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Cannabis Hanf Interviews

Interview mit Mathias Bröckers

hanfblatt, 2003

Der ganze Drogenkrieg kippt…

Ein Interview mit Mathias Bröckers

Der Journalist und Autor Mathias Bröckers gehört zweifellos zu den umtriebigsten und präsentesten Promis auf dem Hanfaktivistenolymp. Anlass genug für das Hanfblättli, ihn einmal wie einen Hanfsamen auszuquetschen. Fangen wir harmlos an…

HanfBlatt: Du beschäftigst dich seit nunmehr drei Jahrzehnten von verschiedenen Seiten aus mit dem Thema Hanf. Zu deiner Legende gehört die Freundschaft zu dem leider verstorbenen großzügig bekiffte Weisheit und Poesie brabbelnden Hanfsadhu Wolfgang Neuss. Wie kam es dazu?

Bröckers: Das war 1981. Ich war damals Kultur-Redakteur der „taz“. Es war die Zeit der Hausbesetzungen in Berlin, und Freunde, die für das Radio arbeiteten, hatten ihn dazu interviewt. Das heisst, sie hatten eine einzige Frage gestellt und Neuss hatte darauf einen seiner genialischen Monologe abgelassen: „Also Hausbesetzer ist schon mal das falsche Wort, Hausbenutzer würde ich da erst mal sagen, denn sie benutzen ja nur etwas, was ungenutzt rumsteht…“ so ungefähr fing das an und kam dann vom hundertsten ins tausendste und wieder zurück. Ich war völlig hingerissen von diesem assoziativen Mix, der immer wieder auf den Punkt, die Pointe kam, und das in einer unerhörten politischen Schärfe und Genauigkeit, so dass ich beim nächsten Mal, als der zweite Teil des Interviews gemacht werden sollte, mitgekommen bin und ihn gefragt habe, ob er nicht eine wöchentliche Kolumne für die „taz“ machen will. Dass wir uns dann so gut kennengelernt haben und Freunde wurden, hatte mit den Bedingungen zu tun, die er für diese Kolumne stellte: Du mußt drei mal in der Woche hier vorbeikommen, einmal um das Thema zu besprechen, dann zwei Tage später den Text abholen, und dann das Honorar vorbeibringen und von den Reaktionen berichten – „und jedesmal mußt du mit mir rauchen!“ Ich stimmte zu, ahnte aber noch nicht, was da Besonderes auf mich zukommt…

HanfBlatt: Was war das Besondere?

Bröckers: Dass sich in jedem seiner von ausgewählten Fachleuten gerollten Joints exakt 1,5 Gramm bestes Haschisch befanden und von diesen Raketen täglich mindestens 20 gezündet wurden – und ich war anfangs schon nach zwei Zügen völlig platt. War es schon im Wachzustand schwer, der Geschwindigkeit seiner Intelligenz und dem Wortwitz zu folgen, blickte ich jetzt gar nichts mehr und dämmerte vor mich hin. Die ersten Kolumnen apportierte ich stolz – und mußte zu Hause sofort ins Bett. Ich sagte dann: „Wolfgang, ich kann nicht so viel rauchen bei dir, ich krieg erst Hunger und dann Durst und dann werde ich völlig breit im Kopf, kann mich nicht mehr konzentrieren, werde dösig und dämmerig…“ – „Bröckers“, meinte er dann, “ du mußt üben. Du bildest dir das alles nur ein mit dem Hunger, dem Durst, der Verwirrung, der Müdigkeit. Wer bei der besten Zeitung Deutschlands das angeturnteste Feuilleton machen will, muß doch wissen, wie man mit Drogen – mit Ekstase – richtig umgeht. Du mußt lernen, high zu sein und gleichzeitig hellwach, entspannt und gleichzeitig hochkonzentriert, auf der Erde, top-professionell, und gleichzeitig im Himmel, völlig abgefahren…“ Unter seine Briefe schrieb er gern: „Nach Diktat abgefahren“.

HanfBlatt: Und, hast Du was gelernt?

Bröckers: Zumindest war ich bis zu seinem Tod 1989 einer der fleissigsten Studenten, auch wenn ich die Neuss’sche Meisterschaft nie erreicht habe. Der konnte ja auch 20 starke LSD-Trips auf einmal nehmen und klar und ruhig sitzen bleiben – so wie Neem Karoli Baba, der indische Guru von Tim Learys Harvard-Kollegen Richard Alpert (Ram Dass). Was Hanf betrifft, habe ich tatsächlich gelernt, die meisten unerwünschten Nebenwirkungen zu kompensieren und nur die jeweils erwünschten zuzulassen. Weil ich ab 1982 als Vater von Zwillingen nach Büroschluss keine Zeit für regelmäßige Feierabend- Sessions bei Neuss hatte, verlegten wir von da an unsere Treffen auf 7 Uhr früh. Das war nun eine echte Herausforderung, denn um 10 war die Redaktionskonferenz der „taz“ und danach musste die aktuelle Zeitung gemacht werden. Wolfgang war oft schon seit 5 Uhr wach und hatte nicht schon einige Tüten, sondern auch alle Morgen-Zeitungen intus. Wir frühstückten dann an der Ecke im Café Möhring und danach in der Wohnung stellte ich das Tonband an, der Vulkan sprudelte los und ließ Lokalklatsch und Globalstrategien, Privatclinch und Weltkrieg, Kleinkunst und Großkultur, Tagesaktualität und Ewigkeit kollidieren, in einem Satz. So sind dann die meisten seiner Kolumnen entstanden – und ich habe nebenbei über die Jahre gelernt, stoned zu sein und gleichzeitig wach, konzentriert und arbeitsfähig.

HanfBlatt: Das ist allerdings eine Leistung, die Anfängern bisweilen Schwierigkeiten macht. Mag sein, dass es auch ein wenig von der Persönlichkeit abhängt. Was können wir heute noch vom Spassmeister Neuss lernen?

Bröckers: Nun, was seinen Haschisch-Verbrauch angeht, kann er sicher nicht als Vorbild dienen. Andererseits muss man die Vorgeschichte sehen, er war ein Superstar des Wirtschaftswunderlands in den 50ern, mit seinem Partner Wolfgang Müller eine Art Laurel & Hardy auf deutsch, dann in den 60ern die Nr. 1 des Kabaretts, allseits geliebt, hochbezahlt, ständig auf Achse, aber ständig auf Aufputsch-und Schlaf-Tabletten und Alkohol. Hätte er so weiter gemacht, hätte er die 70er nicht überlebt: „Ich rauche den Strick an dem ich hängen würde“ meinte er später und hat, außer etwas Opium gegen die Krebsschmerzen in den letzten Monaten, keinerlei Pillen oder Alkohol je wieder konsumiert. Ausser Hanf (und Psychedelika) ließ er nie wieder eine Substanz an sich heran. Also insofern können wir selbst aus dieser extremen Drogengeschichte etwas lernen. Darüberhinaus ist Neuss (geb. 1923) für mich einer der herausragenden Künstler-Heroen der „Stalingrad“-Generation – ein kleiner brauner Fleischergeselle, der sich im Schützengraben den Finger abschießt, um ins Lazarett zu kommen, dort als Witzeerzähler und Frontkomiker erstmals Beifall erhält, die Komik als lebensrettend entdeckt, zum opportunistischen Medien- und Filmstar avanciert, aber dann politisch wird, als Vordenker und Lautsprecher der 68er Kultur-Revolution. Und noch in seiner angeblichen „Verkommenheit“ später, als letzter Hippie und erster Punker der Republik, ein höchst sensibler und sprachgewaltiger Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen. Der intelligenteste Mensch dem ich je begegnet bin, dieser Schlachtergeselle aus Breslau. Und was das Professionelle betrifft ein wahrer Großmeister seines Fachs. Nehmen wir nur den aktuellen Champion Harald Schmidt: Was heute eine 30-köpfige Redaktion an Witz in die abendlichen Konferenzen einbringt, zauberte Neuss jeden Tag locker im Alleingang. Ich habe diese „Early Morning Shows“ jahrelang erlebt und mir bei verschiedenen Fernsehfritzen den Mund fusselig geredet, aber leider gab es in den 80ern noch kein entsprechendes TV-Format, sonst wäre das Ungeheuer von Loch Neuss garantiert noch einmal ganz groß herausgekommen. Wolfgang als zugeschaltetes Orakel der Harald Schmidt Show wäre eine unschlagbare Kombination. Aber ich will hier nicht schwärmen, sondern den Lesern seine Bücher und CDs empfehlen. Die alten Sachen in Volker Kühns Werkausgabe „Das Wolfgang Neuss Buch“ bei Zweitausendeins, die neueren auf CD bei Conträr. Das Buch, das ich aus seinen taz-Kolumnen zusammengestellt habe („Der gesunde Menschenverstand ist reines Gift“, Heyne-Verlag 1986) ist leider lange vergriffen, aber die besten Texte wurden in die letzte Auflage des Zweitausendeins-Bands aufgenommen.

HanfBlatt: Den eigentlichen Treffer hast Du selbst aber erst mit der Wiederentdeckung eines bereits in mehreren unübersichtlichen und zusammengeschustert wirkenden Auflagen erschienenen Buches namens „The Emperor wears no Clothes“ gelandet. Was hat Dich bewogen dieses Werk eines alten amerikanischen Hippies namens Jack Herer in einer ansprechenden Form auf Deutsch neu herauszugeben?

Bröckers: Die erste Ausgabe von Herers Buch landete 1987 bei mir. Kurz danach bekam ich einen Auftrag des Magazins „Transatlantik“, eine Reportage über die Cannabis-Szene in Deutschland zu schreiben. In diese Geschichte baute ich die industriepolitischen Hintergründe des Hanfverbots von 1937 aus dem „Emperor“ ein, gab die Buchquelle an und dachte mir, jetzt wird sich sicher ein Verlag dafür interessieren und das Buch auf deutsch herausbringen. Dem war aber nicht so, bis ich 1992 Lutz Kroth von Zweitausendeins beiläufig von der Story erzählte. Der fand Jacks Buch sehr spannend, aber zu chaotisch, und meinte: „Wenn Du die Redaktion übernimmst, machen wir es.“ Und ich sagte: „Ich mache es nur, wenn wir es auf Hanfpapier drucken.“ So kam dann nicht nur das Buch, sondern auch das HanfHaus ins Rollen. Ich organisierte die Hanfpapier-Produktion, und plötzlich wollten alle dieses Papier und die anderen Produkte aus Hanf. Als die Übersetzung fertig war und mein Teil über die europäische und deutsche Industrie-Geschichte des Hanfs ebenso, klang das ganze so plausibel, dass es uns niemand abgnommen hätte. Viele hätten einen Fake vermutet. Deshalb bat ich das Katalyse-Institut um eine wissenschaftliche Studie über den Rohstoff Hanf, die wir quasi als offizielle Bestätigung anhängten. Außerdem checkte ich alle Quellen und Dokumente, aber ich fand keinen Haken – und bisher hat auch niemand einen gefunden. Bis auf eine in der 2. Ausgabe korrigierte falsche Zahl über den Ölertrag hat uns seitdem niemand einen Fehler nachgewiesen – und das Buch hat mittlerweile eine Auflage von 140.000.

HanfBlatt: Wie war die Zusammenarbeit mit Jack Herer, der dadurch wohl zu den Ehren kam, von denen er immer geträumt hatte?

Bröckers: Wir lernten uns im Sommer ’93 in Paris auf einer Hanf-Konferenz kennen, da war die deutsche Ausgabe schon fast fertig. Jack war wunderbar einquartiert, auf einem Hausboot auf der Seine mitten in der Stadt, und wir redeten vom Abend bis zum Morgengrauen. Als ich ihm die Kopie der „Lustigen Hanffibel“ von 1943 zeigte, die ich gerade zuvor in der Staatsbibliothek entdeckt hatte, war er völlig aus dem Häuschen – dass auch die Nazis „Hemp for Victory“ anpflanzen ließen, schien ihm wie das Tüpfelchen aufs i. Meine anfänglichen Bedenken, so ein Nazi-Dokument zu veröffentlichen, wischte er energisch vom Tisch. Jack ist Jude, seine Eltern kamen in den 30ern aus Polen in die USA. „Wir müssen das veröffentlichen“, meinte er, „die Cannabis-Raucher sind doch die Juden von heute, sie werden verfolgt und eingesperrt für NOTHING. Wenn du ein faschistisches System kennenlernen willst, komm nach USA. Sie fordern die Kinder in der Schule auf, die Eltern zu denunzieren wenn sie Pot rauchen und bevor du einen Job kriegst, wollen sie deinen Urin schnüffeln.“ So kam also die Hanf-Fibel in die deutsche und auch in die nächste US-Ausgabe. Was die Ehre betrifft, hatte Jack die in USA schon genug, aber was nützt die tollste Geltung wenn man kein Geld hat. Das habe ich ihm mit der deutschen Ausgabe endlich mal verschafft und bin deshalb natürlich sein dickster Buddy. Er hat sich keinen Benz davon gekauft, sondern wie bei ihm üblich die Bewegung damit gepusht. Dass Hanf in Kalifornien zumindest als Medizin für Schwerkranke mittlerweile legal ist, verdankt sich auch seinem unermüdlichen Einsatz. Weil er aber zuviel isst und sich zuwenig bewegt, hat letztes Jahr sein Herz gestreikt – seitdem muss er sehr langsam tun.

Mathias Bröckers und Roger Liggenstorfer bei der Vorstellung ihres Buches über Albert Hofmann, Basel 2006.
Mathias Bröckers und Roger Liggenstorfer bei der Vorstellung ihres Buches über Albert Hofmann, Basel 2006.

HanfBlatt: „Hanf – Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Cannabis Marihuana“ ist ein echter Bestseller geworden und ein Motor der Veränderungen, die in Sachen Hanf in den letzten Jahren hierzulande stattgefunden haben. Nicht vergessen darf man dabei allerdings das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, das praktisch eine teilweise Entkriminalisierung des Besitzes geringer Mengen Rauschhanfs zur Folge hatte und die ganze Hanfwelle mit mehreren Zeitungen und einem Boom an Head- und Grow-Shops, sowie mancherorts von den Strafverfolgungsbehörden ignorierten Coffeeshop-artigen Erwerbsläden initialzündete. Wie erklärt sich aus deiner Sicht der Erfolg des Buches? Was hat es bewirkt?

Bröckers: Erstmal eine generelle, grundsätzliche Imageverbesserung. Dieser ganze Dämonisierungs-Humbug schwirrte ja, seit den 30er Jahren implantiert, nach wie vor mächtig in den Köpfen, und das wurde mit der geballten Faktenladung des Buchs zurechtgerückt. Dieser Re-Education-Effekt war das Entscheidende für den Erfolg. Die Tatsache, dass z.B. viele Schüler und Jugendliche das Buch ihren Lehrern und Eltern in die Hand drücken konnten und das Tabu, über das Pfui-Bah-Thema „Rauschgift“ zu reden, gebrochen war. Plötzlich war tatsächlich wieder von Hanf die Rede und nicht nur von Hasch & Drogen. Hans Georg-Behrs Buch, das ja so hieß, „Von Hanf ist die Rede“, hatte das zehn Jahre zuvor noch nicht geschafft, weil es den ökologischen Aspekt der Hanfnutzung nicht berücksichtigte. Dass nun Jack Herer und mir die Vaterschaft der Hanf-Renaissance zugeschrieben wird, wurmt ihn ein bißchen, und deshalb erzählt er jedem, der es nicht hören will, wir hätten alles bei ihm abgeschrieben. Das ist natürlich Unsinn, auch wenn, ebenso natürlich, alle nützlichen Informationen aus seinem Buch in unseres eingeflossen sind, aber eben auch noch einiges mehr. Und dieses Mehr, die Tatsache, dass jetzt die ganze Pflanze, statt nur der Rausch-Aspekt, Thema war, brachte die entscheidende Wende. Als ich die ersten zehn Exemplare des Buchs frisch aus der Druckerei bekam, schickte ich sieben davon nach Karlsruhe an die sieben Verfassungsrichter. So wie die hervorragende Arbeit von Wolfgang Neskovic auf der juristischen Seite, hat das Buch auf der publizistischen Seite wohl entscheidend zu der Trendwende in Sachen Hanf beigetragen. Dazu kam dann das Gerichtsverfahren um den Anbau von Nutzhanf, das wir mit der „Hanfgesellschaft e.V.“ initiiert hatten und das 1996 erfolgreich war. So kam Hanf zurück auf die Felder. Und das HanfHaus, das als erstes Unternehmen in Deutschland wieder Produkte aus Hanf auf den Markt brachte, löste einen wahren Gründerboom aus. Seitdem ist die Pflanze fast in jeder Stadt wieder präsent. Und wie bei jedem Pionier-Boom üblich – am IT-Markt haben wirs gerade erlebt – folgt solch stürmischen Wachstumsphasen zwangsläufig ein Tief. In der Hanfbranche setzte das 1998 ein, zusätzlich forciert durch die Verschärfung der Gesetze zum Samenverkauf. So ganz tatenlos wollte die Kohl-Regierung den blühenden Hanflandschaften dann doch nicht zusehen. Auch die Schikanen in Sachen Führerschein, die dann einsetzten, sind ja nichts als ein plumper Versuch, hinterrücks auf die Hanfbremse zu treten – wo doch das Verfassungsgericht beim Gesetzgeber eigentlich angemahnt hatte, die Repressionen zu lockern. Was die legalen Hanfprodukte betrifft, so blieb von allen Produkten, die das HanfHaus auf den Markt brachte, kein einziges unbeschlagnahmt – ob Hosen, Shampoo, Möbelöl oder Unterhosen. Solche Schikanen machen den Aufbau neuer Märkte für den Rohstoff Hanf nicht leichter – ganz abgesehen davon, dass es nachwachsende Rohstoffe gegen die petro-chemische Konkurrenz sowieso schon schwer genug haben. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten, bin ich als Schreiberling mit der Wirkung des Buchs mehr als zufrieden. Es bestätigt den Schmetterlingseffekt der Chaostheorie: Auch ein kleiner Furz kann, im richtigen Moment gelassen, weltbewegende Wirkung haben. Und dieses Buch, das eine Weltauflage von über 500.000 hat, hat tatsächlich schon einiges bewegt in der Welt und tut es weiter. 70 Jahre Desinformation lassen sich nicht in 7 Jahren umdrehen, aber es fehlt nicht mehr viel! Der ganze Drogenkrieg kippt… und ein Cannabis-Friede wird der Anfang vom Ende dieses Kriegs sein.

HanfBlatt: Ich möchte gerne nochmal den inhaltlichen Aspekt des Buches ansprechen. Kernthese des Buches ist, dass Hanf nämlich eine anspruchslose und dabei ungeheuer produktive und äusserst vielseitig nutzbare Pflanze ist. Hanf allein könnte als nachwachsender Rohstoff einen Großteil der Probleme beseitigen, die gegenwärtig dadurch entstehen, dass insbesondere zur Cellulose-, Baustoff-, Faser-, und Ölgewinnung unersetzbare Rohstoffe ausgebeutet werden, namentlich Rohöl und Holz. Auf diese Weise könne Hanf sozusagen die Welt retten. Eine sicherlich verführerische These für jeden Hanffreund. Kritische Stimmen erheben allerdings Bedenken und warnen vor den ökologischen Konsequenzen einseitiger Hanf-Monokulturen. Auch sei die traditionelle Aufschliessung der Hanffasern durch die sogenannte Hanfröste ein Wasser verschwendendes und stark verunreinigendes Verfahren. Was hälst du diesen Bedenken entgegen?

Bröckers: Verglichen mit den Pestizid-Orgien des industriellen Baumwollanbaus ist die Wasserröste doch ein völlig harmloses Verfahren – kein Gramm Chemie kommt zum Einsatz, auch wenn die Brühe, in der die Hanfstengel aufgeweicht wurden, natürlich nicht einfach in den nächsten Fluß geleitet werden kann. Wenn sie aber, wie das z.B. in Rumänien geschieht, als Düngung wieder auf die Felder kommt ist das ökologisch absolut in Ordnung – ein Kreislauf. Dennoch können so altertümliche Verfahren in Zukunft nicht konkurrenzfähig sein, schon gar nicht von der Baumwolle irgendwelche nennenswerten Marktanteile im Textilsektor zurückerobern. Dazu müssen modernere Technologien des Faseraufschlusses, die bereits existieren, vom Labormaßstab in die Praxis umgesetzt werden.
Die These, dass Hanf die Welt retten kann, war natürlich zugespitzt und plakativ, aber ich unterschreibe sie immer noch, auch wenn eine Lösung für die komplexen Probleme des Planeten defintiv nicht ausreicht. Aber Hanf weist überall in die richtige Richtung, ökologisch, ökonomisch, medizinisch und spirituell. Dass der Rohstoff Hanf nach 70 Jahren der Verbote und des Vergessens die Weltmärkte nicht im Sturm zurückerobern kann, ist klar – aber ebenso klar ist, dass er auf ewig als Rohstoff nicht konkurrenzfähig sein wird, solange die Umweltschäden des Baumwollanbaus oder der Waldvernichtung für Papier aus Holz, nicht in die Preise dieser Produkte eingehen. Würde ein konsequentes Verursacherprinzip eingeführt, sind Hanfprodukte schon jetzt konkurrenzfähig und erst recht, wenn sie massenhaft produziert würden. Mono-Kulturen sind dabei übrigens nicht zu befürchten. Hanf ist eine ideale Zwischenfrucht und hinterlässt die Äcker für die Nachfolgepflanzen in optimalem, giftfreien Zustand.

HanfBlatt: Die zweite zentrale These eures Buches lautet: Die rassistische zunächst gegen diskriminierte Minderheiten wie Mexikaner und Schwarze und mit ihnen verkehrende Weisse gerichtete „Marihuana“-Verteufelung, die in den 30er Jahren in den USA unter Harry J. Anslinger, dem langjährigen Leiter des U.S. Narcotics Bureau, begann, diente in erster Linie der Diskreditierung des Hanfes. Es existierte eine Verschwörung von Grössen aus der Holz- und Chemieindustrie, die dadurch den lästigen Konkurrenten Hanf ausschalten wollten. Hier führen Kritiker an, dass der Hanf, sofern er der Berauschung diente, auch schon vor Anslinger in vielen Ländern umstritten war und bekämpft wurde, in manchen Ländern wie Ägypten schon seit Jahrhunderten. Auch die internationalen Gesetze gegen Opium, Opiate und Kokain schlossen den „Indischen Hanf“ schon in den 20er Jahren mit ein. Die Verteufelung habe also vielerorts eine erheblich längere Geschichte. Einen nicht unerheblichen Teil daran habe auch die westliche Medizin und die Pharmaindustrie gehabt. Auf der anderen Seite sei der Hanf z.B. in Deutschland schon Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund zu hoher Verarbeitungskosten gegenüber ausländischen Faserpflanzen (wie Baumwolle, Jute etc.) nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Erst während des Ersten Weltkrieges und zur Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges entsann man sich wieder seiner Qualitäten als einheimische Nutzpflanze. Danach verschwand er wieder langsam in der Versenkung. Der Anbau selbst wurde in der Bundesrepublik ja erst Anfang 1982 verboten. Hat es diese Verschwörung also wirklich gegeben?

Bröckers: Letztes Jahr habe ich mich als Herausgeber des „Lexikons der Verschwörungstheorien“ von Robert Anton Wilson eingehend mit der Struktur von Verschwörungen beschäftigt, die ja eigentlich die selbstverständlichste Sache der Welt sind: A und B verabreden sich heimlich, um sich gegenüber C einen Vorteil zu verschaffen. Das kommt in jedem Fischteich, jedem Biotop vor und auch in jeder Gesellschaft. Ein weiterverbreiteter Irrglaube ist allerdings, das solche Verschwörungen lange, gar über Jahrhunderte andauern. Insofern ist es sicher Unsinn, heute noch von einer Anti-Hanf-Verschwörung zu sprechen – dass aber die Barone der US-Petrochemie wie Irenee DuPont und Andrew Mellon (Gründer von Gulf-Oil) in den 30ern die Fäden für die erste Prohibitions-Kamgagne gezogen haben ist evident: Das Geld für die erste offizielle Anti-Marihuana.Kamgane kam von ihnen und dass ihr Leiter Harry Anslinger Mellons Schwiegerneffe war, ist nicht einfach ein Zufall. Eine großindustrielle Nutzung von preiswertem Faserhanf, die dank der neu entwickelten Maschinen gerade ins Haus stand und vom US-Landwirtschaftsministerium propagiert wurde, hätte die Markteinführung der DuPont-Kunstfasern aus Öl ganz erheblich erschwert. Dennoch ist dieser industriepolitische Hintergrund nicht die einzige Ursache für das Hanf-Verbot, aber er erklärt die Dynamik der Kampagne, die sich dann ja bis in die Single-Convention der UN durchgeschlagen hat. Neben den Geschäftsinteressen der petro-chemischen Industrie spielten auch rassistische, repressive Motive dabei eine wichtige Rolle. Die Hetzpresse von Hearst hatte schon in den 20ern begonnen, eingewanderte Mexikaner und Schwarze als Kriminelle und Drogenabhängige zu denunzieren, der Überhang an Verfolgungsapparat am Ende der Alkohol-Prohibition tat ein übriges. Da passte alles zusammen. Und sorgte dafür, dass die Hanfnutzung bis heute nicht an die technische Moderne angeschlossen ist. Die wunderbaren Fasern meines Hanf-T-Shirts, dass ich auch bei aktuellen 34 Grad Temperatur mehrere Tage tragen kann ohne verschwitzt zu riechen, werden noch so gewonnen wie zu Urgroßvaters Zeiten. Was die eigentlichen Schweinereien der Herren DuPont, Hearst und anderer betrifft, gehen die übrigens weit über ein bißchen Drehen an der Hanf-Repressions-Schraube hinaus. Ein Forscher aus Kentucky hat ausgehend von Jack Herers Dokumentation herausgefunden, dass DuPont als glühender Rassist und Antisemit u.a. den Aufbau einer faschistischen Organisation in den USA nach Vorbild der SS (Black Legion) finanzierte und Hearst ab 1934 von Nazi-Propagandaminister Goebbels 400.000 $ pro Jahr erhielt – und der „Readers Digest“ von da an auf nazi-freundliche Berichterstattung umschwenkte. Mittenmang in diesem braunen Fan-Club waren übrigens auch der Banker George Walker, der Urgroßvater des heutigen Präsidenten George W. Bush, dem er das Dabbelju in seinem Namen verdankt, und dessen Schwiegersohn Prescott Bush. Sie ergatterten in den 30er Jahren das heutige Vermögen des Clans, vor allem durch Geschäfte mit dem aufrüstenden Hitler-Deutschland. Prescott kam 1942 vor Gericht, wegen „Dealing with the enemy“ und weil er faschistische Gruppen in den USA unterstützt hatte. Dass Walker und Bush „zu den wichtigsten amerikanischen Unterstützern Hitlers“ zählten, wie ein zeitgenössischer Journalist schrieb, bleibt in den Biographien über die Familie heute natürlich ausgespart. Und dass DuPont, der in den 30ern General Motors kontrollierte, der Nazi-Wehrmacht ihr wichtigstes Transportfahrzeug, den Opel Blitz, lieferte, kommt in den Firmen-Biographien des weltgrößten Chemiekonzerns heute natürlich auch nicht mehr vor. Die Autos für den Blitzkrieg hätten ohne Treibstoff freilich nicht rollen können, deshalb verkaufte DuPont auch noch das Patent für die Gewinnung von „Holzgas“, also die Gewinnung von Treibstoff aus nachwachsenden und fossilen Rohstoffen, an die Nazis. Für die USA hatten die Ölbarone DuPont vor einer Nutzung dieses Patents gewarnt, es hätte Wettbewerb für ihren Sprit aus Öl bedeutet, aber Hitlers Wehrmacht durfte er damit ins Rollen bringen. „Holzgas“ wird im übrigen auch in der „Lustigen Hanffibel“ von 1942 erwähnt – inwieweit damals konkrete Versuche mit Hanf als Energiepflanze gemacht wurden, versuche ich gerade herauszubekommen.

HanfBlatt: Welche Visionen hast Du für eine Zukunft mit Hanf?

Bröckers: Wie schon gesagt glaube ich, dass ein Cannabis-Friede der Anfang vom Ende des Drogenkriegs sein wird. Dass wir das Problem mit Drogen, Sucht und Elend nicht durch Krieg in den Griff bekommen, dass der Kampf gegen Drogen mehr Probleme verursacht als löst – diese Erkenntnis setzt sich mehr und mehr durch, auch in konservativen Kreisen. Und doch fällt es der Gesellschaft natürlich schwer, erstmal Ja zu sagen zu Drogen, den Dämon sozusagen zu umarmen, seine Anwesenheit und Notwendigkeit zu akzeptieren – doch nur so kann er seinen Schrecken verlieren. Das heißt nicht, dass nicht auch dann noch Menschen Probleme damit bekommen – von 100 Bewohnern im globalen Dorf werden immer 3 oder 4 schwere Sucht und Abhängigkeiten entwickeln und weitere 3 oder 4% sind möglicherweise gefährdet, aber für die restlichen über 92% überwiegen die Vorteile bei weitem die Nachteile – egal um welche Substanz es sich handelt. Beim Hanf ist das von allen illegalen Drogen am leichtesten einzusehen – und deshalb denke ich, dass hier in den nächsten Jahren eine Wende erfolgen wird. Die Schweiz könnte als Laboratorium einmal mehr Vorreiter sein. Was die deutschen Gesetze betrifft, hoffe ich, in meinem Rechtsstreit um den Verkauf von Vogelfutter im HanfHaus vielleicht ein bißchen an dem 1998 ergangenen Samenverbot rütteln zu können. Vorerst steht da für mich aber erstmal das Gegenteil – 17 Monate auf Bewährung – im Raum. Die nächste Instanz wird voraussichtlich erst kommendes Jahr stattfinden. Falls sich bis dahin Rot-Grün zu einem Hauch von Reform aufrafft, oder zumindest einer Ankündigung derselben, könnte das der Wahrhheitsfindung des Gerichts sicher dienlich sein. Mit einer Entkriminalsierung des Besitzes und der Erlaubnis zum Anbau für den Eigenbedarf werden 90.000 von den 94.000 Justizverfahren, die im Jahr 2000 in Sachen Cannabis Kosten verursachten, überflüssig. Das wäre ein erster sinnvoller Schritt. Und was die Nutzung von Hanf als Rohstoff angeht, ist meiner Meinung nach ein besonderes Wiedergutmachungsprogramm nötig, sprich Zusatz-Förderung für Forschung, Entwicklung und Vermarktung von Hanf als Rohstoff. In das große Bio-Anbau-Programm, dass Renate Künast annonciert hat, passt Hanf ja wie der Faust aufs Gretchen….

HanfBlatt: Arbeitest Du an irgendwelchen konkreten Projekten?

Bröckers: Als aktiver Geschäftsführer des HanfHauses bin ich in diesem Sommer ausgestiegen – aber als Berater und Gesellschafter weiter an Bord. Ich werde in Zukunft wieder mehr schreiben. Gerade ist die Taschenbuchausgabe meines letzten Buchs über das Übernatürliche erschienen („Können Tomaten träumen?“ – Königsfurt-Verlag), und die da ventilierten Themen – Kosmologie, Quantenphysik, Katastrophentheorie, Bewußtseinsforschung usw. – beschäftigen mich weiter. Auch das Thema Verschwörungen. Und natürlich Hanf. Ich suche gerade nach Finanzierung für einen asketisch-luxuriösen, hanfgebundenen Fotoband – Mäzene bitte melden! Ja, und dann gibt es ein noch nicht ganz konkretes Projekt, das ich deshalb auch noch nicht ausplaudern kann, von dem ich mir aber viel verspreche. Es könnte einen ähnlichen Kick auslösen wie es das gelbe Buch in Deutschland getan hat – aber auf globaler Ebene. Es gibt immer noch viel zu tun – pflanzen wirs an!

Von oder mit Mathias Bröckers sind unter anderem der Bildband „Cannabis“ und natürlich das hier besprochene Buch von Jack Herer erschienen . Leicht zu bestellen über Amazon, neu oder gebraucht:

 

 

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Interviews Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview mit Ronald „Blacky“ Miehling

HanfBlatt, Nr. 83, Mai 2003 (mit Update 2007)

Der Lawinen-Lieferant

Interview mit dem ehemaligen Kokainhändler Ronald Miehling, der über Jahre den deutschen Markt mit Kokain versorgt hat.


Er kehrte in den Koka-Labors in den Wäldern Kolumbiens ein und aus, wies seinen Kurieren den Weg nach Deutschland und Europa und organisierte die kiloweise Verteilung von Kokain an die Zwischenhändler. Er wurde reich, seine Mitarbeiter auch, und zog ganz nebenbei noch „mindestens zwei Kilo durch die Nase“. Ein Leben im Rausch. Dann, 1994, war das „lustige Geschäft“, wie er den Kokainhandel selber nennt, vorbei. Observiert hatte man in schon zwei Jahre lang, ein Einsatzkommando nahm ihn in Venezuela hoch, nach der Auslieferung verurteilte man ihn in Deutschland zu 12 1/2 Jahren Haft. Der Richter vermutete, dass im Prozess nur an der „Spitze des Eisbergs“ gekratzt wurde. Über acht Jahre hat Ronald „Blacky“ Miehling nun hinter sich, davon die ersten zwei in Isolationshaft. „Ein Wunder, dass ich dabei nicht beknackt geworden bin“, sagt er. Jetzt ist seine Lebensgeschichte als Buch erschienen. Im Interview berichtet Miehling von der Kunst des Schmuggelns, der Moral des Dealens und dem ordnungsgemäßen Konsum von Kokain.

Frage
Wie fing deine Tätigkeit im Kokain-Business an?

Miehling
Tja, das waren Verknüpfungen glücklicher und unglücklicher Umstände. Angefangen habe ich hier in Hamburg mit Gramm-packets. Ein paar Jahre später stand ich auf der Plantage und noch ein viertel Jahr später stand ich direkt in der Koka-Küche. Das Prinzip ist doch immer das gleiche überall auf der Welt: Man lernt die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt kennen.

Ronald Miehling, © Jörg Auf dem Hövel
Ronald Miehling, © Jörg Auf dem Hövel

Später waren Deine Kontakte so gut, dass Du in Kolumbien direkt vom Hersteller beziehen konntest. Welchen Weg nimmt das Kokain von dort aus?

Wie man weiß, wachsen in Kolumbien Bananen. Die werden dort geerntet, verschifft, kommen hier an und werden dann gegessen. Genau so läuft das bei Kokain ab. Der Unterschied ist nur, dass die Arbeit in geheimen Dschungel-Labors ablaufen muss. Die Bauern sammeln die Blätter, irgendein Konsortium backt das zu Koks zusammen und dann wird´s verkauft.

Und je direkter der Kontakt, umso preiswerter die Lieferung.

Klar, zuletzt habe ich 800 Mark für das Kilo bezahlt, und zwar direkt an die Polizei.

An den Beamten vor Ort?

Die verdienen dort unten halt sehr wenig und manchmal haben sie Glück und können Kokain beschlagnahmen. Ein Teil davon wird einfach gegen Attrappen ausgetauscht und meistbietend abgegeben. Wenn es ganz gut läuft, dann bringen sie einem das sogar noch auf´s Schiff.

Wo es dann unter falscher Deklaration nach Europa verschifft wird?

Oder es wird in wasserdichten Metallkästen an den Schiffsrumpf angeschweißt. Oder im Steuerkasten versteckt. Oder ein Crewmitglied nimmt es mit. Es gibt viele Wege, bekannte und unbekannte.

Dann bitte einen unbekannten.

Na, bleiben wir mal ruhig bei den bekannten. Zunächst gilt es zu wissen, wie die Leute an den Grenzen funktionieren. Und da kann ich sagen: Alle Zöllner dieser Welt funktionieren gleich, alle Bullen dieser Welt funktionieren gleich. Alle haben gewisse Konstanten in ihrem Verhalten. Jetzt muss man nur etwas finden, was in ihr Bild passt und daneben die eigentliche Ware durchschieben. Das ist der ganze Trick.

Ein Beispiel, bitte.

Am Flugplatz stehen die Scouts der Zöllner rum und achten darauf, dass sich jemand auffällig benimmt. Der wird dann rausgepickt und untersucht. Was sie nicht mit kriegen ist, dass nebenan eine ganze Karawane durchläuft. Das nennt man den Hasen jagen. Das hat früher gut funktioniert, heute wohl nicht mehr.

Hört sich eher nach Kleinhandel an.

Na ja, das ging um bis zu 70 Kilo in einer Fuhre. Das ist kaum noch Kleinhandel.

Damit war der Monatsbedarf für Euren „Verein“ gedeckt?

Ungefähr. Unser damaliger Monatsbedarf lag zwischen 50 und 200 Kilo.

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Welches Gebiet konntest Du damit abdecken?

Das hat mich nie interessiert. Ich habe nur bemerkt, dass der Preis erheblich fiel, wenn ich den Markt voll geschmissen habe und anstieg, wenn ich es zurück hielt. Teilweise habe ich darum unter Preis verkauft, dann solange gewartet, bis die anderen Händler, die in Holland teuer gekauft hatten, an den niedrigen Preisen erstickt sind und verzweifelt in andere Städte abtransportiert haben. Dann habe ich den Markt zugemacht, den Preis erhöht und mein Defizit doppelt wieder drin gehabt. Das nennt sich Marktwirtschaft.

Wobei die Illegalität Eure Gewinnspannen in die Höhe trieb.

Wenn du ein Kilo in Südamerika kaufst und hierher transportierst, dann gibst du maximal 5000 Euro aus, eher sogar 2500 Euro. Hier erzielst du im schnellen Verkauf 30.000 Euro, im Großhandel 20.000 Euro und im Straßenverkauf, tja, rund eine viertel Million. Da fließen enorme Gelder. In Deutschland liegt heute so viel Kokain rum, dass selbst bei einer Schließung aller Grenzen der Markt noch mindestens drei Monate beliefert werden könnte. Würde man Holland noch dazu rechnen, dann würde dieser Zeitraum sogar auf ein halbes Jahr anwachsen.

Wenn man Dich so hört, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der Handel mit Kokain eine großer Spaß für die ganze Familie ist.

Du musst es mal so sehen: Ich habe in Holland immer zwischen zwei und vier Leuten nur zum Knallen gehabt.

Knallen?

Ja, Leute, die Probleme mit der Waffe bereinigen. Aber die habe ich nie gebraucht und darauf bin ich stolz. Alle meine Konkurrenten haben die benutzt, weil es halt ein hartes Business ist. Ab einer gewissen Größenordnung gibt es nur noch zwei Arten von Geschäftsleuten: Gerade oder Tote.

Und wie sichert man sich da ab?

Du kannst dich nicht absichern, kein Menschen kann sich absichern, nicht mal der amerikanische Präsident kann sich absichern. Das heißt: entweder du hast einen Namen in der Branche und bist als korrekt bekannt oder du bist ein toter Geschäftspartner.

Wurde irgendwann das Geschäft zu groß oder woran lag es, dass die Polizei aufmerksam wurde?

Das lag an meinem falschen Personal. Siehst Du, ob ich eine Mark oder eine Million in der Tasche habe, das merkst du mir nicht an. Ich bin immer der gleiche Mensch…

Das kommt selten vor.

Ja, aber für mich ist Geld nur ´ne Menge Chips und die tausche ich gegen Spaß ein. Mehr ist das nicht. Ab einer bestimmen Summe ist Geld uninteressant. Mit 5000 Euro im Monat kannst du alles abdecken um normal zu leben, alles darüber ist Luxus. Wenn der da ist – gut, wenn nicht – auch gut. Einige Leute, die mit mir zusammen gearbeitet haben, die sahen das anders. Die hatten vorher noch nie einen Tausender gesehen und plötzlich hatten sie ´ne Million in der Tasche. Und plötzlich waren alle anderen nur noch Penner für sie. Wenn man so denkt, dann überschätzt man sich.

Und das ist schlecht für das Geschäft?

… dann geht das irgendwann nach hinten los. Das war ein Grund, weshalb das Geschäft scheiterte: die Leute haben nicht richtig funktioniert.

Gab es noch andere Gründe?

Ich hatte verboten auf St.Pauli zu verkaufen und ich hatte verboten an Kleindealer und Junkies zu verkaufen. Einer meiner Leute garantierte aber immer häufiger für irgendwelche Kleindealer und sprach diese „gut“. So nach dem Motto: „Der ist in Ordnung.“ Dieses ewige Gutsprechen. Na ja, und dann hat er einen erwischt, der war nicht gut. Dieser V-Mann hatte selbst Probleme mit seinem Drogenkonsum, er stand unter Druck, er musste also was liefern. Mein Mann hatte ihm sehr Reines gegeben und behauptet, er können davon mehr besorgen. So hat der V-Mann die passende Geschichte dazu erfunden und bei der Polizei gesungen: „Ein Schiff wird kommen.“

Aber es kam gar keines.

Jedenfalls nicht das, auf welches die Polizei in Bremerhaven wartete. Leider traf ich den V-Mann ebenfalls und so entstand meine Akte. Zwei Jahre lang haben sie mich beschattet – ohne etwas nachweisen zu können. Dann kam der nächste Fehler und wieder nur, weil Leute nicht richtig funktioniert haben.

Wie viele Schritte sind es vom Labor in Südamerika bis zur Linie auf dem Spiegel?

In den Labors in Kolumbien wird Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 88 bis 96 Prozent hergestellt. Dann landet es in Europa und wird zum Beispiel in den Labors in Holland sofort in die große Mischmaschine geworfen und um 50 Prozent gestreckt.

Streckmittel?

Unterschiedlich. Koffein, Mannitol, Lidocain, Speed – einmal Bayer Leverkusen hoch und runter. Alles was knallt. Die Koks-Konsumenten brauchen diesen Kick. Reines Kokain macht keinen Kick, das wissen die nur nicht. So, dann fahren die Zwischenhändler rüber und kaufen das in Kilo-Portionen für 20 bis 25 Tausend Euro. Ist es in Deutschland gelandet, wird es wieder Eins zu Eins gestreckt. Dann geben diese Dealer das weiter an ihre Kleinhändler und die, nun die strecken wiederum Eins zu Eins. Bis es auf dem Markt ankommt hat es – wenn man Glück hat – also noch 10 Prozent. Wenn du eine Top-Quelle hat, dann kriegst du vielleicht mal 20-prozentiges. Da ist doch einfacher in die Apotheke zu gehen, sich ein paar Chemikalien zu holen und sich die in die Birne zu knallen. Billiger ist es zudem.

Und gesünder.

Wahrscheinlich auch. Dabei lässt sich reines sehr einfach von unreinem Kokain unterscheiden.

Wie?

Wenn sie auf Steine, also stark gepresstes, krümeliges Kokain treffen, denken viele, sie hätten gutes Koks vor sich. Quatsch. Gutes Kokain ist immer Pulver und wird höchstens dadurch gepresst, dass es feucht verpackt wird. Es ist nie steinig. Im Gegenteil, bestes Kokain ist kristalin, staubfein oder flockig. Zum Testen nimmt man eine sehr, sehr kleine Menge, streut es auf ein Stück Silberfolie und erwärmt diese von unten mit einem Feuerzeug. Dann fängt es an zu schmelzen und muss – das ist wichtig – einen scharfkantigen Hügel bilden. Wenn es an den Seiten brodelt, dann ist es mit Mannitol gestreckt. Zudem darf die erwärmte Masse nicht chemisch oder süß stinken. Wer einmal gutes Kokain gerochen hat, erkennt es immer wieder. Nach dem vorsichtigen, mehrmaligen Erwärmen darf nur ein Nagellacktupfer übrig bleiben. Streicht man über diesen mit dem Finger, dann darf das nicht kratzen, sondern muss wie lackiert sein.

Aber wer kriegt solches Kokain unter den Nagel?

Klar, der Test kann den Leuten nur zeigen, was sie sich für einen Müll reinziehen.

Ronald Miehling, © Jörg Auf dem Hövel
Ronald Miehling, © Jörg Auf dem Hövel

Ist es Deiner Meinung nach die chemische Verunstaltung der Substanz, die die Probleme für den Konsumenten schafft?

Zum einen sicher. Zum anderen: Welcher Wein- oder Whiskeyliebhaber kommt auf die Idee, sich seinen Alkohol intravenös zu spritzen? Keiner.

Also sind – wenn man schon Drogen nehmen will – die natürlichen Wege vorzuziehen?

So ist es. Ich habe mindestens zwei Kilo durch meine Nase geblasen. Und? Ich habe kein Bedürfnis, sehe klar aus und bin hell in der Birne.

Das klingt nach einem Hohelied auf Kokain.

Es ist doch einfach so: Jeder Mensch hat seine persönliche Dosierung. Wenn ich meine Dosierung treffe, dann bin ich tatsächlich das Monster im Bett, der Weltmeister in der Disco und habe auch noch eine Bewusstseinserweiterung. Nehme ich aber ein bisschen zu viel, dann geht das direkt nach hinten los. Richtiges Kokain wirkt rund vier Stunden, bei korrekter Dosierung kann man alle paar Stunden nachtanken und den Zustand so über zwei Tage erhalten.

Um sich danach direkt in die psychiatrische Anstalt zu begeben?

Nach einem solcher Tour muss man mindestens eine Woche Pause machen. Ich habe oft zwei, sogar vier Wochen nichts genommen und hatte danach wieder mit äußerst geringen Mengen von einem Zehntel Gramm meinen Spaß. Man muss Genießer sein und dann ist diese Droge in Ordnung.

Unter der Voraussetzung, dass man mit der reinen Substanz hantiert.

Das ist natürlich richtig. Jeder Dealer, der das mit irgendwelchen linken Mitteln streckt ist für mich ein Verbrecher. Ganz einfach. Ansonsten ist der Handel mit Kokain für mich kein Verbrechen. Die Alkohol- und Tabakdealer werden ja auch nicht bestraft.

Warum dann die Kokaindealer?

Weil das Kokaingeschäft ein riesiger Wirtschafts- und damit Machtfaktor ist. Ab einer gewissen Größenordnung nimmt man nicht nur viel Geld ein, man hat auch bestimmte Kontakte, Verbindungen und es entstehen gegenseitige Abhängigkeiten. Wenn eine Gruppe die enormen Geldströme bündeln würde, was dann? Dann könnte diese sich Politiker und Beamten kaufen. Jeder Mensch hat seinen Preis. Hier in Europa sind die Leute ein wenig teurer, in Südamerika sind sie ein wenig billiger. Nicht die Schädlichkeit der Droge stinkt dem Staat, sondern die politische Macht in ihrem Dunstkreis.

Wusstest Du, dass einige deiner Kunden mit der Droge nicht richtig umgehen können?

Nein, dass war mir nicht klar, denn wir haben in die Schickeria geliefert. Zudem müsste, wenn man so denkt, jeder Alkoholhersteller den Moralisten raushängen lassen und seinen Laden schließen. Ich zum Beispiel bin nikotinsüchtig, aber dafür mache ich doch nicht den Zigarettenhersteller verantwortlich. Klar, Moral ist gut, aber wo fängt sie an und wo hört sie auf?

Das fragt sich wohl auch die CIA, die in den Kokainhandel in Kolumbien verstrickt ist.

Ja, damit werden Kriege sowie halb- und ganz illegale Aktionen in Südamerika finanziert. Die Gewinnspannen sind einfach so hoch, dass einige Regierungen überhaupt kein Interesse daran haben, die Illegalität von Kokain abzuschaffen. Wenn du von zehn Transporteinheiten á einem Kilo nur zwei durchkriegst, dann hast du immer noch Gewinn. Bei dem Geschäft kann man nicht verlieren.

Außer die Freiheit.

Genau, und die habe ich verloren, weil ich nicht monströs genug war. Ich verstehe zwar, wie die Kolumbianer denken, aber selbst so denken kann man als Mitteleuropäer nicht. Die Illegalität ist ein Mordsgeschäft und wird von den Regierungen benutzt, um Politik zu machen. Denen geht es nicht um die Droge.

Das Verbot trifft demnach die Falschen?

Der Mensch sitzt da und denkt, „das ist nicht alles“. Dann macht er Sex, trinkt Alkohol, geht in die Disco, raucht und probiert anderes aus. Das kriegt man durch Verbote nicht aus ihm raus, dieses Verlangen. Er muss also lernen, was und wie viel davon gut für ihn ist.

Stärkung der Eigenverantwortlichkeit ist demnach das Thema.

Das ist der Weg. Restriktionen führen auf Dauer zu nix, im Gegenteil; es gibt genug Leute, die lassen sich immer wieder was neues einfallen, wie man diese Verbote umgehen kann. Ein Kolumbianer sagte mal zu mir: „Eine Tür geht zu, zehn andere öffnen sich. Wo ist das Problem?“ Er hatte Recht.

Wie siehst du den Kokain-Markt heute?

Früher war das eine Art Gentleman-Geschäft. Es gab Räuberbanden, so wie ich eine hatte. Dann hat die Polizei fast alle deutschen Gruppen weggefangen und jetzt haben wir ausländische Gruppen. Die haben bekanntlich eine etwas andere Mentalität. Toll, sage ich da, jetzt haben wir die organisierte Kriminalität, die so lange beschrieen wurde. Selbst Schuld. Jetzt wird bei jeder Gelegenheit geballert und die Gewinne werden sofort ins Ausland transferiert. Da kann man den Behörden nur zu ihren unbestreitbaren Erfolgen beglückwünschen – gute Arbeit, Jungs!

Hast du noch Kontakt zu den alten Geschäftspartner?

Blöde Frage.

Klingelt mal jemand? Schreibt mal jemand einen Brief?

Ich habe keine Feinde und viele Freunde. Denn ich verrate keine Wege und keine Freunde. Das habe ich nie und werde ich auch nicht. Ich hätten diesen Knast gar nicht antreten müssen, die DEA hat mir ein Angebot gemacht, da hätten andere nicht nein gesagt.

Über zwei Drittel der Strafe hast du um. Sind die Zustände im Knast so bestürzend, wie oft beschrieben?

Schlimmer. Das ist Villa Kunterbunt da.

Drogen aller Art?

Ein Wunschkonzert. Alles vorhanden, da wird jeder glücklich. Was in letzter Zeit weniger geworden ist, ist Alkohol, der ist zu groß zum transportieren. Wir haben ein Top-Strafvollzugsgesetz, da drin ist alles geregelt – es hält sich nur keiner danach. Es herrscht Gutsherrenmentalität unter den Beamten. Die wollen, dass man losgeht und den reuigen Sünder spielt und sich von ihnen sagen lässt, wie man zu leben hat. Die Knakis werden so belogen und schikaniert, bis sie den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren und nach ihrer Entlassung bald wieder als treue Kunden zurückkehren. Große Firmen nennen so was „Kundenbindung“.

Das nennt sich Resozialisierung.

So ist es. Aber ich habe einen dicken Kopf und ich bin in meinem Leben immer gut klar gekommen. Wo ich hingekackt habe, da haben die noch nie hingerochen. Ich sage mir, wenn ich mir jetzt den Finger in den Arsch stecken lasse, dann steckt mir draußen jeder den Finger in den Arsch.

Mit dieser Einstellung wird es sicher nicht einfacher dort.

Klar. Ihr Versuch mich zu beugen fing ja schon mit der Isolationshaft an. Zwei Jahre lang habe ich nur den Schließer gesehen und mit niemanden gesprochen. Weißt du, in der Türkei, da werden die Leute verhauen, da siehst du blaue Flecken, aber hier ziehen sie so ´ne Nummern mit dir durch, denn auf der Seele siehst du keine Narben.

Danke für das Gespräch.

Literatur

Im Rowohlt Verlag ist von Ronald Miehling und Helge Timmerberg ein Buch mit dem Titel „Schneekönig“ erschienen. Leicht neu oder gebraucht zu bestellen über Amazon:

Update 2007

Drei Jahre nach seiner Freilassung wurde Ronald Miehling im November 2006 in Hamburg wieder verhaftet. Der Vorwurf: Schmuggel von mindestens 40 Kilogramm Kokain von Kolumbien nach Deutschland. Im Mai 2007 wurde er erneut verurteilt, das Landesgericht Hamburg sprach knappe acht Jahre Haft aus.

Update 2013

Ein Doku-Film über Ronald Miehling ist erschienen. Der Schneekönig.

 

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Dope auf dem Schulhof

HanfBlatt, Nr. 77, 2003

Dope auf dem Schulhof

Wie beliebt ist Cannabis unter Schülern? Und welche Folgen hat der Genuss?

Das Blech und die Scheiben von Philips roten Golf erzitterten unter den Klängen von Prince. Es war 1984 in irgendeiner Schule in einer Großstadt. In der großen Pause, ich glaube sie ging von halb bis um 11 Uhr, hatten wir es uns seit einem viertel Jahr zur Angewohnheit gemacht in der rostigen Karre zu verschwinden und eine Riesentüte zu rauchen. „Let´s go crazy“ dröhnte dann so laut aus den Magnat-Boxen, dass Passanten stehen blieben. Unsere Mitschüler, welche die Pause nutzen um aus dem nahe liegenden Penny-Markt Bier zu holen, die grienten nur wissend. Es war die Zeit in der uns endgültig klar wurde, dass Schule keinen Sinn macht, obwohl die Abiturprüfungen nahten. Cannabis stand dabei nie in dem Verdacht das Bewusstsein zu erweitern, wozu auch, wir wussten es ja eh schon besser. Die fetten Joints, die wir uns Tag für Tag reinzogen dienten keinem Ziel, sondern nur dem puren Amüsement. Wir wollten schnell und schmutzig leben, Mutti würde schon weiter zahlen.

Zeitsprung ins Jahr 2002: Eine Gesamtschule in Hamburg. Auf dem Schulhof tummeln sich die Racker, die älteren Schüler ziehen sich mit behördlicher Genehmigung eine seltsame Droge mit Namen „Tabak“ in der eigens dafür geschaffenen „Raucherecke“ rein. „Kiffer suchst Du?“, wiederholt einer der langen Kerls spöttisch und schaut mich von oben bis unten an. „Dann schau mal hinter das Gebäude dahinten. Vielleicht hast du Glück.“ Ich folge seinem Finger. Als mich die kleine Gruppe von Jungmännern sieht, nesteln sie in ihren Taschen rum. „Vom HanfBlatt, coool.“ Ja, sagen sie, „klar kiffen wir in den Pausen“. Jeden Tag? „Ooch ja, eigentlich ja.“ Nein, auf die Leistungen würden sich das nicht auswirken. „Der Unterricht ist sowieso völlig beschissen. Ob ich da breit bin oder nicht, dass macht keinen Unterschied.“ Die Hände in den Taschen, die Hosen in den Kniekehlen stehen sie da. Neuntklässler, die jedwedes Unrechtsbewusstsein beim Cannabisgenuss in die Tonne getreten haben. Für sie ist Kiffen Entspannungskultur, breit sein, high sein.

Das war 1984 nicht viel anders: Die Generation der Anti-Atomkraft-Bewegung mit ihren olivgrünen Parkern und ihren moralinsauren Eiertänzen hatte vor zwei Jahren die Schule verlassen, nun waren wir an der Macht. Wir, dass waren wilde Söhne und Töcher aus Beamtenhaushalten, welche die reduzierte Sprache von Albert Camus genossen und Jean Paul Satre lasen und ihn nicht verstanden. Es entwickelte sich eine Mischung aus krudem Existenzialismus und dem unbedingen Willen, dass Leben in vollen Zügen zu genießen. Techno war noch nicht erfunden, Acid-House war State of the Art und damit dämmerte langsam das Zeitalter des Hedonismus heran. Ohne es zu wissen waren wir die Vorläufer der heutigen Spaßgesellschaft. Wenn wir bekifft aus dem Auto zurück in den Unterricht flatterten, dann war Spaß garantiert – oder stumpfes rumdröhnen. Einmal kippte Philipp vom Stuhl vor Lachen, unser Biologielehrer (Typ: „Ich bin euer Kumpel“) schickte ihn entnervt zur Schulleiterin. Aber die Lehrer waren meist zu blauäugig, um unsere Zustände einzuordnen – oder sie wollten sie nicht sehen, weil wir seit der 11. Klasse den Unterricht eh nur noch für unser Privatscherzchen nutzten, mithin störende Elemente waren.

Tja, und nun die Preisfrage: Was hat das Cannabis mit uns getan? Um es mal mit den Maßstäben der Leistungsgesellschaft zu messen: Der eine Kiffer von damals kauft heute Fussballrechte in ganze Europa ein, der andere hat eine kleine Firma für Marktforschung gegründet, der dritte verdummt die Leute (er ist Angestellter in einer Werbeagentur), der vierte tut das ebenfalls, er schreibt diesen Artikel. Aber es gibt auch andere Wege: Einer aus unserem Kreise fand das Kiffen so großartig, dass er jeden Abend bedröhnt vor der Glotze hing, wir verloren ihn aus den Augen, Jahre später traf ich ihn wieder, er war ziemlich runtergekommen. Kaum jemand kommt auf die Idee, berufliche und private Erfolge am Graskonsum festzumachen, umgekehrt fällt das seit jeher einfacher. Und kaum jemand kommt auf die Idee die Fragestellung einmal umzukehren und eine Untersuchung darüber anzuschieben, welche Vorteile Jugendliche aus dem ja meist gemeinsam praktizierten Rauchritualen ziehen. Die Kiffen ein Problem sein muss, dies ist unausgesprochene Gedanken- und Finanzierungsgrundlage vieler Sucht- und Präventionsbüros.

Um es nicht falsch zu verstehen: Unser Konsum von Haschisch während der Schulzeiten hat die Leistungen in der Schule wahrlich nicht gefördert, im Gegenteil. Ab dem Moment der cannabioniden Intoxination waren wir bei körperlicher Anwesenheit freiwillig vom Unterricht ausgeschlossen. Letzlich waren wir das vorher zwar auch schon, aber nun gab es absolut keine Möglichkeiten für Lehrer und Lehrninhalte durch unseren Nebel aus Selbstgefälligkeit und Frohsinn durchzudringen. Nur hatten wir halt das Glück zu begreifen, dass man die Regeln des Systems irgendwann doch wieder befolgen muss, zumindest soweit, dass man nicht rausgeworfen wird. Die Eskapaden führten nie dazu den ideellen Reigen aus Eltern und sozialem Umfeld ganz zugunsten der hanfinduzierten Glückseeligkeit zu verlassen. Zudem hatten wir Glück, denn ein Lehrer stand dem Hanf nicht abgeneigt gegenüber. Wir teilten ein paar Züge lang unsere Erfahrungen. Der Mann hatte unser Vertrauen und war einer der wenigen Großgewachsenen, den man sich bei Problemen innerhalb und außerhalb der Schule offenbaren wollte.

Und was treibt der Hanfrauch heute aus dem Bewusstsein der SchülerInnen? Die sonore Stimme eines Hamburger Schulpsychologen dringt durch den Telefonhörer: „Ein großer Teil der Jugendlichen kann mit dem Cannabiskonsum umgehen, aber es gibt welche, die das nicht können. Wer zum Frühstück seine ersten Köpfe raucht, der hat schnell ein Problem.“ Der Mann kämpft mit mehreren Aufgaben: Ein Problem sei, dass keine aktuellen Zahlen vorliegen, ob sich der Konsum unter den Menschen unter 18 Jahren tatsächlich erhöht hat. „Wir erhalten schon immer öfter Meldung von Schulen und Eltern, dass die Cannabis konsumierenden Schüler jünger geworden sind.“

Ob Eltern, Lehrer oder Schüler: Die Erfahrungen mit akut gedopten Mitschülern sind schlecht, darum ist man sich einig, dass der Genuss von Hanfkraut in der Schule nichts zu suchen hat.

Wo früher erst die 17-jährigen rauchen, kiffen heute zum Teil schon die 15-jährigen. Dieser subjektive Eindruck wird durch die letzten Erhebungen in Hamburg bestätigt. 1990 hatten insgesamt 27,9 Prozent und 1997 26,5 Prozent der 15 bis 39-jährigen jemals in ihrem Leben Cannabis probiert. Diese sogenannten „Lebenszeitprävalenz“ hat sich über die Jahre also kaum geändert. Aber: Deutliche Veränderungen zeigen sich bei der Gruppe der jungen Konsumenten. 1990 gaben nur 8,4 Prozent der 15-17-jährigen an, im letzten Jahr Hanf geraucht zu haben, 1997 waren das schon 17,9 Prozent. Und so wie es aussieht hat sich dieser Trend eher noch verstärkt.

Kenner beobachten die Verjüngung der Szene schon seit längerem. Ein Head-Shop Besitzer erzählt: „Erst gestern kam hier ein maximal 15-jähriger rein, der einen Bong für die Tasche haben wollte. Der Typ war komplett sediert und fragt auch noch nach einem Gerät, dass er mit in die Schule nehmen kann. Damit ist er jetzt wahrscheinlich der Held in der Klasse.“ Insgesamt sei zu beobachten, dass die Käufer von Paraphenalia über die Jahre jünger geworden sind.

Die spannende Frage ist nun, welche Auswirkungen der Genuss von Cannabis hat. Darüber gehen die Meinungen auseinander, die empirischen Erhebungen im Bundesgebiet unterstützen die These vom kranken Kiffer allerdings nicht. Ein paar Zahlen: Im Jahr 2000 lag der Anteil der aktuellen THC-Liebhaber in Deutschland zwischen fünf und sechs Prozent. Hochgerechnet auf die Wohnbevölkerung sind das in Ostdeutschland 26.000 Personen und in Westdeutschland 214.000 Personen, die regelmäßig Cannabis konsumierten. Glaubt man den Erhebungen weiter haben nur wenige Kiffer Probleme mit ihrem Inhalationssport.

Die größte Studie zu dem Thema von Kleiber und Kovar kommt in feinstem Wissenschaftsdeutsch zu dem Schluss: „Was die Auswirkungen von Cannabis auf die psychische Gesundheit anbelangt, muss aufgrund der vorliegenden Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum von Cannabis eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach sich zieht, zurückgewiesen werden.“ Fest steht auf der anderen Seite, dass diejenigen Menschen, die heute Dauerkiffer sind ihre ersten Erfahrungen relativ früh gemacht haben. Mit anderen Worten: Je früher man anfängt zu knastern, desto größer ist später die Chance dauerstoned durch die Gegend zu eiern.

Wie geht man nun mit dem jugendlichen Fans von Cannabis, Alkohol, anderen Genussmitteln und sogenannten Drogen um? Im Kern stoßen dabei zwei Auffassungen aufeinander. Die eine: Weil alle Rauschmittel das Potential zur Verstärkung und Wiederholung in sich tragen, muss das Ziel die Erziehung zur Abstinenz sein. Die Gefahr, die von der Integration des Drogenkonsums in die Gesellschaft ausgeht, zeigt sich deutlich am Alkohol. Die andere: Eine drogenfreie Gesellschaft ist nicht nur unmöglich, sondern durch ihre prohibitiven Zwangsmaßnahmen zugleich ein teilweise totalitärer Staat. Ziel muss daher die Erziehung zur selbstverantwortlichen Haltung und Handlung sein. Aus der Diskussion ausgespart bleibt meist die betroffene Gruppe, nämlich die, die ab und zu Cannabis zur Entspannung und zur Rekreation nutzt und eigentlich nur ein Problem hat: Dass die Produkte der Pflanze auf dem Markt erscheinen ohne auf Qualität geprüft worden zu sein.

Die Garde der Therapeuten, Suchtberater und Schulpsychologen steht vor dringenderen Problemen. Ihrer Meinung nach setzt das Betäubungsmittelgesetz der Beratungs- und Aufklärungstätigkeit enge Grenzen, zum anderen ist die Unkenntnis über Wirkungen und Auswirkungen von Gras und Hasch unter Lehrern, Eltern und Schülern riesengroß. In den Worten des Psychologen am Telefon: „Die Schule kann bei der momentanen Gesetzeslage keine Anleitung zum regelgeleiteten Konsum geben, und das kann auch nicht Auftrag der Schule sein.“ In der persönlichen Beratung von Schülern allerdings würde nicht nur auf Abstinenz abgestellt, „das wäre völlig unrealistisch“. Auf Veranstaltungen zum Thema Drogenkonsum würde immer wieder die Unsicherheit deutlich werden, die allenthalben unter Eltern, Lehrern und Schülern herrsche. „Zumeist wird der Cannabiskonsum total dramatisiert, andere spielen ihn vollständig runter.“ So oder so sei das Thema enorm emotional besetzt. Fazit des Psychologen: „Versachlichung und Aufklärung tuen Not.“

Bei der Veranstaltung „Jugend im Parlament“ berichteten Hamburger Schüler den Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft im Jahr 2000 von ihren Erfahrungen mit kiffenden Mitschülern. Die Überraschung: Die meisten Jugendlichen teilten mit, sie hätten bisher bei keinem ihrer Mitschüler Verhaltensauffälligkeiten oder Beeinträchtigungen der Leistung durch die Einatmung von geschwängerten Rauch festgestellt.

Im Regelfall würde Cannabis ohnehin in der Freizeit konsumiert, weiß Gert Herweg, der in Frankfurt als Fachberater tätig ist. In der Metropole haben seiner Einschätzung nach bis zu 20 Prozent der Schüler über 14 Jahren Erfahrungen mit Cannabis. Die meisten davon würden den Hanf aber nur probieren, wenige würden zu Gewohnheitsrauchern. Im gesamten Bundesgebiet ist zu beobachten, dass vor allem Schulen in sozial schwachen Wohngebieten von Problemen mit dauerkiffenden Jugendlichen berichten.

Misst man nicht mit ökonomischen Maßstäben, stellt sich die Frage nach den Vor- und Nachteilen des Drogenkonsums noch einmal anders. Was kaum einer der Therapeuten und „Drogenexperten“ auszusprechen wagt, ist doch, dass Cannabis und andere Rauschmittel bei vernünftiger Anwendung eben durchaus zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit beitragen können und nicht nur wie ein unablässig wachsendes Geschwür dieselbe zerfressen. Sicher, die Gefahren eines allzu frühen Konsums liegen auf der Hand: Sie bestehen in einer, bildlich gesprochen, Aufweichung einer Plattform, die man sich ja gerade erst -unabhängig von den Eltern- schaffen will. Gleichwohl gilt: Fatal ist doch die zeitweise Ausrichtung des jungen, sich entwickelnden Wertesystems an einer Droge nur dann, wenn der Mensch sich dadurch entweder unglücklich macht oder seine Verantwortung für das natürliche und soziale Umfeld auf längere Zeit negiert. Diese Gefahren bestehen, sind aber nach überwiegender Meinung eher vom Elternhaus und dem Freundeskreis abhängig als von Pflanzenextrakten.

Neugierde und Entdeckerdrang, Abgrenzung zu Autoritäten und das Erleben von Freiheit sind notwendige Bedingungen des Erwachsenwerdens. Sicher tut man der gedeihenden menschlichen Natur nicht zu sehr Gewalt an, wenn man einige Genussmittel per Gesetz kategorisch aus ihrem Erlebnishorizont streicht. Auf der anderen Seite lauern die Gefahren der blinden Konsumwut überall und in der propagierten „offenen Gesellschaft“ sollte es eben auch darum gehen, den Umgang mit diesen zu lernen. Aber wer lehrt diesen, angesichts überforderter Eltern, nicht legitimierter Schulen, die zudem ihren Ruf im Viertel nicht verlieren wollen und einem Freundeskreis, der zur Verharmlosung neigt?

Jörg Auf dem Hövel

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Cannabis Routen

HanfBlatt Nr. 81, Jan/Feb. 2003

 Zwischen Karachi und Ketama…

… und zwischen Enddarm und Container. Wie fließen die Haschisch- und Marihuanaströme über den Globus?

Cannabis ist die am häufigsten gehandelte illegale Droge der Welt. Dem logistisch gut organisierten Warenverkehr stehen manchmal die Gesetze im Wege. Welche Routen nehmen Haschisch und Marihuana?

Zart sind die Sprossen des Hanfs und zart begann auch der Handel. Cannabis wächst auf allen Erdteilen der Welt und wird auch überall kultiviert, ob nun drinnen und draußen. Oft wurde zunächst nur für die Versorgung des lokalen Marktes angepflanzt, erst später, wenn die Nachfrage da war, kam es zum Transfer ins Ausland. Weniger die unbedingte kapitalistische Wille der Einheimischen, als vielmehr reiselustige Menschen bilden seit jeher die zweite nicht versiegende Quelle für Cannabis auf der ganzen Welt. Der Urlaub bietet für jeden Liebhaber des gepflegten Kiff seit jeher die Gelegenheit ein Stück Rauschkultur des jeweiligen Landes als persönliches Mitbringsel mit in die Heimat zu nehmen. So etwas gab es schon immer, professionalisiert wurde es in den 60er Jahren, als die ersten Hippies wahnsinnsgutes Haschisch aus Indien und Nepal in die Welt brachten. Seither ist diese Luft- und Landbrücke nie wieder abgerissen. Der Zoll nennt es „Ameisenhandel“, andere nennen es „Völkerverständigung“. Leider liegen keine Schätzungen darüber vor, wie viel des weltweit genossenen Cannabis von nahen und entfernten Freunden stammt.

Weltkarte der Cannabis-Routen

 

Grasgeschiebe

Der Handel mit den Blütenständen des Hanfs fokussiert sich auf einige Brennpunkte: Praktisch auf den Flughäfen der gesamten Welt wird Gras aus Kambodscha aus den Rucksäcken der Traveller gepickt. Kein Wunder, kostet das Kilo (!) meist minderwertigen Hanfkrauts in dem Land nur rund fünf Dollar. In der Provinz Koh Kong sollen noch immer recht himmlische Zustände herrschen. Hier ist eine traditionelle Hochburg des Hanf-Anbaus, zudem gibt es einen direkten Zugang zum südchinesischen Meer. Größere Mengen werden über vor der Küste liegenden Schiffen zunächst nach Thailand, später in die Welt distribuiert (siehe Karte). Die Australier verzeichnen seit Jahren einen regen Handel mit südwest-asiatischen Marihuana. Apropos Australien: Down under zeigt sich ein Trend, der sich weltweit durchzusetzen scheint. Über die Hälfte des in den letzten Jahren beschlagnahmten Grases stammte aus der Indoor-Zucht. Ähnliches lässt sich in Kanada und den Ländern der Europäischen Union beobachten. Die vielen Genießer haben mittlerweile erkannt, dass die Aufzucht und Hege von Cannabis nicht nur eine simple Angelegenheit ist, sondern sogar Spaß bereitet.

Neben Kambodscha sind es vor allem Indonesien, Laos, die Philippinen und Thailand, die auf größeren Feldern Hanf anbauen. Die UNO zeigt sich in ihrem letzten Drogen-Bericht sehr besorgt darüber, dass seit einiger Zeit auf Sumatra und Java vermehrt Cannabis angebaut wird. Insgesamt, so die Organisation, seien im Jahr 2002 über 4500 Tonnen Gras weltweit aufgegriffen worden. Wenn man nun berücksichtigt, dass dies schätzungsweise zehn Prozent der tatsächlich gehandelten und konsumierten Menge ist, dann bekommt man eine Vorstellung von dem ungeheuren Ausmaß des globalen Hanfrausches.

Interessant dabei ist natürlich, wo das meiste Marihuana beschlagnahmt wird, gibt dies doch Hinweise auf die (unterbrochenen) Reisewege. Manch´ einer wird es geahnt haben: Fast die Hälfte der jährlich ergatterten Menge wird in Mexiko einkassiert. Nirgendwo auf der Welt wird so viel gekifft wie in den USA und dieser Markt will halt versorgt werden. Ob in Trucks, auf Schiffen oder in Flugzeugen – Marihuana wird auf vielen Wegen über die Grenze ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschafft. Der fermentierte Geruch von jamaikanischem Gras ist in Deutschland und Europa selten geworden, mittlerweile exportierten die karibischen Inseln das meiste ihres Killer-Weed ebenfalls in die USA.

Neben Mexiko ist Kolumbien der zweitgrößte Anbaustaat auf dem amerikanischen Kontinent. Von hier aus wird das Gras entweder in die USA geflogen oder über die karibischen Häfen (oft: Covenas) nach Europa verschifft. Ansonsten übt sich der südamerikanischen Markt in Selbstgenügsamkeit. Wo der lokale Anbau nicht ausreicht, stehen die zentral gelegenen Länder Bolivien (Region um Cochabamba), Brasilien (Region Bahia und Pernambuco im Nordosten) und Paraguay gerne zur Seite.

In Europa selbst hat sich neben den bekannten Gras-Ländern Niederlande und Schweiz Albanien zu einem beachtlichen Anbauland von Marihuana gemausert. Das Bundeskriminalamt schätzt sogar, dass der Staat mittlerweile der „größte Marihuanaproduzent Europas“ sein dürfte. Auch hier wird nicht auf blauen Dunst hin angebaut, sondern für einen Markt, der sich recht unabhängig von den restriktiven Drogengesetzen nach kulturellen Modeerscheinungen ausrichtet. Kiffen ist „in“: Nur darum hat sich in den letzten zehn Jahren sich die Menge des sichergestellten Cannabis in Europa verdoppelt.

Afro-Look

Glaubt man den Zahlen der Drogenkontrollbehörden, aber auch den Berichten der Presse, wird die Anpflanzung von Cannabis in den mittleren und südlichen Länder Afrikas immer beliebter. Für den Verbraucher bleibt meist undurchsichtig, woher genau das Gras kommt. Die prinzipiellen Wege aus den Ländern: Hanfkraut, welches in den kleinen Staaten Lesotho, Malawi und Swaziland angebaut wird über die Straßen nach Südafrika verbracht, um von dort aus entweder mit dem Flugzeug oder aber mit dem Schiff über Kapstadt oder Durban nach Europa transportiert zu werden.

Im Februar 2001 verbrannte die Polizei am Mount-Kenia über 328 Tonnen feinstes Marihuana. In den Worten des UNO-Berichts 2001: „In Ost-Afrika, speziell in Äthiopien, Kenia, Madagaskar, Uganda und Tansania, hat Cannabis, welches bis dahin nur für den lokalen Markt angebaut wurde, die Stellung einer ökonomisch signifikanten Pflanze eingenommen.“ Neben Nigeria, über dessen legendären Hafen Lagos der Hanf aus der Region abtransportiert wird, ist der Kongo ein Hauptanbaugebiet im mittleren Afrika. In der Mindouli-Region im Süden des Landes wird seit Generationen Cannabis großgezogen. Im Kongo ist nach Angaben der OGD (Observatoire géopolitique des drogues), die einen (allerdings recht anekdotisch) jährlichen Bericht zur Situation des Drogenanbaus auf dem Globus gibt, der Anbau von Cannabis schwer umkämpft. Es kommt zu Verletzten und Toten. Die Lari, seit Generationen passionierte Hanfbauern, bestehen trotz internationaler Vereinbarungen auf ihr altes Recht den Hanf zu kultivieren. Der alte Präsident des Kongo, Bernard Kolelas, war Mitglied dieser Ethnie – er stand in der internationalen Politiker-Gemeinschaft seit jeher im Verdacht, den Handel nicht nur toleriert, sondern daran auch kräftig mitverdient zu haben.

Dies ist hier erwähnt, weil ohne die Kooperation hoher Regierungsstellen der gesamte, professionell organisierte Cannabis-Schmuggel auf der Welt zusammenbrechen würde. Ob in Südamerika, Indien, der Türkei oder eben in den afrikanischen Ländern: Nicht nur kleine Zöllner verdienen an der Prohibitions-Politik mit, schaut man einmal hinter die Fassaden der internationalen Plattitüden der Drogenbekämpfungspläne, fällt immer wieder auf, dass lokale Politiker, hohe Beamte und zum Teil eben auch Regierungspolitiker in den Handel involviert sind.

Hasch-Brüder

Damit ist man beim Haschisch angelangt, dessen groß angelegter Schmuggel gerade in Marokko und Spanien ohne die freudige Mitarbeit der offiziellen Kräfte so nicht möglich wäre. Kein Wunder, soll doch die Haschisch-Marge rund 10 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Über die Jahren zeigt sich: Rund 50 % des weltweit beschlagnahmten Haschisch werden in Spanien aufgetan, nur rund 10-15 % in Marokko selbst, weitere rund 5 % in Frankreich, etwa 3 % in den Niederlanden. Diese Zahlen zeigen die herausragende Stellung, die Marokko bei der Harzherstellung spielt. Das die EU-Regierungschefs dagegen nur recht lässig vorgehen, liegt nicht zuletzt daran, dass Marokko als wichtige Barriere gegen den gefürchteten islamischen Fundamentalismus gilt. Hier offenbart sich mal wieder ein schönes Beispiel für die Doppelmoral in der Drogenpolitik. Es bleibt weiterhin zu vermuten, dass zudem einige UNO-Vertreter der Anbauländer die weltweite Prohibition unterstützen, weil diese eine Quelle ihrer Einnahmen ist.

Aber zur Sache: An den Hängen des Rif-Gebirges hocken seit Jahrzehnten Einheimische und ausländische Geschäftsmänner zusammen. Zum Teil ernten sie gemeinsam, sodann wird das „Kif“ an die Küste gebracht und von dort entweder mit Privat-Yachten, Fischerbooten oder zu auf Reede liegenden Großschiffen gebracht. Beliebt soll es neuerdings sein, schwächeren Schmugglergruppen die Ware mit Waffengewalt abzunehmen und dann selber weiter zu vertreiben. So oder so verdienen die lokalen Amtmänner an den Transporten mit. Nach Aussage von Stefan Haag, Autor von „Hanf weltweit“, bieten manche Händler sogar einen Lieferservice an, für Zusatzkosten von rund 2500 Euro pro Kilo kommt das Haschisch frei Haus via Amsterdam nach Mitteleuropa. Die Kleinschmuggler nutzen die Fähren zwischen Tanger oder Ceuta nach Algeciras (Spanien) und die Fähren von Melilla nach Malaga und Almeria.

Wie es dann weiter geht, dass zeigte plakativ ein Vorfall im Herbst 1999. Ein Verkehrsunfall in der südspanischen Region Andalusien führte Drogenfahnder auf die Spur international operierender Cannabis-Händler. Ein Lastzug einer deutschen Spedition stürzte nahe Malaga auf regennasser Straße um – neben Ost und Gemüse auch mit 526 Kilo Haschisch an Bord. Die Ermittlungsgruppe machte schnell zwei Speditionen im Landkreis München und im Landkreis Freising als Transporteure ausfindig. Sie schmuggelten im Auftrag einer italienischen und einer spanisch-marokkanischen Organisation Cannabisharz quer durch Europa. Marokkanisches Haschisch wurde von Spanien aus zunächst an Abnehmer in Norditalien geliefert. Von dort aus wurde es in kleineren Portionen nach ganz Europa distribuiert. Es wird vermutet, dass es ohnehin meist die rund 1,5 Millionen Menschen umfassende marokkanische Diaspora in Europa ist, die den Verkehr mit dem Rauschgold aus ihrem Heimatland organisiert.

Die im obigen Fall angesprochene Gruppe transportierte auch Heroin und Kokain von Mazedonien via München nach England. Damit ist man bei der Frage, in wie weit der Cannabis-Schmuggel von den gleichen Menschen organisiert wird, die nicht nur andere Drogen lukrativ an den Mann bringen möchten, sondern realer Teil des Schreckgespenstes „Organisierte Kriminalität“ sind, das von den staatlichen Ermittlungsbehörden seit einigen Jahren so vehement propagiert wird. Legenden wie Howard Marks halten seit jeher das Bild der chaotisch-liebenswerten Haschisch-Brüder aufrecht, die ohne Waffen und Gewalt den Menschen in der Welt gute Lebens-Mittel beschaffen. Ob der international mit großen Mengen operierende Güteraustausch tatsächlich so harmlos abläuft, darf bezweifelt werden. Um es wage zu formulieren: Wo es um viel Geld geht, dürften Gier und Neid nicht fern sein. Zugleich steht fest, dass zumindest Teile der fester strukturierten Gruppen neben Cannabis auch mit Heroin (Asien) und Kokain (Südamerika) handeln und damit bewusst die Sucht ihrer Kundschaft in Kauf nimmt.

Nordafrika ist aber selbstredend nicht der einzige Großproduzent von Haschisch. Rund 10 % des weltweit beschlagnahmten, wohlriechenden Harzes landet in Pakistan auf dem drogenprohibitiven Scheiterhaufen. In dem Land laufen einige Kanäle aus dem Orient zusammen. Nicht nur landeseigene Produkte, sondern auch das Cannabis aus Afghanistan wandert zu einem Teil zunächst über die südliche Grenze. Dreh- und Angelpunkt in Vorderasien ist nach wie vor Karachi, über dessen Seehafen die dunklen Sorten mit den blumigen Namen in die Welt gehen.

Seidenweich

Der Bosporus galt lange als die Meerenge, welches das in Europa genossene Haschisch überwinden musste. Ob „Libanese“ oder „Afghani“ – an den türkischen Zöllnern führte kein Weg vorbei. Opium, Heroin, Haschisch, die Türkei wurde als strategisch wichtiger Basis angesehen, um den ungehemmten Substanzfluss auf der sogenannten „Balkanroute“ zu gewährleisten. Noch heute prahlen libanesische Haschisch-Dealer damit, dass ihre Kontakte türkischer Zöllner so ausgezeichnet seien, dass die Beförderung nach Europa kein Problem wäre. Früher einer der größten Haschischproduzenten der Welt, dümpelte im Libanon die Erzeugung im vergangenen Jahrzehnt etwas vor sich hin – nun wird aber wieder vermehrt angebaut. Im Hauptanbaugebiet im Bekaatal bei Baalbek rollen wieder die Traktoren durch die Hanffelder.

Zwei Faktoren haben über die letzten Jahre die „Balkanroute“ zumindest für den Haschisch-Transport uninteressanter werden lassen. Da ist zum einen das rigide Eingreifen der iranischen Behörden, die zunehmend keinen Lust verspüren als Transit-Land für „gotteslästerliches Teufelszeug“ zu fungieren. Zum anderen dienen die uns immer noch recht fremden zentralasiatischen Staaten mit Namen Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgistan und Kasachstan nur allzu gerne als Transit- und Produktionsländern. Dies ist die klassische „Seidenroute“. Gerade in Kasachstan wächst das Gras in jedem Kuhdorf. Allein im legendenumwebenden Chu-Tal soll der Hanf auf einer Fläche von 138 Tausend Hektar wachsen. Schmiermittel und Kompetenzgerangel zwischen den Drogen-Behörden, dazu der Umstand, dass die Grenzen zwischen den genannten Staaten und auch dem großen Nachbarn Russland so gut wie unkontrolliert sind, führen zu einem ansteigenden Fluss von Haschisch und Marihuana über diese Seidenroute. Begünstigend kommt hinzu, dass die Verkehrsinfrastruktur relativ gut ist. Ob in Russland, in dessen Weiten quasi überall Hanf wächst, oder den baltischen Staaten, die als Transit-Stationen genutzt wird: Überall hier wird mehr und mehr Cannabis beschlagnahmt.

Diese Beschlagnahmungen durch die Polizei sind aber nicht immer der beste Indikator für einen regen Handel. So steht fest, dass in Europa die Städte Amsterdam und auch London ein Hauptumschlagsplatz für Cannabisprodukte sind. Selbiges gilt für Kopenhagen, von wo aus diese skandinavischen Ländern aus versorgt werden. Gleichwohl wird die Polizei hier nicht exorbitant fündig, was nur zum Teil an ihrer Verblödung, mehr noch an einer bewusst laxen Einstellungen gegenüber dem Haschisch-Schmuggel liegen dürfte. Viel spricht dafür, dass Amsterdam die Drehscheibe für Haschisch in Europa ist. Dies liegt nicht nur an der toleranten Drogenpolitik des Landes, sondern auch an der geographischen Position und ihrer Tradition als Kolonialmacht, die seit jeher mit Transport und Verteilung vertraut ist.

Eine weithin unbeleuchtete Rolle im internationalen Drogenhandel spielen Personen, die für ihre Regierungen tätig sind. Für den Kokain- und den Heroin-Handel steht mittlerweile fest, dass Mitarbeiter von Geheimdiensten (beispielsweise des CIA) und Armeeangehörige ihre Stellung nutzen, um von dem zu profitieren, was sie eigentlich bekämpfen sollen. Noch steht der Beweis aus, dass dies auch beim Cannabishandel eine maßgebliche Rolle spielt.

 

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Interview mit Wolf-Dieter Storl

HanfBlatt 2002

Der Kosmos am Wegesrand

Interview mit Wolf-Dieter Storl

Wolf-Dieter Storl ist Kenner psychoaktiver und germanisch-keltischer Heilpflanzen und weiß bildhaft von deren Mythen und Geschichten zu berichten. Er selbst lebt in einem Verhältnis zur Natur, das stark von seiner Verbindung zu den lebenden Pflanzen geprägt ist. In seinen Büchern, wie beispielsweise „Pflanzendevas“, vermittelt Storl die Perspektive, dass die menschliche Kultur maßgeblich von Pflanzen bestimmt wurde und wird und dass wir direkt von den Pflanzen lernen können. Wir treffen den „Wurzelsepp“ nach einem Vortrag, den er im Rahmen des Hamburger Hanffest gehalten hat. Storl fühlt sich in der Großstadt sichtlich unwohl, seine Augen fangen immer wieder dann an zu leuchten, wenn es um Pflanzen und alte Mythen geht.

HanfBlatt
Es entspannt sehr, durch den Garten zu schlendern und hier und dort einen Grashalm auszuzupfen, ihn zu zerreiben und daran zu riechen. Wie aber bist du darauf gekommen, in den Pflanzen ein Wesen zu entdecken? Wo wir vielleicht noch den Geschmack ersinnen, entdeckst du in jeder Pflanze eine besondere Wesenheit, die sich mitteilt. Das klingt für mich sehr esoterisch.

Storl
Als ich als Junge nach Amerika kam, bin ich anstatt Baseball zu spielen in die Wälder gegangen. In Ohio auf dem Land gab es Schlangen, Schildkröten, Waschbären, Opossums, und vor allem Pflanzen. Dort gibt es noch heute fast zehn mal so viele Pflanzenarten wie hier in Deutschland. Alleine 150 verschiedene Laubbäume – das war enorm faszinierend. Ich habe dann die Lehrer nach den Pflanzen gefragt und die antworteten nur: „God dammed weeds, they are not interesting“. Ich fand sie aber sehr wohl interessant und meine ganze Freizeit war ich im Wald und auf den Bäumen. Es gab keine Bücher darüber, keinerlei intellektuelle Information, und so saß ich da, habe die Pflanzen beobachtet und einen Spürsinn für sie entwickelt.

HanfBlatt
Also ein sehr frühes Interesse. In den 50er Jahren in den USA dürftest du dabei vom Hanf wenig mitbekommen haben. Es herrschte die Verteufelung des Hanfs.

Storl
Man sah nie eine Hanfpflanze, ich hätte nie gewusst, wie eine aussieht. Es war irgendein Rauschgift, dass die Leute zum Wahnsinn treibt, zu Mord und zu ausschweifender, perverser Sexualität.

HanfBlatt
Wenn man den Mord streicht, eigentlich alles Dinge die wir uns wünschen.

Storl (lacht)
Nicht wenn ihr im Mittleren Westen der USA aufwachst. Dort war Sexualität das Werk des Teufels. Eine vollkommen schizophrene Entwicklung.

HanfBlatt
Die sich bis heute durch die amerikanischen Gesellschaft zieht.

Storl
Klar, schau dir nur den Clinton mit seiner Tussi an. Hanf habe ich aber erst bei einer Reise nach Kalifornien kennen gelernt. Ich hatte enorme Angst vor dem Rauchen. Ich studierte dann Botanik, hörte damit aber bald wieder auf, weil ich nur im Labor stand und ich wollte ja raus in die Natur.

HanfBlatt
Das muss am Anfang der Hippie-Bewegung gewesen sein.

Storl
Auf den Campus kamen um 1964 die ersten Leute die Indien bereist hatten. Sie hatten lange Haare, sie hatten natürliche Klamotten, fließende Gewänder, sie haben Sachen gerne geteilt, sie hatten Zeit und saßen gerne im Grünen. Es waren Blumenkinder. Davon war ich natürlich begeistert. Der Begriff der „Hippies“ kam erst auf, als Journalisten in New York fragten: „Hey, was ist das für ein neuer Trend?“. Beatniks waren das nicht, Hipsters auch nicht, denn das waren die Leute aus dem Ghetto, die wussten, wo es die Drogen gibt. Aber gekifft haben sie, also nannte man sie Hippies. Das war die Zeit in der die ersten Flugzeuge regelmäßig nach Indien flogen. Dort entdeckten die Abenteuerlustigen eine völlig neue Welt. Die Inder konnten nicht wissen, wer diese Menschen waren, vielleicht ja Shiva und Parvati? Also nahmen die Ärmsten sie in ihre Hütten auf, haben sie bewirtet. Diese Leute haben auch die Sadhus kennen gelernt, Cannabis geraucht und kamen völlig ekstatisch zurück nach Amerika. Sie brachten ein Element der Ekstase mit. Lange Zeit hatte sie jeder gerne, Probleme mit der Polizei gab es kaum. Dies entwickelte sich erst, als die Bewegung politisiert wurde und Klassenkampf-Parolen Einzug hielten.

HanfBlatt
Was lehrte dich das Botanik-Studium?

Storl
Im Studium habe ich gleich gespürt, dass die Pflanzen wie tote Gegenstände behandelt wurden, die Wirkstoffe akkumulieren, Zellulose anhäufen und das war’s. Das waren reine Materialisten die dort lehrten. Sie sagten: „Die Pflanze lässt ihre Wurzeln nicht wachsen um Nährstoffe zu suchen. Dies würde ihr ein Motiv zusprechen, was nicht vorhanden ist.“ Ihrer Ansicht nach ist alles in der Natur einfach eine chemisch-mechanische Reaktion.

HanfBlatt
Seelenlose Biomassefabriken.

Storl
Genau. Ich wusste, dass stimmt nicht. Ich hatte über Jahre im Wald gesessen und die Natur empfunden. Ein Teil dieser Ansicht war sicherlich auch dadurch bestimmt, dass ich in meiner frühen Jugend einige Bücher der Romantik gelesen hatte. Aber das amerikanische Ethos unterscheidet zwischen „Kultur“ und „Natur“. Kultur ist zivilisiert und kontrolliert, die Natur ist wild. Dementsprechend wurden die Indianer behandelt. Genauso sind Wildkräuter aus dieser Sicht wertlos. Mir scheint es fast anders herum: Das was Kultur ist, dieser kurzgemähte Rasen, die ganze Entseelung. Der Wald ist für mich viel wertvoller und mit viel mehr Seele ausgestattet. Ja, ja, so ist es.

HanfBlatt
Das kam mir bei den Vegetariern schon immer etwas merkwürdig vor. Im Grunde genommen ist es auch ein Akt der Grausamkeit, wenn man eine Pflanze schlachtet, tötet.

Storl
Dann muss man es wie die Jains machen, die kein Karma mehr verursachen wollen. Sie setzen sich hin und nach 40 bis 60 Tagen entschweben sie ins Nirwana.

HanfBlatt
Schneller noch, wenn sie das Atmen eingestellt haben.

Storl
Es gibt keine Naturvölker, die Vegetarier sind, aber die Tiere werden respektvoll von ihnen behandelt. Vegetarismus ist eine späte zivilisatorische Entwicklung, die entstand, als die indische Gesellschaft um 500 v.u.Z. eine Krise durchmachte. Die ganzen Sekten wie der Buddhismus und Jainismus sich den Brahmanen gegenüber brüsteten, dass sie viel heiliger wären, weil sie keine Tiere essen würden.

HanfBlatt
Wie aber nimmt man Kontakt zu Pflanzen auf. Was können wir, als „Vertreter der gelangweilten genusssüchtigen Konsumkultur“, wie du es einmal nanntest, lernen?

Storl
Eine bequeme Antwort wäre: man pfeift sich eine Menge Shit rein, dies öffnet die „Pforten der Wahrnehmung“, wie Aldous Huxley das sagte und dann geschieht das. Ich denke nicht, dass dies automatisch geschieht. Als ich Ethnologie und Anthropologie studierte, unternahm ich eine Feldforschung unter Gärtnern in Genf. Ich tarnte mich als Gärtner, um die Gruppe dort zu studieren. Was mir dort auffiel: Wenn man stundenlang in einem Garten hackt, jätet und arbeitet, dann wirkt das wie das monotone schamanische Trommeln. Wenn man es schafft, das schnell schnatternde Gehirn zur Seite zu legen, dann kommt die Natur und spricht einfach. Dann kommen Sachen rüber. Das ist nicht etwas, was man mal eben am Wochenende macht, sondern das geschieht über eine lange Zeit. Zum Beispiel stand ich bei einem Busch, der viele Blattläuse hatte. Da dachte ich: „Eigentlich sollten hier ein paar Marienkäfer sein“. Ein Jahr später sah ich tatsächlich viele Marienkäfer an dem Busch.

HanfBlatt
Das hatte sich rumgesprochen.

Storl (lacht)
Ja. Wenn man solche Beobachtungen lange und öfter macht, dann merkt man, dass die Natur zuhört und reagiert. Natur ist nicht tot, sondern sie besitzt einen seelisch-geistigen Aspekt, der für uns meistens unsichtbar ist.

HanfBlatt Von diesem Prozess sind wir aufgrund der Kulturation stark entfremdet.

Storl
Vor kurzem war der älteste Medizinmann der Cheyenne, George Elkshoulder, ein guter Freund von mir, bei einer Schamanen-Tagung in Garmisch. Dort waren viele Schamanen aus der ganzen Welt und George war in der Hoffnung dahin gekommen, das diese Schamanen zusammen daran arbeiten, das der ganze destruktive Prozess auf dem Globus umgekehrt wird. Sein Eindruck war allerdings das dort nur, wie er es ausdrückte, „Ceremonial people“ waren, „Showmen“. Und er fragte mich, weshalb ich ihn überhaupt eingeladen hätte. Ich sagte: „Weil wir alles verloren haben. Wir haben keine sakralen Lieder, keine sakralen Tänze, und wir wissen nicht wie man mit der Natur umgeht.“ George sagte: „Ihr habt überhaupt nichts verloren. Ihr habt doch die Berge, die Tiere, Bäume und Pflanzen. Fragt sie. Fragt sie doch. Die sagen euch, was ihr wissen wollt.“ Dass der springende Punkt ist, dass wir nicht mal mehr wissen, wie wir fragen sollen, das hat er nicht begriffen.“

HanfBlatt
Müssen wir uns nur trauen zu fragen?

Storl
Dazu muss man wohl erst einmal die beengenden Annahmen der Psychoanalyse abstreifen. Selbst Jung deutet alle unsere Ideen als Projektion in eine leere Welt hinein – solch ein Kontakt zur Natur besteht danach nur in unserer Fantasie. Das ist eine Annahme, die nie irgendjemand bei den Naturvölkern haben würde. Das ist ein klares Produkt unserer kranken Zivilisation.

HanfBlatt
Projektionen sind ein wichtiges Stichwort.

Storl
Projektionen finden ja auch statt. Und viele Phänomene der New Age-Szene sind voller Projektionen. Diese Menschen hören ja überhaupt nicht zu, sie projizieren alle ihre Wünschen und Vorstellungen hinein. Wie viele Cleopatras sind inzwischen reinkarniert worden!

HanfBlatt
Und die Männer werden Napoleon.

Storl
Gleichwohl ist eine Kommunikation mit der Außenwelt, der Natur, möglich.

HanfBlatt
Aber wie kommuniziert die Natur?

Storl
In den Schulen wird uns eingedrillt nur nach der objektiven Außenwelt zu schauen. Alles muss wägbar, messbar, analysierbar sein. Das ist ein Kult. Aber es gibt auch eine andere Art der Wahrnehmung. Die kann man als innerliche Resonanz mit der Umwelt bezeichnen. Dies erlangt man, indem man sich seines Inneren bewusst wird. Dann sieht man die Welt mit dem Spiegel der Seele, nicht nur mit den äußeren Augen. Die Seele des Menschen kommuniziert dann mit der Seele der Natur.

HanfBlatt
Dagegen arbeitet eine wissenschaftliche Tradition, die alles einteilen will. Alle Pflanzen sind eigentlich individuell, jeden Moment anders, es herrscht buntes Chaos. Wir nennen es Löwenzahn, aber es könnte auch viele andere Namen haben.

Storl
Das ist ein Teil der äußeren Wahrnehmung und gegen diese Kategorisierung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Ein Löwenzahn kann mit den nach außen gerichteten Sinnen wahrgenommen werden, aber eben auch mit den inneren. Wir haben einen Seelenspiegel, der das innere Wesen des Löwenzahn wahrnehmen kann. Man kommuniziert nicht mit dem äußeren Wesen, sondern mit dem inneren. In den westlichen Industrieländern herrscht seelische Hungersnot. Und wir werden abgespeist mit einer Massenmedien-Industrie, die letztlich nur seelisches Junkfood bietet. Darum sind die sogenannten Drogen auch so bedrohlich. Es ist der Versuch etwas zu finden – wieder Zugang zu den seelischen Aspekten der Welt zu erhalten.

HanfBlatt
Kann das klappen?

Storl
Manche Pilze beispielsweise klinken den Menschen in die makrokosmische Intelligenz der Erde ein. Ganja kann den Menschen Zugang zur göttlichen Seele offenbaren – dazu muss man aber die innere Bereitschaft haben.

HanfBlatt
Zeit scheint mir eine große Rolle zu spielen. Und die nehmen wir uns wenig. Ein Wochenendseminar unter dem Titel „Jetzt höre ich meiner Pflanze zu“ kann es ja wohl nicht sein.

Storl
„Mit der Pflanze sein“ oder „Mit dem Tier sein“; dazu bedarf es schon Geduld. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Konsumgesellschaft von dem Frust des verlorenen Kontaktes zur Natur lebt. Wenn man nicht befriedigt ist, dann greift man zur Ersatzbefriedigung. Neue Klamotten, ein neues Auto. Das sich Finden in einem sprechenden und göttlichen Universum bringt Seelenheil. So geht man beispielsweise eine Straße entlang und sieht zwischen zwei Gehwegplatten einen Storchenschnabel hervorwachsen. Man riecht daran, stellt sich vor wie eine Ameise den Samen in die Ritze transportiert hat, und erinnert sich an alte Geschichten. Daran, dass der Geruch Depressionen lindert oder man erinnert sich an Adebar, den Storch. Schon geht man durch eine ganz interessante und beseelte Landschaft und rennt an den vielen Schaufenstern glatt vorbei. Pflanzen können dabei helfen uns mit der Heiligkeit des Seins zu verbinden. Aber wenn Mafiastrukturen einen Pflanzenmarkt beherrschen und Leute mit Knarren rumrennen, zudem der Staat Katz und Maus spielt, dann können sich die Leute hier die Rübe vollrauchen und sind trotzdem blöd und entfremdet. Ich habe Leute kennen gelernt, die rauchen Unmengen Cannabis, natürlich mit Tabak, obwohl der eine entgegengesetzte Wirkung hat und sind trotzdem so schlecht drauf wie vorher. Vielleicht hören sie die Musik, die sie gerne haben, ein wenig besser.

HanfBlatt
Hardcore! Die denken viel hilft viel.

Storl
Weiter geführte Konsummentalität. Ich höre Leute rauchen Skunk: Es ist eine Qual für eine heilige Pflanze unter Kunstlicht, in Nährlösungen und geschlossenen Räumen aufzuwachsen. Die Leute die das rauchen sind dann genau so wie die Pflanzen, denn die Pflanzen vermitteln das was sie sind.

HanfBlatt
In der Natur reicht es einem ja meist auch aus etwas sensibilisiert zu sein.

Storl
Ich habe vor vielen Jahren einen letzten LSD-Trip in der Natur genommen und ich fand das irritierend.

HanfBlatt
Zu „artificial“?

Storl
Ja, wie eine Plastikwelt. Aber selbst die psilocybinhaltigen Pilze bergen Gefahren. Ich habe Leute kennen gelernt, die ständig Pilze genommen haben. Die waren in einer Art Pilzwelt gefangen. Auch Terence McKenna, ein großer Pilzexperte, hat sich mit seiner „Time Wave Zero“ verrannt. Beschleunigte Geschichte, ein Attraktor und ein Kumulationspunkt, der zufällig genau auf seinen Geburtstag fiel: das ist typisch Pilzfreak.

HanfBlatt
Respektvoller Umgang ist auch bei Pilzen wichtig. Damit man sie nicht das ganze Jahr nimmt, wachsen sie ja auch im Herbst.

Storl
Bei den Naturvölkern ist es Tradition, dass die sakralen Pflanzen nur zu bestimmten Jahreszeiten genommen werden. Erdbeeren isst man auch nur im Juni und Juli. Der Fliegenpilz wird in den nordpolaren Kulturen zur Wintersonnenwendzeit genommen, weil er das Licht der Erde sichtbar macht. Auch Wein war einmal eine hochekstatische wilde Pflanze, dem Dyonisos geweiht. Und was haben wir heute? So völlig verschrumpelte Leute, die was von „wunderbares Bouquet“ und „Chateau Sowieso“ faseln. Eine totale Überästhetisierung.

HanfBlatt
Wen trifft man in den Weinkellern Würzburgs? Die spießigsten und konservativsten aller alten Knacker bei einer Mumienversammlung. Im pseudogepflegten Stil wird sich da die Kante gegeben.

Storl (lacht)
Das sind dann die wilden Mänaden. Oder nehmt das Beispiel Tabak in den indianischen Kulturen: Das wurde in genau bemessenen Dosierungen genommen und dann wurde -zack- die Seele aus dem Alltag rausgehauen um in die Welt der Geister zu gehen. Und bei uns? Dieses gelangweilte Rauchen bis einem die Zunge dick wird ist wieder Ausdruck der ewigen Konsumlust. Ich sehe diese Entwicklung auch beim Ganja. Mein Gott, was die jungen Leute da reinstopfen! Die stopfen viel rein, es kommt aber nicht viel raus.

HanfBlatt
Eine deiner Leistungen ist die Öffnung der Tür zu den Mythen, Geschichten und Betrachtungsweisen traditioneller Kulturen. Da hast du nicht nur eine Geschichte zu erzählen; manchmal erscheint es, als gäbe es Tausende. Die Menschen haben sich früher offenbar sehr intensiv mit den sie umgebenden Pflanzen auseinandergesetzt.

Storl
Die Kelten und auch die nordamerikanischen Indianer haben diese Geschichten von den Pflanzen bekommen. Das Wissen darüber habe ich den Cheyenne zu verdanken. Über 1 ½ Jahre bin ich mit einem alten Medizinmann oft durch die Wälder Montanas gewandert. Der sagte zu mir: „Bilde dir nicht ein, dass du die Rituale oder den Zugang zu den Pflanzen erfindest. Die Pflanzen suchen dich! Die Heilpflanze weiß, wenn du kommst. Sie geben dir die Rituale.“ Praktisch sieht das so aus, dass die Pflanze einem das Ritual gibt, wie man zukünftig den Kontakt aufnimmt. Das können Worte sein oder etwas Feuer. Die Pflanze gibt einem sozusagen ihre Telefonnummer und das Wählen ist das Ritual. Wenn man nicht richtig zugehört hat, dann kommt kein Kontakt zustande und man kann nur fantasieren. Genau dies sagen uns doch die Naturvölker auf der ganzen Welt: Wir sind nicht die einzigen Aktiven, die Pflanzen nehmen Kontakt auf. Vielleicht sind wir gar nicht so aktiv wie wir meinen.

HanfBlatt
Im Grunde genommen verdanken wir den Pflanzen und der Sonne das Leben.

Storl
Aus der Dialektik von Sonne und Erde besteht unser Planet. Die Sonne gibt die Energie und die verschiedenen Pflanzen nehmen verschiedene Aspekte dieser Energie auf und transformiert sie je nach Standort auf der Erde auf ihre Weise. Beim Essen vermittelt jede Pflanze diese Kräfte.

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Und wir rasen mit Autos durch die Pflanzen, degenerieren sie zu Schnittblumen und stellen Plastikblumen her.

Storl
In Los Angeles ist es mittlerweile Aufgabe der Stadtgärtner, die großen Plastikpalmen an den Boulevards einmal im Monat abzuwaschen.

HanfBlatt
Bestehst du auf die pure Nutzung von Pflanzen und Heilpflanzen oder wie stehst du Extraktion und Synthetisierung gegenüber? Wo würdest du da die Grenze ziehen wollen?

Storl
Ich würde da keine Grenze ziehen. Wenn die Möglichkeit gegeben ist barfuss zu laufen, dann laufe ich lieber barfuss. So einfach und natürlich wie möglich. Klar, Destillieren, Potenzieren, dass macht ja auch Spaß. Aber wenn es um Heilung geht, um das heil werden, dann würde ich so nah wie möglich am Heil sein der Natur arbeiten. Bei den Kelten reichte eine Schale, Wasser, Feuer, die Pflanze und ein Segensspruch: „Hier das hilft.“ Das ist genügend. Die Einfachheit betrügt einen sehr selten im Leben.

HanfBlatt
Alchemie und Chemie dürsten nach der Vervollkommnung.

Storl
Dahinter steht die Vorstellung, dass die Natur unvollkommen ist – wir, die Menschen, müssten sie vorwärts bringen und das sei eine ehrenwerte Aufgabe. Davon halte ich nicht viel. Die Natur ist göttlich und vollkommen in Ordnung. In der Einfachheit und dem Leben mit der Natur sind wir am besten dran. Das ist alte daoistische Weisheit und das ist auch die Weisheit, welche die Naturvölker leben.

adh und az

Wolf-Dieter Storl hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht. Die einheimischen Kräuter behandeln tut „Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor“, die Praxis der Naturrituale erklären tut „Naturrituale. Mit schamanistischen Ritualen zu den eigenen Wurzeln finden“. Beide Bücher und andere Werke sind neu oder gebraucht zu bestellen bei Amazon:

 

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„Wir wollen uns zeigen“

Zu Gast bei Sven Meyer, dem Organisator des Hamburger Hanffests

Schwer beschäftigt ist der Mann, als ich seinen Laden in Hamburg-Eimsbüttel betrete. Vor ihm sitzt ein Pfeifenverkäufer, das Telefon klingelt und kurz darauf betritt Kundschaft den Headshop. Sven Meyer, 30 Jahre alt, nimmt es gelassen: „Das nächste Jahr muss ich mir glaub ich frei nehmen und brauch´n Büro, und auch die Nachbereitung des Feste nimmt mehrere Tage in Anspruch.“ Montag morgen klingelte um 7.30 Uhr die Gartenbauabteilung, um ihn darüber zu informieren, dass es am Veranstaltungsort brennt. „Das war nur ein übereifriger Helfer der etwas Stroh verbrannt hat“, erzählt Sven lachend, „und seitdem steht das Telefon nicht mehr still“.

Das Hanffest zum Millennium war ein voller Erfolg, drei Tage lang feierten die Menschen ein friedliches und fröhliches Fest.  „Es ist toll, dass es den Leuten Spaß gemacht hat und die vielen Gratulationen freuen mich enorm“, sagt Sven, um gleich anzuschließen, „ich wollt auf alle Fälle nochmal Danke sagen, war echt´n Super-Spezial-Elfen-Maschinen-Hyer-Hanf-Fest. Ich hatte eigentlich am Schluss vor Albert Hofmann zu zitieren, der sagte auf dem Kongress für Bewusstseinsstudien vor einem halben Jahr in Basel mit Tränen in die Augen: ´Wir sind hier um glücklich zu sein`. Und ich hatte sehr glückliche Momente auf dem Hanffest; die Kinder, die den Seifenblasen hinterherjagten, die Stroh-Schlachten, der Besuch von dem Vogelschwarm, das Jaulen mit einem Hund, in der Nacht, bei Vollmond, der gut besuchte und extrem groovige Hanf-Move, die Stimmung im Schanzenpark, im Völkerkunde-Museum. Und dann die vielen mit anpackenden und Eigen-Power einbringenden Menschen, all die Sexy-Dancer und unterschiedlich gemischten Generationen, die Redner haben sehr schön gesprochen, speziell Christian Rätsch hat mir ´ne feine Gänsehaut verpasst, die DJ´s sind abgegangen, die Live-Act´s, die Totecs haben super geholfen und unglaublich fetten Sound gemacht, der nette Kreis von Leuten der sich getroffen hat…“ Sven kommt schwer ins Schwärmen und hört gar nicht mehr auf.

Ob es nun 2000 oder über die Tage sogar 12000 Menschen waren, die das Happening besuchten, ist ihm relativ egal. „Wir hatten ein schönes Fest, das ist das Wichtigste. Das Zählen überlasse ich anderen.“ Probleme gibt es bei der Anmeldung des Festes im Park als politische Demonstration. „Die Behörde hält das für ein Fest ohne politischen Hintergrund“, wundert sich Sven. Damit übernimmt die Stadt die Müllbeseitigung nicht. Loveparade lass jucken.

Wieder betritt Kundschaft den Laden und kauft Elixiere. Wir wollen just weitersprechen, als das Telefon erneut klingelt: Die Druckerei der Hanffest-Broschüre. „Ja, Herr Berger,“, sagt Sven, „das Geld ist schon überwiesen“. Es ist mittlerweile das dritte Hanffest in Hamburg und das erste Mal bleibt ein wenig Mammon übrig. „Jetzt kann ich es unter den Künstlern und Helfern aufteilen und habe meine Unkosten raus.“

Die Idee zum Hanffest kam ihm in Berlin. Leichtsinnig rannte er dort 1997 mit einem Hanfbüschel über die Hanfparade – die Polizei war nicht amüsiert und wollte ihn abtransportieren. Sven diskutierte, wurde aber trotzdem in die Wanne gehieft. Die Mitdemonstranten blockierten den Weg, die Situation eskalierte. „Da saß ich nun in dieser Wanne und draußen forderten 1000 Mitmenschen meine sofortige Freilassung. Ein bewegendes, aber auch gefährliches Erlebnis, denn die Polizisten im Auto sahen sich schwer unter Druck und wurden ziemlich nervös. Man muss nur den Mund aufmachen und was tun – dann helfen auch andere Leute.“

Ein Motto oder sonstige Sinnsprüche hält er für die Veranstaltung unangebracht. „Wir wollen uns zeigen, einfach da sein, so, dass man uns nicht ignorieren kann.“ Viele Kiffer haben Svens Meinung nach Angst „hinter ihrem Ofen rauszukommen und für ihre Interessen einzutreten“. In Hamburg nimmt er gerne jeden Faden auf, der in Richtung einer Legalisierung von Cannabis gesponnen wird. Er würde sich freuen, wenn überall in Deutschland Hanffeste organisiert werden würden. „Das kann ja klein anfangen, denn jeder arbeitet halt im Rahmen seiner Möglichkeiten. Nur nicht verkrampfen.“

Und die Pläne für 2001? „Es wäre schön, wenn im nächsten Jahr noch mehr Leute selbst drauf kommen würden, wie sie sich in das Fest einbringen. Mein Traum ist, dass einmal im Jahr in ganz Deutschland, ach was, weltweit der Hanf gefeiert wird.“

 

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Kokain – Eine Kontroverse

Bei kaum einer anderen Droge kann man so leicht ins Fettnäpfchen treten wie bei Kokain. Extrahiert und damit 100fach konzentriert aus den getrockneten Blättern eines vor allem im tropischen Südamerika angebauten Strauches, galt das schneeweiße Hydrochloridsalz noch während der Siebziger Jahre als teures Statussymbol in Schickeriazirkeln. Irgendwie hatte man immer gleich eine hysterisch-überkandidelte selbstverliebte Münchner Film- und Musikszene vor Augen. Kokain war auch das, was sich Haschischhändler von ihren Profiten selbst gern mal gönnten.

Anfang der Achtziger Jahre kam es jedoch nach Sättigung des US-Marktes zu einem drastischen Anstieg des Angebotes in Europa und schließlich Mitte der Achtziger auch in Deutschland. Die Preise fielen um mehr als die Hälfte, bis Ende der Neunziger teilweise auf ein Drittel bis ein Viertel dessen, was noch zu Beginn der Kohl-Ära hingeblättert werden mußte. Immer größere Konsumentenkreise wurden erschlossen. Beflügelten sich zunächst noch die Besserverdienenden aus der Medien- und Unterhaltungsbranche, zogen die bürgerlichen Kids bald nach und möbelten sich damit fürs Nachtleben auf. Mittlerweile ist vom gemütlich mit Gattin oder Freunden zu Hause koksenden Biedermann bis zum proletarischen auf der Technoparty vom Autodach schnupfenden Zappelphilip ein weiter Bogen an Konsumentenkreisen erreicht. Hilft es zwar zunächst, schwache Egos aufzuplustern, erlebten doch nicht wenige, daß Kokainkonsum auf die Dauer nicht nur die Finanzen stark angreifen kann, sondern auch Beziehungen gefährden und zerstören kann und letztlich der psychischen und physischen Gesundheit nicht zu Gute kommt.

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Coca Blättter in Bolivien – 2008

Besonders verheerend machte sich dies in der Junkieszene bemerkbar. Dort hatte man das Kokaininjizieren als zusätzlichen häufig hintereinander wiederholbaren Kick entdeckt. Das Schwarzmarktkokain ist meist stark verunreinigt. Man kennt die Dosierung nicht. Es wird in der Regel nicht aufgekocht und ist daher noch unhygienischer als Strassenheroin, was zu Infektionen und Abszessen führen kann. Obendrein kann es Adern verstopfen und zu Infarkten und Thrombosen führen. Es greift das Gewebe stärker an und belastet durch den Junkielebenstil bereits geschädigte Organe, insbesondere wenn Krankheiten wie Hepatitís oder AIDS ausgebrochen sind. Sozialarbeiter beklagen, daß sich auf der Szene mit der Verbreitung von Kokain eine erheblich höhere Aggressivität breitgemacht habe. Die Kokainfixer und Kokainbaseraucher seien viel schwerer erreichbar. Einige Konsumenten laufen in Zuständen hochgradiger Paranoia in der Gegend herum. Der neben dem Saufen von Alkohol und dem Schlucken übertrieben verschriebener und den Schwarzmarkt bereichernder Psychopharmaka als „Beigebrauch“ beschönigte exzessive Kokainkonsum stellt auch die sogenannten „Substitutionsprogramme“ in Frage. Denn, was macht es für einen Sinn, wenn zwar der „Beschaffungsdruck“ für Opiat (sprich Heroin) wegfällt, der Suchtdruck, der Wunsch sich Kicks zu verschaffen, sich möglichst aus der deprimierenden Realität herauszuziehen, aber bestehen bleibt und sich auf Kokain verlagert. Der Anteil der substituierten Drogengebraucher, zumindest in Großstädten, die schon am Monatsanfang innerhalb kürzester Zeit einen Großteil ihrer Sozialhilfe für Kokain („Kügelchen“ oder „Plomben“, wie die von den Strassendealern oft im Mund aufbewahrten Handelseinheiten genannt werden) ausgegeben haben und dafür Ernährung und notwendige Anschaffungen vernachlässigen, wird von Insidern als hoch eingeschätzt.

Natürlich, manche etablierte Institutionen wollen das Erreichte nicht gefährden. So verschanzt man sich hinter ideologischen Barrieren, versucht das Ganze schönzureden und leiert aus Ratlosigkeit Akupunkturprogramme an (die momentan als die einzige überhaupt effektive Hilfe zur Reduzierung des Suchtdrucks gelten). Destruktives süchtiges Verhalten läßt sich anscheinend nicht so einfach durch Substanzvergabe aus der Welt schaffen. Und schon gar nicht durch die Vergabe nur einer Substanz. Die Probleme der Betroffenen liegen woanders. Selbst wenn sie alle Drogen der Welt frei Haus geliefert bekommen würden, würden sie nicht notwendigerweise eine Ausbildung anfangen und sich plötzlich makrobiotisch ernähren. Andererseits verschärft die Kriminalisierung besonders die desolate Situation von sozial entwurzelten und psychisch vorbelasteten Drogenabhängigen enorm. Der nächste Schritt muß deshalb in letzter Konsequenz viel radikaler sein. Und will man nicht in Richtung Bevormundung und Entmündigung marschieren, dann muß man eindeutig und umfassend schrittweise weiter in Richtung Entkriminalisierung gehen anstatt sich auf Verteidigungskämpfe des zugegeben im Vergleich zum Zustand vor 15 Jahren erstaunlicherweise überhaupt gewachsenen und mittlerweile umfangreichen akzeptierend arbeitenden und sehr sinnvollen Angebotes zurückzuziehen. Drogengebrauch, auch süchtiger Drogengebrauch, sollte für niemanden ein Argument sein, sich aus der Verantwortung für sein Leben und Handeln zu ziehen.

Wo es aber um den Umgang allein mit sich selbst geht, sollte man Drogengebrauchern gegenüber dieselbe Toleranz aufbringen und ihnen dieselben Rechte zubilligen wie Nikotinabhängigen, Alkoholikern oder Extremsportlern. Auf jeden Fall wäre eine ehrliche und offene Auseinandersetzung über das, was sinnvoll erscheint und ausprobiert werden sollte, viel wünschenswerter als ein heuchlerisches Herumlarvieren aus Angst vor Veränderung und dem Verlust von Pfründen und Posten.

Das sich der Druck in der Öffentlichkeit noch erhöhen wird, zeigt die Diskussion um offene Strassendealerszenen, die sich in Städten wie Hamburg im öffentlichen Raum in einem Maße ausgebreitet haben, daß auch ansonsten liberale Mitmenschen sich belästigt fühlen. Die letztlich sinnlose Drogenprohibition ausnutzend und die daraus folgenden hohen Profite abschöpfend, etablieren sich Gruppen ausländischer Krimineller, zum Teil unter Mißbrauch des für politisch Verfolgte gedachten Asylrechts. Auch wenn diese Dealer ihre Landsleute und das Asylrecht in Miskredit bringen und auf die Schwächen ihrer Kundschaft bauen, so nutzen sie doch nur eine gesellschaftliche Nische, die ihnen eine überholte Politik vorgibt, zu ihrem eigenen Vorteil. Erschwert wird die Lösung der Problematik in manchen Stadtteilen noch durch eine Solidariserung bestimmter linksdogmatischer Kreise mit den Tätern, die sie sich dafür gern als Opfer zurechtstilisieren, um sich damit selbst als von positiven Absichten beseelt und über den vermeintlichen Rassismus der Anderen erhebend aufzuwerten. Letztlich projizieren sie ihren Selbsthaß mit Hilfe des Totschlagarguments des Rassismus auf die Menschen, die als betroffene Anwohner oder vielfach ausgenutzte Abhängige mehr Freiheit in ihrem eigenen Lebensraum fordern und verständlicherweise nicht mehr unbefangen an die Sache herangehen können.

Man sieht, wie leicht man über Kokain in Tabubereiche gerät. Die Auseinandersetzungen über den Umgang mit Kokain werden noch zu führen sein Sie werden sehr emotional sein, da es eine große Spannbreite an Konsumenten und Umgangsformen (von harmlosem Vergnügen in geselliger Runde bis hin zur Selbstzerstörung oder aggresssiven Ausbrüchen gegen Andere) mit dieser Droge gibt. Die bedenkliche und verbreitete Kombination von Kokain mit Alkohol habe ich noch garnicht angesprochen.

cocain

Eine andere Seite, ist der Mythos vom Superkokain, das angeblich sofort abhängig mache und verheerende Konsequenzen insbesondere für ungeborene Kinder habe. Besonderen Ausdruck fand dieser Mythos in der mysteriösen neuen Droge „Crack“. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Wirkstoff im Crack um eine wohlbekannte rauchbare Form des Kokains, die Kokainbase. Selbst manch ein Junkie, der regelmässig Kokainhydrochlorid injiziert und auch Kokainbase raucht, ist dem Mythos von der Horrordroge Crack aufgesessen und erzählt ihn mit erregtem Gruseln weiter. Längst ist in den USA belegt, daß ein Großteil der Crackkonsumenten lediglich phasenweise, zum Beispiel am Wochenende konsumiert und die in ihrer Entwicklung zurückgebliebenen sogenannten „Crackbabies“ in erster Linie Produkte der desolaten Verhältnisse, in denen bestimmte soziale „Randgruppen“ in den USA leben müssen, sind, als daß sie toxikologische Opfer einer Teufelsdroge sind. Im übrigen seien die Kinder bei entsprechender Zuwendung schnell in der Lage ihren Geburtsrückstand wieder zu kompensieren.

Kokain ist mittlerweile nicht mehr nur mit dem Flair des Kitzels für das ansonsten langweilige und öde Leben der Reichen und Schönen behaftet, sondern auch mit Ängsten vor Kontrollverlust und Exzess, wie sie das Bild von den sich zu Tode koksenden Laborratten wiederspiegelt. Wenn man von Kokain spricht, egal in welcher Form, denkt man jetzt auch an Gier, an „craving“, Kokain als Symbol für Maßlosigkeit und Haltlosigkeit. Man will anscheinend immer mehr und wird doch nie wirklich befriedigt, kurze flüchtige Momente allenfalls. Es wird weitergemacht, bis alles weg ist, und dann rennt man nochmal los. Aber man darf bei diesem Bild nicht vergessen, daß ein großer Teil der Konsumenten durchaus in der Lage ist, den Konsum einigermaßen zu kontrollieren, ihn selbstbelohnend, genußorientiert oder leistungssteigernd im Rahmen eigener schadensminimierender Konsumregeln auf bestimmte Gelegenheiten (z.B. nur am Wochenende oder zu Weihnachten und Sylvester) zu beschränken und vor allem die eigene finanzielle Situation im Auge zu behalten. Wer reich ist, ist hierbei zugegeben im Vorteil. Die Reichen können sich auch noch mehr Spaß an Kokainwitzen erlauben, sollte man meinen. Diese haben längst das Fernsehen als Gradmesser der Toleranz erreicht. So sind in der Harald Schmidt-Show Kokswitze ein Dauerbrenner. Der Studiomusiker Helmut Zerlett ist zur koksenden Witzfigur abkommandiert worden. Kokser-Rap und Achtziger Jahre Koksermusik, wie die von Falco, ist lange schon musikprogrammtauglich. In nicht hinterfragten Hollywoodschinken für die breite Masse steht Kokain, „der Schnee auf dem wir alle talwärts fahren“, für ein gewisses Etwas, das Nasenpuder mit dem Flair des Verbotenen. Snowboardhersteller locken mit rasierklingengezogenen Kokainbergen (siehe Piste 1/99). Kokain ist gesellschaftsfähig geworden. Wer will nochmal, wer hat noch nicht?

Deshalb sollte man auch anfangen, den problematischen Konsum zu thematisieren und neue Umgehensweisen damit zu erproben. Dazu gehört meines Erachtens parallel zum anvisierten Heroinvergabeversuch ein großangelegter Kokainvergabeversuch. Erst in der Praxis wird man sehen, ob und für wen der freie Zugang zur reinen Droge die persönliche Gesamtsituation entschärft oder gar noch verschlimmert. Gleichzeitig wäre ein Ausbau an professionellen Hilfen mit Erfahrung im Umgang mit problematisch Kokainkonsumierenden wünschenswert. Kokain sollte von seinem hohen Ross heruntergeholt, aber nicht verteufelt werden. Ob eine Welt mit freiem Zugang zu Kokain (Koks für alle) wünschenswert ist, ist zumindest fragwürdig. Schließlich zeigen Erfahrungen, daß exzessiver Kokainkonsum, besonders das Injizieren und das Rauchen von Kokainbase (oder Crack), innerhalb recht kurzer Zeit zu (meist mit dem Absetzen der Droge schwindenden) Persönlichkeitsveränderungen bis hin zur paranoiden Psychose führen kann. Aber wenn man Wert auf individuelle Freiheit und Selbstverantwortung legt, wird man sich von einer mit Zwang und Strafen drohenden bevormundenden Haltung wegbewegen müssen, auch wenn man nicht immer glücklich mit dem Verhalten und Sosein einzelner Mitmenschen ist.

Was über die Kokainproblematik oft vergessen wird, ist das Kokablatt. Neben dem Schlafmohn und dem Hanf gehört die Kokapflanze zum Triumvirat der drei bei uns in ihrer Gänze verbotenen Pflanzen. Und für die Kokapflanze gibt es praktisch gar keine Ausnahmen mehr. Dabei kann die Pflanze unter unseren klimatischen Bedingungen garnicht gedeihen, es sei denn man päppelt sie im Gewächshaus hoch. Die Ansichtsexemplare botanischer Gärten werden meist mit einer erheblichen Dröhnung an giftigen Pflanzenschutzmitteln am Leben erhalten und sind deshalb für den Verzehr ungeeignet. Selbst der grasig an grünen Tee erinnernde erfischende und leicht anregende Kokablatttee, der in Peru legal als „Mate de Coca“ in Teebeuteln zu je 1 Gramm abgefüllt wird, darf bei uns nicht gehandelt werden. In den frechen Niederlanden allerdings stößt man in manchen Smartshops auf ihn (für z.B. 2 Gulden pro Beutel). Eine Tasse wirkt recht mild, milder als Tee, drei Tassen regen schon deutlich an. Der Tee kann wie guter grüner Tee zwei- bis dreimal überbrüht werden. Auch das Kauen der Kokablätter ist bei uns nicht erlaubt. Den Andenbewohnern hilft der mit einer Messerspitze gebranntem Kalk versetzte und in der Backentasche eingespeichelte und ausgesaugte lokalanästhetisierende Bissen aus mindestens zwei Gramm der getrockneten Blätter nicht nur bei den Strapazen des Tages und gegen Symptome der Höhenkrankheit, sondern auch als Lieferant von Vitaminen, Mineral- und sogar ein paar Nährstoffen. Kokatee und Kokabissen sind im Vergleich zum Kokain harmlose Stimulantien (mit einer Reihe traditioneller medizinischer Indikationen, die überprüft werden sollten). Der Besitz von Kokablättern oder Kokapflanzen sollte bei uns ähnlich wie längst überfällig bei Cannabisprodukten auf keinen Fall strafrechtlich verfolgt werden. Obendrein böte der Handel mit Kokablättern vielen verarmten südamerikanischen Bauern eine legale Einkommensmöglichkeit. Na dann, auf gute Beziehungen!

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Cannabis Drogenpolitik

Cannabis-Politik in den USA

Seltene Einigkeit: Clinton, Bush, Carter wie Ford wollen kein Marihuana für Todkranke.

Trotzdem: Cannabis ist als Medizin in den USA weit verbreitet

AIDS-Patienten schwören darauf, Epileptiker auch. In Amerika lindern Zehntausende ihre Schmerzen mit Cannabis – illegal. Präsident Bill Clinton wie Kandidat Bob Dole lehnen die Verschreibung durch Ärzte ab. Ihr Untergrund dagegen, das Volk, brodelt und pocht auf eine Legalisierung. Und in einigen Bundesstaaten kündigt sich ein Kurswechsel in der Drogenpolitik an.

Der Zeitpunkt war klug gewählt, denn eine wichtige Entscheidung stand bevor. Am Tag der Präsidentschaftswahl sollten die Bürger Kaliforniens zugleich darüber abstimmen, ob in ihrem sonnigen Staat Ärzte zukünftig Marihuana verschreiben dürfen. Diese Volksabstimmung saß den Drogenbehörden seit geraumer Zeit als Dorn im Auge, nur waren ihre Mittel gegen das Plebiszit, genannt „Proposition 215“, begrenzt. Also richtete sich ihr Zorn gegen eine Einrichtung, die seit fünf Jahren in San Francisco besteht und nach eigenen Angaben über 12 Tausend Menschen mit Marihuana versorgt. Richtig gehört, der „Cannabis Buyers Club“ (CBC) organisiert seit 1991 den Verkauf von psychoaktiven Hanf an Personen mit AIDS, Krebs und anderen Krankeiten. Freilich illegal war dieses Treiben, doch trotzdem von offizieller Seite geduldet. Aber nur bis jetzt, denn eine 100 Mann starke Spezialeinheit stürmte den Club, nahm zwei Computer, die Kartei mit allen Patienten, 18 Kilo Marihuana und die Kasse mit. Der Grund für das Vorgehen liegt nach Meinung der Legalisierungsbefürworter auf der Hand: Um zu verhindern, daß sich eine Mehrheit für Proposition 215 findet, sollte dem Bürger noch einmal deutlich vor Augen gehalten werden, wohin eine auch nur auf kleine Gruppen beschränkte Legalisierung führt. Die Aktionisten im CBC beteiligte sich zudem maßgeblich am Aufbau der Initiative, die zur Volksabstimmung über medizinisches Marihuana führte.

Der Sprecher des verantwortlichen „California Nureau of Narcotic Enforcment“, Steve Telliano, gab an, man habe auch Waffen und halluzinoge Pilze in den Räumen des Clubs gefunden. Der Einsatz sei erfolgt, weil der Verkauf von Gras mittlerweile weit über medizinische Zwecke hinausginge. Im CBC beteuerte man dagegen, daß nur diejenigen Marihuana erhielten, die eine Verschreibung eines Arztes vorweisen. Eine Aussage, die Joe Doane, Chef der Drogenbehörde, streng zurückweist. „Hier war ein Ring entstanden, welcher unter dem Deckmantel einer karitativen Organisation Marihuana im gesamten Bereich der San Francisco Bucht vertrieben hat.“ Agenten der Behörde hätten Videos gedreht, auf welchen Minderjährige beim Graskauf zu sehen sind – in den Räumen des Vereins. Hier soll es auch gewesen sein, wo ein Beamter nur vom passiven Einatmen des Rauches so „stoned“ gewesen sei, daß er orientierungslos aus dem Haus getorkelt sei und sein Agentenauto nicht mehr fahren konnte. Eine veröffentlichten Videoaufnahme zeigte den Clubgründer Dennis Peron beim Verkauf von Marihuana an einen Agenten, der vorgab AIDS zu haben, aber keine ärztliche Verschreibung vorweisen konnte. Die Polizei verhaftete Peron jetzt.

Der Club selbst stellt sich als Non-Profit Unternehmen dar. Er will denjenigen helfen, denen die Wirkstoffe des Hanfs bei ihren Krankheiten helfen. Dies sind vor allem AIDS- und Krebs-Patienten, Menschen mit grünem Star und multipler Sklerose (siehe „Marihuana Mythen“ in diesem HanfBlatt). 75 Prozent der Mitglieder leiden an AIDS. Ohne Verschreibung durch einen Arzt würde man kein Gramm der Droge rausgeben, heißt es. Seit seiner Eröffnung hat der CBC nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß er eine illegale Substanz verkauft. Vor einem Jahr zog man von der relativ obskuren Adresse im unteren Haight-Ashbury Distrikt -einer alten Freak-Kommune- in die zur Straße gelegenen Räume einer der Haupteinkaufsstraßen San Franciscos. Die Gesetzeshüter ignorierten den Kifferverein weiterhin. 1994 trug die Arbeit Früchte, denn der damalige Bürgermeister Frank Jordan unterstützte eine Gesetz, welches vorsah, Marihuana an unheilbar Kranke zu verabreichen. Erst Gouverneur Pete Wilson stoppte die Vorlage.

Seit bekannt ist, das die Bürger über die Zukunft von Marihuana in Ärztehänden entscheiden soll, versuchen Gegner wie Anhänger Volkes Stimme(n) zu gewinnen. Der Sheriff von Orange Country gründete die Initiative „Bürger für ein drogenfreies Kalifornien“ und behauptete fälschlicherweise, daß Proposition 215 die Legalisierung von Marihuana beinhaltet. Und Generalstaatsanwalt Dan Lundgren -ein erklärter Gegner der Abstimmung- war es, der die Durchsuchung im CBC genehmigte. Sein Kollege im Bezirk, Terence Hallilan, sieht die Dinge pragmatisch: „Die Verfolgung von Menschen, die Marihuana aus medizinischen Gründen nehmen, hat bei uns eine äußerst geringe Priorität.“ Überhaupt war die Reaktion auf das restriktive Vorgehen geteilt. Der Polizeichef der Stadt, Michael Hennessy, gab in einer ersten Stellungsnahme an, daß er ein eventuelles gerichtliches Verbot des Clubs nicht duchsetzen würde. Quasi eine Arbeitsverweigerung. Und der Bürgermeister der Stadt, wie sein Sheriff ein Befürworter der Proposition 215, war entsetzt über die Razzia. „Ich bin über die Gestapo-Methoden des Generalstaatsanwalts entsetzt“, sagte Willie Brown wörtlich.

Zu allem Überfluß schalteten sich kurz vor der Abstimmung im November auch noch die beiden Kandidaten um das Präsidentenamt, Bill Clinton und sein Herausforderer Bob Dole, in die Diskussion mitein. Durch die Brille beider Politiker gesehen, ist die Volksabstimmung der Versuch, duch die Hintertür Marihuana völlig zu legalisieren. Clintons Chef-Drogenjäger, Barry McCaffrey, legte zudem noch einen Brief vor, in welchem sich die früheren Präsidenten George Bush, Jimmy Carter wie Gerald Ford gegen die Proposition 215 aussprachen. Aber der sogenannte „Drogen-Zar“ ging noch einen Schritt weiter: „Ein Arzt, welcher versucht eine nach Bundesgesetz illegale Droge zu verschreiben, wird von uns strafrechtlich verfolgt werden, mit oder ohne dieses Referendum.“ Er bezeichnete das Plebiszit als „schlechten Scherz“, welcher Marihuana allen Menschen zugänglich mache, eingeschlossen Kinder. „Und das ohne wissenschaftliche Nachweise für seine Wirksamkeit.“

Die Razzia beim CBC war Auftakt einer Reihe von Aktionen, die der erstarkten Kiffer-Bewegung ihre Grenzen aufzeigen sollte, denn inzwischen vertreiben etwa 30 mehr oder minder straff organisierte Vereine in den 50 Bundesstaaten des Landes Marihuana. Immer nur an Kranke, wie versichert wird. Niemand weiß genau, warum und wie lange die illegalen Clubs vom Staat toleriert werden, sie und ihre oft todkranken Mitglieder leben in der ständigen Furcht verfolgt und bestraft zu werden. Seit August diesen Jahres wurde aus der Angst Realität: In kurzen Abständen schloß die Polizei die Türen der Vereine in Los Angeles, Washington, New York und Key West (Florida). Der Koordinator des New Yorker Vereins, Johann Moore, wurde verhaftet und wartet auf seinen Prozeß. In Key West ist Clubgründer Zvi Baranoff angeklagt, weil er einige Gramm Marihuana vertrieb. Der Verein in Florida bstand erst seit einem Jahr und versorgte knapp 90 Mitglieder mit ihrem Medikament. Ein AIDS-Patient des Clubs äußerte seine Verzweiflung. „Diese Menschen liefern Medizin an Kranke, die ohne diese nicht Schlafen und Essen, ja nicht einmal aufgenommene Nahrung im Magen halten können. Das Ganze ist eine inhumane Hexenjagd.“

In den USA versuchen Hanf-Aktivisten seit langem, kranken Personen den Zugang zu Marihuana zu verschaffen. Offiziell genehmigt erhalten nur 23 Menschen Menschen das hightere Gras als Medikament.

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Drogenpolitik Interviews

Interview mit Hans-Georg Behr II

HanfBlatt 2/2001 “

Sind wir durch mit dem Interview?”

Zu Besuch beim Haschisch-Rebellen Hans-Georg Behr

Vor kurzem wurde Behrs „Von Hanf ist die Rede“, wahrscheinlich der Klassiker unter den deutschsprachigen Büchern zur Politik und Kultur des Hanfs, neu aufgelegt. Wir treffen Behr vor seiner Haustür in Hamburger Stadtteil Winterhude und erhalten sofort die erste Packung berechtigte Ungnade. „Es wäre schön, wenn sie pünktlich gewesen wären“, schnarrt er mit österreichischem Akzent. Wir singen den Schwamm drüber Blues und steigen die Treppe hoch. „Eckhard“, ruft Behr in der Wohnung, „Eckhard, machst du uns bitte Kaffee?“. So lange, schlägt Behr vor, sollten wir in die Kneipe gehen. Also stapfen wir wieder runter. In der Kneipe wird Behr vom Wirt und einigen Gästen begrüßt – man kennt ihn. Wir setzen uns und bestellen drei Bier, zwei Kleine, ein Großes. Als Behr-Kenner haben wir auf einen Leitfaden für das Interview verzichtet, weniger aus Demotivationsgründen, vielmehr weil wir ahnten, dass Behr zügig aus dem aus dem Nähkästchen plaudern würde. Und so kam es dann auch.

Behr, mittlerweile 64 Jahre alt, klagt über seine Gesundheit. Reisen in seine österreichische Heimat fallen ihm zunehmend schwer –körperlich wie geistig anstrengend sind sie-, aber zur Betreuung seiner kranken Mutter reiste er zwischen 1995 und 1996 nach Wien und linderte ihre Schmerzen mit einer gar nicht so geheimnisvollen Tinktur.

 Behr

Ich bin seit 1962 glücklich von Österreich weg. Auch gelegentliche Besuche dort sind nicht unbedingt angenehm. In Wien ist es besonders widerlich: Am Anfang hatte ich eine wunderbare Anonymität, und als ich dann meine alte Dame durch die Stadt geschoben habe, war ich zunächst „Der Sani“. Später merkte man, dass die Dame erstens immer denselben Sani hat und zweitens dieser auch kein Sani zu sein scheint. Ab da wurde ich belauert.

HB

Das klingt nach einer kleinkarierten Szene.

 

Behr

In Fotokopie wäre es ein Moire: Die Karos sind so klein, dass man sie schon nicht mehr sieht. Ich komme aus einer sehr alten Wiener Familie vor der die Großeltern der jetzigen Yuppies noch gebuckelt haben. Irgendwo muss man doch dafür Rache nehmen.

HB

Meine Assoziation zu Österreich kommt eher vom Kaffee her.

Behr

Das Kaffeehaus ist als zweites Wohnzimmer entstanden – eine Art Salon, wo man Leute treffen kann. Daheim, in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung von 35 qm mit fünf Kindern, konnte man doch niemanden empfangen. Diese Kaffehauskultur haben Sie in ihrem Coffee-Shop in Hamburg auch. Das Illegale gehörte immer dazu. Ich erinnere mich an das „Cafe Sport“ in Wien, dass muss um 1963 gewesen sein, als der Hanf „endlich“ illegal war. Dort stand eine Musik-Box, die mit verschiedenen Platten von Stammgästen bestückt worden war. Griechische und algerische Lieder, asiatisches Klanggezirpe und so weiter. Öfters betrat ein Gast den Raum, warf Geld in die Musikbox und spielte ein bestimmtes Lied. Dann wusste man „Ahh, der hat jetzt Afghanen oder Türken“. Sozusagen ein Inserat, das man in die Musikbox einwarf.

HB

Das läuft heute profaner ab.

Wir verlassen das Lokal. Durch die Wohnung streicht der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee. In dem kleinen Wohnzimmer stapeln sich an den Wänden Bücher und Kunstbände. Filigrane Jugendstilvasen, Beistelltischen aus Holz, schwere Decken auf der Couch. Der Raum atmet die Boheme. Schnell bewegen darf man sich nicht, jede Drehung des Körpers könnte die Zerstörung einer Kostbarkeit aus dem 19. Jahrhundert nach sich ziehen. Nachdem wir sicher in einer Couch versinken, die so aussieht als ob sie mindestens 200 psychoanalytische Therapiesitzungen hinter sich hat, fragen wir Behr nach den Gründen für die neue Auflage seines Buches „Von Hanf ist die Rede“.

Behr

Ich wollte eigentlich eine neue Ausgabe schreiben, aber das war ich dem Verleger dann doch nicht wert. Nun gut, man fügt sich und schreibt ein kleines Vorwörtchen, in dem man feststellt, dass die alte Ausgabe fast noch aktuell ist.

HB

Und auch um die Geschichte mit ihrer Mutter bereichert wurde.

Behr

Ich hielt es für richtig, sie zu erwähnen.

HB

Unbedingt, ist es doch ein Beispiel für die konkrete Anwendung von Hanf, abseits von theoretischen…

Behr (ungeduldig)

… Hanf ist ein Antidepressivum ohne Nebenwirkungen. Es ist mit allen anderen Medikamenten verträglich und es gibt kein anderes Präparat, was das tut.

 

HB

Eine schöne Pflanze ist es vor allem auch.

Behr (atmet schwer aus)

Diese Ästhetik interessiert mich in solchen Situationen wenig.

Eckhard kommt in den Raum und bietet Weißwein und Wasser an.

Behr

Die Ärztekammern haben auf der einen Seite wahnsinnigen Schiss, dass sie mit Cannabisprodukten ins Gerede kommen, geben aber auf der anderen Seite ihren Segen dazu, solange es zu keinem Skandal kommt. Die eigentlichen Entwicklungen finden derzeit in stillschweigenden Übereinkünften statt. Dabei nerven die „Legalize-It“-Gebrüllchen, denn sie verhindern jede Normalisierung. Schon die Kampagne „Wir entdecken Hanf als nützliche Pflanze, die die Umwelt retten kann“, war ein Fluch, der die Geschichte um Jahre zurück geworfen hat. „Aha“, sagen sich da doch die Leute, „einmal ist es die ökologische Seite, einmal die Medizinische – den Kiffern ist kein Mittel unrecht, um kiffen zu dürfen“.

HB

Und viele der Ökologen und Mediziner stellen sich als Puritaner dar. Einerseits…

Behr

… aber ich bitte Sie. Nach so viel Jahren Kohl ist man gewohnt, dass man nur noch Lügen darf, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Oder Schweigen, wenn es um Spender geht.

HB

Hat das so abgefärbt?

Behr

Aber natürlich! Entschuldigen Sie, aber wer sich mit Dreck einlässt darf sich nicht wundern, wenn er bekleckert ist. Und die Sozialdemokratie verinnerlicht diese Verlogenheit auch noch. Aber das bringt mir demnächst ein Kilo vom Besten ein.

HB

Wie darf man das verstehen?

Behr

Das „Bündnis Hanfparade“ hat doch meine Wette angenommen. Die haben im Überschwang des Regierungswechsels tatsächlich geglaubt, unter den Sozialdemokraten würde sich an der Cannabis-Gesetzgebung etwas ändern. [1] Unter der CDU war es ja einfacher, denn so lange nicht darüber geredet wird, wird darüber geschwiegen. So hatten wir wenigstens eine Art katholischen Wildwuchs. Und heute? Nickel ist eine Krankenschwester – die weiß, wo der Giftschrank steht. Däubler-Gmelin wird sich doch genieren zuzugeben, dass sie selbst Ende der Sechziger dran genuckelt hat. Außerdem lässt sie sich nichts aus der Hand nehmen. Es ist eine deutsche Wesenheit, Böcke zu Gärtnern zu machen, Anthroposophen zu Innenministern, also warum nicht dieses in Sachen der Gesundheitspolitik? Endlich kommt einmal der Unterbau wüst wuchernd nach oben. „Wacht auf Verdammte dieser Erde!“, oder heißt es „Verklemmte“? Die predigen doch alle Wasser!

HB

Aber Sie werden auch von offizieller Seite immer wieder konsultiert, wenn es um Cannabis geht. Von wem genau?

Behr

Darüber spricht man nicht, denn die nennen mich auch nicht als Quelle. Es ist ganz angenehm, sich manchmal mit Richtern zu unterhalten. Es sind die Gewissensfragen, die die Richter meist beschäftigen. Ist es pädagogisch wertvoll, wenn ich den Menschen jetzt bestrafe?

HB

Kann es ja kaum sein!

Behr

Es ist problematisch. Ich wurde letztens für ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof als Gutachter benannt. Ich habe dann einen sehr freundlichen Absagebrief erhalten, dass ich als „bekennender“ Kiffer ja wohl zu parteiisch sei, um als unabhängiger Gutachter zu gelten. Insofern werde ich mich hüten, dazu was zu sagen. Gut und schön, dass ich kiffe, weiß man, dass ich von dem Zeug was verstehe, weiß man auch. Ich werde nicht meine prinzipiellen Ansichten auf den Tisch legen, nicht einmal vor irgendeiner Geheimpolizei. So lange das offen bleibt, kann ich mich ja auf den anderen einstellen. Wenn ich sage, dass ich das gesamte Strafsystem für Stammestänze um einen fiktiven, längst zerfressenen Totem halte, kann ich mich ja entblößen. Wenn dann einer anderer Ansicht ist, wird er alles andere, was ich sage, auch negieren. So sage ich gar nichts, höre mir das Ganze an und sage dann vorsichtig, wie es einem alten, gebrechlichen Mann ansteht, als würde ich Glatteis überqueren, meine Meinung.

HB

Steigt die Seriosität mit dem Alter?

Behr

Man hat sich an mich gewöhnt. Entweder sind diejenigen, mit denen ich mich gefetzt habe, verstorben oder emeritiert. Ich bin ja auch schon an der Grenze. Manche Richter Mitte 30 unterhalten sich halt gerne mit einem alten Daddy.

HB

Das wäre dann ja der Respekt vor dem Kenner, den ich meine.

Behr

Das hat nichts mit Respekt, eher mit einer Gewissensnostalgie zu tun. Ich gehöre mittlerweile ja schon zur Generation der Großeltern der heutigen jungen Kiffer. Ich war stolz, als ich letztens ein Exemplar des „Haschisch Kochbuchs“ von dem Sohn eines Psychiaters erhielt, der sich´s als Gymnasiast geleistet hat.

HB

In dem Kochbuch waren die Dosierungen recht hoch angegeben.

Behr (verschmitzt)

Ja, aber das war doch ein Witz.

HB

Den Witz hat manch einer ernsthaft nachgekocht.

Behr zeigt uns den Entwurf eines Plakats für eine Ausstellung. „Mein Kampf“ steht dort in altdeutschen Lettern, wobei das „Kampf“ durchgesprüht und mit Hanf ersetzt ist. „Subjektive Annäherungen an kein objektives Thema“ steht im Untertitel.

Behr

Das „Annäherungen“ im Titel ist ein Jünger-Zitat.

HB

Haben sie Ernst Jünger kennen gelernt?

Behr (scharf)

Ja.

Pause.

HB

U…N…D ?

Behr

Man hat den Jünger, je älter er wurde, immer besser gefunden. Und als dann auch noch Kohl und Mitterand anreisten, hat er sich nicht dagegen verwahrt, von miesen Leuten heimgesucht zu werden, sondern er fühlte sich geehrt. Was soll ich über den Mann sagen? Hinter seinem Sarg – als wäre er der Hauptleidtragende – ist der Hochhuth mit einer weißen Rose gegangen – das habe ich dem Jünger gegönnt. Seine Haschisch-Erfahrungen waren natürlich schlechte: Er hatte sich in Papas Apotheke in Hannover verirrt und den Löffel zu tief ins Ölfass gehalten. Gekokst hat er bis zuletzt, das hat ihn auch frisch gehalten. Morphinist war er auch eine Weile seines Lebens. Aber was wollen Sie hören? Furchtbar alt ist er geworden – so alt, dass die Leute vergessen haben was er früher war.

HB

„Name dropping“, mehr davon…

Behr

Ernst Bloch beispielsweise war ein wunderbarer Mensch. [2] Dass er das „Prinzip Hoffnung“ geschrieben hat, das nehme ich ihm heute noch übel – aber ich habe ja auch mal daran geglaubt. Er begab sich zum Philosophenkongress 1968 in Wien. Bloch wurde so wie ein Totemtier reingeführt, sank in den Stuhl und wurde am Ende wieder geweckt und raus geführt. Längere Zeit stehen konnte er nur, wenn hübsche Frauen in der Nähe waren. Irgend etwas Schönes muss also in der Nähe gewesen sein, denn wir unterhielten uns auf dem Flur. „Wissen Sie, Herr Bloch“, sagte ich, „was Sie da über ihre Erfahrungen mit Walter Benjamin und Haschisch beschreiben, dass finde ich doch etwas doof.“ Ich erklärte ihm das, und er hörte zu, denn er war wie viele Philosophen ein guter Zuhörer. Schließlich antwortete er mir: „Sie müssen das verstehen, Herr Behr, unser Vertrauen in die deutsche Chemie war damals größer als in die Natur. Aber ich bin gerne bereit, einmal Natürliches zu rauchen.“ [3] Das haben wir dann auch getan. Daraufhin lud er mich nach Tübingen ein: Ich solle ihn doch besuchen, aber bitte 200 Gramm von dem Haschisch mitbringen. Er hat sogar einen Scheck beigelegt.

HB

Das ist korrekt. Haben sie den Scheck noch?

Behr

Nein. Ich habe ihn gelegentlich noch besucht und…

HB

Entschuldigung, aber was stand denn in der „Betreff“-Leiste?

Behr

Nichts, ich bitte sie! Bloch hatte eine wunderbare Eigenschaft: Er wusste wann seine Frau Carola den Raum betrat. Carola war eine schreckliche Philosophen-Frau, allerdings eine gute Witwe. Bloch reichte mir den Joint immer im richtigen Moment rüber, denn Sekunden später betrat Carola den Raum. Ich glaube, es war beim dritten oder vierten Besuch, ich war dabei, das Haus zu verlassen, ging in die Graderobe, nahm meinen Mantel, denn es war Herbst, da sagte Carola Bloch zu mir: „Sie sind so ein netter junger Mann. Warum müssen sie eigentlich immer dieses ekelhafte Zeug rauchen?“ Das Amüsante: Ich kam bei den Blochs nur dann zum Rauchen, wenn Carola den Raum betrat… Vielleicht hat sie das sogar gewusst und es mir so durch die Blume zu verstehen gegeben.

HB

Das nenne ich Erfahrungen in Philosophie.

Behr

Der Nicolai Hartmann dagegen, den die Leute ja damals als „Philosoph in grauen Flanell“ beschimpften, der hatte auch eine Frau – die wollte allerdings an dem Zeug mitziehen. Hartmann war der große Mann der Phänomenologie. Er hat darunter gelitten, dass der Edmund Husserl [4] damit angefangen hatte, trotzdem steht Hartmann neben Wittgenstein. Er wollte unbedingt auch kiffen, um diese Erfahrungen zu machen. Ich sagte ihm:  „Das wird aber etwas metaphysisch, Herr Professor“. „Das will ich ja wissen“, war seine Antwort.

HB

Und wurde es metaphysisch?

Behr

Ich weiß nicht, ich hatte am nächsten Tag auf jeden Fall nicht mehr genug für mich. Er wurde immer gelöster in der Unterhaltung und seine Frau sagte: „Ich weiß nicht – entweder ist es die Wirkung dessen, oder aber… Ich komme mir auch sehr entspannt vor. Da habe ich bislang einiges versäumt.“ Darauf hin konnte ich ja nicht anders, als meine Vorräte großzügig zu teilen. Ich glaube nicht, dass er es weiter geraucht hat, aber in ihrer Handtasche war es jedenfalls.

HB

Und heute? Wie sehen sie die kiffende Jugend?

Behr

Es war so klassisch auf der Hanfparade 2000. Ich stand mit Krawatte und Anzug am Brandenburger Tor und beobachtete das Durchtröpfeln der Parade. Ein paar Teenies standen abseits und besprachen mit hochroten Köpfen ihr weiteres Vorgehen. Einer, der als der Kesseste galt, wurde auserkoren, mich anzuquatschen. „Wissen Sie, wo Sie hier sind?“, fragte er mich. „Soweit ich weiß, ist dies das Brandenburger Tor“, war meine Antwort. „Ja, aber wissen Sie, wo Sie hier rein geraten sind?“ Da habe ich gelangweilt an meiner Krawatte runter geschaut, die mit Hanfblättern bedruckt war. Die waren ganz perplex, dass so ein alter Mann mit einer mit Hanfblättern garnierten Krawatte es wagt, auf einem Jugendtreffpunkt zu erscheinen. Die tun immer so, als ob sie den Hanf erst entdeckt haben! Den gab es vorher für die gar nicht! Aber was soll es: Die Berliner Hanfparade ist doch nur ein kurzer Massenaufmarsch, bei dem keiner was sieht, man brav hinter dem nächsten Joint hertrotten und sich vorher noch an den U-Bahnhöfen demütig filzen lassen muss. Ich schaue doch auch keinem Karnevalsumzug zu! Da fand ich das Hamburger Hanffest sehr viel gelungener. Es war ein Jahrmarkt der Blödheiten, es wurde auch als Jahrmarkt genommen. Man konnte hingehen, und am Abend sind die Eltern der Kids gekommen. Die wollten sich anschauen, wo ihre Kinder sich rumgetrieben hatten, und fanden es nicht unangenehm.

HB

Waren Sie mal in der Schweiz?

Behr

Ja.

HB

Und was ist ihr Eindruck: Was treibt die Menschen dort dazu, in Sachen Cannabispolitik am weitesten in Europa vorzupreschen?

Behr

Ganz einfach, eine politische Pragmatik, die keine andere ist als bei den Holländern. Nur wollen die Schweizer das alles noch so legal wie bei ihren Nummernkonten haben. Die Schweizer sind selbst Minderheit im eigenen Land – entweder man ist französisch, deutsch oder italienisch beeinflusst. Da gibt es Verschiebungen, sobald man in die nächste Generation tritt. Dadurch haben gewisse Minderheiten, die nicht besonders auffallen, einen größeren Freiraum. Der ist aber nicht von Natur aus gegeben. Die Schweizer Junkie-Szene ist die deprimierenste in Europa, denn wenn jemand aus diesem Familienverbund „Schweiz“ fällt, dann fällt er ins Bodenlose. Am Anfang haben sie die Kiffer genau so gejagt – bis es immer mehr wurden. Dann wurde ihnen klar, dass sie noch keine verelendeten Kiffer gesehen hatten und dass sie in die Klos keine blaue Lampen einbauen müssen, damit sich die Kiffer keine Joints anzünden. Sie haben also geschaut und nun das Vernünftigste getan. Außerdem sind sie natürlich stolz und bewusst autark: Wenn der Hanf im eigenen Land wächst, dann kann er nicht schlecht sein.

HB

Das wäre ja auch in Deutschland eine Möglichkeit.

Behr

Man schätzt, dass die Bundesrepublik mittlerweile zu 65 Prozent Selbstversorger ist. „Gut“, könnte man sagen, „lassen wir das Ganze zu einer Sache von Hobbygärtnern verkommen“. Dann sind zum einen die Kiddies beschäftigt und zum anderen wird die organisierte Kriminalität mit lauter Hobbygärtnern wenig anfangen können. Man könnte sich das Wachstum der Coffee-Shops anschauen, und wenn neun das gleiche Gras haben und der zehnte ein anderes, dann schließt man die neun. Nachwachsen werden genug, die Sortenvielfalt ist garantiert und der Zugriff einer zuhälterischen Organisation ist gebannt. Darüber müssten dann alle ihr Maul halten, das schaut man sich fünf Jahre an, und wie es sich dann entwickelt hat, so reguliert man es. Das wäre in etwa das Schweizer System. Aber: Erstens können leider die Legalisierungsfreaks ihr Maul nicht halten, zweitens die Gegner auch nicht und drittens und viertens und… Egalisieren, eine Ruhepause, das wäre nötig, aber so etwas findet nicht statt. Wenn ich erkältet bin, dann nehme ich Codein, weil meine Schleimhäute in der Nacht nicht durch Hustenanfälle gereizt werden und sich erholen können. Man kann den Husten nicht direkt bekämpfen. Genau so müsste man es in der Drogenpolitik machen, aber dazu steht keiner bereit, denn so ein wunderbar lächerliches Thema, das alle betroffen macht, findet man nicht wieder.

HB

Amüsant eben nur, dass dies ausgerechnet in der Schweiz geschieht, einem eher auf konservative Werte ausgerichteten Staat.

Behr

Das kann nur in der Schweiz oder konnte nur in den Niederlanden passieren. Das kann nur in kleinen, von der Fiktion der Gemeinsamkeit überzeugten Gemeinwesen entstehen. Nur dann kann man auf solche paternalistischen Regelungen, wie wir sie in größeren Länder ertragen müssen, verzichten. Pragmatischere Politik hat man schon immer eher im Dorf als in der Großstadt gemacht.

HB

Das klingt plausibel.

Behr

Habe ich jetzt die ganze Zeit die sportliche Zigarette gehalten?

HB

Nein, die ging schon rum.

Behr

Dann bin ich beruhigt.

HB

Was wäre sonst passiert?

Behr

Ich hätte mich entschuldigt und angeführt, dass ich in Gedanken war.

HB (lachend)

Und Sie glauben, damit hätten wir uns zufrieden gegeben?

Behr

Ich hätte das so charmant vorgetragen, dass Sie sich damit hätten zufrieden geben müssen.

HB

Da wir ja auch höflich sind, hätten wir uns damit zufrieden gegeben.

Behr

Woher soll ich das wissen? Ich kenne Sie ja nicht! Sie kennen doch diesen herrlichen jiddischen Witz, in dem zwei Juden über die Straße gehen, und auf einmal kommt ein Hund angekläfft. Grün geht automatisch etwas schneller und Blau sagt: „Na, was rennsde denn, du weest doch, Kelef die bellen beißen nicht.“ Sagt Blau: „Ja weeß ich, aber weeß ich, ob Kelef das weeß?“

HB

Wir kennen uns zwar nicht, aber wir kennen ja etwas von Ihrem Werk.

Behr

Sehen sie, diesen Vorteil habe ich auch nicht.

HB

Höchstens wenn Sie mal in das HanfBlatt schauen würden.

Behr

Ins HanfBlatt schaue ich gelegentlich. Dort erscheint sogar ein kleine Serie von mir: „Stoned Age“, Geschichten aus der Urzeit des Kiffens.

HB

Darüber werden sich die Burschen dort freuen.

Behr (dies mal in bayrischem Dialekt)

Woos wass i, woos die Leut freit.

HB

Freuen tun sie sich über eine Wasserbett im Schlafzimmer, eine Harley Davidson vor der Tür und wenn das Telefon nicht allzu oft klingelt. Aber das dürfen wir nicht drucken. Themenverschiebung: Langsam gehen die Hanf-Läden pleite.

Behr

Ja, Gott sei Dank! Der Textilienmarkt mit Hanf ist versorgt. Natürlich, die Pariser Modeschöpfer ordern ab und zu einen Ballen feinsten Bologneser Hanfs. Wollen Sie heute Textilien verkaufen, die 150 Jahre halten? Das wäre das Ende jeder Wirtschaft. Diese Serviette hier ist aus dem Jahre 1850 und wurde garantiert 1000 Mal gewaschen; sie sieht noch wie neu aus. Diese Qualität war damals neun Mal so teuer wie feinstes Leinen. Wenn man 200 Mark für den Meter hinlegt, dann erhalten Sie immer noch so eine Qualität. Das werden Sie in einem Hanfhaus nicht umsetzen. Als Dämmmaterial ist Hanf zu teuer, braucht zuviel Dünger und versaut damit den Boden.

HB

Die Vision, mit gewaltigen Monokulturen von Hanf alle Rohstoffprobleme zu lösen, hat sich erledigt.

 

Behr

Natürlich. Als Öl ist es beispielsweise erheblich weniger haltbar als das Öl anderer Pflanzen. Was soll auch das Gerede? Hanf wurde doch nicht wegen seiner Fasern verboten. Es wurde ja auch nicht verboten, weil man sagte, Nylon ist da und wir brauchen nichts anderes. So idiotisch war niemand, auch wenn Herer das behauptet. Diese Verschwörungen haben nicht stattgefunden. Auf der anderen Seite hat die Faserhanf-Bewegung eins erreicht: Grundsätzlich will jeder, der sich in die Politik begibt, keine heißen Eisen anfassen. Die Politiker sehen im Hintergrund nur die Kiffer, die auf diese Weise ein legales Hintertürchen finden wollen. Das hat alle Versuche der Normalisierung völlig diskreditiert, wir können nicht mehr einmal über Cannabis als Medikament reden.

HB

Politikerschicksale und das Kiffen, das wäre mal eine Story.

Behr

Die Heide Moser hat sich für das Kiffen auch erst dann interessiert, als ihre Tochter in dem Alter war. Später wurde Ecstasy zum Thema. Man könnte das Familienleben an den Aktionen in der Politik gut nachvollziehen. Das Apothekenmodell habe ich immer für saublöd gehalten. Haschisch war nie eine Mittel der Apotheken, dann soll man es lieber in die Drogerie neben die Seife stellen. Hier die seelische Befleckung und da die Reinigung. Hier die Sünde, da die …. Ich weiß nicht wie viele Jahre wir in der deutschen Sprache brauchen werden um das blöde Wort „Drogen“ loszukriegen. Das herrscht seit 15 Jahren und hat schlimmer eingeschlagen als ein Grippevirus.

HB

Existiert ihrer Meinung nach ein vierter Trieb wie uns Ronald Siegel weismachen will; ein Trieb nach Rausch?

Behr

Sicherlich, genauso wie ein Trieb nach Sex besteht. Und die weitere Frage?

 

HB

Was schlussfolgert sich daraus?

Behr

Ganz einfach, dass wir zwar soziale Wesen sind und uns der Herde gerne fügen, aber ab und zu gerne jenseits des Weidezauns grasen wollen. Und wenn man uns diesen Weidezaun zementiert, dann werden wir zu neurotischen Herdentieren, und es fehlt uns das Private, das Individuelle. Es soll mir kein Mensch erzählen, dass er 24 Stunden am Tag ein soziales Wesen sein kann. Wenn eine politische Größe wie Karl-Heinz Ehlers, der Rechtsaußen der CDU, dem bekanntlich kein Gedanke zu doof ist, als dass er ihn nicht ausspricht, sagt, „Einen Urlaub von der Gesellschaft können wir nicht gestatten“, dann muss ich doch fragen, ob unsere Gesellschaft eine geschlossene Anstalt ist?

HB

Für ihn zumindest dürfte keine Ausgangsgenehmigung existieren.

Behr

Aber diese Bedürfnisse nach Extase sind genau so wichtig wie das Bedürfnis einer Ziege, auf der anderen Seite des Zaunes, wo das Gras bekanntlich besonders süß ist, auch mal grasen zu können.

 

HB

Primärgras ist besser als Sekundärgras.

Behr

Ich würde so nicht unterscheiden wollen. Das Jenseits des Üblichen ist der Ort unserer Sehnsucht. Wozu erfinden wir einen Himmel, wenn uns die Erde reichen würde? Wozu brauchen wir einen Gott, wenn uns unsere Regierung reicht? Diese Bedürfnisse sind natürlich. Man kann alles zum Trieb erklären, wie man alles zur Sucht erklären kann. Wenn Berthold Brecht geschrieben hat, dass die dümmsten Kälber ihre Schlächter selber wählen wollen, dann sind wir mittlerweile mit BSE verseucht.

HB

Damit ist doch der Bogen zum Einstieg gespannt…

 

Behr

Ja dann los damit, ich bin ja auch gespannt darauf, was die Leute von mir denken. Sie sagen es mit ja nicht, sie hören immer nur zu und… Wie hieß es neulich bei Ihnen im HanfBlatt über mich: Unbelehrbar oder uneinsichtig?

HB

Und wir verdienen auch noch Geld damit.

Behr

Das Kriterium der Bezahlung hat mich nie so sehr interessiert, sonst hätte ich nie so gelebt wie ich gelebt habe. Sonst wäre ich eine Nutte geworden. Wahrscheinlich wollten Sie wissen, wie viele Legastheniker Sie unter ihren Lesern haben.

HB

Schauen wir mal, wie wir dieses Interview verwerten.

 

Behr

Das ist Ihr Problem. Wenn Sie das auch noch von mir wissen wollen, dann verlange ich Geld. Sind wir durch mit dem Interview?

HB

Ja, jetzt kommen die Komplimente.

Langsam geht das Interview tatsächlich dem Ende zu. Bedürfnisse treiben mich aufs Klosett, dort ist die Stimmung gut. So richtig fertig ist Behr aber noch nicht, durch die Tür sagt er laut zu mir: „Wenn sie ihre Erleuchtung gehabt haben, bin ich bereit, noch ein paar Sätze zu sagen.“ Eigentlich wollte er uns schon lange rausschmeißen,  aber dann serviert er uns die Vorspeise: Einen warmen Strudel mit Rotkohl gefüllt. Wir schwelgen.

Behr

Ich traf Robert Anton Wilson einmal auf einer Buchmesse. Er klagte unter Erschöpfungszuständen und hat mich gefragt, ob ich ihm mein kleines Döschen gebe. Das habe ich auch getan, nach einer Weile kam er zurück und das Döschen war leer und ich war sauer. Das war von mir für vier Messetage bemessen!

 

HB

Nepalese?

Behr

Nein, „Hallo Wach“.

HB

Und dann schrieb er den „Neuen Prometheus“?

 

Behr

Nein, das war davor. Sozusagen als Entschädigung hat er mir in diesem Zustand einen Limerick gedichtet:

There were to young ladys in Birmingham

And this is a story concerning them

They liftet the frog and tickelt the cock

Of the bishop who was confirming them

 

Ich fand das zu billig für das halbe Gramm.

HB

Och.

Behr

Das sind angenehme Erlebnisse. Auf der Hanfparade genoss ich meine Erholungszigarette und neben mir stand so eine typische DDR-Bulette. „Oh, Marokkaner“, sagte sie und grinste mich mit ungefähr 90 Kilo Lebendgewicht an. Ich gab ihr unauffällig den Joint, sie schaute nach Links und Rechts, nahm einen heimlichen Zug und gab ihn mir wieder zurück. Diese überraschenden Erlebnisse machen das Leben jetzt noch so angenehm. Ich habe mich genug mit Eltern und in Schulen herumgeschlagen, ich habe mich genug vor Gerichten herumgeschlagen. Jetzt will ich genießen, die fröhliche Ernte einfahren und nicht ewig das Feld beackern. Und es werden bestimmt nur wenige Augenblicke sein, die man im Leben so erlebt, aber wenn man die als Lohn nimmt, dann ist das keine schlechte Bezahlung.

 

HB

Das ist bescheiden.

Behr

Nein, das ist der höchste Anspruch, den man haben kann.

 

az + adh

 


[1] Das Bündnis Hanfparade und H.G. Behr wetteten im April 1998 um ein Kilo Marihuana, ob sich nach dem Regierungswechsel Hanf legalisiert wird. Behr wartet auf das Päckchen aus Berlin und will dann zu einem Smoke-In einladen. Das HanfBlatt wird berichten…

 

[2] Ernst Bloch (1885 – 1977), Autor von „Das Prinzip Hoffnung“, einem Standardwerk der neueren marxistischen Philosophie. Das Werk sucht das „Noch-Nicht“, wie es sich in Erwartungen und Wunschträumen, aber auch in Utopien und religiösen Erweckungsvorstellungen manifestiert, als existentielles Prinzip zu erfassen.

 

[3] Bloch spielt hier auf eine Cannabis-Tinktur an, die er probiert hatte.

 

[4] Edmund Husserl (1859 – 1938). Der Philosoph entwickelte eine Lehre von den im Bewusstsein aufweisbaren Strukturen und wird als Begründer der Phänomenologie angesehen.

 

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Drogenpolitik Reisen

Auge zu, Bußgeld oder Gefängnis

HanfBlatt Nr.9/10 2000

Tips für den stressfreien Trip durch Europa

„Reisende soll man nicht aufhalten“, sagte schon Alt-Komiker Otto zu seiner abschiedswilligen Braut. Europa wächst zusammen, die Grenzen sind so leicht zu passieren wie nie zuvor. Eine lockere Reise ins nahe Ausland endet aber für so manchen Kiffer im Desaster, denn mit etwas Gras in den Taschen erwischt, landet er oder sie blitzschnell im Gefängnis. Eine erste Regel für einen wirklich ungestörten Trip lautet deshalb: „Lass den Kram zu Hause.“ Wer meint schon die Autofahrt oder den Flug nicht ohne Dope überstehen zu können, dem seien geringe Mengen angeraten. In den meisten Ländern wird zwischen Mengen zum Eigenkonsum und Handelsmengen deutlich unterschieden. Wer meint mit einem Pfund Gras im VW-Bus Bj. ´74 an die Atlantikküste donnern zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn der französische Provinzrichter glaubt, dass sich hier einer seinen Urlaub finanzieren wollte. Ein Wort zum Thema „Verstecken“: Das beste Versteck für Gras oder Haschisch nützt wenig, wenn Polizei oder Zoll Verdacht geschöpft haben. Und dies ist meistens dann der Fall, wenn man dem stereotypen Idealbild des Kiffers entspricht. Aber wer hat schon Lust wegen zwei Gramm Hasch in den blauen Zweireiher zu schlüpfen um unbehelligt durch alle Kontrollen zu eiern? Darum sei hier die asketische Variante empfohlen – ein paar Tage ohne Rauch haben noch niemanden geschadet. Wenn es aber doch nicht anders geht, sollte man sich und seinen BegleiterInnen wenigsten ab und zu zumurmeln, dass man ja „im Auftrag des Herrn“ unterwegs ist.

In einigen Ländern in Europa ist es wie in Good Old Germany: In den verschiedenen Bundesländern, Distrikten und Städten sind die Richtlinien unterschiedlich streng. Aus diesem Grund ist die nachfolgende Übersicht als grobe Richtlinie zu verstehen. Insgesamt steigt die Beliebtheit von Rauschhanf in Europa zwar weiter an, aber das ist kein Freifahrtschein, denn in fast allen Ländern steigt auch die Anzahl der Sicherstellungen (im Klartext: Der Kiffer-Aufgriffe). Wer vorsichtig sein will, sollte sich im Freundes- und Bekanntenkreis Tipps für die angepeilte Region holen. Wer es besonders sicher angehen will, der holt sich über die in Deutschland ansässigen Strafverteidiger-Vereinigungen die Telefonnummer eines Anwalts im Zielland. Und Vorsicht: Dieser Text stammt aus dem Jahr 2000 und Gesetze ändern sich. In einigen vermeintlich liberalen Ländern können inzwischen ganz andere Regeln herrschen…

europa bei nacht

Vor Ort

Man kann Glück haben und den Touristen-Bonus erheischen. Dann geht man dem Kraut verlustig oder wird im schlimmsten Fall zur Grenze gebracht. Es kann aber auch gleich in das Dorfgefängnis gehen. Vorsicht ist selbst in den liberalen Ländern angesagt: Vernünftig ist es, erst mal die Lage vor Ort abzuchecken und nicht den erstbesten langhaarigen Freak „nach Peace“ anzuhauen. Wird man trotz aller Vorsicht von der Polizei aufgegriffen, ist es klüger die Aussage bis zum Eintreffen des Anwalts zu verweigern. Die Angehörigen und das Konsulat können dann über den Anwalt kontaktiert werden. Und: Ein Rechtsbeistand kostet überall Geld.

Die folgende Übersicht der Gesetzgebung und Strafpraxis bezieht sich in erster Linie auf den Besitz kleiner Mengen Cannabis, wobei die genaue Höhe der „kleinen Menge“ von Land zu Land variiert. Zur Klarstellung: In einigen Ländern ist der Konsum zwar nicht verboten, wohl aber der Besitz. Und ohne Besitz kein Konsum.

Belgien

Belgien unterscheidet zwischen individuellem und Gruppenkonsum. Nur der Gruppenkonsum von Cannabis wird bestraft: Drei Monate bis fünf Jahre Gefängnis und/oder 1000 bis 100.000 Belgische Franken Bußgeld. Die Realität ist nicht so harsch: Seit 1998 sehen die Strafverfolgungsbehörden von Übergriffen auf Kiffer fast gänzlich ab. Die Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Verfolgung von Fällen des privaten Gebrauchs fast vollständig eingestellt. Dies gilt auch für den privat organisierten Anbau kleiner Mengen Hanfs.

Dänemark

Der Besitz und Konsum kleiner Mengen ist quasi legal. Der Erwerb von kleinen Mengen wird von den Gerichten nicht mehr als Vergehen angesehen, obwohl die Gesetze dies noch so vorsehen. Wer meint vor den Augen der Polizei rauchen zu müssen: Im Normalfall wird das Kraut konfisziert und eine Verwarnung ausgesprochen. Bei Besitz von größeren Mengen können bis zu zwei Jahren verhängt werden, bei Handel zwischen zwei bis zu zehn Jahren. Ersttäter werden in ein Zentralregister eingetragen. Zur Info: In Kopenhagen hat die Hälfte aller 18-Jährigen schon mal gekifft.

Finnland

Hier heißt es aufpassen: Ob Konsum, Erwerb, Besitz, Handel – in Finnland sind dies alles kriminelle Straftaten. Das Gesetz kennt keine Unterschiede zwischen verschiedenen Substanzarten. Die Gerichte schauen sich die sozialen Umstände bei Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis genau an  – und strafen dann meist hart. Vergehen in Zusammenhang mit kleinen Mengen Cannabis wird mit Geldbuße oder bis zu 2 Jahren Knast bestraft. Nun ist es aber nicht so, dass in Finnland das gute Kraut unbekannt ist: In Helsinki haben 30 Prozent der 17-19-Jährigen Schüler schon mal gekifft. Der Handel mit Cannabis wird mit Freiheitsstrafen zwischen 2 und 10 Jahren belohnt.

Frankreich

Konsum und Besitz von Cannabis ist illegal. Das französische Gesetz unterscheidet nicht zwischen Cannabis und anderen Substanzen. Der Handel und der Konsum mit jedweden illegalen Substanzen ist verboten. Laut Gesetz kann der Konsum illegaler Substanzen mit einer Strafe von zwei Monaten bis einem Jahr und/oder Bußgeld von 500 bis 15.000 Franc bestraft werden. Transport, Besitz und Angebot mit 2 bis 10 Jahren Haft. In Frankreich betritt man die Problemzone bei einer Menge von über 30 Gramm Cannabis. Transport und Angebot von größeren Mengen Wunderkraut werden mit zwei bis zehn Jahren Haft belohnt. Auch in Frankreich legen die Gerichte die strengen Gesetze unterschiedlich aus: Bei kleinen Mengen von Haschisch oder Marihuana wird das Verfahren zum Teil sofort eingestellt und eine Verwarnung ausgesprochen, teilweise wird keine Anklage erhoben, wenn der Betroffene sich einer recht strengen Therapie unterzieht. In den großen Städten ist Cannabis-Genuss unter den Jugendlichen weit verbreitet, so dass Polizei und Staatsanwaltschaft den realistischen Weg wählen: In Paris beispielsweise sehen sich die Ordnungshüter erst bei einer Menge ab fünf Gramm Haschisch genötigt einzuschreiten. Trotzdem entscheidet in Frankreich weiterhin nicht die Produktart, sondern die Tat das Strafmaß.

Griechenland

Erstens: Die Griechen unterscheiden per Gesetz nicht zwischen harten und weichen Drogen. Zweitens: Drogenkonsum ist in Griechenland nur dann kein Vergehen, wenn  man als „süchtig“ eingestuft wird. Wer hier die Lücke ahnt: Als Tourist wird man schwer nachweisen können, dass man von Cannabis „abhängig“ ist. Drittens: In Griechenland ist Einfuhr, Handel, Besitz und Konsum von allen Drogen verboten. Der Erwerb von Drogen zum persönlichen Gebrauch ist strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Die Praxis der Strafverfolgung scheint sehr uneinheitlich zu sein: Wer mit größeren Mengen Cannabis erwischt wird auf den warten garantiert saftigen Strafen; unklar ist aber, wie mit Genießern von kleinen Mengen verfahren wird. Teilweise wird selbst der Besitz kleiner Mengen mit Gefängnisaufenthalt belohnt. Und man hört man immer wieder, dass die Verhältnisse in den griechischen Gefängnissen unmenschlich sind. Auf der anderen Seite soll die Polizei die Verfolgung von Kiffern in den letzten zwei Jahren so gut wie eingestellt haben. Die Lage scheint insgesamt zu unsicher, um wirklich entspannt genießen zu können. Dann doch lieber Ouzo.

Großbritannien

Trotz Prohibition ist unter britischen Schülern der Rauschhanf beliebt: Knapp 40 Prozent der 15-16-Jährigen geben an schon mal am Joint gezogen zu haben. Es existiert kein Verbot für den Konsum, wohl aber für den Besitz von Cannabis. Die Strafen für Herstellung, Beihilfe zur Herstellung und für Vertrieb sind allerdings hoch. Cannabis gilt zusammen mit den Amphetaminen und Barbituraten als Klasse-B Droge. Der Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Bei reinem Cannabis-Konsum wird aber heutzutage meist nur eine Verwarnung ausgesprochen und ein Bußgeld verhängt. Trotz der niedrigen Strafen bei geringen Mengen wird der Konsum durch die Polizei verfolgt: Auf die jährlich rund 40 Tausend Personen, welche von der Polizei wegen Mitteln aller Art angehalten werden, sind über 90 Prozent Cannabiskonsumenten. Die Aufzucht für den persönlichen Bedarf und der Handel in kleinen Mengen werden mit bis zu 6 Monaten gemaßregelt. Mit etwas Glück kostet es auch „nur“ 400 Pfund. Auf der Insel fangen die schweren Probleme dann an, wenn mehr als 30 Gramm Cannabiskraut gefunden werden. Die Höchststrafe für den Handel beträgt 14 Jahre.

Irland

Weder der Konsum noch der Erwerb von Cannabis ist eine Straftat in Irland. Wohl daran wird es liegen, dass in Irland der Anteil der Jugendlichen mit Cannabis-Erfahrung so hoch ist wie nirgendwo sonst in Europa. Trotzdem wird der Besitz bestraft – und zwar im allgemeinen „nur“ mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Pfund. Cannabis wird vom Gesetz anders eingeordnet als andere Substanzen: Die Strafen in Zusammenhang mit Cannabis-Konsum sind meist niedriger als bei „harten“ Drogen. Trotzdem sei zur Vorsicht geraten: Die Gerichte folgen zum Teil streng den Gesetzen und diese kennen keinen Unterschied zwischen persönlichem und groß aufgezogenen Handel. Bei einer Schuldigsprechung im großen Rahmen drohen bis zu sieben Jahren Aufenthalt hinter Gittern.

Italien

Achtet man auf den leichten Inhalt seines Dope-Beutelchens kann man den Urlaub in Umbrien relativ entspannt angehen. Wird man mit (maximal) 1,5 Gramm Marihuana oder 0,5 Gramm Haschisch erwischt, droht höchstens eine Verwarnung. Drogenkonsum ist in Italien keine Straftat, seit 1998 auch nicht mehr der Erwerb und Besitz für den persönlichen Gebrauch. Zwischen Händler und Genießer wird deutlich unterschieden: Der Kleinhandel mit Cannabis wird mit Ordnungsgeldern belegt, der professionelle angelegte Vertrieb kann bis zu 6 Jahren Knast einbringen. Italien versucht statt Strafrecht das Verwaltungsrecht sprechen zu lassen: Bei wiederholten Cannabis-Konsum wird der Führerschein eingezogen. 1975 bis 1990 war der Hanfgenuss dekriminalisiert, 1992 sprachen sich 52 Prozent der Bevölkerung in einer Volksabstimmung wiederum für die Dekriminalisierung von Cannabis aus. Vorsicht: Die häufigen Regierungswechsel in Italien erhöhen die Chance fluktuierender Verordnungen in Bezug auf Cannabis-Konsum.

Kroatien

Wie in vielen osteuropäischen Ländern liegt die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten oft im Ermessen der Ordnungshüter. Glaubt man den spärliche Informationen, ist der Besitz von kleinen Mengen Cannabis in Kroatien keine Straftat.

Luxemburg

Der Konsum von Cannabis ist illegal. Laut Gesetz sind zwischen drei Monaten und drei Jahren Gefängnisaufenthalt selbst für den Konsum vorgesehen. Die Praxis sieht freilich anders aus: Falls die Polizei den Fall überhaupt aufnimmt, sprechen die meisten Gerichte bei kleinen Mengen nur eine Verwarnung oder ein Bußgeld aus – es sei denn es kommen erschwerende Umstände hinzu. Wiederholungstäter sind anscheinend  auf der gesamten Welt ungern gesehen.

Niederlande

Konsum erlaubt, Besitz verboten. Faktische Legalisierung von Cannabis bei kleinen Mengen bis fünf Gramm. Strafen: Bei geringen Mengen keine. Größere Mengen können Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren und/oder eine Geldbuße zur Folge haben. Im- und Export Geschäfte bleiben gefährlich: Maximal vier Jahre Haft. In Coffee-Shops kann der interessierte Tourist Kostproben holländischer Drogenpolitik legal genießen. Maximal dürfen hier fünf Gramm erworben und mitgeführt werden. In diesen Läden ist der zulässige Handelsvorrat 500 Gramm, allerdings können die Kommunen geringere Mengen vorschreiben.

Norwegen

Der Konsum von Cannabis ist zwar nicht verboten, wohl aber der Besitz. Dann drohen Geldbußen, für Kultivierung oder Handel sogar zwei Jahre Freiheitsentzug. Der Im- und Export kann bis zu zehn Jahren einbringen. Die Strafverfolgungs-Praxis im Land ist hart.

Österreich

Konsum und Besitz von Cannabis sind zwar verboten, kleine Mengen werden von der Polizei aber meist geduldet. Von Bundesland zu Bundesland existieren zum Teil erhebliche Unterschiede – vor allem was die Reaktion der Polizei angeht. Bei geringen Mengen zum Eigengebrauch wird aber in allen Bundesländern von einer Anzeige abgesehen und der österreichische Einwohner muss sich einer einstündigen Beratung durch einen Arzt unterziehen. In Wien ist Cannabis beliebt – wie man hört gibt es dort keine Probleme mit der Polizei beim Konsum kleinerer Mengen. Ansonsten gilt hier wie überall: Anbau und Handel mit kleineren Mengen können mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden. Der Handel mit größeren Mengen wird dagegen in Österreich streng verfolgt, der Besitz größerer Mengen bestraft: Eine „große Menge“ sind zur Zeit mindestens 20 Gramm reines THC. Ab da gibt´s Saures: Drei bis fünf Jahre Haft.

Polen

Lange Zeit wusste die polnische Polizei gar nicht so recht was Cannabis ist und wie es riecht. Dies hat sich mit den Jahren zwar geändert, aber der Konsum von Cannabis wird in Polen für Touristen selten zum Problem. Rauchbarer Hanf ist relativ selten: Nur 2 Prozent der 15-16-jährigen Schüler und 5 Prozent der Schülerinnen probierten schon einmal Cannabis.

Portugal

Drogenkonsum und -besitz sind in Portugal seit kurzem keine Straftaten mehr. Kleinere Mengen zum persönlichen Gebrauch zu besitzen ist zwar verboten, wird aber nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die Strafen für mittlere Mengen reduzieren sich auf Bußgelder und Sozialarbeit. Aber: Einheimischen droht der Entzug der Fahrerlaubnis. Der Handel wird dagegen hart bestraft und das Dasein im portugiesischen Knast soll extrem ungemütlich sein: Zwischen 6 und 12 Jahren gibt´s aufgebrummt.

Schweden

Hier ist alles verboten was Spaß macht. Konsum, Erwerb, Besitz jeglicher illegaler Substanzen. Die Strafen sind hart. Die Polizei konfisziert radikal selbst Rauchgeräte und andere Paraphenalia. Delikte werden nach drei Gruppen kategorisiert: Klein, einfach und schwer. Schon kleine Vergehen werden mit bis zu 6 Monaten Ansicht der landeseigenen Gardinen belohnt, einfache Vergehen mit bis zu drei Jahren, schwere Vergehen mit bis zu zehn Jahren. Die Menge und der Typ der Droge spielen die entscheidende Rolle für die Kategorisierung und das Strafmaß. In der Praxis wird bei sehr geringen Mengen von Cannabis von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen. In größeren Städten wie Stockholm und Göteborg wird bei dem Besitz kleiner Mengen Cannabis und deren Konsum dieser nicht durch die Staatsanwaltschaft interveniert. Aber verlassen kann man sich auf die Gnade der Polizei nicht. In Schweden heißt es so oder so äußerst vorsichtig zu sein: Jeder zweite Gefängnisinsasse in Schweden sitzt wegen eines Verstoßes gegen die Drogengesetze.

Schweiz

Das wird ein Ski-Urlaub! Ab 2001 schien Cannabis fast legal, aber seither wird zwar kräftig angebaut, aber das ist dann doch nicht so richtig erlaubt. Auch in den legendären Duftkissli-Läden gibt es immer wieder Razzien. Wer mit ein wenig Gras in der Tasche erwischt wird, dem droht aber kaum Ungemach in der Schweiz.

Spanien

In Spanien kann gerade im privaten Rahmen entspannt gekifft werden. Das Land unterscheidet zum einen zwischen „harten“ und „weichen“ Drogen, zum anderen sind Konsum und Besitz zum Eigengenuss für beide Substanzgruppen entkriminalisiert. Seit 1991 werden Ordnungsbußen für das Kiffen in öffentlichen Einrichtungen und den Besitz von Cannabis verhängt – in der Praxis geschieht dies selten. Nur der Anbau, der Handel und die Anstiftung zum Konsum von Cannabis ist strafbar. Wem das Gericht nachweist, dass er mit Cannabis gehandelt hat, dem drohen zwischen 3 und 6 Jahren Gefängnis.

In den diversen Touristenhochburgen des Landes, aber auch in den abgelegenen Teilen des Halbinsel herrscht lockeres laissez faire. Marokko liegt nicht weit entfernt, dem entsprechend gibt´s mit guten Connections auch feine Ware. Die Grenze für die Menge des persönlichen Gerbrauchs ist festgelegt: 50 Gramm Haschisch (wenn denn die öffentliche Gesundheit nicht gefährdet war). Erst darüber gibt es Ärger mit den Hombres.

Tschechien

25 Prozent der 15-16-jährigen Schüler und 18 Prozent der Schülerinnen probierten schon mindestens einmal Cannabis. Der persönliche Cannabiskonsum und Besitz kleinerer Mengen wird nicht bestraft. In den vielen Clubs in Prag zirkuliert weiterhin der freundliche Nebel.

Ungarn

Hanf hat in Ungarn Tradition. Liegt es daran, dass hier der Besitz kleiner Mengen kaum verfolgt wird? Erst bei größeren Mengen setzt sich das Mühlwerk der Justiz in Bewegung.