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Psychoaktive Substanzen

Die Erforschung psychedelischer Fische ist noch nicht über die Verbreitung von Mythen hinaus gekommen

Ichthyoallyeinotoxism, Fische, halluzinogen, Sarpa salpa, Kyphodidae, siganus argenteus /

HanfBlatt Nr. 102

Essbarer Tiefenrausch

Die Erforschung psychedelischer Fische ist noch nicht über die Verbreitung von Mythen hinaus gekommen

Der Fall klingt seltsam: Zwei Stunden nachdem ein 40-jähriger Franzose an der französischen Riviera eine Seebrasse (Sarpa salpa) verspeist hatte, klagte er über Übelkeit und erbrach sich. Noch in der Nacht bekam er starke Halluzinationen, Tiere schrien ihn an, am Morgen gesellten sich riesige Tausendfüßler dazu. Im Krankenhaus konnten kein Fieber und keine körperlichen Abnormalitäten festgestellt werden. 30 Stunden nach der Einnahme war der Spuk vorbei.

Immer wieder berichten Restaurantbesucher auf der ganzen Welt von seltsamen Halluzinationen nach dem Verzehr von bestimmten Fischen. Der Toxikologe Luc de Haro vom „Centre Antipoison“ in Marseille hat die weltweit dokumentierten Fälle dieser psychedelischen Fischvergiftung nun untersucht (Clinical Toxicology, 44/2006).

De Haro berichtet von acht Fischfamilien und einige Unterspezien, die für die wilden Abfahrten ins Unbewußte verantwortlich sein sollen. Es bleiben aber mehr Fragen, als der Forscher Antworten geben konnte: So ist nach wie vor völlig ungeklärt, welche Substanzen im Körper des Fisches im Menschen wirken, dass dessen Alltagsbewußtsein so frappant verändert wird. Mal werden Indol-Verbindungen genannt, mal soll es gar reines DMT (Dimethyltryptamin) sein. Dieses aber ist alleine oral nicht wirksam. Es wurde daher vermutet, dass über bestimmte Algen sogenannten MAO-Hemmer in die Fische gelangen, so dass das DMT doch seine Wirkung entfaltet. Nachgewiesen werden konnte aber bislang keiner der Stoffe. Somit kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Fische oder Esser über andere Wege kontaminiert hatten. Ebenfalls ungeklärt ist das Gerücht, dass die Vergiftungen vor allem dann auftreten, wenn die Inneren des Kopfes der Tiere mitgegessen und/oder der Fisch nicht korrekt ausgenommen wurde. Fazit: Die Erforschung psychedelischer Meerestiere ist noch nicht über anekdotische und sporadische Berichte hinaus gekommen. Alleine der japanische Kugelfisch ist als Liebesmittel etabliert.

Der für die Konsumenten meistens nur anstrengende Vorgang wird in der wissenschaftlichen Literatur mit der unglaublichen Bezeichnung „Ichthyoallyeinotoxism“ geführt. Aber der krude Name hilft nicht weiter. So warten der im Mittelmeer heimische Rabbitfish (siganus argenteus) und der sagenumwobende pazifische „Dreamfish“ (Kyphodidae Familie) noch immer darauf, ihre Tauglichkeit als Psychedelikum chemisch zu enthüllen. Neben ihnen sind es der Mullet (mugil cephalus, eine Meeräschen-Art) und der Goatfish (mulloidichthys samonesis, eine Meerbarben-Art), die im indo-pazifischen Ozean immer mal wieder für Aufruhr sorgen.

Klar wird aus den rund 20 Fällen bisher nur, dass die Wirkung nach ein paar Minuten oder spätestens nach 2 Stunden einsetzt und spätestens nach 36 Stunden aufhört. Auch dies spricht gegen DMT-haltige Verbindungen, die erheblich kürzer wirken.

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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