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Werbeslogans, Claim, Claims, Markenrecht

telepolis01.11.2004

Das Markenregister wird mit immer abstruseren Werbe-Slogans zugemüllt, der Markenschutz zur Allzweckwaffe gegen die Mitbewerber

Nicht immer, aber immer öfter melden Global Player und kleine Klitschen ihre Werbe-Slogans beim Deutschen Patent- und Markenamt ( DPMA [1]) oder dem europäischen Harmonisierungsamt   HABM [2]) an. Die Einordnung aller möglichen Slogans als schützenswertes Gut nimmt groteske Formen an, das DPMA-Register gilt als verstopft und mit ungenutzten und unnützen Marken zugemüllt. „Heul doch!“, „Ich bin da“, „Du kannst“ – selbst Floskeln wie „Unter uns“ sind inzwischen in privater Hand und genießen den Schutz des Markengesetzes. Ist es nur noch eine Sache der Zeit bis die Hardware-Hersteller gleich neben das €-Zeichen das © auf die Tastatur legen?

Es ist bekannt: Die Eroberung der Käuferherzen erfolgt heute nicht mehr über die Güte der Ware, sondern deren Prestige. Dass Unternehmen ihre Slogans, neudeutsch „Claims“, rechtlich sichern, ist Resultat der Entwicklung von der Qualität des Produkts zu dessen Image. Heute sind die Artikel-Assoziationen im Kopf des Kunden wertvoller als das Produkt selbst. Die Macht der Marke beruht weithin auf ihrem immateriellen Wert.

Wer muss bei dem Satzfragment „Nichts ist unmöglich…“ nicht automatisch an den japanischen Automobilhersteller denken? Wem es gelingt seine Werbe-Kampagne auf die sprachliche Essenz eines knackigen Slogans einzudampfen, der ist dem Herz des Kunden schon ein Stück näher gekommen. Jede noch so ausgebuffte Produkt- oder Dienstleistungsstrategie bleibt luftleer, wenn sie nicht mithilfe der Werbung mit den Wünschen und Vorstellungen des Kunden spielt. Geht das Kalkül auf, verselbstständigt sich der Slogan und ist in aller Munde; im Bewusstsein des Kunden verbindet dann stets ein dünner Bewusstseinsfaden den Slogan mit dem Produkt.

Unternehmen suchten schon früher ihre Kundenbindungssprüche rechtlich abzusichern. Nur stand dem Jahrzehnte lang die Eintragungspraxis des DPMA und die Rechtsprechung der Patentgerichte entgegen. Aber über die Jahrzehnte wurde die Schutzfähigkeit von Slogans immer mehr ausgeweitet und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ein Blick zurück in die Geschichte der Slogans in Deutschland zeigt das Ausmaß der Veränderung. In der Zeit vor der Einführung des Markengesetzes im Jahre 1995 wurden nur solche Werbesprüche eingetragen, die auf einen spezifischen Geschäftsbetrieb hinwiesen. So erschien meist der Firmenname des Herstellers oder eine bereits als Marke geschützte Bezeichnung im Reklamespruch: „Genießer trinken Doornkaat.“-Slogans, die weder Firmenname noch eine Marke enthielten, wurden damals regelmäßig als eintragungsunfähig angesehen. DPMA, Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof (BGH) stellten mehrmals fest, dass solche Spruchfolgen als „allgemein reklamehaft“ zu gelten haben, weil sie dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen wären.

„Phantasievoller Überschuss“ ist der Zauberstab

Zu einer ersten Aufweichung dieser Praxis kam es nach Inkrafttreten des Markengesetzes. Das Bundespatentgericht gab Klagen von Firmen statt, die ihren Slogan unbedingt geschützt sehen wollten. Ab jetzt reichte es aus, Worte ungewöhnlich miteinander zu kombinieren oder sie in einen neuen Zusammenhang zu stellen. Das neue Zauberwort hieß „phantasievoller Überschuss“, und dieser war schon gegeben, wenn der Slogan mit seinem Wiedererkennungswert eine betriebliche Hinweiswirkung verband. Einfacher gesagt: Wenn der Slogan ungewöhnlich klang und keine im Sprachraum gebräuchliche Wortfolge für den Artikel darstellte, dann war er eintragungswürdig. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Ein Beispiel: So erstritten ein Hersteller einer Margarine die Eintragung der Wortmarke „Du darfst“ ins Markenregister und eine Firma für Haushaltsgeräte den Begriff „Zisch & Frisch“. Die Richter waren der Meinung, dass „Du darfst“ eine unvollständige Aufforderung darstellte, deren gedankliche Ergänzung durch den Kunden den Kriterien des „phantasievollen Überschusses“ entsprach. Im Urteil zu den Küchenmaschinen machte die Lautmalerei des „Zisch“ in Zusammenhang mit dem „Frisch“ bei den Richtern Eindruck. Im selben Jahr (1997) hatten der 26. Senat des hohen Gerichts allerdings den Slogan „IS EGAL“ abgeschmettert. Da fragte sich der abgewiesene Getränkeabfüller, wenn „Du darfst“, warum „IS“ das dann nicht „EGAL“?

Zisch&Frisch öffnete die Schleuse, es folgte eine Flut von Klagen, die von den Gerichten mit immer spitzfindigeren Jurisdiktionen beantwortet wurden. Die Branchen bemühen sich um kurze, originelle und möglichst witzige Wortfolgen, um die begehrte Eintragung beim Markenamt zu erhalten. Diese gilt zunächst für zehn Jahre, ist aber beliebig oft verlängerbar und damit unsterblich.

Die Rechtsprechung des Bundespatengerichts wurde nahezu unberechenbar. Die Patenanwältin Alexandra Fottner spricht vorsichtig von einer „sehr subjektiven Auffassung“ des Gerichts hinsichtlich der Schutzfähigkeit von Werbeslogans. So wurde „Energie mit Esprit“ als eintragungsfähig angesehen, während „Partner with the Best“ diese Ehre nicht zuteil wurde. Einem Badener Radiosender wurde das zu bunt, er zog vor den BGH um seine kreative Wortfolge „Radio von hier, Radio wie wir“ durchzuboxen. Mit dem dann folgenden richtungsweisenden Beschluss des BGH trat die rechtliche Absicherung der Slogans in die dritte Phase ein.

Der BGH stellte in dem wegweisenden Urteil am 8. Dezember 1999 fest, dass an Slogans keine höheren Anforderungen als an andere Wortmarken (wie „IKEA“) gestellt werden dürfen. Seither können flotte Wortkombinationen für eine oder gar mehrere der 45  Produktklassen [3] immer dann angemeldet werden, wenn sie eine deutliche Unterscheidungskraft besitzen.

Erst anmelden, dann weitersehen

Heute ist es nur noch die vermeintliche Originalität und Prägnanz des Slogans, die zur Entscheidung über die Eintragung herangezogen werden. So hob der BGH einen Beschluss des Bundespatentgerichts aus dem Jahre 1997 auf, der den Begriff „Unter uns“ noch als lexikalisch nachweisbare Redensart und allgemein gebräuchliche Redewendung angesehen hatte.

Dem entgegen sah der BGH in „Unter uns“ eine originelle Verkürzung des Satzes „unter uns gesagt“. Aus der Verkürzung resultiere, so der BGH, eine Mehrdeutigkeit, die der Kunde auflösen muss. Mehr noch, der Slogan könne auch in einem sozialen Sinne interpretiert werden, wonach der Kunde mit dem Erwerb des Produktes zu einer Gemeinschaft gehöre, wobei diese Gruppe unklar bliebe. Angesichts dieses juristischen Feinstricks murmelten einige Anwälte dann doch: „Ich bin doch nicht blöd.“

Die  UFA [4] nahm das Urteil dankbar an, sie hat sich den Titel ihrer Soap „Unter uns“ nicht nur in der Leitklasse 41 (Erziehung, Unterhaltung), sondern in 20 weiteren Klassen (darunter Seifenprodukte, Büromaterial und Schmuckwaren) schützen lassen.

Allein Elektro-Gigant Siemens hat über 3.000 Marken in allen möglichen Klassen angemeldet. Das Problem: Das DPMA überprüft nur die in § 8 des Markengesetzes genannten „absoluten Schutzhindernisse“, das sind solche Marken, die „ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind“. Um dies zu verdeutlichen: Die Wortmarke „Bester Regenschirm“ ist als Bezeichnung für Regenschutz gängig, besäße aber für Geldschränke (Klasse 6) durchaus die erforderliche Unterscheidungskraft.

Ist die Hürde des § 8 genommen, kann der Slogan theoretisch auf alle der 45 Klassen ausgedehnt werden. Erst wenn sich ein Mitbewerber daran stößt, dass diese Wortmarke in einer – aus seiner Sicht – falschen Klasse eingetragen ist, wird es spannend; es wird geklagt. Vor dem Bundespatentgericht kommt es jährlich zu über 2.000 Markenrechts-Prozessen über ähnlich lautende, abgewiesene oder unbenutzte Marken. Allerdings können sich kleinere Unternehmen diesen kostspieligen Rechtsweg nicht leisten, der Kampf gegen die Rechtsabteilungen großer Handelskonzerne wird gescheut.

Markenrechtsexperten wie Volker Jänich, Professor für Bürgerliches Recht und Gewerblichen Rechtschutz an der Universität Jena, weisen deshalb darauf hin, dass mit der Ausdehnung des Markenschutzes die Beschränkung des Verhaltenspielraums der Mitbewerber einhergeht. „Natürlich ist das Markenrecht auch ein Monopolisierungsrecht“, gibt Jänich zu bedenken, „und durch hohe Prozessrisiken sowie die immanente Drohfunktion eingetragener Schutzrechte droht heute eine Erlahmung der ökonomischen Entwicklung.“ Mit anderen Worten: Weil immer mehr Marken und Slogans geschützt sind, wird der Raum für die Ideen neuer Unternehmungen eng.

Die extreme Ausweitung des Schutzbereichs für Wortmarken lässt sich allerdings statistisch schwer untermauern. Beim DPMA schlüsselt man die eingetragenen Wortmarken nicht nach Slogans und normalen Wortmarken (NIVEA) auf. Über die Jahre ist die Zahl der angemeldeten Wortmarken konstant: Durchschnittlich werden im Jahr an die 60.000 dieser Marken angemeldet, beim europäischen Pendant, der HABM, noch einmal etwa 30.000. Zur Zeit sind in Deutschland rund 1 Million Marken geschützt.

Um ihren guten Namen gesichert zu sehen und Trittbrettfahrern, aber auch Wettbewerbern keine Chance zur Entfaltung zu geben, melden beispielsweise Konzerne wie der Autohersteller „Jaguar“ ihre Marke in für sie eigentlich abstrusen Markenklassen an. Der englische Fabrikant möchte vermeiden, dass ein Schokoladenhersteller auf die Idee kommt, seinen schnittigen Riegel „Jaguar“ zu nennen. Erst anmelden, dann weitersehen.

So werden ganze Branchen von der Nutzung eingängiger Produktbezeichnungen abgehalten. Auch hier muss das DPMA untätig zusehen, wie immer mehr Wortmarken das Register füllen. Das Amt sieht sich außerstande zu überprüfen, ob die angemeldete Marke überhaupt genutzt wird oder nur der präventiven Abwehr dient. Zwar wird eine Marke, wenn sie fünf Jahre lang nicht genutzt wurde, gelöscht, aber auch diesen Nachweis muss ein Konkurrent vor Gericht und nicht das DPMA führen.

Schwierig wird die juristische Interpretation des Markengesetzes auch dort, wo eine neue Wortkombination gerade erst auf dem Weg in den allgemeinen Sprachgebrauch sind. So trug das Markenamt in den euphorischen Tage der frühen Internet-Ära Marken wie „Explorer“ ein. Später löschte das DPMA einige der Eintragungen wieder, andere dieser Prosa, wie etwa „Site Promotion“, sind noch heute geschützt.

Aber nicht nur die Startups machen den Angestellten bei DPMA zu schaffen. Im September des vergangenen Jahres ließ sich die Firma Zentis die Marke „Caffe Latte“ schützen. Damit ist nun auch die Jahrzehnte alte und wohlbekannten Bezeichnung für Milchkaffee in Firmenbesitz. Der Trick bei der Anmeldung: Die Anwälte von Zentis meldete ihr Produkt in der Leitklasse 29 (Milchprodukte) an, unterließen aber in der Erläuterung die explizite Bezeichnung ihres Erzeugnis; von „Kaffee mit Milch“ oder einem Mixgetränk ist nirgendwo die Rede. Dennis Sevriens, Anwalt für Markenrecht in Berlin, spricht von „einem üblichen Vorgehen“, würden damit doch „die Prüfer beim DPMA auf die falsche Fährte gelockt werden“. Große Unternehmen würden vermehrt Trends beobachten, um aufkeimende Begrifflichkeiten gleich als Marke zu schützen.

„Ich liebe es“: Slogan- und Markenwahn

Letzter Höhepunkt des Sloganhypes ist die Eintragung des Gemeinplatzes „Ich liebe es“ durch McDonald’s. Das DPMA erklärte den Claim als ungewöhnlich genug zur Bezeichnung von Fast-Food und trug ihn brav ins Register ein. Die deutsche Werbeagentur Heye & Partner „erfand“ diesen Slogan und gewann einen von der Hamburger-Kette ausgeschriebenen Wettbewerb damit. Wo früher nur ausgedehnte Hirnakrobatik oder der geniale Einfall honoriert, geschützt oder patentiert wurde, landet heute jede morgendliche Eingebung unter der Dusche bereits am Nachmittag beim Markenamt. Grenzen dafür, das Sätze in den Besitz von jemand übergehen, scheint es zur Zeit kaum zu geben. Alles nach dem Motto: Geiz ist geil.

Nichts ist unmöglich. Das Markengrabbing wird durch die Arbeit des 1993 gegründeten Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt noch verstärkt. Hier reicht ein Eintrag und der Slogan ist für den gesamten europäischen Raum gesichert. Die im spanischen Alicante sitzende Institution hat seit Beginn ihrer Tätigkeit die Anforderungen an Reklamesprüche nicht hoch angesetzt. Sie gab den Grundsatz der bis dahin für Slogans nötigen Kürze, Prägnanz und Mehrdeutigkeit auf. 1999 gab das Amt einer Firma Recht, die den Satz „Beauty isn’t about looking young but looking good“ gesichert sehen wollte. Auch Satzungetüme wie „the best british clothing for the worst british weather“ sind mittlerweile eingetragen.

Fachanwälte wie Fottner sind überzeugt davon, dass im Zuge der europäischen Harmonisierung auch der BGH nicht mehr starr an dem Grundsatz der Slogan-Kürze festhalten wird und „zukünftig auch längere unterscheidungskräftige Wortfolgen zur Eintragung zulassen wird“.

Durch die Akzeptanz der Anglizismen werden die Werbesprüche international übergreifend. Mit dem Schuh ist auch die Nachricht vom „Just do it“ im hintersten Andendorf angekommen. Der Nike-Treter klebt am Fuß, die mit ihm vermittelte „Message“ haftet im Hirn. Heute kauft man weniger das Produkt selbst, sondern den damit verbundenen Lebensstil, der Gebrauchswert rückt merklich hinter den Symbolwert zurück. Deshalb ist die Frage für Unternehmen heute nicht „Was biete ich?“, sondern „Wie wirke ich?“. Aus der Mixtur von Vertrauen (statt Nutzen) und der Fokussierung auf die Stil-, statt die Zielgruppen wird heute das erfolgreiche Marketing-Rezept gebraut. Die Verbildlichung des Stils zum Image leistet das Logo, die Verbalisierung der Slogan.

Nicht umsonst heißt der Slogan unter Werbern auch „Claim“, ein Ausdruck aus dem Wilden Westen, der das Abstecken des eigenen Besitzes mit Grenzpfählen besagt. Slogan wiederum bedeutet soviel wie „Schlachtruf“. Das „Branding“ einer Marke lehnt sich ebenfalls an den Cowboyslang an. Damals brannte man dem Vieh sein Zeichen ein, auch heute steht der Kunde als Ochse auf der Weide der bunten Warenwelt, um von einer Firma ihren Code ins Hirn gebrannt zu kriegen.

Deutsche Kaufmänner zeigen keine Scheu vor der englischen Sprache, wohl wissend, dass die Bevölkerung sich mit den Anglizismen längst angefreundet hat. Auch hier sind es die seltsamsten Verheißungen, die ihren Eingang in die Kartei finden: „eat the best…“, „feel the best…“, „think the best…“, und natürlich auch „be the best…“ sind alle fest in deutscher Hand bei den Ämtern. Die deutsche Wirtschaft zeigt sich ohnehin äußerst markenfreudig. Rund 25% der beim europäischen HABM registrierten Marken stammen aus den USA, gleich dahinter liegen deutsche Firmen mit 17%.

Mittlerweile treibt der Eintragungswahn Blüten. Der Satz „Ich bin Christ“ ist seit einem Jahr als Wort-Bildmarke geschützt und befindet sich nicht in den heiligen Händen des Klerus, sondern in Klasse 41 (Erziehung, Unterhaltung) wieder. Ein kluger Mann aus dem Ruhrpott hat einen Trick angewendet, der unter Markenmaniacs immer beliebter wird. Da die Wortfolge „Ich bin Christ“ allein nicht schutzwürdig wäre, kombinierte er den religiösen Claim mit einem Logo und ließ sich die so entstandene Marke auch gleich für Schreibwaren und Bekleidungsstücke schützen.

Wer nun aber glaubt, er darf auf dem nächsten Kirchentag seine Konfession nicht mehr auf dem T-Shirt zur Schau tragen, der liegt verkehrt. Das Markenrecht zielt allein auf den Geschäftsverkehr, der private Gebrauch und auch die Ironisierung von Slogans und Wortmarken ist legal. „Ich liebe es“ darf also bei Happenings auf vergammelten Burgern stehen und auch der Spruch „Die längste Praline der Welt“ darf auf einer Jeans prangen. Auf diese Steine können Sie bauen. Konfliktschwanger wird es erst, wenn ein kleiner Textilien-Fabrikant einen bekannten Slogan auf eine ganze Serie von T-Shirts druckt und diese vertreibt.

Heute reicht schon ein Buchstabendreher oder ein Akcent, damit eine ursprünglich Wortmarke zur Wort-Bildmarke aufgebläht wird. Statt „Marke“ wird dann „Márke“ reserviert, die Konkurrenz wird später bei Eintragungsversuchen von „Marke“ auf „Verwechselungsgefahr“ verklagt.

Hypertrophie der Schutzrechte

Kommunikations- und Werbeexperten wie der Hannoveraner Juniorprofessor Jannis Androutsopoulos erforschen die Kunst der Werbung sowie Lust und Frust der Kundschaft. Androutsopoulos sieht den kontinuierlich anwachsenden Schutz für Slogans schlichtweg als das Ergebnis der Evolution von Werbung: „Noch bis in die 70er Jahre hinein hätten die Normen der Werbung keine dialogische und umgangssprachliche Werbesprüche attraktiv erscheinen lassen.“

Auch die Kompetenz des Rezipienten, Lücken im Slogan zu schließen, nähme sicherlich im Laufe der Werbe-Sozialisation zu. „Insofern“, so der Fachmann für Medienkommunikation, „kann ‚Du darfst‘ nur in einer eingespielten Werbegesellschaft funktionieren“. Für die Zukunft sagt Androutsopoulos eine Werbung voraus, die immer fragmentarischer und kryptischer daherkommt.

Wohin die Okkupation der Wortfolgen führt, weiß zur Zeit keiner so genau. Androutsopoulos gibt Entwarnung. Er sieht die Alltagssprache als Fass ohne Boden, die sich ständig erneuert. Angst vor dem Ausverkauf der Worte bräuchte niemand zu haben: „Die Elemente der Sprache sind zwar finit, aber ihre Kombinationsmöglichkeiten unendlich. Und solang nur Kombinationen und nicht auch ihre Bestandteile patentiert werden, lässt mich dies doch noch hoffen.“

Juristen wie Volker Jänich sehen dagegen mit Sorge auf die Sonderrolle des Markenrechts, „dem einzigen Schutzrecht“, so Jänich, „das zeitlich unbegrenzt wirkt“. Trotz oft vergleichsweise geringer Mühen beim Entwurf eines Slogans stehe diesem ein ewiger Schutz zu. Dagegen ist die sogenannte „Schöpfungshöhe“ in anderen Bereichen des geistigen Eigentums nicht nur erheblich schwerer zu erreichen, das Urheber- und Patentrecht kennen auch zeitliche Begrenzungen, nach denen die Ergüsse des Erfinders an die Allgemeinheit fallen.

Auch die von Markengesetz und DPMA beschworene „Unterscheidungskraft“ von Slogans verkommt inzwischen zur Makulatur, ist doch selbst der Begriff, der dafür erfunden wurde eben keine Unterscheidungskraft zu besitzen, in diversen Markenklassen eingetragen: „Nichts“.

Bei den Domains geht es auch gegen Privatpersonen

Wo bislang nur Werbeagenturen und Firmen sich gegenseitig ihre Marken und saloppen Sprachfetzen streitig machten, zielen deren Rechtsabteilungen neuerdings auch auf Privatpersonen, um diese beispielsweise von dem Gebrauch von Internetadressen abzuhalten, die mit dem Firmennamen in Verbindung gebracht werden könnten. Die Registrierung einer Domain im weltweiten Netz ist Minutensache – und kostet knapp 20 Euro. Heerscharen von agilen Bürgern und Kleinunternehmern melden immer wieder Domains bei der DENIC, der deutschen Vergabestelle für die international erreichbaren Adressen, an, die als Bestandteil einen großen Namen führen. So nannte ein Autoteile-Händler seine Seite etwa www.bmw-teile.de, ein anderer seine Präsenz www.bmwwerkstatt.net.

Die Gerichte urteilen hier zumeist zugunsten der Marke. Begründung: Wo BMW draufsteht, da soll auch BMW drin sein. Es dürfe nicht, so die Richter, der Eindruck entstehen, als ob BMW die Tätigkeit der Inhaber überwachen und eine dauerhafte Vertragsbeziehung bestehen würde.

Wem dies noch klar erscheint, der wird bei den sprachlich stärker eingebundenen Domains schon eher zweifeln. Der Betreiber der Domain www.metrosexuals.de erhielt von dem Handelskonzern METRO die Aufforderung, seine Domain zügig zu löschen. Die Anwälte sehen in der Domain keinen Platz zum Austausch für gepflegt-urbane Männer a la David Beckham, sondern eine Gefahr für die Integrität der Firma.

Der Rechtsstreit läuft, der Kampf um das Eigentum an Worten und Sätzen geht in eine weitere Runde. Juristen werden zukünftig immer häufiger zu klären haben, wo der Schutzbereich einer Marke aufhört und wo die Freiheit eines anderen Unternehmen, die künstlerische Verwendung durch Künstler oder die pure Freizeitlust der Privatperson anfängt. Es droht eine rechtliche Grauzone, in der jeder Domaininhaber damit rechnen muss, Ziel der Verteidigungsstrategie großer und kleiner Wirtschaftsunternehmen zu werden. Wie würde die Metro wohl auf einen Dietmar Hamann Fanclub reagieren, der sich die „Metronomen“ nennt und eine gleichlautende .de Domain anmeldet? Oder gibt es bereits Bestrebungen bei der METRO, den Verein Namens „Pro-Bahn“ für den Begriff „Metro-Express“ abzumahnen, den dieser für die Einführung eines schnellen Zugstrecke zwischen Köln und Dortmund nutzt? Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.

Der neueste Kniff unter Markengrabbern ist es, die Titel urheberrechtlich geschützter Werke, deren Schutz abgelaufen ist, als neue Marke eintragen zu lassen. So ist beispielsweise der Titel des Kinderbuches „Alice im Wunderland“, 1864 von Lewis Caroll veröffentlicht, in Händen einer Merchandising-Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG. „Tom Sawyer“ wiederum haben sich verschiedene Firmen für Tabak, Wassersportgeräte und alkoholische Getränke schützen lassen. Das literarische Kulturerbe wird zur wertvollen Quelle für das Markendesign, bestehen doch beim Kunden bereits fest etablierte, positive Assoziationen zur Wortmarke.

Beliebt ist es neuerdings auch die Namen berühmter Personen als Marke anzumelden. Ob „Ludwig van Beethoven“ oder „Wolfgang Amadeus Mozart“, „John F. Kennedy“ oder „Konrad Adenauer“: Sie alle stehen mittlerweile mit ihrem Ruf für ein Produkt gerade. „Bill Clinton“ muss sogar für ein Aphrodisiaka herhalten. Um das ohnehin schon aufgeblähte Markenregister nicht zu einem Sammelsurium fragwürdiger Slogans und kulturell besetzter Bezeichnungen verkommen zu lassen, diskutieren die Juristen nun, ob solche Anmeldungen nicht den Tatbestand der „Bösgläubigkeit“ erfüllen und zukünftig vom DPMA schon im Vorwege abgelehnt werden sollten.

Was bleibt? Während es für Unternehmen zunehmend schwieriger wird eine neue Marke zu etablieren ohne in den Rechtskreis eines Mitbewerbers einzudringen, ändert die Schlacht um Worte für den Kunden wenig. Er ist weiterhin Ziel des die Marke umgebenen Marketings, seine soziale oder künstlerische Entfaltung behindert die Omnipräsenz der Marke kaum – sieht man einmal von den Verwechselungsgefahr bei Domainnamen und der juristisch schwer anfechtbaren mentalen Verschmutzung durch den alltäglichen Werbemüll ab.

Schon vor Jahren holte deshalb die Satire-Zeitschrift „Titanic“ zum polit-ökonomischen Gegenschlag aus. Ihre Antwort auf den mit einer Kampagne unterstützten Namenwechsel des Knusperriegels „Raider“ auf das heute bekannte „Twix“ hieß: „Haider heißt jetzt Wix, sonst ändert sich nix“.

Links

[1] http://www.dpma.de/
[2]
[3] http://www.dpma.de/
[4] http://www.ufa.de/

Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/eco/18689/1.html

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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