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Drogenpolitik Rezensionen

Rezension Wolfgang Schneider: Die „sanfte“ Kontrolle, Suchtprävention als Drogenpolitik

HanfBlatt Nr. 106

Was sind die Ursachen? Wie kann geholfen werden?

Geschichte und Gegenwart der Drogenforschung und der Drogenpolitik zeigen, dass es keinen „Königsweg“ zur Reduzierung von Drogenabhängigkeit gibt. Was aber sind die grundsätzlichen Annahmen über die Entstehung von schädlicher Drogenabhängigkeit und in wie weit bestimmen diese Theorie das Handeln des Drogenhilfesystems?

Dirk Themann hat sich die Mühe gemacht und verschiedene Theorie über die Entstehung von Drogenabhängigkeit überprüft. So nimmt zum Beispiel die Psychoanalyse (Freud) an, dass eine gestörte Kindheit zu einer gestörte Persönlichkeit und damit zu (Heroin-)Abhängigkeit führen kann. Themann hat dies anhand der Geschichte von Abhängigen überprüft, sein Fazit: Die Annahme ist mit den empirischen Daten nicht vereinbar.

Ähnliches gilt aus seiner Sicht für die sogenannten Anomie-Theorie, die Drogenabhängigkeit mit fehlenden sozialer Ordnung bzw. Regel- und Normenschwäche erklären wollen. Am besten schneidet bei Themann der Labeling-Ansatz ab. Dessen Schema: Der Drogenkonsum einer Person führt zu einem Brandmarkung. Dieses Stigma führt zu vermehrter Diskriminierung dieser Person, diese Diskriminierung führt wiederum zum sozialen Ausschluss aus der Gesellschaft und dieser Ausschluss birgt für die Person als eine mögliche Bearbeitungsstrategie den Rückzug in die kriminellen Drogenkarriere an. Aber auch hier gilt: Menschen funktionieren nicht wie Maschinen, es müssen viele Faktoren zusammenkommen, um jemanden in die Sucht zu bringen.

Insgesamt schafft es Themann, die psychologisch dominierte Drogenforschung, die in all ihren Varianten von einer individuell-defizitären Persönlichkeit der Drogenkonsumenten ausgeht, kritisch zu beleuchten. Schön wäre gewesen, wenn er weitere Theorien zur Entstehung von Abhängigkeit auf ihre Praxistauglichkeit abgeklopft hätte.

Aber auch so: Ausgehend von dem theoretischen Mangel entwirft Themann ein eigenes Modell, das verschiedene Theorien verbindet. Es berücksichtigt, dass es „den“ Drogenabhängigen nicht gibt, das eine nicht geringe Zahl von Konsumenten existiert, die Heroin kontrolliert einnimmt und das einige den Konsum selbstständig beenden. Der Autor landet schließlich bei der Forderung nach einer konzeptionellen Umgestaltung der Drogentherapien, einer Teillegalisierung mit gering dosierten Heroin, wobei geklärt werden müsse, wie kein Schwarzmarkt entsteht.

Insgesamt viele harte Bretter, die Themann gekonnt bohrt, ein kleines Buch mit hohem Gewicht. Dass die Sprache sich meist in den Tiefen der Wissenschaft bewegt, dass muss wohl so sein. Es ist daher zwar kein Vergnügen, dass Buch zu lesen, aber für alle unbedingt zu empfehlen, die sich auf hohem Niveau mit den Alternativen zur festgefahrenen Drogenpolitik beschäftigen wollen.

Dirk Themann:
Alternativen zu individuenzentrierten Drogentheorien und zur Drogenpolitik
Tectum Verlag 2006
202 Seiten, broschürt
ISBN: 3-8288-9088-1
24,90 EUR

 

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Rezensionen

Rezension Detlev Briesen: Drogenkonsum, Drogenpolitik, Deutschland, USA

HanfBlatt Nr. 102

Ausgedehnte Geschichtsstunde

Die Wahrnehmung der historischen Ursachen der drogenrechtlichen Blockaden, da kann man dem Historiker Detlef Briesen nur zustimmen, ist eine notwendige Voraussetzung, um die deutsche und internationale Drogenpolitik aus ihrem Dilemma zu befreien. Briesen legt mit seinem Buch eine Quellenstudie vor, um den Parallelitäten zwischen Deutschland und den USA in Bezug auf Drogenkonsum und Drogenpolitik auf die Spur zu kommen.

Es entstand eine materialreiche Literaturauswertung, die detailgenau die Entstehung der Drogengesetze und des Drogenkonsums seit dem 20. Jahrundert darstellt. Es ist sein Verdienst, als einer der ersten Autoren im deutschsprachigen Raum, die Ursprünge der gesetzlichen Regelungen und deren moralische und weniger medizinische Begründung heraus gearbeitet zu haben. Das Buch brilliert dabei vor allem durch ein erfreuliches Quellenstudium der Anfänge der modernen Drogenpolitik im deutschen Kaiserreich.

Sauber zeigt Briesen auf, wie aus einem Handelskontrollgesetz (Harrison Act) in den USA der 20er Jahren ein Drogenkontrollgesetz wurde. So wie Drogenarten und Konsummuster übertrugen sich diese Regelungen später auf Deutschland. In den USA dominiert seit damals der strafrechtliche Ansatz, in der Bundesrepublik eine Mischung aus theoretischer Strafandrohung und dem realen Überwiegen sozialtherapeutischer Maßnahmen bei den Konsumenten.

Aus Briesens Ansatz und seinem Stil wird klar, dass der Drogenbenutzer für ihn ein weithin unbekanntes Wesen ist, dessen Hobby ihn verwundert. Aber: Er lässt ihnen in einem ersten Schritt aus liberal-theoretischen Gründen die individuelle Konsumfreiheit und kommt in einem zweiten Schritt zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Regelungen den Rauschmittelgebrauch ohnehin nie verhindern konnten. Im Gegenteil: Aus Briesens Analyse nimmt man eher das Resultat mit, dass die Gesetze mehr Schaden als Gutes angerichtet haben.

Leider fehlt dem Buch eine grundlegende These, an der sich die fast 400 Seiten orientieren, eine Klammer, welche die vielen historischen Vorgänge zu einem Ganzen zusammenfasst und in einen Zusammenhang stellt. So will man zwar den Schlussfolgerungen des Geschichtswissenschaftlers gerne zustimmen, aus dem Gelesenen ergeben sie sich aber nicht. Das betrifft auch die fehlende Problematisierung des Begriffs „Drogen“ und die Unterscheidung zwischen verschiedenen Substanzgruppen. So landen leider Genuss-, Konsum und Suchtkultur diverser psychoaktiver Subtanzen in einem Topf.

Trotz dieser Einschränkungen schaffen die Ergebnisse Briesens den Raum für eine fruchtbare Diskussion, die Genussmittel- und Drogenkonsum abseits moralischer Begriffe und psychischer Defektzuschreibungen zu erklären versucht. Der Preis allerdings ist happig.

Detlef Briesen
Drogenkonsum und Drogenpolitik in Deutschland und den USA. Ein historischer Vergleich.
404 Seiten
Frankfurt am Main 2005
Campus Verlag
ISBN: 3-593-37857-4
EUR: 44,90

 

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Rezension Jeremy Narby – Intelligenz in der Natur

HanfBlatt Nr. 104

Selbst Amöbenschleim geht planvoll vor. Nicht nur der Mensch verfügt über Intelligenz, auch Tiere, Pflanzen und Bakterien treffen eigene Entscheidungen und entwickeln neue Handlungsmuster. Jeremy Narby, ein Anthropologe, der in der Schweiz, den USA und Kanada lebt, entdeckt intelligentes Verhalten überall in der Natur und präsentiert dazu überwältigendes Beweismaterial. Der „Teufelszwirn“ beispielsweise, ein Windengewächs, umschlingt andere Pflanze, taxiert deren Nährwert und entschließt sich innerhalb einer Stunde, ob er die Pflanze anzapfen oder weiterkriechen soll.

Zwischen den Vorstellungen der indigenen Heiler über die Intelligenz in der Natur und jenen der fortschrittlichen Naturwissenschaftler zeigen sich fundamentale Unterschiede, aber auch erstaunliche Parallelen. Jeremy Narby führt die außergewöhnlichen Ergebnisse aus zwei Forschungswelten zusammen und versucht die Wege zu ergründen, auf denen die Natur ihr Wissen erlangt.

Die vielen so lebhaft beschriebenen Beispiele reichen Narby aus, um von intelligentem Verhalten in der Natur auszugehen. Allerdings ist für jeden, der mit offenen Augen durch den Wald geht, die grundsätzliche Einsicht so neu nicht: Wer hat nicht schon staunend vor einem Ameisenhaufen gestanden? Schön wäre daher gewesen, wenn er einen Schritt weiter gegangen wäre und näher erklärt hätte, warum das so offensichtliche kluge Vorgehen von Tieren und Pflanzen einen solchen Schock für die westliche Wissenschaft bedeutet. Es ist unter Anthropologen und anderen Rechercheuren der subjektiven Erfahrung en voque sich jeder grundlegenden These zu entledigen und die Erzählung fließen zu lassen. Vielleicht wäre es in diesem Fall aber intelligenter (sic!) gewesen, das Buchprojekt mit einer Definition von Intelligenz zu beginnen. Gerade diese Definition ist nämlich das Kernproblem, jede Suche nach Intelligenz in Natur, Kultur, Technik oder dem Menschen steht und fällt mit ihr. Dann hätten die vielen guten Fragen in dem Buch zum Teil einer Antwort überführt werden können. Erst zum Ende führt Narby den japanischen Begriff des „chi-sei“ ein, was soviel wie „Wissensfähigkeit, Erkenntnisfähigkeit“ bedeutet. In einer für Naturliebhaber typischen Ablehnung (elektro-) technischer Entwicklungen versäumt Narby auch die Quellen der Forschung rund um die „Künstliche Intelligenz“ anzuzapfen, die jenseits transhumanistischer Phantasien viel zur Klärung des Aufbaus von Intelligenz in der Natur beiträgt (s. z.B. Pfeifer/Scheier: Understanding Intelligence).

So bleibt das Buch ein wunderbarer Parforceritt durch die Wälder Amazoniens, die Labors Japans (ein sehr guter Teil des Buches) und die Schweizer Alpen und ein immer flüssig zu lesendes Beispiel dafür, welche wirklichen Wunder diese Welt abseits von Religion und Glauben bereit hält. Und: Das Werk verortet dabei die aktuelle Forschungsergebnisse nicht nur, sondern zeigt auch auf, vor welchem kulturellen Hintergrund diese erworben wurden und welche Menschen dahinter stehen.

Jeremy Narby: Intelligenz in der Natur
Eine Spurensuche an den Grenzen des Wissens
Gebundene Ausgabe, 272 Seiten
Baden und München 2006
AT Verlag
ISBN: 3038002577
EUR 21,90

 

 

 

 

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Seyfried & Ziska: Die Comics. Alle!

HanfBlatt Nr. 108

Das ist doch mal ein Angebot. Anstatt durch Comic-Läden zu laufen oder im Internet wild zu sammeln kauft man nur ein Buch, die Bibel, sozusagen. Das gibt es preiswert bei Zweitausendeins: Den ganzen Seyfried und die volle Ziska. Die Comics. Alle! 700 Farbseiten, 3 kg schwer. Ein Juwel.

Wer über dieses Jubelpersertum staunt, der sei aufgeklärt: Mit Gerhard Seyfried begann die Geschichte des deutschen Underground-Comics. Kein anderer hat die alternative Szene und ihre grün uniformierten Widersacher treffender aufgespießt, kein anderer wurde öfter kopiert. Heute wie damals zieren seine Karikaturen und Parolen Flugblätter, Hauswände und die sanitären Anlagen in Kneipen. Seine Zeichnungen haben eine ganze Generation zum Lachen gebracht, ihm etliche Anzeigen und Gerichtsverhandlungen eingetragen und sind das wohl lustigste Kulturgut der Außerparlamentarischen Opposition.

Das Lesen seiner Comics ist bis heute immer auch ein Trip in visuell hochaufgelöste Kleinigkeiten und illusionäre Sprachspiele. So gibt es im Sammelband herrliche, zweiseitig-großformatige Kunstwerke zu bestaunen, in denen man sich gänzlich verlieren kann: Das ist psychedelische Feinstarbeit, die Seyfried durchaus an die Seite von Jean Giraud aka „Moebius“ stellt.

Aber weiter in der Historie: Als 1989 Rest- und Rost-Berlin wiedervereinigt wurden, antwortete der als bester deutscher Comiczeichner gewürdigte Max-und-Moritz-Preisträger Seyfried mit einem furiosen Nachwende-Comic („Flucht aus Berlin“). Später tat er sich mit der Zeichnerin Ziska Riemann zusammen, die mit ihr zusammen verfasste „Future-Subjunkie“-Serie waren ein Bruch mit seinen klassisch-buntwitzigen „Seyfrieds“, aber nicht weniger politisch – sie waren nur radikaler, härter. Man wollte zeigen, wo es hinführt, wenn nichts passiert, wie die Welt kaputtgemacht wird, die Gefühle absterben und die Natur zerstört wird. In vorerst letzten gemeinsamen Band der beiden, „Starship Eden“, dominiert wieder der (bösartige) Humor. Nazis und Faschisten werden gründlich verarscht.

Der Comicband setzt eine gewisse psychische Robustheit voraus: Teddybären werden verstümmelt und Autoritäten verlacht, ganze Inseln werden mit Tusche geschwärzt, der Cyberspace schlägt zurück, und Außerirdische ziehen unsere Zukunft durch den Kakao.

Die meisten der Alben sind längst vergriffen und unter Sammlern heiß begehrt. Besondere Schmankerl in dem Prachtband sind ein seltenes „Freak-Brothers“ Comic, das Seyfried zusammen mit Gilbert Shelton und Paul Mavrides verfasst hat und einige unbekannte Kurzcomics.

Fazit: Ein Pflichtkauf für jeden Comic-Freak und alle diejenigen, die es werden sollten. Und die gute Nachricht zum Schluss: Seyfried lebt wieder in Berlin – und er zeichnet…

Gerhard Seyfried & Ziska Riemann: Die Comics. Alle!
Erstausgabe
700 farbige Bildseiten
Großformat 30×22 cm
Fadenheftung. Fester Einband
ISBN-10: 3861507803
Frankfurt a.M., Zweitausendeins
39,90 EUR

 

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Rezension Wolfgang Schneider: Die „sanfte“ Kontrolle, Suchtprävention als Drogenpolitik

HanfBlatt Nr. 106

Irrweg Suchtprävention

Zwei Dinge hat sich der Drogen-Wissenschaftler Wolfgang Schneider in seinem neuesten Buch vorgenommen. Zum einen will er beweisen, dass die sogenannte „Suchtprävention“, also das frühe Verhindern von Abhängigkeit, ein Irrweg der Drogenpolitik ist. Zum anderen will er die Rolle der „akzeptierenden Drogenarbeit“ in diesem Konzept der „Suchtprävention“ aufzeigen und sie aus ihren Verstrickungen damit lösen.

Teils provokant-amüsant, teil verklausuliert beschreibt Schneider die Rahmenbedingungen moderner Präventionsarbeit: Aus seiner Sicht ist der potentielle Drogenkonsument zum Objekt der Begierde fürsorglicher Kontrollstrategien degeneriert – ob er nun will oder nicht. Damit das funktioniere, so Schneider, würden häufig Gefahren und Dramen medial konstruiert, groß angelegte Kampagnen (wie „Quit the Shit“) sorgen danach für die Beruhigung der Öffentlichkeit.

Die wissenschaftlich-praktische Bewegung der „akzeptierenden Drogenarbeit“, zu dessen Vertretern Schneider gehört, setzt seit den 80er Jahren das Augenmerk nicht auf „Prävention durch Verbot“, sondern auf die Verbesserung der Lebenssituation von Drogenabhängigen bei gleichzeitiger allgemeiner Akzeptanz des Drogenkonsums. Schneider nutzt das Buch zu einem Fazit der Erfolge dieser Bewegung und weist die Nachteile deren Institutionalisierung nach.

Mittlerweile, so Schneider, sei die ausufernde Drogenhilfeindustrie zu einem Teil des irrationalen Drogen-Moralsystems geworden, in dem primär pathologisiert, kriminalisiert und dramatisiert würde. Am Anfang stehe meist die Angst der betroffenen Eltern, jeder dann jugendschützerische Immunisierungsversuch würde begierig aufgenommen, bei den Jugendlichen allerdings führe diese negative Propaganda zu keiner Änderung am Konsumverhalten. Aus Schneiders Sicht leidet herkömmliche Suchtprävention unter ihrer Fixierung auf Gefährdungen und Risiken, ohne auch nur die positiven Momenten des Konsums zu erwähnen.

Credo seiner Überlegungen ist daher die völlige Aufgabe des Begriffs der (Sucht-) Prävention, denn dieser sei durch den „stets negativ-moralischen Beigeschmack“ diskreditiert. Er möchte zukünftig von lieber (und etwas holprig) von einer „akzeptanzorientierten, moderierenden Drogenverbraucherbegleitung zur Stützung genussfähiger Gebrauchskompetenz“ sprechen. Schneider hofft auf eine Umorientierung dahin gehend, dass die Genüsse nicht als Belohnung für irgendwelche Anstrengungen und Kämpfe, sondern als, und hier zitiert er Heiko Ernst, „der eigentliche Sinn des Lebens“ zu betrachten sind. Dieser Satz ist mutig und geht weit über den vorher im Buch erarbeiteten Wissensstand hinaus.

Insgesamt betreibt Schneider eine Entblößung der aktuellen Drogenpolitik und entwirft ein Gegenmodell genussorientierter, selbst bemächtigender Regeln für jedermann. Das alles ist nicht immer einfach zu lesen, gleichwohl einer wichtiger Beitrag zur Entwirrung des festgezurrten Pakets herkömmlicher Drogenpolitik, die aus jedem Konsumenten noch immer eine arme Wurst zu machen sucht.

Wolfgang Schneider: Die „sanfte“ Kontrolle
Suchtprävention als Drogenpolitik
VWB Verlag
Berlin 2006
96 Seiten
EUR 15,00
ISBN 3-86135-256-7

 

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Rezension: Mind-Altering and Poisonous Plants of the World

HanfBlatt Nr. 119

Mind-Altering and Poisonous Plants of the World

Eine weitere Enzyklopädie bewusstseinsverändernder und giftiger Pflanzen

Südafrika ist ein Land mit einer bedeutenden psychoaktiven Flora. Der Konsum des lokalen Rauschhanfes („Dagga“, „Insango“) hat eine Jahrhunderte zurück reichende Geschichte. Leider besteht dort nach wie vor ein das gestürzte weisse Apartheitregime überdauerndes ursprünglich rassistisch motiviertes Cannabisverbot. Trotzdem wird der Hanf weiterhin als Genuss- und Heilmittel gebraucht. Der Südafrikaner Ben-Erik van Wyk, Professor für Botanik an der Universität von Johannesburg, ist ein Experte für die Nutzpflanzen seiner Heimat. Die unter seiner Mitwirkung bereits erschienenen Nachschlagewerke „Medicinal Plants of South Africa“ und besonders „People`s Plants“ sind unverzichtbar für jeden, der an den lokalen Heil- und Genussmitteln interessiert ist. Wyk ist besonders bewandert in Sachen „Channa“ (Mesembryanthemum tortuosum et.al., Sceletium), einem milden gekauten oder gerauchten Psychoaktivum, auf dessen medizinische Anwendung er Patente erworben hat. Mit Spannung erwartet wurde sein jüngstes mit Michael Wink, Professor für Pharmazeutische Biologie an der Universität Heidelberg, verfasstes Nachschlagewerk „Mind-Altering and Poisonous Plants of the World“, das zeitgleich in deutscher Übersetzung erschienen ist. Attraktiv übersichtlich gestaltet und mit zahlreichen exzellenten Farbfotos und Tabellen angereichert kann es in Anbetracht der Fülle der Materie trotz seines Gesamtumfangs nur einen Einstieg bieten. Nach einem kurzen auf Vergiftungen abhebenden Intro werden in 204 sehr knapp gehaltenen jeweils einseitigen Porträts wichtige Giftpflanzen und -pilze mit oder ohne psychoaktive Wirkungen sowie deren Verwandte vorgestellt. 98 informationsüberladener Seiten sind diversen „Toxinen“ gewidmet. Ein lange Liste giftiger und/oder psychoaktiver Pflanzen und Pilze, sowie ein Glossar ergänzen die Zusammenstellung. Die wegweisende monumentale „Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen“ des Genussmittelafficionados Dr. Christian Rätsch, die man hier mal wieder in einem Atemzug preisen muss, kann sie nicht ersetzen.

 

Michael Wink/ Ben-Erik van Wyk
„Mind-Altering and Poisonous Plants of the World.
A Scientific Accurate Guide to 1200 Toxic and intoxicating Plants.“
Timber Press 2008
www.timberpress.com
Geb., 464 S., zahlreiche Abb.
ISBN-13: 978-0-88192-952-2

 

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Rezension zu Timmerberg: Shiva Moon

HanfBlatt Nr. 105

Heiss auf Erleuchtung

Klolektüre. Und das soll nicht despektierlich klingen. Ich konnte das Buch halt einfach nicht mehr aus der Hand legen. Helge Timmerberg reist mit Raketenantrieb durch das gelobte Land. Satzstakkatos. Der Trip eines Mannes, der in Würde altern will. Als 17-Jähriger, 1969, schon einmal in Indien gewesen, damals „heiß auf Erleuchtung“, sucht er dieses Mal, tja, was sucht er? Nix, außer das wundern über Menschen und die ewige Frage: Was geht hier ab?

Vielleicht brauchte der Nomade nach einem seiner letzten Bücher mit Namen „Schneekönig“, das er zusammen mit dem ehemaligen Kokain-Händler Ronald Miehling verfasst hatte (s. HB Nr. 83), einen Tapetenwechsel. So oder so: Timmerbergs Reisebericht ist für alle ehemaligen und zukünftigen Indien-Reisende stressfreie Lektüre, denn so kurzweilig schafft es kaum einer über ein Land zu berichten und dabei die persönlich-humoreske Sicht auf die Gesellschaft im Vordergrund zu halten. Ja, ja, wer’s hören will: kurzweilig heißt hier auch sprunghaft. Leichter Gonzo-Journalismus ohne politischen Tiefenschmerz, Hunter S. Thompson hätte ihn sicher von der Farm gejagt. Hui, das ist jetzt doof, gilt Timmerberg doch manchem Blatt als deutsche Dependence des verstorbenen US-Autors Thompson.

Timmerberg, 54, trägt uns von der Quelle des heiligen Flusses Ganges bis zur Mündung im Golf von Bengalen, immer selbstironisch, immer erregt.

Lassen wir Meister Timmerberg lieber selbst zu Wort kommen, das gibt die beste Grundlage für die Entscheidung, das Buch zu kaufen oder zu verschenken: „Der Guru, so viel verstehe ich, hat eine schöne Schrift. Und das sind schöne Wörter. Das ist Sanskrit. Das Latein Indiens. Die alte Sprache. ‚Mantras‘, sagt er. ‚Du weißt, was das ist?‘ Mantras sind Wörter, die doppelt wirken. Inhaltlich wie akustisch. Sanskrit hat es fertiggebracht, dass der Klang des Wortes genau das mit dir macht, was es bezeichnet. ‚Shanti‘ etwa heißt Frieden. Wenn du hundertachtmal hintereinander ‚Shanti‘ sagst, fühlst du den Frieden. Es ist ähnlich wie mit der Musik. Ein Ton hat Macht. Er verändert Stimmungen. Erzeugt Schwingungen. Er kann entspannen, erregen, Angst auflösen. Ich kann das bestätigen. Ich habe vor etwa drei Jahren von einem Sadhu in Nepal ein Mantra gegen Angst bekommen. Kleines Geschenk mit großer Wirkung. Was immer mich ängstigt, ob Mensch, Tier oder Türsteher, ich brauche nur dieses Mantra zu murmeln, und die Angst löst sich wie Brausepulver auf.“

Helge Timmerberg: Shiva Moon.
Eine Reise durch Indien
Rowohlt Berlin 2006
256 Seiten, gebunden
ISBN: 3871345415
EUR: 17,90

 

 

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Feiner Rohstoff – Der Journalist und Autor Jörg Fauser

HanfBlatt, Nr. 91, Oktober 2004

Der Autor und Journalist Jörg Fauser wäre dieses Jahr 60 geworden, aus Dank hetzt man in durch das Feuilleton, feiert sogar seinen Geburtstag mit einer Party in München. Warum?

Jörg FauserWas ist so faszinierend an den Arbeiten des Mannes, die die Kritik im Niemandsland zwischen Junggesellenliteratur und Drogenroman geparkt hat? Die enorme Dichte der Erzählung? Die fast wütende Treibjagd der Worte, der enorme Druck, der den Leser durch den Text schiebt? Oder die in den Text übertragende Desparado-Stimmung eines Mannes, der immer rücksichtslos schrieb? Wahrscheinlich alles das und noch mehr. Jörg Fauser entzieht sich den Schubladen.

Der „Faszination Fauser“ nachzuspüren waren an einem Samstag im Juli auch die Gäste der „Jörg Fauser Nacht“ in der Reithalle in München gekommen. Da wurde wacker aus seiner Prosa vorgelesen und Franz Dobler rhythmisierte köstlich ein Gedicht Fausers, wortprächtig unterstützt von einem eingefleischten Fauser-Fan im Publikum, der an allen wichtigen Stellen Dobler vorgriff und ihm die Pointe brüllend wegschnappte. Dem Publikum war das zu viel der Begeisterung. Fauser hätte es wohl gefallen, so ein angetrashter Aufstand gegen die Versilberung seines Werkes.

Fauser, geboren 1944 im Taunus, verlässt 1967 vorzeitig den Zivildienst und landet im Tophane-Viertel in Istanbul, wo er ein Jahr die Türkei und das Heroin kennen lernt. Eine Zeit, die Leben und Werk lange bestimmt, seine Erlebnisse dort werden in seinen Schriftstücken immer wieder verarbeitet. „Tophane“ erscheint 1972, die „Harry Gelb Story“ 1973. Die Texte gelten als die erste ernst zu nehmende Beat-Literatur Deutschlands.

Fauser ist mittlerweile vom Heroin runter, keine Lust mehr auf den Untergrund, aber auch keine Lust im deutschen Literaturreigen mitzutanzen. 1981 erscheint „Der Schneemann“, Hauptfigur ist ein sympathischer Tunichtgut, der eigentlich nur ein paar dänische Pornohefte an den Mann bringen will, aber in eine Mordgeschichte mit viel Koks reinstolpert. Fausers Stil ist kurz angehalten und treffend: „Wichtig ist, wie immer im Leben, das Glück nur in kleinen Dosen zu sich zu nehmen, so verschmerzt man es leichter, wenn es einem entzogen wird. Denn das Glück, meine Herren, ist die teuerste Droge.“ Später wurde das Buch von Peter F. Bringmann mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt. Erfolg stellt sich ein, Fauser bleibt getrieben.

Fauser1978 legt er scheinbar aus dem Nichts eine Marlon Brando Biographie vor, er der er sich nicht nur mit Brando, sondern mehr noch mit den „Kulturverwesern“ beiderseits des Atlantiks beschäftigt:

Sie seichen, schleimen, und laichen, gemietete Schreiberlinge jeder Provenienz, bezahlte Zuträger der Macht, von den Managern der Bewusstseinsindustrie ins Fernsehen gehievt, ausgehalten von den Zuhältern jener Konzerne, die das Abendland und das Morgenland bis auf den letzten Quadratmeter ausplündern, um sich sodann dem Weltraum zuzuwenden.“

Der Kulturindustrie gegenüber bleibt Fauser immer skeptisch, seine Kritik an den Verhältnissen mehr als bissig.

1984 erscheint „Rohstoff“, sein vermutlich bester Roman. Das gerade im Alexander-Verlag wieder aufgelegte Buch zeigt den Protagonisten in den Wirren der 68er-Zeit, und während die Anarchos das System stürzen wollen und die Hippies auf dem sanften Weg nach Innen sind, irrt die Hauptfigur zwischen Junk-Leben und der Arbeit an einem Roman durch die Weltgeschichte:

„Nachdem das Opium alle war, kaufte ich eine Flasche billigen Kognak, und irgendwann am nächsten Morgen erreichte ich Saloniki. Ich hatte noch meinen Ausweis, etwa 500 türkische Lira, meine Brille und die Fetzen, die ich auf dem Leib trug, aber mein Roman war weg.“

Fauser berichtet mitreißend real, journalistischer Stil paart sich mit literarischer Klasse. Er interviewt Charles Bukowski für den Playboy, für Achim Reichel schreibt er den Text zu dessen Hit „Der Spieler“, mit ihm zusammen taucht er bei Dieter-Thomas Hecks „Hitparade“ in Boxerkutte auf.

Leben und Werk vermischen sich bei Fauser, aber statt des Sozialzynismus der Pop-Literaten, die ihr Muttersöhnchen-Dasein als Abräumhalde für Textschrott nutzen, sucht Fauser den urdemokratischen Zugang und will seine Worte da wieder finden, wo sie entstanden sind. Unten. So will er vom Schreiben, nicht aber mit dem Bürgertum leben. Für seine letzte große Reportage begleitet er 1987 Joschka Fischer im Wahlkampf und zeichnet ein scharfes Bild des Grünen auf dem Weg zur Macht. Es ist wohl dessen Realitätsnähe, die Fauser sich für Fischer begeistern lässt.

Im Juli 1987 wird der Fußgänger Fauser auf der Autobahn bei München überfahren. Was er da wollte, ist bis heute unklar. Fausers hinterlässt mit seinen Schriften kernige Kommentare auf die Zustände der Republik, unverhauene Romane, spannende Krimis und brillante Gedichte.

Rohstoff

Die wichtigsten Werke von Jörg Fauser

Die Jörg Fauser Edition beim Alexander-Verlag, Berlin. Bd. 1: Marlon Brando, Der versilberte Rebell; Bd. 2: Rohstoff; Bd. 3: Der Schneemann; Bd. 4: Trotzki, Goethe und das Glück. Gedichte.
Rührige Gesamtausgabe von Fausers Werken.

Jörg Fauser: Blues für Blondinen. Essays zur populären Kultur. 1984. Frankfurt a.M.: Ullstein. Essays, Feuilletons, Kolumnen und Reportagen, die Fauser zwischen 1979 und 1983 u.a. in den Zeitschriften „lui“, „TransAtlantik“ und in der „Basler Zeitung“ veröffentlicht hat.

Matthias Penzel, Ambros Waibel: Rebell im Cola-Hinterland. Jörg Fauser. Berlin 2004. Edition Tiamat. Just erschienene Biographie, die Werk und Leben intensiv beschreibt.

 

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Rezension Holbein: Weltverschönerung

HanfBlatt Nr. 120

Der ganze Holbein

Der Hanfblattlesern bekannte Autor Ulrich Holbein ist definitiv nicht der, der man denkt, der er ist, wenn man ihm als augenscheinigem Exoten rein zufällig auf der Frankfurter Buchmesse begegnet. Er ist vermutlich auch sonst oft ein Anderer als er (hat man da ein Augenzwinkern gesehen?) vorgibt zu sein. Das macht ihn und seine herzerfrischend an die Grenzen des Zynismus gehenden Ergüsse und fotografischen Kreationen besonders faszinierend. Eines erscheint zumindest sicher: Sein schriftstellerisches Lebenswerk ist jetzt in handlicher Form bei Zweitausendundeins erhältlich. Was schon unter dem Titel „Weltverschönerung. Das Handbuch der lustvollen Lebensgestaltung“ einen Attraktor darstellt, hält was es verspricht. Die Sammlung wortgewaltiger und sprachakrobatischer durchwegs ironischer Texte lässt schmunzeln und lachen, wo man glaubte, dass es nichts mehr zu lachen gibt. Rauschfetischisten kommen nicht zuletzt bei der vollständig überarbeiteten „Typologie der Berauschten“ auf ihre Kosten.

Holbeins geradezu geräppten Auseinandersetzungen mit Kleinbürgerlichkeit wie Gegenkulturen und alltäglichem Mindfuck sind mit Hochgenuß häppchenweise zu konsumieren. Man muss bekanntlich vorsichtig mit Lorbeeren umgehen, weil der Autor ja die Rezension lesen und überschnappen könnte. In diesem Falle ist das wohl nicht zu befürchten. Holbeins originelle „Umwege zum Glück“ dokumentieren, dass der als Öko-Dandy getarnte Sprachmeister sich schon so ausgiebig mit dem zur maximalen Selbsttäuschung tendierenden menschlichen Denken und Empfinden auseinandergesetzt hat, dass er gegen derartige Lobhudeleien gefeit sein dürfte, obwohl sie vollkommen berechtigt sind.

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Ulrich Holbein
„Weltverschönerung.
Umwege zum Scheinglück.
Ein Handbuch der lustvollen Lebensgestaltung.“
Haffmanns Verlag bei Zweitausendundeins,
Frankfurt a.M., 2008
Geb., 634 S., mit SW-Abb.
ISBN 978-3-86150-819-9

 

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Drogenpolitik Rezensionen

Die CIA und der globale Drogenhandel

telepolis, 15.02.2004

Geheimdienst-Politik unter Drogeneinfluss

Ein umfassendes Werk beschreibt, wie sich CIA und prohibitive Drogenpolitik ergänzen

Alfred McCoy, Professor für Geschichte an der Universität Wisconsin, stellt in seinem Buch „Die CIA und das Heroin“ die unheilvolle Rolle der CIA bei der Verbreitung von Heroin und Kokain auf dem Globus dar. Aus der historischen Aufarbeitung ist eine scharfe Abrechnung mit der prohibitiven Drogenpolitik geworden.

Seit nunmehr 30 Jahren erforscht McCoy die Bemühungen der CIA, in den strategisch wichtigen Regionen der Welt mithilfe unterschiedlicher Machthaber den Einfluss der USA aufrecht zu erhalten. 1971 reiste er erstmals nach Südostasien, um den Bündnissen zwischen Drogenbaronen und Geheimdiensten auf die Spur zu kommen. Heraus kam „The Politics of Heroin in Southeast Asia”, ein Buch, in dem er den Heroinhandel „eher enthüllte als erklärte“, wie McCoy heute sagt. In seinem neuen Buch geht er den Schritt weiter und stellt auf über 800 Seiten ausführlich die Gründe für die historischen und aktuellen Verstrickungen des Geheimdienstes CIA in den internationalen Heroin- und Kokainhandel dar.
Mohn

Sein Credo: Das Vorgehen der CIA war in Burma, Laos, Afghanistan gleich und ist heute in Südamerika ähnlich: Die lokalen Stammesgesellschaften oder Clans wurden von der CIA im Kampf gegen den Kommunismus mobilisiert. Um Kräfte für geheime Operationen und Kriege freimachen zu können, mussten die Menschen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abziehen. Um die fehlenden Lebensmittel nun kaufen zu können, setzten sie auf den weniger arbeitsintensiven, aber lukrativen Mohnanbau. Aus Sicht der CIA ersparten die guten Erlöse aus dem Mohnanbau ihnen die Kosten, die geheimen Verbündeten versorgen zu müssen. Soweit, so gut, nur waren die längerfristigen Auswirkungen dieser Politik fatal.

Denn egal ob in Burma, Laos oder Afghanistan: Aus Warlords wurden mithilfe der CIA unabhängige Drogenproduzenten, die ihr Gewerbe nach dem Ende des Geheimkriegs nicht aufgaben. In den 50er Jahren, als die CIA die irregulär in Burma einmarschierten nationalchinesischen Truppen unterstützte und so maßgeblich zur Entstehung des „Goldenen Dreiecks“ beitrug, in den 60er Jahren, als im Dschungel von Laos mit Wissen der CIA die ersten Labore für Heroin entstanden; die genau das hochwertige Heroin herstellten, welches zunächst von den GIs in Südvietnam konsumiert wurde und später den US-Markt fluten sollte, und in den 80er Jahren, als die afghanischen Freischärler die von der CIA erhaltenen Privilegien für den Aufbau eines riesigen Mohnanbaugebiets im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan nutzen: Die kurzsichtige Politik des amerikanischen Geheimdienstes vor Ort führte nicht nur zu einer global stetig wachsenden Heroinproduktion, sondern hinterlässt destabilisierte Regionen. „So klein und entlegen sie sind, erweisen sich diese Hochlandgesellschaften in der Folge der CIA-Geheimkriege doch als Horte gravierender internationaler Instabilität – als schwarze Löcher der neuen Weltordnung.“ In jedem Drogenkrieg der USA – ob in der Türkei in den 70er Jahren oder in den Anden in den 90er Jahren – hat die Verbotspolitik nach Meinung von McCoy zu unbeabsichtigten Resultaten geführt, weil die lokale Bekämpfung globale Auswirkungen zeigte. Der Logik McCoys ist gut zu folgen: Wie bei den Märkten mit legalen landwirtschaftlichen Erzeugnissen führt eine Verknappung des Angebots ohne gesunkene Nachfrage a) zu höheren Preisen und b) zu einer Verlagerung der Produktion in andere Weltteile. So stieg der weltweite Opiumpreis, nachdem die USA die Türkei 1972-73 zur Bekämpfung des Mohnanbaus im Land gedrängt hatten, deutlich an; und um die weiterhin konstante Nachfrage zu befriedigen bauten nun einige asiatische Länder vermehrt den nötigen Mohn an.

Aber nicht für Asien, auch für Südamerika zeigt McCoy aktuelle Beweise auf. Der „Plan Columbia“ beispielsweise, der vom us-amerikanischen Kongress im letzten Amtsjahr von Bill Clinton verabschiedet wurde, bewilligte ein Antidrogen-Programm in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Mit diesen Mitteln wurden Militärs vor Ort ausgebildet, Hubschrauber frei gestellt und vor allem die Kokafelder in Kolumbien entlaubt. In kurzer Zeit zerstörten das Militär Ende 2000 30.000 Hektar Kokaplantagen in der Provinz Putumayo, nach Ansicht McCoys „mit dem vorhersagbaren Effekt, dass sich der Anbau in die benachbarte Narino-Provinz verlagerte“. Ein Spiel, das sich noch mehrmals wiederholen sollte. Nach zwei Jahren „Kolumbienplan“ gab das Außenministerium zu, dass sich die Plantagenflächen zwischen 1999 und 2001 trotz aller Bemühungen von 122.000 Hektar auf 170.000 Hektar vergrößert hatten.

Ein Krieg zielt immer auch auf das personifizierte Böse beim Gegner. In Panama stellte dieses Böse General Manuel Noriega dar, in Kolumbien Pablo Escobar, in Burma ein Mann mit Namen Khun Sa. Der Sturz dieser Drogenbarone führte aber nie zu dem gewünschten Effekt der Verringerung, sondern immer nur zur Verlagerung des Angebots.

Vorsichtigen Schätzungen zufolge ist der weltweite Drogenmarkt heute ein voll etablierter Wirtschaftszweig, der nach UN-Angaben rund 400 Milliarden Dollar jährlich umsetzt. Dies sind rund acht Prozent des Welthandels – mehr als mit dem weltweiten Verkauf von Automobilen umgesetzt wird.

Die Schuld der CIA, so McCoy, bestehe nicht in der aktiven Mittäterschaft bei Drogengeschäften, dies käme äußerst selten vor, sondern in der stillen Duldung des Handels und der Komplizenschaft mit ihren geheimdienstlichen Handlangern – der ungewollten Aufzucht der „Drogenbarone“.

Die Drogenprohibition ist aus Sicht von McCoy aus zweierlei Gründen nicht durchsetzbar. Zum einen scheitert sie an der wirtschaftlichen Dynamik einer begehrten Ware. Weil die Zwangsmaßnahmen nicht global durchsetzbar wären, seien die Konsequenzen kontraproduktiv. „Nach 30 Jahren gescheiterter Ausrottungsversuche zeigt eine Fülle von Belegen, dass der illegale Drogenmarkt ein komplexes globales System ist, das gleichermaßen empfindlich und widerstandsfähig reagiert und Repression rasch in einen Stimulus verwandelt.“ Im Rückblick auf dieses über 100 Jahre währende Experiment müsse man einräumen, so McCoy, dass die Prohibition aber nicht nur im Hinblick auf die internationale, sondern auch die individuelle Kontrolle gescheitert ist. Mehr noch, der Preis des Scheiterns ist hoch: in den Quellenländern militärische Konflikte und erzwungene Migration, in den Konsumländern Masseninhaftierungen, steigende HIV-Infektionen und soziale Polarisierung.

Das immer offensichtlichere Scheitern eines „Krieges gegen Drogen“ hält den Direktor des Office of National Drug Control Policy, John Walters, nicht davon ab, an der orthodoxen Prohibitionspolitik festzuhalten. Sein Bekenntnis zur Amtseinführung: „Nur wenn wir zurück schlagen, wird das Drogenproblem kleiner.“