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Special Tabak: Und immer wieder blüht der Tabak

HanfBlatt, Juli/August 2005

Wunderschön üppig in gelbgrün blüht auf meinem Fensterbrett der Bauerntabak. Ich kann ihn gar nicht genug bewundern. Da erschüttert ein Anruf mein tristes Dasein. Es ist mein Kollege, der rasende Reporter: „Special Tabak, alles klar?!“ Na gut, „Bröselmaschine“ in den CD-Player eingeschoben, und los gehts.

Nie zuvor wurde auf diesem Planeten so viel Tabak konsumiert, wie heute, und die Zahl der Konsumenten ist, weltweit gesehen, immer noch im Steigen begriffen. In Folge der „Entdeckung“ Amerikas durch Columbus im Jahre 1492 und damit auch des Tabaks verbreitete sich nach einer Anfangsphase, in der er in Europa zunächst hauptsächlich als Heil- und Zierpflanze genutzt wurde, der den „Indianern“ abgeschaute Tabakkonsum (Rauchen, Schnupfen, Kauen) bis in die entlegensten Winkel der Welt. Dabei entspannen sich immer wieder Debatten und gab es örtlich Verfolgungen, die den gegenwärtig geführten in Sachen Cannabis nicht nachstanden (siehe „Smoke“ von Gilman/Xun (Hrsg.)).

Ein Drittel der erwachsenen Weltbevölkerung konsumiert mittlerweile Tabak, hauptsächlich in Form des Rauchens von Zigaretten, welches sich nachdem 1881 in den USA die erste Maschine zur massenhaften Zigaretten-Fabrikation entwickelt worden war, im 20. Jahrhundert als die zeitgemäße, der allgemeinen Beschleunigung Rechnung tragende, ohne großes Brimborium, selbst im Schützengraben unter Beschuss, vollziehbare Konsumform etabliert hat. Als Besonderheit halten sich in Indien noch Bidis (in ein Temburni-Blatt eingewickelter Tabak) und in Indonesien Kretek (Gewürznelkenzigaretten, siehe Hanusz „Kretek“). Obendrein wird dem nach wie vor in Süd(ost)asien verbreiteten Betelbissen oft Kautabak zugesetzt. In Deutschland sind aber Tabakkauen und -schnupfen, obwohl sie kurioserweise seit 1993 tabaksteuerfrei sind, aus der Mode gekommen. Dem Pfeiferauchen haftet der Muff des Antiquierten an. Lediglich das Rauchen von Zigarren, symbolisch für das erstarkende Bürgertum und den aufkommenden Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, findet, heute als Zeichen von Status und Geschmack beworben, immer noch seine Liebhaber. Bonbonartig aromatisierten Tabak aus kitschigen Wasserpfeifen zu qualmen, ist ein modischer Trend aus der islamischen Welt, der in letzter Zeit in entsprechendem Ambiente als stilvoll propagiert wird. Immerhin saugten schon Promis wie Willy Brandt und Angela Merkel am Schlauch, frei nach dem Motto „Ziehen, nicht Blasen“.

Schon vor 8000 Jahren soll Tabak angebaut worden sein. Diverse Nicotiana-Arten wurden von indianischen Kulturen genutzt (siehe Christian Rätsch „Schamanenpflanze Tabak“, 2 Bände). Nur der rosa-rot blühende Echte oder Virginische Tabak (Nicotiana tabacum) und untergeordnet der robustere und nikotinreichere Bauerntabak (Nicotiana rustica, in Rußland „Machorka“) haben sich zur Genussmittelproduktion etabliert. Einst im rituellen Kontext eingesetztes Hilfs- und Heilmittel der Schamanen, dann Inspiration für Dichter und Denker oder aber Treibstoff für Macher wie für Schwätzer, gilt Tabak heute als das profane Suchtgift schlechthin, ohne medizinischen Wert und mit tötlichen Folgen.

 

Tabak Havanna Smyrna White Orient
Nicotiana tabacum-Pflanzen der Sorten „Havanna“, „Türkisch Orient Smyrna“, „Griechisch Orient Weißblühend“, „Rotfront“ und kaum zu sehen Zier- und Wildtabak Nicotiana sylvestris.
im Winter testweise mittels eines simplen (IKEA)-Hydrokultur-Systems angezogen.
Wenn Tabak erst einmal angewachsen ist, dann sprießt er….

Für das Jahr 2000 wird Tabak von der WHO für weltweit 4,2 Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich gemacht (siehe WHO „The Tobacco Atlas“). In Deutschland schätzt man die Zahl der jährlich vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums sterbenden Menschen auf bis zu 140.000. Krebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen gelten als todbringende Folgen des Tabakkonsums. Je früher ein Raucher anfängt, und je mehr er täglich konsumiert, desto kürzer ist laut Statistik seine Lebenserwartung, desto höher das Risiko an Folgeerkrankungen wie Krebs, chronischer Bronchitis, Lungenerkrankungen, Augenschäden, Durchblutungsstörungen mit erhöhtem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und im Alter eventuell eher an Demenz zu leiden. Mögliche Hautveränderungen werden von Medizinern ebenfalls als Argument gegen den Tabakkonsum vorgebracht. (Siehe Haustein „Tabakabhängigkeit“). Der Zigarettenrauch enthält bis zu 70 krebsauslösende Substanzen, daneben andere bedenkliche Gifte, wie Kohlenmonoxid, Benzol und Cadmium.

Cannabis- und Kräuterzigarettenraucher sollten sich übrigens nicht in falscher Sicherheit wiegen: Auch der durch Verbrennung entstehende Rauch anderer Kräuter ist reich an Teer, potentiellen Karzinogenen und Giftstoffen.

Ein weiterer Nachteil des Qualms ist, dass durch das sogenannte Passivrauchen nicht nur der sich eigenverantwortlich seine Lunge Teerende, sondern auch die in seiner Atmosphäre aus Rauch leben müssenden Mitmenschen, beispielsweise Raucher-Kinder, Kollegen oder Besucher öffentlicher Veranstaltungen über die allgemeine Geruchsbelästigung hinaus gesundheitlich beeinträchtigt werden. Viele Nichtraucher sind nicht länger bereit, sich durch Raucher einschränken zu lassen.

Bauerntabak Nicotiana rustica
Bauerntabak Nicotiana rustica

Nikotin ist der charakteristische Hauptwirkstoff des Tabaks. Dieses Alkaloid wurde in reiner Form erstmals von Reimann und Posselt im Jahre 1828 an der Universität Heidelberg isoliert. Es wirkt aktivierend und gleichzeitig emotional dämpfend. Die Wirkung hält, in den als Genussmittel üblichen Dosen inhaliert, etwa 20-90 Minuten an, in höheren Dosen und oral eingenommen auch länger. Bei zu hoher Dosis kommt es zu Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Darmkontraktionen, Schweißausbrüchen und kollapsartigem Blutdruckabfall. Etwa 0,04 bis 0,06 Gramm reines Nikotin gelten für Erwachsene als potentiell tödliche Dosis. Kinder sind schon bei 0,01 Gramm gefährdet. Der Tod erfolgt durch Atemlähmung. Tabak enthält je nach Sorte und Verarbeitung zwischen 0,05 und bis zu 8 % Nikotin. Nikotindauerkonsum, egal in welcher Form, wird als Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die bekannten Durchblutungsstörungen („Raucherbein“) angesehen, die im späten Stadium Amputationen erforderlich machen. Auch der Potenz soll Nikotin nicht zuträglich sein. Nikotin wird ein hohes Suchtpotential zugesprochen. Der körperliche Nikotinentzug, eine allgemeine Mißstimmigkeit, dauert allerdings nur etwa 24 bis 48 Stunden. Das Verlangen nach Nikotin bleibt dagegen noch etwa 2 bis 4 Wochen erhalten. Es tritt später eventuell noch sporadisch auf. Um vor dem eigentlichen Nikotinentzug das Runterkommen von der Gewohnheit des Rauchens zu erleichtern, wird neuerdings mit pharmazeutischen Nikotinpflastern und -kaugummis aus der Apotheke „substituiert“, die manche Raucher als geradezu harten Stoff empfinden. Sie klagen über Schlafstörungen und Alpträume als „Nebenwirkungen“. Diverse Verhaltenstips, Entspannungsmethoden und therapeutische Hilfen zur Überwindung der Nikotinabhängigkeit werden angeboten, teilweise von den Krankenkassen finanziert. Ihre Effektivität steht und fällt im Einzelfall jedoch mit der generellen Bereitschaft des Rauchers, sein Verhalten wirklich ändern zu wollen.

tabakpflanze

Die Tabakindustrie bestritt jahrzehntelang den Zusammenhang zwischen ihrem Produkt und möglichen gesundheitlichen Folgen. Immer wieder konterte sie mit neuen angeblich risikomindernden Trends, wie einem niedrigen Nikotingehalt, der allerdings, wie sich herausstellte, ganz im Sinne der an Umsatzmaximierung interessierten Industrie, zu einer vermehrten kompensierenden Qualmerei führte. Der abhängige Konsument verlangt nämlich nach einem zünftigen Nikotin-Kick und danach seinen Nikotin-Pegel zu halten. Die Zigarettenfilter auf Celluloseacetat-Basis gerieten in Verruf, da ihre feinen Fasern auf die Dauer selbst möglicherweise krebsauslösend sind. Die zahlreichen industriellen Zusätze zur Verbesserung von Aroma, Brenneigenschaften, Geschmack, Inhalierbarkeit und Wirksamkeit, die durch das Beizen und Saucieren in den Tabak geraten, werden ebenfalls kritisch beäugt. Erst sie, und nicht (allein) der reine Tabak, seien für manche der durch die Verbrennungsprozesse entstehenden Schadstoffe und die mit ihnen verbundenen gesundheitlichen Folgen des Zigarettenrauchens verantwortlich zu machen. Sie würden auch die Attraktivität des Rauchens und damit das Suchtrisiko erhöhen (siehe dazu den Beitag von adh in diesem Heft). Einige esoterische Industrie-Kritiker gehen gar von der Unschuld des unbehandelten Tabaks und der relativen Harmlosigkeit des Nikotins aus, wittern in den in bösartiger Absicht von der skrupellosen Industrie eingesetzten Zusätzen das eigentliche Übel.

tabaktrocken

Nicht viel anders als im Falle von Koka, Opiummohn oder Rauschhanf hat die menschliche Leidenschaft für den Tabak auch ökologisch (Zerstörung noch intakter Biosysteme durch Expansion des Anbaus und Verarbeitungsprozesse, die auf Kosten der Umwelt gehen), ökonomisch (wirtschaftliche Abhängigkeiten), sowie kulturell und politisch weitreichende Folgen (siehe z.B. „BUKO Agrar Dossier 24: tabak“ oder Hengartner/Merki (Hrsg.) „Tabakfragen“). So sind der Tabak und seine Konsumenten nicht nur ins Visier von Gesundheitspolitikern, sondern auch von Ökologen und Globalisierungsgegnern (siehe www.rauchopfer.org) geraten. Die intensiv um Markterweiterung kämpfende Zigarettenindustrie sieht sich in den westlichen Ländern in der Defensive. Sie konzentriert ihre Aktivitäten zur Erschließung neuer Märkte für westliche Zigaretten durch aggressives Marketing jetzt verstärkt auf Entwicklungsländer (z.B. besonders auf Frauen und Kinder in Afrika und Asien, siehe Geist/Heller/Waluye „Rauchopfer“). Bei aller berechtigten Kritik am Gebahren der Tabaklobbyisten und dem destruktiven Konsumverhalten der Raucher, scheinen sich in dieser Debatte, insbesondere, was die Feindseligkeit und die Forderungen nach immer mehr „Rauchverboten“ betrifft, bisweilen linke und rechte Puritaner im Regulierungswahn und in lustfeindlicher Einigkeit die Hände zu reichen. Denn, was gerne vergessen wird, bei allen bedenklichen Auswirkungen, Rauchen ist immer wieder auch eine Lust, kann manchmal durchaus eine Bereicherung des Lebens sein, besonders wenn man es schafft, das Kraut nur gelegentlich zu genießen. Für viele Raucher ist es das oft selbst dann noch, wenn sie nicht vom Glimmstengel lassen können, sich also abhängig verhalten, so gesehen „süchtig“ sind.

Wären räumliche Einschränkungen des Rauchens zum Schutz von Nichtrauchern, Werbeverbote außerhalb von Fachmagazinen, Beschränkung des Verkaufs auf Fachgeschäfte, Verpflichtung zur Deklaration von Inhaltsstoffen und zweckgebundene Steuern für die Prävention bei Kindern und Jugendlichen und die Linderung der Folgen des Tabakkonsums noch nachvollziehbar, so trägt die Irrationalität, mit der die Schikane und gleichzeitige Ausnutzung der Tabakkonsumenten als Geldquelle inzwischen betrieben und wegen angeblich sinkender Konsumentenzahl als Triumph gefeiert wird, nicht nur absurde Züge, sondern führt offensichtlich zur Schaffung von Schwarzmärkten und Raucher-Subkulturen. Das Letztere ist vielleicht gar nicht mal so schlecht, sitzen die Raucher doch auf diese Weise bald in einem Boot mit den Gebrauchern anderer verteufelter Genussmittel. Da besteht doch Solidarisierungspotential! Dann stehen die Kiffer hinter der Turnhalle nicht mehr allein herum, sondern können sich mit ihren quarzenden Lehrern ein Stück weit darüber unterhalten, wie sich das so anfühlt, wenn man als sozial ausgegrenzter Betroffener einem geheimen Laster frönt.

Wie heuchlerisch die Hetze gegen die Raucher ist, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Staat bei einer Einnahme von mehr als 14 Milliarden Euro allein an Tabaksteuern (für das Jahr 2003), wozu noch Umsatzsteuern, sowie indirekt obendrein die Lohnsteuern der 100.000 in Tabakverarbeitung und -handel beschäftigten Menschen kommen, den Löwenanteil (mehr als zwei Drittel) am Umsatz der dagegen geradezu bescheidenen Tabakindustrie einstreicht, ohne dafür adäquate Gegenleistungen zu bieten, während die gesundheitlichen Folgekosten des Tabakkonsums in erster Linie über Kranken-, Renten- und Pflegeversicherungen von der Allgemeinheit getragen werden.

In Anbetracht der hohen Preise für Zigaretten, die in erster Linie mal wieder die Ärmsten zu Billigprodukten (Feinschnitt und Steckzigaretten) oder zum Kauf auf dem Schwarzmarkt (2004 stellte der deutsche Zoll 25 Milliarden Schmuggelzigaretten sicher) nötigen, mag man als Abhängiger in Erwägung ziehen, sein eigenes Kraut anzubauen, so wie es zuletzt in den mageren Jahren der unmittelbaren Nachkriegszeit verbreitet war. Obendrein wäre in Bezug auf die Machenschaften der Tabakindustrie eine Selbstversorgung auch noch politisch oberkorrekt. Wer seinen Tabak selbst verarbeitet, behält gewissermaßen auch die Kontrolle über das Produkt, was er am Ende konsumiert, auch wenn das dann gesundheitlich nicht unbedingt weniger fragwürdig ist. Nikotinhaltiges Blattwerk lässt sich leicht gewinnen. Der private Anbau zur Selbstversorgung und ohne Verkaufsabsicht, in der Praxis sind das in Deutschland immerhin bis zu 99 Pflanzen pro Person, ist tabaksteuerfrei. Mindestens 50 Gramm getrocknete Tabakblätter pro Pflanze können geerntet werden.

Nicotiana tabacum
Nicotiana tabacum

100 Gramm sind durchaus realistisch. Eine Fläche von ca. 5 mal 5 Metern würde demnach für die Produktion von 10.000 Selbstgedrehten (mit je 1 Gramm Tabakblättern) ausreichen. Das sind, aufs Jahr gerechnet, 27 kräftige Kippen pro Tag. Im von der EU hoch subventionierten professionellen Anbau wird auf dieser Fläche sogar das Doppelte geerntet. Eine ganz legale Selbstversorgung ist für den durchschnittlichen Raucher also durchaus denkbar. Schon in einer einzigen reifen Tabak-Kapsel können 1500 bis 3500 winzige hochgradig keimfähige Tabaksamen enthalten sein. Eine voll ausreifende Tabakpflanze kann bis zu 150 Kapseln bilden! Die Samen liefern übrigens auch ein wertvolles Speiseöl. Sie werden im Freiland zwischen September und November reif. Man kann sie im Fachhandel (www.tabakanbau.de) erwerben oder Bauern um ein paar Samen bitten. Die bekannteste Sorte der Wessis ist der Badische Geudertheimer. DDR-Nostalgiker mögen sich für den „Rot Front“-Korso entscheiden. Reich an aromatischen ätherischen Ölen, aber hierzulande niedrig im Ertrag sind die früher so beliebten Orient-Tabake. Eine Nikotinbombe, aber geschmacklich verrufen, ist der Bauerntabak (s.o.). Bei der Sortenwahl ist zu beachten, wofür der Tabak genutzt werden soll (für Zigaretten, Zigarrren, Wasserpfeife, Kautabak etc.). Der züchterische Trend im professionellen Anbau geht übrigens zu Sorten mit vermindertem Nikotingehalt, aber auch geringerem Teergehalt. Die Samen bleiben bei dunkler, trockener und kühler Lagerung 5 bis 10 Jahre keimfähig. Man kann sie zwar auch im Blumentopf auf dem Fensterbrett ziehen, das ist aber nicht sonderlich ertragreich. Am Besten, man sät sie ab Ende März nicht zu dicht bei >10°C, besser aber bei 20°C, als Lichtkeimer oberflächlich ohne Erdbedeckung an einem geschützten Standort (Gewächshaus) aus. Sobald die Pflanzen etwa sechs Blätter haben, werden sie vorsichtig vereinzelt. Nach den Eisheiligen kann man sie hierzulande ins Freiland bringen. Etwa 45 cm Spielraum pro Pflanze sind gut. Ein warmer lichtreicher Standort, reichlich Wasser und genügend Dünger, und der Tabak sprießt prächtig bis zu 2 Meter in die Höhe. Schließlich müssen zur besseren Blattentwicklung noch die Blüten rechtzeitig geköpft und die Seitentriebe ausgezupft, sprich gegeizt werden. Näheres findet man in der Fachliteratur für den wiedererwachenden Tabakselbstanbau (Barth/Jehle „Tabakanbau und Tabakverarbeitung leicht gemacht“).

Schwieriger ist es da schon, den richtigen Erntezeitpunkt für die Blätter zu ermitteln, während sie an der Pflanze von unten nach oben aufsteigend dabei sind, sich in Richtung gelb oder erbsgrün zu entfärben. Noch komplizierter wird es beim langsamen Trocknen. Das Tabakblatt enthält zwar in jedem Falle mehr oder weniger Nikotin, entlockt den meisten Knarzern aber pur geraucht vor allem Hustenanfälle, denn erst durch das gekonnte Trocknen, Fermentieren, Soßieren mit Geschmack gebenden und die Brenneigenschaften beeinflussenden Zutaten und Mischen verschiedener Tabaksorten wird aus dem rohen Tabak ein aromatisches Genussmittel. Hier ist also enthusiastisches Tüfteln und Experimentieren des engagierten Hobbybauern oder eine Abkehr vom gewohnten Verwöhnaroma hin zum urtümlichen Rachenkratzer die Alternative. Wann sich gar der Guerilla-Anbau für den durchschnittlichen deutschen Lullenlutscher-Sargnagelschmaucher tatsächlich zu lohnen anfängt, steht allerdings noch in den Sternen. Bei aller Begeisterung für diese schöne und erstaunliche Pflanze, knuffige Grow-Magazine für den Underground-Kleinbauern Marke „Tabakblatt“ gibt es noch nicht am Zeitungskiosk. Auch Vereine, wie „Tabak als Medizin“ und „Tabak rettet die Welt“ („e.V.“) lassen noch auf sich warten. Aber wie lange noch?!

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Indianertabak Nicotiana quadrivalvis
Indianertabak Nicotiana quadrivalvis
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Special Tabak: Smoke gets in your eyes

HanfBlatt, Juli/August 2005

Smoke gets in your eyes

Optimierte Nikotinanfluter: Industrie-Zigaretten und deren Zusatzstoffe

Jörg Auf dem Hövel

Was heutzutage von Maschinen zu einer Standard-Zigarette eingewickelt wird verdient des Namen „Tabak“ nicht mehr. Das pflanzliche Grundmaterial, die Blätter der seit Jahrtausenden genutzten Tabakpflanze, dient nur noch als hellbrauner Träger für einen bunten Cocktail aus Substanzen, mit denen die Zigaretten-Herstellern ein bestimmtes Geschmacks- und Wirkungsspektrum erreichen wollen. Schon ein hochwertiger Tabak wie der für kubanische Zigarren wird in einer Lauge getränkt, um das Kraut für den Connaisseur überhaupt genießbar zu machen. Kaum jemand würde getrockneten Tabak anzünden und dessen Verbrennungsprodukt in die Lungen gelangen lassen, wenn er nicht vorher einer subtilen chemischen Behandlung unterzogen worden wäre. Die moderne Zigarettenindustrie hat dieses Verfahren so weit verfeinert, dass bei einem relativ milden Rauch die maximale Nikotinaufnahme gewährleistet ist. Denn viel Nikotin im Körper bedeutet jede Menge Raucher, die nicht Schachteln, sondern Stangen kaufen.

Nikotin gilt als das wichtigste Alkaloid im Tabak. Beim Rauchen werden etwa 30% des in der Zigarette enthaltenen Nikotins freigesetzt, wovon wiederum bis zu 95% beim intensiven Inhalieren resorbiert werden. Die Aufnahme der Substanz über die Lunge ist aber kein Kinderspiel. Tabakrauch beißt und kratzt, nur die gewöhnte, abgestumpfte Lunge will mehr davon. Um aber auch die unerfahrenen und damit meist jungen Probierer zum Kioskkunden werden zu lassen setzen die Hersteller auf mehrere Zusatzstoffe, die den schmerzhaften Rauch milder erscheinen lassen. Das zieht vor allem junge Raucher an. Aus den sogenannten „Tabakindustrie-Dokumenten“, deren Herausgabe ein US-Bundesgericht Ende der 90er Jahre erzwang, geht hervor, dass die Fabrikanten der großen, weiten Freiheit aus dem Zigarettenmarkt bewusst einen Kindermarkt gemachten haben. Mit Erfolg, heute beginnen Raucher ihre Karriere zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr.

Über die Jahre, so nimmt man an, wurden alle Parameter einer Zigarette so verändert, dass die Nikotinaufnahme maximal, der damit verbundene Inhalationsschmerz aber minimal bleibt. Chemie und Biochemie des modernen Zigarettenrauches sind relativ unerforscht, bisher weiß man nur, dass im Hauptstromrauch über 4800 Substanzen wirbeln. Rund 70 davon gelten als krebserregend oder stehen im Verdacht krebserregend zu wirken. Hierzu zählen vor allem die aromatischen Kohlenwasserstoffe (wie sie auch bei der Verbrennung von Diesel-Kraftstoff auftreten) und Armine sowie die Nitrosamine.

 

Ascher

 

Für die Glimmstengelhersteller ist Nikotin der Stoff ihrer Träume, denn regelmäßig genossen entsteht körperliche und psychische Abhängigkeit. Spätestens seit den 50er Jahren wird zwar jeder Schüler und Erwachsene vom Staat darüber aufgeklärt, dass „Zigaretten süchtig machen“, dem Erfolg der Zigarette tat das lange keinen Abbruch. Um die zunehmend misstrauische Gesellschaft von der Harmlosigkeit der Zigarette zu überzeugen, senkten die Firmen sogar den offiziellen Nikotinanteil im Tabak – wie sich jetzt herausstellte war dies ein Täuschungsmanöver, das auf der Überlistung der Messmethode beruhte. Das Vorgehen der Konzerne war gewitzt: Nikotin kommt im Rauch des Tabaks in zwei Formen vor, als gebundene, säurehaltige Substanz (in Salzform) und als „freies“ Niktotin. Die Messmethoden erfassen allerdings nur das gebundene Nikotin. Durch den Zusatz von Ammoniak, Harnstoff oder Soda in das Tabakgemisch und die Züchtung basischer Tabaksorten veränderten die Hersteller wie Philip Morris (Marlboro) und R.J. Reynolds (Camel, Winston) in den 60er Jahren den Säure-Base-Haushalt hin zu einer mehr basischen Mischung. Ab einem ph-Wert von sechs steigt nämlich der Anteil des freien Nikotins sprunghaft an. In einem internen Dokument schreibt die Firma R. J. Reynolds schon 1973 begeistert: „Dieses wird schneller vom Raucher aufgesogen und dieser nimmt einen deutlichen Nikotinstoß wahr.“

Der Trick bestand also daraus, den pH-Wert der Tabak-Mischung zu erhöhen, was den Nikotingehalt im Rauch erhöht, ohne aber die absolute und messbare Menge an Nikotin in der Mischung zu ändern. Gleiche Menge, höhere Verfügbarkeit für den Raucher – besser konnte es kaum laufen. Das zeigte sich auch an den Umsatzzahlen. Es wird angenommen, dass der Siegeszug der Marke „Marlboro“ auch auf dieses Effekt zurück zu führen ist.

Quälender Qualm

Der Griff in den Chemiekasten geht aber noch weiter. Die Liste der den Tabakhäckseln zugesetzten Mittel umfasst je nach Hersteller bis zu 600 Stoffe. Nur die Beimischungen können bis zu 10 % des Gesamtgewichts einer Zigarette ausmachen, eine Zahl, die von den Herstellern bestritten wird.

Zugemischt, und das geben auch die Hersteller zu, werden fast immer Zucker und Kakao. Zucker karamellisiert während des Verbrennens und sorgt für einen milden Geschmack, dieser sanfte Dunst lässt sich leichter inhalieren. Das Problem: Beim Verbrennen von Zucker entstehen krebserzeugende Aldehyde.

Ebenfalls beliebt im Cocktail ist das kühl schmeckende Menthol. Es findet sich heute nicht nur in Menthol-Zigaretten, sondern in geringen Anteilen in fast allen Fluppen, besitzt es doch lokalanästhetische Eigenschaften. Anders ausgedrückt: es betäubt die Bronchien und macht sie unempfindlicher gegenüber dem quälenden Qualm. Zudem führt das Inhalieren von Menthol zu einer höheren Atemfrequenz, einem erhöhten Atemvolumen sowie einer tieferen Inhalation des Rauches.

Auch das Feuchthaltemittel Propylenglykol ist fast immer enthalten. Es steht im Verdacht bei der Verbrennung gesundheitsschädlich zu wirken, aber genaue Studien hierzu fehlen. Aus dem ebenfalls oft zugesetzten Glycerin entstehen in der Glutzone giftige Epoxide.

Die Liste der giftigen Substanzen lässt sich weiter fortsetzen. Um die Eigenschaften des Tabakrauches genauer zu erforschen hat Verbraucherschutzministerin Renate Künast nun eine Kommission eingesetzt, die dem Wesen des Qualms auf die Schliche kommen soll. Die Überprüfung der toxischen Eigenschaften des Rauches dürfte allerdings bis zu zwei Jahren dauern, wie aus dem Ministerium zu hören ist. Wenngleich es danach kein Reinheitsgebot für Zigaretten geben wird, steht doch zu vermuten, dass diverse Zusatzstoffe verboten werden.

Zigarette

Unter http://www.verbraucherministerium.de steht schon jetzt eine Aufstellung bereit, die für alle Marken und Sorten deren Zusatzsstoffe aufführt. Für wahrliche Aufklärung sorgt dieser Katalog aber nicht, mussten die Hersteller doch nur die Mittel bei der Ministerin vorlegen, die in größerer Menge im Glimmstengel vorkommen. Genaue Mengenangaben fehlen völlig, vieles läuft zaghaft unter „Aroma“. So fehlt die Angabe von Menthol für normale Zigaretten völlig.

Aus dieser Sicht wirken die Bemühungen des Verbraucherschutzministeriums seltsam naiv, verlässt es sich doch vollständig auf die Angaben aus der Industrie. Ein unabhängiges Institut, das die Inhaltsstoffe von Zigaretten regelmäßig überprüft existiert in Deutschland nicht. Die Tabak-Industrie besitzt Hegemonie bei der Analyse des blauen Dunstes.

Der Clou für die Hersteller: Alle der von ihnen zugesetzten Substanzen sind legal, sie stehen in Tabakverordnung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) von 1977. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg drängen nun darauf, dass dieses Chemo-Register extrem gekürzt wird, nicht zuletzt deshalb, weil es sich dabei eigentlich um Zusatzstoffe für Lebensmittel handelt. Der Toxikologe Heinz Thielmann vom Krebsforschungszentrum warnt: „Durch die hohen Temperaturen beim Rauchen entstehen daraus neue Substanzen, deren gesundheitliche Risiken fatal sind.“ Aus Sicht der Heidelberger müssen alle Zusatzstoffe, die dazu dienen, das Rauchen zu erleichtern und insbesondere das tiefere Einatmen des Rauches zu ermöglichen, sowie alle Beimischungen, die die Bioverfügbarkeit von Nikotin erhöhen, verboten werden.

Das mag zwar alles helfen die passionierten Rauchern vor allzu groben Eingriffen in ihren Körperhaushalt zu schützen, neben strengeren Kontrollen der Inhaltstoffe von Zigaretten muss es aber auch darum gehen, den Einzelnen zu mehr Selbstverantwortung beim Gebrauch dieser Droge zu führen. Angesichts der Fitness,- Wellness- und Öko-Food-Welle ist es ein weiteres Zeichen für die jedem Menschen offenbar inne wohnende Lust auf abstruse Widersprüche, sich täglich gleich mehrere dieser Chemo-Keulen reinzuziehen. Die massenhaft gerauchte Zigarette ist vielleicht das Symbol schlechthin für den völlig degenerierten Umgang mit psychoaktiven Substanzen in unserer Gesellschaft. Ohne Sinn(lichkeit) und Verstand wandern Verbrennungsprodukte in die äußerst sensiblen Lungen – und schon während des Ausatmens wird auf die Industrie gemotzt, die keine Feinstaubfilter in die Diesel-PKWs einbaut. Und als ob es irgendein Problem lösen würde, greifen immer mehr Konsumenten zur Light-Zigarette, in der Hoffnung auf einen gesundheitlichen Vorteil. Nur langsam besinnen sich starke Raucher darauf, dass es auf dem Zigaretten-Markt auch einige wenige Marken gibt, die keine Beimischungen vornehmen.

Das politische System hat sich weitgehend darauf zurück gezogen mit Hilfe gesundheitlicher Argumente moralisch-symbolische Politik zu betreiben, nicht zuletzt, um die Steuerungsverluste in anderen Sektoren mit restriktiver Innen- und Sicherheitspolitik zu kompensieren. Von der Doppelmoral der nicht zweckgebundenen Tabaksteuer mal ganz abgesehen. Aus Sicht der Tabak-Hersteller ist der an sich gerichtete Vorwurf der steten Perfektionierung ihres Produkts ohnehin absurd – sie richten sich einfach nach den sonst so hochgelobten Marktmechanismen.

Gute Rauchware, mäßig genossen, könnte durchaus ein zu pflegendes Kulturgut sein, sie ist eben mehr als nur ein „Suchtmittel“. Sie kann als Abgrenzungsobjekt gegenüber Eltern, einer hochkontrollierten Gesellschaft oder als Zeichen von Emanzipation wirken, mehr noch, sie kann sogar als Abschussrampe aus dem gewohnten Zeit-Raum-Kontinuum dienen.

Aber die meisten Konsumenten unterwerfen sich dem Diktat einer Massenindustrie, die eine Droge perfekt optimiert hat, ohne über die angewendeten Verfahren noch die benutzten chemischen Zusatzmittel Auskunft geben zu müssen. Bei jedem Hühnerei kann man inzwischen verfolgen, woher es kommt, unter welchen Bedingungen das Tier gelebt hat und – vor allem – welche Inhaltstoffe dieses Ei zum gesunden Nahrungsmittel machen. Bei dem zerhackten und in Papier eingerollten Kraut ist weiterhin unklar, welche Substanzen in welchen Mengen vorhanden sind.

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Chemie-Apotheken müssen schließen

telepolis, 15.07.2005

In den USA wurde ein Online-Händler zu 410 Jahren Haft verurteilt

In den vergangenen Jahren herrschten im Netz traumhafte Verhältnisse für experimentierfreudige Psychedeliker. In Online-Shops konnten sie neu synthetisierte, bis dato unbekannte und daher halblegale Drogen bestellen. Nun greifen Behörden und Justiz durch. Websites werden geschlossen, in den USA wurde ein Chemikalien-Händler zu 410 Jahren Gefängnis verurteilt.

Auf den einschlägigen Websites wie www.omegafinechemicals.com wurden die Chemo-Varianten bekannter Drogen über Jahre unter der euphemistischen Bezeichnung „Research Chemicals“ angeboten. Es waren Spielarten der beliebten Drogen der Tryptamin- (LSD, DMT) oder Phenethylamingruppe (Ecstasy, Meskalin, Speed). Durch kleine Änderungen an der Molekülstruktur entstanden so ständig neue Drogen, die in keinem Betäubungsmittelgesetz standen.

Deren Namen klangen wie Droiden aus der Star-Wars Serie: 2-CT-7, DOB, 5-MeO-DET. Über die Jahre tauchten Hunderte von Internet-Auftritten auf, in denen man Abwandlungen bekannter Halluzinogene erwerben konnte. Der Us-amerikanische und europäische Drogenuntergrund bestellte eifrig und bescherte Händlern wie RacResearch.com Umsätze von bis zu 20.000 Dollar in der Woche. Die psychonautischen Versuchskaninchen erforschten die Substanzen am eigenen Leib und besprachen die psychotherapeutischen, spirituellen oder genussorientierten Fortschritte und Rückschläge in Netz-Foren und Chat-Räumen.

Die US-Drogenaufsichtsbehörde DEA wies immer wieder darauf hin, dass die in Küchen und Kellern zusammengebrauten Mixturen illegal sind, weil sie im „wesentlichen gleichartig“ zu bereits verbotenen Mitteln seien. Das stimmte nicht ganz. Einige der Substanzen sind zwar verboten, aber nur, wenn sie jemand nachweislich für den Konsum vertreibt. Eine Nutzung zu Forschungszwecken ist erlaubt. Den so entstandenen Graubereich für Substanzen, die zwar erforscht, aber nicht geschluckt werden durften, nutzten die Online-Drogisten weidlich aus.

RacResearch etwa bot über 20 unterschiedliche Präparate an, gab Gratisproben an Erstkunden ab und warb sogar auf Google. Eine andere Seite, www.pondman.nu, setzte ebenfalls auf Kundenbindung: Saisonangebote, „Nimm 3 für 2“ und Express-Lieferung. Bezahlt wurde mit Kreditkarte oder über Paypal.

Das Geschäft florierte, die Behörden griffen über Jahre nicht ein. Dann der Schock: Ein 18-jähriger Kunde von www.pondman.nu hatte den Beipackzettel für sein Produkt nicht gelesen und verstarb im vergangenen Jahr an einer Überdosis AMT, einem Antidepressivum, das bis in die 60er Jahre hinein in der Sowjetunion erhältlich war. Seine Unachtsamkeit wurde auch James Downs, 22, im letzten Jahr zum Verhängnis. Er verstarb an einer Überdosis 2-CT-21, das er bei der in Las Vegas ansässigen Firma „American Chemical Supply“ bestellt hatte.

In der Operation „Web Tryp“ schloss die DEA daraufhin im Juli 2004 fünf der größten Webseiten und verhaftete zehn Personen. Der Betreiber von pondman.nu, David Linder, 52, wurde im Mai diesen Jahres zu satten 410 Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem muss er die 700.000 Dollar, die er mit der Website verdient haben soll, zurückzahlen. Angeklagt ist derzeit auch Michael Burton von American Chemical Supply. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe.

Mit den auf den Händler-Computern gefundenen Kreditkartennummern tasten sich die Behörden nun weiter vor. In Großbritannien wurden im Mai 22 Personen angeklagt, weil sie über die betreffenden Websites größer Mengen der illegalen Substanzen aus den USA bestellt hatten.

Auf drogenaffinen Webseiten wie www.erowid.org wird derweil vor der Anwendung von „Research Chemical“ gewarnt. Es gäbe keinen guten Grund dafür, so die Vorreiter der alternativen Drogenberatung, dass diese Chemikalien für den Freizeit- oder Entspannungsgebrauch sicher zu nutzen seien.

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Die ultimative Pfeifenkritik

Zunächst: Ein paar Worte zum Rauchen

Rauchen stellt eine Belastung für die Atemwege dar. Aus gesundheitlicher Sicht, und die sollte gerade beim Rauchen nicht ausser Acht gelassen werden, ist ein Rauchgerät dann am ehesten akzeptabel, wenn der Rauch mit einem möglichst hohen Wirkstoff- und einem geringen Schadstoffgehalt über die Atemwege und die Lunge in den Blutkreislauf gelangt. Ein Teil der unerwünschten Stoffe ist in Wasser läslich. Im warmen oder heissen Wasser ist die Läslichkeit erhäht. Die psychoaktiven Wirkstoffe sind dagegen wasserunlöslich. Sie läsen sich aber in Alkohol und Fetten. Deshalb sind hochprozentige Alkoholika und zum Beispiel Milch ungeeignete Filtermittel in Wasserpfeifen und Bhong. Flüssigkeit hält auch Staub-, Aschepartikel und dergleichen zurück. Kalte Flüssigkeit und ein langer Weg führen zum Niederschlag teeriger Substanzen bevor diese die Atemwege erreichen. Allerdings bleiben dabei auch Wirkstoffe auf der Strecke.

Neuerdings verspricht man sich vom Verdampfen der Wirkstoffe eine geringere Belastung als von der beim klassischen Pfeiferauchen auftretenden Mischform von Verbrennung und Verdampfung, wobei beim starken „Ziehen“ oft mehr verbrannt als verdampft wird. Das Cannabis wird bei der neueren Methode nur bis zu der Temperatur erhitzt, bei der die Wirkstoffe in die Gasphase übergehen und inhaliert werden kännen. Was zurückbleibt wird nicht noch mal „übergezündet“ sondern verworfen.

Kommt der Rauch nun gefiltert und gut gekühlt in die Lunge, kann er zweifellos tiefer inhaliert und länger einbehalten werden. Das ist zwar effektiv, was den Tärn anbelangt, aber für die Lunge nicht gerade das Gelbe vom Ei. Deshalb gehen Überlegungen weiter in Richtung auf die Entwicklung eines Cannabis-Aerosols. Dabei ist die Wasserunläslichkeit der Wirkstoffe ein Problem. Eine derartige Zubereitungsform ist deshalb derzeit noch Zukunftsmusik und wird mäglicherweise der Pharmaindustrie vorbehalten bleiben. Solange werden Cannabisliebhaberinnen mit der Atemwegsbelastung leben und auf Warnsignale ihres Körpers achten müssen.

Ein möglichst konzentriertes Cannabisprodukt vorsichtig dosiert und nicht mit anderen Substanzen, insbesondere dem bekanntermassen bedenklichen Tabak, vermengt zu Rauchen, minimiert die gesundheitlichen Risiken. Rauchpausen bieten den Atemwegen die Mäglichkeit sich zu erholen. Bei sich anbahnenden Erkältungen und Infekten sollte das Rauchen auf jeden Fall eingestellt werden.

Rauchtechniken werden üblicherweise im verbreiteten gemeinsamen Konsum und dem damit verbundenen sozialen Austausch entwickelt und erlernt. Ziel ist dabei meistens, durch mäglichst genussvolle Inhalation auf dopesparende Weise optimal high zu werden. Eine genauere Erläuterung an dieser Stelle erübrigt sich.

Wenden wir uns jetzt dem Rauchgerät zu. Es folgt ein Einblick in die unbegrenzte Vielfalt teilweise bizarrer Rauchmethoden und phantasievoller Pfeifen.

Ein Hindu entspannt

Die geliebte Purpfeife – immer am Mann

Bevorzugt die metallische Version, da sich Holzkäpfe bekanntlich schnell in Rauch aufläsen. Muss nicht so häufig gereinigt werden, da edles Metall den Schmand verbirgt. Dennoch, alle Jahre wieder, wenn Dich der Bock überkommt mal wieder richtig rumzusiffen, dann greifst Du sie Dir einfach und fängst an zu reinigen. Als erstes gännst Du Dir den Spass, das verteerte Sieb abzufackeln. Dann werden mit kreisenden Bewegungen die Rohre freigebohrt. Die Einzelteile kriegst Du eh nicht mehr auseinander. Die schwierigste Aufgabe ist es, nachher den ganzen Siff wieder von den Fingern abzukriegen. Und wer jetzt Hustenanfälle bekommt, wird nie ein glühender Verehrer werden.

Die Protopipe

Der Roll«s Royce unter den Purpfeifen. Aber was soll«s? Die Protopipe musst Du täglich reinigen, damit die diversen metallischen Einzelteile nicht total verbacken. Und wer tut das schon? So wird die Protopipe leicht zur Wegwerfpipe. Gepuzzelt wird sowieso nur in den ersten Tagen.

Silver Palm Leaf – Die Designerpfeife

Flach wie eine Scheckkarte und schweineteuer. Der Rauch fährt Slalom und gelangt für eine Purpfeife angenehm gekühlt im Mundraum an. Durch das leider nur an einem simplen Magneten haftende abnehmbare Unterteil leicht zu reinigen. Muss sich in der Praxis noch bewähren.

Die Pickel-Pipe für den kleinen Zug zwischendurch

Diese Menschen wollen keine Freunde haben.

Staubsauger rauchen – nicht sparsam, aber effektiv

Einen Staubsauger rauchen ist mit Sicherheit eine der spendableren Methoden sein Dope unter die Leute zu bringen. Am Ansaugstutzen wird ein Joint, ein Chillum oder €hnliches angebracht. Inhaliert wird hinten am Gebläse. Ein Knopfdruck und ab geht die Post.

Der Standarddialog lautet: „Wollen wir «nen Staubsauger rauchen?“ „Mit oder ohne Beutel?“

Die Elektropipe

Eine wesentlich handlichere und praktischere Variante, die inspiriert vom traditionellen Staubsaugerrauchen entwickelt wurde. Bei dieser Pfeife steckt man sich das Mundstück keineswegs direkt in den Schlund, wenn man nicht wie ein Ballon aufgeblasen werden will, sondern versucht, in einer Qualmwolke stehend, soviel als mäglich zu erhaschen. Typische Frage: „Hat hier irgend jemand noch «ne Batterie auf Tasche?“

Das Blubbi

Der Klassiker aus dem Orient. Ziehen will gelernt sein. Wer sich die Qualmsuppe einbrockt, der muss sie auch ausläffeln. Das ist nicht gerade das gelbe vom Ei. Gut kommt die laszive Haltung am Schlauch.

Das Bhong

Eigentlich ein Blubbi mit weiter Inhalationsäffnung. Nicht nur von Pygmäen und thailändischen Bergvälkern gern genossen. Da weiss man, was man macht und blickt den Tatsachen umnebelt in«s Auge. Wann kommt das Bhong in Serie, in das man nur noch seinen Kopf stecken muss, so dass man in seiner Atmosphäre noch ein wenig verweilen kann?

Bauernregel: Ein Kopf ist ein Zug – Kopf zu, es zieht.

Das Schlauchboot

Achtung, Trendforscher: Im Sommer 1996 dümpelt Deutschlands Jugend unter umgekippten Schlauchbooten auf dem See. Badespass macht sich breit, wenn die Luftblase zu Cannabisqualm wird und zwei bis drei Lungen kräftig einatmen. Matthias Bröckers setzt noch einen drauf und taucht mit Schnorchel aus Hanfrohr. Wassersportler tauchen von einem Boot zum anderen.

Gute Stimmung in der Wilstermarsch
Gute Stimmung in der Wilstermarsch

Unter Glas – ein Heidenspass

Man braucht einen Bierdeckel, eine Nadel, einen Bobbel und, wer hätte das gedacht, ein Glas. Schmeckt wie beim Arzt und wirkt wie eine Encountergruppe. „Welcher Arsch ist jetzt schon wieder gegen den Tisch getreten? Und wer hat seine Friseurlehre abgebrochen?“

Die Bierdose – die Doppeldröhnung

Bierchen zischen, Dose zusammendrücken und für den Kawumm-Effekt die Unterseite einstechen. In der Mitte die Dosenoberseite perforieren, Rauchsubstanz draufbräseln und der Rest ist eigentlich klar. Schmeckt nach Bier. Wonach sonst?

Kawumm – und Du fällst um

Eines der am leichtesten selbst zu bastelnden Geräte. Zwecks äkologisch sinnvoller Zweitverwertung von Klopapierrollen empfehlenswert für jeden proletarischen Haushalt. Quasi der Archetyp für den Paranoiker, weil leicht und schnell zu entsorgen.

Ich wollte es verdrängen – Das Chillum

Ja sicher, das Chillum gilt als Inbegriff ritueller Inhalation in eingeweihtem Kreise bei schummrig-sentimentalen Indien-Flashbacks. Aber die Realität sieht oft anders aus:

Stein rein, Lappen rum, ruckzuck geht das Chillum um
Es muffelt und qualmt der ganze Saal
Die Gesichter werden bleich und fahl
Die Gedanken wenden sich zur Toilette hin
In der Mischung war wohl zuviel Tabak drin

Aermel rauchen

Eine ungewähnlich Steigerung des Chillum- Rauchens beschreibt Ralf Arndt 1982 in „Spiegelbilder“: „Es gab jetzt eine neue Rauchart, genannt „€rmel“. Das Schilum wurde dabei wie gewohnt angeraucht, dann nahm man eine Lederjacke, steckte das Mundstück in den €rmel und zog sich die Jacke über den Kopf. Ein anderer legte ein Tuch über die …ffnung des Schilis und blies kräftig rein. Nicht lange danach kam derjenige, der die Lederjacke über seinem Kopf hatte, heraus. Das war die extremste Art, Shit zu rauchen, die ich jemals kennenlernte.“

Obst und Gemüse – die Ökovariante

Die Früchte der Natur, ob Paprika, Gurke, Apfel oder Melone, selbstverständlich aus biologisch-dynamischen Anbau, geben dem Geschmack eine angenehm fruchtige oder gurkige Note. Die Aushälungsarbeiten sorgen für Vitamine und erbauliche Unterhaltung.

Keine Pfeife, aber ein Joint

Was viele nicht wissen: Der Joint muss nicht unbedingt mit einer †berdosis Tabak als Nikotinbombe gebaut werden. Er lässt sich von erfahrenen Dreherinnen ohne Umstände immer wieder neu entwerfen und locker in der Runde verhaften. Ein weiterer Vorteil: Die Dopeverteilung kann schnorrerfeindlich reguliert werden (guten Grund lassen). Früh übt sich, was ein Meister werden will. Ein Nachteil: Oft werden nicht mehr Worte gewechselt als „man bin ich stoned“, während man darauf wartet, dass sich endlich jemand erbarmt, den nächsten zu basteln. Der Klassiker von Wolfgang Neuss: „Don«t Biermann that Joint – die Asche ist gefallen.“ Oder anders: Wer den Joint hat, hat das Wort.

Eimer rauchen

Ein Flasche, deren Boden entfernt wurde, wird in einen mit Wasser gefüllten Eimer getaucht. Ein brennender Joint wird in die Trinkäffnung gesteckt, die Flasche angehoben und siehe da: Sie füllt sich mit Rauch. Jetzt den Joint abheben, Mund an die …ffnung, Flasche runterdrücken. Bundeswehrerprobt. Nüchtern gesehen sind „einen Klokasten rauchen“, „eine Wanne rauchen“, „einen See rauchen“, „ein Meer rauchen“ usw. nur Abwandlungen des banalen und gemeinen Eimer rauchens.

In der Mutter Erde

Die Gaia-Methode bringt die Konsumentin in innigen Kontakt mit Mutter Erde. Durch einen U-färmigen Tunnel wird urafrikanisch geschmaucht. Kies oder Moos ersetzt das Sieb, gesaugt wird am Loch oder am darin eingeführten Rohr. Die Indoor-Alternative: Der Topf von Muttis Yucca.

Die Grillsaison ist eröffnet!

Nach dem Vorbild der alten Skythen, nur auf dem Balkon, nie in der Wohnung, werden einfach zwei reife Pflanzen auf den gut angeheizten Grill geworfen. Markise runterlassen und die Nachbarn einladen.

Opa«s olle Piep

Haste schon mal Mottenkugeln geraucht? Macht nix, Opa«s Pfeife bringst noch viel härter. Bau« Dir wenigstens aus Alufolie «ne Einlage. Schnack für lange Gesichter: „Blättchen hab« ich nich«, aber ich hab« noch «ne Pfeife.“

Der Vaporizer

Erhebend, belebend. Das Prinzip der verdampfung durch wohldosierte Oberhitze scheint genial.
Alle im Saal werden leiser, jetzt kommt „Eagle Bill“ mit seinem Vaporizer.

Unsichtbare Dämpfe schmecken noch besser als das Gras riecht. Doch es fehlt das Kratzen, der Gestank, das Husten, die Tränen in den Augen. Nostalgie vergangener Tage. Das Ding ist zwar teuer und unhandlich, aber man hat das Gefühl, man tut sich was Gutes. Das ham wer uns verdient.

az, adh

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Cannabis

Interview mit Martin Krause Cannabis im Straßenverkehr

HanfBlatt, Mai 2005

Grenzwertig: Fahren und Gefahren mit THC

Interview mit dem Rechtsanwalt Martin Krause

Da wurde in Teilen der Kiffer-Gemeinde schon aufgejubelt, als das Bundesverfassungsgericht im Januar diesen Jahres entschied, dass ein Wert von unter 1,0 ng/ml THC im Blut nicht auf eine Fahruntüchtigkeit schließen lässt. Im Gespräch mit Martin Krause, Anwalt für Drogenverkehrsrecht, wird deutlich, warum die Entscheidung der höchsten Richter der Republik keinen Anlass zum Jubeln gibt, worauf Cannabis-Konsumenten achten müssen, wenn sie ihrem Hobby und zugleich einer mobilen, kraftfahrzeuggestützten Lebensweise frönen wollen und warum es wahrscheinlich weiterhin keinen THC-Grenzwert wie beim Alkohol geben wird.

martin krause
martin krause

Frage: In einer wichtigen Entscheidung hat das Verfassungsgericht jüngst einem Mann Recht gegeben, der gegen einen Führerscheinentzug geklagt hatte: Die Behörden hatte Restspuren von Cannabis-Abbauprodukten in seinem Blut gefunden. Wird es jetzt bald einen Cannabis-Grenzwert wie beim Alkohol geben?

Antwort: Sie meinen das Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit, bei dem es lediglich um ein Fahrverbot von einem Monat, nicht aber um den Entzug der Fahrerlaubnis ging. Ob der Mann letzt endlich wirklich Recht bekommt steht übrigens noch nicht sicher fest, denn das Verfahren wurde nur an das Amtsgericht Kandel zurückverwiesen. Grenzwerte wie bei Alkohol hat es nie gegeben und wird es wohl auch in absehbarer Zukunft nicht geben, wie der Bundesgerichtshof mehrfach klargestellt hat. Solche Grenzwerte sind generell schwierig, da die Reaktionen der Konsumenten unterschiedlich und oftmals in keinem Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung stehen. Das Gericht hat beispielsweise kein Wort darüber verloren, wann jemand fahruntüchtig, ähnlich 1,1 Promille, ist. Das Gericht hat auch nicht gesagt, welche THC-Konzentration 0,5 Promille entspricht. Das Gericht ist lediglich der Meinung, dass eine THC-Plasmakonzentration im Blut von unter 1,0 ng/ml in der Regel keinen Einfluss auf das Fahrverhalten hätte und bei einem solch’ geringen Wert daher deshalb möglicherweise keine Ordnungswidrigkeit vorliege.

Frage: Ist denn die Wirkung von Cannabis tatsächlich so unvorhersehbar? Wo sehen die Gerichte den Unterschied zum Alkohol?

Antwort: Cannabis wirkt nicht bei jedem gleich. Die Auswirkungen sind von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Manche vertragen 5 ng/ml, ohne dass sie besondere Auffälligkeiten haben, andere vertragen nicht mal 1,1 oder 1,2 Nanogramm sondern fallen beim Romberg-Test durch. Was die Meinung einiger Richter im Vergleich Cannabis und Alkohol angeht sind mir zwei interessante Entscheidungen in Erinnerung. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat einmal entschieden, dass Alkohol ein Genussmittel, aber kein Rauschmittel sei und nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gibt es sachliche Gründe für diese Unterschiede. Sie liegen in der unterschiedlichen Wirkungsweise und im unterschiedlichen Wissen über die Auswirkungen von Drogen. Alkohol führe nicht ohne weiteres zu Rauschzuständen und seine Wirkung sei weithin bekannt.

Frage: Die Gerichte scheinen die Literatur, die den Grenzwert einer THC-Plasmakonzentration bei 10ng/ml festgelegt sehen wollen, nicht heranzuziehen. Warum werden Autoren wie Grotenhermen/Karus (Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt, Heidelberg 2002), die sich wiederum auf Heishman (et al., 1997) und Liguori (et al., 1998) beziehen und ein dreiteiliges Grenzwertmodell entworfen haben nicht zur Beurteilung herangezogen?

Antwort: 10 Nanogramm ist viel zu viel. Wir haben die Promillegrenze gerade von 0,8 auf 0,5 beziehungsweise 1,3 auf 1,1 gesenkt, da wird niemand den hohen Wert von Zehn ins Gespräch bringen. Ich schließe aber auf Grund derzeitiger Entwicklungen und Forschungen in Holland und Belgien nicht aus, dass man sich hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit bei 5 ng/ml einigen könnte oder die Berechnung des sogenannten CIF-Wertes relevant werden könnte; das dauert aber sicher noch einige Jahre. Es gibt eben auch zahlreiche Gutachter, die sind der Meinung, dass schon 2 ng/ml zu viel sind und dieser Wert Einfluss auf das Fahrverhalten haben kann und beide Gutachter haben auf Ihre Art durchaus Recht. Das Problem ist und bleibt, dass der Konsum von THC im wahrsten Sinne des Wortes unberechenbar ist und von vielen verschiedenen Einzelfaktoren abhängt, nämlich Körpergewicht, Konsumart, Wirkstoffkonzentration, Set und Setting und so weiter und der eine bei 1,1 ng/ml erhebliche Ausfallerscheinungen haben kann und den Rombergtest nicht besteht und andere, die, sicher auch wegen der Gewöhnung und Toleranz, fünf oder auch zehn Nanogramm vertragen und manche sogar noch mehr.

Frage: Wenn schon die Jurisdiktion keinen Grenzwert findet, dann ist ja wohl die Chance auf einen solchen auf politischer Ebene gering. Wird also weiterhin das Verhalten des Verkehrsteilnehmers im Einzelfall entscheiden?

Antwort: Ja, jedenfalls in absehbarer Zeit, trotz der erwähnten Versuche im Ausland und des eventuell wichtiger werdenden CIF-Werts. Ich halte die derzeitige Praxis auch für richtig und gerecht. Es wäre nämlich unfair, dass derjenige, der weniger verträgt anders oder härter bestraft wird, als derjenige, der völlig bekifft am Straßenverkehr teilnimmt, denn es gilt wissenschaftlich als gesichert, dass ein Konsument, der an Cannabis gewohnt ist, auch mehr verträgt und weniger Auffälligkeiten hat. Das ist wie bei Alkohol. Wer nie oder selten Alkohol trinkt verträgt auf Grund der Tolleranzwirkung weniger als derjenige, der als „Gewohnheitssäufer“ eingestuft werden muss. Anders kann man sich auch nicht erklären, dass es Leute gibt, die mit 4 Promille überhaupt noch stehen können und andere, die bei 2 Promille klinisch tot sind.

Frage: Wie sieht das Vorgehen der Polizei konkret aus?

Antwort: Über die Schulungsprogramme der Polizeibeamten zur Drogenerkennung im Straßenverkehr und deren objektive und subjektive Wahrnehmungen könnte man stundenlang diskutieren. Sowohl die berühmten Pupillenerscheinungen als auch der polizeiliche Drogenschnelltest spielen dabei unter anderem eine Rolle. Beides ist aber nicht beweissichernd verwertbar. Große Bedeutung spielt deshalb unter anderem der erwähnte Romberg-Test.

Frage: Der besteht woraus?

Antwort: Beim sogenannten „Finger-Finger-Test“ steht der Betroffene gerade und die Beine sind parallel und direkt nebeneinander zusammenzustellen. Die Augen werden geschlossen und die Arme seitlich ausgestreckt („Schutzmann-Halt“). Sodann werden die Zeigefingerspitzen bei gestreckten Armen („Dicker-Bauch-zeigen“) langsam vor dem Körper in Nasenhöhe zusammengeführt, um mit den beiden Fingern zusammenzutreffen. Beim Rombergtest, der beschleunigtes oder verlangsamtes Zeitgefühl misst und zudem den Gleichgewichtssinn überprüft, ordnet der Polizeibeamte an, dass der Betroffene die Füße zusammenstellt und die Arme seitlich am Körper hängend anlegt („Normales stehen“). Der Kopf wird in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Der Betroffene zählt nach einem Startzeichen des Beamten der „inneren Uhr“ folgend 30 Sekunden ab. Ist diese Zeitspanne nach seiner Ansicht verstrichen, teilt er dieses dem Beamten mit. Beim Finger-Nase-Test steht der Betroffene mit geschlossenen Augen gerade. Die Arme sind seitlich am Körper hängend angelegt („Normal stehen“). Der Kopf wird in den Nacken gelegt und der Betroffene ballt beide Hände zu einer Faust, wobei er die Zeigefinder ausstreckt. Er führt die Zeigefinger mehrfach abwechselnd langsam zur Nasenspitze, um diese zu treffen. Die Augen bleiben bis zur Beendigung des Tests geschlossen.

Frage: Und wie sollte sich der Verkehrsteilnehmer verhalten? Muss er diese Tests überhaupt über sich ergehen lassen?

Antwort: Das kommt darauf an, wen Sie mit Verkehrsteilnehmer meinen und wem ich unter welchen Voraussetzungen etwas raten soll. Aus Sicht der Anwaltschaft ist es zumindest nie falsch, erstmal nichts zu sagen. Gar nichts, außer Name und so weiter und erst recht keine Angaben zum Drogenkonsum zu machen. Wenn der Polizist mich fragt, ob ich Drogen genommen habe, kann die einzig richtige Antwort eigentlich nur „Nein“ lauten und nicht etwa „ja, aber das ist schon länger her“. Man kann sich später immer noch äußern. Wenn der Betroffene allerdings wirklich nichts genommen hat und nur wegen Übermüdung rote Augen hat und er sich auch sonst keiner Schuld bewusst ist sondern er z.B. nur so komisch spricht, weil er gerade vom Zahnarzt kommt, kann man viele Probleme auf einmal erledigen, in dem man einfach den Aufforderungen der Polizei folgt. Sollte der Betroffene allerdings innerhalb der letzten 24 Stunden tatsächlich Haschisch oder Marihuana geraucht haben, wird ihm wohl jeder gute Rechtsanwalt raten müssen, den Romberg-Test auf keinen Fall zu machen. Fällt er nämlich durch diesen Test durch, kann aus der zunächst vorliegenden Ordnungswidrigkeit schnell eine Straftat werden. Die Polizei bzw. das Gericht müssen eine Fahrunfähigkeit beweisen. Es ist, mit einigen Ausnahmen, zwischenzeitlich höchstrichterlich mehrfach entschieden worden, dass eine Fahruntüchtigkeit nicht alleine auf Grund einer Blutuntersuchung oder der Pupillenerscheinung bewiesen ist. Wenn der Betroffene allerdings so dumm war und den Romberg-Test machte und durch diesen dann auch noch durchfällt, muss man sich ernsthaft fragen, wie doof der Betroffene eigentlich ist, denn mit Gewalt wird der Polizeibeamte einen Romberg-Test nämlich nicht durchführen können. Viele Betroffene fühlen sich objektiv sicher und sind auf Grund von vielen Fehlinformationen im Internet der Meinung, dass spätestens einige Stunden nach dem Rauchen eines Joints nichts mehr passieren könne. Das ist ein erheblicher Irrglaube, wie die gerichtliche Praxis zeigt und…

Frage: … einen Moment, gibt es weitere Ratschläge im Umgang mit den Behörden?

Antwort: Ich finde es nicht so gut, den Konsumenten hier Ratschläge zu geben, wie sie die Polizei und Justiz austricksen können, denn deren Arbeit ist sinnvoll und nötig. Besser fände ich, wenn sich der Cannabiskonsument darüber im Klaren ist, dass er bis zu 24 Stunden nach dem Konsum eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellen kann und Drogenwirkstoffe im Blut nachweisbar sind und er sein Auto deshalb einfach stehen lässt. Aber um Ihre Frage juristisch korrekt zu beantworten; nein, der Betroffene kann nicht zum Romberg-Test gezwungen werden. Das sieht Paragraph 81a Abs. 1 der Strafprozessordnung nicht vor. Wie sollte das auch praktisch gehen?

Frage: Nun, der psychische Druck an dem Test teilzunehmen ist je nach Persönlichkeit des Beamten größer oder kleiner, Zwang wäre da nur das letzte Mittel. Aber kommen wir zur Praxis vor Gericht. Die häufigste Frage, die an sie gestellt wird, dürfte ja sein: „Man hat Cannabiskonsum durch einen Blutuntersuchung nachgewiesen. Wie lang ist mein Lappen nun weg?“ Wie wird der Hanfgenuss in diesen Fällen vom Gericht bestraft?

Antwort: Kann eine Fahruntüchtigkeit bewiesen werden, liegt eine Straftat vor. Unter Umständen kommt sogar noch Straßenverkehrsgefährdung dazu. Nach Paragraph 69a Strafgesetzbuch kann das bedeuten, dass die Fahrerlaubnis zwischen 6 Monaten und einem Jahr entzogen wird, manchmal auch länger, je nach dem, wie sich der Betroffene hinterher verhält. Liegt nur eine Ordnungswidrigkeit vor und kann eine Fahruntüchtigkeit, also eine Straftat, nicht bewiesen werden, wird neben einer Geldbuße und Punkten in Flensburg in der Regel ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten angeordnet, je nach dem, ob man Wiederholungstäter ist oder nicht. Viele Betroffene glauben dann in einem solchen Fall aber, dass die Sache erledigt ist und sie noch mal glimpflich davongekommen sind und kiffen weiter. Doch da haben sie sich gewaltig getäuscht, denn nun wird die Fahrerlaubnisbehörde, also das Landratsamt, auf den Fahrer zukommen und versuchen, den Führerschein zu entziehen. Weil Sie übrigens fragen, wie Hanfgenuss bestraft wird: Man darf auch nicht vergessen, dass Cannabis illegal ist. Da kann also auch noch ein weiteres Strafverfahren wegen Haschischbesitz kommen und wenn der Betroffene Cannabis während der Fahrt im Auto dabei hat sind die Probleme erst recht perfekt.

Frage: Will dann jemand seine Fahrerlaubnis wiedererlangen muss er meist zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU), auch „Idiotentest“ genannt. Nach welchen Vergehensarten muss man zur MPU und unter welchen Umständen erhält man den Führerschein tatsächlich zurück?

Antwort: Diese Frage kann ich Ihnen unmöglich in Kurzform beantworten, weil das von ganz vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Ich könnte drei Stunden drüber referieren. Die Fahrerlaubnisverordnung ist viel zu umfangreich. Über dieses Thema schreibe ich gerade ein Buch und bin schon bei Seite 300. Wichtig scheint mir zu sein, schon vorher dafür zu Sorgen, dass der Betroffene nicht zur MPU muss. Es gibt durchaus zahlreiche Möglichkeiten und nicht jeder muss den Idiotentest? machen. Bei manchen scheint er mir allerdings sogar sinnvoll. Wer völlig bekifft am Straßenverkehr teilnimmt oder sich jeden Tag volldröhnt solle meines Erachtens sein Verhalten überdenken.

Frage: Sicher. Auf der anderen Seite steht das Problem, dass bei der heutigen Rechtslage eben auch die moderaten Raucher, die sich ein bis zwei Mal die Woche einen schwachen Feierabend-Joint genehmigen, mit Führerscheinentzug zu rechnen haben.

Antwort: Das sehe ich anders. Der bloße gelegentliche Cannabiskonsum, ohne das Vorliegen eines in Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zu Paragrafen 11 bis 14 Fahrerlaubnisverordnung genannten Zusatzelementes oder einer nach Paragraf 14 Absatz 1 Satz 4 Fahrerlaubnisverordnung vorliegenden sogenannten weiteren Tatsache rechtfertigt keine hinreichend konkreten Verdachtsmomente für einen Fahreignungsmangel, mit der Folge, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtswidrig wäre. Wer also zu Hause tatsächlich nur zwei mal pro Woche einen Joint raucht muss nicht zur MPU. Wichtig ist aber, dass der Betroffene nicht mit Haschisch angetroffen wird, weil die Verwaltungsgerichte ansonsten mathematische Konsumeinheiten berechnen und behaupten, dass man mit so und so viel Gramm viel mehr rauchen könnte und die Behauptung, dass man ja nur gelegentlich Haschisch rauche, damit widerlegt werden könnte.

Frage: Es wird beklagt, dass seit den Lockerungen bei Urteilen im Cannabis-Strafrecht manche Straßenverkehrsbehörden und manche Verwaltungsgerichte ihr Vorgehen gegenüber Cannabis-Konsumenten verschärft haben. Können sie das aus ihrer Praxis bestätigen?

Antwort: Mir ist von angeblichen Lockerungen der Strafgerichte nichts bekannt. Der Bundesgerichtshof hat schon im Jahr 1995 entschieden, was eine sogenannte geringe Menge ist und das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1994 klargestellt, dass Ermittlungsverfahren wegen des sogenannten Eigenkonsums eingestellt werden können. Daran hat sich nichts verändert. Im Gegenteil. Erst im Sommer letzten Jahres hat das Verfassungsgericht nochmals ausgeführt, dass Ermittlungsverfahren eingestellt werden können, so dass sich auch keiner wegen der Ungleichbehandlung zu Alkohol beschweren muss. Und auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat sich nicht verändert. Seit dem 5. Juli 2001 und dem 20. Juni 2002 wissen die Richter sehr genau, wie sie mit Cannabiskonsumenten umzugehen haben. Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht haben klare Rechtsgrundsätze getroffen. Wenn man die Rechtsprechung richtig verfolgt und die Gesetze korrekt anwendet, bestehen hinsichtlich der Frage, wann jemand zur MPU muss, eigentlich keine großen Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten. Dazu gehört zum Beispiel die Tatsache, dass jemand mit mehr als 1,0 ng/ml THC am Straßenverkehr teilnimmt, wobei das auch den Führerschein kosten kann. Nur in Bayern ist die Rechtslage und Praxis etwas anders.

Frage: Nämlich wie?

Antwort: Normalerweise kann die Behörde den Führerschein sofort einziehen. Nach Paragraf 14 Absatz 4 und Paragraf 11 Absatz 7 Fahrerlaubnisverordnung muss die Behörde keine MPU anordnen, wenn jemand unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug führt. In dem sonst für so streng geltenden Bundesland Bayern kommt der unmittelbare Entzug nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshof aber erst ab 2 ng/ml infrage. Blutwerte darunter führen zur MPU.

Frage: Zum Abschluss interessiert uns natürlich ihre persönliche Meinung zu Cannabis.

Antwort: Wie wahrscheinlich zum Ausdruck gekommen ist, ergreife ich in der Öffentlichkeit keinerlei Partei für oder wider Cannabis. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe sehe ich in der reinen Information durch klare Fakten, ob sie mir – oder anderen nun passen oder nicht. Wie ich ganz persönlich zu der Sache stehe ist deshalb auch irrelevant. Ich bin Jurist und kein Sozialarbeiter.

 


 

Zur Person: Martin Krause, 35, ist seit über drei Jahren als Anwalt für Drogenverkehrsrecht in München tätig. Er verteidigt Klienten, die wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt sind. Einen Großteil davon steht wegen des Verdachts von Cannabis-Konsum im Straßenverkehr im vor Gericht. Krause ist als Autor für das „Handbuch Straßenverkehrsrecht“ und die Zeitschrift SVR (Straßenverkehrsrecht) und der JWO-VerkehrsR (Juristische Wochenzeitung Verkehrsrecht) tätig. Ende 2005 erscheint im ein Buch von Martin Krause, das dieser zur Zeit zusammen mit dem Pharmazeuten Patrick Lehmann und dem Biologen Andreas Stangl schreibt. Der knackige Titel: Drogenverkehrsrecht.

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Grower Area Psychoaktive Substanzen

Wichtige Regeln für das hanfgerechte Surfen und Posten im Internet

HanfBlatt Nr. 107

Hochspannung! Vorsicht im Netz

Wichtige Regeln für das hanfgerechte Surfen und Posten im Internet

Das Internet hat sich zum Tummelplatz für allerhand Angebote rund um Cannabis gemausert. Growtipps, Samenkauf, Rechtsberatung, Info-Newsletter: es existieren Angebote zu Hauf, um sich um sein Hobby oder Geschäft zu kümmern. Als Liebhaber der Hanfpflanze gilt es allerdings aufmerksam zu bleiben, obwohl der im Netz übliche flotte Umgang mit dem Thema Normalität vorgaukelt. Diese steht allerdings auf rechtlich schwammigen Boden. Im Surfalltag heißt es für den Kiffer: Holzauge, sei wachsam, aber werde nicht paranoid.

Es ist schon kurios: In den deutsch- und englischsprachigen Grower-Foren diskutieren weltweit zehntausende von Menschen die Zucht und Hege einer Pflanze, deren Kultivierung meistens illegal ist. Das ist der Vorteil der Informationsfreiheit, über Illegales Reden darf man, nur es tun halt nicht. Gerade von den Grower-Foren kann angenommen werden, dass sie von gelangweilte Staatsbedienstete in unregelmäßigen Abständen nach Hinweisen auf Zuchtanlagen durchforstet werden.

Und da werden sie schnell fündig: Im Forum von grower.de sind über 15.000 Benutzer registriert, aktiv davon sind über 4.000. Bei hanfburg. de waren am 4. November 2005 über 1.300 User gleichzeitig online, zusammen mit den Unterforen sind seit der Eröffnung hunderttausende von Beiträgen über alle möglichen Cannabis-Themen aufgelaufen. Natürlich hinterlässt hier kein Grower seinen Realnamen und die Anschrift, aber es kursieren diverse Bilder und Beschreibungen von Growrooms.

Es stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Sicherheit.

Die Betreiber der Foren distanzieren sich in ihren Disclaimern von eventuellen rechtswidrigen Inhalten und Postings und sind daher mehr oder weniger aus dem Schneider. Sie müssen erst aktiv werden, wenn sie Kenntnis von illegalen Verhalten in ihrem Forum erlangen. Dann sind sie verpflichtet, die entsprechenden Mails zu löschen.

Für die User stellt sich die Rechtslage weitaus komplizierter da. Beschreibt und illustriert er seine Anlage zu deutlich, dann könnte mancher Leser nervös werden, bei einigen fetten Buds dürfte es den Fahndern logischerweise in den Fingern jucken mal rauszukriegen, wo denn sowas Schönes wächst. Noch unklüger dürfte es sein Stecklinge anzubieten. Darauf reagieren nicht nur Beamte, sondern auch Forenbetreiber.
Wer 60 qm aufblühen lässt und damit im Forum hausieren geht handelt grob fahrlässig. Denn sollte einem Beamten das Treiben zu bunt werden ist folgendes Szenario denkbar: Auf den Computern eines Forenbetreibers lagern zusammen mit den Beiträgen auch die IP-Adressen der Verfasser. Haben die Beamten nun richtig Druck auf der Pumpe müssen sie ein Gericht finden, das den Internet-Provider, aus dessen Fundus diese IP-Adresse stammt, dazu verdonnert, die Kontaktdaten des zur IP-Adresse gehörigen Menschen rauszurücken. Anders formuliert: Wer meint, sich über seinen AOL-Zugang an einer munteren Diskussion über die großflächigen Anbau von Orange Bud beteiligen zu müssen ist blauäugig, um nicht zu sagen: beschränkt.

Es gilt sich zu merken: Im Internet ist man nicht anonym, mehr noch, jede Aktion hinterlässt Datenspuren auf dem eigenen Rechner und auf den weltweiten Servern, die die Anfragen des eigenen Rechners beantworten. Jede E-Mail liegt auf irgendeinem Zwischenrechner im Klartext, zu dem zum einen Techniker, zum anderen auf gerichtliche Anordnung aber auch Staatsorgane Zugriff haben. Will man wirklich nervös werden, muss man nur an Abhörsysteme wie das sagenumwobene „Echelon“ der Geheimdienste denken, dass in dem Ruf steht, im Bedarfsfall und jederzeit auch ohne richterliche Erlaubnis die Internet-Kommunikation abzuhören. Der neueste Schrei auf dem Paranoikermarkt dürfte der BKA-Trojaner werden, der, hat er sich erst einmal auf dem heimischen Rechner eingenistet, jeden Aktion am Rechner nach Wiesbaden meldet.
Natürlich sind NSA, die anderen Schlapphüte und das BKA nicht an der 2-qm Box in Delmenhorst interessiert, erwähnt wird das aber hier, um die technischen Möglichkeiten der vernetzten Welt aufzuzeigen.

Bisher kam es zu keiner Hausdurchsuchung nur wegen eines Forumsbeitrags. Daher wird sich in den Foren oft damit beruhigt, dass „die Grünen“ keinen Aufwand treiben werden, wenn es sich nur um Growing für den Eigenbedarf handelt. Das ist eine zu laxe Einstellung, gerade in den momentanen Zeiten, die eher einer Verschärfung der Drogengesetze entgegeneilen. Die Forenbetreiber haben das erkannt und rufen ihre Mitglieder zu mehr Sicherheitsbewusstsein auf.

Das HanfBlatt wäre nicht das HanfBlatt würde e s nicht eine Lösung anbieten. Sie lautet: Ein abgestuftes Sicherheitskonzept entwickeln.

Stufe 1
Zunächst gilt es selbst bei Anfragen wie „Ich habe hier ein kleines Stück Haschisch, welche Sorte ist das wohl?“, vor allem aber bei Growing-Erlebnissen und Tipps anonym zu bleiben. Es gibt technische Möglichkeiten, die verräterische IP-Adresse zu verschleiern und damit sicher in Foren zu posten. Unter http://meineipadresse.de/ stehen diverse Links zu Programmen bereit, die ein anonymes Surfen ermöglichen. Eine Testsektion zeigt Vor- und Nachteile gewisser Verfahren. Die Grundregel sollte lauten: Je höher das persönliche Risiko, umso besser sollten die Sicherheitsmaßnahmen sein. Einfache Proxies reichen dann nicht mehr, selbst JAP, der anonyme Weiterleitungs-Server der TU Dresden, muss im Zweifelsfall seine Daten rausrücken. Klüger ist es da auf Verfahren wie TOR (tor.eff.org) zu setzen. Das verlangsamt zwar die Surfgeschwindigkeit etwas, aber das ist der Preis der Sicherheit. Wer eine Zucht sein Eigen nennt, der sollte sich mit solchen im Grund nur mit solchen Anonymisierungstools in den einschlägigen Ecken im Netz wagen. Sollten ein-zwei fürsprechende Leserbriefe eingehen, beschreiben wir in einem Artikel gerne näher und für den Computerlaien verständlich, wie diese Tools funktionieren.

Die Weitergabe der eigenen E-Mail-Adresse ist nur an vertrauenswürdige Personen und Institutionen vorzunehmen. Und wer ist schon vertrauenswürdig, außer Mutti? Inzwischen versuchen leider diverse Anbieter bei jeder Gelegenheit, die E-Mail-Adresse des Nutzers oder Kunden einzusammeln. Mit Pech bedeutet das: SPAM. Es ist ein Fehler in einem Forum seinen GMX- oder Freenet-Account zu benutzen, vor allem, wenn bei diesem bei der Registrierung die korrekte eigene Heimatadresse mit Postleitzahl und Telefonnummer angegeben wurde. Apropos: Einige Anbieter bestehen bei der Registrierung auf eine gültige E-Mail-Adresse, an die eine Bestätigungsmail geschickt wird. Für diesen Fall gibt es herrlich sinnvolle Dienste im Netz, die E-Mail-Adressen zum Wegwerfen anbieten, beispielsweise spamgourmet.com oder spambog.com. Von dort wird nur eine genau bestimmbare Anzahl von Mails an den Original-Account weitergeleitet, alle weiteren versanden im Datennirvana.

Stufe 2
Wer tatsächlich heikle Daten und Bilder auf seinem Rechner hortet, wie beispielsweise das Bild der nackten Oma neben der blühenden Sativa, der sollte die Festplatte gegen unbefugten Zugriff verschlüsseln. E-Mail-Kommunikation mit Gesinnungsgenossen sollte ebenfalls nur verschlüsselt über die Kanäle rauschen. Die meisten E-Mail Programme wie das schlechte, aber häufig benutzte Outlook, das bessere Eudora oder The Bat, bieten mittlerweile Plugins an, um das Alles relativ unkompliziert zu gestalten. Für beide Vorgänge, die Festplatten- wie die E-Mail-Verschlüsselung, stehen der Klassiker PGP oder das quelloffene GNU-PGP zu Verfügung.
Danach hilft es sich noch tiefer mit dem Rechner anzufreunden. Im Klartext: Nutze Firefox statt dem Internet Explorer, schalte den Empfang von Cookies ab. Aktiviere eine Firewall, notfalls reicht die interne von Windows. In einem nächsten Schritt migriere auf Linux oder OS X.

Stufe 3
Was aber tun, wenn Realkontakt nötig ist, beispielsweise bei einer Samenbestellung? In großen Abständen werden ausländische Samenhändler hochgenommen, bei denen im Zweifelsfall deine Adresse lagert. Im Zusammenhang mit einem Händler in Österreich kam es 2005 zu massiven Problemen, die deutsche Polizei lud einige Besteller vor, es kaum zu Durchsuchungen. Inoffizielle Quellen sprechen von mindestens 30 Vorladungen und 80 Hausdurchsuchungen in den deutschen Bundesländern. Das sollte als Warnung ausreichen.

Wie einige Forenbetreiber die IP-Adressen ihrer Nutzer zügig entsorgen, so gibt es mittlerweile auch Samenhändler, die mit Kundendaten vernünftig umgehen und diese ebenso vor Zugriff schützen. Hierüber gilt es sich zu informieren, bevor man säckeweise Samen oder Zubehör anliefern lässt.

Insgesamt ist Sicherheit im Internet eine persönliche Angelegenheit, sich dabei auf andere verlassen reicht nicht aus. Die Anforderung an das kluge Verhalten im Netz steigt mit dem Wert des zu pflegenden Rechtsguts. Gerade bei Mengen- und Quadratmeterangaben sollte Zurückhaltung herrschen. Wer ist noch nicht wusste: Beamte sind auch Menschen. Sie beobachten die weiterhin wachsende Cannabis-Szene und ihr variabler Schwellenwert ist sowohl von objektiven Rechtsgrundlagen wie von subjektiven Schmerzgrenzen abhängig.

 

 

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Elektronische Kultur Psychoaktive Substanzen

Interview mit Wolfgang Sterneck

HanfBlatt, Nr. 100

Annäherung an das richtige Leben

Ein Interview mit Wolfgang Sterneck

Wolfgang Sterneck engagiert sich seit den Achtziger Jahren als Aktivist in alternativen Szenen. Durch die Mitgestaltung des Sonic-Netzwerkes, von KomistA und des Alice-Projects hat er sich ebenso einen Namen gemacht, wie durch seine zahlreichen Publikationen, die ihn als profunden Kenner subkultureller Strömungen ausweisen. Er verschafft wichtigen Stimmen der Gegenkultur Gehör und präsentiert anregendes Material zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Realisierung einer anderen Welt als der Desaströsen, auf die die Menschheit zwischen Überlebenskampf und Konsumrausch im Zeitalter der Globalisierung gegenwärtig zuzusteuern scheint.

Hanfblatt:
Du verfolgst als Aktivist und teilnehmender Beobachter seit Jahren die Entwicklung der Techno-House-Goa-Trance-Szene. Oberflächlich betrachtet scheint es sich heute um eine reine Feier-Kultur zu handeln, in deren Zentrum zünftige Drogenparties mit elektronischer Tanzmusik inklusive optisch stimulierender Lightshows und Deko stehen. Wenn man sich mit Veteranen der Szene unterhält, ist immer wieder vom „Party-Spirit“ in der ersten Hälfte der 90er Jahre die Rede, der heute irgendwie nicht mehr so da sei. Was hat es mit diesem „Spirit“ auf sich? Was ist gemeint?

Sterneck:
Es ist nicht nur oberflächlich betrachtet „eine reine Feier- Kultur“. Der Mainstream ist zweifellos von Kommerz und Konsum geprägt. – Hauptsache Druff sein und „Spaaaß“ haben, nichts hinterfragen, am wenigsten sich selbst … Fische die mit dem Strom schwimmen. Wie alle Musikkulturen der letzten Jahrzehnte ist Techno mit einem idealistischen Anspruch im Underground entstanden. Da ging es um solche Aspekte wie „Do It Yourself“, um kreatives Experimentieren, um die gemeinschaftliche Erfahrung anderer Wirklichkeiten. All dies machte den besonderen Reiz der ersten Jahre aus. – Wobei diese Elemente nicht gestorben sind, sondern im Underground weiterleben. Doch im Mainstream gehen solche Ansätze zwangsläufig unter. Ursprünglich ging es beispielsweise um eine gemeinschaftliche Kultur, die keine Idole nötig hat. Inzwischen sind jedoch längst die bekannten Djs zu egozentrischen Stars geworden, die sich kaum von Rockstars unterscheiden und zu denen das Party-Volk ergeben hinaufblickt.

Hanfblatt:
Seit einigen Jahren kann man „Alice – The Drug- and Culture- Project“, an dem du maßgeblich beteiligt bist, auf Parties und Festivals mit elektronischer Tanzmusik antreffen. Ihr engagiert euch für einen „mündigen Umgang mit psychoaktiven Substanzen“. Was muss man sich unter „Drogenmündigkeit“ vorstellen, und auf welchem Weg kann diese nach euren Vorstellungen erreicht werden?

Sterneck:
Wir sind nicht nur auf Partys aktiv, sondern auch in Schulen oder auf Tagungen anzutreffen. In Bezug auf Drogen versuchen wir Drogenmündigkeit zu fördern. Dies beinhaltet einen möglichst souveränen Umgang mit Drogen aller Art, die Fähigkeit (aber nicht den Zwang) zur Abstinenz, ebenso die Fähigkeit sich selbst bzw. den eigenen Umgang mit Drogen kritisch reflektieren zu können. Dieser Ansatz schließt im Grunde das ein, was man allgemein als Suchtprävention bezeichnet, also das Vermeiden von Abhängigkeit. Er geht aber noch viel weiter, indem er nicht nur negativ auf Probleme konzentriert ist. Vielmehr versucht er die Person an sich zu stärken: Mündigkeit durch Information, Reflexion durch kritische Auseinandersetzung, Selbstbestimmung durch innere Stärke. Vor diesem Hintergrund geht es uns nicht nur um Drogen. Vielmehr versuchen wir generell über Veranstaltungen, kulturelle Projekte, Flyer etc. die Leute dazu anzuregen, aus der so weit verbreiteten passiven Konsumhaltung auszubrechen und selbst aktiv bzw. kreativ zu werden, um letztlich ihr Leben den Klauen von Fremdbestimmung und Verwertung zu entreißen.

Hanfblatt:
Was unterscheidet euch von „Eve & Rave“, dem ebenfalls aus der Techno-Szene erwachsenen Selbsthilfe-Projekt in Sachen bewussterem Umgang mit psychoaktiven Substanzen?

Sterneck:
Da gibt es im Grunde keine inhaltlichen Unterschiede in Bezug auf den Umgang mit Drogen. Beiden Projekten geht es um möglichst sachliche Aufklärung, um die Entwicklung von Bewusstsein und um Hilfe bei Problemen. Uns verbindet das Ziel der Drogenmündigkeit und zum Beispiel die Forderung nach der Einführung des Drug-Checking. Mit anderen Projekten sind wir im Sonics- Cybertribe-Netzwerk zusammengeschlossen. Uns verbindet jedoch auch, dass wir den von dir benutzten Begriff der „Selbsthilfe“ nicht gebrauchen. Dieser Begriff wurde in der Anfangszeit oft genutzt, um uns zu schwächen bzw. in eine bestimmte Ecke zu stellen: „Das sind die Technos, die versuchen ihre Drogenprobleme selbst zu therapieren“. Dies war und ist jedoch bei Alice nie der Fall gewesen. Vielmehr geht es uns darum, Veränderungen zu bewirken, zumindest die Notwendigkeiten aufzuzeigen: Veränderungen im Umgang mit Drogen auf einer persönlichen wie gesellschaftlichen Ebene, aber auch unabhängig von der Drogenthematik generell, um soziale und kulturelle Veränderungen.

Hanfblatt:
In deinen Schriften ist immer wieder von kulturellen Freiräumen, Visionen eines befreiten Lebens und einer konkreten Utopie die Rede. Gefühlsmäßig habe ich da zwar gleich meine eigenen Assoziationen, aber was genau meinst Du damit?

Sterneck:
In Anbetracht der sozialen und ökologischen Entwicklungen ist es eigentlich offensichtlich, dass es zu grundlegenden Veränderungen kommen muss. Doch derartige Veränderungen in einem größeren Maßstab erscheinen im Zeitalter der Globalisierung geradezu illusionär. Dies heißt jedoch nicht, dass man den Kopf in den Sand stecken sollte. Es ist auch im Hier und Jetzt möglich, Freiräume zu schaffen, in denen ein Leben möglich ist, das von Prinzipien wie Gemeinschaftlichkeit, Kreativität, Selbstbestimmung, Balance mit der natürlichen Umwelt etc. geprägt ist. Zum Beispiel kann ein besetztes Haus im Idealfall einen solchen Freiraum bieten oder eine Underground-Party oder eine kleine Gruppe von Leuten, die vor Ort in ihrem Bereich etwas verändern wollen oder unzählige andere Möglichkeiten. Eine Volxküche beispielsweise, wie es sie in vielen linken Zentren gibt, in der zum Selbstkostenpreis gekocht wird, damit sich jeder das Essen leisten kann, aber auch um die Vereinzelung der Ein-Personen-Haushalte aufzubrechen. Oder eine Party, die nicht am finanziellen Gewinn ausgerichtet ist, sondern die Gäste wie VeranstalterInnen gemeinsam gestalten. Oder eine politische Aktion, die der neoliberalen Globalisierung eine solidarische Vernetzung von unten entgegensetzt. Es gibt unzählige solcher Ansätze. Das Entscheidende ist die innere Bereitschaft jedes Einzelnen in seinem Bereich solche Türen zu öffnen. Mit einem Joint in der Hand endlos darüber zu philosophieren, was man alles machen könnte und sollte und müsste – und dann wird schon wieder der nächste gerollt – ist einfach und bequem … aber wer über das Philosophieren nicht hinaus kommt, der ist ein Teil des Problems und nicht der Lösung.

Hanfblatt:
Innerhalb und aus der Techno- und Rave-Szene heraus haben sich diverse kleinere Subkulturen entwickelt, von denen du in deinen Büchern, z.B. in „Tanzende Sterne“, berichtest, und die sich vielleicht als „Cybertribes“ subsummieren lassen. Gibt es tatsächlich etwas, was all diese Szenen verbindet?

Sterneck:
Egal auf welche Musikkultur man blickt oder in welcher Stadt man sich gerade bewegt – wer genauer hinschaut wird immer wieder auf Leute und Projekte stoßen, die versuchen andere Wege zu gehen, die versuchen sich Kommerz und Vereinnahmung zu widersetzen. Diese Leute findest Du im Free Jazz genauso wie im Punk, HipHop oder Techno – allerdings in der Regel nur im Underground. Die Rhythmen sind zum Teil andere, die Texte unterscheiden sich in ihren Metaphern, aber im Grunde geht es immer wieder um Selbstbestimmung, um Gemeinschaft, um Entfaltung, um eine innere Tiefe.

Hanfblatt:
Wenn man sich so umschaut, dann muss man doch feststellen, dass der Boom der letzten großen, wirklich neuen Jugendkultur um die Techno-Szene herum, lange schon vorbei ist. Die Kommerzialisierung erfolgte weitestgehend bis Mitte der 90er, Deppentechno a la Blümchen und „Hyper Hyper“, Sponsoren wie Camel und Jägermeister, Bier-Parade und leere Phrasen a la Dr. Motte ließen grüßen.

Hanfblatt:
Du bist ja ein profunder Kenner gegenkultureller Strömungen. Siehst du irgendwo Pflänzchen der Hoffnung? Worauf sollte man deines Erachtens sein Augenmerk richten? Was kann man selber tun?

Sterneck:
Im Zuge der medialen Gleichschaltung vollzieht sich die Vereinnahmung von Strömungen, die irgendwo im Underground als zumindest potentiell subversive Gegenkultur entstanden sind, immer schneller. Doch so verschlingend die Mechanismen der Gleichschaltung auch sein mögen, ein letztes Stück innerer Lebendigkeit, das Bedürfnis nach freier Entfaltung und Selbstbestimmung, wird immer gegeben sein. Die „Pflänzchen der Hoffnung“, von denen du sprichst, kannst du überall finden, wenn du hinter die Fassaden der Nachrichtenshows und der Plakatwände blickst. Mal ist es eine blühende Sonnenblume, mal eine dornige Rose oder irgendein auf den ersten Blick völlig unscheinbares Pflänzchen, das sich da zwischen den Betonplatten widerspenstig seinen Weg bahnt. Es geht nicht um die Frage, ob es diese „Pflänzchen“ gibt, sondern, ob du sie wahrnimmst, ob du sie gießt – und letztlich, – um in diesem Bild zu bleiben – ob du selbst bereit bist, dem Heer der künstlichen Plastikblumen einen eigenen verwilderten Garten, so winzig er auch sein mag, entgegenzustellen.

Hanfblatt:
Du hast ja mehrere Bände mit interessanten Texten zu verschiedenen Themenschwerpunkten zusammengestellt. Was interessiert dich da besonders? Worum geht es dir dabei?

Sterneck:
Ein Aspekt ist, dass es mir darum geht Verbindungslinien aufzuzeigen. Beispielsweise zu dokumentieren, dass man den Geist der Revolte in der Hippie-Kultur, genauso wie im Punk, dem HipHop oder im Techno finden kann. Ein anderer Aspekt, der immer wieder auftaucht, ist die Verbindung von innerer, persönlicher Entwicklung und äußerer, gesellschaftlicher Veränderung. Isoliert führen beide Wege schnell in eine Sackgasse, miteinander verknüpft eröffnen sie neue Möglichkeiten. Manchmal geht es mir auch darum, im Rahmen meiner Möglichkeiten kleine „Denkmale“ zu schaffen. Zum Beispiel ein Projekt oder einen Musiker zu beschreiben, der Wichtiges bewegt hat, aber zuvor kaum Beachtung fand. Neben dieser ideellen bzw. politischen Ebene suche ich mir selbstverständlich Themen aus, die mir irgendwie nah sind, die mich selbst beschäftigen. Für mich gibt es in diesem Sinne keine Trennung von Arbeit und Freizeit. Ich mache Dinge, von denen ich überzeugt bin, und auf dieser Basis gehen Idealismus, Entfaltung und Vergnügen ineinander über.

Hanfblatt:
In dem Band „Erotika. Drogen und Sexualität“ versammelst du eine ganze Reihe Erzählungen, Autobiographisches, Geschichtchen von bekannten und unbekannten Autoren, die alle mit Sexualität und Drogen zu tun haben. Voyeuristisch gesehen fand ich persönlich das zwar ganz interessant, was sich mir jedoch nicht so recht erschloss, war die Intention dahinter. Was soll ich damit anfangen?

Sterneck:
Die Antwort auf die Frage, was Du damit anfangen sollst, ob du einen Bezug findest oder nicht, die nehme ich dir nicht ab. Es gibt kaum andere Bereiche, die gesellschaftlich einerseits so tabuisiert sind und mit denen andererseits so scheinbar locker umgegangen wird, wie die Bereiche der Sexualität und der Drogen. Gleichzeitig eröffnen beide Bereiche im Idealfall eine Tiefe ein „inneres Fließen“ wie es ansonsten im Alltag kaum möglich ist. Der Rausch der Sexualität gleicht im Idealfall einem veränderten Bewusstseinszustand, gleicht einer Überwindung des blockierten Alltagsbewusstseins. Ebenso können im Idealfall auch psychoaktive Substanzen innere Räume eröffnen, die zuvor völlig verschlossen waren. Sex und Drogen können aber auch auf sehr vielfältige Weisen diese inneren Räume völlig verschließen. Verbindet man nun Sex und Drogen, dann können sich diese Möglichkeiten noch einmal potenzieren. Der viel beschworene, aber nur selten erlebte „kosmische Orgasmus“ oder eine verschmelzende Zärtlichkeit gehört genauso zu diesen Möglichkeiten wie völlig verkrampfte Situationen, Impotenz oder gar Missbrauch. Für mich persönlich war es spannend, all die verschiedenen Zugänge zum Thema zusammenzutragen. Von wissenschaftlichen und historischen Betrachtungen bis hin zu äußerst offenen Erfahrungsberichten und Literaturauszügen. Nicht zuletzt sollte solch ein Thema nicht nur trocken abgehandelt werden, sondern in einem besonderen Maße auch eine im erotischen Sinne anregende Wirkung haben.

Hanfblatt:
Besteht nicht in jeder Subkultur das Risiko, dass sie sich zu weit von den gesellschaftlichen Realitäten entfernt und sektiererische Züge annimmt? Wie kann man dies vermeiden und die Bodenhaftung behalten?

Sterneck:
Klar, das ist immer eine Gefahr. Manchmal ist es wichtig sich auf Inseln zurückzuziehen, aber man darf nie vergessen, dass jede Insel von einem Meer umgeben ist. – Und dieses Meer prägt. So idealistisch wir auch sein mögen, wir tragen alle unsere schrägen Egos mit uns herum, die uns schon in der Kindheit anerzogen wurden. Und auch als Erwachsener wird es nie möglich sein, sich völlig dem umgebenden Meer zu verschließen. Das muss uns immer bewusst sein. Den perfekten Umgang mit diesen Strukturen gibt es nicht. Ein naheliegendes und doch so selten gebrauchtes Mittel ist das der Hinterfragung und Selbstreflexion, der Kritik und Selbstkritik. Sich neben sich zu stellen und zu schauen, was geht überhaupt mit mir ab, ist dies noch der Weg den ich bzw. wir einschlagen wollten? „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ hat Adorno mal gesagt. Aber es besteht die Möglichkeit und die Notwendigkeit sich diesem zumindest anzunähern.

 

Publikationen von Wolfgang Sterneck
(als Herausgeber und Autor, Näheres unter www.komista.de, www.sterneck.net und www.nachtschatten.ch):

„Cybertribe-Visonen“
„Der Kampf um die Träume. Musik und Gesellschaft.“
„Erotika. Drogen und Sexualität“ (und als Auszug daraus „Das Utopia der Lust“)
„Psychedelika. Kultur, Vision und Kritik.“
„Inside. Modern Primitives, Dunkle Erotik und Subversive Rituale.“
„Tanzende Sterne. Party, Tribes und Widerstand.“
„Stille, Bewusstsein und Veränderung“ (gemeinsam mit John Cage, inklusive CD)
„Connecta-Music, Mind and Politics“ (CD & DVD, siehe www.alice-project.de)

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Cannabis Drogenpolitik Interviews Interviews

Interview mit dem Psychiater Eckart Schmidt

HanfBlatt Nr. 99, 2005

Kiffer im Spannungsfeld von Eltern, Freunden und Therapeuten

Interview mit dem Psychiater Eckart Schmidt

Es gibt verschiedene Motive und Formen Cannabis zu inhalieren. Eckart Schmidt, Facharzt für Neurologie und Psychatrie, hat in den 90er Jahren den Hamburger Drogenentzug für Jugendliche mit aufgebaut, seine Erfahrungen mit moderaten und starken Kiffern hat er nun in einem Buch veröffentlicht.

Wie begann Ihr beruflicher Kontakt mit Cannabisliebhabern, die einen problematischen Konsum aufwiesen?

1999 habe ich in der Fachklinik Bokholt den Kinder- und Jugend Drogenentzug aufgebaut. Da kam ich dann auch zum ersten Mal mit exzessiven Kiffern zusammen. Zunächst war ich selber nicht von einem Cannabisentzug in einer solchen stationären Einrichtung überzeugt, so nach dem Motto „Lass sie doch lieber kiffen als Alkohol trinken“, aber da kamen eben doch Menschen, die täglich und so viel gekifft haben, dass sie allmählich überall rausgeglitten waren. Sie hatten ähnlich wenig Anschluss an „normale“ soziale Verhältnisse wie Heroin-Konsumenten.

In welcher Altersgruppe waren die?

Im Schnitt zwischen 14 und 16 Jahren alt. Manche der exzessiv kiffenden hatten bereits mit zehn oder gar neun Jahren angefangen regelmäßig zu rauchen. Die meisten waren zigarettenabhängig, insgesamt war es eine Gruppe, die allerlei Mittel schon früh als Suchtmittel eingesetzt hatte.

Oft kamen die Jugendlichen nicht freiwillig. Ist das ein Problem bei der anfänglichen Gesprächssituation?

Im Drogenentzug, und das gilt auch für Kiffer, haben meist die Eltern oder Lehrer massiv darauf eingewirkt, dass der Jugendliche zu uns kam. Die wenigsten geben selber zu, dass sie ein Problem haben, sie denken, sie haben alles im Griff. Sie wollen maximal die Spitzen rausnehmen, ansonsten aber weiter funktionieren. Dadurch entsteht durchaus ein ambivalentes Gefühl bei ihnen. Die Folge ist, dass sie den ersten Entzug meist nicht durchhalten. In den meisten Fällen braucht es zwei bis drei Anläufe, erst dann sehen sie ein, dass ihr hartes Konsummuster ihnen Probleme bereitet und entwickeln auch eine Eigenmotivation wirklich etwas zu ändern. Die Entwicklung hinein in den exzessiven Konsum und wieder heraus ist nie geradlinig. Selten ist nach einer Behandlung alles gut.

 

Bei den Kiffern also, die in jungen Jahren jeden Tag und viel rauchen, hilft also zunächst nur Abstinenz, eine Hinführung zu einer kontrollierten Genussform ist nicht möglich?

So vereinfacht kann man das nicht sagen. Jeder Mensch ist anders und es gibt durchaus Kiffer, die zurückschrauben können. Der Größte Teil von den exzessiven Kiffern hat aber Schwierigkeiten direkt in einen kontrollierten Konsum überzugehen.

Wie also bricht man den anfänglichen Widerstand im Gespräch?

Brechen kann man ihn überhaupt nicht, man muss überzeugen. Wichtig ist zunächst für sie zu wissen, das sie zwar bei uns sind, aber jederzeit auch wieder gehen können. Im weiteren geht es darum zu vermitteln, dass sie für ihr Leben selbst verantwortlich sind und ihr Handeln, egal welches, immer auch Konsequenzen zeigt. Wir können und wollen ihnen nicht sagen, was sie mit ihrem Leben machen sollen. Wir können mit ihnen zusammen nur herausarbeiten, welches Wege wahrscheinlich zu welchen Zielen führen. Manchmal waren die Kiffer überrascht, wenn sie von uns eben nicht gesagt kriegten, „Du musst das und das machen, dann wird alles gut.“

"Exzessives Kiffen hängt mit fehlender, innerer Sicherheit zusammen", sagt Eckart Schmidt.
„Exzessives Kiffen hängt mit fehlender, innerer Sicherheit zusammen“, sagt Eckart Schmidt.

Mal anders herum gefragt: Wie erzieht man als Kiffer denn seine Eltern zu einer guten Gesprächsführung?

Das hängt natürlich von den Ausgangslagen ab. Es gibt die Art von Eltern, die keine Diskussion zulassen, und ob man die dazu erziehen kann ist fraglich. Und es gibt die, die einfach ein wenig zu ängstlich sind. Denen kann man zeigen, dass man sein Leben durchaus auf die Reihe kriegt. Und es gibt die, die sich zu Recht sorgen machen. Für den Beginn ist es hilfreich sich eine unangespannte Situation zu schaffen, um das Thema „Haschisch“ mal ganz allgemein und nicht an der eigenen Person festgemacht anzusprechen. Vielleicht anhand eines Zeitungsberichts oder einer TV-Sendung.

Da kommt aber schnell die Frage: „Und du?“

Ja, darauf muss man dann gelassen reagieren. Zu vermeiden sind vor allem Schuldzuweisungen. Wenn beide Seiten nur von Schuld und persönlichem Versagen sprechen, dann werden Gespräche unfruchtbar. Wenn Eltern entdeckt haben, dass das eigene Kind kifft, dann haben sie meistens Ängste. Als Kind kann man dann nur versuchen aufzuzeigen, dass man sein Leben trotz Konsum auf die Reihe kriegt. Da heißt es dann natürlich ehrlich gegenüber sich selbst sein. Die Frage ist: Krieg ich mein Leben gebacken oder bescheiße ich mich selber? In meinem Buch geht es in einigen Bereichen um Extremfälle, aber eben auch um die Kiffer, die sich in einem Grenzbereich aufhalten und diejenigen, die keine Probleme mit ihrem Konsum haben. Es gibt keine einfache Zuschreibung: „Du kiffst also bist so oder so“.

Da steht man natürlich von dem Problem, dass in den Familien, in denen solche offenen Gespräche möglich sind, der problematische Konsum von Cannabis ohnehin weniger vorkommt.

Das kann man wahrscheinlich gesetzmäßig so sagen, ja. Exzessives Kiffen hängt mit fehlender, innerer Sicherheit zusammen, und das liegt halt meistens am Elternhaus. Ich will hier nicht immer den Eltern die Schuld geben, aber oft hakt es in diesem Bereich. Trotz allem bleibt Eltern nichts anderes übrig, als das Gespräch zu suchen. Denn verbieten kann ich es meinem Kind nicht, dann kifft es halt um die Ecke. Ich kann ihm nur sagen: „Du kiffst, und aus meiner Sicht hat das diese und jene Folgen.“

Was aber folgt nach dem Gespräch?

Abgestufte Reaktionen. Wenn ein Kind seinen Eltern beweist, dass es mit der Droge zurecht kommt ohne wichtige Dinge zu verpassen, dann müssen diese nicht unbedingt tätig werden. Wenn aber die Eltern merken, das ihr Kind täglich kifft und aus ihrer Sicht deshalb in den Schulleistungen abfällt, interesselos gegenüber seinen Hobbies wird, immer mehr in eine Kiffergruppe reingeht und keinen Kontakt mehr zu Nicht-Kiffern hat, zudem konfliktscheu ist und sich selbst belügt, dann müssen Eltern ihm dies offen sagen. In einem zweiten Schritt müssen dann auch Konsequenzen folgen. Die sollte man anfangs durchaus gemeinsam besprechen.

Ein Beispiel?

Wie dies genauer aussehen könnte, wird anhand einiger Beispiele im Buch besprochen.

Man setzt eine Grenze und droht mit einer Sanktion?

Ja, er oder sie muss merken, dass sie verantwortlich für ihr Handeln sind. Es ist ihre Entscheidung. Die Sanktion kann offen sein, also so gestaltet, das bei einem Verstoß gegen eine vorher gemeinsam verfasste Abmachung sich danach auch zusammen überlegt wird, was das jetzt für Konsequenzen hat. Und das kann auch durchaus zum Nachteil des Jugendlichen gereichen, denn warum sollte ich beispielsweise meinem Kind weiterhin viel Taschengeld geben, wenn es das Geld komplett verkifft?

Was dann aber zur Folge haben kann, das er es sich auf andere Weise besorgt.

Daran kann ich dann aber nichts mehr ändern. Wenn ich ihm mehr Geld gebe, und er kann es nicht verwalten, dann wird er auch mehr für das Haschisch ausgeben. Dazu kommt, das das Handeln der Eltern dem Kind in diesem Moment auch zeigt, das es ernst genommen wird. Wer seinem Kind alles durchgehen lässt, der wird nicht ernst genommen. Aber ein Patentrezept für einen mündigen Umgang von Eltern und Jugendlichen miteinander und in ihrer Stellung den Drogen gegenüber gibt es leider nicht.

Eltern, Schulen, Gesellschaft und Politik wollen aber genau diese klaren Richtlinien haben.

Wenn so, dann so, als ob der Mensch eine Maschine ist. Menschen sind alle unterschiedlich und wenn man sich darauf einigen würde, das zu akzeptieren und den schwierigen Weg der individuellen Herangehensweise an individuelle Problemlagen zu gehen, dann wäre man schon einen beträchtlichen Schritt weiter.

Sie möchten die Diskussion von der Schädlichkeit von Cannabis von der Diskussion um die Legalisierung komplett abtrennen. Wie soll das funktionieren, denn wie soll man über eine andere Rechtsstellung von Cannabis diskutieren, wenn man nicht auf die wissenschaftliche Fakten zurück greift?

Wenn man aufklären will, wann Cannabis für den Menschen problematisch werden kann, ist es klüger, dies von der Diskussion um die Legalisierung abzutrennen. Die sogenannten „Fakten“ rund um Cannabis werden doch ohnehin immer so zusammengewürfelt wie es das jeweilige Konzept passt. Man kann den Menschen so oder so nicht von der Selbstverantwortung befreien. Es gibt ja Leute, die schlagen vor, man solle die Alleebäume fällen, weil sie besonders unfallträchtig seien. Es scheint für den Menschen immer nur die Variante „Ja“ oder „Nein“, „Gut“ oder „Schlecht“ zu geben. Und es macht ihn irre, wenn man bei genauerer Betrachtung feststellt, das es so etwas nicht gibt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Eckart Schmidt Cannabis – Wann kann der Konsum problematisch werden?
Hamburg 2005 Verlag: Mein Buch
255 Seiten
Paperback ISBN: 3-86516-405-6
14,90 EUR

 

 

 

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Mixed Psychoaktive Substanzen

Angst und Schrecken mit Hunter S.

blond, 3/2005

Der Dalai Lama der Furcht

Halluzination und Recherche, Fiktion und Realität: Hunter S. Thompson ist der erste und letzte Mohikaner der Gonzo-Reportage.

(Hier das Original PDF des Beitrags aus dem mittlerweile eingestellten Magazin „blond“)

Die knallharte Pfeife entfaltete ihre Wirkung genau in dem Moment, als wir zu unseren Kino-Plätzen stolperten. Beine von Zuschauern schlängelten sich wie dunkle, verdorrte Wurzeln durch die Sitzreihen, mit einem Bier in der rechten und einem in der linken Hand balancierte ich mit Storchenschritten über die Wurzeln, im Augenwinkel donnerte ein rotes Cabrio durch die Wüste. Noch bevor wir unsere Sitze erreicht hatten sprang Hunter S. Thompson alias Johnny Depp aus dem Chevy, spaddelte Richtung Kofferraum, verjagte ein paar Fledermäuse und inspizierte dann eine beneidenswert gut sortierte Drogensammlung.
Wir sackten hysterisch kichernd immer tiefer in die Sessel, mein erster Schluck Bier spülte drei Minuten meinen Rachen, an Schlucken war nicht zu denken. Die Eingangssequenz von „Fear and Loathing in Las Vegas“ im Jahre 1998 war eine Offenbarung, hielten wir uns doch schon für Kenner des von der Leine gelassenen Wahnsinns, hier aber hatte sich offensichtlich unser Meister ausgedrückt. Es war die erste Begegnung mit dem Totengräber des objektiven Journalismus, dem Erfinder der fiktiv-realen Reportage, dem Dr. Jekyll und Mr. Hyde der Schreiber, kurzum: mit dem teuflischen Gott.

Schreiben, das war für den 1937 geborenen Thompson Anfangs nur „einfacher als Algebra“, wie er sagt. Seine ersten Reportagen verfasst er für das Truppenblatt der Air Force, die Jobs bei Zeitungen und einem Wrestling Newsletter enden meist fatal, seine Südamerika-Tour als freier Autor verläuft eher mau. Hunter ist das relativ egal, solange genug Alkohol fließt und sich ab und zu eine Frau in sein Bett verirrt. In dieser Zeit, er ist gerade 25 Jahre alt, schreibt er seinen ersten und einzigen Roman, der erst jetzt auf Deutsch erschienen ist: „The Rum Diary“. Ein intensives Stück Literatur im Stile von Ernest Hemingway. Freelancer schwitzen unter der Sonne Puerto Ricos, zumeist in einer Bar rumhängend, in der man nur drei Dinge bestellen kann. Bier, Rum und Hamburger.

Zurück in den USA folgt der erste Knall: Hunter Stockton taucht für über ein Jahr bei den Hell’s Angels ein und marodiert mit den Rockern durch den wilden Westen. Seine stark subjektiv gefärbte Erinnerunge vermischen sich mit harter Recherche und Polemiken. Er zitiert ausführlich aus Zeitungsberichten und Akten, nimmt an den Ausfahrten („Runs“) und Gelagen teil und stellt nebenbei die Sensationslust der amerikanische Medien bloß. Der Trip wird zur Blaupause seiner künftigen Arbeit: Vom Rande der Gesellschaft aus beobachtet er deren maroden Kern.
Trotz der Nähe biederte sich Thompson nicht bei den biersaufenden Speed-Outlaws an. „Die kollektive Haltung der Angels war immer eine faschistische“, schreibt er, „ihre politischen Überzeugungen sind auf denselben Retro-Patriotismus begrenzt wie die des Ku Klux Klan und der American Nazi-Party.“ Das Buch über die gefallenen Engel, 1967 veröffentlicht, wird ein Erfolg. Von dem Geld kauft er sich eine BSA 650 Lightning, das damals mit Abstand schnellste Serienmotorrad. Es ist die Ära, von der Thompson bis heute zehrt und die er zugleich nie überwunden hat.

Die cineastische Einführung in die Urgründe des Drogentrips in dem verschmutzten Kino auf dem Hamburger Steindamm zeigte deutliche Parallelen zu den Erlebnissen in den nebligen Schweinekoben (neudeutsch: Clubs), durch die wir uns während der letzten Jahren gerockt hatten. „Fear and Loathing“ passte wunderbar in die verspulten 90er: Die ganze Welt ein Trip, eine Matrix wohlmöglich, und überhaupt: Was ist schon Realität? Egal, vorwärts, hinein ins Vergnügen.
Trotz aller Euphorie war uns im Kinosaal nicht entgangen, dass sich das Publikum in zwei Teile spaltete: Diejenigen, die recht genau nachfühlen konnten wie es Johnny Depp und seinem samoranischen Anwalt bei ihrer Reise erging und diejenigen, die außer einem Alkohol-Vollrausch oder einer Atem-Therapie noch keine außergewöhnlichen Abfahrten durch die Psyche und darüber hinaus erlebt hatten. Die einen brüllten vor Lachen, die anderen schwiegen irritiert.

Sein Faible für Drogen und hippe Randgruppen brachte Thompson schnell mit den Beatnicks und Hippies zusammen. Ken Kesey, Autor von „Einer flog über Kuckucknest“, lud Thompson und die Hell’s Angels auf seine Farm in die Nähe von San Francisco ein. Die Polizei belagerte die Farm, drinnen herrschte seit Wochen der induzierte Ausnahmezustand. Eine intellektuelle Dauerparty war hier und im ganzen Land in Gang, es ging um den Vietnamkrieg, den Weltfrieden, die größtmögliche Bewusstseinerweiterung und letztlich immer auch um das große Ganze. Ein riesiger Traum blies sich auf und schwebte für einige Monate über dem Land. Und Hunter, dem schon schlecht wurde, wenn er nur ein Peace-Zeichen oder florale Muster sah, saß mitten drin.
Zwischen Beat-Poeten wie Allen Ginsberg und Showmastern wie Timothy Leary sonnten sich die Angels in der neuen Aufmerksamkeit, nebenbei gab es natürlich Acid für alle. Wochen später war es vorbei mit der Eintracht, die Angels mischten eine Anti-Vietnam-Demo auf, später boten sie sich in einem öffentlichen Brief sogar als freiwillige Kämpfer in Vietnam an.

Der legendäre „Gonzo-Journalismus“ (span. gonzagas „jemanden verarschen“) entstand kurz darauf aus einer depressiven Phase des jungen Künstlers heraus. Ein Redaktionsauftrag hatte gelautet über das jährliche Kentucky Derby, das wichtigste Pferderennen der USA, zu berichten. Thompson pendelte aber nur betrunken zwischen Hotelbar und Schlafzimmer hin und her und schickte in einem Anflug von Wahnsinn die aus seinem Notizbuch herausgerissen Seiten. Überschrift: „Das Kentucky-Derby ist dekadent und verkommen“. Die Redaktion war verzweifelt, die Leser begeistert: „was für eine Sprache, was für ein Formgefühl“. Ein Mythos war geboren.
Hunter hatte seinen Stil gefunden, eine aggressive, schnelle Sprache, die, wenn sie keine Lust mehr hat zu argumentieren, sich martialischen Bilder bedient. Aus der Tatsache, dass er eine Zumutung für seine Umwelt war wurde langsam ein Geschäft. In seinem Worten: „Wenn du dafür bezahlt wirst verrückt zu sein, dann kannst du so verrückt nicht sein.“ Gut so, war es doch für alle besser, wenn er seine Individualität auf der Schreibmaschine auslebte, als, wie er es selber ausdrückte „in plötzliche Ausbrüchen von frustrierte Gewalt“. Noch heute ballert er gerne mit einem seiner vielen Gewehre auf tibetanische Gongs, die in seinem Garten aufgehängt sind.

ChevySein nie versiegender Zorn wird zusätzlich von dem Glauben gespeist, dass es nach den Morden an Kennedy, Martin Luther King und Malcolm X keine Versöhnung mit Amerika mehr geben kann. Thompson trägt den amerikanischen Traum seit nunmehr dreißig Jahren zu Grabe. Dazu gehört sein Hass auf die Präsidenten, heißen sie nun Nixon, Ford, Reagan, Clinton (in dessen Beraterstab er kurz saß) oder jetzt wieder Bush. In Pamphleten für den „Rolling Stone“ kriegen alle ihr Fett weg. Lange vor Michael Moore attestierte Thompson den USA eine verlogene Politik, eine korrupte Wirtschaft und eine nur auf Konsum geeichte Gesellschaft. Die mit dem System verbandelten Medien und den Journalismus hält er dabei für „eine blinde Gasse zur Kehrseite des Lebens, ein dreckiges, nach Pisse stinkendes kleines Loch, auf Anordnung eines Bauamt-Inspektors zugenagelt, aber noch groß genug für einen Wermutbruder, sich in einer Nische am Gehsteig zu verkriechen und sich einen runterzuholen wie ein Schimpanse im Zookäfig.“

Das war die Sprache die wir hören wollten. Seit „Fear and Loathing“ spukte die Idee in unseren Köpfen rum, mit einer Mischung von Nörgeln auf hohem Niveau und systematischer Breitheit eventuell sogar unseren Lebensunterhalt verdienen zu können. Nüchtern betrachtet bediente Thompson nur unsere infantile Junggesellenfantasien: Ein ungebundenes Leben, die jederzeitige Verfügbarkeit von Uppern, Downer und Heulern, die einen mächtig rauskickten oder – wenn es schlecht lief – zumindest ein inneres Gepöbel verursachten.
Den Höhepunkt dieser selbstvergessenen Lust auf Mehr bildete sicherlich eine Reise nach Asien, bei der ich im karnevalesken Thompson-Outfit (gelbe Sonnebrille, Hawaii-Hemd, kurze Hose, Zigarettenspitze) durch das, na, sagen wir mal „Disco-Viertel“ von Bangkok schwebte, das Hirn mit LSD und Johnny Walker zugeschissen, die Reisekasse aller Beteiligten locker in der Hose tragend, weil „Du der Vernünftigste bist“, wie mir gesagt worden war. Aus dem Hotel waren wir rausgeflogen, denn die Wanne war bis ins Zimmer übergelaufen, im Restaurant fuhren dann die Pappen so heftig ein, dass wir uns mit Basmati-Reis beworfen hatten. Momente ohne Furcht, Schmalspur Rock’n’Roll.

In den Neunzigern trat der Desperado mit kahlrasiertem Kopf auf. Er sah damit, so beschrieb es ein US-Journalist, wie „ein Dalai Lama der Furcht und des Schreckens“ aus. Tatsächlich steigt seine Anhängerschaft in den prüden USA, seine Farm in der Nähe von Aspen, Colorado, ist zur Pilgerstätte geworden. Allzu aufdringlichen Fans verjagt der zornige 68-Jährige in Wildwest-Manier mit dem Schießeisen vom Gelände.

Nachtrag: Hunter S. Thompson erschoss sich im Februar 2005 auf seiner Farm in der Nähe von Aspen, USA.

 

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Cannabis Drogenpolitik Interviews

Interview mit Tilmann Holzer über die Geschichte des Cannabis-Verbots und dem Ausweg aus der Sackgasse der Drogenpolitik

HanfBlatt, Januar/Februar 2005

Interview mit Tilmann Holzer über die Geschichte des Cannabis-Verbots und dem Ausweg aus der Sackgasse der Drogenpolitik

Tilmann Holzer, 29, ist Vorsitzender des Verein für Drogenpolitik (www.drogenpolitik.org). Zur Zeit schreibt er an einer Doktorarbeit über die Geschichte der deutschen Drogenpolitik von 1933 bis 1968.

HanfBlatt:
Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein waren Cannabisprodukte in Deutschland keiner Reglementierung unterworfen. Wann und warum wurde der Verkauf von „Indischem Hanf“ in einer staatlichen Verordnung berücksichtigt?

Holzer:
Cannabis wurde in Deutschland bis etwa Mitte der 1960er vor allem als Medikament und Nutzpflanze wahrgenommen und dementsprechend von staatlicher Seite behandelt. Ab 1872 war Cannabis in der „Kaiserlichen Verordnung über Apothekenwaren“ enthalten und durfte nur in noch in Apotheken verkauft werden, eine Mengen- oder Altersbeschränkung gab es nicht. Das Cannabisverbot, so wie wir es heute kennen, beruht auf der Integration von Cannabis in das „Genfer Opiumabkommen“ von 1925 und seinen Nachfolgern, Deutschland war damals gegen dieses erste globale Cannabisverbot.

Tilmann Holzer bei der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk.
Tilmann Holzer bei der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk.

HanfBlatt:
Und warum war Cannabis in das Genfer Opiumabkommen reingerutscht? Es wird behauptet, damit wurde das „Cannabisproblem“ als „Drogenproblem“ erst geschaffen. Wie siehst du das?

Holzer:
Der ägyptische Delegationsleiter El Guindy forderte die Aufnahme von Cannabis, weil in Ägypten viel Cannabis konsumiert wurde. Praktisch alle anderen Delegationen wußten nichts von einem Cannabisproblem oder waren, wie beispielsweise Indien oder Thailand, gegen ein Cannabisverbot. Mit der taktischen Unterstützung El Guindys durch China, die USA und Frankreich konnte das Verbot aber beschlossen werden. Die Genfer Opiumkonvention ist die Urform aller Drogengesetze weltweit, weil sie durch die Ratifikation in nationale Gesetze umgewandelt wurde und so weltweit gültig ist. Im Laufe der Jahre wurden dann im wesentlichen die Strafen erhöht, das Cannabisverbot blieb. Die erste Strafverschärfung kam in Deutschland nachdem ab 1968 explosionsartig Cannabis konsumiert wurde. 1971 wurde deshalb das Opiumgesetz von 1929 in das Betäubungsmittelgesetz umgewandelt. Im Kern das Genfer Abkommen, nur viel härtere Strafen, im Ergebnis trotzdem jedes Jahr mehr Kiffer, bis heute.

HanfBlatt:
Die internationale Staatengemeinschaft baut mittlerweile auf die Kombination von Strafe und Therapie. Wird das die Zahl der Cannabiskonsumenten verringern? Und, so will ich mal frech fragen, ist es überhaupt nötig sie zu verringern?

Holzer:
Tatsächlich ist die „Therapie“ bei Cannabiskonsumenten quantitativ so unbedeutend, dass man nur von Strafe als hilfloser Reaktion von staatlicher Seite sprechen kann. Die Zahl der Konsumenten wird aber selbst durch die härtesten Strafen nicht beeinflusst, jedes Jahr gibt es mehr Kiffer. Der Staat kann die Zahl der Kiffer nur in sehr beschränktem Maße regulieren und selbst dass nur, wenn er einen vollständig legalen Markt hat, der streng reguliert werden kann, beispielsweise um Kinder vom Kiffen abzuhalten. Für Erwachsene gilt, dass sie selbst über ihren Drogenkonsum entscheiden dürfen, denn in einer Demokratie hat sich der Staat aus dem Privatleben, also auch dem Drogenkonsum herauszuhalten. Nur wenn Dritte gefährdet sind oder der Allgemeinheit Kosten entstehen, dann kann er Staat regulierend eingreifen. Gesundheitspolitisch gesehen, insbesondere finanziell, aber auch mit Blick auf Gewaltverbrechen, ist ein moderater Cannabiskonsum dem Alkoholkonsum ganz vorzuziehen. Mit Blick auf die Krebsstatistik ist es wichtig, den Cannabiskonsum vom Tabakrauchen zu trennen.

HanfBlatt:
Dies führt direkt zur Reformdiskussion des staatlichen und gesellschaftlichen Umgangs mit Cannabis, die du und der Verein für Drogenpolitik jetzt mit dem „Globalen Cannabisregulierungsmodell“ neu beleben wollt. Nicht erst seit dem „Apothekenmodell“ ist die Regelung der Abgabe und des Verkaufs von Marihuana und Haschisch ein Streitpunkt. Wir wollt ihr das lösen?

Holzer:
Das Cannabisverbot hat total versagt, seit es 1971 verschärft wurde, kiffen jedes Jahr mehr Menschen in Deutschland. Es geht nicht darum, ob wir Cannabis legalisieren wollen oder nicht, sondern darum, ob Cannabis auf einem legalen oder einem illegalen Markt gehandelt werden soll. Cannabis ist überall erhältlich, kein einziger Staat auf dieser Welt hat bisher ein Cannabisverbot durchsetzen können. Deshalb hat der Verein für Drogenpolitik ein Konzept entwickelt, wie Cannabis in einem staatlich kontrollierten Markt gehandelt werden kann. Das ist das von dir erwähnte „Globale Cannabisregulierungsmodell“. Der Kerngedanke ist einfach: legal gehandeltes Cannabis ist ein wenig billiger als illegales und deshalb ist ein legaler Markt realistisch. Zweitens kann jeder einzelne Schritt vom Anbau bis zum Verkauf im Cannabisfachgeschäft staatlich lizensiert werden. Dadurch ist ein effektiver Jugendschutz, denn beim Verkauf Verkauf an Minderjährige droht Lizenzentzug, und ein hoher Qualitätsstandard möglich. In einem Rechtsgutachten weisen wir nach, dass ein legaler Cannabishandel im Rahmen der internationalen Verträge möglich ist. Was fehlt ist der politische Druck von unten, damit die Parteien den legalen Cannabismarkt ermöglichen. Als ersten Schritt wollen wir noch dieses Jahr unser Modell an alle Bundestagsabgeordneten verschicken, benötigen dafür und für die nächste Auflage, die an alle Landtagsabgeordneten gehen soll, noch 2000 Euro an Spenden.

HanfBlatt:
Fehlt nicht eher der politische Wille bei den Parteien, weil mit dem sensiblen Thema Drogenpolitik keine Wählerstimmen zu fangen sind? An einer Änderung der Rechtslage von Cannabis scheint sich seit Jahrzehnten niemand die Finger verbrennen zu wollen, zuletzt zogen die GRÜNEN den Schwanz ein.

Holzer:
Das ist sicher richtig, aber zu einfach. Richtig ist, dass die Parteien heute kein Interesse mehr an Drogenpolitik aufbringen, es geschieht beinahe nichts. Das war Anfang der 90er ganz anders. Wichtig ist, dass in den letzten Jahren die Medien immer mehr naiv-hysterisch über Drogen berichten, insbesondere über Cannabis. Das fällt auf die Parteien zurück, da es in keiner Partei Experten für dieses Thema auf Bundesebene gibt. Andererseits fehlt eine gut organisierte Interessensvertretung für eine bessere Drogenpolitik. Mit mehr Druck und Überzeugungsarbeit könnte man in den Parteien einiges bewegen, das zeigen Erfahrungen aus den 1990ern im Bereich Heroin und im Ausland. Deshalb haben wir den Verein für Drogenpolitik vor drei Jahren gegründet, als eine unabhängige und freie Organisation für diese Lobbyarbeit gegenüber Abgeordneten, Bundesregierung, Medien und Justizapparat und so weiter. Das funktioniert im Prinzip, aber erst mit einer guten finanziellen Ausstattung oder einer Stiftung für Drogenpolitik und hauptamtlichen Mitarbeitern wird es wirklich funktionieren. Dafür brauchen wir mehr Unterstützung von allen Seiten.