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Buch: Abenteuer Künstliche Intelligenz

Soldaten mit Hirnschrittmacher

Erschienen in der Telepolis
Von Jörg Auf dem Hövel

Warum das Pentagon die Entwicklung von Gedächtnis-Chips finanziert

Vergangenen Dienstag hat das US-Verteidigungsministerium eine Finanzspritze für zwei universitäre Forschungsabteilungen genehmigt, die Hirnimplantate gegen Gedächtnisstörungen entwickeln sollen. Offizielles Ziel ist die Behandlung von verletzten Soldaten aus den Kriegen im Irak und Afghanistan. Viele haben sich dort ein leichtes oder schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Die Langzeitfolgen sind Apathie, Leistungsminderung, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Gedächtnislücken.

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Buch: Abenteuer Künstliche Intelligenz

Abenteuer Künstliche Intelligenz, Auf der Suche nach dem Geist in der Maschine, Auszug aus Kapitel 5

 

Jörg Auf dem Hövel

Abenteuer Künstliche Intelligenz

Auf der Suche nach dem Geist in der Maschine

 

Auszug aus Kapitel 5:

Zivilisationshype: Amerikanische Träume
Was die Forscher am MIT so stark macht und was sie in die Irre treibt. Mit Joseph Weizenbaum in der Hotellobby.

 

Die Fahrstuhltür schiebt auf und heraus kommt ein rotes Tuch. Einigen Autoritäten schwillt der Kamm, wenn das Gespräch zu ihm und seinen Ansichten führt, andere halten ihn für die Kassandra eines Fachbereichs, wieder andere erheben ihn zu dem KI-Philosophen, weil er die Amoralität einer Branche aufgedeckt. Die wenigsten aber winken gelangweilt ab, denn der Mann ist eine lebende Legende, einer der wenigen Gelehrten der Informatik und Künstlichen Intelligenz, der weit über die Grenzen des Forschungsgebiets prominent ist. Dementsprechend werfe ich mich in der Hotellobby verbal auf die Knie, was ihn mehr irritiert denn kalt lässt. Er hilft mir auf, ich stammle noch was von „eine Ehre Sie hier zu treffen…“, dann gehen wir zur Sitzgruppe über.

Mir gegenüber sitzt Joseph Weizenbaum, unter dessen Namen in Fernsehinterviews oft das Wort „Computerpionier“ flackert – er arbeitet bereits 1955 am ersten Computersystem für die Bank of America mit. Als er zwischen 1964 und 1966 die Tastatur-Psychaterin ELIZA programmiert ahnt er nicht, dass selbst einige seine Kollegen das Programm für voll nehmen werden. Der Schock darüber wirkt bis heute nach. Eine Maschine mit menschlichen Eigenschaften? Das ist für Weizenbaum seit ELIZA nur ein Kategorienfehler des Betrachters.

Wir wärmen uns mit einen Plausch über den letzten Streifen von Steven Spielberg auf, der den programmatischen Titel „A.I.“ trägt. „Etwas über A.I. lernen kann man durch den Film nicht, es geht um eine rührige Mutter-Kind Beziehung“, ärgert sich Weizenbaum. Ich frage nach der vorbehaltlosen Liebe gegenüber seiner menschlichen Mutter, die dem Jungen einprogrammiert ist, Weizenbaum lächelt neckisch: „Ach, wissen Sie, bedingungslose Liebe, die haben wir ja bereits in dieser Welt: Wir nennen es Hund. Ob wir das noch mal als künstliches Produkt brauchen? Ich bin da unsicher.“

Das Schlagwort der Künstlichen Intelligenz wird seit der historischen Konferenz 1956 in Dartmouth von einem Glatzkopf visualisiert, an dem sich alle behaarten Antagonisten reiben können, Marvin Minsky. Um es vorweg zu nehmen: Vieles, ja, fast alles, was heute von den Primadonnen der Künstlichen Intelligenz wie Hans Moravec und Ray Kurzweil als neue Hauptspeise auf der Menukarte publiziert wird, ist eine aufgewärmte Suppe, welche der Meisterkoch des Posthumanismus schon vor 40 Jahren erhitzt hat.

Um ehrlich zu bleiben, ja, dieses Kapitel will ihnen diese Suppe versalzen, sich der Demontage des Gerüsts widmen, das die sogenannten „KI-Päpste“ hochgezogen haben. Aber vielleicht kommt es ja ganz anders. Eine Demontage kann auf zweierlei Wegen geschehen. Zum einen kann die Unmenschlichkeit der Entwürfe heraus gearbeitet werden; eine Aufgabe, der sich Ethik-Liebhaber wie der Mann in der Hotellobby verschrieben haben. Leider interessiert Ethik diese spirituellen Führer kaum. Darum ist es sinnvoll, sie dort abzuholen, wo ihre interne Logik greift, ihnen das Heimspiel anzubieten und mit ihnen gemeinsam das Match nach ihren Regeln zu spielen.

Gemeinsam mit John McCarthy gründet Marvin Minsky 1959 das KI-Labor am schon damals renommierten, zungenbrecherischen „Massachusetts Institut for Technology“, kurz MIT. Ist die Wahl dieses Ortes Zufall? Nein, sie konnte gar nicht anders ausfallen. Schon ab dem 18. Jahrhundert ist der Bundesstaat Massachusetts mit seinen Universitäten in Boston und Harvard das geistige Zentrum Nordamerikas. Von dort aus predigt zunächst der Pfarrer Jonathan Edwards seine Philosophie, die im Anschluss an Augustinus alles Geschehen als „god´s acting“ betrachtete. Später soll es wissenschaftlicher zugehen, und das MIT und die Philosophie des Pragmatismus erleben zusammen ihre erste Blüte. Es mutet seltsam an, dass sich kaum einer der frühen und heutigen MIT-Koryphäen der Tatsache bewusst ist, dass die Steine ihrer Universität mit dem heißen Geist der Philosophie eines William James gebacken sind.

Minsky und seine Nachfolger predigen die Anti-Philosophie, stellen jede Reflektion über Sein und Werden als okkulten Humbug dar, als ob nicht auch der Fluss ihre Sätze in das Bett einer sozialen Umwelt eingebettet ist. In einer rhetorisch fantastischen Umkehrung nennt Minsky Philosophie und Religion „einen Aberglauben“, dessen Akzeptanz dazu führe, das man sich um die „Chance des ewigen Lebens“ betrügen würde. Aber: Die gesamte technische Theorie der Amerikaner wurzelt tief in der Philosophie von William James, John Locke und David Hume, die ihrerseits wiederum in Francis Bacon wurzeln. Und dort, wo nix wurzelt, existiert zumindest eine Grundeinstellung, die in der Natur einen zu besiegenden Gegner sieht, der dem Planwagen-Treck des Fortschritts im Wege steht. Wer aber ist dieser William James?

Im Hörsaal herrscht dichtes Gedränge, Akademiker und Studenten, aber auch interessierten Laien feiern den Philosophen William James wie einen neuen Propheten. Nur 20 Gehminuten vom MIT-Campus entfernt, an der Harvard Universität, hält James 1907 seine umjubelten Vorlesungen zum Pragmatismus. Was ist es, was diese Denkschule so attraktiv macht? Hume hat es einmal in aller wünschenswerten Klarheit ausgedrückt:
„Nehmen wir ein beliebiges theologischen oder metaphysischen Werk zur Hand und fragen wir: enthält es irgendeine theoretische Untersuchung über Quantität oder Zahl? Nein. Enthält es irgendeine experimentelle Untersuchung über empirische Tatsachen? Nein. Nun, dann werfe man es ins Feuer, denn dann kann es nur Sophistik und Spiegelfechterei enthalten.“

Seither gleichen sich die bis zur Ermüdung wiederkehrenden Leitmotive des pragmatischen Denkens: Die Erfahrung ist der Koran, in dem alle Wahrheiten aufgezeichnet sind. Die wissenschaftliche Methode schlechthin ist dabei die Induktion, dass heißt der Schluss vom besonderen Einzelfall auf das allgemein Gültige, das Gesetzmäßige. Die Induktion ist die möglichst lückenlose Beweisführung, die alle Widerlegungen im Keim erstickt.

Eine Grundfrage der Philosophie, nämlich die nach der Wahrheit, beantwortet James forsch: Das Kennzeichen der Wahrheit sei ihre Nützlichkeit. Folglich sei Wahrheit die Summe dessen, was vom menschlichen Kollektiv als nützlich anerkannt worden ist. „Die verschiedenen Arten, wie wir empfinden und denken“, sagt James, „sind so geworden, wie wir sie kennen, wegen ihres Nutzens für die Gestaltung der Außenwelt.“ Es ist schnell bemerkt worden, dass dieser Konzeption mehr als nur ein Hauch von Darwin anhaftet, sie läuft Gefahr, das Opportune für das Legitime zu halten. Ein Baum, so kann man den Pragmatismus verdichten, ist dazu da um uns Früchte zu schenken.

Ganz klar, in James und dem Pragmatismus verkörpert sich die Neigung der Neuen Welt zum Unmittelbaren, Gegenwärtigen und Praktischen. Zugleich wird ein markanter Charakterzug deutlich, den Hans-Joachim Störig „skeptische Unbefangenheit“ nennt. Diese hält sich möglichst alle Optionen offen und ist zugleich immer bereit, die Möglichkeiten bis an ihr Ende zu denken. Es ist eben dieser stets nach vorne gerichtete „Westwärts!“-Optimismus, der die amerikanischen Wissenschaften so erfolgreich macht. Eng damit verbunden ist die Ablehnung der Herleitung der realen Welt aus irgendeinem grundlegenden Prinzip. Und wo kein grundlegendes Prinzip mehr herrscht, steht es dem Menschen frei, die Welt nach seinem Willen und seinen Kräften zu formen. Jedwede Intuition, das Gefühl, spielt für dieses Denken und die wissenschaftliche Erkenntnis keine Rolle. Das sind Blasen und Schäume, die im frommen Waschbecken zu blubbern haben, denn nach James haben die Gefühle nur eine Funktion: Sie führen zur Religion.

Und noch etwas liegt dieser Perspektive zugrunde: Das konstant und immer wirkende Prinzip einer linearen Kausalität, wonach jede Wirkung eine Ursache hat. Seine letzte Reinform hat dieses Prinzip, wie beschrieben, im Behaviorismus gefeiert. Input – Operation – Output sind die Modi einer Maschine, und es liegt gedanklich nahe, dass auch lebende Wesen nach diesem Schema funktionieren.

 


„Mens et Manus.“ Das von privaten und industriellen Kräften finanzierte „Massachusetts Institute of Technology“ zeigt in seinem 1864 entworfenen Siegel, wohin die Reise gehen wird – Hand und Hirn sollen fruchtbar zusammenarbeiten. Damit ist nicht nur die für Europa ungewöhnliche enge Verbindung von Industrie und Wissenschaft symbolisiert, in dem Logo lebt auch die cartesianische Trennung von Körper und Geist weiter.
Über Minsky, heute über 70 Jahre alt, zerreißen sich seit Beginn seiner Karriere die Medien das Maul. Dies liegt weniger an seinen wissenschaftlichen Verdiensten, als vielmehr an seinen Sentenzen zur Zukunft der Menschheit. Dabei könnte die Kluft zwischen den Leistungen seines MIT-Labors und seinen Vorhersagungen nicht größer sein. Ende der 60er Jahre stellt sein Team einem Roboter eine schlechterdings kinderleichte Aufgabe. Mit einer Kamera und Greifarmen ausgerüstet soll die Maschine aus Bauklötzchen einen Turm bauen. Die Forscher staunen selbige, als der Roboter mangels gesunden Menschenverstands anfängt den Turmbau an der Spitze zu beginnen. Die Verfolgung des programmierten Pfads führt zum ungenauen Ablegen der Klötze, zudem haben die Kamera-Augen Probleme bei dem Erkennen von hinter- oder übereinander liegenden Objekten. Der Fehlschlag hält Minsky nicht davon ab, vom Debugging evolutionärer Fehlkonstruktionen im Menschen zu fabulieren. Und obwohl seine Predigten abstrus erscheinen, frohlockt die junge KI-Gemeinde, setzt Minsky ins virtuelle Papamobil und schiebt ihn durch die Straßen des Erfolgs. Davon angespornt verstrickt er sich mit der Zeit in seinen flammenden Reden immer tiefer in die Verkündung des Techno-Evangeliums. Was aber erzählt der Mann?

Die Grundannahme Minskys ist die der sogenannten „harten KI“: Zwischen dem Denken im menschlichen Hirn und der Informationsverarbeitung in der Maschine besteht kein Unterschied. Auf Basis dieser Prämisse klackert seit Geburt der klassischen, harten KI, ein Satz durch die Gebetsmühle: Die Konstruktion eines Maschinengehirns scheitert nur an technischen Unzulänglichkeiten.

Kollegenschelte ist unbeliebt und so hält sich Joseph Weizenbaum zurück. Das Gespräch verläuft schleppend, was wohl daran liegt, dass er fast alle meine Fragen an anderer Stelle schon einmal beantwortet hat, trotzdem überlegt er vor jeder Antwort verdammt lange. „Wissen Sie“, fängt er an, „Marvin und ich sind trotz unserer Differenzen gut befreundet, auch wenn er Lust auf seltsame Scherze hat. In einer öffentlichen Podiumsdiskussion wurde er einmal gefragt, was er von einem gewissen Argument von mir hält. Seine ernste Antwort war sinngemäß, dass man zunächst einmal wissen muss, dass ich Kommunist sei“. Weizenbaum muss selber lachen, obwohl so eine Zumutung in den USA wahrlich kein Scherz ist. Als Weizenbaum ihn später auf den Vorfall anspricht, winkt Minsky nur lachend ab und sagt: „Ach, du kennst mich doch.“

(…)

Aber zurück zum missionarischem Eifer des 21. Jahrhunderts. Es ist anzunehmen, dass die Utopie der totalen Beherrschung der Natur und des Menschen, wie alle bisherigen Utopien, nicht an ihren Gegnern, sondern an ihren eigenen Widersprüchen und ihrem Größenwahn scheitert. Auf der anderen Seite steht die Tatsache der technischen Evolution. Je mehr das technische Vermögen anwächst, um so selbstbewusster wird das ingenieurhafte Bewusstsein. Damit werden seit jeher die Fantasien beflügelt, welche die Metamorphose des irdischen Raums in eine perfekte, maschinale Ordnung anstrebt. Dass Gott, wenn es ihn denn gibt, ein Mathematiker sein muss, ist seit Platon Idee, seit dem 17. Jahrhundert technisch unterfütterte Überzeugung. Und das wiederum heißt, dass das Wesen der Welt nur in einem mathematischen Code aufbewahrt sein kann.

Der Einzug der maschinalen Ordnung in den Raum der Natur zeigt die stete Hoffnung, dass diese sich dem Zugriff der gestaltenden, gottähnlichen Potenz des Menschen nicht entziehen wird. „Tut sie aber doch“, wird der Liebhaber natürlicher Wildnis jetzt einwenden, „und zwar vor allem dort, wo sich die Technik gegen die Natur stellt und sich nicht ihren Gesetzen anpasst.“ Aus Sicht der Techno-Utopiker ist das vorsintflutliches Wehgeschrei, mystisch angehauchtes Gejammer, denn ihr Plan ist bestechend: Man beachtet die natürlichen Gesetze, indem man sie benutzt, weiterentwickelt und anschließend überwindet. Sie entwerfen eine „Theologie des Schleudersitzes“, der die Menschheit nicht nur aus ihren sozialen und ökologischen, sondern auch ihren spirituellen Bestimmungen rauskatapultieren soll.

Wenn auf der einen Seite die digitalen Evangelisten stehen, dann sind die ewigen Warner und Mahner, die stets behaupten, dass mit jeder neuen Entwicklung Sinnverlust und Uneigentlichkeit einher gehen, nicht weit. Aus obrigkeitsgeschwängerter Sicht gefährdet jedes neue Medium die Moral der Bürger. Vor der Lektüre von Romanen wird im 18. Jahrhundert ebenso vehement und mit denselben Argumenten gewarnt, die heute gegen das Fernsehen ins Feld geführt werden. Wohl gemeinte Ratschläge zur Bewahrung der Volksgesundheit sind die andere Seite. In einem frühen Fall von Technologiefolgeabschätzung warnt das „Königlich Bayrische Medizinalkollegium“ um 1835 vor den Gesundheitsrisiken beim Benutzen der Eisenbahn. In dem Gutachten heißt es: „Ortsveränderungen mittels irgend einer Art von Dampfmaschine sollten im Interesse der öffentlichen Gesundheit verboten sein. Die raschen Bewegungen können nicht verfehlen, bei den Passagieren die geistige Unruhe, <delirium furiosum> genannt, hervorzurufen.“ Seither muss dieses Beispiel für die Irrungen der Fortschrittsbremser herhalten. Das Problem dabei ist nur, dass neuere Forschungen ergeben haben, dass dieses Gutachten nie existiert hat, sondern schon damals von den Befürwortern der Eisenbahn eingesetzt wurde, um die Gegner lächerlich zu machen.

Bei genauerer Betrachtung waren die damaligen Ängste vor der Eisenbahn nicht unbegründet: Bei einem der ersten großen Zugunfälle kamen bei Belleville in Frankreich 50 Menschen ums Leben, im Jahre 1889 wurden allein in Deutschland 602 Personen bei Eisenbahnunfällen getötet, in den USA waren es nicht weniger als 6000 Tote und über 29.000 Verletzte. Zugleich war die Eisenbahn die erste Maschine, die wirklich öffentlich sichtbar wurde. Die Dampfmaschinen in den Fabriken kannte man nur vom Hörensagen, mit der Lokomotive wurde die neue Zeit greifbar. Ihre Schnelligkeit, ihre schier unaufhaltsame, schienengeleitete Fahrt machten sie zum positiv wie negativ besetzten Symbol. Politisch stand sie für die einen für Demokratie und Republik, die sich unter Volldampf durchsetzen würden, für die anderen für die eiserne Unerbittlichkeit, die alle althergebrachten Traditionen überrollt.

Bis zur Aufklärung wird Technik ohnehin nicht als Menschenwerk, sondern infernalische Innovation abgelehnt. Bis in das 16. Jahrhundert hinein gelten Technik und Magie als weitgehend identisch. Mit Beginn der Industrialisierung ändern sich die Argumente. Dahinter steht zum einen oft die begründete Angst, durch den technischen Fortschritt den Arbeitsplatz zu verlieren, zum anderen sind es apokalyptische Urbilder, die in den Technikmäklern nach oben gespült werden. Hier wirkt das mythische Modell des Zauberlehrlings, der die herbeigerufenen Geister nicht mehr los wird. Das Prinzip der Furcht gleicht sich seitdem: Die technisch perfekte Maschine überholt und beherrscht ihren Erfinder, den imperfekten Menschen. Selbst Karl Marx benutzt Metaphern, die die Industrie als monströses Ungeheuer darstellen.

Das Schlagwort des „Maschinenstürmers“ müssen sich heute alle diejenigen um die Ohren hauen lassen, die den ständigen Innovationen der Technik feindlich gegenüber stehen. Dabei ist bis heute umstritten, ob der „Maschinensturm“, diese prügelnde Protestbewegung von Arbeitern in England und auf dem europäischen Kontinent, nur eine blinde Aversion gegen das Neue oder ein Protest gegen das System der maschinell gestützten Arbeitsteilung war. Wahrscheinlich beides. Fest steht, dass der Einzug der Maschinen in die Fabriken von den Arbeitern des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts nicht zwangsläufig als bedrohlich angesehen wurde. Die Opposition war erst dann besonders ausgeprägt, wenn die Meister, Unternehmer und Fabrikanten die Webstühle, Druckerpressen und Förderanlagen dazu nutzten, herkömmliche Qualitätsstandards zu senken und die Löhne zu drücken.

Auf der anderen Seite rüttelte die Kraft der Maschine an den vertrauten Statusgrenzen der ständischen Ordnung. Die spannende Frage von heute ist nun, welche Grenzen die Wissenschaft und Praxis von der maschinellen Intelligenz überschreitet. Auch ihr wird die Kraft zugesprochen (zu) schnelle Veränderungen herbeizuführen. Traditionen behindern nicht nur Fehlentwicklungen, sondern Entwicklungen überhaupt. Aber welche Traditionen sind in Gefahr? Aus Sicht der Kritiker stehen die humanistischen Traditionen auf dem Spiel, aus Sicht der Förderer nur der Größenwahn des Menschen, der nicht einsehen will, dass auch er nur ein wohl geordnetes Prinzip ist, eine chemisch-physikalisches Verfahren, das damit prinzipiell nachbaubar ist.

(…)

 

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Abenteuer Künstliche Intelligenz Auf der Suche nach dem Geist in der Maschine Auszug aus Kapitel 2:

 

Jörg Auf dem Hövel

Abenteuer Künstliche Intelligenz

Auf der Suche nach dem Geist in der Maschine

 

Auszug aus Kapitel 2:

Erste Zwischenlandung: Schach matt!
Das 8×8 Felder große Universum, Alan Turing und die Geburtsstunde der Künstlichen Intelligenz.

(…)

Übersichtlicher ist es, die Idee der Mechanisierung von menschlicher Intelligenz von der Möglichkeit ihrer praktischen Realisierung zu unterscheiden. Mit einfachen Worten: Rumspinnen kann man viel, wann aber rückte die Konstruktion von Maschinen mit Denkvermögen in greifbare Nähe? Wer legte als erster ein überzeugenden Konzept eines Apparats vor, der so schnell, so sicher und so flexibel denken und eventuell sogar handeln konnte wie ein Mensch? Erst ab diesem Zeitpunkt kann von Künstlicher Intelligenz gesprochen werden, alles andere ist Ebnung des Weges, Vorgeschichte, gleichwohl aber relevant, denn die frühen Idee der Mechanisierung des Menschen fungieren noch heute als Blaupause für die Konstruktion künstlicher Intelligenzen.

Ein Mann steht sicher im Pantheon der Wissenschaft von der Künstlichen Intelligenz. Ein Mann, der nicht als Romanautor, sondern als Mathematiker den Geist in die Maschine bringen sollte. Ein Mann, wie ihn die Geschichtsschreibung liebt: Vertrottelt, nachlässig gekleidet, ungeschickt im sozialen Umgang, exzentrisch, aber ein begnadeter Zahlenjongleur, der vom britischen Verteidigungsministerium in das Team berufen wurde, welches den Code der deutschen Funkspruch-Chiffriermaschine Enigma knacken sollte. Ein Homosexueller, der seine Leidenschaft vor seinen Kollegen verbergen musste, und von einem Gericht aufgrund einer publik gewordenen Affäre dazu verurteilt wurde, entweder ins Gefängnis zu gehen oder sich ein Jahr lang Östrogen zur Beruhigung seiner Libido injizieren zu lassen. Ein Mann, dessen Fähigkeiten so sehr überzeugten, dass er eine abhörsichere Verbindung zwischen Churchill und Roosevelt aufbauen sollte, ein Mann, den seine Kollegen als eifrig, wissbegierig, begeisterungsfähig, als zornig und einzelgängerisch empfanden. Ein Mann, der dafür sorgte, dass Männer wie Frederic Friedel heute ihre Brötchen verdienen, ein Mann, dessen verschiedene Schriften den Grundstein zur Informationstheorie, Informatik, neuronalen Netzen, Chaosforschung und vor allem zur theoretischen und praktischen Wissenschaft von der Künstlichen Intelligenz legten. Kurzum, eine wahre Geistesgröße, ein Genius und darum nicht von dieser Welt. Wobei das nicht einmal stimmt, denn der Mann war eine Sportskanone und wurde nur durch eine Verletzung davon abgehalten, als aktiver Teilnehmer zu den Olympischen Spielen zu reisen. Der geneigte Leser wird den Namen wissen, der Unbeleckte ihn schon gehört haben, der Oberschlaue hat das Buch eh schon aus der Hand gelegt: Alan Turing. Um ganz korrekt zu sein Alan Mathison Turing, der erste Hacker.

Universität Cambridge, 1935. Der 23 Jahre alte Turing sitzt in einer Vorlesung des Geometrie-Professors Maxwell Newman und hört, dass eine vom deutschen Mathematiker David Hilbert gestellte Frage noch immer ihrer Antwort harrt. Gibt es eine immer gültige definitive Methode oder einen Prozess, um zu entscheiden, ob eine aufgestellte mathematische Behauptung überhaupt beweisbar ist? Dies ist das sogenannten „Entscheidungsproblem“. Mit anderen Worten: Existiert ein Verfahren, das für jede Aussage deren Wahrheit beziehungsweise Falschheit feststellt? Turing setzte sich an sein Schreibpult und tat das, was er in seiner Freizeit mit seinen Freunden eh gerne tat – er knobelte. Turing beantwortet diese Frage und zeigte, dass das Problem unlösbar ist. Er weiß natürlich, dass es Fragen ohne Antworten gibt, die Frage nach dem Ursprung des Universums ist eine solche, die nach dem Sinn des Lebens ebenso. Auf der anderen Seite weiß er, dass es durchaus Probleme gibt, die sich eindeutig entscheiden, das heißt lösen lassen, beispielsweise arithmetische Aufgaben. Dies ist aber nicht das Brisante, denn Turing geht in seiner Antwort weit über das spezielle Problem hinaus, denn er liefert eine exakte Definition des Begriffs „Verfahren“. Er erkennt zunächst, dass die Kapazität eines Menschen für das Durchdenken eines solchen Prozesses allein durch die Zeit begrenzt ist. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, welche die abstrakte Frage im abstrakten Raum der Mathematik belassen, geht Turing allerdings davon aus, dass ein solches Verfahren ohne höhere Einsicht ausgeführt werden muss, um nicht zu sagen, rein mechanisch. Turing greift daher die Idee früher Rechenmaschinen auf und entwirft zur Lösung des Entscheidungsproblems eine theoretische Maschine, die das Hilbertsche Problem lösen soll.

 


Die Turing-Maschine
Warum sollte nicht, so Turing, eine Maschine existieren, die aus zwei Teilen besteht: Einem endlosen Papierstreifen, unterteilt in Felder, auf denen Symbole, beispielsweise das Alphabet, aufgedruckt sind und einem Lesekopf, der – sich nach links und rechts bewegend- die Symbole auf dem Papierstreifen lesen und löschen und wieder beschreiben kann? Turing denkt weiter: Der Papierstreifen darf nur eine begrenzte Anzahl von unbeschriebenen Feldern haben und zu jeder Zeit muss der Lesekopf in einer Position über dem Band schweben, die ihr das Lesen und Schreiben erlaubt. Eine simple Serie von Instruktionen treibt diese Maschine an: Ist-Zustand, Ist-Symbol, Neuer Zustand, Neues Symbol, links/rechts. Die Arbeitsweise einer Turing-Maschine wird durch diese sogenannte Maschinentafel bestimmt. Diese Tafel definiert für jeden möglichen Ausgangszustand der Maschine in Abhängigkeit von dem jeweils gelesenen Symbol eine bestimmte Operationsvorschrift. In dieser Vorschrift werden festgelegt: Der neue Zustand der Maschine, das neue Symbol, das die Maschine in das Feld schreibt, das sie gerade gelesen hat, sowie die Richtung, in der sich der Schreib/Lese-Kopf um ein Feld vorwärtsbewegt (links/rechts). Man mag es kaum glauben, aber mit diesem Regelset lässt sich theoretisch der Teil der Welt, der sich durch Berechnung erschließen lässt, durchkalkulieren. Theoretisch! Da die Turing-Maschine über keinen internen Speicher verfügt, benötigt sie selbst für eine einfache Aufgabe relativ komplexe Operationsvorschriften. Bei der Multiplikation von 3×4 führt die Maschine 323 Operationen aus, bis das Ergebnis feststeht. „Computer“, so wurden Anfang des 19. Jahrhunderts die Hilfskräfte mit ihren Rechenschiebern genannt, die nautische Berechnungen auf Basis umfangreicher Tabellen durchführten. So einfach sie auch ist, aus logischer Sicht hat die Turing-Maschine die Kraft eines heutigen digitalen Computers.

 

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Die ersten 13 Schritte der Turing-Maschine bei der Multiplikation von 3×4. Der gesamte Rechenverlauf ist unter zu bewundern. Die exakte Erklärung der vorgehensweise steht unter . Bei dieser Rechenaufgabe ist jede positive natürliche Zahl n durch den „unären Code“ dargestellt, das heißt als eine Folge von n+1 aufeinanderfolgenden Einsen. Die Zahl 3 wird so als 1111 kodiert, wobei jede 1 in einem eigenen Feld steht. Der Vorteil der unären Codierung liegt darin, daß so Verwechslungen der Null mit leeren Feldern vermieden werden, denn die Null wird durch 1 kodiert. Im ersten Schritt rutscht der Schreibkopf ganz nach rechts und schreibt eine 1. In einem zweiten Schritt hängt der Turing-Maschine für jede „1“ der ersten Zahl (bis auf die erste) alle 1-en der rechten Zahl (bis auf die erste) rechts an. W, X und Y und Z sind nur Markierungen, um sich zu merken, was schon kopiert wurde und was noch nicht.

 

Es ist die Korrespondenz dreier Faktoren, welche die Einzigartigkeit des Entwurfs von Turing ausmachen: logische Instruktionen, das menschliche Denken und die Aktion einer virtuellen, im Prinzip aber baubaren Maschine. Die damit verbundene Definition einer definitiven Methode ist der Durchbruch für die Idee der mechanischen Berechnung – der maschinell abarbeitbare Algorithmus, die Software, ist geboren. Mit einem Regelset ausgestattet kann diese mythische Maschine eine unbegrenzte Anzahl von Rechenaufgaben lösen, um nicht zu sagen: Jedes Problem, für welches es eine Lösung gibt, stellt für die Turing-Maschine kein Problem dar. Der Clou: Bei einem unlösbaren, weil nicht berechenbaren Problem hält die Maschine einfach an oder rechnet für ewig, unermüdlich den Papierstreifen verarbeitend. Aber das Grauen einer jeden Theorie, nämlich die Anwendung auf sich selbst, übersteht diese theoretische Maschine nicht: Sie selbst ist ein Beispiel für eine nicht lösbare Aufgabe, denn ein unendliches Band, wer will das herstellen?

Jeder Schüler zerlegt eine kompliziertere Rechenaufgabe in Einzelschritte und arbeitet sie einzeln und nacheinander, sequentiell, ab. Turings Gedankenmaschine leistet genau das. Das Schöne für Mathematiker: Die rechnerische Leistung seiner Maschine ist nicht zu übertreffen, denn Turing trieb die Zerlegung algorithmischer Prozesse in einfache Schritte an die äußerste Grenze. Sie geben ein Statement ab und wollen wissen, ob es wahr oder falsch ist? Nicht denken, nicht diskutieren, die Lösung liegt in der Auflösung in die kleinstmöglichen Bestandteile und deren mechanischer Verarbeitung. Damit zieht zugleich der technisch fundierte, binär codierte Pragmatismus in das Denken der zukünftigen Techno-Elite ein. Darum steht Alan Turing so sicher im Pantheon, denn er erbrachte die Definition von Berechenbarkeit mit Hilfe der Beschreibung des mathematischen Modells eines mechanischen Apparates. Zugleich fielen seine Ideen in eine Zeit, in der die technische Realisierbarkeit seiner Entwürfe in naher Zukunft möglich schien. Nicht mehr klickernde Zahnräder sollten summieren und subtrahieren, sondern elektronische Bauteile, die schnell und sicher mit nur zwei Werten hantierten, 0 und 1. Die Idee der Berechenbarkeit menschlicher Intelligenz steht und fällt mit dem binären Code.

Aber soweit ist es zunächst noch nicht. Turing veröffentlicht seine Ideen und ist fasziniert von dem Gedanken nicht nur das Rechnen, sondern auch andere Aktivitäten des menschlichen Verstands mit der von ihm erdachten universellen Maschine repräsentierten zu können. Die Vorstellung ist revolutionär: Eine Maschine, die jedes Problem in seine Bestandteile zerlegt und damit entzaubert, der absolute Zerhäcksler, eine Maschine für alle nur denkbaren Aufgaben. Denn obwohl seine Ausführungen zum Hilbertschen Entscheidungsproblem die Grenzen des Berechenbaren gezeigt haben, ist er als Forscher naturgemäß eher davon angezogen was ein praktisch realisierte Turing-Apparat wohl alles berechnen könnte, als davon, was er nicht kann. Die dahinter stehende Frage ist nur: Was alles ist berechenbar? Gibt es unzerlegbare Probleme? Turing weiß nur zu gut, dass er damit an den Grundfesten der Philosophie rüttelt, und hält sich zunächst bedeckt. In einem weiteren Aufsatz lässt er die Tür für das Unberechenbare noch einen Spalt offen. Die menschliche Intuition könnte, so Turing, das sein, was in einer mathematischen Argumentation als nicht-berechenbarer Schritt gilt.

Etwas Geschichte, um den spannenden Stoff etwas trockener zu gestalten? Im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Nachrichtentechnik sprunghaft, elektronische Technologie galt als schnell und zuverlässig. Konrad Zuse baute 1941 seinen Z3-Rechner noch mit schwerfälligen, aber preiswerten Relais. In den USA ging der erste Computer 1944 in Betrieb; „Mark I“ bestand aus 3304 Relais und einem überwiegend mechanischen Rechenwerk, das sogar noch im Zehnersystem arbeitete. Schon damals spielte „Big Blue“ seine Rolle: Eine großer Teil des Projekts wurde von IBM finanziert. Zwei Jahre später wurde ein 20 Tonnen schweres Monster mit dem Namen „Eniac“ geboren, in welchem bereits 18.000 Vakuumröhren dampften. Für Turing waren diese Fortschritte deutliche Zeichen dafür, dass sein virtueller Computer Praxis werden kann. 1944 spricht er gegenüber seinen Kollegen Donald Bayley zum ersten Mal davon „ein Gehirn zu bauen“.

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IX Rezension zu: Jörg Auf dem Hövel Abenteuer Künstliche Intelligenz

 

IX. Magazin für professionelle Informationstechnik 8/2003 Rezensionstext IX 8/2003

 

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De:Bug Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz

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BUCH

Jörg Auf dem Hövel will so etwas sein wie der Peter Lustig der Künstlichen Intelligenz, kurz KI. Jemand, der sich ein bischen dumm stellt, um damit dem Geist der Maschinen auf die Spur zu kommen, jemand, der nicht am Schreibtisch vor sich hinwerkelt, sondern die Wohnwagentür auf und sich auf den Weg macht, um mehr zu entdecken. Seine Entdeckungsreise bringt ihn zu einem Stammtisch des Mensa-Intelligenzadels, zum Erfinder des Schachprogramms Fritz, in eine schalldichte, dunkle Wanne voller Salzwasser, die Kenner auch Isolationstank nennen, zu Schweizer KI-Forschern, in Kontakt mit Legos Mindstorms-Robotern und ins Gespräch mit Joseph Weizenbaum, dem er ein paar Überlegungen zu Star Trek entlockt. Manchmal wünscht man sich fast, Auf dem Hövel wär ein bischen strukturierter an die Sache herangegangen und hätte ein bischen weniger frei in der Gegend herumassoziert. Dann aber zitiert er Bügeleisen-Gebrauchsanleitungen („Die Kleidung nicht während des Tragens bügeln“), um unser Bild humaner Intelligenz mal wieder auf den Teppich zu bringen und es wird klar: Dies ist zwar kein Kompendium, aber dafür eben ein netter, interessanter Streifzug durch die Welt der KI.

+ + + +
Janko Röttgers

+ = NEIN / + + + + + = JA

De-Bug Nr.76, November 2003

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Chessbase Rezension Jörg Auf dem Hövel Abenteuer Künstliche Intelligenz

Chessbase-Logo und Link zu Chessbase

Schwarze Schuhe, weiße Socken

Wäre „Abenteuer Künstliche Intelligenz“ von Jörg Auf dem Hövel kein Buch, sondern ein Film, so wäre es wohl ein Roadmovie. Der Autor hat sich auf eine Reise in die Welt der „Künstlichen Intelligenz“ eingelassen und dabei eine Reihe von Personen besucht, die sich mit ganz verschiedenen Dingen befassen, aber alle mit dem Thema zu tun haben. So nebenbei reflektiert der Erzähler über Geschichte und Philosophie der maschinellen Intelligenz, ohne historisch oder philosophisch zu werden, eher literarisch. Wie gut dieses Buch ist, sieht man gleich daran, dass die erste Station der Reise ein Hamburger Hersteller für Schachsoftware ist, wie aufmerksam der Autor, daran, dass er unter anderem bemerkte, dass dort etwas mit den Schuhen und Socken nicht stimmte.

„ChessBase hortet heute knapp 2 Millionen historische Partien in seiner Datenbank. Data Mining ist hier das Stichwort, aus riesigen Datenmanegen werden gesuchte Inhalte gefunden und verknüpft. … In dem Bürokomplex sieht es eher aus wie in einer Spedition als in der Schmiede des besten Schachprogramms der Welt. Keine Pflanzen, die Kaffeemaschine setzt Flecken an. Industrielle Auslegeware in Mausgrau, und ich bin dankbar, dass dieser Schuppen so wenig mit den Cyber-Start-ups der Rush-Ära gemein hat. Direkt ans Büro angeschlossen sind Lager und Poststelle, im Lager packt eine Frau Kartons. Die meisten scheinen hier schon Jahre zu arbeiten. Friedel stellt seine Mitarbeiter vor. Sein Kompagnon Wüllenweber, ein Zwei-Meter-Schlacks, sieht aus wie alle anderen hier. Typische Nerds mit ihren notorischen Absagen an modische Feinheiten. Intelligente Gesichter, man grüßt schüchtern, aber freundlich. Friedel selbst trägt weiße Tennissocken zu den schwarzen Straßenschuhen…“

Schach als Prüfstein der so genannten Künstlichen Intelligenz, ein Begriff, der nicht nur aber vor allem Computer und Roboter meint, ist der Ausgangspunkt der Reise. Sind Computer intelligent, wenn sie besser als der beste Mensch Schach spielen, ist eine zentrale Frage. Frederic Friedel und Matthias Wüllenweber, die ersten Gesprächspartner auf der Reise des Autors erklären, wie Schachprogramme funktionieren und warum sie nicht intelligent sind, obwohl sie so gut Schach spielen wie die besten Menschen. Vom Schach spielenden Computer ist man schnell bei Alan Turing. Er hat beides erfunden, nicht Schach, aber den Computer und noch vorher das erste Schachprogramm. Seine „Turingmaschine“, 1936 erstmals von ihm beschrieben, ist die Idee des Computers. 1941 baute Konrad Zuse seine erste Z3, 1944 wird in den USA der „Mark I“ gebaut, eine Rechenmaschine mit 3304 Relais. 1946 folgt ENIAC. Turing baut in Bletchley Park seine „Bombas“, mit denen er die Entzifferung der deutschen Chiffriermaschine Enigma automatisiert. Unabhängig von Turing entwickelt auch Claude Shannon die Idee einer Schach spielenden Maschine. Dies und mehr erfährt der Leser, wenn Jörg Auf der Hövel zwischen den Stationen seiner Reise die Geschichte der „Künstlichen Intelligenz leichtfüßig über die Seiten fließen lässt und sich auf Spurensuche begibt: Bei Leibnitz, E.T.A Hoffmann, Asimov oder Marvin Minsky. Auch Kurioses gibt es zu berichten, zum Beispiel, dass ein Roboter es deshalb nicht schaffte, einen Turm zu bauen konnte, weil er immer oben anfangen wollte. Macht Spaß zu Lesen!

Jörg Auf dem Hövel: Abenteuer Künstliche Intelligenz,
discorsi ISBN 3-9807330-4-1, 14 Euro

Aus den Chessbase News

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Mac Profiler Rezension von Jörg Auf dem Hövel: Abenteuer Künstliche Intelligenz

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FACHLITERATUR

Künstliche Intelligenz

>> Auf eine ganz besondere Reise nimmt der Publizist und Geisteswissenschaftler Jörg Auf dem Hövel seine Leser mit, die grobe Himmelsrichtung ist „Künstliche Intelligenz“. Ein Computerbuch sollte man jedoch nicht erwarten. Das Thema Computer umkreist der Autor eher sehr weiträumig anhand von Anekdoten, Paradoxiene und philosophischer Betrachtungen über künstliche Intelligenz. Auch wenn er die Geschichte der künstlichen Intelligenz beschreibt, in Forschungslabors schaut oder in die Zukunft intelligenter Automaten blickt, ist der geisteswissenschaftliche Blickwinkel des Autors nicht zu übersehen.
Ein intelligentes und ein bisschen verrücktes Buch, das um ein paar Ecken zu verblüffenden Perspektiven auf den Computer verhilft. (il)

Mac Profiler 12/2002

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RTV Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz

BÜCHER

Gibt es eines Tages eine Maschine, die denkt, fühlt, redet & sich selbst erkennt? In Amerika, Europa & Asien wird fleißig daran gebastelt. Der Hamburger Autor zieht hier Zwischenbilanz: fachkundig, neugierig, hochinformativ & zugleich unterhaltsam. Eine seltene Mischung.“

RTV, 22/2003

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FAZ Rezension Joerg Auf dem Hoevel Abenteuer Kuenstliche Intelligenz

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BUCHBESPRECHUNG

Was ist Intelligenz?

13. Mai 2003 Es ist ein uralter Wunsch des Menschen, eine „intelligente“ Maschine zu bauen, die denkt, fühlt, redet und sich selbst erkennt. Diese Vorstellung birgt ebensoviel Schrecken wie Faszination. Können Maschinen überhaupt „denken“ oder Computerprogramme so etwas wie ein Bewußtsein entwickeln? Ist Bewußtsein die Voraussetzung für Intelligenz? Wer sich auf das „Abenteuer Künstliche Intelligenz“ einläßt, wird schnell mit einer ganzen Reihe philosophischer Fragen konfrontiert. Einfache Antworten gibt Jörg auf dem Hövel nicht – wohl aber eine Reihe ebenso geistreicher wie amüsanter Denkanstöße. Auf dem Hövels spannende Reise folgt den Spuren der Künstlichen Intelligenz (KI) von ihren Anfängen bis heute. Anschaulich und unterhaltsam eröffnet er dem Leser einen Blick in die Forschungslabore. Noch fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Der Faszination des Themas tut dies jedoch keinen Abbruch. Die frühen Pioniere der KI wie Alan Turing, Claude Shannon oder Norbert Wiener stellten die rationale Intelligenz in den Vordergrund und entwickelten erstaunlich „intelligente“ Schachcomputer. Viele alltägliche Dinge – wie etwa das Überqueren einer Straße – sind jedoch eine komplizierte Abfolge koordinierter Aktivitäten. Beim Versuch, diese Abläufe detailliert zu berechnen, scheitert der rein rationale KI-Ansatz an den Grenzen der Rechenleistung. Erst in den achtziger und neunziger Jahren entdeckten die Forscher den Körper als Träger einer eigenen Intelligenz. Trotzdem weiß bis heute niemand, wie menschliche Intelligenz funktioniert. Aber das sich mehrende Wissen schürt die Hoffnung der KI-Anhänger, daß ihre Rekonstruktion der Intelligenz in greifbare Nähe rückt. Mit der Konstruktion denkender Maschinen will der Mensch vor allem sich selbst erkennen. Paradox ist allerdings, daß er mit der Erschaffung eines Ebenbilds gleichzeitig die Einzigartigkeit seines Menschseins zerstört: Auf dem Hövel hat ein lehrreiches Buch mit vielen Anhaltspunkten zum Nachdenken geschrieben, das auch für den Technik-Laien verständlich ist.

MICHAEL SPEHR

FAZ vom 13. Mai 2003