Erschienen in der Telepolis
Von Jörg Auf dem Hövel
Warum das Pentagon die Entwicklung von Gedächtnis-Chips finanziert
Vergangenen Dienstag hat das US-Verteidigungsministerium eine Finanzspritze für zwei universitäre Forschungsabteilungen genehmigt, die Hirnimplantate gegen Gedächtnisstörungen entwickeln sollen. Offizielles Ziel ist die Behandlung von verletzten Soldaten aus den Kriegen im Irak und Afghanistan. Viele haben sich dort ein leichtes oder schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Die Langzeitfolgen sind Apathie, Leistungsminderung, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Gedächtnislücken.
Zusammen mit der posttraumatischen Belastungsstörung ist das Schädel-Hirn-Trauma eine der häufigsten Krankheiten, 270.000 Veteranen sollen darunter leiden. Seit einigen Jahren weisen nun Experimente darauf hin, dass eine Elektro-Stimulation tieferer Hirnregionen helfen kann. Diese Versuche wurden allerdings nur an gesunden Menschen und Epilepsie-Patienten durchgeführt.
Dabei werden nicht nur Sensoren auf die Schädeldecke gesetzt, sondern zum Teil in das Hirn implantiert. So liegt der Hippocampus, der unter anderem zuständig für die Erinnerung ist, tief im Schädel. In einem berühmten Experiment entfernten 1953 Ärzte die Hippocampi beider Hemisphären bei einem Patienten, der unten schweren Krämpfen litt. Die Anfälle verschwanden, damit aber auch die Fähigkeit, sich Neues zu merken. Gesichter, Fakten, Formen – alles verschwand nach kurzer Zeit aus dem Erinnerungsvermögen des Mannes.
Mit den Mitteln der DARPA sollen nun in gesunden wie kranken Personen bestimmte Regionen abgehört werden. So will man Störungen in den neuronalen Schaltkreisen auf die Spur kommen. In einem zweiten Schritt sollen diese dann mittels elektrischer Ströme reguliert werden. Ein relativ krudes Vorgehen, angesichts der Tatsache, dass man die Sprache, in der die Neuronen miteinander kommunizieren, kaum verstanden hat.
Noch weiter geht der Direktor des Ethik-Zentrums an der Emory Universität im US-Bundesstaat Georgia: „Nur weil die Stimulation in gesunden Hirnen hilft, heißt das nicht, dass sie dies auch in geschädigten Hirnen tut, jedenfalls nicht mehr als die Zufuhr von Benzin mit einer höheren Oktanzahl einem kaputten Motor hilft“, zitiert die New York Times Paul Root Wolpe. Die Befürworter des Projekts vergleichen die Technik lieber mit den Cochlear-Implantaten, die geschädigte Hörnerven ersetzen.
Die schreckliche Ironie ist offen sichtlich. Die Militärs finanzieren das weitere Erkunden der Gedächtnisförderung primär in Hinblick auf die Anwendung am gesunden Menschen. Das Projekt ist eng mit der BRAIN Initiative von Präsident Obama verzahnt, dem Großforschungsprojekt zur Kartierung des Gehirns. Militärische und zivile Interessen arbeiten Hand in Hand. Für die vielen Kriegsveteranen mit ihren Komorbiditäten und psychischen Schäden dürfte die Therapieform dagegen nur allzu oft ins Leere laufen.