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Plantagen-Bilder aus dem All

Plantagen-Bilder aus dem All

Google Earth macht vor, was Bilder aus dem All inzwischen leisten können. Einige Ballungsgebiete der Erde sind so hoch aufgelöst, dass Leute ihren Balkon wiedergefunden haben. Die französische Firma Spotimage (www.spotimage.com) bietet Satelliten-Bilder an, die mit einer Software zusammen illegale Anpflanzungen aufspürt. Noch sind diese und andere Systeme auf Opium-Felder ausgerichtet, es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch größere Cannabis-Plantagen damit gefunden werden können. Häufige Updates von Satelliten-Aufnahmen und Auflösungen bis unter einen Meter werden bisher nur von den Militärs genutzt. Aber die sogenannten GIS-Systeme sind kommerziell erfolgreich, die Kartierung der Welt mittlerweile ein Riesengeschäft, der technische Fortschritt in dem Bereich rasant. Freiluftbauern stehen eventuell harte Zeiten ins Haus.

 

 

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Cannabis Psychoaktive Substanzen

Im krisengeschüttelten Afghanistan wird wieder Cannabis angepflanzt und Haschisch produziert

hanfblatt, Nr.111, Januar 2008

Die Wiedergeburt einer alten Bekannten

Jörg Auf dem Hövel

Im krisengeschüttelten Afghanistan wird wieder Haschisch produziert

Die Bauern im nördlichen Afghanistan finden zu einer alten Tradition zurück: Sie bauen Cannabis Indica an. Für sie ist es oft der letzte Ausweg aus bitterer Armut. Im Westen darf man sich freuen, das Haschisch wird 2008 den deutschen Markt erreichen.

Das Haschisch aus den nördlichen Berg-Regionen Afghanistans galt schon immer als exzellent, Händler und internationale Connaisseure greifen jetzt wieder gerne zu: Außen schwarz-glänzend, innen dunkelbraun, gut knetbar und vor allem bretthart in der Wirkung. Die Afghanen sind stolz darauf, ein extrem stoned machendes Naturprodukt herstellen zu können.

Seit den 80er Jahren ist man an schlechte Nachrichten aus Afghanistan gewöhnt. Damals fiel die sowjetische Armee in das Land ein, ein bis heute währender Bürger- und Stellvertreterkrieg begann, in dem sich die Sowjetunion und die USA auf fremden Gebiet gegenüberstanden. Nach dem Abzug der Russen 1989 bekämpften sich zunächst Mudschaheddin-Gruppierungen, später eroberten die Taliban das Land und errichteten einen äußerst restriktiven Staat. Seit 2001 soll eine internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) über den Frieden wachen. Aber die Rivalitäten zwischen den Stämmen und Völkern sind extrem, die ausländischen Interessen gespalten. Es ist nicht absehbar, das das Land zur Ruhe kommt.

In diese Krise hinein arbeitet die Drogenpolitik der Vereinten Nationen. Ihr Motto: Vernichtung der Schlafmohn-Felder, mit denen sich die Bauern über Wasser halten, der wahre Profit mit Opium und Heroin wird an ganz andere Stelle erwirtschaftet. Aber: Afghanistan gilt als der Opium-Lieferant der Welt, über 80% des weltweit konsumierten Heroins soll aus Opiumlieferungen aus Afghanistan stammen.

Noch vor zwei Jahren blühten in der nördlichen Provinz Balkh, die an Usbekistan grenzt, die Schlafmohnfelder. Auf internationalen Druck ließ der Gouverneur die Felder vernichten. Farhad Munir, Sprecher des Gouverneurs erläuterte stolz: „Wir haben es geschafft, den Opiumanbau in Balkh auf Null herunterzufahren.“ Die Bauern versuchten es auf Anordnung für eine Saison mit Weizen, dieser gedieh zwar, brachte aber kaum Einnahmen. Man versprach den Bauern finanzielle Unterstützung, die nie ankam. Unter diesen Rahmenbedingungen haben sich die Bauern in der Provinz notgedrungen auf eine Tradition besonnen, sie pflanzen eine alte Kulturpflanze: Hanf.

Vor Ort wiegen sich nun die grünen Dolden im Wind. Die Cannabis-Kultivierungsflächen seien in 2007 um 40% gestiegen, jammert denn auch die UN in einem Report. Man spricht von über 50.000 Hektar Anbaufläche. Die Bauern dagegen sind begeistert. Die Hanfpflanze ist nicht so kompliziert in der Aufzucht wie der Mohn. Gesät wird nach alter Tradition im April und Mai, geerntet im November und Dezember.

Ein Reporter der New York Times berichtet von erstaunlichen 2,70 Meter hohen Pflanzen, der interviewte Hanfbauer sagt: „Das ist noch gar nichts, die müssen sie mal sehen, wenn die den richtigen Dünger kriegen.“ Mit dem Anbau verdiene er doppelt so viel wie mit der Kultivierung von Baumwolle, die zudem arbeitsintensiver sei. Wie viele andere in der Region steht er in einer Tradition: Schon sein Vater und sein Großvater hätten hier Cannabis angebaut, berichtet er.

Verkauft wird das Haschisch an lokale, vertrauenswürdige Zwischenhändler. Fotos zeigen ölig-schwarze, etwa handflächengroße Platten. An den Straßen rund um die größte Stadt im nördlichen Afghanistan, Mazar-i-Sharif, wird das wohlduftende Harz relativ offen in kleinen Straßenbuden verkauft. Der Preis: Rund ein Dollar. Nein, nicht pro Gramm, sondern Einheit. Sogar auf einigen Wochenmärkten soll es einfach zu erhalten sein. Die afghanische Bevölkerung sieht im Haschisch ohnehin nicht ein Teufelszeug, seit Jahrhunderten wachsen die Indica-Pflanzen im Land wild. Nach der Schreckensherrschaft der Taliban gehört Hasch rauchen heute wieder zum Alltag, lokalen Schätzungen zu Folge kifft die Hälfte der Bürger in der Provinz Balkh mehr oder minder regelmäßig. Die UN spricht allerdings von nur „rund 520.000“ Cannabis-Konsumenten im gesamten, 30 Millionen Bürger starken Land.

Bis Ende der 70er Jahre war Afghanistan für leckeres Haschisch bekannt, mit dem Beginn des Krieges in den 80er Jahren hörten die Bauern auf Cannabis anzupflanzen. Lange war kaum noch Haschisch auf dem internationalen Markt erhältlich, vieles, was als „Afghane“ angepriesen wurde war (schlechtes) Hasch aus Pakistan. Das sieht heute wieder anders aus. Ein Bauer aus dem Charbolak-Distrikt im Norden Afghanistans berichtet dem „Institute for War and Peace Reporting“ von zwei Sortierungen von Haschisch, dem hochqualitativen „Shirak“ und dem nicht so guten „Khaka“. Pro Pound (453 Gramm) Shirak könne er 20 Dollar verlangen, pro Pound Khaka 10 Dollar. Die Zwischenhändler liefern das Haschisch dann zunächst nach Pakistan, Iran und Tadschikistan geschmuggelt, von dort aus erreicht es dann die Welt.

Der Anbau ist und bleibt illegal, das Katz und Maus Spiel wird weiter gehen. Die Regierung in Kabul hat angekündigt keine in 2008 keine Ernte zuzulassen. Die Ernte 2007 habe man deshalb nicht zerstört, so die Offiziellen, um den Bauern nicht die Lebensgrundlage zu nehmen. Diese haben auf die Ankündigung schon reagiert – sie wollen wieder Cannabis aussähen. Nebenbei: Im Rahmen ihres ISAF-Einsatzes ist die deutsche Bundeswehr auch in der Region Balkh stationiert. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis den Damen und Herren das neue Entspannungsangebot dort auffällt.

 

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Cannabis

Cannabis und Straßenverkehr

Hanfblatt, März 2008

Knüppelschaltung oder Fahrrad

Welche Fehler fahrende Kiffer in Polizeikontrollen und danach machen

Eines der größten Probleme für Menschen, die ab und zu Cannabisprodukte genießen, ist das unfreiwillige Zusammentreffen mit der Polizei. Dies ist vor allem dann unangenehm, wenn neben den möglichen Problemen mit Eltern oder Arbeitgeber plötzlich der Führerschein in Gefahr ist. Aber wer sich einige Regeln und Tipps rund um Rauschhanf und die kraftfahrzeuggestützte Lebensweise zu Herzen nimmt, der lebt weiterhin glücklich und mobil.

schutzmann

Die Landstraße rollt unter einem hinweg, die Sonne lugt zwischen den Wolken hervor, ein geschenkter Tag geht seinen freundlichen Gang. In der nahen Ferne kündigt eine rot-weiße Pilonenreihe Ungemach an. Eine Kelle winkt, man bremst, „Verkehrskontrolle“ steht auf einem dreieckigen Schild. Schon in diesen ersten Sekunden entscheidet sich sehr viel. Erster Tipp: Ruhe bewahren, einmal tief einatmen, langsam ausatmen. Man wird kontrolliert, das heisst zunächst einmal, dass man die Kontrolle behalten soll.

Die Maxime heißt: Den Gegenüber einschätzen, genau so, wie dieser das ja auch tut. Beamte spulen ein Routineprogramm ab, das mit Schubladen arbeitet. 1. Schublade: Das Automobil. Stichworte: Freakiger VW-Bus mit langhaarigen Bombenlegern als Insassen. Alter Mercedes mit Peace-Zeichen. Tiefer gelegter Golf mit wummernden Techno-Bässen. Die Musikwahl kann entscheidend sein, leise Klassik lässt Pflanzen blühen und beruhigt vielleicht Beamtenhirne. Der erste Eindruck zählt. Einige Polizisten sehen es nicht so gerne, wenn man ihnen bei der Kontrolle entgegenkommt und aus dem Wagen steigt. Die USA lassen grüßen, dort muss man sitzen bleiben. Auf der anderen Seite ist Aussteigen proaktives Verhalten und kann damit Teil der angesprochenen Souveränität sein.

2. Schublade: Der Kontrollreigen beginnt fast immer mit der Aufforderung, Fahrzeug- und Führerschein vorzuzeigen. Diese Papiere sollten ohne viel Gefummel zugänglich sein. Oft kommt parallel die Frage, ob man etwas getrunken oder sonstige Rauschdrogen zu sich genommen hätte. Nun muss der Fahrer zwei Dinge gleichzeitig tun, Stresshormone fluten an. Da heisst es wiederum Ruhe bewahren, ruhig antworten, alles vorzeigen. Sind die Papiere in Ordnung, der Beamte aber gelangweilt oder hat er aus irgendeinem Grund Verdacht geschöpft, geht die Aktion in die nächste Runde. Der Verbandskasten dient als Enterhaken, um den Fahrer aus dem Auto zu ziehen. Ein aufgeräumtes Mobil, vor allem aber ein leicht zugänglicher (nicht durch Gepäck verbauter) und vollständiger Verbandskasten sind jetzt wichtig. Letztlich prüft der Beamte damit nicht nur den technischen Zustand des Autos, sondern auch den motorischen Zustand des Chauffeurs. Fast unnötig zu erwähnen: Gerötete Augen sind eine schlechte Sache, unsicheres Verhalten sowieso.

Ist bis hierhin alles gut gelaufen, sollte der Beamte nun eine gute Weiterfahrt wünschen. Fordert der Schutzmann allerdings zum Tanz auf oder lädt gar in den Dienstwagen ein ist die 3. Schublade erreicht. Ab hier weiß man, dass dem Beamten irgend etwas spanisch vorkommt. Schwierig, aber umso wichtiger ist es nun weiterhin die Ruhe zu bewahren. Manches Mal wird dem Proband vorgeschlagen einen motorischen Test zu absolvieren. Beliebt ist beispielsweise das Zusammenführen der Finger auf Nasenhöhe mit gestrecktem Arm. Gerne wird auch der so genannte Romberg-Test angewandt. Dabei soll der Betroffene nach einem Startzeichen der inneren Uhr folgend 30 Sekunden abzählen. Wichtig ist: Kein Menschen muss diese Tests über sich ergehen zu lassen. Die meisten Anwälte raten dazu, diese Tests zu verweigern, vor allem dann, wenn man in der letzten Zeit tatsächlich Cannabis konsumiert hat. Denn fällt man durch wird die Angelegenheit vor Gericht meist noch arger. In manchen Bundesländern ist es durchaus üblich, den Delinquenten bei Verdachtsmomenten gleich vor Ort in ein Röhrchen pinkeln zu lassen oder dessen Haut mit der Drugwipe abzustreichen. Gerne werden auch Feuerzeug, Schlüssel oder Portemonnaie mit den sensiblen Drogen-Detektoren kontrolliert. Wer Stunden vorher wild gebröselt und sich nicht gründlich die Hände gewaschen hat, der wird den Ausschlag auf den Streifen gut erkennen können. Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen. In die 4. Schublade sollte man möglichst nicht fallen, denn auf deren Etikett steht „Eindeutiger Kiffer“.

Um vom Kiffer-Verdacht abzulenken geben einige Fahrer an, Alkohol getrunken zu haben, selbst wenn dies gar nicht der Fall ist. Denn: Erwähnt man den Konsum auch nur einer kleinen Menge Bier, Wein oder Wodka Red-Bull sind die Beamten verpflichtet zum Pusten zu laden. Dies kann ein gewitztes Manöver sein, auf der anderen Seite wird die Zeit, die man mit den netten Damen und Herren in Uniform verbringen darf, dadurch erheblich verlängert. Stellt man dabei im Umgang ungeschickt an, wächst die Gefahr auf andere Substanzen überprüft zu werden. Das Zauberwort heißt Souveränität. Und damit ist nicht Selbstüberschätzung gemeint. Dazu neigen viele Kiffer eh nicht, aber seien wir ehrlich: Viele Menschen der heutige Zeit leben polytoxisch, haben also zumeist zum Joint eh ein Bier genossen. Souveränität bedeutet, einen offenen, selbstbewussten Umgang mit den Ordnungshütern zu pflegen. Verhuschtes in die Ecke drücken, verblödetes Gekichere oder fahriges Rumnesteln an Jacke und Portemonnaie sind zu vermeiden. Großkotziges Alki-Gelaber natürlich ebenso. Wer eh zu nervösen Handlungssträngen neigt, sollte sich des schlechten Eindrucks auf Staatsdiener bewusst sein. Gerade jüngeren Polizeibeamten braucht man mit kessen Sprüchen meist nicht kommen.

An dieser Stelle sei der Schauplatz des automobilen Straßenverkehrs kurz verlassen. Denn auch, wenn man als Radfahrer oder Fußgänger mit Gras oder Haschisch von der Polizei aufgegriffen wird, ist der Lappen in Gefahr. Oft gibt die Polizei ihre Erkenntnis über den Spaziergänger an die zuständige Führerscheinstelle (oft das Landratsamt) weiter. Die Damen und Herren dort werden sich nun fragen, ob eine Kraftfahreignung überhaupt gegeben ist und dies gegebenenfalls überprüfen.

Aber zurück zu unserem Auto- oder Motorradfahrer. Der nächste Schritt auf der Eskalationsstufe ist die Blutabnahme durch einen Arzt. Hier hilft kein Zetern, die muss man über sich ergehen lassen. Gemotze und Gejammer hilft sowieso nicht weiter, denn das Blut wird dadurch nicht sauberer. Nachdem man um eine Spritzenfüllung Lebenssaft erleichtert wurde wird man wahrscheinlich mit Bus oder Bahn nach Hause fahren müssen. Es folgen Tage, Wochen und Monate der Unsicherheit, denn die Behörden lassen sich meist Zeit.

Was für Folgen drohen, sollte die Analyse tatsächlich THC im Blut aufgespürt haben? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Nach rund 2-3 Wochen liegt der Polizei das Ergebnis der Blutuntersuchung vor. Dieses gilt es möglichst schnell in Erfahrung zu bringen, denn davon hängt das weitere Vorgehen ab. Zwei Werte sind entscheidend: Zum einen der Wert der THC-Carbonsäure (THC-COOH). Dieses Abbauprodukt ist im Urin bei starkem Konsum bis zu drei Monate, im Blutplasma bis zu vier Wochen nachweisbar. Zum anderen ist dies der Wert des THC-OH. Dieses Abbauprodukt ist nur wenige Stunden nach dem Konsum nachweisbar, es wird gerne auch „aktives THC“ genannt. Mal ganz abgesehen von den Maßnahmen, die die Polizei vollziehen möchte, weil aus ihrer Sicht eventuell eine Straftat vorliegt – sie wird den Vorgang auf jeden Fall an die Führerscheinstelle weiter leiten. Diese kann drei verschiedene Instrumente einsetzen – und diese sind abhängig von den oben genannten Werten.

  1. Die MPU. Die „Medizinisch Psychologische Untersuchung“ wird durchgeführt, wenn die Damen und Herren vor Ort davon ausgehen, dass der Führerscheininhaber aufgrund seines nachgewiesenen THC-Konsums nicht geeignet ist ein Fahrzeug zu führen. Die MPU besteht aus einem medizinischen Test, einem Reaktionstest, einem Gespräch mit einem Psychologen und einem Drogenscreening. Wichtig ist: In der MPU muss man durch einen sogenannten Abstinenznachweis zeigen, dass man in den letzten Monaten sauber gelebt hat.
  2. Das ärztliche Gutachten. Dieses wird angeordnet, wenn die Führerscheinstelle erst einmal prüfen will, ob eine MPU durchgeführt werden soll. Das ist oft der Fall, wenn nur eine geringe Menge von THC im Blut gefunden wurde. Das Gutachten ist also eine Art Vorstufe zur krasseren MPU. Bei einem ärztlichen Gutachten überprüft ein Arzt über einen längeren Zeitraum, ob man Cannabis oder andere Drogen konsumiert.
  3. Screening. Bei den sogenannten Screenings wird man einmal oder auch mehrmals sehr kurzfristig zu einem Drogenscreening eingeladen.

Einige Fallbeispiele verdeutlichen, was nun folgen kann. Fangen wir mal bei dem kleinstmöglichen Schaden an, nennen wir ihn Fall 1: Die Blutuntersuchung ergab kein aktives THC, wohl aber eine THC-COOH von 3 ng/ml. Damit weiß man, es ist lange her, dass dieser Fahrer gekifft hat. In den meisten Fällen drohen hier keine weiteren Konsequenzen, man darf weiterhin die Gegend mit dem fahrbaren Untersatz unsicher machen. Schon anders sieht es im zweiten der Beispielfälle aus: Findet die Polizei nämlich wiederum kein aktives THC, wohl aber THC-COOH in einer Konzentration zwischen ungefähr fünf und 75 ng/ml ist aus Sicht der Behörden deutlich, dass dieser Fahrer im letzten Monat mindestens einmal, wahrscheinlich aber öfter gekifft hat. Man wird also die Fahreignung anzweifeln und ein ärztliches Gutachten, mit etwas Glück aber keine MPU einfordern. Fall 3: Wiederum kein aktives THC, aber eine Menge von mehr als 75 ng/ml THC-COOH. Konsequenz: Der Lappen wird eingezogen. Die Behörde denkt, dass regelmäßig konsumiert wird, daher wird eine MPU angeordnet. Der vierte und häufigste Fall: Im Blut findet sich sowohl aktives THC wie auch ein Wert von mehr als fünf ng/ml Blut THC-COOH. Damit ist aus Sicht der Beamten klar, dass der Fahrer in den letzten Stunden vor Fahrtantritt einen Joint geraucht hat. Wenn keine erschwerenden Ausfallerscheinungen dazu gekommen sind (Schlangenlinie oder gar ein Unfall) ist dies eine so genannte Verkehrsordnungswidrigkeit. Das bedeutet zunächst: Ein Monat Fahrverbot, vier Punkte in Flensburg, Bußgeld, Auslagen der Polizei bezahlen. Kosten: Rund 600 Euronen. Den Führerschein gibt es erst wieder, ja, man ahnt es, nachdem man die MPU bestanden hat.

Über das geschmeidige Durchgleiten durch diesen legendären Test wurden schon ganze Bücher verfasst, im Internet kursieren Tipps. Das wichtigste ist zunächst einmal: Wer Lust auf mobilen CO-2 Ausstoß hat sollte sofort jeglichen Cannabiskonsum einstellen. Es wäre fatal während einem – auf welche Zeit auch immer befristeten – Fahrverbot munter weiter zu rauchen. Denn im Rahmen der MPU verlangt die Behörde später den Nachweis, dass man mindestens sechs Monate clean gewesen ist.

Die oben genannten Fälle decken nicht das gesamte Spektrum der Möglichkeiten ab, denn die Länderbehörden agieren unterschiedlich. Erschwerend kommt hinzu, wie oben bereits erwähnt, wenn während der Kontrolle Cannabis im Wagen oder am Körper gefunden wurde. Dann ist die Wurst warm, denn die Verwaltungsgerichte berechnen Konsumeinheiten und sind recht erfolgreich darin vor Gericht zu beweisen, dass man viel mehr rauchen würde als man selbst angibt.

Die Fünf „Nie“ im Straßenverkehr

  • Nie unter Cannabiseinfluss ein Auto, Motorrad oder Fahrrad steuern. Verwaltungsrechtlich auf der sicheren Seite ist man erst, wenn zwischen Konsum und Fahrtantritt 48 Stunden liegen.
  • Nie Cannabis im Auto mitführen. Denn das zeigt den Beamten, dass hier anscheinend ein Kiffer fährt und später dem Richter, dass jemand nicht in der Lage war, Konsum und Kraftfahren auseinander zu halten.
  • Nie besonders witzig, besonders eloquent oder besonders sonderlich rüberkommen. Denn: Du-bist-normal.
  • Nie den Konsum von Cannabis oder anderen Rauschmitteln zugeben. Auch nicht, wenn dies ein Monat oder Jahr her ist.
  • Nie vergessen: Das Fahrrad ist nicht nur das Fortbewegungsmittel mit der höchsten Energieeffizienz, seine Aktivierung führt auch zu Fitness und einem Wahnsinns-CO2-Karma.

 

 

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Cannabis Drogenpolitik

In den USA hat sich Cannabis als Medizin längst durchgesetzt

hanfblatt, Nr.111, Januar 2008

This will get you medicated!

In den USA hat sich Cannabis als Medizin längst durchgesetzt. Das verändert auch die Kifferkultur.

Über die vergangenen Jahre hat sich immer deutlicher herausgestellt: Cannabis hilft bei schweren Krankheiten. In den USA ist daher in 12 Bundesstaaten Patienten die Anwendung von Marihuana oder Haschisch erlaubt, es soll an die 300.000 autorisierte Cannabis-Nutzer geben. Die Regierung in Washington kämpft gegen die Verschreibungswelle.

Es ist eine groteske Situation, die sich da in den USA entwickelt hat. Die Bundesregierung unter George W. Bush wehrt sich strikt gegen die Zulassung von Hanfprodukten als Medizin. Mehr noch, sie bekämpft die Anstrengungen einzelner Bundesstaaten Cannabis für Schwerkranke zugänglich zu halten. Dabei haben mittlerweile 12 der 50 Bundesstaaten Gesetze erlassen, welche die Abgabe von Cannabis an Patienten regeln. Mittlerweile soll es in den USA 250.000 bis 300.000 autorisierte Medizinalhanf-Nutzer geben.

So ist auf regionaler Ebene legal, was auf Bundesebene illegal ist. In Staaten wie Montana und Colorado kam es im vergangenen Jahr zu seltsamen Szenen: Der örtliche Polizei hatte sich in einigen Städten damit arrangiert, dass Ärzte Marihuana verschreiben, Patienten, die mit einem Beutel angetroffen wurden, blieben unbehelligt. Am nächsten Tag aber verhafteten Beamte der Strafverfolgungsbehörde DEA die Personen und räumten die Läden aus, in denen die Patienten ihr Cannabis erhalten hatten.

Der Vertrieb des heilkräftigen Cannabis‘ ist ohnehin die Crux: Zwar dürfen Ärzte Hanf verschreiben, nur gibt es aufgrund der Bundesgesetze keine offiziell legalen Möglichkeiten für die Kranken, an ihr Medikament zu kommen. So entstanden Cannabis-Clubs, die unterschiedlichen funktionieren. In einigen erhält man nur Cannabis, wenn man ein ordentliches Clubmitglied ist. Bei anderen reicht es aus, wenn man am Eingang seine Rezept vom Arzt vorzeigt. In beiden Fällen öffnet sich dahinter meist eine breite Auswahl an Therapeutika. Verschiedenen Sorten, meist grob nach Sativa und Indica und ihres Wirkungsgrades getrennt, Öle, Butter und Kekse sind in unterschiedlichen Mengeneinheiten zu kaufen. Ein typischer Beutel mit einer 1/8 Ounce (3,5 Gramm) kostet 50 Dollar. In einigen Clubs zahlen arme Kranke nichts für ihr Gras, die anderen Klienten tragen dieses Modell. Sogar Haschisch gibt es auf Rezept.

Die Hochburg dieser Entwicklung ist Kalifornien. Alleine hier sind zur Zeit über 10.000 Patienten registriert. Die Genehmigungen für Rauschhanf gelten ein Jahr lang. Die Clubs agieren halblegal, aber nicht im Untergrund. Ihre Namen klingen wie aus einem Hippie-Streifen: Das „Purple Heart Center“ in Oakland, das „Love Shack“ und die „Bernal Heights Arzneiausgabe“ in San Francisco.

Der dortige „Medical Cannabis Act“ wurde 2005 erlassen, damit wurde ein Entwicklung angestoßen, von der selbst die Cannabis-Befürworter nicht immer genau wissen, ob sie gut verläuft: Innerhalb kurzer Zeit entstanden fast 100 Clubs, manche von Aktivisten der ersten Stunde, manche aus reinen Profitgründen gegründet. Nicht immer war klar, wer unter welchen Umständen Cannabis erhielt. Der Druck aus Washington wurde größer. Seit Sommer 2007 müssen sich die Clubs nun einer strengen Sicherheitsüberprüfung stellen, die Bürokratiemühle kam in Gang. Gesundheitsamt, Arbeitsschutz, Feuerwehr: jeder brachte seine Richtlinien vor. 6.600 Dollar Anmeldegebühr sind seither pro Club fällig.

Clubs wie die „HopeNet Co-Op“ und der „Good Fellows Smoke Shop“ haben die Zulassung erhalten, auch, weil sie eng mit den Behörden zusammenarbeiten. Matt Kumin, ein Anwalt aus San Francisco, berät Cannabis-Clubs und ist überzeugt: „Nur die Kooperationen werden überleben, die Allianzen mit Gesundheits- und Strafverfolgungsbehörden eingehen und auch Forscher ihre Projekt überprüfen lassen.“

Martin Olive vom „Vapor Room“ stimmt dem zu, er und sein Kompagnon arbeiten mit „Americans for Safe Access“ zusammen, einer Vereinigung von Bürgerrechtlern, Wissenschaftler und Patienten mit über 40.000 Mitgliedern (sic!), die sich für den ordentlichen Zugang zu Cannabis einsetzen. Olive berichtet von 75 Todkranken, die sein Club kostenlos mit Cannabis versorgt. Im „Vapor Room“ wird ein großer Teil des Medizinalhanfs gleich vor Ort konsumiert, „das schließt den Wiederverkauf aus“.

Abseits der Cannabis-Clubs haben sich Lieferservices und Head-Shops mit Hinterzimmer etabliert, die Autoren Patrick McCartney and Martin A. Lee („Acid Dreams“) sprechen gar von 400 Stück, 200 davon alleine in der Region in und um Los Angeles. Die Zeiten der „Social Clubs“ sind vorbei, neuerdings wird von „Dispensaries“ gesprochen, ein medizinischer Fachausdruck für Arzneiabgabestellen. Gras aus Mittel- und Südamerika wird in diesen modernen Apotheken kaum noch verkauft, die örtlichen Grower in Orange County und dem Rest der USA liefern seit Jahren gute Qualität. Man spricht in Anlehnung an goldene Zeiten bereits vom „Großen kalifornischen Grasrausch“.

Es mehren sich die Zeichen, dass die gute Idee der Abgabe eines naturnahen Medikaments an schwerkranke Menschen aus dem Ruder gelaufen ist. Darunter leiden vor allem die tatsächlich Kranken: Die Genehmigungen führen immer wieder zu Problemen, sei es, weil ein Patient von einem Bundesrichter angeklagt wird oder er mehr als die genehmigten Pflanzen in seinem Garten groß gezogen hat. Die Zahl der Anklagen gegen Patienten ist enorm angestiegen, immer wieder schließt die DEA auch sauber arbeitende Clubs und vernichtet das Cannabis vor Ort. Ärzte werden verdächtigt, ohne vernünftige Diagnose Rezepte auszustellen. Journalisten proben die Praxis und erhalten tatsächlich ohne Probleme eine Verschreibung. Es ist ein absurdes Durcheinander entstanden.

Der Wunsch nach Normalisierung des Cannabiskonsum für jedermann droht die zarte Wurzel des Medizinalhanfs anzufressen.
Mit großen Problemen sind diejenigen konfrontiert, die Cannabis für medizinische Zwecke anbauen. 1996 rief der Bürgermeister des kalifornischen Santa Cruz den 15. November zum Tag des “medizinischen Cannabis” aus und ehrte Valerie Corral in seiner Rede. Damals gediehen unter ihrer Obhut Hanfpflanzen für 125 schwerkranke Menschen, denen sie die harzhaltigen Blütenstände lieferte. Zwei Jahre später wurde ihre hoch gelobte Plantage von der DEA hoch genommen.

Blau = Bundesstaaten mit Gesetzen zu medizinischem Cannabis Orange = Bundesstaaten mit Gesetzen zur Cannabis-Entkriminalisierung Pink = Bundesstaaten mit Gesetzen auf beiden Gebieten (Stand: Januar 2008)
Blau = Bundesstaaten mit Gesetzen zu medizinischem Cannabis
Orange = Bundesstaaten mit Gesetzen zur Cannabis-Entkriminalisierung
Pink = Bundesstaaten mit Gesetzen auf beiden Gebieten
(Stand: Januar 2008)

In anderen Bundesstaaten ist die Medizinalhanf-Bewegung ebenfalls weit fortgeschritten. Zur Zeit haben neben Kalifornien noch elf weitere Bundesstaaten Cannabis als Medizin (meist über Volksentscheide) legalisiert: Alaska, Colorado, Hawaii, Maine, Maryland, Montana, Nevada, New Mexico, Oregon, Rhode Island, Vermont und Washington.

Meist ist nur relativ genau geregelt, wer wievielt Cannabis sein Eigen nennen darf. Beispiel Rhode Island. Hier darf „ein Patient zwölf Pflanzen besitzen“ und 2,5 Ounces (rund 70 Gramm) Gras besitzen. Beispiel Oregon: Dort hat die Konkretisierung des Cannabis-Gesetzes im Jahr 2006 fest geschrieben: Jeder Patient darf bis zu sechs reife Pflanzen und 18 Setzlinge beherbergen, zudem 24 Ounces (680 Gramm) Cannabiskraut für den persönlichen Gebrauch horten. Auch in Oregon ist der Erhalt von Cannabis kein Einzelfall mehr: Das medizinische Programm umfasst rund 15.000 Patienten.
Auch die Indikationen sind von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. Meist umfassten sie AIDS, Krebs und Multiple Sklerose, nicht immer auch Glaukom, Epilepsie und chronische Schmerzen.

Angesichts solcher Zahlen ist es kein Wunder, dass die Gegner der Verschreibung vermuten, dass jeder mit Lust auf Rausch sich zu einem Arzt bewegt. Und tatsächlich: Besonders verschreibungswillige Mediziner werden auf Listen im Internet geführt. Auf der anderen Seite stehen eine große Anzahl von Menschen mit ernsthaften Leiden, wie Multipler Sklerose oder AIDS, die enorm von der Wirkung des natürlichen Cannabis profitieren. Die Entkriminalisierung-Bewegung, vor allem aber die Kiffer, die Cannabis nur aus verständlichen Kreativitäts- und Entspannungsgründen konsumieren, werden sich überlegen müssen, ob ihr Aufsatteln auf das Pferd mit Namen „Cannabis als Medizin“ dieses nicht allzu schnell zum erlahmen bringen wird. Damit wäre dann niemanden mehr geholfen.

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Kotzende Kiffer, durchgeknallte Diebe, pöbelnde Polizisten

20 Jahre als Head-Shop-Besitzer

„Die Jungs vom Zoll standen mit fünf Mann um den Karton mit den Schwarzen Witwen. So was hatten die noch nie gesehen, dass gab einen mittelschweren Aufstand in dem Laden.“ Michael vom Head-Shop „Ganesh Baba“, mit riesen Abstand Hamburgs ältester Headshop, schlägt sich seit zwanzig Jahren mit der Drogenpolitik herum. Ob Zoll, Polizei oder unehrliche Kiffer – als Besitzer eines Head-Shops erlebt man viel. Wir besuchen ihn an einem regnerischen Nachmittag in seinem Laden in Hamburg, um ein paar Anekdoten aus dem Leben eines Hanf-Pioniers zu genießen.

Die Zeiten, in denen der Zoll Pfeifen misstrauisch beäugte oder gar die Herausgabe verweigerte, sind heute vorbei. Michael lächelt: „Damals konnte ich die uniformierten Herren nur schwer davon überzeugen, dass die Schwarzen Witwen in Wahrheit Blumenvasen sind.“ Trotzdem bekam er den Karton. Auf die Idee ein Geschäft für Rauchgeräte und fernöstliche Waren zu eröffnen, kam er nach ausgiebigen Trips durch Asien („ein paar Mal Overland nach Bali“) in Varanasi.

Ab Mitte der 70er Jahre hatte es ihn auf dem Weg über Nepal („dort habe ich einmal vier Wochen nicht geraucht…“) wieder in die heilige Stadt im Norden Indiens verschlagen. Mit einem Koffer voller Pfeifen, Stirnpunkten (Bindis), Statuen, Waage, Tücher und anderem Kunsthandwerk kam er zurück nach Deutschland. „Die Bindis habe ich heute noch, der Kleber ist bloß leider nach 20 Jahren eingetrocknet. Wer konnte schon ahnen, dass die Dinger mal hier doch noch modern werden“, amüsiert sich Michael. Das Glück war ihm nicht holt: Bei der Einweihungsfeier seines Geschäfts klaute ein weiblicher Gast Ware im Wert von 800 Mark. Wir wollen es kaum glauben, aber Diebstahl blieb und ist noch heute nach Michaels Worten eine gängige Methode unter einigen Kiffern, das nötigen Zubehör für den Alltag zu besorgen. Über die Jahre zählte Michael über 100 Straftaten: Ob Einbruch, Scheckbetrug, Nötigung, Ladendiebstahl oder ein Brandanschlag 1995 mit drei Mollis- die Klientel gab sich auch ruppig. Die Scheiben des Ladens sind vergittert. „Nur Schutzgelderpressung kam nicht vor“, erinnert er sich. Das mag auch an der Lage des Geschäfts im biederen Uhlenhorst, einem Stadtteil im Osten Hamburgs liegen.

Während wir uns unterhalten, betritt Kundschaft den Laden und ordert drei Packen lange Blättchen. „Nimm doch fünf, dann wird´s billiger“ meint Michael, wünscht „Frohes Drehen“ und der Kunde tappst ins Wochenende.

Zunächst reiste er immer selbst nach Asien, um neue Waren nach Deutschland zu bringen, später liess er sich die Produkte über Exporteure zu senden. Der Verkauf von Kleidung und Kunsthandwerk lief allerdings schleppend. „Ausserdem haben mich Pfeifen schon immer mehr interessiert.“ Mitte der achtziger Jahre verkaufte Michael seine Paraphenalia nebenbei in Amsterdam, auf der Strasse, Coffee-Shops und im Grosshandel. „Da war an einem Wochenende mehr zu verdienen als in einer Woche in Hamburg im Laden“, erinnert er sich. „Die Leute denken ja, dass in Amsterdam alles billiger ist.“

Die größten Probleme für Michael schufen aber nicht der mangelnde Umsatz der ersten Jahre oder die klauenden Kiffer, sondern die Vollzieher der Drogengesetze: Die Polizei. Die Kundschaft wurde mit Ausweiskontrollen vor dem Geschäft schikaniert und als Head-Shop-Besitzer war man lange Zeit Freiwild für frustrierte Beamte vom Typ Norbert bei den Freak Brothers. Hausdurchsuchungen standen dabei ebenso auf dem Programm wie zivile Überwachungen. Dazu kam, dass gelegentlich dümmere unter den Kunden Michael verdächtigte, mit der Polizei zusammen zu arbeiten, weil sie nicht glauben konnten, dass jeder so einen Laden eröffnen könnte. „Die nahmen tatsächlich an, dass man so ein Geschäft nur mit einer speziellen Lizenz betreiben durfte“, wundert sich der 46-Jährige. Heute habe sich die Lage allerdings in dieser Hinsicht beruhigt.

Wieder geht die Tür vom Laden auf – Kundschaft! Der Mann hat eine einfache Frage: „Was brauche ich zum Pflanzen anbauen und hast du das alles?“ Michael zeigt sich ungerührt, offenbar kommt es nicht das erste Mal vor, dass ein Kunde ohne einen blassen Schimmer vor ihm steht. „Töpfe, Erde, Dünger und ein Buch“, antwortet er knapp. „Kaufe ich“, sagt der Mann. Fünf Minuten später hat er alles und verlässt den Laden.

Die alten Zeiten, in denen die Kiffer noch bewusstseinverändernde Ansprüche an ihren Haschisch-Konsum stellten, trauert Michael nach, das gibt er ehrlich zu. „Heute ist Kiffen nur noch eine Modeerscheinung, ohne jeglichen bewussten Hintergrund.“ Seine Augen glänzen als er erzählt: „Früher hielt man sich das Chillum an die Stirn und sagte: ´Bum Shanka´ oder ähnliches. Das war die Bitte an die göttlichen Wesen, den gleich kommenden Trip zu begleiten und eine Richtung zu geben. Heute wird einfach nur gekifft bis der Notarzt kommt.“ Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1994 waren die Leute erleichtert, erinnert sich Michael weiter. Für viele war dies ein Signal, offener mit ihren Cannabis-Vorlieben um zu gehen. Seit dem ist das Publikum jünger geworden und die Kaufgewohnheiten haben sich auch geändert. „Die Jungen kaufen Acryl, die Alten Glas“, bringt Michael den Unterschied auf den Punkt. Er zeigt uns einen Glas-Bong, der gerade repariert wurde. Für ihn selbst sind die Rasotherm-Geräte aus Jenaer Glas die ultimativen Rauchgerät. Festlegen will er sich aber nicht lassen: „Es kommt immer auf die Verwendung an. Für Feten und Chaos-Haushalte ist der Acryl-Bong natürlich ideal.“

Während Michael im Hinterzimmer gerade den Kaffee aufsetzt, geht wieder die Tür vom Laden auf. Der Mann sieht uns und meine vorm Bauch pendelnde Kamera, dreht auf den Hacken um und verlässt den Laden. „Samstags kommen immer die schrägsten Typen“, lacht Michael, „vor ein paar Jahren kotzte mir ein Typ in die Yuka-Palme; die Pflanze ging eine Woche später ein“. Ein anderes Mal war einem Kunden so übel, dass er sich vor die Tür erbrach – zum Glück war im letzten Moment die klemmende Tür doch noch auf gegangen.

Als wir auf die Drogenpolitik zu sprechen kommen, gerät Michael das erste Mal in Fahrt: „Das Samenverbot hat doch nur der Versorgnunsmafia in die Hände gespielt, der Konsum hat damit kein Stück nach gelassen. Dazu kommt, dass so ein Gesetz im Zeitalter offener Grenzen in Europa völlig blödsinnig ist.“ Durch die verfehlte Drogenpolitik und die Kommerzialisierung käme es zudem, so Michael, zu einer „Verhärtung der Szene“. Mittlerweile habe sich auch die Produktionsweise von Gras so professionalisiert, dass das in den Coffee-Shops angebotene Marihuana meist steril und automatisiert herangezogen wird. „Nach der naturfernen Aufzucht auf Steinwolle werden die Cannabisblüten abschließend mit Haarspray behandelt, damit sie schön harzig aussehen. Zur Krönung wird das Kraut dann auch noch nicht richtig getrocknet, weil es feucht mehr wiegt und das erzielt natürlich höhere Preise.“ Kein Wunder, so der Veteran, dass sich immer mehr Privatleute „für ihren Eigenbedarf von der Coffee-Shops abkoppeln wollen“.

Inzwischen sitzen wir seit drei Stunden bei Michael. Eine Goldgrube war der Shop nie, trotzdem ist er Michael ans Herz gewachsen. Auf die Frage, wie er sich seine Zukunft vorstellt, überlegt er kurz. „Hier bin ich und hier bleibe ich noch einige Zeit“, sagt er dann.

 

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Cannabis Gesundheitssystem

Cannabis und die Lunge

HanfBlatt, Nr. 98, November/Dezember 2005

Ergänzt im Juli 2007

Die Rauchzeichen sind deutlich: Cannabisrauch schadet der Lunge

In den letzten Jahren wurden eine Reihe von neuen, ernst zu nehmenden Studien zur Auswirkung des Kiffens auf die Lunge veröffentlicht. Schon in früheren Untersuchungen wurde darauf hingewiesen, dass regelmäßige Cannabis-Raucher, egal ob sie Cannabisprodukte nun mit oder ohne Tabak verbrennen und einatmen, statistisch gesehen eher an Husten und verschleimten Atemwegen leiden.

Genauer wollten es eine Forschergruppe um Michael Roth wissen. Sie untersuchten die Lunge von 40 Freiwilligen mit verschiedenen Konsummustern: (1) Nichtraucher, (2) Pur-Kiffer ohne Zigarettenkonsum, die rund fünf Spliffs in der Woche durchzogen, (3) Raucher, die eine halbe Schachtel Zigaretten täglich konsumierten und (4) Kombi-Kiffer, die sowohl kifften als auch Tabak rauchten. Jedes Mal wurden die Atemwege der Probanden per Endoskop videografiert und Lungenschleim untersucht (s. Foto). Das Ergebnis: Alle drei Rauchergruppen wiesen eine höhere Reizung der Bronchien auf als die Nichtraucher, wobei sich die Lungen der Pur-Kiffer und die der Tabak-Raucher kaum unterschieden. Am schlechtesten sah es bei den Kombi-Kiffern aus.

In Neuseeland untersuchten Robin Taylor und seine Kollegen über einen langen Zeitraum wiederholt den Atemtrakt von annähernd 1000 freiwilligen Kiffern, jeweils in deren 18ten, 21ten und 26ten Lebensjahr. Das Ergebnis: Sie litten im Vergleich zu Nichtrauchern eher an Husten, Schnupfen und Kurzatmigkeit. Dies galt unabhängig davon, so die Autoren, ob die Probanden zusätzlich auch noch Zigaretten rauchten. Wichtig: Es herrscht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Menge des in dem Zeiträumen gerauchten Cannabis und der Schwere der Schädigung der Lunge. Gerade die Dauerkiffer, so die Autoren, leiden eher an Husten, vermehrtem Auswurf und Atemnot bei Belastung.

Das über allen professionellen Rauchern hängende Damoklesschwert hört auf den Namen „Krebs“. Auch hier gab es in den letzten Jahren wichtige Erhebungen. Grundsätzlich wohnt auch dem reinen Cannabisrauch das Potenzial inne nsere Zellen mutieren zu lassen und zu Krebs zu führen. Die meisten Studien nutzen aber enorm hohe Dosen, um diesen Effekt an den Zellen nachzuweisen. Am saubersten ist daher formuliert: Cannabisrauch kann, muss aber nicht Krebs auslösen. Selbst ohne Tabak birgt der dauerhafte und über einen langen Zeitraum betriebene Konsum von Cannabis die Gefahr der Krebserkrankung.

1999 untersuchte Zuo-Feng Zhang und eine Gruppe von Forschern an der Universität von Kalifornien 173 Lungenkrebspatienten und Nichtraucher-Kontrollgruppe. Das Ergebnis: Ein Krebsrisiko erhöht sich mit Dauer und Dosis des Marihuana-Konsums. Langzeit-Kiffer, so die Autoren, erkranken 2,6 Mal häufiger an Krebs als Nichtraucher. Und das Risiko auf Krebs steigt um das 10-36-fache, wenn man zudem noch regelmäßig Fluppen raucht.

Für Krebs wie für andere Krankheiten gilt: Oft ist es sehr problematisch einen Kausalzusammenhang zum Cannabis-Konsum nachzuweisen. Die meisten Kiffer rauchen parallel Tabak, viele kennen die Wirkung von Hanf nur aus Tabak-Joints. Es besteht zwar der starke Verdacht, noch ist aber nicht nachgewiesen, dass der pure Genuss von Cannabis zu Krebs führt.

Neuseeländische Forscher haben 2007 die Auswirkung von Cannabis- und Tabakrauch auf die Lunge erneut verglichen (Thorax, Juli 2007). Sie untersuchten vier Testgruppen: Erwachsene, die nur Cannabis rauchen, solche, die nur Tabak genossen, eine Gruppe, die beides konsumierte, und Nichtraucher. Die Cannabis-Pur-Raucher mussten mindestens 5 Jahre lang einen Joint pro Tag geraucht haben, die Raucher ein Jahr lang mindestens eine Schachtel Zigaretten pro Tag. Nach dem Durchlauf der Statistik brachten die Forscher die Durchschnittswerte auf eine prägnante Formel: ein Pur-Joint ist für die Lunge das Äquivalent von 2,5 bis fünf hintereinander gerauchten Zigaretten. Nach Ansicht der Wissenschaftler liegt das zum einen an der Tatsache, dass die Inhalation bei Pur-Rauchern viel tiefer und länger erfolgt.

Die schlimmsten Lungenschäden haben die Experten um Richard Beasley allerdings bei den Tabakrauchern und THC-Tabak-Kombinierern festgestellt. Sie litten öfter am sogenannten Lungenemphysem, einer Lungenkrankheit, die durch die Zerstörung der Lungenbläschen entsteht. Bei den Pur-Kiffern stellten die Forscher zwar kein Lungenemphysem fest, dafür aber leichtere Symptome wie pfeifenden Atem, Husten und „Schleimabsonderungen“, wie es in dem Bericht hieß.

Wohlgemerkt: Seit tausenden von Jahren verschafft Cannabis Asthmatikern Erleichterung, denn das Inhalieren des Rauches führt zu einer Erweiterung der Bronchien, die bis zu einer Stunde anhält. Und während so mancher Dauerkiffer fröhlich 85 Jahre alt wird, erwischt manchen sportlichen Veganer bereits mit 52 der Sensenmann. Wie so oft kommt es wohl auch auf die richtige Einstellung an. Und wer schon meint viel Gras und Hasch rauchen zu wollen, der sollte zumindest darauf achten seine kuschelige Körper-Geist-Einheit in Form zu halten. Das Motto „Viel hilft viel“ ist, egal, um was es nun geht, meist Raubbau am Körper, der sich früher oder später auf seine Weise rächen wird. Die junge Lunge kann sich erholen, ist sie aber erst einmal gründlich geteert wird es schwieriger mit dem Genuss der Riester-Rente.

Fazit: Die schädlichen Effekte von Tabak und Cannabis addieren sich, raucht man die beiden Kräuter zusammen, ist das weder aus Gründen eines kräftigen Highs noch aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll. Das klingt zwar puristisch, ist aber leider mittlerweile eine nachgewiesene Tatsache.

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Cannabis Interviews

Ein Interview mit Jerry Beisler über den Haschisch-Trail und darüber hinaus

HanfBlatt, Nr. 105

Der Bandit von Kabul

Ein Interview mit Jerry Beisler über den Haschisch-Trail und darüber hinaus

Der Autor und Dichter Jerry Beisler hat kürzlich ein sehr schönes autobiographisches Buch vollendet, in dem er von seinen Erfahrungen in den Siebzigern berichtet. Er stieß in Kabul/Afghanistan zum berüchtigten Haschisch-Trail, exportierte Tibetanische Teppiche aus Kathmandu, baute in Kalifornien Marijuana an, promotete als Freund die Musik von Jerry Garcia, Jefferson Starship, Santana, Fleetwood Mac, David Crosby, Taj Mahal und der Mike Bloomfield Band und so weiter. Für Old-School-Hanf-Aficionados sind die Erinnerungen ein Lesevergnügen, in das abzutauchen Spaß bringt. Im gleichen Atemzug sind sie ein einzigartiger, dabei auch repräsentativer Teil der kollektiven Erinnerungen dieser für die Entwicklung der internationalen Gegenkultur so wichtigen aber nun mehr längst vergangenen Zeit. Eine Fülle von Schnappschüssen aus dem Hippie-Leben bieten zusätzlichen Augenschmauß. Ich überraschte Jerry während des Aktes: Er schreibt an drei weiteren Büchern, die sich mit den Sechzigern beschäftigen („Hoosiers and Hippies“), den Achtzigern („Cocaine Cowboys“) und – erraten – den Neunzigern („Paradise, Pain and Production“). Er nennt diese Serie „As the Prayer Wheel Turns“. Was mich betrifft muss ich die Gebetsmühle im Namen des Hanfblattes stoppen, um ihm, auch wenn in seinem Buch „The Bandit of Kabul“ mehr steckt als faszinierende Dope-Stories, ein paar bohrende Fragen von besonderem Interesse für unsere wissbegierige Leserschaft zu stellen.

Hanfblatt: 1971, in den Zeiten vor Handy, Internet, Walkmen und globalem Satelliten-Fernseh-Overkill selbst im abgelegensten Dorf, hast Du die USA verlassen, um dich mit deinen Freunden auf dem bereits etablierten sogenannten Hippie- oder Hashish-Trail zu treffen, dem magischen Pfad von Europa durch die Türkei, den Iran, Afghanistan und Pakistan nach Goa in Indien und Kathmandu in Nepal und darüber hinaus zu vielen anderen Plätzen Asiens. Was war dein Beweggrund?

Jerry Beisler: Der sich entwickelnde Polizeistaat in den USA. Meine Freunde und ich waren gegen den völkermörderischen Krieg, der in Vietnam tobte. Wir kamen aus der politisch aufgeladenen Bürgerrechtsbewegung und waren Ziele für inszenierte Razzien gewesen. Im „Bandit von Kabul“ kulminiert diese Unterdrückung in einer Massenverhaftung, die sich gegen Anwälte richtete, die Kriegsdienstverweigerer und Cannabisfälle verteidigten. Wenn die Regierung anfängt, Rechtsanwälte anzuvisieren und einzuschüchtern, bleibt friedliebenden Menschen keine Verteidigung mehr übrig. Sein Land zu verlassen und ins Exil zu gehen war über Jahrhunderte hinweg die einzige Wahl, wenn Tyrannei regiert.

Hanfblatt: Was für Menschen hast Du auf dem Haschisch-Pfad getroffen? Wie würdest Du die Szene beschreiben?

Jerry Beisler: Es hing davon ab, ob du beispielsweise mit dem Red-Eye-Charterflug billig über Island oder Frankfurt anreistest oder auf dem Weg in die Hände eines verzweifelten Diebes oder eines korrupten Zöllners fielst. Auch, ob du krank wurdest oder tödlich erkranktest, war häufig reine Glückssache. Das gesagt, überlebten die, die etwas über Tibetische und Ayurvedische Medizin lernten, drei Pfeifen rauchten anstatt drei Tage in einer Opiumhöhle abzuhängen und darüber hinaus geschäftstüchtig etwas ins Laufen brachten.
Die Szene war ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Es gab kreative Leute, die großzügig gaben, wohltätige Geister, die ihren Weg in Waisenhäuser und Flüchtlingslager fanden. Andere liefen in die Arme von Gurus, begannen spirituelle Lebensweisen oder begaben sich auf hochabenteuerliche Bergwanderungen, Flussfahrten oder die wildesten, verrücktesten und gefährlichsten Busfahrten, die man sich vorstellen kann. Einige Leute rauchten Dope, blieben im Hotelgarten und genossen Tee und Philosophie. Das Beste an „der Szene“ war, dass Alle Reiseerfahrungen und Informationen über die lokale Politik oder Geschichte austauschten und sich generell an der Anwesenheit der Anderen erfreuten, unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Background. Junkies sind eine Szene und ein Kapitel für sich. Das kann jemand anderes schreiben.

Hanfblatt: Durch welche Art von Unternehmungen schafften es die Leute auf dem Trail zu überleben?

Jerry Beisler: Amsterdam war so ein Geldmagnet, dass es alles verschlang. Einige Leute zogen ausschließlich aus diesem Markt Vorteile. Im „Bandit von Kabul“ beschreibe ich ein Hotel in Indien, das 60 Räume hatte. In jedem Raum wurden Koffer mit falschen Böden präpariert, um sie mit Haschisch hauptsächlich aus Kashmir, Manali und Nepal speziell für den Schmuggel nach Amsterdam zu präparieren. Es gab allerdings auch noch andere Märkte. Andere handelten mit Antiquitäten, Schmuck und Teppichen. „Der Bandit von Kabul“ dokumentiert, dass die schräge Wirtschaftspolitik verschiedener asiatischer Länder in bizarrer Weise Geschäftsmöglichkeiten schuf. Zum Beispiel Indira Gandhi, Herrscherin Indiens in den Siebzigern, verbot zu einem bestimmten Zeitpunkt Gold. Inder lieben Gold. Man stelle sich die finanziellen Möglichkeiten vor, die sich dadurch boten, dass Indien von Ländern umgeben war, in denen Gold reichlich und legal vorhanden war.

Hanfblatt: Du hast dich mit deiner Freundin in Kabul niedergelassen. So wie Du es beschreibst, muss Afghanistan in jenen Tagen ziemlich gefährlich gewesen sein. Die Leute waren nicht an westliche Menschen gewöhnt und noch weniger an Hippies und ihre freiheitsliebenden Frauen. Was war die Faszination von Afghanistan in den frühen Siebzigern?

Jerry Beisler: Freiheit. Pure unverschnittene Freiheit. Zusätzlich war ich ein Pferdenarr. Ich habe seit meinem sechsten Lebensjahr geritten. Wie ein Fußballer in Europa in der Weltmeisterschaft mitspielen möchte, wollte ich mit den großen Reitern der Steppe reiten. Ökonomische Freiheit. Der Geldmarkt hatte 95 lizensierte Händler, die für eine kleine Gebühr jede Währung der Welt gegen jede andere tauschten. Für einige der kleinen abgeschiedenen Länder der Welt brauchte es ein oder zwei Tage, aber es war Geld gegen Geld. Außerdem waren die Reisenden, die sich nach Afghanistan hingezogen fühlten und keine Junkies waren, körperlich auf der Höhe und intelligent. Sogar das Botschaftspersonal und die Afghanischen Beamten waren angenehm. Alleinreisende Frauen waren in den beiden weltoffensten Stadtteilen von Kabul-Stadt absolut sicher. Überall sonst im Land war es geschlechtsunabhängig, Hund frißt Hund, Überleben des Stärkeren.

Hanfblatt: Du wurdest Teil von einigen Haschischschmuggel-Aktionen. Der berühmte Schwarze Afghane wurde zum boomenden Dope-Markt in den liberalen Niederlanden geschafft. Was war das Geheimnis einer erfolgreichen Haschischschmuggel-Operation in dieser Zeit?

Jerry Beisler: Diplomaten und ihre unmittelbaren Günstlinge. Königliche Lizenzen in Großbritannien. In den USA waren es Zollspeicher. Nichtsdestotrotz braucht man Leute mit Mut und Integrität um den wichtigen Schritt von den verzweifelten Farmern in die Umgebung eines asiatischen Flughafens zu machen. Der kleine Sprung von irgendeinem abgelegenen Bergdorf über den Khyber-Pass oder die Berge runter von Manali trennt den Mutigen vom Hochmütigen.

Hanfblatt: Welche Art von Operationen waren zum Scheitern verurteilt?

Jerry Beisler: Alle Schmuggelaktionen, die ein Tier mit einschlossen. Leute versuchten Käfige voller Haschisch für alle möglichen Tiere dieses Planeten zu bauen, so scheint es. Sie schickten Durchfall-gebeutelte, finanziell abgebrannte weibliche „Mulis“ mit henna-rotgefärbten Haaren auf jeder Billigairline los, die noch einen freien Sitzplatz hatte. Das hat sicherlich einen komischen Aspekt, unter dem all die durchgeknallten gescheiterten Ideen zu einem Film verarbeitet werden könnten.

Hanfblatt: Du hast auch die Installation der wahrscheinlich ersten Hasch-Honigöl-Produktionsanlage in Afghanistan mitgekriegt. Kannst Du uns darüber etwas berichten?

Jerry Beisler: Die Ladaine-Kommission in Kanada hatte 1968 einen Nationalen Bericht zur Cannabisforschung herausgegeben. Sie publizierten jedes Fünkchen vorausgegangener Cannabisstudien, pharmazeutischer Verkäufe und medizinischer Anwendungen, die gedruckt worden waren. 1923 und 1924 hatten zwei große Amerikanische Firmen per Postversand bestellbar eine Haschischöl-Tinktur im Angebot. Durch den Ladaine-Report wurde ich auf Hasch-Öl aufmerksam. Ich wurde in Afghanistan einfach darin involviert als der Erste, der es ohne eine richtige Ahnung für eine Vermarktungs- oder Geschäftsstrategie wiederbelebte. Ich dachte, gelagerte Flaschen goldenen Öls würden nicht viel anders sein als feiner Wein in einem Keller. Eines Tages wollte und nahm jemand die Idee und sie pumpte Geld und Arbeit in eine lokale Ökonomie, die in großer ökonomischer Not war.

Hanfblatt: Eine eigenartige Sache für ältere Europäer ist, dass Du Marijuana gegenüber Haschisch bevorzugtest. Du hast in Kabul sogar einen Gärtner angestellt, um dir einen Bestand an Acapulco Gold zu pflanzen. Kannst Du erklären warum? Wie entwickelte sich das Grass unter Afghanischen Bedingungen? Hast Du Kreuzungsexperimente gemacht?

Jerry Beisler: Keine Zuchtexperimente an sich. Akmed Ahmen war ein Marokkanischer Lieferant von Cannabisprodukten für die Rockstars Pete Townsend, Jim Hendrix, Keith, Mick und Brian Jones von den Rolling Stones. Akmed hatte große Schwarzweiß-Fotos von jedem von ihnen, wie sie im Garten seines Wohnhauses in Tanger rauchen. Im selben Haus überzeugte mich Akmed, dass Haschisch zu stark sei um es außer bei seltenen Gelegenheiten zu benutzen. Ich folgte seinem Ratschlag. Alle Grass-Samen, die ich oder irgendjemand von denen, die ich kannte, in einem anderen Klima oder Kontinent anzubauen versuchten, so die einhellige Meinung, entwickelten sich dürftig im ersten Jahr, passten sich dann aber klimatisch an und gediehen.

Hanfblatt: Zurück in den Bergen von Kalifornien fingst Du an Marijuana anzubauen und wurdest Teil der aufblühenden Homegrowing-Industrie. Aber zunächst war es nicht einfach, Dein Selbstangebautes zu verkaufen. Wie hast Du es geschafft, potentielle Kunden für dein Produkt zu interessieren?

Jerry Beisler: T-Shirts mit Slogans wie „Sweet and Spicy“ oder „Grown 1000 meters up in the Flavor Zone“. Ich gab sie als Erinnerungsstück zu jedem Kauf dazu, und sie wurden auf ihre Weise Sammlerstücke. Im Nachhinein amüsant ist, dass die Grower-Szene so paranoid war, dass es schwierig war einen T-Shirt-Produzenten zu finden, der bereit war, Shirts mit der Abbildung von Buds zu fabrizieren. Man stelle sich vor, davor Angst zu haben, für eine Zeichnung eingesperrt zu werden.

Hanfblatt: Welche Samensorten hast Du in den Siebzigern benutzt? Hast Du Kreuzungsversuche gemacht?

Jerry Beisler: Im „Bandit von Kabul“ dokumentiere ich einige der Sorten, die daraus entstanden Thai, Afghan, Sumatran, Mexican und Kreuzungen zu vermischen. Ich hab es mehr aus persönlicher Neugier gemacht, als aus irgendeiner Art wissenschaftlich botanischem Interesse heraus.

Hanfblatt: Warum hast Du 1981 mit dem Anbau aufgehört?

Jerry Beisler: Der Amerikanische Präsident Reagan erklärte den „War on Drugs“, im wahrsten Sinne des Wortes. Flugzeug- und Hubschrauber-Überwachung über privatem Eigentum und aus niedriger Höhe begannen, was den Verlust eines weiteren Bürgerrechts bedeutete. Obendrein begann die Bundespolizei mit Beobachtungen und Festnahmen rund um Gärtnereibedarfsläden.

Hanfblatt: Was wurde aus der Hippie-Bewegung, wie ich die nicht-dogmatische Gegenkulturbewegung der Sechziger und frühen Siebziger einmal nennen will? Warum ist sie zu Ende?

Jerry Beisler: Viele der Überlebenden kämpfen immer noch für die gute Sache. Die Hippies haben in zehn Bundesstaaaten das Recht Marijuana medizinisch zu nutzen erkämpft. Sie haben die grüne Bewegung vorangebracht und waren an vorderster Front in der ökologisch verträglichen Landwirtschaft. Das sickert durch zur nächsten Generation, zumal sie jetzt angefangen haben zu fordern, den Schulkindern weniger Zucker und schlechte Fette zuzuführen. Obwohl zehn Staaten cool sind, gibt es dafür zehn mehr, die einem für zehn Gramm zehn Jahre Knast geben. Um also die Frage zu beantworten: Sie ist nicht zu Ende.

Hanfblatt: Im Rückblick scheinen die Hippies subjektiv viel mehr die Speerspitze der Avantgarde gewesen zu sein als die engstirnigen politischen Dogmatiker dieser Zeit. Welche Art der Veränderungen, die immer noch nachwirken, würdest Du der Hippie-Generation zuschreiben?

Jerry Beisler: Rassische und religiöse Toleranz wurde erweitert. Der Kampf Mutter Erde davor zu bewahren durch Pestizide, Verschmutzung und Ausplünderung der Meere zerstört zu werden begann. Ich glaube, die nachhaltigste Idee wird die sein, dass im Gegensatz zu vergangenen Generationen, die an kleine beschränkte Definitionen der menschlichen Existenz glauben wollten, die Hippies an das Wachstum des menschlichen Verstandes und Bewusstseins glaubten.

Hanfblatt: Danke für die Beantwortung der Fragen. Und selbstverständlich werde ich es den Lesern überlassen, die wahre Identität des Banditen von Kabul herauszufinden.

Jerry Beisler: Peace, ich danke euch.

Das Buch:

Jerry Beisler
„The Bandit of Kabul“
Regent Press, Oakland, California, USA 2006
Pb., 251 pp., many black&white photos
ISBN 1-58790-094-7
29.95 US-Dollar

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Cannabis Gesundheitssystem Psychoaktive Substanzen

Gute Wirkungsgrade: Universität analysiert den Vaporizer

HanfBlatt Nr. 102

Die Universität in Leiden (Niederlande) hat einen Vaporizer der Firma Storz & Bickel auf Herz und Nieren getestet. Es ging vornehmlich darum festzustellen, ob sich Vaporizer als Geräte im medizinischen THC-Einsatz eignen. Die Ergebnisse sind auch für Freizeit-Liebhaber äußerst interessant. Das Verdampfen von Marihuana oder reinem THC hat gegenüber dem Rauchen den Vorteil, das sich erheblich weniger schädliche Nebenprodukte bilden. Beispielsweise entsteht rund 56% weniger Teer. Für ihren Versuch besorgten sich die Forscher deshalb reines THC sowie weibliche Blütenstände mit einem Anteil von 12% THC(A). Die beste Temperatur zum Verbrennen Verdampfen der Substanzen liegt nach Aussagen der Forscher bei 226 Grad Celsius. Dies entsprach der höchsten Stufe (9) bei dem Gerät. Das Material sollte innerhalb von 45 Sekunden verdampft werden, danach ist kaum noch THC vorhanden. 200 mg der Blüten von der Firma Bedrocan BV wurden aufgelegt, die sehr freiwilligen Testpersonen inhalierten über einen Luft-THC-Ballon rund 8 Liter, hielten das Gemisch 10 Sekunden und exhalierten. Die Menge des ausgeatmeten THC liegt zwischen 30% und 40%. Wobei interessant ist: Die verschiedenen Probanden nahmen alle ungefähr gleich viel THC auf, egal wie sportlich sie waren oder wie groß ihr Lungenvolumen war. Von 20 mg THC kommen 6-8 mg an. Das Fazit der Forscher: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit dem Volcano ein sicheres und effektives Verabreichungssystem für Cannabinoide für Patienten verfügbar zu sein scheint.“
Zum nachlesen: Hazekamp Arno u.a.: Evaluation of a Vaporizing Device, Journal of Pharm. Science, Vol. 95, Nr.6, Juni 2006, S.1308-1317.

 

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Interview mit Carsten Schäfer, Autor der Max-Planck Studie über Cannabiskonsum und Strafverfolgung in der Bundesrepublik

telepolis, 18.06.2006

Von der ewig missachteten Gerichtsentscheidung

Interview mit Carsten Schäfer, Autor der Max-Planck Studie über Cannabiskonsum und Strafverfolgung in der Bundesrepublik

Vor zwölf Jahren gab ein Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe den Anschub zu einer politischen Diskussion und gesellschaftlichen Entwicklung, die bis heute anhält. In ihrer „Cannabis-Entscheidung“ legten die Richter fest, dass ein gelegentlicher Eigenkonsum von Haschisch oder Marihuana straflos bleiben soll. In einem zweiten Schritt verpflichtete das Gericht die Bundesländer dazu, die Strafverfolgung von Haschisch- und Marihuana-Konsumenten anzugleichen. Es könne nicht sein, so die Richter, dass in Bayern der Konsum viel härter als in Schleswig-Holstein verfolgt würde. Seither herrscht Verwirrung in der Republik. Die Entscheidung fiel in die Ära von Love-Parade, Neo-Hippies und Spaßkultur, viele interpretierten den Richterspruch als Quasi-Legalisierung von Cannabis. Kiffen war cool, alle wollten dabei sein, die Konsumenten schienen immer jünger zu werden. Von den Bundesländern wurde der Auftrag eine im wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung zu garantieren und ihre Vorschriften zu harmonisieren tapfer ignoriert.

Jetzt scheint Bewegung in die festgefahrene Situation zu kommen: Das Bundesgesundheitsministerium hatte beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg eine Studie in Auftrag gegeben, die die gegenwärtige Rechtspraxis untersuchen sollte. Zusammen mit Letizia Paoli analysierte Carsten Schäfer über 2000 Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und befragte Experten zur Lage der „Kiffernation“. Im Interview spricht Schäfer, der heute als Staatsanwalt in Baden-Baden tätig ist, über erwachsene Ersttäter, den umstrittenen Begriff der „geringen Menge“ und den Unterschied zwischen juristisch und politisch zu klärenden Fragen.

Frage: Herr Schäfer, durch ihre Studie haben sie ein umfangreiches Bild über die Strafverfolgung bei Cannabis-Besitz gewinnen können. Ist die Praxis der Verfahrenseinstellung in den verschiedenen Bundesländern gravierend unterschiedlich?

Antwort: Aus meiner Sicht ja. Die Unterschiede ergeben sich insbesondere aus den unterschiedlichen Höchstewerten für die Anwendung des § 31 a BtMG, die zumeist in Länderrichtlinien festgelegt sind (zwischen 6 g und 30 g), insbesondere aber aufgrund der Unterschieldichen Anwendung des § 31 a BtMG auf Wiederholungstäter. Insbesondere bei Letzterem ergibt sich eine sehr große Bandbreite: von der Anwendung nur auf Ersttäter, bis zu regelmäßigen oder gar obligatorischen Anwendung bis zu bestimmten Cannabis-Höchstwerten. Dies führt auch in der Praxis zu den festgestellten und auch prozentual messbaren Unterschieden. Da die absolute Mehrzahl aller Cannabis-Konsumentendelikte sich in einem Grammbereich deutlich unter sechs Gramm abspielen, haben hier die unterschiedlichen Höchstgrenzen keinen großen Einfluss.

Foto Carsten Schäfer
Carsten Schäfer

Frage: Eine andere Frage ist aber, ob diese gravierenden Unterschiede auch zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rechtspraxis geführt haben.

Anwort: Hier gibt es derzeit noch sehr wenig Rechtsprechung und kaum Literatur. Diese Frage ist aus meiner Sicht – auch nach Vorliegen unserer Studie – vollkommen offen. Der Grund: Die förderalistische Grundstruktur des GG verbietet grundsätzlich die Anwendung des Art. 3 GG – und damit des Gleichheitssatzes – über die Bundesländergrenzen hinweg. Verlangt wird vom Bundesverfassungsgericht eine „im Wesentlichen gleichmäßige Rechtsanwendung“, ohne dass dies allerdings bisher konkretisiert worden wäre.

Frage: Also kann es auch in Zukunft normal und rechtskonform sein, wenn in den Ländern unterschiedlich bestraft wird? Die Bundesregierung sieht ja auch nach der Veröffentlichung ihrer Studie weiterhin „primär die Länder in der Verantwortung“.

Antwort: Grundsätzlich ist eine unterschiedliche Rechtspraxis zulässig, die Frage ist jedoch „wie“ unterschiedlich diese sein darf. Hier ist es auch weiterhin grundsätzlich die Pflicht der Länder, durch Anpassung der Richtlinien für eine gleichmäßige Rechtsanwendung zu sorgen. Erst wenn dieses nicht gelingt, und ein Ergebnis unserer Studie war ja, dass trotz der Cannabis-Entscheidung aus dem Jahr 1994 (!) bisher keine Einigung erzielt werden konnte, wäre der Bundesgesetzgeber in der Pflicht, durch Neuregelung des § 31 a BtMG für eine gleichmäßigere Rechtsanwendung zu sorgen. Dies aber nur unter der Prämisse, dass der Gesetzgeber aufgrund unserer Studie Handlungsbedarf sieht. Sieht er das nicht und belässt alles beim Alten, wäre letztendlich das Bundesverfassungsgericht – nach erneuter Vorlage dieser Streitfrage durch ein erstinstanzliches Amtsgericht – berufen, dies zu entscheiden und die derzeitige Rechtspraxis als verfassungskonform oder verfassungswidrig zu erklären.

Frage: Hier gibt es dann ja ein weiteres Problem: Da Art. 3 GG nicht anwendbar ist, besteht grundsätzlich auch kein Anspruch des betroffenen Cannabis-Konsumenten auf Gleichbehandlung.

Antwort: Richtig. Ein Beschuldigter, der z. B. in Bayern wegen Besitz von 10 g Cannabis angeklagt und verurteilt wird kann sich also grundsätzlich nicht darauf berufen, dass er zum Beispiel in Berlin oder Schleswig-Holstein nicht verfolgt würde! Lediglich ein zu entscheidendes Amtsgericht kann der Rechtsauffassung sein, dass die Rechtslage so ungleich ist, dass der § 31 a BtMG in seiner jetzigen Fassung nicht verfassungskonform ist und diese Frage sodann Karlsruhe vorlegen.

Frage: 12 Jahre nach der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts ist man also nicht nur keinen Schritt weiter gekommen, die Frage nach der „geringen Menge“ droht zur endlosen Geschichte zu werden. Existieren solche Burlesken in anderen Rechtsbereichen auch?

Antwort: In der empirischen kriminologischen Forschung wurden auch bei anderen Opportunitätseinstellungen im Bereich der sogenannten Bagatellkriminalität unterschiedliche Rechtsanwendungen festgestellt. Hierbei handelt es sich um Einstellungen wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO, etwa bei Diebstählen mit geringfügigem Schaden. Das Problem besteht darin, dass der Beschuldigte hinsichtlich der Nichtanwendung sogenannter Opportunitätseinstellungsvorschriften durch die Staatsanwaltschaft – und hierzu gehört nebend dem erwähnten § 153 StPO u. a. auch der hier behandelte § 31 a BtMG – kein Rechtsmittel einlegen kann. Somit gelangen die Voraussetzungen des § 31 a BtMG nicht zur Überprüfung höherrangiger Gerichte, die mit ihrer Rechtsprechung für eine gleichmäßige Rechtsanwendung sorgen könnten. Voraussetzung einer Einstellung nach § 31 a BtMG ist neben der geringen Menge auch eine geringe Schuld, und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Diese „unbestimmten Rechtsbegriffe“ unterliegen grundsätzlich der Auslegung durch den sachbearbeitendenden Staatsanwalt, regelmäßig gesteuert durch Länderrichtlinien, die durch diesen bindend anzuwenden sind. Unterschiedliche Richtlinien im Bundesgebiet führen so fast zwangsläufig zu einer unterschiedlichen Rechtsanwendung, ohne dass höhere Gerichte, etwa der BGH, regulierend eingreifen könnten.

Frage: Welche cannabisbezogenen Tatbestände führen häufig zur Einstellung des Verfahrens seitens der Staatswaltschaft und Amtsgerichte?

Antwort: Im Rahmen unserer Studie hat sich eine „Idealkonstellation“ herauskristallisiert, bei der davon ausgegangen werden kann, dass in allen von uns untersuchten Bundesländern eine Einstellung des Verfahrens nach § 31 a BtMG erfolgt: Bei erwachsenen Ersttätern ab dem 21. Lebensjahr, Umgang mit einer Cannabismenge unter 6 g, keine Fremdgefährdung und lediglich eine Tatbegehung. Diese Verfahrenkonstellation betrifft allerdings nur knapp 20 % aller untersuchten Cannabisverfahren. Bei den Amtsgerichten werden hauptsächlich Verfahren gegen Jugendliche bis 18 Jahren beziehungsweise gegen Heranwachsende bis 20 Jahren nach dem Jugendstrafrecht eingestellt. Zumeist gegen die Ableistung von Arbeitsauflagen. Hier ließ aber die Untersuchung aufgrund der geringeren Fallzahlen keine Klassifizierungen zu. Regelmäßig dürfte es sich um Delikte handeln, die geringfügig oberhalb der für eine Einstellung relevanten Kriterien angesiedelt sind; etwa bei Mengen knapp oberhalb des Höchstwertes, oder – bei konservativeren Bundesländern – erstmaliger Wiederholungstat. Andere Einstellungen durch die Gerichte sind von eher untergeordenter Bedeutung.

Frage: Und auf der Ebene der Staatsanwaltschaften?

Antwort: Im Rahmen der Untersuchung konnten lediglich in Bayern und Sachsen Einstellungen mit Auflagen in nennenswerter Anzahl beobachtet werden. Auch hier handelt es sich überwiegend um Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende. Dies führt letztlich auch zu den oben dargestellten Ungleichheiten bei Abweichungen von der beschriebenen „Idealkonstellation“, wenn man den Parameter „Alter“ des Täters verändert. Insbesondere in Bundesländern mit liberalerer Einstellungspraxis wird hier aber regelmäßig nach § 31 a BtMG, bei Jugendlichen auch nach Jugendrecht, § 45 Abs. 1 JGG, also ohne Auflagen eingestellt.

Frage: Neben der Auswertung von knapp 2000 Akten haben sie für ihre Untersuchung auch Gespräche mit Amtsrichtern, Polizisten und Strafverteidigern geführt. Kann man deren Einschätzung in Bezug auf die Rechtspraxis der Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten länderübergreifend zusammenfassen?

Antwort: Grundsätzlich konnten wir im Rahmen unserer Expertenbefragungen feststellen, dass in der Justiz (Staatsanwaltschaften, Gericht) zwar bekannt ist, dass gewisse Unterschiede und ein Nord-Süd-Gefälle bestehen, im großen und ganzen jedoch wenig über die Rechtspraxis in anderen Bundesländern – insbesondere etwa die Höhe der unterschiedlichen Grenzwerte – bekannt ist. Naturgemäß sind es eher die Stravferteidiger, die sich diesbezüglich bereits Wissen angeeignet haben. Allerdings war auch zu beobachten, dass die Einschätzung stark von der konkreten Problemlage abhängt. In ländlichen Gebieten ist die Belastung mit BtM-Verfahren, insbesondere auch was die sogenannten „harten“ Drogen anbetrifft, bei weitem nicht so ausgeprägt wie in Großstädten oder in grenznahen Bezirken wie beispielsweise Aachen. Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Strafverfolgung von Massendelikten, wie es Konsumentendelikte mit kleinen Mengen Cannabis sind. Letztendlich werden diese Delikte in Bezirken mit hoher Belastung eher nierderschwellig behandelt und zwar nicht nur auf Seiten der Staatsanwaltschaften durch vermehrte Einstellungen, sondern bereits auf Ebene der Polizei durch die Anwendung vereinfachter Verfahren, bei denen die Ermittlungstätigkeit auf ein Minimum beschränkt und insbesondere auf ausführliche Beschuldigtenvernehmungen verzichtet wird. Dies spiegelt sich dann natürlich auch in der Einschätzung der Problemlage durch die Ermittlungsbeamten wider.

Frage: Kann man nach den Ergebnissen ihrer Studie die praktikable Höhe der „geringen Menge“ Cannabis genauer festlegen?

Antwort: Das Problem ist ja, dass es sich hierbei um eine rein politische Frage handelt bei gleichzeitig relativ geringer Praxisrelevanz. Im Rahmen der Studie betrafen über 80 % aller untersuchten Cannabisverfahren Delikte im BtM-Mengen unterhalb von 6 Gramm. Dennoch hat beispielsweise die hessische Landesregierung nach dem politischen Wechsel von der SPD zur CDU die Höchstmenge von 30 Gramm auf 15 Gramm Cannabis herabgesenkt, während die Berliner Landesregierung zum Zeitpunkt des Abschlusses unserer Untersuchung umgekehrt eine Anhebung von 15 auf 30 Gramm beschlossen hatte. Aus meiner Sicht ist dieses Problem aber weniger dringlich, als eine Einigung hinsichtlich der Auslegung anderer Kriterien. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 festgelegt, dass der „gelegentliche Eigenkonsum“ straflos bleiben soll. Dies betrifft zweifellos das Kriterium der Wiederholungstäterschaft: wie behandelt man einen Konsumenten, der zum Beispiel mit 2 Gramm Cannabis erwischt wurde, aber bereits ein Jahr zuvor – oder auch schon mehrfach – durch BtM-Besitz oder Erwerb aufgefallen war? Hier entstehen die gravierenden Unterschiede, da dies auch einen prozentual höheren Anteil an Verfahren betrifft. Um auf die Höchstmenge zurückzukommen: Der BGH hat 1998 einmal – ausgehend von einem angenommenen relativ geringen Wirkstoffgehalt 10 Gramm Cannabis ins Spiel gebracht, ohne dass dies allerdings Bindungswirkung für die Staatsanwaltschaften oder Instanzgerichte entfaltet hätte. Dies scheint mir ein tragfähiger Kompromiss zu sein.

Frage: Spielt der Wirkstoffgehalt eine Rolle?

Antwort: Damit ist tatsächlich ein weiteres Problem angesprochen: Grundsätzlich ist juristisch nicht auf die Grammmenge, sondern auf den Wirkstoffgehalt abzustellen. Die Festlegung von Höchstgrenzen für die Anwendung des § 31 a BtMG diente einzig der Verfahrensvereinfachung, da ein an sich notwendiges Wirkstoffgutachten bei Bagatelldelikten unverhältnismäßg wäre. Die derzeitige Diskussion über Marihuana-Produkte mit relativ hohem Wirkstoffgehalt lassen erwarten, dass unter Umständen auch die Diskussion über die Höchstmengen neu entfacht wird. Zumindest in der juristischen Fachliteratur werden Konsequenzen bezüglich der Gefährlichkeitseinstufung von Cannabis neu diskutiert. Hier muss die weitere Entwicklung abgewartet werden.

Frage: Welche Rolle sollte ihrer Ansicht nach das Strafrecht bei der Regulierung des Drogenkonsums der Gesellschaft zukünftig spielen?

Antwort: Ich denke, dass das Strafrecht nach wie vor eine wichtige Rolle spielt und auch spielen muss, man sollte aber die Auswirkungen auf das Drogenkonsumverhalten nicht überbewerten. So hat gerade die Drogenprohibition der letzten Jahrzehnte nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Umgekehrt halte ich aber auch eine Freigabe von Cannabis nicht für angebracht. Aus meiner Sicht wird das Gefährdungspotenzial von Cannabis – insbesondere bei Dauerkonsum Jugendlicher – nach wie vor unterschätzt. Letztlich geht es doch um die Frage, in wieweit der Staat mit seinem schärfsten Schwert – dem Strafrecht – in das selbstbestimmte Handeln des Menschen eingreifen darf. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 in diesem Zusammenhang die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis grundsätzlich für legitim erklärt, gleichzeitig aber festgelegt, dass ein gewisser Bereich der „selbstverantwortlichen Eigengefährdung“ straflos bleiben soll. Das Gericht hat dies mit „gelegentlichem Eigenkonsum geringer Mengen Cannabis zum Eigenkonsum ohne Fremdgefährdung“ umschrieben. Diese Linie sollte konsequent fortgeführt und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtseinheitlichkeit umgesetzt werden. Wo dann die Grenze der „geringen Menge“ und des „gelegentlichen Eigenkonsums“ gezogen wird, vermag ich nicht zu entscheiden. Im Fahrerlaubnisrecht wird bereits seit längerem zwischen gelgentlichem und regelmäigem Konsum unterschieden und Anhand des Abbauproduktes THC-COOH im Blut bestimmt. Dies könnte auch für das Strafrecht ein gangbarer Weg sein.

Parallel hierzu sollte jedoch die Strafbarkeit nicht aufgegeben werden. Zum einen halte ich gerade die Einwirkungsmöglichkeiten im Jugendrecht für unverzichtbar, denken Sie an die Möglichkeit von suchstspezifischen Auflagen, wie zum Beispiel Drogenscreening, Drogenberatung, ambulante Therapien. Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass die Strafbarkeit des Drogenbesitzes häufig auch als Auffangtatbestand für die Bestrafung von Dealern eingreift, denen ein Handeltreiben nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Deswegen ist es auch wichtig, dass den Staatsanwaltschaften durch den § 31 a BtMG ein Spielraum verbleibt, in Einzelfällen von der vorgegeben Linie auch abzuweichen.

Literatur:
Carsten Schäfer; Letizia Paoli:
Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis. Berlin 2006, Duncker&Humblot.
447 Seiten. EUR 35,-

 

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Cannabis Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview mit Amon Barth


Zuender (DIE ZEIT)

Aus Tiefen wieder aufgetaucht

Interview mit dem früheren Hardcore-Kiffer und Buchautoren Amon Barth

Sein Erfahrungs- und Leidensbericht aus seiner Zeit als exzessiver Kiffer verkaufte sich bisher über 20.000 Mal. Amon Barth erzählt darin Geschichte seiner Jugend, die sich zwischen dem 13. und 19. Lebensjahr vor allem um eines drehte: Dope.

Der ersten Joint, die Freude am Kiffen, die Unsicherheit gegenüber Mädchen, der Schulfrust, die kiffene Clique, das Abgleiten in die Sucht. Amon beschreibt seine Wesenveränderung und die Zunehmende Entfremdung von Elternhaus und Umwelt detailliert. Der Raubbau am eigenen Körper wird so weit getrieben, dass bei Amon schließlich eine Psychose ausbricht. 2004 holt er sein Abitur nach und schreibt innerhalb von einem Jahr sein Buch. Den Titel, „Breit. Mein Leben als Kiffer“, sucht er sich nicht selber aus. Heute lebt Amon, 21, in Hamburg. Eher zufällig landet er bei unserer Verabredung mit seinem Teller Pasta genau neben mir und meinem Kaffee. Begrüßung. Nachdem er ausgekaut und ich ausgetrunken habe fangen wir an über sein Leben als Nicht-Kiffer, den Hype in den Medien und eine vernünftige Drogen-Aufklärung zu sprechen.

Was mich in deinem Buch besonders beeindruckt hat, ist der Moment in dem du bemerkst, dass deine Freunde dich beklauen. Hast du das nicht als Einschnitt empfunden?

Dazu muss man meine Position in dieser Clique verstehen. Ich war immer unsportlich und galt eher als der Labersack. Auf der Schule gab es die Streber, die Undefinierbaren, zu denen gehörte ich, und die Cooleren und zu denen wollte ich gehören. Durch das Kiffen wurde ich zwar Teil dieser einer Kiffer-Clique, zugleich war ich aber auch da immer außen vor. Ich hatte nicht viele andere Freunde, o. k., ich hatte noch einen anderen Freund seit dem Kindergarten und einen, der der Sohn der besten Freundin meiner Mutter war, der ist aber ein einhalb Jahre älter als ich. Zum Teil war mir zwar klar, dass manchen Typen in der Clique Idioten waren oder wir zusammen eine idiotische Dynamik entwickelten , aber ich fühlte mich wie in einer Zwickmühle. Mir war enorm wichtig eine Art Hip-Hop-Klischee zu erfüllen, cool sein eben. Und obwohl sie mich beklaut hatten, wollte ich zu Ihnen gehören. Sie waren mir wichtig. Heute sehe ich ein, dass das Teil meiner Schwäche und hilflosen Unbewusstheit war.

In dem Buch beschreibst du ja sehr gut, wie sich dein Konsummuster immer mehr verstärkt und schließlich in einem psychotischen Schub endet. Deine Zeit in der Psychiatrie allerdings lässt du außen vor.

Zum einen wäre der Text dadurch zu lang geworden. Zum anderen empfand ich das Ende auch aus literarischer Sicht interessant zu erst mal bleibt es dadurch ja offen, ob ich überhaupt mit dem Kiffen aufhören konnte, was vielen ja nicht gelingt. Im Nachwort wird es dann jedoch klar.

Wie wurde dir im Krankenhaus geholfen?

Auf dieser Frage habe ich schon viele unterschiedliche Antworten gegeben. Manchmal habe ich gesagt, dass mir dort überhaupt nicht geholfen wurde, manchmal habe ich gesagt, dass die Medikamente und die Ruhe mir doch sehr geholfen zu haben scheinen. Ich habe anfangs Tavor, ein Benzodiazepin und später Risperdal bekommen. Was dort nicht stattgefunden hat ist eine Gesprächstherapie oder eine besondere Zuwendung. Ob das vielleicht gar nicht schlecht war, das ist eine andere Frage. Am meisten hat mir wohl der Schock geholfen in einer psychiatrischen Anstalt gelandet zu sein. Einige schizophrene Merkmale hatten sich ja schon ein Jahr vorher angekündigt und wurden von mir ignoriert. Dass mein Bewusstsein diese Psychose hervorgebracht hat, war auch so etwas wie ein allerletzter und radikaler Selbstheilungsmechanismus. Wenn man allen erzählen muss: „Ich war in der Psychiatrie“ und das auch seinem Spiegelbild sagen muss, dann ist das eine sehr eindringliche Erfahrung.

War dieser Schock der Hauptgrund dafür, dass du mit dem Kiffen aufgehört hast?

Nein, als ich draußen war habe ich ja danach noch bis zum Abitur, also rund zwei Jahre, weiter gekifft. Aufgehört habe ich erst nach dem Abitur. Der Schock hat eher dazu geführt, dass ich mich mit meiner eigenen Psyche mal weniger naiv auseinander gesetzt und innerlich um Klarheit bemüht habe. Dazu kam noch mein Ehrgeiz mehr aus meinem Leben machen zu wollen. Ich spürte plötzlich, dass ich noch Erwartungen habe. Dieser Prozess hält an. Ich will mich kreativ verwirklichen, dabei auch Erfolg haben, finanzielle Unabhängigkeit erlangen und die Liebe meines Lebens finden. Einfach wohl das, was die meisten Menschen sich erträumen. Und damals wurde mir klar, dass das Kiffen dem im Weg steht. Ein tolles Beispiel ist für mich, wenn jemand einmal im Jahr Cannabis raucht und dabei meditiert; das kann ihn unter umständen sehr bereichern. Nur war mir klar das ein solcher oder ähnlicher Weg (alle paar Wochen) mir versperrt war und noch immer ist, mein Hedonismus hat mich immer wieder auf die falsche Bahn geführt, das will ich nicht noch einmal erleben. Aber ich glaube durchaus, dass es Menschen gibt, die Glück, Zufriedenheit und kreative Selbstverwirklichung erreichen können und ab und zu kiffen, genausow wie es viele gibt die überhaupt nicht damit klarkommen.

 

amon barth

 

Schneiden einige der Medien, die dich interviewt haben, diesen letzten Satz von dir raus?

Das kam in der Tat schon vor. Ich habe oft beobachten können, wie Medienschaffende eine vorgefertigte Meinung zu dem Treffen mit mir mitbrachten und, teilweise erfolgreich, versucht haben meine Aussagen in ihr Muster zu pressen. Natürlich muss man, wenn man sich um eine diferrenzierte Debatte bemüht, einsehen, dass es Menschen gibt die mit THC haltigen Produkten genauso verantwortungsvoll umgehen wie gesellschaftliche Leitfiguren mit ihren gepflegten drei Gläsern Rotwein. Das exzessive Kiffen von jungen Schülern ist aber dennoch ein Problem, das eine differenzierte Herangehensweise schwierig macht. Die Medien denken sich wohl oft, dass eine ausgewogene Darstellung bei Eltern und Jugendlichen zu falschen Schlüssen führt.

Zeigen aber die bisherige Aufklärungsversuche nicht genau das Gegenteil? Hat nicht die undifferenzierte Darstellung der Auswirkungen des Kiffens dazu geführt, dass die Jugendlichen weder Eltern, Schule noch Anti-Drogen-Kampagnen ernst nehmen?

Ich kann aber durchaus nachvollziehen, wenn Schule und Eltern einem 14-Jährigen nicht sagen wollen, dass es Menschen gibt, die mit Cannabis umgehen können. Einem so jungen Menschen kann man durchaus sagen: Fang damit gar nicht erst an.

Wobei dann die Frage ist, ab welchem Alter man einem Jugendlichen zutrauen kann für eine vernünftige, differenzierte Aufklärung empfänglich zu sein. Ein Zehnjähriger sollte nicht mit potenten Rauschmitteln umgehen, klar, aber ist nicht schon hier der Keim zu setzen, dass er so oder so zukünftig lernen muss mit Substanzen und stoffungebundenen Versuchungen umzugehen?

Ich habe gleichwohl Verständnis für eine restriktive Haltung, nicht zuletzt, weil die Anzahl der jungen Extrem-Kiffer über die Jahre stetig angestiegen ist. Und die lange Zeit betriebene Verharmlosung von Dope hat daran einen Anteil. Ich kenne genug Leute, die stark abhängig von dem Zeug sind und Entzugserscheinungen, sowie grosse Probleme dadurch haben, wenn sie nicht täglich kiffen.

Das liegt an der Mär von der „weichen Droge“. Aus einer „weichen Droge“ kann bei entsprechenden Konsummuster eben auch eine „harte Droge“ werden. Interessant ist ja nun, dass du durch die enorme Aufmerksamkeit in den Medien in eine Rolle zugeschrieben wird, von der du nicht ganz genau weißt wie du sie erfüllen sollst.

(lacht) Richtig. Ich probiere mich da bisher auch jedes Mal von Neuem aus. Mittlerweile sehe ich das auf drei Ebenen. Auf der einen Ebene betrachte ich das humorvoll: Gestern habe ich gerade noch mein Abi geschafft und heute wollen Leute von mir Meinungen und Einschätzungen hören nur weil ich durchs Kiffen in der Psychiatrie war und aufgeschrieben habe wie es dazu kam! Auf der anderen Ebene sehe ich die gewisse Verantwortung die ich dabei habe, nicht zuletzt, wenn ich Lesungen abhalte und die Leute danach zu mir kommen und mir ihre intimsten Probleme anvertrauen. Und die dritte Ebene ist das mediale Brimborium. Manchmal erwecken die Medien den Eindruck als würden sie an mir ein gesellschaftlich virulentes Problem offenbaren und ja, das viele mit 13 schon Kiffen ist ein grosses Problem. In der Realität zeigt sich dann aber oft, dass dort nur ein Medienschaffendet oder eine Institution unbedingt neuen Stoff für einen Beitrag braucht. Klar gibt es da solche und solche Fälle und manchmal bleibt eben ein schaler Nachgeschmack.

Bisher bis du das geläuterte schlimme Beispiel.

Das ist mir bewusst, aber das ist nicht meine Intention. Diese besteht darin vom Thema „Kiffen“ wegzuführen und zu zeigen, dass es im Leben weniger darum geht ob man kifft oder nicht kifft, sondern darum was man aus seinem Leben macht und das man verantwortungsvoll mit seinem Körper und dem Geist umgehen sollte. Weder möchte ich Jugendlichen sagen „Kiffen ist harmlos“, noch „Kiffen ist Scheiße“, sondern höchstens: „Durchschaue die Massenverblödung und wehre dich. Übernehme mit Mut und Energie Verantwortung für dein Leben“.

Grundsätzlich: HSV oder St.Pauli?

St.Pauli, aber ich bin kein Fußball-Fan.

Am Ende des Buches schreibst du: „Das Wichtigste, was ich zum Umgang mit dem Kiffen zu sagen habe, ist: Kauf dir einen großen Beutel und versuche nicht mehr ranzugehen.“ Das frage ich: Wozu dann überhaupt kaufen, wenn man ihn nicht genießen kann?

Der Satz ist nur aus meiner damaligen Situation heraus zu verstehen. Er sollte ausdrücken, dass man eine Sucht erst dann überwunden hat, wenn man nicht mehr vor ihr flieht. Die beste Probe ist wohl, wenn man nicht kifft, obwohl der beste Freund neben einem sitzt und wieder eine Bong durchzieht. Erst, wenn der Beutel vor einem liegt und man will nicht zugreifen hat man es geschafft. Wer erst einmal Dauerkiffer war, dem ist es aus meiner Sicht kaum möglich in einen maßvollen Konsum überzuwechseln. Der muss erst einmal ganz aufhören. Das ist wie bei Alkoholikern.

Und nebenbei würde diese Situation auch ein neues Bild auf eine Freundschaft werfen. Hast du heute Kontakt zu Leuten, die viel kiffen?

Klar, und die Beispiele können unterschiedlicher nicht sein. Ich kenne einen, der kifft den ganzen Tag und hat nebenbei ein sehr gutes Abitur gemacht. Er ist wirklich sehr intelligent und lebensklug. Ich habe aber auch Bekannte, die kiffen täglich und haben riesige Probleme damit: Zukunftsängste, Paranoia, Streit mit den Eltern, Selbstdestruktion bis zur Selbstaufgabe, Verlust des rationalen Denkens, einige verlieren tatsächlich langsam ihren Verstand. Und das Problem bei Dope ist eben: Die meisten, die so was hier jetzt lesen, denken sie gehören zu denen, die das total im Griff hat. Sie haben nicht die Stärke ihre Schwäche zuzugeben. Wenn du zu Hilfsmitteln greifst um dich glücklich zu machen, dann musst du wenigstens durchschauen, dass du nicht stark genug bist mit deinern hasugemachten Energie genauso oder sogar noch glücklicher zu werden. Ich kann nur altklug und besserwisserisch dazu aufrufen sich auch als ganz junger Mensch wirklich intensiv mit dem eigenen Denken und Handeln auseinanderzusetzen.

Wenn du so etwas vor Schulklassen oder bei Lesungen sagst, wie sind die Reaktionen darauf?

Durchweg positiv. Es kommen immer sehr viele Fragen. Und zwar von witzig gemeinten „wo kann ich Gras kaufen?“ bis „ich habe da einen Freund, der will aufhören“. Die häufigste Frage ist allerdings, ob ich meiner Mutter böse bin, dass sie nicht härter durchgegriffen hat. Das ist die Antwort natürlich „Nein“, denn auch als 14-jähriger wußte ich schon wie ich meinen Kopf durchsetze. Meine psychische Veranlagung ist die Ursache: Meine Mutter hat mich mit 42 bekommen, ich bin ohne Vater aufgewachsen und war schon im Kindergarten anders als die anderen, wie es so schön heißt. Äußerst sensibel halt, dazu redseelig, stets gut behütet, materiell gut gestellt. Dann habe ich eine gewisse altkluge Art bekommen und mich früh zu Themen geäußert, deren Horizont ich nur erahnen konnte. Eine Sicht aus dem Elfenbeinturm. Spätesten die Welt der Grundschule war roh und hart für mich.

Wir müssen langsam zum Ende kommen. Was sind deine Zukunftspläne?

Ich möchte sehr gerne Drehbücher schreiben und sie auch verfilmen. Das ist ein weit entferntes Ziel, so schnell wie möglich werde ich mich an einer Filmhochschule bewerben. Zudem habe ich einen Roman angefangen und der wird nicht heißen „Endlich schmal Amon Barth’s Anleitung zum Nicht-Kiffer-werden in zehn Schritten“, nein, es soll ein Roman über die Liebe werden.

Viel Glück dabei und vielen Dank für das Gespräch.