Kiffer-Typen XIII
Erschienen im Highway Magazin
Meist gibt es gute und schlechte Gründe für eine Tat. Etwas zu verheimlichen, das gilt zwar seit Kindertagen als falsch, Ehrlichkeit wird groß geschrieben. Auf der anderen Seite gehören kleine Geheimnisse zum gesunden Alltag. Der Kiffertyp, dem wir uns dieses Mal zuwenden, hat eine grundsätzliche Entscheidung getroffen: Es geht niemanden etwas an, ob und wieviel er kifft. Mehr noch, er achtet sehr darauf, dass sein Hobby unentdeckt bleibt.
Der Tag fängt für unseren Mann immer stressig an. Gleich nach dem Aufwachen tappst er leise aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auf den Balkon, um die erste Pickel-Pipe durchzuziehen. Da geht die Sonne auf. Zurück in der Küche setzt er den Kaffee für sich und seine Freundin auf, das törnt nicht nur, sondern übertüncht auch den rauchigen Odor. Ziemlich stoned tritt er neben das Bett, „Guten Morgen, Schatz.“. Damit nimmt ein Tag seinen Anfang, in dessen Verlauf unser Freund immer breiter wird und zugleich zusieht, dass sein soziales Umfeld davon nichts mitbekommt. Im Grund muss er auch deshalb immer wieder nachrauchen, um den Stress der Verheimlichung zu kompensieren.
Vor ein paar Jahren, mit 17, da war es cool, die Kifferei vor den Eltern geheim zu halten. Sein Vater war zwar ein lockerer Typ, aber alles musste der auch nicht wissen. Seine erste Freundin kam aus einem erzkatholischem Haushalt, undenkbar mit ihr Äpfel zu klauen, geschweige denn Hanf vom Feld zu ernten. Er versteckte den Bong im Schrank. In der Fußballmannschaft wurde viel Bier und Schnaps getrunken, Kiffer galten als Looser. In der Schule herrschte Dämonisierung statt Drogenaufklärung. Man glaubte der Geografielehrerin, als sie davon sprach, das „Hasch spritzen sofort süchtig macht“. So wurde für unseren Kiffertyp aus der kleinen Geheimnistuerei ungewollt eine Passion.
Die Anstellung bei einem Immobilienmakler festigte seine Vorsicht. Ständig in Anzug und Krawatte, der Chef ein cholerischer Alter, der, warum auch immer, eine Abscheu gegenüber der Welt und seinen Bewohner aufgebaut hatte. Das passte so gar nicht in die weich-bunte Welt, die unser Freund in seinem Kopf hegte. Überhaupt schien der Arbeitsalltag die beste Begründung für seine Heimlichtuerei zu sein. Denn aufgrund der Kriminalisierung des Besitzes und Stigmatisierung des Konsum ist es für niemanden in Deutschland eine gute Idee, sein Hobby auf einer Weihnachtsfeier öffentlich kund zu tun. Man sieht: Die meisten von uns sind Verheimlicher, weil sie gar nicht anders können. Wer zudem noch in einer Firma oder Branche arbeitet, in der Urinkontrollen gang und gäbe sind, der muss auch noch ständig auf die Sauberkeit seiner Abgänge achten. Ganz zu schweigen von Führerscheininhabern, denen nicht zugetraut wird, Fahren und Kiffen zu trennen und die daher ebenfalls in ständiger Angst vor einem Führerscheinentzug leben. Das muss man alles erst mal erfolgreich verdrängen, die Republik gebiert innerlich verhuschte Gestalten.
„Heimlich“, das kommt von Heim, dem häuslich Vertrauten also. Das Private ist unmodern, gleichwohl gibt es für die Wahrung der Intimsphäre gerade in Zeiten von Google, Facebook & Co. gute Gründe. Was unser Freund nämlich nicht weiß: Google hat aus seinen Surfverhalten schon lange errechnet, dass er täglich zwei Gramm Cannabis konsumiert. Das Diskrete hat wenig Chancen heutzutage, die offene Zurschaustellung jedweden mentalen Furzes im Netz hat schleichend zu einer Kontrollgesellschaft geführt, in der jeder jeden überwacht. Das weiß unser Mann grundsätzlich sauber zuzuordnen, gleichwohl sind die Übergänge zum Paranoiker fließend.
Einen großen Fehler hat unser Kiffertyp gemacht: Er hat über seine Verschwiegenheitsstrategie ganz vergessen, dass er nichts Böses tut. So wurde aus Vorsicht langsam der schlechte Berater Angst und er hat sich niemanden anvertraut. Weder Freundin, noch Familie, noch Freunden. Gemeinsames Erleben und Gespräche über dasselbe sind aber ein hoch einzuschätzender Faktor im Konzept des mündigen Drogenkonsums. Und alleine kiffen macht vielleicht Spaß, aber herzhaft lachen tut man mit sich selbst im Raum bekanntlich seltenst. Ein verklemmter Typ ist unser Kiffertyp deswegen nicht. Er hat seinen Frieden mit der Situation geschlossen, die Verborgenheit ist zum gut gehegten Teil seiner Persönlichkeit geworden.
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