettigkeit der Haschbrüder behandelt?

Klar sind das die Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft oder sehen Sie eine Möglichkeit mit Hanf und seinen Produkten eine marktwirtschaftliche Weltrevolution zu starten?

„Hemp heals the world“, sagt der Mann mit dem Bart.

Hat er auch gesagt wie?

Rauchen, Rauchen, Rauchen.

Es gibt im gesamten Verlauf der Wertschöpfungskette von Zucht/Anbau bis zum Marketing und Vertrieb keine signifikanten Unterschiede in Hinsicht von Geschäftsabläufen und -regeln . Ich hoffte, dieses mit meinen voran gegangenen Erläuterungen schon deutlich hervorgehoben zu haben. Ich finde es aber gefährlich, wenn Sie durch Ihre Fragestellung implizieren, das die Hanfwirtschaftsszene durchweg von „Haschbrüder“ besetzt sei. So etwas nehmen andere Medienvertreter gerne auf. Meinen persönlichen Erfahrungen nach herrscht schon ein gemeinsamer Konsens, wenn es sich um den Hanf dreht, auch ist das Arbeiten generell mit der Hanfszene von einer angenehmen Atmosphäre geprägt. Geht es dann aber um das eigene Geschäft, kristallisiert sich die eigene Interessenwahrung schon deutlich hervor. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Gut, daß Sie die Normalität der Hanfszene noch einmal so deutlich herausgearbeitet haben. Im übrigen stehen Haschbruder und -Schwester ja nicht nur für den von Ihnen nicht ausdrücklich genannten unmotivierten Hänger, sondern in meinen Augen auch für den kleinen Unterschied im Umgang miteinander, für ein anderes Verständnis der Zusammenhänge von Natur und Mensch und deswegen eben eventuell auch für ein in Ansätzen verändertes Geschäftsgebahren.

Verwechseln Sie bitte nicht Geschäftsgebahren und Geschäftsregeln.

Als Kenner der Szene: Würden Sie -aus ökonomischer Sicht- heute noch jemanden empfehlen einen Head- oder Hanf-Shop zu eröffnen? Wo liegen die größten Risiken für den ja meist jungen Unternehmer?

Erste Frage: Ja. Die Eröffnung eines Einzelhandelgeschäftes birgt – egal in welcher Branche – immer eine Reihe von Risiken, von denen sich aber schon in der Planung eine Vielzahl minimieren lassen. Grundsätzlich sollte kein Hanfbewegter annehmen, daß weder seine Afición zur Nutz- und Genußpflanze, noch die wachsende wirtschaftliche Bedeutung alleine der Garant für ein erfolgreiches Geschäft sind. Der steigende Bekanntheitsgrad der verschiedenen Produktlinien ist in der Berechnung des zu erwirtschaftenden Bruttoumsatzs ebenfalls vorsichtig zu bewerten. Eine kühle und sachliche Bewertung des Einzugsgebietes – Konkurrenz, Käuferpotential, -schichten, etc. – hat eine tragende Funktionen in der Planung. Die Vergangenheit auch hat gezeigt, daß häufig die Fehleinschätzung der persönlichen Möglichkeiten in Verbindung mit einem ungenügenden Finanzkonzept zu Geschäftsschließungen geführt haben. Gerne erinnere ich mich eines zutreffenden Kommentars von Matthias Bröckers während der Aufbaujahre des HanfHauses: „Wenn Du heute ’ne normale Pommesbude aufmachen willst, brauchst Du mindestens 50.000,- Mark. Hier rufen Leute an, die mit 10. – 15.000,- Mark ein HanfHaus aufmachen wollen. Wie soll das dann funktionieren?“ Es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer, statt Risiken möchte ich sie Voraussetzungen nennen, die erfüllt sein wollen, um als EinzelhändlerIn reüssieren zu können.

In welchen Bereichen wurde bislang der größte Umsatz erzielt? Grow-Zubehör, Konsumhilfen, Hanfmode? Gibt es Erkenntnisse darüber, wer welche Produkte kauft? Und wohin geht ihrer Ansicht nach die Entwicklung?

Es ist äußerst schwierig an verläßliche Umsatzzahlen zu kommen. 1996 versuchten wir über einen neutralen Fragebogen das Cannabusiness in erste Zahlen zu fassen. Leider erhielten wir nur wenige Antworten bei den Jahresbruttoumsaetzen. Auch das Käuferprofil und -verhalten ist unerforscht. Wenn ich wüßte wo die Entwicklung hingeht, würde ich Ihnen dieses E-Mail-Interview sicherlich von der Terrasse eines Südseedomiziles geben. Der wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Cannabusiness‘ wäre es durchaus zuträglich, wenn sich ein Dachverband konstituieren könnte, der neben der Bearbeitung oben genannten Fragen, auch die Vertretung zumindest des kleinsten gemeinsamen Nenners der Hanf-, Grow- und Parphernaliaabteilungen übernommen sollte. Die Schwierigkeit, einen solchen, schon von einigen Seiten geforderten, Verband zu konstituieren, liegt nicht, wie Sie ja schon häufiger vermuteten, in einer „Haengermentalitaet“ der Haschbrüder und -schwestern begründet. Nüchtern betrachtet müßten sich Hanftextiler eher in den zuständigen Textilverbänden und Samenhändler eher beim Bundesverband Deutscher Samenhändler und Pflanzenzüchtern organisieren. Letzterer zählt auch zu seinen Aufgaben, die Mitglieder über rechtliche Änderungen ständig auf dem Laufenden zu halten.

Das Hanfnet versucht ja, über das Internet eine Organisierung der Hanf-Szene voranzutreiben. Welches Potential sehen sie im Netz?

Das Internet wird noch einige Jahre die Funktion als reine Informationsquelle innehalten. Sowie aber das E-Cash sicher und stabil etabliert worden ist, die Verbreitung von Internet-Zugängen relevante Formen angenommen hat, werden eine Vielzahl von Geschäftsvorgängen auch dort getätigt werden. Wir werden mit www.cannabusiness.com darauf vorbereitet sein.

Wenn Sie zum Abschluß den Gedanken mal freien Lauf lassen: Was wünschen Sie sich für die Hanfszene im Jahre 1998?

Wenn ich meinen Gedanken mal freien Lauf lassen würde, müßte Ihr Verlag wahrscheinlich einen Sonderband herausbringen. Somit mache ich es kurz: Achtung, an alle! Ich wünsche gesunden Start ins neue Jahr, persönliches Glück und erfolgreiche Geschäfte. Macht weiter so!

Vielen Dank für das Interview.

 

Info

Frank Zander, Jahrgang 1956, geboren in Kiel, Industriekaufmann, begann im Alter von 25 Jahren eine rund 10-jährige Wanderschaft mit Lebensabschnitten auf den Bahamas, der Dominikanischen Republik und den USA sowie jeweils längere Aufenthalte auf Ibiza. Seit 1989 festes Domizil im Ruhrgebiet. Aufbau eines Jazzclubs und Magazin, erste Zusammenarbeit mit heutigen Geschäftspartner Emil Riechmann. 1993 Gründung der Tri Tec GmbH, die die jährliche Hanfmesse Cannabusiness ausrichtet. Bei wenig Freizeit bleiben seine Hobbies: Jazz, Essen & Trinken, Reisen.

 

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Cannabis Drogenpolitik

Die Hand an der Knüppelschaltung

Hanfblatt, Juli 1999

Cannabiskonsumenten fahren gefährlich

Der laborärztliche Befund ist positiv. Während die werdende Mutter sich über solche Nachricht meist freut, ist dies für den Konsumenten von Cannabisprodukten oft der Beginn einer Odyssee durch die staatlichen Institutionen. Denn wer nicht nur Tabakrauch inhaliert und den Hütern der Ordnung in die Hände fällt, kann damit rechnen, in nächster Zeit freundliche Einladungen zum fröhlichen Zielpinkeln in Reagenzgläser zu erhalten. Aber der Reihe nach:

Wie fährt der Kiffer?

Es mangelt mittlerweile nicht an wissenschaftlichen Antwortversuchen auf die Frage, ob und wie sich das Fahrverhalten unter Cannabiseinfluß ändert. So legte Bernd Möller 1976 in seiner Dissertation über „Veränderungen der Fahrtauglichkeit unter Haschisch“ fest, daß „Kraftfahrer unter Haschischeinfluß grundsätzlich als fahruntauglich anzusehen sind.“ Dies sieht der US-Wissenschaftler A. Smiley anders. Nach Auswertung seiner Studien stellt er in Frage, ob Cannabis überhaupt verkehrsmedizinisch relevante Leistungseinbußen impliziere. Bei diesen konträren Ergebnissen stellt sich die Frage, wo die Wahrheit sich versteckt. Es gilt auch hier: Untersuchungsdesign, Auftraggeber und persönlicher Hintergrund der Forscher bestimmen maßgeblich das Resultat der Analyse – und natürlich die verabreichte Dosis. Dies gilt für die vielzitierte Studie von H.W.J. Robbe aus Maastricht ebenso. Ihr zufolge chauffieren leicht bekiffte Fahrer relativ sicher – jedenfalls im Vergleich zu angetrunkenen. Zudem erkennt der THC-Freund seine Ekstase und nimmt den Rausch länger wahr, als durch objektivierbaren Einbußen der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar wäre.

Fest steht: Akuter Haschischeinfluß beeinträchtigt die Reaktionszeit; aber nicht in dem Maße wie Alkohol. Zugleich zeigen die Probanden aller bisherigen Untersuchungen eine reduzierte Risikobereitschaft. Innerhalb der ersten Stunde nach Genuß traten die Verschlechterungen der Leistung um so deutlicher hervor, je schwieriger die Aufgaben waren und je mehr Leistungen gleichzeitig erbracht werden mußten. Spätestens jenseits der zweiten Stunde nach Rauchbeginn wurden in allen Studien nur noch wenige Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit eruiert.

So weit, so gut. Doch

wie reagiert die Obrigkeit?

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gab vor ein paar Jahren einem Autofahrer recht, welcher sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah, weil er sich nach dem kompletten Inhalieren eines Joints einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU, kurz: Idiotentest) unterziehen mußte. Der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Lübecker Landgerichts, Wolfgang Neskovic (später bekannt aus Funk und Fernsehen), vermutete daraufhin in der TAZ, daß die „allgemeine Hatz von Gerichten und Straßenverkehrsbehörden auf Haschischkonsumenten erheblich erschwert wird.“ Fehlurteil, Herr Richter! Auch nach dem Spruch des obersten Gerichts kam und kommt es in der Bundesrepublik zu massiven behördlichen Angriffen auf die Lizenz zum Karren.

Wer einen mobilen Untersatz steuert und dabei von der Polizei mit Cannabis in den Taschen überrascht wird, dem droht folgendes Szenario: Ob Urin-, Haar-, oder Blutprobe; die Meister der Wacht prüfen auf körperfremde Substanzen. Allen Berichten über „HaschoMaten“ oder sonstige „sichere Indikatoren“ zum trotz, gibt es allerdings bisher keinen Apparat, der Drogenkonsum sicher und exakt feststellen kann. Zwar kann Mithilfe moderner Meßtechniken angezeigt werden, daß der Mensch irgendwann in den vergangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert hat – es kann aber nicht festgestellt werden, wann (Stunden, Tagen oder Wochen?) und in welchem Umfang. Und: Auch die kulinarische Verarbeitung von Hanfprodukten, wie etwa durch geröstete Hanfsamen oder durch den Einsatz von Hanföl, führt bei einem kommenden Test zum Nachweis von THC-Metaboliten. Unter Umständen wird also sogar der Zugriff auf nachweislich gesunde Nahrungsmittel bestraft. Nur am Rande sei hier erwähnt, daß selbst Labore, die nach ähnlichen Arbeitsweisen vorgehen, häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine merkwürdige Praxis spielt sich ein: Trotz der Tatsache, daß keine Testmethode existiert, die den Zeitpunkt des Konsums auch nur annähernd exakt bestimmt, führt der positive Laborbefund in den meisten Fällen zum Entzug der Fahrerlaubnis. Die Chancen hierzu steigen noch, wenn der überführte Bösewicht offen eingesteht, ein Liebhaber der verbotenen Pflanze zu sein. In der Praxis ist das Vorgehen gegen die Konsumenten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Während in Bayern mit freistaatlicher Härte jeder sanktioniert wird, der jemals Marihuana oder Haschisch gekostet hat, kommen aus den Großstädten Hamburg und Berlin -Metropolen mit Problemstoffen härterer Natur- nur wenige Meldungen über restriktive Verfolgungen.

Bei der „Grünen Hilfe“ gehen in den Länderbüros zwischen zehn und 30 Anrufen täglich ein. Der Verein bemüht sich seit Jahren um Betroffene, deren Führerschein aufgrund von Haschischkonsum eingezogen wurde. Christiane Eisele bemerkt: „Es herrscht ein enormes Informationsdefizit bei den Kiffern.“ Einmal in eine Kontrolle geraten, im schlimmsten Falle eingeschüchtert durch die Uniformierten, schimmert bei vielen nur wenig Ahnung über ihre Rechte und Pflichten. Dabei tut Aufklärung dringend not, denn inzwischen lädt das Amt fast jeden, der auch nur einmal als Haschraucher aufgefallen ist, zur MPU. Wer hier nicht auf die Knie fällt und glaubhaft versichert, das Hanf ein Machwerk des Bösen ist, darf sich in den nächsten Jahren auf die Qualität seiner Schuhsohlen verlassen. Nicht genug damit: „Uns sind auch Fälle bekannt, wo das Arbeitsamt Drogenkontrollen durchführt und schon zugesagte Umschulungen storniert, das Arbeitslosengeld sperrt und den Menschen als dem Arbeitsmarkt nicht zumutbar deklariert“, berichtet Eisele.

So weit, so schlecht, doch

was ist zu tun?

Ein böser Verdacht verdichtet sich. Nicht nur, daß die Bonner Regierung bisher die Entscheidung des Verfassungsgerichts stillschweigend ignoriert; konservative Kräfte suchen allem Anschein nach einen Ausweg aus der Liberalisierungsfalle. Durch die Hintertür kann so der Haschischkonsum doch noch sanktioniert werden. Erste Schritte leitete die Verwaltung jüngst ein: Seit dem 1. Juli dieses Jahres eichen die amtlichen Prüfungsfragen den Fahrschüler auf Prohibitionskurs. Als Kraftfahrer sind danach alle Personen ungeeignet, die „regelmäßig Drogen, (wie z.B. Haschisch, Heroin, Kokain) nehmen, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Fahrt nicht fahruntüchtig sind.“ Andere, ähnliche Fragen und unstatthafte Behauptungen lassen den Fragebogen zu einem Instrument der Desinformation geraten, der jedweden wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Eine weitere flankierende Maßnahme, um Menschen den Genuß der Cannabis Pflanze zu versauern, ist die Hoffnung, daß wiederholte Urinkontrollen bei den sogenannten Drogendeliquenten ein Therapiemodell mit Zukunft sei.

Die „Grüne Hilfe“ fordert einen anderen Weg. „Haschisch muß aus dem Betäubungsmittelgesetz verschwinden“, sagt Eisele knapp. Ein Führerscheinentzug nur aufgrund des Nachweises von THC im Körper verstößt nach ihrer Ansicht ferner gegen das Gleichheitspostulat des Grundgesetzes (Art.3 GG), denn Alkoholtrinkern würde auch nicht generell der Führerschein entzogen. Daß die Behörde die Fahreignung von Kiffern strenger prüft als bei Konsumenten legaler Drogen, stellt nach Ansicht von Harald Hans Körner, Herausgeber des Standardkommentars über das Betäubungsmittelgesetz, jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, „da im Sicherheitsrecht Gefahren ohne Rücksicht darauf begegnet werden muß, ob andere Gefahren mit gleichem Nachdruck begegnet werden kann.“ Knackpunkt der staatlichen Argumentation ist weiterhin die Chance auf den „Flash-Back“. Dieses umstrittene Phänomen soll den Raucher Tage nach Haschlabsal urplötzlich wieder in den Rauschzustand katapultieren. Da kann man wohl nur sagen: Schön wär´s. Eisele nimmt an: „Solange das Verfassungsgericht nicht feststellt, daß es den Echorausch nicht gibt, wird das Alles so weiterlaufen.“ Das Verkehrsministerium überholt die Wissenschaft rechts und brachte jüngst einen Entwurf ein, welcher der herrschenden Praxis rechsstaatliche Legalität verschafft. Danach soll der- oder diejenige, deren Blut mit THC belastet ist, mit einem bis zu drei Monaten währenden Fahrverbot und einem Bußgeld zur Besserung gebracht werden. Im Blut läßt sich die berauschende Substanz indes maximal zwei Tage lang nachweisen. Danach fällt der THC-Metabolitenwert im Blutplasma auf unter 1.0 ng/ml und nach geltender Rechtsprechung ist dann von keiner Wirkung mehr auszugehen.

Wie groß muß nun die Angst sein, mit THC im Leib erwischt zu werden? Dies hängt maßgeblich von der konsumierten Menge, dem Körpergewicht und den Konsumgewohnheiten ab. Wer Abends einen Joint raucht, der kann am nächsten Morgen immmer noch über 1,0 ng/ml im Blut haben. Wer sich dann aus Sicht der Polizei auch noch ungeschickt benimmt, der kann den Lappen durchaus verlieren. Besser ist es mindestens 24 Stunden zwischen Konsum und Fahrtantritt verstreichen zu lassen. Dauerkonsumenten sollten sich sogar noch mehr Zeit nehmen.

 

Nachtrag 2007: Mittlerweile existieren durchaus genaue Methoden zur Messung der THC-Werte im Blut. Einen Einblick in den akutellen Sachstand von Messbarkeit, juristischen Folgen und MPU gibt:

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Interview mit dem Ethnobotaniker Christian Rätsch

HanfBlatt, 1999

„An mir hat sich die Eso-Szene schnell die Zähne ausgebissen.“

Es ist schon vier Jahre her, dass das HanfBlatt das letzte Mal mit dem Ethnobotaniker Christian Rätsch sprach. Inzwischen ist viel passiert, sei es in der Drogenpolitik, sei es auf dem Markt der psychoaktiven Pflanzen. Christian Rätsch reist zu Schamanen auf der ganzen Welt, hält Vorträge und leitet Seminare, die sich mit geistbewegenden Pflanzen beschäftigen und hat jüngst ein in der Erdgeschichte einmaliges und hochgelobtes Kompendium, die „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ veröffentlicht. Wir trafen den „Meister“ in leicht grummeliger, aber offener Stimmung in seinem Apartment in Hamburg an. Seine begehrenswerte Frau und nicht minder aktive Mitstreiterin, die Kunsthistorikerin Claudia Müller-Ebeling bereitete uns einen leckeren grünen Tee zu, während sich Christian mit einem Urbock in Wallung brachte.

Dr. Christian Rätsch

 

Christian Rätsch (Cr)
AZ (Az)
Jörg Auf dem Hövel (Jh)

Jh:

Was gibt es denn so Neues auf dem Markt der Genusserfahrungen?

Cr:

Ich habe jüngst ein paar Mal eine Methode der Indianer angewandt, die Wirkung des Ayahuasca-Trankes zu verlängern. Wenn die Wirkung des DMT nachlässt, trinken sie einen Schluck Whiskey oder ein Bier. Dann kommt nach fünf Minuten der DMT-Flash zurück.

Az:

Also schon mal ein Bierchen fürs nächste Mal bereitstellen, falls man sowas plant.

Cr:

Das würde ich niemandem empfehlen wollen. Dieser Art „Booster“ ist für manche Leute gefährlich. Die Witoto in Kolumbien sind ganz begeistert von der Kombination. Überhaupt war der Schnaps ja das, was die Schamanen auf der ganzen Welt an der westlichen Kultur am meisten geschätzt haben. Das entspricht ja ihrem Prinzip, die Zubereitung immer konzentrierter zu machen. Mich würde nicht wundern, wenn Schamanen irgendwann Labors haben, um DMT-Extrakte herzustellen. Schamanen sind vorzügliche Naturwissenschaftler.

Az:

Vor einiger Zeit hast du dich ja relativ kritisch gegenüber dem westlichen Schamanenkult geäussert.

Cr:

Das tue ich auch immer noch. Schamanismus ist eine soziale Definition in traditionellen Gesellschaften. Man braucht ein Berufungserlebnis, man muss von einem amtierenden Schamanen geprüft werden, ob das Erlebnis echt ist, dann muss man in die Lehre und schliesslich muss man öffentlich initiiert werden. In Korea beispielsweise muss die neue Schamanin über neun Stufen eine Leiter hochsteigen und dann mit nackten Füssen auf zwei rasierklingenscharfe Metallschneiden steigen. Wenn sie wirklich in schamanischer Trance ist dann passiert ihr nichts.

Az:

Unsere als Schamanen gepriesenen Techno-DJs würden also ohne Füsse rumrennen?!

Cr:

Wahrscheinlich. Der Schamane opfert sein Leben den Menschen. Er oder sie ist nur noch für sie da. Zudem darf man seine Leistungen nicht in Rechnung stellen und muss angstfrei und unkonditioniert leben. Dies sind Eigenschaften, welche ich bei keinem der selbsternannten Schamanen in unseren Breiten jemals auch nur annähernd beobachten konnte. Die hauen auf die Trommel und meinen das induziert die Trance. So ein Unsinn. Das kann zwar zu einem veränderten Bewusstseinszustand führen, dies ist aber nicht mit der schamanistischen Reise gleichzusetzen.

Jh:

Also sollte man den Begriff des Schamanismus im Westen nicht so ohne weiteres benutzen?!

Cr:

Richtig.

Az:

Bei uns wird immer schnell mit den grossen Begriffen gearbeitet.

Cr:

So ähnlich wie beim Begriff des Tantra. Das ist dann Ringelpietz mit Anfassen.

Jh:

Interessant ist ja dabei, dass dieser Markt nur entstanden ist, weil bei den Menschen der Wunsch nach Erlebnissen dieser Art vorhanden ist.

Cr:

Klar, das kann ich auch verstehen, dass dieser Wunsch da ist, nur wird er halt von Scharlatanen scheinbefriedigt. Leider sind die Suchenden oft zu leichtgläubig und fallen auf den marktschreierischen Unsinn rein.

Jh:

Bei den ganzen Angeboten des esoterischen Marktes ist die Trennung von Spreu und Weizen nicht einfach. Az:

Genau, zumal es soviel Spreu gibt, dass „Weizen“ in Deutschland eine Seltenheit ist.

Jh:

Aber nicht alle können doch sonstwohin fliegen. Es muss doch in Deutschland Möglichkeiten geben, die Suchenden zu befriedigen.

Cr:

Das grösste schamanistische Erlebnis, was man in unserer Kultur haben kann, ist, sich den „Ring der Nibelungen“ von Richard Wagner reinzuziehen.

Jh:

Aha.

Cr:

Das ist ein schamanisches Kunstwerk mit unglaublicher Tiefe. Die germanische Kultur war eine Schamanische. Die germanischen Völker lebten wie die Indianer Nord-West-Amerikas. Mythologie, heilige Tiere und Pflanzen weisen Parallelen auf. Wahrscheinlich kommt daher auch unsere Indianerfreundlichkeit.

Jh:

Ich dachte das wäre eine Konditionierung durch Karl May.

Cr:

Das geht tiefer. Bis ins Mittelalter existierten auch bei uns nur Wald und Wiesen. Der Wisent ist biologisch kaum unterscheidbar vom Bison. Das Leben der Germanen wurde wesentlich durch die Seherin, eine Frau, bestimmt. Die Germanen haben die Frauen noch als was besonderes verehrt und ihnen geglaubt. Das waren nicht solche Frauen wie bei uns heute die Politikerinnen, da ist ja nicht viel vom weiblichen übrig geblieben. Diese Seherinnen haben die heiligen Kräuter gekannt, das Bier gebraut, den Hanf, Bilsenkraut, Flachs und Leinen benutzt. Die Hanfernte war ein erotisches Ritual, der Hanf wurde zum Orakeln benutzt.

Jh:

Also kann es für die Suchenden auch heute noch Sinn machen, sich den Ritualen zuzuwenden, die dem eigenen Kulturkreis entstammen?

Cr:

Unbedingt. Wir haben drei Jahrzehnte Propaganda hinter uns, dass Hanf oder Cannabis, wie man sagte, eine kulturfremde Droge sei. Eine unfassbare Lüge. Hanf ist erst durch die imperialistische Drogenpolitik der USA dazu erklärt worden. Die Konsequenz: In der Zeit des Verbotes hat sich auch aus anthropologischer Sicht eine Hanfkultur entwickelt. Diese schliesst natürlich an alte kulturelle Wurzeln an, die nach und nach wieder freigelegt werden.

Jh:

Die Kirche verliert immer mehr an Bedeutung, aber was tritt an die spirituelle Stelle?

Cr:

Ich habe mit Schamanen auf der ganzen Welt zu tun und wenn ich denen vom „Ring der Nibelungen“, den Bruchstücken der nordischen Mythologie der Edda und den Berserkern erzähle, dann fragen die mich: „Was wollt ihr eigentlich von uns, ihr habt doch alles?“ Aber: Wir haben zwar diese Wurzeln, aber keine sozial definierte Rolle eines Schamanen. Zudem haben wir nur Texte und Musik, aber keine praktischen Rituale. Also ist meine Antwort an diese Schamanen: „Wir brauchen euch als Geburtshelfer!“ Momentan sehe ich tatsächlich einen Prozess der Globalisierung des Schamanismus und vielleicht passiert es ja, dass Schamanen hierher kommen und jemanden sehen, der ein Berufungserlebnis hatte, dieses aber nicht deuten kann. Diese Person müsste dann bei verschiedenen Schamanen in die Lehre gehen…

Az:

…. bevor sie in die Psychiatrie kommt!

Cr:

Ja, ja. In der Ethnologie wurden die Schamanen ja auch lange als psychiatrische Fälle betrachtet. Dabei sind Schamanen die gesündesten Menschen des Planeten.

Az:

Weil sie mehr in sich aufnehmen können und einen erweiterten Zugang zu den Dingen haben. Da haben wir viel mehr Mauern.

Jh:

Da steht eine Menge Angst davor.

Cr:

Klar, das hat immer mit Angst zu tun. Siegfried zog aus das Fürchten zu lernen. Weil er keine Angst hatte, konnte er sogar gegen Wotan antreten. Das ist die wichtigste Eigenschaft des Schamanen: Angstfrei zu sein. Daran kann ich immer die Pappmache-Schamanen erkennen – wenn ich denen einen Trank von mir vorsetze und sie den nicht anrühren, dann sind sie durchgefallen: Schamanen-Test nicht bestanden. Ein richtiger Schamane würde gar nicht fragen, sondern kippen.

Az:

Den nächsten Tag hat er dann aber auch frei.

Cr:

Schamanen haben nie frei.

Jh:

Nie Urlaub?

Az:

Sie sind frei, haben aber nie frei.

Cr:

Ja, genau.

Hamburg, 26. Juni 1999
Hamburg, 26. Juni 1999

Jh:

1995 unterhielten wir uns das letzte mal. Damals nahmst Du an, dass bei einer rot-grünen Regierung Cannabis legalisiert werden würde.

Cr:

So stand es damals auch im Programm. Es ist ein Jammertal mit den Grünen. Die dürften sich nicht mehr „Die Grünen“ nennen. Das Problem ist, dass viele der grünen Politiker intelligenter sind als ihre Kollegen, aber genauso bestechlich. Das gesamte politische System ist marode, die Gesellschaft wird in erster Linie durch die grossen Konzerne gesteuert. Von denen sind auch die Politiker abhängig. Es gibt keinen unbestechlichen Politiker mehr. Alleine 15 Tausend Mark Monatsgehalt und dann die Jobs in Aufsichtsräten und steuerlich absetzbaren Sonderaufwendungen, Unsere Politik ist bestimmt von den buddhistischen Grundgiften: Gier, Hass und Ignoranz.

Az:

Mehr „politricks“ als „politics“, wie man auf Jamaika sagt. Irgendwann setzt sich vielleicht die Einsicht durch, dass man die Kiffer bei einer Legalisierung des Hanfmarktes genauso aussaugen könnte wie andere Steuerzahler.

Cr:

Ich bin gar nicht sicher, ob ich das wirklich will. Ich weiss nicht, ob ich auf Haschisch Steuern zahlen will, zudem an eine Regierung, die sich als Kriegstreiber offenbart hat.

Az:

Wie bei Tabak und Alkohol wären die Steuern ja nicht an einen guten Zweck zum Wohle der Verbraucher gebunden. Wenn eine Abgabe so organisiert wäre, dass das Geld im Sinne der Konsumenten verwendet würde, wäre das vielleicht nicht verkehrt. Wenn die Steuern zu hoch sind, wird ja trotzdem geschmuggelt wie wild. Das sieht man ja bei Alkohol und Tabak.

Cr:

Die Politiker sollten die Verhaltensmuster von Parasiten studieren. Dann wüssten sie, dass dort der Wirt nie zu sehr ausgenutzt wird. Es gibt dort eine natürliche Schmerzgrenze und die ist bei uns längst überschritten. Niemand hat doch mehr Bock auf Politik. Die CDU wirbt inzwischen mit Plakaten, die man in den 80er Jahren bei den Grünen gesehen hat. Von politischer Aussage keine Spur, da geht es doch nur um Personalkult. Und gerade die CDU-Politiker und Politikerinnen gehören nicht zur schönen Seite der menschlichen Art.

Az:

Politik ist nichts für Ästheten.

Cr:

Und nichts für Menschen mit geistigem Feinsinn.

Jh:

So ist es leider. Darum sollten wir das Thema auch abschliessen.

Az:

Es gibt beim Hanf ja zwei Arten von Puritanern. Zum einen die Faserhanfpuritaner, die unbedingt eine Trennung zum Rauschhanf haben wollen, obwohl sich nur mit dem Image des berauschenden Hanfes vernünftige Verkaufszahlen erzielen lassen. Dann gibt es die Rauschhanfpuritaner, denen es nur um Cannabis geht. Ob man andere „Drogen“ Verboten lässt, ist ihnen egal oder sie befürworten es sogar.

Cr:

Puritanismus ist eine Krankheit. Puritaner sind arrogant und uneinsichtig und haben kein Interesse an der Welt ausserhalb ihrer Bedürfnisse. Und sie übernehmen weder für sich oder irgend etwas anderes Verantwortung. Bei den klassischen Puritanern wird alles Gott ueberlasse, dann ist man die eigene Verantwortung los. Puritanismus unter Kiffern ist erschreckend. Das sind letzlich genausolche Spiessbürger wie diejenigen, die jeden Kiffer am liebsten in die Anstalt einweisen wollen. Wenn man keine Toleranz im Leben walten lässt, dann wird man in der „Hölle“ brutzeln…

Jh:

….um eines ihrer christlichen Bilder zu benutzen.

Az:

Die Welt funktioniert halt nicht so, wie sie sich das vorstellen. Man sollte wohl ohnehin von der Konfrontation zwischen dem guten Hanf und dem bösen Alkohol wegkommen.

Cr:

Es gibt kein „Gut und Böse“. Das sind alles von Menschen erfundene und anerzogene Werte, an denen man sich festklammert, damit man ein Gerüst für sein eigenes Leben hat. Moralische Bewertungen sind Erfindungen. Wenn man es nicht schafft, das zu erkennen, dann hat anscheinend auch jahrelanges Kiffen nichts geholfen.

Jh:

Kiffen macht nicht klug?

Cr:

Manche Leute glauben, durch Kiffen würde man zum besseren Menschen werden. Bei einigen Individuen stimmt das, in der Masse ist das aber nicht ersichtlich.

Jh:

Wie hängt das mit der Legalisierung der Hanfpflanze zusammen?

Cr:

In der Legalisierungsfrage haben wir es nicht mit der Frage um die Wirkung einer Pflanze zu tun, sondern damit, dass eine bestimmte Gruppe eine andere Gruppe unterdrücken und kontrollieren will. Das ist das Phänomen der hierarchischen Kontrolle. Das Grundproblem ist die hierarchische Gesellschaft und der Glaube daran, dass manche Menschen über andere bestimmen sollen. Als dieser Gedanke das erste mal in der Geschichte der Menschheit auftrat, begannen die Probleme. Jede Form hierarchischer Kultur ist unglaublich zerstörerisch. Es zerstört das Individuum in seiner freien Entfaltung, weil es Denkmuster -meist per Gesetz- vorgibt. In allen hierarchischen Kulturen wurde sofort der Schamanismus verboten. Überall wurden Techniken und Substanzen verboten, die den Menschen befreien können. Dabei ist es völlig egal, was es ist. Überall gab es dann Substitute, die zentral vergeben oder selbst hergestellt wurden. Als in Russland der Schamanismus und die Fliegenpilzeinnahme verboten wurden, haben die Schamanen halt ein paar Liter Wodka getrunken, um in die schamanische Trance zu fallen. Mit Fliegenpilzen ist das aber einfacher und gesünder.

Jh:

Substanzen sind also nicht an sich gut oder schlecht?

Cr:

Das ist eine unfassbare Anmassung des Menschen. Nach zweitausend Jahren christlicher Gehirnwäsche ist die Annahme, dass es sowas wie „Gut und Böse“ gibt, weit verbreitet. Die hierarchische Gesellschaft hat als Prämisse, dass es bessere und schlechtere Menschen gibt.

Jh:

Nun geben sich Menschen in einem Verbund aber doch Regeln, wie man miteinander umgehen will.

Cr:

Ja sicher, aber das kann man auf anarchischer Ebene viel besser. Ein Arrangement, wie man miteinander lebt, ohne einander zu stören. Das lässt sich in Stammesgesellschaften gut beobachten.

Jh:

Und diese Fähigkeiten werden schon früh unterdrückt?

Cr:

Alle Formen des Denken und Handelns, die mit der Aufhebung hierarchischer Strukturen zu tun haben, werden unterdrückt und verboten. Das fängt in der Familie an, zieht sich durch den Kindergarten bis hin zur Schule. Die Schule ist doch heutzutage nichts weiteres als eine Gehirnwäschestation um Steuerzahler zu erzeugen: Eigenes Denken unerwünscht. Die Tendenz setzt sich an den Universitäten fort, die mittlerweile zu Grabesstätten der Wissenschaft geworden sind. In unserer Gesellschaft blüht eine Kultur der Unterdrückung der Befreiungsmöglichkeiten des Menschen, na sagen wir mal, von der Last des Seins.

Jh:

Womit wir wieder beim Buddhismus wären.

Cr:

Die buddhistischen Grundgifte werden durch unsere Kultur gefördert: Gier, Hass und Ignoranz. Ignoranz ist die Angst, ausserhalb der Schulmeinung zu stehen, Gier ist der Keim allen kapitalistischen Strebens, Hass wird durch Intermezzi wie Golf-Krieg, Jugoslawien-Einsatz oder den Krieg zwischen Indien und Pakistan geschürt. Man braucht in einer hierarchischen Gesellschaften immer einen Teufel, das „Böse“. Und der wird „gut gewindelt“ am Leben erhalten.

Az:

Da bieten sich ja „Drogen“ an. Erst recht jetzt wieder, wo das Gespenst des Kommunismus verschwunden ist. In Deutschland hat sich das über dreissig Jahre lang bewährt.

Cr:

Wir haben es nicht mit dem Verbot einer Pflanze, sondern dem Verbot einer Geisteshaltung und -entwicklung zu tun, ein Verbot der Psychoaktivität. Dabei ist beispielsweise die Hanfpflanze nur „perfekt“, d.h. wenn sie ein „Bueffel“ ist, also eine Pflanze ist, von der man jeden Teil nutzen kann. Man muss akzeptieren, dass es gerade das THC ist, mit dem sich die Pflanze gegen Ungeziefer schuetzt. Wenn man die Pflanze „kastriert“, d.h. ihr den THC-Gehalt nimmt, offenbart man damit auch die Aufspaltung des Geistes, die sich in der kulturellen Schizophrenie manifestiert.

Jh:

Wenn wir aber nun das Gute suchen, den Silberstreifen am Horizont? Was sagst du zum Internet? Information kann frei fliessen…

Cr:

Ich hoffe sehr, dass das Internet zur Verbreitung anarchischer Ideen beiträgt. Allein die Tatsache, dass es sowas gibt, ist köstlich und wichtig. Aber man muss die Informationen, die man im Internet findet, mit Vorsicht geniessen. Jeder Idiot kann Nachrichten in die Welt setzen: Ich habe da drin Rezepturen gefunden, die lebensgefährlich waren. Da man nicht weiss, was für einen Hintergrund die Leute haben, liegt da eine potentielle Gefahr. Überhaupt gibt es in der sogenannten psychedelischen Bewegung -was immer das auch ist- viele Idioten, die einer Entspannung der Lage nur im Wege stehen. Zugleich ist das Internet ein piratisches System, welches dazu beiträgt, dass freischaffende Autoren beklaut werden: Copyright-Verletzungen am laufenden Band. Ich als Autor kann damit nicht einverstanden sein.

Jh:

Das sehe ich für mich anders. Ich schreibe zwar bei weitem nicht so viel wie Du, aber wenn ich meine Texte einmal verkauft habe, stelle ich sie danach ins Netz, damit noch mehr Menschen was davon haben.

Cr:

Das ist was anderes. Da entscheidest Du Dich selbst dafür. Copyright auf Eigene Bücher ist nunmal da. Und bildende Künstler werden zum Beispiel durch das Internet noch mehr ausgebeutet.

Az:

Wie stehst Du eigentlich zu dem Boom, der auf dem Markt der psychoaktiven Pflanzen herrscht?

Cr:

Ein komplexes Gebiet. Zum einen ist es natürlich schön, wenn der Zugang zu psychoaktiven Pflanzen erleichtert wird. Ich kenne einige wirklich verantwortungsbewusste Unternehmer auf diesem Gebiet, die korrekte Infos weitergeben, beispielsweise Concious Dreams in Amsterdam. Zum anderen zweifle ich an der Kompetenz vieler Smart-Shop und Versandhandelbetreiber. Die Behauptungen über die Wirkung mancher Sachen sind haarsträubend. Oft kommt hinzu, dass der Inhalt der Tüten oft nicht mit dem Aufdruck übereinstimmt. Zudem finde ich die Überteuerung unangemessen. Manches von dem Kraut bekommt man schon in der Apotheke billiger. Es scheint, dass da mancher skrupellos auf ein kommerzielles Ross aufspringt, um die schnelle Mark zu machen.

Az:

Das Einzige was in Amsterdam in dieser Hinsicht wirklich wirkt, sind die Pilze, 2-CT-2 und DXM.

Cr:

In Holland nennen sich die Geschäfte „Smart-Shops“ und in den meisten Laeden sieht man nicht ein einziges Buch. Dabei muss die Information unbedingt mitgeliefert werden. Der Trost ist nur, dass man von dem meisten Zeug dort die ganze Packung fressen kann, ohne dass man Gefahr läuft, was zu merken. Diese „Herbal-Ecstasy“-Geschichte beispielsweise halte ich für Betrug.

Az:

Da wurde eine Idee in Pillenform verkauft. Der Konsument hat dann wieder den Horror einer Unterdosis.

Cr:

Terence McKenna hat mal gesagt: „Legal Highs means it doesn´t work.“ Natürlich gibt es legale, pflanzliche Substanzen die hochpotent sind, aber die Verkaufsbezeichnung „Legal High“ ist irreführend. Das Interessante ist: Die Käufer wollen die Illusion, denn echte Erfahrungen sind ihnen viel zu gefährlich!

Jh:

Wenn Du auf die letzten Jahre zurückblickst, wie hat sich die an deinen Büchern und Vorträgen interessierte Szene verändert?

Cr:

Früher wollte mich die Eso-Szene vereinnahmen. Aber wenn ich denen meinen Walkman-Kopfhörer mit Dark-Metal rübergereicht habe, ging bei denen der Rolladen runter. Wenn ich bei esoterischen Veranstaltungen bin, ziehe ich mir meist Totenkopfringe über die Finger, damit die gleich wissen, wo es langgeht. Wenn dann die weissgekleideten, schwebenden Lichtgestalten auf mich zukommen, werden sie durch diesen Schutzbann gegen die esoterische Leichtigkeit abgeschreckt. Wer nicht auf einen Totenkopf schauen kann, der braucht gar nicht erst von Spiritualität zu reden.

Az:

Der braucht auch gar nicht erst in den Spiegel zu gucken.

Cr:

An mir hat sich die Eso-Szene schnell die Zähne ausgebissen. Sie wollten natürlich auch nicht hören, was ich zum Schamanismus zu sagen habe. Die haben recht seltsame Vorstellungen von „sanfter Heilung“, dabei ist Schamanismus brutal, da geht es um Leben und Tod. Wenn man da nicht durchwill, braucht man sich mit dem Thema erst gar nicht zu beschäftigen. Neuerdings erreiche ich ein ganz anderes Publikum: Zum Beispiel habe ich beim Kongress der kardiologischen Gesellschaft den Eröffnungsvortrag über das Herzchakra im nepalesischen Tantra gehalten. Ich war beim Saechsischen Landesapothekertag und habe über geistbewegende Pflanzen in Peru gesprochen. Ich war sogar bei den Jesuiten eingeladen, um was über psychoaktive Pflanzen zu berichten. Es freut mich dass ich diese Leute erreiche, denn ich sehe mich als ernsthaften Forscher und Wissenschaftler mit interdisziplinärem Ansatz an. Für mich ist die Naturwissenschaft das universelle Erkenntnisstreben um die Geheimnisse unserer Natur, zu der wir ja gehören; das gilt es zu erkennen.

Jh:

Es besteht also ein Bedürfnis bei diesen Leuten nach einer anderen Perspektive.

Cr:

Unbedingt. Fast jedesmal nach solchen Vorträgen stehen sie mit offenen Mündern da und warten darauf, dass ich ihnen was reinträufel. Was ich natürlich nicht tue, weil ich auch nichts habe. Aufgrund der Tatsache, dass ich promovierter Wissenschaftler bin, besitze ich eine gewisse Power Dinge zu sagen, die sich die Leute auch anhören. Ich habe am Institut für Lehrerfortbildung mal ein Seminar über LSD gegeben. Nach dem Seminar wollte die eine Hälfte mal probieren, die andere Hälfte war schockiert, weil ich ihnen gesagt habe, sie sollen den Schülern den richtigen Gebrauch von LSD erklären und nicht verbieten.

Jh:

Und die jüngere Generation unter 25?

Cr:

Da scheint es wie immer zu sein: Da gibt es die Typen, die sich einfach nur volldröhnen lassen wollen und diejenigen, die mehr an Erkenntnissen interessiert sind. Als ich an der Uni gelehrt habe und in meiner Einführung für Ethnologie 120 Studenten sitzen hatte, war ich überrascht. Als ich die gefragt habe, was sie hier eigentlich wollen, sagten sie: „Wir brauchen den Schein!“ Diejenigen die den Schein brauchen, sagte ich da, die gehen am besten nach Hause.

Jh:

Scheinstudium ist Scheinstudium.

Cr:

Scheinstudenten. Die haben lange Gesichter gemacht, weil sie dachten, och, der Rätsch ist ein Freak, bei dem kriegen wir den Schein ohne was zu tun. Wenn man in sich nicht den Drang nach Erkenntniszuwachs spürt, ist man an der Universität verkehrt. Das Universitätswesen ist verkorkst. Viele Professoren beschäftigen sich nur damit, wie sie den Kollegen an der Nachbar-Uni in die Pfanne hauen können. Das ist schade, denn dadurch haben es die wahren Forscher um so schwerer. Bei meinem Seminar standen die Studenten Schlange, damit ich ihnen ein Thema für die Hausarbeit gebe, obwohl ich ihnen zuvor gesagt hatte, sie sollen sich selbst ein ethnologisches Thema ausdenken.

Az:

Gib mir etwas, wofür ich mich interessieren soll!

Cr:

Das ist furchtbar, das sind Zombis.

Jh:

Zum Abschluss: Kannst du dein Interesse am Thema „Drogen und Bewusstseinsveränderung“ in drei Sätze packen? Was ist das Credo deiner Erfahrung?

Cr:

Psychoaktive Pflanzen und Substanzen sind für mich lebenswichtig. Sie haben mir vielfältige Erkenntnisse, Einblicke in meine und die mich umgebene Natur gegeben und sie haben mein Leben unendlich bereichert. So in der Art meintest du?

Jh:

Ja, denn es ist doch wichtig, dass das mal deutlich gesagt wird! Az:

Denn das ist das eigentliche Tabu: „Drogen“ bringen auch Spass und können das Leben bereichern.

Cr:

Diese Pflanzen können das Leben verschönern, Perspektiven aufzeichnen, heilen, der Sexualität und Erotik eine neue, ungeahnte Tiefe verleihen und die wissenschaftliche Erkenntnis fördern.

JAdh und AZ:

Vielen Dank für das Interview.

 


 

Christian Rätsch hat eine Fülle von Büchern veröffentlicht. Sein Hauptwerk ist sicherlich die „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“, in der Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendungen der weltweit genutzten Pflanzen aufgeführt sind.
 

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Cannabis Drogenpolitik

Drogenpolitik in Arizona

Bekiffte Kuhjungen im Sattel

In Arizona darf gekifft und gedealt werden – wenn man Steuern zahlt

Langsam steuert Jeff seinen Van durch den Vorort von Tucson. Aus dem Radio klingt die blecherne Stimme Willi Nelsons, der Aschenbecher ist randvoll und das geöffnete Seitenfenster bringt nur wenig Kühlung. Zu heiß ist die Luft, als daß die Haut von Jeff ihre Bewegung als erfrischend empfindet.

Das kurze Aufheulen einer Sirene reißt den jungen Mann jäh aus seinen Träumen, im Rückspiegel erkennt er die blinkenden Warnleuchten eines Polizeiautos – anhalten! Betont lässig schlurft einer der beiden Cops zu Jeffs Vehikel. „Kann ich mal Führerschein und Fahrzeugpapiere sehen?“ Die Papiere sind in Ordnung, aber ein Blick auf die Ladefläche des Vans zeigt dem Cop, daß Jeff mit vier ausgewachsenen Marihuanapflanzen an Bord durch seinen Diskrikt fährt. „Und was ist das?“ fragt der Sheriff. „Vier Cannabispflanzen. Hier ist die nötige Lizenz, die dazugehörigen Steuermarken und eine Kopie vom Präzedenzfall des Amtsgerichts“, antwortet Jeff und überreicht die Dokumente. Nach kurzer Überprüfung wünscht der Cop „weiterhin eine gute Fahrt“.

Eine Fiktion? Eine nette gute-Nacht-Geschichte? Ein Kiffermythos? Nein, unlängst so geschehen in Arizona. Nach einer Entscheidung eines Gerichts in Phoenix, ist der Besitz und Verkauf von Marihuana legal, wenn die Bürgerin die staatliche Konzession sowie gültige Steuermarken ihr Eigen nennt. Und die erhält jedefrau beim Finanzamt. „Wir sind sicher, daß die Entscheidung des Gerichts wieder umgeworfen wird“, hofft Barnet Lotstein, Assistent des Staatsanwalts, welcher Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Das Gesetz sei nicht entworfen worden, um die Produkte der Cannabispflanze zu legalisieren, sondern um Drogenhändler zu bestrafen. Den Rechtshändel angezettelt hatte Peter Wilson, Vorsitzender des Ablegers der „National Organization for the Reform of the Marijuana Laws“ (NORML) in Arizona. Wilson war des Besitzes von Haschisch angeklagt, trotzdem er die staatlichen Lizenz besaß. Der Vorsitzende Richter, John Barclay, wollte nicht einsehen, warum Wilson auf der einen Seite Steuern für Rauschmittel zahlt, auf der anderen Seite für ihren Besitz bestraft werden soll.

Seit dem Urteilsspruch pilgern Scharen von Liebhabern der Hanfpflanze in den 48. Staat der Vereinigten Staaten von Amerika. Legalisierungsbefürworter verkaufen Cannabis direkt vor dem Regierungssitz und Rich Davis, Inhaber des mobilen Hanfmuseums, welches mit ihm seit Jahren durch die USA zieht, brachte Ein-Gramm Beutel unter den Augen von Polizeioffizieren an Frau und Mann. Verhaftet wurde niemand. Ron Kiczensky kündigt die Eröffnung einer Firma an, welche ausschließlich Cannabis vertreibt. „Das wird die erste legale Marihuana-Zigaretten-Company“, freut sich der bekannter Marihuana-Aktivist.

Wilson triumphiert: „Holt Euch eure Lizenz, die Marken und eine Kopie des Gerichtsentscheids“, fordert er seine Hänflinge auf. Die einzige Einschränkung bevor man als legaler Dealer aktiv wird: Die Steuern sind im voraus zu entrichten. 100 amerikanische Taler für die Lizenz und 500 für die Marken berechtigen somit beispielsweise zur Rücklage von annähernd 1,4 Kilo Cannabis. Der Staat verpflichtet den Interessenten, mindestens 50 Ein-Gramm-Marken zu erstehen; schon eine Investition von 117.50 Dollar dürfte damit den Eigenbedarf decken.

„Dieses Gesetz gibt den Anschein, daß wir Marihuana-Konsum in diesem Bundesstaat legalisiert hätten“, wütet Scott Bungaard. Mit einem jetzt in das lokale Parlament eingebrachten Änderungsantrag will der republikanische Abgeordnete das muntere Treiben im Wilden Westen beenden. Zur Verwunderung aller Cannabisfreunde unterließ der Gouverneur des Staates, Fife Symington, es bislang, den zuständigen Behörden per Exekutivorder die weitere Ausgabe von Lizenzen zu untersagen. Nicht ohne Grund, vermutet man bei NORML, denn offiziellen Statistiken zufolge beschlagnahmte die Grenzpolizei Arizonas im Jahre 1994 fast 57 Tonnen Marihuana. Wären die Steuern hierfür ins Staatssäckel geflossen, könnte Symington für seinen nächsten Wahlkampf 18 Millionen Dollar mehr ausgeben. Dazu kommt, daß der aufgegriffene Hanf nur einen verschwindend kleinen Teil der Menge ausmacht, die jedes Jahr über die Staatsgrenze geschmuggelt wird…- eine unversiegbare Quelle steht dem Wüstenstaat in Aussicht.

Inzwischen erfährt dem Richterspruch Unterstützung durch juristischen Kollegen. Die obersten Gerichte von Illinois und Indiana sprachen ebenfalls Personen frei, die -wie Wilson- trotz einer staatlichen Legitimiation des Besitzes von Marihuana angeklagt waren. „Um die Marihuanasteuer zu bezahlen, muß man ein Verbrechen begehen“, begründete Richter Harrison aus Illinois seine Entscheidung.