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Kiffer Typen

Der Abscheißer

Die Kiffertypen, Paranoiker, paranoid, Cannabiskonsum, Cannabis Paranoia

Kiffer-Typen IX

Erschienen im Highway Magazin

Nicht selten stellt sich im Leben die Frage, warum man eine Gewohnheit beibehält, obwohl man merkt, dass sie einem nicht gut tut. Die Antwort steht bereits im letzten Satz: Es ist halt eine Gewohnheit, eine Tätigkeit ohne Reflexion, unfreundlich gesagt eine Macke, freundlich formuliert ein Spleen. Der Kiffertyp, dem wir uns hier zuwenden wollen, kifft immer wieder, gleichwohl er dann jedes Mal nichts auf die Reihe kriegt. Er scheißt ab, selten zwar im wörtlichen, wohl aber im übertragenen Sinne.

Das klassische Set und Setting für den Abflug des Abscheißer ist nur schwer aufzudröseln. Sein (Mind-) Set setzt sich zusammen aus dem alltäglichen Unbehagen, im herrschenden System nur eine kleine Nummer zu sein und dem Wunsch, möglichst viel jederzeit kontrollieren zu können. Da fällt das Loslassen am Feierabend schwer. Der anfänglich gut laufenden Playstation-Abend im Kreise der Freunde hat seinen Wendepunkt in dem Moment, als der 1. Joint mit kräftiger Bob-Marley-Mischung kreist. Unser Typ greift gedankenlos zu und zehn Minuten später geht das Horror los. „Man, bin ich stoned“, murmelt er. Mit einem Ächzen fällt ihm der Controller aus der Hand, Sinnbild für den weiteren Verlaufs des Abends. Es ist kein Kollabieren, was nun folgt, eher ein mattes Desinteresse an der Welt, das den Übergang zum Träumen nicht findet. Witz, der sich nur aus sozialer Interaktion ergibt, bleibt unerkannt. Der Abscheißer leidet an Abgestumpftheit, die er für Lässigkeit hält. Der Übergang zur Paranoia ist fließend. „Wer will hier was von mir?“, fragt sich unser Freund, aber er ist viel zu müde, um sich in wahnhafte Gedanken reinzusteigern. Das ist das Problem: Ein richtiger Horror-Trip wird es nie, der Realitätsverlust ist nicht stark genug, irgendwie schafft es unser Freund doch noch die Kontrolle zu behalten.

Eigentlich ist das seltsam, denn das Setting ist nicht schlecht, er trifft ja nicht gerade zugepumpt seinem Chef im Fahrstuhl, sondern hängt locker mit seinen ihm wohlgesonnen Freunden ab. Diese kennen sein regelmäßiges Abschmieren in die Apathie, wissen ihm aber auch nicht zu helfen. Die Abfolge ist immer gleich: Erst sitzt er stumm wie ein Fisch am Küchentisch, dann liegt er steif wie ein Brett auf dem Sofa. Ab einem gewissen Zeitpunkt vergisst er dann das Ausatmen und hechelt leise vor sich hin. Um ihm rum blubbert die Bong und die Musik, das ist ihm meist zu viel gute Stimmung und er zieht sich ins Schlafzimmer zurück. Der liebe Christoph, der Hausherr, hat das akzeptieren gelernt, denn abkotzen tut der Abscheißer nur noch selten. „Alles gut“, beruhigt er seinen Freund und winkt ihn aus dem Zimmer. Geschlafen wird nicht, er dröhnt vor sich hin. Am Ende des Abends steht er mir roten Augen als letzter in der Tür und sagt: „War super, Christoph.“

Aber wie geht es ab, wenn er alleine kifft? Sollte tatsächlich der Umgang mit den anderen Menschen die Ursache des Abkackens sein? Nein, auch auf dem heimischem Sofa fühlt er sich nach dem Joint unwohl, anstatt einkehrender Ruhe herrscht Fahrigkeit. Lethargie muss nicht Langsamkeit bedeuten. Kein Fressflash, kein Kichern, keine Paranoia, keine tiefe Gedanken, die psychische Grundverfassung des Mannes ist nicht für den Cannabiskonsum geeignet. Wenn er ausnahmsweise mal einen guten Trip hat, dann wabern die Karos seiner karierten Shorts und er beginnt lächelnd das Krokodil auf seinem Lacoste-Polohemd zu füttern.

Schlecht reden muss man das allerdings nicht. Denn im Grunde sucht unser Freund ja den mentalen Gang zur Toilette, die Bereitwilligkeit, sich immer wieder in die unangenehm Situation zu bringen spricht für seine psychedelische Hartnäckigkeit. Zudem ist sein Wunsch nach Koma für die anderen ein schönes Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte.

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Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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