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Drogenpolitik

Cannabis in Osteuropa

HanfBlatt, Juni/Juli 2004

Östliche Bewusstseins-Erweiterung

In den neuen osteuropäischen EU-Ländern herrscht bunte Vielfalt bei den Drogengesetzen. In einigen Staaten weht gar ein liberales Lüftchen. Ein Überblick über die politische Lage und den neuen Markt.

Wer die Karlsbrücke Richtung Altstadt entlang schreitet, der ist nicht mehr weit von einem der attraktivsten Viertel der tschechischen Hauptstadt Prag entfernt. Wer hier mehr oder weniger unauffällig nach „Grass“ fragt, der wird selten enttäuscht. Das gelieferte Plastik-Beutelchen trägt ein kleines Hanfblatt, ganz wie aus dem Westen bekannt. Die Touri-Rauchware riecht etwas nach Heuschober, wirkt später aber passabel.
Die Republik an der Moldau ist eine von zehn osteuropäischen Staaten, die seit 1. Mai des Jahres Mitglieder der Europäischen Union (EU) sind. Der Anschluss an den goldenen Westen soll allen Ländern wirtschaftliche Prosperität bringen – und die Probleme der neuen Nachbarn möglichst draußen lassen. Zu diesen zählt aus Sicht der Ost-Behörden die hohe Anzahl von meist jüngeren Zeitgenossen, die gern mal einen Joint durchziehen oder, schlimmer noch, dem Rausch an kräftigeren Drogen dauerhaft anheim fallen. In Tschechien, aber auch in der Slowakei, Ungarn, Polen, Slowenien, Malta, Zypern und den drei baltischen Ländern Estland, Lettland, Litauen ist man unsicher, was die neue Ära bringen wird.

Über 74 Millionen neue Mitglieder hat der europäische Skatklub nun und rund fünf Prozent davon kennen Hanf nicht nur als Kosmetikprodukt. Der logische Schluss: 3,7 Millionen Kiffer bereichern die Union und es ist zu ahnen, dass die Aktivisten unter ihnen für Dampf in den Brüsseler Gassen sorgen.
Schon vor ihrem Beitritt zur EU waren alle diese Länder bemüht, ihre Drogenpolitik mit den EU-Richtlinien zu harmonisieren. An eine Legalisierung von Hanfprodukten wagte in den Ländern daher keine der Regierungen zu denken. Was aber existiert sind durchaus unterschiedliche drogenpolitische Ansätze in den Staaten, fruchtbare Dikussionen und eine florierende Kiffer- und Grower-Szene, die auf Veränderung drängt.

Zurück nach Prag. 1999 führte das tschechische Gesundheitsministerium eine Umfrage durch. Über 16% der Tschechen zwischen 15 und 64 gaben an, schon einmal Cannabis geraucht zu haben. Im Vergleich zu früheren Untersuchungen hat sich diese Anzahl kaum erhöht. Diese Zahlen steigen erheblich an, je jünger die Befragten sind. Eine Umfrage unter 16-jährigen in 2000 ergab einen Anteil von über 35% von Schülern, die zumindest schon einmal gekifft hatten. Regelmäßig rauchen rund 15% der 14-19-jährigen. Eine neuere Studie aus 2001 deutet auf einen weiteren Anstieg der Kiffer hin. Unter den 19-jährigen hat nur noch eine Minderheit von 40% noch keine Erfahrung mit Cannabis gemacht – eine für Europa bemerkenswert hohe Zahl.
Das Phänomen der Ausbreitung der Rave-Kultur und ihrer Drogen ist nicht auf Tschechien beschränkt. Eine europaweite Studie unter Ravern zeigt das Ausmaß der Angleichung. In Prag gaben 70% der Techno-Party-Gäste einen regelmäßigen, aber wohl kontrollierten Cannabis-Genuss an. Diese Anzahl deckt sich überraschend genau mit der aus Zürich, Amsterdam oder Madrid.
Haschisch ist in Tschechien teuer, mehr noch, die Preise liegen einsam an der Spitze aller osteuropäischen EU-Länder. Der durchschnittliche Preis liegt bei 17 Euro für das Gramm. In den Weiten der Pampa angebautes Gras liegt bei 6 Euro, importiertes Treibhausgras besserer Qualität bei 7 Euro. Die fallenden Gras-Preise spiegeln die Entwicklung einer wachsende Grower-Gemeinde wieder. Der Anbau von Gras für Eigenbedarf und Freundeskreis verbreitet sich immer mehr. Glaubt man den Ergebnissen der Behörden, ist die Qualität der Produkte nicht schlecht: Der durchschnittliche THC-Gehalt liegt bei 11,5% beim Haschisch, zwischen zehn und 17% bei Nederwiet und 5 und 10% beim Homegrown-Gras. Diese changierenden Werte sind nicht ungewöhnlich. In Proben aus niederländischen Coffeeshops lag der THC-Gehalt bei Haschisch bei 20%, bei Gras bei 15%.
Soweit die Zahlen. Und die Politik? Die Regierungskoalition aus Christdemokraten und der liberalen Freiheitsunion ist sich uneins über den goldenen Weg in der Drogenpolitik. Zurzeit diskutiert man, ob eine Trennung in harte und weiche Drogen vorgenommen werden soll, Innenminister Stanislav Gross gilt allerdings als Hardliner, der einer weiteren Liberalisierung ablehnend gegenüber steht. Tschechien gilt weithin als Land mit progressiver Drogenpolitik, wurde hier doch bereits vor vier Jahren der Besitz kleinerer Mengen Drogen straffrei gestellt.
Die Bundesstaatsanwaltschaft spezifiziert diese „kleinen Mengen“: Rund zehn Dosierungen á 30 mg THC gehen noch durch, mit anderen Worten, man darf rund 20 Joints mit jeweils rund 1,5 % THC sein eigen nennen, ohne angeklagt zu werden. Analoges gilt für andere Substanzen: Wer zehn LSD-Trips (mit 50 ng) oder zehn E´s (mit 100 mg MDMA) mit sich rumträgt, den wird die Polizei zwar nicht freundlich grüßen, der eventuell hinzugezogene Richter wird das Verfahren aber wohl einstellen.
Die öffentliche Meinung hält mit der Entwicklung nur zum Teil Schritt. Rund die Hälfte der Tschechen ist dafür, Genießer von “weichen Drogen” weiterhin zu bestrafen, wie eine Umfrage im Jahr 2001 zeigte. Politisch und gesellschaftlich ist das Land im Fluss. Zurzeit ist – zumindest in Prag – selbst das Kiffen in der Öffentlichkeit kein Problem.

In der Hauptstadt der benachbarten Slowakei kam es am 1. Mai 2003 zu einem denkwürdigen Ereignis. Rund 500 Demonstranten forderten auf den Straßen von Bratislava ihr Recht auf Rausch und die Legalisierung von Cannabis. Dies war die erste Legalize-It Demonstration seit dem Fall des Kommunismus im Jahre 1989. Einer der Organisatoren, Daniel Hromada, sagte: „Wir haben keine Lust in ständiger Angst davor zu leben, für einige Jahren im Gefängnis zu landen, und das nur, weil man eine Pflanze zum Blühen gebracht hat.”
Das kleine Land rühmt sich seiner strikten Gesetze. Schon wer mit einer kleinen Menge Gras in den Taschen erwischt wird, landet vor dem Richter und wird dann meist mit einem Aufenthalt hinter Gittern zwischen einen und fünf Jahren belohnt. Die Proteste gegen den drogenpolitischen Super-GAU im Land sind lahm, die Mitte-Rechts Koalition will ihre Politik keinesfalls überdenken. Peter Muránsky, Drogenexperte bei den Christdemokraten fliegt noch ein Tal weiter und behauptet gar, dass eine Dekriminalisierung „unsere Gesellschaft in die Hölle führen würde.” Die Vertreter der anderen Parteien formulieren sanfter, lehnen eine Reform aber ebenfalls strikt ab.
Gleicher Tag, anderer Ort. In Polens Hauptstadt Warschau kam es am 1. Mai diesen Jahres zu einer Demonstration. Wie in der Slowakei schon ein Jahr vorher, fanden sich die Befürworter einer Legalisierung von Cannabis zusammen, um auf der Straße für ihre Interessen und eine veränderte Drogenpolitik einzutreten. Rund 100 Demonstranten kamen zu dem weltweit ausgetragenen “Million Marihuana March”. Artur Radosz von Kanaba, der größten polnischen Pro-Cannabis-Bewegung, sprach trotz der geringen Teilnehmerzahl gegenüber dem HanfBlatt von einem großen Erfolg der Aktion. Neben der Demonstration hätte es eine Tagung mit einigen Vorträgen gegeben, die gut besucht waren und über die in der Presse auch berichtet worden sei.
Die Grower-Szene weitet ihrer Aktivitäten nur langsam in den Indoor-Bereich aus. Noch herrscht die Guerilla-Pflanzung in der freien Natur vor. Polnischer Rasen ist denn auch nach wie vor häufiger auf dem Markt anzutreffen als Haschisch. Der Preis liegt zwischen 6 bis 8 Euro für das Gramm Gras.
In den Großstädten ist Cannabis in den Altersklassen unterschiedlich beliebt. Eine repräsentative Befragung in Warschau (2002) förderte ans Licht, dass unter den 16-24-Jährigen annähernd die Hälfte (47,9%) schon einmal Cannabis gepompft hatte. Diese Anzahl nimmt mit dem Alter ab. Unter den 35-44-Jährigen sind es nur noch 18%. In den letzten 30 Tagen vor der Befragung hatten 16% der 16-24-Jährigen gekifft. Ein Vergleich der Ergebnisse von 1997 und 2002 weist auf einen langsamen Anstieg der Kifferanzahl hin.
Die Bevölkerung sieht die Legalisierung von Cannabis eher negativ, während sie einer Dekriminalisierung offener gegenübersteht. Eine nicht repräsentative Umfrage von 2002 ergab einen Anteil von nur 6% an „Legalize-It“ Befürwortern. Dieselbe Studie zeigte aber auch, dass nur 20% der Befragten die strafrechtliche Verfolgung von Kiffern befürwortet. Umfragen unter den meist jüngeren NutzerInnen des Internet zeichnen ein anderes Bild. Das kritisch gesellschaftspolitische Magazin „Polityka“ führte im letzten Jahr eine Internet-Umfrage unter seinen Lesern durch. Hier sprachen sich 77% für die Dekriminalisierung des Konsums aus.
Das Hoffen auf eine baldige Durchsetzung dieser liberalen Interessen dürfte verfrüht sein. In Polen stoßen liberale Ansätze schnell auf das Bollwerk der konservativ geprägten Parteien und der nach wie vor sehr einflussreichen Kirche. Das drogenpolitische Konzept der bisherigen Regierungskoalition aus den (sozial-) demokratischen Parteien SLD und UP orientiert sich stark an den EU-Richtlinien, trotzdem existieren in beiden Parteien durchaus Strömungen, die einer Entkriminalisierung des Cannabiskonsums positiv gegenüberstehen – eine Tendenz, die sich aber genauso schnell wieder ins Gegenteil wenden kann. Das völlig fragmentierte Parteiensystem Polens ist immer wieder für Überraschungen gut.
Asia Goldstein von Kanaba in Lodz resümiert: „Eine Legalisierung ist heute überhaupt kein Thema, weder in der Bevölkerung noch unter den großen Parteien, die Dekriminalisierung aber wird diskutiert.“
Theoretisch droht schon für den Besitz von ein wenig Haschisch in den Taschen bis zu drei Jahren Gefängnis. Praktisch kommt es nach der Verhaftung meist direkt zu Hausdurchsuchungen. Die Gerichte aber setzen die Strafen oft zur Bewährung aus, vor allem dann, wenn es um eine kleine Menge geht und der Delinquent Ersttäter ist. Zum Teil kommt es aber gar nicht soweit: In eine Vielzahl von Fällen rettet die Korruption in der Verwaltung den polnischen Kiffer.

 

Hanf hat Tradition in Ungarn. Früher wogen sich die Hanfstängelfelder im Wind, heute sucht das Land an die erfolgreiche Vergangenheit bei der Hanfproduktion anzuknüpfen. Die Produkte des bösen Rauschhanfs sind unter der jüngeren Generation seit den 90er Jahren wieder sehr begehrt, die Preise für Marihuana halten sich zwischen 5 und zehn Euro pro Gramm, Haschisch ist schwerer zu bekommen, aber nur etwas teurer. Von allen neuen EU-Ländern ist der Preis von Kraut damit in Ungarn am niedrigsten.
Nach Angaben der Polizei ist der THC-Gehalt im Gras in den letzten zehn Jahren sukzessive angestiegen. Heute liegt er bei 8 %, wahrscheinlich eine Folge der Nederwiet-Exporte. Ungarn nähert sich aber auch in anderer Hinsicht dem West-Niveau an. Rund die Hälfte aller Verhaftungen in Zusammenhang mit Drogen gehen auf Cannabis-Kleinbesitz zurück.
Vor vier Jahren veröffentlichte Dragan Demetrovics die Ergebnisse einer Umfrage, die er unter 1500 Besuchern von Bars, Clubs und Raves in den großen Städten Ungarns durchgeführt hatte. Genau die Hälfte der im Schnitt 21 Jahre alten Befragten hatte schon die Wirkung von Cannabis erfahren, fast ein Drittel hatte im letzten Monat die Kräuter inhaliert. In Budapest war dieser Anteil noch höher. Die politischen Parteien befinden sich noch – wie im Westen auch – in einer Orientierungsphase mit dem Phänomen „Drogenkultur“. Während die konservative Regierung Mitte der 90er Jahre die Gesetze noch verschärft hatte, deutet sich unter der jetzt amtierenden Mitte-Links-Regierung unter Peter Medgyessy eine vorsichtige Liberalisierung an. Nach Aussage von Ákos Topolanszky, Staatssekretär und Koordinator für Rauschgiftangelegenheiten, gibt es einen „parteiübergreifenden Konsens“ darüber, dass die Regeln im Strafgesetzbuch zum Konsum von Cannabis und auch anderen Drogen „nur das letzte Mittel sein können und keineswegs in jedem Fall adäquat sind“. Mit anderen Worten: Dekriminalisierung ist erwünscht.
Diese scheitert aber zum einen aus Angst vor internationalen Komplikationen, zum anderen an den überkommenden Vorstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung. Trotz der hohen Zahl von Cannabis-Genießern stehen Harz und Gras in keinen guten Ruf. Topolanszky beklagt: „Wegen einem einzigen Joint darf man niemanden gleich als Drogensüchtigen abstempeln. Aber in den Köpfen von zehn Millionen Menschen eine Änderung zu erreichen, ist fast unmöglich.“

 

Das zwischen Österreich und Kroatien gelegene Slowenien sieht sich offiziellen Angaben nach als Puffer zwischen der instabilen Balkanregion und Westeuropa. Das Land liegt auf der legendären Balkanroute, selten aber fallen größere Brocken vom Laster in die Hände von Zoll oder Volk. Im Straßenverkauf liegt Haschisch bei 8 Euro das Gramm, minderwertiges Gras bei 2,50 Euro, gute Ware bei 4 Euro. Ein Grund für den niedrigen Preis: Albanien beliefert das Land mit Rauchhanf, aber dessen Ruf ist nicht der beste. Bessere Sorten, die von Liebhabern in ihren Ställen gezüchtet werden kosten das Doppelte.
Der Besitz kleiner Mengen von Cannabis gilt als Ordnungswidrigkeit und wird meist nur mit einer Geldstrafe belegt. Der Handel wird dagegen hart bestraft.
Schon unter Schülern ist kiffen recht beliebt. Rund ein Drittel aller 15-Jährigen hat schon mindestens einmal gekifft, unter einem Viertel tat es im vergangenen Jahr und im letzten Monat rauchte nur noch ein Zehntel.
Ältere und regelmäßige Besucher von Clubs und Partys sind erheblich genussfreudiger eingestellt. In der Studie von Metej Sande (2000) gaben über 90 % der (im Schnitt 20-jährigen) Besucher an, schon einmal Harzqualm inhaliert zu haben.

Nordlichter

Die drei Nordlichter unter den EU-Beitrittsländern, Estland, Lettland und Litauen, sind in ihrer kulturellen Ausrichtung sehr auf ihre Nachbarn an der Ostsee ausgerichtet. Estlands Hauptstadt Tallin beispielsweise liegt nur 80 Kilometer von Helsinki entfernt. Das dortige Gemeinwesen folgt in der Drogenpolitik aber eher den dänisch-liberalen Weg. Konkret heißt das: Zurzeit gilt der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis nicht als Straftat, es erfolgt keine Anklage. Diese Dekriminalisierung ist nicht nur gesetzlich festgelegt, sie gilt auch für andere Substanzen. Damit sind die Drogengesetze Estlands die liberalsten auf dem europäischen Kontinent. Wie lange dieser Zustand anhält, ist angesichts des EU-Beitritts fraglich.
Im Süden von Estland sind die Bedingungen für Outdoor-Growing gut. Hier sind es vor allem – so wird erzählt – ältere Ehepaare, die sich ein Zubrot verdienen. Die Ergebnisse sind nicht immer berauschend, wirklich gutes Gras kostet demnach relativ viel in Estland, nämlich um die 12 Euro pro Gramm, Haschisch ist noch teurer und liegt bei 15 Euro. Die Größenordnungen des Anbaus sind harmlos: Im Jahr 2001 hob die Polizei nach eigenen Angaben genau 13 Hanf-Plantagen aus, was gegenüber dem Vorjahr schon eine Verdoppelung war.
Über die Verbreitung des Hanfs in der Bevölkerung ist wenig bekannt. Eine Umfrage unter 15-16-jährigen Schülern aus dem Jahre 1999 ergab einen Anteil von 13%, der angab, schon mindestens einmal Cannabis probiert zu haben. Eine andere Erhebung (1998) zeigt, dass rund nur 7% der 18-24-Jährigen Cannabis im letzten Jahr geraucht hatten und nur 2% im vergangenen Monat. In Estland verfolgen die Medien nun gespannt die Auswirkungen der liberalen Drogenpolitik auf das bisher moderate Konsumverhalten.
Lettland bestraft den Besitz kleinerer Mengen Cannabis (und anderen Drogen) nicht. Trotzdem ist in Lettland und dessen Hauptstadt Riga der Genuss von Marihuana nicht weit verbreitet. Aber auch hier steigt die Erfahrung mit dem auflockernden Kraut langsam. Waren es 1995 nur 5% der 16-Jährigen mit einer Präferenz, hatten in 1999 schon 17% schon mal am Joint gezogen. Nur nebenbei: Im gleichen Zeitraum stieg die Menge der Menschen, die im letzten Monat Tabak genossen hatten von 30% auf 40% an.
Die Preise für Haschisch sind unmoderat, 1 Gramm Marok kostet rund 11 Euro. Interessanterweise gibt die Polizei in ihrem Jahresberichten noch den Schwarzmarktpreis für einzelne Joints an, der bei rund einem Euro liegen soll. Was und wie viel davon sich in den Tüten befindet, sagen die Ordnungshüter nicht. Ganz klug wollte es eine Umfrage angehen, die Bürger in Riga fragte, ob ihnen schon einmal jemand auf offener Straße Drogen angeboten hätte. Nur 7% wollten das bejahen. Die Chance in der Hauptstadt in einen günstigen Deal zu stolpern ist also gering.
Litauen sieht den Umgang mit Haschisch und Marihuana nicht so locker wie die baltischen Nachbarstaaten. Schon der Besitz kleinerer Mengen von Cannabis kann theoretisch mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Trotz der repressiven Politik ist das Genussverhalten unter Schülern nicht signifikant niedriger als bei den liberalen Nachbarn. 12% der 15-16-Jährigen gaben 1999 an, schon mal inhaliert zu haben. In der Hauptstadt Wilna ist harziger Qualm beliebter: Dort gaben 32% den Genuss zu. Die Umfragen deuten auch in Litauen auf einen langsamen Anstieg der Kif-Liebhaber hin.
Die Preise bleiben dabei auf einem hohen Niveau. Schon für mildes Muffelgras müssen sechs Euro berappt werden, gutes Homegrown oder Haschisch liegen bei 15 Euro.

 

Zur guter Letzt: Malta. Die Ferieninsel gilt nicht gerade als Drogenhochburg, analog dazu glauben über 80% der Studenten dort noch an die unbefleckte Empfängnis. Der Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch führt nur zu einer Geldstrafe, die allerdings liegt dann zwischen 500 und 2500 Euro.

 

Fazit

Es darf vermutet werden, dass sich in Osteuropa der Hanfkonsum weiterhin den Tendenzen im Westen anpassen wird. Drei Faktoren verdienen dabei Beachtung: Um diesen Fortschritt zu beurteilen, dürfte es weitaus sinnvoller sein von einer Konsumkultur auszugehen, die Cannabis und auch andere Drogen als „Rekreations-Substanzen“ einnimmt. Dieser „Wellness-Drogen-Konsum“ zieht sich durch unterschiedliche soziale Schichten, findet meist nur am Wochenende statt, betrifft nur eine demografisch gesehen kleine Menge von Bürgern, ist sozial integriert und damit eben kein Problem deprimierter Randgruppen. Selbst die zentrale Institution für die Harmonisierung der EU-Drogenpolitik, die „Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht“ in Lissabon, sieht ein, dass die meisten Drogennutzer eben keine ernsthaften Probleme mit ihrem Freizeitverhalten haben. In einer ihrer Veröffentlichung (Drugnet 44) heißt es: „Jugendliche, die mit Drogen experimentieren oder diese in ihrer Freizeit, z.B. auf Partys, konsumieren, entwickeln keine ernsthaften Drogenprobleme.“ Und weiter: „Dennoch gibt es eine kleine aber signifikante Minderheit von Jugendlichen, die mit Drogen experimentieren und anschließend intensiv Drogen konsumieren und erste drogenbedingte Gesundheitsprobleme bekommen.“
Das ist der entscheidende Unterschied: Bei gewissen Risikofaktoren kann jemand ein Problem mit seinem Genuss bekommen, er oder sie muss es aber eben nicht. In den Befragungen, die unter Schülern und Erwachsenen in den neuen EU-Ländern durchgeführt wurden, zeigt sich die Wirkungslosigkeit der einseitigen Drogenpolitik, die zur Abstinenz erziehen will.
Im Schnitt hat die Hälfte aller Jugendlichen im neuen Osteuropa im Alter um die 20 schon einmal gekifft. Cannabis wird von den meisten als ungefährlich angesehen, denn sie haben es trotz aller Warnungen probiert – und siehe da, es hat sie weder am nächsten Tag zum Aufkochen von Heroin geführt, noch zu unwilligen Lappen gemacht. Aus Sicht dieser EU-Bürger ist das Abstempeln von Cannabis als Horror-Droge unsinnig und damit die gesamte “Drogenaufklärung” verlogen, ein “Krieg gegen Drogen” verliert in ihren Augen jeden Realitätsbezug. Befragt man die Schüler, warum sie am Joint gezogen hatten, so waren die beiden Top-Antworten: “I was curios” und “I wanted to feel high”.

 

Für alle osteuropäischen Länder wäre zudem wichtig zu erfahren, ob Cannabiskonsum eine vorübergehende Erscheinung bleibt. Die Studie von Kleiber/Söllner hatte für deutsche Mitmenschen gezeigt, dass diese in der Jugend gerne kiffen und im Alter diese Atemfrequenz langsam nach unten schrauben. Könnte diese These auch im europäischen Ausland bestätigt werden, würde dies vernünftigere Wege in der Drogenpolitik vereinfachen.
Als dritter Faktor ist zu beobachten, dass auch die neuen EU-Länder sich schwer tun, die so genannten „geringen Mengen“ genauer zu definieren. Wie in den alten Ländern spielt die Menge an Cannabis, die ein Verhafteter oder später gar Angeklagter mit sich führte, eine entscheidende Rolle für das Strafmaß. Die Mehrheit aller europäischen Länder überlässt es dem Ermessenspielraum der Richter, ob und wie hart jemand bestraft wird, nur weil es die jeweiligen Gesetzgeber unterlassen, verbindliche Normen festzulegen.
Mittlerweile werden neue Wege beschritten: Immerhin neun der 15 alt-europäische Staaten haben die Strafen für den Genuss und Besitz kleiner Mengen Cannabis für den Eigengebrauch per Gesetz, Verordnung oder de facto erheblich entschärft. Dies sind neben Spanien, Italien, Portugal und den Benelux-Ländern auch Irland, Österreich und Dänemark. Hier drohen “nur” noch Geldstrafen oder der Führerscheinentzug für den Liebhaber. Deutschland, mit seinem Nord-Süd-Gefälle, stellt ein drogenpolitisches Kuriosum da. “Reformunfähigkeit”, ist wohl das neue Wort dafür. In den zehn jungen osteuropäischen EU-Staaten sind es fünf Länder, nämlich Tschechien, Estland, Lettland, Slowenien und Malta, deren Politik zur Zeit der Freiheit des Kiffers nachgiebige Grenzen setzt.