Kategorien
Cannabis Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview mit Amon Barth


Zuender (DIE ZEIT)

Aus Tiefen wieder aufgetaucht

Interview mit dem früheren Hardcore-Kiffer und Buchautoren Amon Barth

Sein Erfahrungs- und Leidensbericht aus seiner Zeit als exzessiver Kiffer verkaufte sich bisher über 20.000 Mal. Amon Barth erzählt darin Geschichte seiner Jugend, die sich zwischen dem 13. und 19. Lebensjahr vor allem um eines drehte: Dope.

Der ersten Joint, die Freude am Kiffen, die Unsicherheit gegenüber Mädchen, der Schulfrust, die kiffene Clique, das Abgleiten in die Sucht. Amon beschreibt seine Wesenveränderung und die Zunehmende Entfremdung von Elternhaus und Umwelt detailliert. Der Raubbau am eigenen Körper wird so weit getrieben, dass bei Amon schließlich eine Psychose ausbricht. 2004 holt er sein Abitur nach und schreibt innerhalb von einem Jahr sein Buch. Den Titel, „Breit. Mein Leben als Kiffer“, sucht er sich nicht selber aus. Heute lebt Amon, 21, in Hamburg. Eher zufällig landet er bei unserer Verabredung mit seinem Teller Pasta genau neben mir und meinem Kaffee. Begrüßung. Nachdem er ausgekaut und ich ausgetrunken habe fangen wir an über sein Leben als Nicht-Kiffer, den Hype in den Medien und eine vernünftige Drogen-Aufklärung zu sprechen.

Was mich in deinem Buch besonders beeindruckt hat, ist der Moment in dem du bemerkst, dass deine Freunde dich beklauen. Hast du das nicht als Einschnitt empfunden?

Dazu muss man meine Position in dieser Clique verstehen. Ich war immer unsportlich und galt eher als der Labersack. Auf der Schule gab es die Streber, die Undefinierbaren, zu denen gehörte ich, und die Cooleren und zu denen wollte ich gehören. Durch das Kiffen wurde ich zwar Teil dieser einer Kiffer-Clique, zugleich war ich aber auch da immer außen vor. Ich hatte nicht viele andere Freunde, o. k., ich hatte noch einen anderen Freund seit dem Kindergarten und einen, der der Sohn der besten Freundin meiner Mutter war, der ist aber ein einhalb Jahre älter als ich. Zum Teil war mir zwar klar, dass manchen Typen in der Clique Idioten waren oder wir zusammen eine idiotische Dynamik entwickelten , aber ich fühlte mich wie in einer Zwickmühle. Mir war enorm wichtig eine Art Hip-Hop-Klischee zu erfüllen, cool sein eben. Und obwohl sie mich beklaut hatten, wollte ich zu Ihnen gehören. Sie waren mir wichtig. Heute sehe ich ein, dass das Teil meiner Schwäche und hilflosen Unbewusstheit war.

In dem Buch beschreibst du ja sehr gut, wie sich dein Konsummuster immer mehr verstärkt und schließlich in einem psychotischen Schub endet. Deine Zeit in der Psychiatrie allerdings lässt du außen vor.

Zum einen wäre der Text dadurch zu lang geworden. Zum anderen empfand ich das Ende auch aus literarischer Sicht interessant zu erst mal bleibt es dadurch ja offen, ob ich überhaupt mit dem Kiffen aufhören konnte, was vielen ja nicht gelingt. Im Nachwort wird es dann jedoch klar.

Wie wurde dir im Krankenhaus geholfen?

Auf dieser Frage habe ich schon viele unterschiedliche Antworten gegeben. Manchmal habe ich gesagt, dass mir dort überhaupt nicht geholfen wurde, manchmal habe ich gesagt, dass die Medikamente und die Ruhe mir doch sehr geholfen zu haben scheinen. Ich habe anfangs Tavor, ein Benzodiazepin und später Risperdal bekommen. Was dort nicht stattgefunden hat ist eine Gesprächstherapie oder eine besondere Zuwendung. Ob das vielleicht gar nicht schlecht war, das ist eine andere Frage. Am meisten hat mir wohl der Schock geholfen in einer psychiatrischen Anstalt gelandet zu sein. Einige schizophrene Merkmale hatten sich ja schon ein Jahr vorher angekündigt und wurden von mir ignoriert. Dass mein Bewusstsein diese Psychose hervorgebracht hat, war auch so etwas wie ein allerletzter und radikaler Selbstheilungsmechanismus. Wenn man allen erzählen muss: „Ich war in der Psychiatrie“ und das auch seinem Spiegelbild sagen muss, dann ist das eine sehr eindringliche Erfahrung.

War dieser Schock der Hauptgrund dafür, dass du mit dem Kiffen aufgehört hast?

Nein, als ich draußen war habe ich ja danach noch bis zum Abitur, also rund zwei Jahre, weiter gekifft. Aufgehört habe ich erst nach dem Abitur. Der Schock hat eher dazu geführt, dass ich mich mit meiner eigenen Psyche mal weniger naiv auseinander gesetzt und innerlich um Klarheit bemüht habe. Dazu kam noch mein Ehrgeiz mehr aus meinem Leben machen zu wollen. Ich spürte plötzlich, dass ich noch Erwartungen habe. Dieser Prozess hält an. Ich will mich kreativ verwirklichen, dabei auch Erfolg haben, finanzielle Unabhängigkeit erlangen und die Liebe meines Lebens finden. Einfach wohl das, was die meisten Menschen sich erträumen. Und damals wurde mir klar, dass das Kiffen dem im Weg steht. Ein tolles Beispiel ist für mich, wenn jemand einmal im Jahr Cannabis raucht und dabei meditiert; das kann ihn unter umständen sehr bereichern. Nur war mir klar das ein solcher oder ähnlicher Weg (alle paar Wochen) mir versperrt war und noch immer ist, mein Hedonismus hat mich immer wieder auf die falsche Bahn geführt, das will ich nicht noch einmal erleben. Aber ich glaube durchaus, dass es Menschen gibt, die Glück, Zufriedenheit und kreative Selbstverwirklichung erreichen können und ab und zu kiffen, genausow wie es viele gibt die überhaupt nicht damit klarkommen.

 

amon barth

 

Schneiden einige der Medien, die dich interviewt haben, diesen letzten Satz von dir raus?

Das kam in der Tat schon vor. Ich habe oft beobachten können, wie Medienschaffende eine vorgefertigte Meinung zu dem Treffen mit mir mitbrachten und, teilweise erfolgreich, versucht haben meine Aussagen in ihr Muster zu pressen. Natürlich muss man, wenn man sich um eine diferrenzierte Debatte bemüht, einsehen, dass es Menschen gibt die mit THC haltigen Produkten genauso verantwortungsvoll umgehen wie gesellschaftliche Leitfiguren mit ihren gepflegten drei Gläsern Rotwein. Das exzessive Kiffen von jungen Schülern ist aber dennoch ein Problem, das eine differenzierte Herangehensweise schwierig macht. Die Medien denken sich wohl oft, dass eine ausgewogene Darstellung bei Eltern und Jugendlichen zu falschen Schlüssen führt.

Zeigen aber die bisherige Aufklärungsversuche nicht genau das Gegenteil? Hat nicht die undifferenzierte Darstellung der Auswirkungen des Kiffens dazu geführt, dass die Jugendlichen weder Eltern, Schule noch Anti-Drogen-Kampagnen ernst nehmen?

Ich kann aber durchaus nachvollziehen, wenn Schule und Eltern einem 14-Jährigen nicht sagen wollen, dass es Menschen gibt, die mit Cannabis umgehen können. Einem so jungen Menschen kann man durchaus sagen: Fang damit gar nicht erst an.

Wobei dann die Frage ist, ab welchem Alter man einem Jugendlichen zutrauen kann für eine vernünftige, differenzierte Aufklärung empfänglich zu sein. Ein Zehnjähriger sollte nicht mit potenten Rauschmitteln umgehen, klar, aber ist nicht schon hier der Keim zu setzen, dass er so oder so zukünftig lernen muss mit Substanzen und stoffungebundenen Versuchungen umzugehen?

Ich habe gleichwohl Verständnis für eine restriktive Haltung, nicht zuletzt, weil die Anzahl der jungen Extrem-Kiffer über die Jahre stetig angestiegen ist. Und die lange Zeit betriebene Verharmlosung von Dope hat daran einen Anteil. Ich kenne genug Leute, die stark abhängig von dem Zeug sind und Entzugserscheinungen, sowie grosse Probleme dadurch haben, wenn sie nicht täglich kiffen.

Das liegt an der Mär von der „weichen Droge“. Aus einer „weichen Droge“ kann bei entsprechenden Konsummuster eben auch eine „harte Droge“ werden. Interessant ist ja nun, dass du durch die enorme Aufmerksamkeit in den Medien in eine Rolle zugeschrieben wird, von der du nicht ganz genau weißt wie du sie erfüllen sollst.

(lacht) Richtig. Ich probiere mich da bisher auch jedes Mal von Neuem aus. Mittlerweile sehe ich das auf drei Ebenen. Auf der einen Ebene betrachte ich das humorvoll: Gestern habe ich gerade noch mein Abi geschafft und heute wollen Leute von mir Meinungen und Einschätzungen hören nur weil ich durchs Kiffen in der Psychiatrie war und aufgeschrieben habe wie es dazu kam! Auf der anderen Ebene sehe ich die gewisse Verantwortung die ich dabei habe, nicht zuletzt, wenn ich Lesungen abhalte und die Leute danach zu mir kommen und mir ihre intimsten Probleme anvertrauen. Und die dritte Ebene ist das mediale Brimborium. Manchmal erwecken die Medien den Eindruck als würden sie an mir ein gesellschaftlich virulentes Problem offenbaren und ja, das viele mit 13 schon Kiffen ist ein grosses Problem. In der Realität zeigt sich dann aber oft, dass dort nur ein Medienschaffendet oder eine Institution unbedingt neuen Stoff für einen Beitrag braucht. Klar gibt es da solche und solche Fälle und manchmal bleibt eben ein schaler Nachgeschmack.

Bisher bis du das geläuterte schlimme Beispiel.

Das ist mir bewusst, aber das ist nicht meine Intention. Diese besteht darin vom Thema „Kiffen“ wegzuführen und zu zeigen, dass es im Leben weniger darum geht ob man kifft oder nicht kifft, sondern darum was man aus seinem Leben macht und das man verantwortungsvoll mit seinem Körper und dem Geist umgehen sollte. Weder möchte ich Jugendlichen sagen „Kiffen ist harmlos“, noch „Kiffen ist Scheiße“, sondern höchstens: „Durchschaue die Massenverblödung und wehre dich. Übernehme mit Mut und Energie Verantwortung für dein Leben“.

Grundsätzlich: HSV oder St.Pauli?

St.Pauli, aber ich bin kein Fußball-Fan.

Am Ende des Buches schreibst du: „Das Wichtigste, was ich zum Umgang mit dem Kiffen zu sagen habe, ist: Kauf dir einen großen Beutel und versuche nicht mehr ranzugehen.“ Das frage ich: Wozu dann überhaupt kaufen, wenn man ihn nicht genießen kann?

Der Satz ist nur aus meiner damaligen Situation heraus zu verstehen. Er sollte ausdrücken, dass man eine Sucht erst dann überwunden hat, wenn man nicht mehr vor ihr flieht. Die beste Probe ist wohl, wenn man nicht kifft, obwohl der beste Freund neben einem sitzt und wieder eine Bong durchzieht. Erst, wenn der Beutel vor einem liegt und man will nicht zugreifen hat man es geschafft. Wer erst einmal Dauerkiffer war, dem ist es aus meiner Sicht kaum möglich in einen maßvollen Konsum überzuwechseln. Der muss erst einmal ganz aufhören. Das ist wie bei Alkoholikern.

Und nebenbei würde diese Situation auch ein neues Bild auf eine Freundschaft werfen. Hast du heute Kontakt zu Leuten, die viel kiffen?

Klar, und die Beispiele können unterschiedlicher nicht sein. Ich kenne einen, der kifft den ganzen Tag und hat nebenbei ein sehr gutes Abitur gemacht. Er ist wirklich sehr intelligent und lebensklug. Ich habe aber auch Bekannte, die kiffen täglich und haben riesige Probleme damit: Zukunftsängste, Paranoia, Streit mit den Eltern, Selbstdestruktion bis zur Selbstaufgabe, Verlust des rationalen Denkens, einige verlieren tatsächlich langsam ihren Verstand. Und das Problem bei Dope ist eben: Die meisten, die so was hier jetzt lesen, denken sie gehören zu denen, die das total im Griff hat. Sie haben nicht die Stärke ihre Schwäche zuzugeben. Wenn du zu Hilfsmitteln greifst um dich glücklich zu machen, dann musst du wenigstens durchschauen, dass du nicht stark genug bist mit deinern hasugemachten Energie genauso oder sogar noch glücklicher zu werden. Ich kann nur altklug und besserwisserisch dazu aufrufen sich auch als ganz junger Mensch wirklich intensiv mit dem eigenen Denken und Handeln auseinanderzusetzen.

Wenn du so etwas vor Schulklassen oder bei Lesungen sagst, wie sind die Reaktionen darauf?

Durchweg positiv. Es kommen immer sehr viele Fragen. Und zwar von witzig gemeinten „wo kann ich Gras kaufen?“ bis „ich habe da einen Freund, der will aufhören“. Die häufigste Frage ist allerdings, ob ich meiner Mutter böse bin, dass sie nicht härter durchgegriffen hat. Das ist die Antwort natürlich „Nein“, denn auch als 14-jähriger wußte ich schon wie ich meinen Kopf durchsetze. Meine psychische Veranlagung ist die Ursache: Meine Mutter hat mich mit 42 bekommen, ich bin ohne Vater aufgewachsen und war schon im Kindergarten anders als die anderen, wie es so schön heißt. Äußerst sensibel halt, dazu redseelig, stets gut behütet, materiell gut gestellt. Dann habe ich eine gewisse altkluge Art bekommen und mich früh zu Themen geäußert, deren Horizont ich nur erahnen konnte. Eine Sicht aus dem Elfenbeinturm. Spätesten die Welt der Grundschule war roh und hart für mich.

Wir müssen langsam zum Ende kommen. Was sind deine Zukunftspläne?

Ich möchte sehr gerne Drehbücher schreiben und sie auch verfilmen. Das ist ein weit entferntes Ziel, so schnell wie möglich werde ich mich an einer Filmhochschule bewerben. Zudem habe ich einen Roman angefangen und der wird nicht heißen „Endlich schmal Amon Barth’s Anleitung zum Nicht-Kiffer-werden in zehn Schritten“, nein, es soll ein Roman über die Liebe werden.

Viel Glück dabei und vielen Dank für das Gespräch.

Kategorien
Psychoaktive Substanzen

Die Erforschung psychedelischer Fische ist noch nicht über die Verbreitung von Mythen hinaus gekommen

HanfBlatt Nr. 102

Essbarer Tiefenrausch

Die Erforschung psychedelischer Fische ist noch nicht über die Verbreitung von Mythen hinaus gekommen

Der Fall klingt seltsam: Zwei Stunden nachdem ein 40-jähriger Franzose an der französischen Riviera eine Seebrasse (Sarpa salpa) verspeist hatte, klagte er über Übelkeit und erbrach sich. Noch in der Nacht bekam er starke Halluzinationen, Tiere schrien ihn an, am Morgen gesellten sich riesige Tausendfüßler dazu. Im Krankenhaus konnten kein Fieber und keine körperlichen Abnormalitäten festgestellt werden. 30 Stunden nach der Einnahme war der Spuk vorbei.

Immer wieder berichten Restaurantbesucher auf der ganzen Welt von seltsamen Halluzinationen nach dem Verzehr von bestimmten Fischen. Der Toxikologe Luc de Haro vom „Centre Antipoison“ in Marseille hat die weltweit dokumentierten Fälle dieser psychedelischen Fischvergiftung nun untersucht (Clinical Toxicology, 44/2006).

De Haro berichtet von acht Fischfamilien und einige Unterspezien, die für die wilden Abfahrten ins Unbewußte verantwortlich sein sollen. Es bleiben aber mehr Fragen, als der Forscher Antworten geben konnte: So ist nach wie vor völlig ungeklärt, welche Substanzen im Körper des Fisches im Menschen wirken, dass dessen Alltagsbewußtsein so frappant verändert wird. Mal werden Indol-Verbindungen genannt, mal soll es gar reines DMT (Dimethyltryptamin) sein. Dieses aber ist alleine oral nicht wirksam. Es wurde daher vermutet, dass über bestimmte Algen sogenannten MAO-Hemmer in die Fische gelangen, so dass das DMT doch seine Wirkung entfaltet. Nachgewiesen werden konnte aber bislang keiner der Stoffe. Somit kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Fische oder Esser über andere Wege kontaminiert hatten. Ebenfalls ungeklärt ist das Gerücht, dass die Vergiftungen vor allem dann auftreten, wenn die Inneren des Kopfes der Tiere mitgegessen und/oder der Fisch nicht korrekt ausgenommen wurde. Fazit: Die Erforschung psychedelischer Meerestiere ist noch nicht über anekdotische und sporadische Berichte hinaus gekommen. Alleine der japanische Kugelfisch ist als Liebesmittel etabliert.

Der für die Konsumenten meistens nur anstrengende Vorgang wird in der wissenschaftlichen Literatur mit der unglaublichen Bezeichnung „Ichthyoallyeinotoxism“ geführt. Aber der krude Name hilft nicht weiter. So warten der im Mittelmeer heimische Rabbitfish (siganus argenteus) und der sagenumwobende pazifische „Dreamfish“ (Kyphodidae Familie) noch immer darauf, ihre Tauglichkeit als Psychedelikum chemisch zu enthüllen. Neben ihnen sind es der Mullet (mugil cephalus, eine Meeräschen-Art) und der Goatfish (mulloidichthys samonesis, eine Meerbarben-Art), die im indo-pazifischen Ozean immer mal wieder für Aufruhr sorgen.

Klar wird aus den rund 20 Fällen bisher nur, dass die Wirkung nach ein paar Minuten oder spätestens nach 2 Stunden einsetzt und spätestens nach 36 Stunden aufhört. Auch dies spricht gegen DMT-haltige Verbindungen, die erheblich kürzer wirken.

Kategorien
Psychoaktive Substanzen

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Buddhismus

HanfBlatt, Nr. 101, 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 4

Der Buddhismus

Der Legende nach soll sich der junge Buddha während seiner sechsjährigen Askese täglich von nur einem Hanfsamen ernährt haben. Weniger die Inhaltsstoffe der berühmten Samen als vielmehr die Meditation hätten ihn dabei zur Erleuchtung gebracht. Seither steht der Buddhismus Rausch und Ekstase zwiespältig gegenüber.

Im Gegensatz zu anderen Religionen soll der Mensch im Buddhismus weniger an übergeordnete Instanzen und starre Dogmen glauben, sondern die angebotene Lehre anhand eigener Erfahrungen überprüfen. Um dies zu tun, sollte er vor allem eines tun: Kräftig meditieren. Dann würde er erkennen, was Buddha erkannt hatte, nämlich die „vier edlen Wahrheiten“. Nummer 1: Solange der Geist seine Natur nicht erkannt hat, gehört zum Leben zwar Freude, aber auch Leid. 2. Es gibt bestimmte Ursachen, warum der Geist seine wahre Natur nicht sieht. 3. Buddha sei Dank kann aber jeder die Funktion seines Geistes erkennen, also erleuchtet werden. Und schließlich 4.: Es gibt praktische Mittel, um dies zu erreichen. Mit der Zeit entwickelten sich verschiedene Strömungen im Buddhismus, die unterschiedliche Schwerpunkte legten.

Soweit, so gut. Warum aber ist der Buddhismus eine im Westen so erfolgreiche religiöse Praxis und warum zieht er auch Freaks in seinen Bann? Mindestens vier Ebenen sind verantwortlich, sie klären zugleich das Verhältnis des Buddhismus zum Rausch.

Da ist zum einen die persönliche Erfahrung des Stillstehens der Zeit, dem Aufgehen in einem ozeanischen Gefühl. Diese Zustände sind jedem Genießer von Haschisch oder Marihuana bekannt – viele rauchen genau deshalb. Auch die ästhetischen Bilderwelten, die während der Zustände erfahren werden, weisen Gemeinsamkeiten auf. Mandalas auf Techno-Parties sind eben kein Zufall urbaner Kultur, sondern bewusster Anknüpfungspunkt an eine Tradition meditativer Objekte.

Bewusst positiv erlebten Paradoxien sind ebenfalls aus beiden Sphären bekannt. Der Betrippte nimmt Widersprüchlichkeiten lachend wahr, im Zen-Buddhismus nennt sich das Koan: „Du kennst das Geräusch, dass zwei klatschende Hände erzeugen. Wie ist das Geräusch einer Hand?“ Das Ziel ist in beiden Sphären dasselbe: Die Ansicht, dass die Dinge unterschieden sind und dass das Ich eine eigene, vom Rest der Welt abgegrenzte Existenz hat, löst sich als Illusion auf.

Dies alles lässt sich auch auf der Ebene der chemischen Vorgänge im Gehirn nachweisen. Wer nicht an die Berichte Millionen von Menschen hören will findet in den Hirn-Scans seine objektiven Beweise: Bei manchen Rauschzuständen und Meditationen sind die gleichen Hirnareale aktiv.

Buddha Statue

Wer auf der Suche nach einer Erklärung für seine psychedelische Erfahrung die Literatur durchblättert, landet früher oder später bei den Lehren Buddhas. Nicht anders erging es Timothy Leary und Konsorten in den 60er Jahren, die im „tibetanischen Totenbuch“ Deutungen ihrer LSD-Versuche fanden. Die heute 300-450 Millionen Mitglieder des Buddhismus bilden keine Gemeinde, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Schulen. Der Zen-Buddhismus Japans ist beispielsweise kaum mit dem tantrischen Buddhismus vergleichbar, der in der Vergangenheit schon eher einmal den Griff zu Rauschmitteln erlaubte, um der endgültigen Erhellung nahe zu kommen.

In westlicher Ausprägung verbindet man mit Buddhisten entweder den Dalai Lama oder meditierende Art-Direktoren auf Sinnsuche. Auf der Ebene des sozialen Gesellschaftssytems erfüllt der Buddhismus eine der Funktionen von Religion, nämlich des Glaubens an ein Leben nach dem Tod. An einen autoritären Gott muss man dabei nicht Glauben – dies passt hervorragend in eine (post-) moderne Gesellschaft, in der man auch in der spirituellen Gemeinschaft nur locker gekoppelt sein und trotz Aufgehen im Ganzen einer Masse immer auch Individualität und Autonomie erhalten will. Zudem haftet dem Buddhismus kein missionarischer Eifer und eine gewisse Gewaltlosigkeit an.

Und während der Christ mit Glück im Paradies landet, wandert der Buddhist von Körper zu Körper, aber eben nur solange, bis er klug genug nach den Lehren Buddhas gelebt hat, diesen Kreislauf durchbricht und glücklich im Nirvana endet. Selbst wer dies nicht schafft hat immerhin noch die Freude in stabilen sozialen Strukturen unter Seinesgleichen gelebt zu haben. Mitgefühl und Nächstenliebe sind weitere Vorteile der religiösen Beschäftigung. Im Gegensatz zu anderen Religionen projiziert der Buddhismus das totale Glück und die absolute Wunscherfüllung nicht nur auf die ferne Zukunft oder die Zeit nach dem Tod, obwohl es auch hier im Leben keinen Zustand restloser Erfüllung geben kann. Ein Teil des Glücks ist schon im normalen Leben zu erreichen, das große Los wird allerdings erst im Nirvana eingelöst.

Buddha (Sanskrit für „Der Erwachte“) wurde als Siddhartha Gautama in Lumbini, einer kleinen Stadt, die heute zu Nepal gehört, geboren. In seiner rund 80 Jahre währenden Lebenszeit (536-483 v. Chr.) legte er den Grundstein für den späteren Buddhismus. Er hinterließ keine Schriften und sah sich auch nicht als Überbringer einer Lehre Gottes. Er rief nur dazu auf, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und durch meditative Innensicht die Funktion dieses zu erkennen. Kurz nach seinem Tod traten seine Schüler zum ersten Konzil zusammen, um die Lehre und die Mönchsregeln zu besprechen und gemäß den Unterweisungen des Buddha schriftlich festzuhalten. In den folgenden Jahrhunderten verbreitete sich die Lehre in Süd- und Ostasien, später in der ganzen Welt.

So recht will es seit damals kein buddhistischer Lehrmeister zugeben, aber drogeninduzierter Rausch und meditative Ekstase besitzen diverse Überschneidungspunkte. Es ist schade, dass sich die buddhistischen Schulen oft so vehement von umsichtigen Gebrauch von Entheogenen, also der Substanzen, die den Buddha-Geist im Menschen erwecken können, abgrenzen. Allerhöchstens wird Psychedelika zugeschrieben eine Art Erweckungserlebnis generieren zu können, auf Dauer sollen sie aber den Blick auf die Wahrheit verstellen. Hier wird aus eher politischen Erwägungen eine Grenze gezogen, die so nicht konstruiert werden muss, spricht doch vieles dafür, in verschiedene Lebenslagen die meditative Arbeit mit gesunden Substanzen zu unterstützen. Im stillen Kämmerlein dürften deshalb einige der eifrig praktizierenden Buddhisten nicht nur Kräutertee trinken, sondern auch das eine oder andere Pfeifchen durchziehen.

Neben Gier und Hass gilt die Unwissenheit als eines der drei Grundgifte allen menschlichen Lebens. Gerade gegenüber Entheogenen sind Teile des Buddhismus aber von ähnlicher Ahnungslosigkeit beseelt wie die christliche oder muslimische Lehre. Wie sie stellen sie alle psychoaktiven Substanzen in den Kontext von Flucht aus der Realität und Sucht.

Dabei fallen weitere Gemeinsamkeiten zwischen buddhistischer und psychedelischer Praxis deutlich ins Auge. Der zentrale Stellenwert der Achtsamkeit lässt sich im Rausch durchaus kultivieren. Sich seiner Gefühle, Beobachtungen und Handlungen in jedem Moment voll bewusst zu sein ist nicht nur eine Übung von Mönchen und Seminar-Teilnehmer im Schwarzwald, sondern auch praktiziertes Unterfangen vieler Otto-Normal-Kiffer. Immer wieder kommt es vor, dass aus der profanen Entspannungs-Zigarette am Abend eine unabgelenkte, reine Wahrnehmung ohne Beurteilung der Situation wird. Die Grenzen zwischen Dösbaddeln und höherem Dösen sind fließender, als dies manch‘ strenger Meister asketischer Versenkungskunst wahrhaben will.

Nimmt man für einen Moment die Position ein, dass jedwede Substanz in unserem Geist nur etwas hervorruft, das ohnehin schon da ist, dann wird klar, weshalb die Weisen des Orient den Drogen ablehnend gegenüberstehen. Aus dieser Perspektive sind geistbewegende Substanzen nur eine weitere materielle Verhaftung, die der Entwicklung hin zum reinen Geist im Wege steht. Das ist der asketische, klassisch-transzendente Weg. Ihm gegenüber stand schon immer eine Sicht der Dinge, die im Gewusel der Natur und dem Sinnesfreuden ein Heil der Menschen sah. Die Produkte der „Mutter Erde“ sind aus dieser Perspektive begrüßenswerte Kameraden und Freunde in einem Leben, das mit der naturgegebenen Welt positiv umgehen möchte. Das ist der klassisch-immanente Weg. Bisher hat der Buddhismus – wie andere Religionen auch – wenig Versuche unternommen, diesen zweiten Weg des Geistes zu akzeptieren. Dabei mahnte Buddha selbst zeitlebens eine Skepsis gegenüber feststehenden Lehren ein.

Kategorien
Psychoaktive Substanzen

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Islam

HanfBlatt, Nr. 100, März/April 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 3

Der Islam

Saftige Feigen, süße Datteln, schwere Teppiche, dazu qualmen die Wasserpfeifen und das Abhängen auf den seidigen Kissen ist bequemst: 1000 und, weil’s so schön ist, noch eine Nacht hinterher. Die religiöse und gesellschaftliche Realität in den islamischen Ländern sieht freilich anders aus.

Der Koran ist die heilige Schrift des Islam, die Allahs wörtliche Offenbarung an Mohammed enthält. Eine strenge Auslegung des Koran erlaubt seit Jahrhunderten eigentlich keine Rauschmittel, sie sind „haram“ (verboten). Der Wein wurde vom Propheten Mohammed als schädlich deklariert. Cannabis ist zwar im Koran an keiner Stelle erwähnt, er steht aber mit dem Alkohol zusammen auf der ewigen Abschussliste der Gelehrten. Seit dem 8. Jahrhundert ist den Muslimen der Konsum von Rauschhanf verboten. Überraschenderweise gibt es aber eine Ausnahme: Werden Cannabis oder auch Opium als Medizin eingesetzt, geht das in Ordnung.

Warum nun Rauschmittel von Allah und seinem Verkünder Mohammed aus dem Leben der Menschen ausgeschlossen wurde ist unklar. Eine Erklärungsmöglichkeit: Wie andere Religionen auch sieht der Islam seine Anhänger ungern vom rechten Weg abkommen. Der Rausch allerdings ist oft ziellos, regt unter Umständen zum Nachdenken über den eigenen Glauben an und ist daher eine potenzielle Gefahr.

Nur die Vertreter der islamischen Mystik, die Sufis, nahmen und nehmen es mit dem Rauschmittelverbot nicht so genau. Sie wollen Allah durch praktische Übungen möglichst nahe kommen und einige von ihnen greifen daher noch heute zu Hanfpräparaten. Bereits um 1400 dichtete der Sufi al-Yanbu’i: „Nehme ich Haschisch, wird mein Raum zur Moschee.“ Hier zeigt sich eine Tendenz, die schon im Christentum (s. HanfBlatt Nr. 98) zu beobachten war. Es sind meist die mystischen Zweige einer Religionsgemeinschaft, die dem Rausch positiv gegenüber stehen, entweder, weil er eine Liebe zum göttlichen Empfinden erwecken kann (Sufis) oder aber dazu führt, das Göttliche nicht als starre Substanz (oder gar Mann mit Bart) zu sehen, sondern als dynamischen Prozess ohne Anfang und Ende, das durch und im Menschen wirkt. Dieses tanzende Spiel der sprachlosen, aber gehaltvollen Leere zu ertasten kann im Rausch nachempfunden werden. Damit aber erhebt sich der Mensch in die Augen der Religionsstifter zu hoch. Warum sie alle den Menschen in einer tumben Regelbefolgung versauern lassen wollen, die schlimmstenfalls in der Unterdrückung der Frau, Vorhaut-Massakern oder allgemeiner Körperfeindlichkeit zum Ausdruck kommen ist wohl eher mit weltlichen als mit geistlichen Ansätzen zu erklären.

Theologische Schriften sind das seine, die religiöse Praxis das andere. Zurzeit bekennen sich ungefähr 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt zum islamischen Glauben, damit ist man hinter den Christen die zweitgrößte Religion der Welt; sieht man einmal vom Kapitalismus ab. Um das Verhältnis der islamischen Länder von heute zum Rausch zu verstehen sind zwei Dinge zentral. Zum einen ist der Islam Religion und Staatsform zugleich ist. Eine Trennung von Staat und Kirche, wie sie die westlichen Staaten vollzogen haben, kennt die islamische Lehre nicht. Daher regelt der Rechtskodex („Scharia“) nicht nur die religiösen Pflichten (Gebet, Fasten, etc.), sondern auch die sozialen Beziehungen (Eherecht, Vertrags, Strafrecht, etc.). Im alltäglichen Leben führt das zu allerlei Verwicklungen, denn Haschisch ist durchaus beliebt im Orient. Zum anderen ist der Islam kein monolithischer Block, sondern wird in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich interpretiert. So bestehen etwa zwischen den Glaubenspraktiken von Muslimen in Malaysias und Muslimen im Iran himmelweite Unterschiede.

In den Geschichten von 1001 Nacht und den vielen anderen Sagen und Mythen spielen Cannabis und Opium immer wieder eine Rolle. Es wimmelt von Zaubergärten, berückenden Düften, Verwandlungen und Geisterstimmen, alles oft mit erotischen Erlebnissen verwoben. Auch aus den Geschichtsbüchern ist bekannt, dass Fürsten und Herrscher immer wieder dem Haschisch wacker zusprachen. Vom Geheimbund der meuchelnden Assassinen, deren Schimpfname sich von Haschisch ableitet, obwohl nicht bewiesen ist, dass sie mehr als andere in der damaligen Zeit (um 1150) kifften, mal ganz abgesehen.

Zum ersten nachgewiesenen Verbot von Haschisch kam es im 13. Jahrhundert. Der König al-Zahir Baybars (1266-79) ließ alle Tavernen in seinem Hoheitsgebiet schließen, der Konsum von Wein und Hasch war offiziell verboten. Der Feldherr erhoffte sich vor allem starke Krieger von seinem Verdikt. Gekifft wurde trotzdem weiter. Ein Vorgang, der sich noch öfter wiederholen sollte: Der eine König verbietet den Stoff, der nächste hofft auf Steuergelder und legalisiert ihn wieder. Auch aus materiellen Gründen bevorzugte die Bevölkerung Haschisch und Opium, während der teurere Alkohol bis heute ein Privileg der Reicheren bildet.


Traum aus der Pfeife (Achille Zo: Le Reve du croyant)

So zieht sich der Konsum von Cannabis und Opium als Rauschmittel und Medizin wie in roter Faden durch die Geschichte der islamischen Länder. Im letzten Jahrhundert beschreibt der bekannte iranische Autor Seyat Hedayat (1903-1951) den Beginn seines Opiumrausches folgendermaßen: „Meine Vorstellungen und Gedanken wurden befreit von den Fesseln der Schwere irdischer Dinge und flogen einem ruhigen und schweigendem Himmel entgegen. So, als habe man mich auf goldene Nachtfalterschwingen gebettet, erging ich mich in einer leeren, strahlenden Welt, in der ich auf kein Hindernis mehr stieß“.

Heute gilt in einigen Metropolen wie Istanbul oder Kairo das mäßige Rauchen von Haschisch als harmloser Genuss. Cannabisharz ist dabei wie in Europa die Droge der Jugend. Bei geselligen Treffen kreist die Wasserpfeife, Musik wird gehört, es werden Witze erzählt – oder gerne auch ohne Grund gelacht. Eine Art Bhang ist übrigens heute noch in einigen Ländern verbreitet, als Gewürzstoffe für diesen Milch-Trunk dienen unter anderen Anis, Kardamon, Kokosmilch und Pistazien. In Ägypten wird Haschisch mit Zucker, Gewürzen und Raki gemischt und getrunken.

Marokko, Afghanistan, Türkei: Der überwiegende Teil des weltweit im Umlauf befindlichen Haschisch stammt aus islamischen Ländern und wird von Muslimen angebaut. Sie sind durchaus fähig, die Balance zwischen dem Genuss der Droge, dem damit zusammenhängende Profit und ihrem Glauben zu halten. Dies alles geschieht unter den Augen der Geistlichkeit, während Teile der weltlichen Obrigkeit ohnehin an dem Geschäft mitverdienen. Trotzdem der Rausch unter dem Halbmond tabuisiert ist, treibt eine starke Kraft die Menschen – wie überall auf der Welt – also auch hier dazu von der verbotenen Frucht zu naschen, vulgo: sich ab und zu die Kante zu geben, für Entspannung und Freude zu sorgen oder gar eine spirituelle Erfahrung zu suchen.

Kategorien
Psychoaktive Substanzen Specials

Ayahuasca Analoge

Ayahuasca ist ein halluzinogenes, in der „richtigen“ Dosis stark bewußtseinsveränderndes Gebräu aus verschiedenen Pflanzen, das insbesondere im oberen Amazonasgebiet von Kolumbien über Ecuador, Peru und Brasilien traditionell von indianischen Schamanen für Heilungsrituale eingesetzt wird und dort momentan ein kulturelles Revival erfährt. Westliche Suchende pilgern mittlerweile als Touristen in organisierten Gruppen zu den „Schamanenoriginalen“ um ihre Zivilisationsschäden kurieren zu lassen oder zumindest etwas Authentisches zu erleben, daß ihrem Leben einen neuen Drall zu geben vermag. Brasilianische Sekten, in deren spirituellem Mittelpunkt die gemeinsame ritualisierte Einnahme von Ayahuasca steht, machen von sich reden. Insbesondere die erheblich in die Offensive gegangene Santo Daime (= Ayahuasca)- Gemeinschaft hat mittlerweile eine ganze Reihe von praktizierenden Ablegern auch bei uns in Deutschland. Ruth Fischer-Fackelmann beschreibt recht eindringlich den Weg ihrer persönlichen spirituellen Heilung direkt in die Arme dieser esoterischen Gemeinde in dem Buch „Fliegender Pfeil“, aber ohne die entsprechenden Santo Daime-Erfahrungen schwer nachvollziehbar. Gleichzeitig ist in den westlichen Ländern in Folge der Publikationen vor allem von Terence McKenna und Jonathan Ott (, insbesondere seines sehr empfehlenswerten wissenschaftlich fundierten Buches „Ayahuasca Analogues“) ein neues Interesse an Ayahuasca erwacht. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Entdeckung, daß die für die Zubereitung eines dem Ayahuasca analog wirkenden Gebräus notwendigen Wirkstoffe sich keineswegs nur in exotischen südamerikanischen Regenwaldpflanzen sondern auch in erheblich leichter zugänglichen und auch bei uns gedeihenden Gewächsen finden lassen. Hierzu unten mehr.

Bei Ayahuasca geht es um den in seiner reinen Form dem BtmG unterstehenden Wirkstoff N,N-Dimethyltryptamin, kurz DMT. Synthetisch hergestelltes DMT war bereits in den 60er Jahren ein bekanntes Psychedelikum. Wegen geringer Verfügbarkeit und seiner heftigen überwältigenden und oft als unkontrollierbar empfundenen halluzinogenen Wirkung genoß es in den USA aber keine besonders weite Verbreitung. Bei uns blieb es wohl nur ganz wenigen Hobbychemikern und ihrem neugierigen Bekanntenkreis vorbehalten. Es ist nur selten und in kleinen Mengen auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Zur Zeit werden für ein Gramm reines weißes oder weniger fein raffiniertes orangerotes bis braunes wachsartiges DMT-Pulver in rauchbarer Baseform Preise von bis zu 500 DM und mehr bezahlt. Ein ausgesprochener Luxus, auch wenn die typische Fullblown-Experience bereits mit 0,04 bis 0,05 Gramm, in einer Haschölpfeife oder auf andere Weise verdampft und in möglichst ein bis zwei tiefen Atemzügen inhaliert, zu erreichen sein soll. DMT muß in seiner reinen Baseform geraucht oder als Salz injiziert werden. Durch den Mund eingenommen, sprich oral, wirkt es nicht. Es sei denn…

Unser Körper verfügt über chemische Abwehrmechanismen, die verhindern sollen, daß wir von in den Nahrungsmitteln enthaltenen Substanzen, die unseren körpereigenen Botenstoffen ähneln oder gar mit ihnen identisch sind, überflutet werden. Ein nahrungsbedingtes Wechselbad von Vergiftungen würde unser Funktionieren in unangenehmer Weise beieinträchtigen. Nun sitzen wir nicht mehr auf den Bäumen, in ständiger Furcht vor Feinden und auf der Hut vor den Unbilden der Natur. Vielleicht können wir es uns mittlerweile erlauben, einige dieser Schutzmechanismen gezielt zu blockieren, um bestimmte Substanzen in uns soweit vordringen zu lassen, daß sie das Bewußtsein vorübergehend in andere Dimensionen driften lassen…

DMT ist eine extrem bewußtseinsverändernde Substanz, die in einer Reihe von Pflanzen und auch im menschlichen Gehirn nachgewiesen wurde. Das Überflutetwerden des Gehirns mit zusätzlichem DMT wird durch die sogenannte Monoaminoxidase, kurz MAO, verhindert. Nun gibt es Substanzen, die die Aktivität der MAO vorübergehend hemmen, sogenannte MAO-Hemmer. Zu den MAO-Hemmern gehören die beta-Carboline. Sie sind in zahlreichen Pflanzenarten nachgewiesen worden.

HARMALIN
HARMALIN

Zu der Gruppe der beta-Carboline wiederum gehören die Harmala-Alkaloide (Harmalin, Harmin u.a.). Sie sind der Wirkstoff verschiedener vor allem im Amazonasgebiet zur Zubereitung von Ayahuasca benutzter Schlingpflanzen mit dem botanischen Namen Banisteriopsis, insbesondere der Banisteriopsis caapi, des „Vine of the Soul“. Die Schlingpflanze selbst wird wie das daraus gekochte Gebräu auch Ayahuasca genannt. Andere Bezeichnungen sind Caapi, Yaje und Yage. Für die Ayahuasca-Zubereitung werden die Stämme benutzt, in denen Wirkstoffgehalte von 0,05 bis fast 2 %, im Durchschnitt meist zwischen 0,2 und 0,6 % festgestellt wurden. Es überwiegt in den schwankenden Alkaloidmischungen das Harmin gegenüber Harmalin und Tetrahydroharmin.

In erheblich höherer Konzentration (durchschnittlich 2 bis 4 %) sind Harmala-Alkaloide in den Samen der Steppenraute enthalten, die botanisch Peganum harmala heißt. Dabei dominiert das gegenüber Harmin deutlich potentere Harmalin das Alkaloidgemisch. Die Steppenraute wächst in trockenen Gebieten von Spanien über Marokko und Ägypten und von Ungarn über die Türkei und Rußland bis nach Indien und Tibet. Sie hat sich auch in trockenen Gebieten der USA ausgebreitet. Die Steppenrautensamen stellen in ihren Herkunftsländern nach wie vor ein wichtiges Heilmittel dar. Sie werden unter anderem auch gegen den bösen Blick oder zur Tranceinduktion geräuchert und sind von den örtlichen KräuterhändlerInnen günstig zu erwerben. In der Türkei heißt die Steppenraute üzerlik und ein Kilogramm der Samen mag umgerechnet so an die 10 DM kosten. In Nordindien nennt man die Samen hermal oder isband. Dort sind sie noch günstiger erhältlich. In Nordafrika sind sie als harmel, mejennena oder besasa bekannt. Man weiß nicht, ob in den Verbreitungsgebieten der Steppenraute auch deren die orale DMT-Wirkung begünstigende Eigenschaft in sakralen halluzinogenen Tränken zur Anwendung kam und wieder in Vergessenheit geriet. Darüber gibt es in wissenschaftlichen Kreisen Spekulationen. Mögliche DMT-Lieferanten aus dem Pflanzenreich wachsen jedenfalls auch im Verbreitungsgebiet der Steppenraute.

Harmala-Alkaloide allein wirken in niedriger Dosis (entsprechend 2 bis 4 Gramm Steppenrautensamen) hypnotisch-meditativ-beruhigend. Manche empfinden die Wirkung auch als geistklärend und mental-anregend. Andere mögen die Wirkung nicht, nehmen sie aber für die Aktivierung des DMTs in Kauf. Hohe Harmala-Dosen, auf einmal oder durch Einnahme in kurzen Abständen kumuliert aufgenommen, wirken fast immer übelkeiterregend, erbrechenfördernd und stuhlgangbeschleunigend. Sie dämpfen den Kreislauf und erzeugen Schwindelgefühle. Auf der psychischen Ebene können sie bei Einzelpersonen zunehmende Halluzinationen, angefangen bei Lichtblitzen und Nachbildern, bei offenen Augen, aber insbesondere bei geschlossenen Augen farbige mahlstromartige Bildsequenzen bei verhältnismäßig erhaltenem Ego und energetisiertem aber niedergeschmetterten Körpergefühl begünstigen. Typischer ist scheint ein Überwältigtsein von der als negativ empfundenen körperlichen Symptomatik in Kombination mit einem gedämpften Zustand im Kopf zu sein. Diese unangenehmen Erfahrungen haben dazu geführt, daß manchenorts den Harmala-Alkaloiden eine halluzinogene Wirkung pauschal abgesprochen wurde. Dem würde ich, schon aus meinen eigenen Erfahrungen heraus, so nicht beipflichten. Wahrscheinlich wurde von den südamerikanischen Indianern zuerst die starke Wirkung der Harmala-Alkaloidhaltigen Lianen entdeckt. Durch Experimente mit allen möglichen Zutaten, vielleicht auch durch Intuition, Eingebung oder Vision, wer weiß, stießen sie auf die außerordentliche Verstärkung und auch qualitative Veränderung des Rausches durch die Zutat bestimmter , wie wir heute wissen, DMT-haltiger Pflanzen. Die aus Sicht der heutigen Pharmazie verblüffende Kombination, die das Charakteristische des Ayahuasca-Gebräus ausmacht, wurde gefunden. In ihr spiegelt sich das ganze innige Verhältnis, das die Regenwaldindianer zu ihrem lebendigen Kosmos hatten und teilweise noch haben.

DMT
DMT

Wir kennen jetzt die zwei wichtigsten Lieferanten von MAO-Hemmern, wobei den Steppenrautensamen üblicherweise der Vorzug gegeben wird. Sie sind leichter erhältlich, preiswerter, potenter und einfacher in eine einigermaßen konsumentenfreundliche Form zu bringen. Dazu werden sie üblicherweise zermahlen. Manchmal werden sie der Einfachheit halber schon in dieser Form eingenommen. Üblicherweise werden sie aber in mehreren Gängen durch langes Kochen in Wasser, das zur Verstärkung der Löslichkeit auch angesäuert werden kann, mit anschließendem Abfiltern durch ein Tuch ausgelaugt. Die erhaltenen gelbbraunen und unter UV-Licht fluoreszierenden Abkochungen können abgekühlt getrunken werden. (Exkurs: Dort wo die lebende menschliche Haut oder auch die Mundschleimhäute mit dem Harmala-Extrakt in Berührung kommen, werden sie im UV-Licht noch lange leuchten. Daran lassen sich Harmala-Freaks auf Blacklight-Parties leicht identifizieren. Check it out, Babies!) Da sie aber fürchterlich schmecken, geht man meist noch einen Schritt weiter. Man kocht sie soweit ein, bis ein zäher Extrakt entsteht, den man in Kügelchen oder Würste formen kann, die beim Abkühlen nachhärten. Gemessen an der für die Extraktion abgemessenen Samenmenge werden gebrauchsfertige Stücke gerollt oder geschnitten, die zum Beispiel einer Ausgangsmenge von 4 Gramm Samen entsprechen und damit eine typische Dosis des Harmala-Anteils für eine Ayahuasca Analog – Portion darstellen. Der zähe schwarzbraune Extrakt läßt sich an einem kühlen und trockenen Ort im Dunkeln lange lagern. Pudern mit Bärlappsporen verhindert das Aneinanderbacken der portionsfertigen Stückchen.

An dieser Stelle muß eine Warnung ausgesprochen werden: Harmala-Alkaloide sind MAO-Hemmer. Und solange die MAO blockiert ist, fehlt unserem Körper der Schutz vor bestimmten kreislaufbelastenden Substanzen. Deshalb dürfen am besten 24 Stunden vor und nach Einnahme von Harmala-Alkaloiden bestimmte Nahrungsmittel, Drogen und Medikamente nicht eingenommen werden. Dazu gehören: Alkohol, Beruhigungsmittel, Antiallergika, Opiate, Stimulantien, Meskalin, Muskatnuß, ätherische Öle, Koffein, alter Käse, Bananen, Ananas, Tyrosin-haltige Lebensmittel wie Fisch, Geflügelleber, Pferdebohnen, Chiantiwein usw. usf.. Am besten ist es, wenn man einen ganzen Tag vor Einnahme von Ayahuasca bis auf Wasser nichts zu sich nimmt und auch nach dem Trip noch einen Tag fastet, bevor man wieder mit leichten Mahlzeiten anfängt. Die Indianer praktizieren noch viel längere Diät- und Enthaltsamkeitsvorschriften. Fasten dient auch der mentalen Vor- und Nachbereitung der Reise und aus einem leeren Magen kotzt es sich besser und weniger. Aber dazu unten mehr. Andererseits muß entschärfend hinzugefügt werden, daß die Harmala-Alkaloide nach unbestätigten Undergrounderfahrungen mit zu den verträglichsten und kurzwirkensten MAO-Hemmern überhaupt zu zählen scheinen. So verstärken und verändern sie beispielsweise die Wirkung von Psilocybinpilzen, Cannabis, niedrigen Dosen von Alkohol, Coffein und Amphetaminen und wurden ohne nachteilige Folgen mit ihnen kombiniert. Auch Diätvorschriften wurden ohne Konsequenzen mißachtet. Aber solange hierüber keine eingehenden Untersuchungen vorliegen, ist natürlich äußerste Vorsicht angebracht. Besonders gefährlich scheint zumal die gemeinsame Einnahme mit „Ecstasy“ (MDMA u. ähnliche Substanzen) zu sein (Überhitzung, Kreislaufkollaps).

Bei den seit langer langer Zeit verwendeten klassischen südamerikanischen DMT-Lieferanten handelt es sich einmal um die Blätter der Chagropanga-Liane (Diplopterys cabrerana) und zum anderen die Blätter des Chacruna-Strauches, von dem es verschiedene botanische Arten gibt, die selbst Experten kaum auseinanderhalten können. Am gebräuchlichsten sind die Blätter von Psychiotria viridis, die auch Bestandteil des Santo Daime sind, und die der Psychiotria carthaginiensis, bei der es sich lediglich um eine lokale Abart der viridis zu handeln scheint. In ihnen wurden schwankende DMT-Gehälter gefunden, von praktisch nix bis zu fast 0,7 %, im Schnitt 0,2 %. In 4 Chacropanga-Proben wurden Gehälter zwischen 0,17 und 1,75 % analysiert, immer bezogen auf das Trockengewicht. ( Eine aus den traditionellen Zutaten zubereitete Ayahuasca-Portion enthielt im Durchschnitt aus verschiedenen Untersuchungen um die 0,03 Gramm DMT und etwa 0,15 Gramm beta-Carboline pro Dosis. Die Indianer trinken nicht selten mehrere Portionen während der nächtlichen Zeremonien. Auch sind wohl manchenorts erheblich höhere „heroische“ Dosierungen als die bislang analysierten nicht ungewöhnlich.) Die bewährten Psychiotria-Blätter sind mittlerweile auch bei uns zu zunehmend erschwinglichen Preisen im einschlägigen Fachhandel für ethnobotanisches Anschauungsmaterial zu erwerben, wobei die botanischen Angaben der Vertreiber selbstverständlich mit einer gewissen Skepsis zu prüfen sind. Dort ist auch ein weiteres Pflanzenprodukt erhältlich, das zwar kein Bestandteil des klassischen Ayahuascas ist, aber sich in Brasilien des Rufes erfreut, Zutat zu einem traditionellen Rauschgetränk namens „Vinho de Jurema“ gewesen zu sein. Es handelt sich um die Wurzelrinde eines Baumes mit der botanischen Bezeichnung Mimosa hostilis. Da vermutlich dieselbe Baumart zuerst aus Mexiko als Mimosa tenuiflora beschrieben wurde, sollte dies wohl die botanisch korrekte Bezeichnung sein. Aus der Wurzelrinde wurden fast 0,6 % DMT isoliert. Neuere Analysen sollen erstaunliche Gehälter von bis über 1 % und im Schnitt vielleicht 0,8 % ergeben haben!!! Die Wurzelrinde riecht geradezu nach DMT (charakteristisch aromatisch, irgendwie an indische Parfüms oder dergleichen erinnernd). Sie ist wohl der erste zuverlässige nichttraditionelle Ayahuasca Analog – Bestandteil, der bei uns auf dem legalen Markt erhältlich ist. Der rötlichbraune Extrakt aus nur 4 bis 8 Gramm der Wurzelrinde kann bereits eine ausgesprochen intensive Erfahrung katalysieren.

Banisteriopsis_Caapi
Banisteriopsis_Caapi

Zahlreiche andere Pflanzen sind auf Grund chemischer Analysen als DMT-Lieferanten im Gespräch (,siehe hierzu Jonathan Ott). Die ganze Geschichte hat nur einen Nachteil: Die Vermutung eines DMT-Gehaltes basiert oft nur auf einzelnen, teilweise schon Jahre zurückliegenden Analysen. Häufig tritt DMT nicht alleine auf, sondern in Kombination mit anderen psychoaktiven Tryptaminen, die den Rausch „verfälschen“ können. Dabei sind in der Natur schwankende Wirkstoffgehälter und schwankende Wirkstoffanteile an der Tagesordnung. Auch können von Menschen bislang kaum angetestete Pflanzen körperlich unverträgliche oder gar schädigende Substanzen enthalten, von denen wir noch nichts wissen. Das kann die Einnahme eines Pflanzenextraktes, in der Hoffnung er enthalte DMT, zu einem gefährlichen Spiel machen, insbesondere dann, wenn man nicht einmal die Regel des sich vorsichtig und zuerst mit niedrigen Dosierungen Herantastens beachtet.

Zu den Pflanzen, die mit als erstes als mögliche DMT-Lieferanten in Frage kamen, gehört die Wurzelrinde einer in den USA verbreiteten Pflanze mit botanischem Namen Desmanthus illinoensis. Es stellte sich jedoch heraus, daß der DMT-Gehalt meist nicht so hoch ausfiel, wie zuerst analysiert. Auch schien die Wurzel noch andere wenig verträgliche Substanzen zu enthalten, so daß die Desmanthus illinoensis-Ayahuasca Analog-Erfahrung bisweilen mehr die eines stundenlangen Krank- und Vergiftetseins mit fürchterlicher Übelkeit, Erbrechen und fiebrigen Träumen wurde, wie ich aus eigener Erfahrung zu berichten weiß.

Begeistert waren die Psychedeliker zunächst auch von der Vorstellung ein einfaches auch bei uns prächtig gedeihendes Gras, daß sich durch Rasenmähen mehrmals im Jahr würde ernten lassen, könnte der DMT-Lieferant der Zukunft sein. Es handelt sich dabei um bestimmte Phalaris-Arten, insbesondere Phalaris arundinacea, von dem sogar besonders potente Varietäten vom Typ „Killer strain“ ausgemacht und als Samen oder Ableger in den ethnobotanischen Handel gebracht wurden. Man mußte jedoch lernen, daß auch hier der Wirkstoffgehalt meist sehr niedrig ausfällt und das Gras überhaupt erst durch eine bestimmte Beschneidungstechnik zur Tryptaminbildung angeregt wird. Zudem bestand das Wirkstoffgemisch anscheinend oftmals überwiegend aus 5-Methoxy-DMT (auch 5 Meo-DMT), das zwar geraucht potenter als DMT ist, aber dessen stark körperliche, energetische und wenig visionäre Wirkung in Ayahuasca Analogen nicht erwünscht ist. Außerdem enthält das Gras toxische Substanzen, die anscheinend für Weidevieh mitunter tödlich sein können, und für Menschen lieber auch nicht auf dem Speisezettel stehen sollten. Heute wird aus Phalaris allenfalls auf nicht ganz unkompliziertem chemischem Wege ein rauchbares Tryptamingemisch gewonnen.

5-MEO-DMT
5-MEO-DMT

 

Aus den DMT-haltigen Pflanzenteilen kann praktisch auf dieselbe simple Weise wie aus den Steppenrautensamen ein flüssiger oder fester Extrakt gewonnen werden. DMT in seiner basischen Form ist jedoch nur schwer in Wasser löslich. Es wird deshalb meist leicht angesäuert, zum Beispiel mit Zitronensäure oder Essigsäure. Mit konzentriertem Alkohol (Weingeist) läßt sich das DMT noch besser ausziehen. Der nach dem Abdampfen erhaltene Festextrakt wird entweder in portionierte Kugeln gerollt oder sollte er pulvrig ausfallen, in möglichst große Kapseln abgefüllt. Es wird darauf geachtet, daß die Dosierungen einigermaßen überschaubar an dem eingesetzten Ausgangsmaterial orientiert ausfallen.

Zur eigentlichen Einnahme eines Ayahuasca Analoges werden die Harmala-Alkaloid-Fraktion und die DMT-Fraktion entweder gleichzeitig heruntergespült (,im Falle fester „Bobbel“ oder Kapseln langt Wasser, ansonsten wird es wohl eher ein Runterwürgen,) oder zeitlich verzögert, zunächst der Harmala-Extrakt und dann nach einer halben bis einer Stunde, wenn dieser deutlich zu wirken angefangen hat, der DMT-Extrakt. Angenommen man hat sich für die zweite Methode entschieden, dann treten üblicherweise nach 20 bis 30 Minuten die ersten Symptome einer DMT-Wirkung auf, Energetisierung, bei zunehmender Veränderung der Wahrnehmung und was weniger angenehm ist, Übelkeit. Jetzt ist Disziplin angesagt. Je länger das „Gift“ im Magen behalten wird, desto mehr Wirkstoff kann resorbiert werden. Meist dauert es nicht mehr allzulange, dann setzt „reinigendes“ Erbrechen ein. Jetzt rächt es sich, wenn man nicht gefastet hat. Auch später kann es noch zu Erbrechen und explosionsartigen Darmentleerungen kommen. Sie gehören bei den Indianern zur körperlichen und spirituellen Reinigung dazu. Danach scheint möglicherweise ein kurzer Moment der Klarheit zu folgen, die Ruhe vor dem Sturm und spätestens darauf bricht die DMT-Erfahrung mit geballter Kraft herein. Der intensivste Teil der Erfahrung dauert bei niedrigeren Dosierungen vielleicht eine Stunde plus eine weitere Stunde auf etwas gesetteltem Niveau. Es folgen ein bis drei Stunden des Herabkommens noch stark geprägt von dem gerade Erlebten, gedankenverloren und/oder voller positiver Energie und emotional geöffnet. Die „heilende“ energetische Wirkung der Erfahrung kann noch den ganzen nächsten Tag und darüber hinaus anhalten. Höhere DMT-Dosierungen können eine gewaltige Intensivierung der Erfahrung bewirken, deren „Plateau“ sich dann dementsprechend auf bis zu vier Stunden verlängern mag.

Mit der Beschreibung der Ayahuasca-Erfahrung haben sich schon Einige an anderer Stelle abgemüht. Sie ähnelt anderen psychedelischen Erfahrungen, insbesondere denen mit hohen Dosen von Psiloc(yb)in-Pilzen, fällt aber doch deutlich anders aus. Die Ayahuasca-Erfahrung ist in jedem Fall superindividuell. Sie zeigt gnadenlos auf, wo du stehst. Sie verbindet dich mit dem was ist. Insofern kann sie intensiver sein als jede konventionelle Therapieerfahrung. Sie bietet die Chance mit sich zumindest in Teilen ins Reine zu kommen oder vollständig auseinandergenommen zu werden. Unausgereiftes, Themen, die nach Bearbeitung lechzen, drängen sich immer wieder in den Vordergrund. Das Ganze wird insbesondere bei geschlossenen Augen illustriert von ausgesprochen farbigen Halluzinationen und Visionen. Diese nehmen mit der Dosis an Intensität, Farbigkeit und Involviertsein zu. Wer weniger mit Psychothemen belastet ist, den kann die Erfahrung im wahrsten Sinne des Wortes in äußerst plastische völlig andere Sphären versetzen. Von derartigen Welten, allerdings in einem kulturell völlig anderen Kontext, berichten die ausgezeichneten „Ayahuasca Visions“ des Malers und Schamanen Pablo Amaringo. Während der besonders in höheren Dosierungen überwältigenden Reise wird die Kontrolle weitgehend abgegeben. Es ist nicht so, daß sich die Erfahrung nicht beeinflussen läßt. Dies ist die Kunst der indianischen Schamanen, die mittels Gesang, Musik, Körperhaltung und ritualisierter Handlungen, die Ayahuasca-Erfahrung zu strukturieren und in eine heilsame Richtung zu lenken vermögen. Auch durch Denken und Visualisieren läßt sich Einfluß auf das aus dem Inneren Steigende nehmen. Gegenüber äußeren, insbesondere akustischen Reizen besteht eine hohe seelische Sensibilität. Am falschen Ort, zur falschen Zeit genossen kann das Erleben zu einer ausgesprochenen Höllenfahrt in die Seele werden.

Es wird deutlich, daß es sich bei Ayahuasca Analogen nicht um einen neuen Partyspaß handelt. Sie bergen letztlich dieselben psychischen Risiken, die auch mit der Einnahme anderer starker Psychedelika verbunden sind. Labilen Persönlichkeiten und in Krisen befindlichen Menschen ist generell von der Einnahme derartiger Substanzen abzuraten. Aber wer will schon weise sein und sich in einer konsum- und protzorientierten Gesellschaft eingestehen, daß gerade in seinem Falle Zurückhaltung angesagt ist.

Natürlich wäre es besser, wenn Ayahuasca (Analoge) nur in einer kulturell integrierten Weise, in einem rituell strukturierten Rahmen und von erfahrenen Heilern, Schamanen oder Therapeuten begleitet, eingenommen werden würden. Trutz blanke Hans und alledem, die spirituellen Bedürfnisse und der Wunsch nach „Heilung“, sich im kosmischen Spiel besser zu verstehen, vielleicht auch nur die nackte Neugier, die selektive Tunnelrealität des „Normalen“ zu transzendieren,oder der Wunsch etwas Besonderes zu erleben oder zu überleben, um sich persönlich aufzuwerten, liegen nicht wenigen Leuten so sehr am sehnsuchtsgeplagten Herzen, daß sie ein für Ottilie Normalverbraucherin derart obskures Zeug wie Ayahuasca (Analoge) zu sich nehmen und nehmen werden.


 Ergänzung 2008

Analogik

Nur zur Information und eindringlichen Warnung, wie es törichte Menschen all überall tun, aber keineswegs zum Nachmachen, sei Folgendes über die Zubereitung gängiger Ayahuasca-Analoge berichtet.

Getrennte Kochung erlaubt diesen Narren eine bessere Dosierung. Um Harmala-Alkaloide in ausreichender Menge zur Verfügung zu haben, werden pro Dosis 2 bis maximal 4 Gramm möglichst frischer Peganum harmala-Samen gemahlen oder im Mörser zerstoßen, etwa 10 (bis 20 )Minuten mit ca. einem Becher Wasser (100 bis 200 ml) ausgekocht, manche fügen zu Beginn noch einen Spritzer Essig oder Zitronensaft hinzu um die Löslichkeit der Alkaloide zu erhöhen, und durch einen (Kaffee-)Filter oder ein (Taschen-)Tuch gegossen. Der erhaltene Sud wird getrunken (widerlich) oder vorsichtig unter ständigem Rühren eingekocht bis er sirupartig andickt und dann zusammengekratzt und zu Kügelchen geformt. Sollte er beim Abkühlen bereits hart und pulvrig geworden sein, wird er entweder wieder aufgelöst und das Ganze wiederholt oder als Pulver in Kapseln abgefüllt. Das Eindicken funktioniert besser mit größeren Mengen. Der erhaltene Extrakt wird dann analog der eingesetzten Menge in gleichgroße Kugeln aufgeteilt (Bei 30 Gramm Samen z.B. in 10 bis 15 Kugeln). Wer einen besseren Ertrag haben will, kocht die im Filter gesammelten Samenreste noch ein oder zweimal auf die gleiche Weise aus, fügt die gesammelten Extrakte zusammen und kocht dann ein. Es wird unbedingt ein Anbrennen vermieden. Statt Steppenrauten-Samen werden auch Stücke der Banisteriopsis caapi-Liane genommen. Hier gestaltet sich die Dosierung jedoch erheblich schwieriger. Der gewonnene Extrakt wird vorab in kleinen Dosen an getrennten Abenden getestet. Er sollte analog zu der Dosis von 2 bis 4 Gramm Steppenrautensamen keine übelkeiterregende Wirkung haben. In dieser möglichst minimalen Dosis wirken die Harmala-Alkaloide leicht psychoaktiv, schwach bewusstseinverändernd, leicht antidepressiv. In höheren Dosen schwindelerregend, übelkeiterzeugend, halluzinogen, körperlich niederschmetternd.

Der Extrakt aus Mimosa hostilis-Wurzelrinde wird analog gewonnen. 4 bis 7 Gramm gelten als eine volle Dosis. Weniger ist zu Beginn mehr. Beim Einkochen wird noch vorsichtiger vorgegangen. Der Extrakt selbst schmeckt nicht ganz so übel. Aber Geschmäcker sind verschieden. Als traditionelle Alternative werden Diplopterys cabrerana oder Psychotria viridis-Blätter genommen. Hier ist die Dosierung unzuverlässiger.

Auf nüchternen Magen und bei klarem Geiste werden erst die Harmala-Extrakte eingenommen und deren Wirkung abgewartet. Das hat den Vorteil, dass sie dann in jedem Falle bereits aktiv im System sind, wenn die Tryptamine zugeführt werden, und nicht mehr ausgekotzt werden können. 30 (bis 60) Minuten später werden die Tryptamin-Extrakte zugeführt. Die Wirkung tritt meist innerhalb von 30 (bis 60) Minuten ein. Fast unweigerlich stehen Übelkeit und (mit Glück nur einmaliges) Erbrechen am Beginn der Erfahrung. Dies wird oft als reinigend empfunden, was insofern zutrifft, als dass ab
diesem Zeitpunkt nur noch die bereits absorbierten Alkaloide im System aktiv sind. Wird nicht erbrochen, mag die Wirkung sich stärker entfalten, weil noch weitere Tryptamine resorbiert werden. Oft bleibt dann aber auch die initiale Übelkeit länger präsent. Mindestens eine halbe Stunde sollte man jedoch den Brechreiz im Griff behalten, denn sonst werden nur unzulänglich Tryptamine resorbiert und die Wirkung bleibt schwach.

Für die Erfahrung wird ein ruhiger bequemer störungsfreier Raum mit der Möglichkeit, schnell auf Toilette zu gelangen, um spontan zu erbrechen oder zu scheissen gewählt. Die offene Dschungelhütte ist hier ideal. Ein entspannter Babysitter, vielleicht noch mit medizinischen Erfahrungen (Krankenpfleger/Rettungssanitäter) oder mit extremen Erfahrungen vertraut (Schamane/Therapeut) ist ratsam. Ersterfahrungen lassen sich auch im Rahmen von Santo Daime, Friends of the Forrest oder tourenden Schamanen machen. Wer sich selbst gut kennt, wird sich vertrauensvoll in die heilenden Arme des Ayahuasca-Spirits begeben. Dazu raten kann man hier zu Lande allerdings nicht. Wer bereits in der Psychiatrie gesessen hat oder auf Grund von psychischen Problemen in Behandlung war oder nach gängigen Standards gehen sollte, suche sich bitte erfahrene Anleiter als Begleiter, wenn es denn unbedingt sein muss.

In jedem Falle hat man in der Regel nach 2 Stunden anstrengendem Selbsterfahrungs-Trip bereits das Gröbste hinter sich. Dann geht es über mehrere Stunden langsam bergab. Gerade diese Zeit wird oft als sinnlich und euphorisch erlebt und bietet die Möglichkeit, sich wieder zu sammeln.

Tabakrauch soll erdend wirken. Aber Achtung im Umgang mit Feuer! Entspannende chillige oder euphorisierende Musik trägt ihren Teil zu der Erfahrung bei. Eine Langspielplatte, ein MP3-Set oder eine gute Kassette im Reversemode empfiehlt sich. Man plant mindestens 2 Stunden Paralyse ein oder hat den supereinfühlsamen Privat-D.J. am Start.

So gehen wahnsinnige Experimentierer vor. Aus rechtlichen und vielleicht auch moralischen Gründen (wer weiß) muss hier generell vor jeglicher Einnahme von tryptaminhaltigen Zubereitungen gewarnt werden. DMT z.B. untersteht dem BtmG. Sein Besitz und der Umgang mit ihm sind demnach verboten, auch in Zubereitungen aus Pflanzenteilen (der Konsum selbst allerdings nicht). Also Finger weg von diesem Teufelszeug! Oder wollt ihr etwa wie die 68er enden?!

Weiterführende Informationen:
Beitrag von Jörg Auf dem Hövel über Santo Daime und ihren Tee

Unter https://www.zauberpilzblog.net/blog/2018/09/21/ayahuasca-rezepte-zubereitung/ findet man einen ausführliche Sammlung zu Ayahuasca Rezepten und Zubereitungen.

Und: http://www.erowid.org/chemicals/chemicals.shtml

AZ

Kategorien
Drogenpolitik Psychoaktive Substanzen

Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“

In Opium-Nebeln und Bilsenkraut-Gewittern

Eine satyrische Bilanz zur hundertsten Ausgabe des Magazin „Hanfblatt“

Man bat mich, eine Bilanz zu ziehen. Dafür musste ich erst einmal in die finstren Wälder fliehen, raus aus dem Reich der Ratio, der Illusionen, Täuschungen und Trugschlüsse. Nun umweht Palo Santo-Duft mein welkes Haupt, das die Bruchstücke vergangener Träume zusammenklaubt. Der Wahrsagesalbei, Salvia divinorum, war im Ansatz großartig und versprach mehr: Da kommt noch was, am Besten die Reinsubstanz. Für die Einen dann ein Segen, für die Anderen die neueste „Horrordroge“ auf dem schier endlosen Highway to Hell, ein Grund mal wieder per Anhalter durch die Galaxis zu reisen.

Jenen an der chemischen Front möcht ich, auch, wenn sie mich nicht fragen, sagen: 1,4-Butandiol ist das wahre „Liquid Ecstasy“! Die offiziellen Kandidaten GHB (Natrium- oder Kalium-Gamma-Hydroxy-Butyrat) und GBL (Gamma-Butyro-Lacton), das sind nur Schattenkämpfe, Scheingefechte für die ewigen Prohibitionisten in ihren geistigen Zwangsjacken. Alkohol ist ein schlechter Witz dagegen. Nur noch etwas für Kontrollfreaks. Hier kommt eine Industriechemikalie, integraler Bestandteil eines allgemeinen Deliriums, eines Taumels um eine friedliche Gang-Bang-Party herum, die Droge zum Ringelpietz mit Anfassen. Von der darf man Niemandem erzählen, weil sonst Alle nur noch Willy wählen. Und von den Ketamin-Pforten, da sollst Du schweigen an vielen Orten. Rede dort lieber über Kirsch-Sahne-Torten.

Ayahuasca-Analoge, die sind wirklich heilig. Über die werde ich keine dummen Witze reißen, auch wenn man selbst auf Ayahuasca reichlich seinen Spaß haben kann. Alles so schön bunt hier, und das da unten, der Elfenmaschinen-Gesangsverein, der mir da so freundlich zuzwinkert, und die rosanen Delphine, die dort um die Wette kopulieren, das kann man durchaus kapieren: Das bin ja ich! Das ist ja mein Programm! Das ist mein La Pura Vida. Das ist mein Leben, und ich bin der Lebenslauf. Mann, ab sofort bin ich einfach nur noch gut drauf, mit ein bisschen Respekt für meine mich und Dich liebenden Freunde.

Ginseng ist ein Freund unter Freunden. Betel ist eine Option, die dich frech anlacht, eine Hand, die Dich hebt wie die von King Kong und sanft wieder am Boden absetzt, vollkommen unzerfetzt und natürlich unverletzt. Channa, Kratom und Pituri, am Abend dann noch Besuch von Huri. Nein, keine Angst, so schnell wird es da schon keine Meute von Friedensaposteln zu bunt treiben. Dem kann man gelassen ins Auge sehen.

Der prächtige relativ schnell wachsende Säulenkaktus San Pedro, ein mühseliges Unterfangen, sich den göttlichen Phallus einzuverleiben, das die Spreu vom Weizen trennt. Hot Stuff for Lovers. Mehr davon später, sprach der Attentäter. Peyote, replant the desert with the sacred dessert. Packe die Gelegenheit am Schopfe und beobachte den Kopfe beim Blühen und schau ihm dabei zu, wie sich seine prallen rosanen Früchte mit den niedlichen kleinen schwarzen Samen zur Reife entwickeln. Synthetischer Geheimtip aus dem Shulgin´schen -IHKAL-Universum: 4-Acetoxy-DIPT, die schmelzige Liebesdroge ohne großen Ego-Verlust: I love to love every body and my body feels so sexy! Argyreia nervosa, was für eine Pflanze! Hast Du Dir mal die Stämme angesehen, wie sie sich in den Bungalowanlagen von Koh Chang an den Wänden hochwinden? Das ist die pure Windenpower. Da müsste manche Ayahuasca-Liane vor Neid erblassen, zumindest ein wenig beim Fluoreszeieren nachlassen, wenn sie nicht zugegebenermaßen begründeterweise so verdammt stolz wäre.

Was schreibe ich mir hier wieder zusammen?! Das drucken die doch nie, diese liebenswerten Schisser. Gut, dass meine Leser, diese Tollen, gerne auch mal etwas von meiner anarchischen künstlerischen Arbeit lesen wollen. Das zeigt mir doch, dass es noch immer reichlich aufgeschlossene Menschen gibt, die nicht bereit sind, den Status quo von Ungerechtigkeit und Gewalt, die mangelnde Bereitschaft, Verantwortung für das Leben zu übernehmen, als für immer und ewig gegeben hinzunehmen. Und die sich keineswegs öffentlich für ihr tragi-komisches Dasein als hoffnungslose Romantiker vom Kaliber einer Anhäufung lokaler Geniusse a la Rammstein und Konsorten oder etwa ihre Zwiesprache mit den Pflanzengeistern schämen, in meinen Augen ein wahrhaft fürstliches Benehmen.

Und ewig lockt das Opium den Musterbürger, das ideale Sakrament für die Zeit des Wartens auf den Aufschwung. Bis zum großen Wunder, den grandiosen Ideen für neuen Plunder, bringen wir uns in Schwung mit Opium aus heimischem Mohn, mit dem wir die Ostzone neu begrünen, paradiesische Landschaften. Danke dem unverzichtbaren Hauptbestandteil eines jeden Original-Ostzonensuppenwürfels. Wer dann um halb Acht abends noch aufrecht steht, der kriegt ne Flasche Fliegenpilz-Met. Überhaupt ist die Zeit reif für den Glücks- und Duselpilz, die Berserker-Disco-Coolness, den Marathon in Strapsen und High-Heels. Going deeper to the ground mit unterirdischem Sound. Immer wieder beugen sich über mich die Schatten der Nacht, was habt ihr mit mir gemacht, habt mich ausgelacht, unter der Erde zu Bett gebracht, machtet mich heilig, weil nur mehr drollig und nicht überzeugend rollig in einer lauen November-Vollmond-Nacht. Hört ihr die Engelstrompeten von ALDI?! Wie sie schallen, wie sie wallen, wenn wir aus unseren Kinderzimmern in den zugefrorenen Pool vor der Prunkvilla unserer Eltern knallen, in Wirklichkeit aber nur unterm Bett in eine Art Totenstarre verfallen und von blauen Kühen und totaler Freiheit lallen. Der Kahlkopf ist mit Euch! Sowieso. Dazu brauch ich wohl nichts mehr zu sagen.

Wenn Einer den allergrößten Respekt verdient, dann der Spitzkegelige! Die Bauern müssten verpflichtet werden, seinen Bestand zu pflegen, zu hegen und zu vermehren, so dass es einmal heißen kann: Das größte Lebewesen der Welt ist ein Pilz: Psilocybe semilanceata! Sein Mycel heißt Germany. Auf seiner Oberfläche leben eigenartige parasitäre Wesen, die sich ausschließlich vom Mycel ernähren und nach jedem Bissen Freudensprünge in die Luft machen und dabei so komisch kiechern, als hätten sie tagelang nur Christian Rätsch gelesen. Dafür hab ich nen Riecher. Das war auch mal so eine Macke: Sie sind doch jetzt son Experte, nun gebn se mal ne Prognose ab: Wie wird das so in der Zukunft? Was pfeifen wir uns da rein? Sie müssen es doch wissen! Wenn nicht Sie, wer dann?! Da nützt auch kein, ach hab keine Philosophie und auch keine Juristerei studiert, hab die ökonomischen Zusammenhänge nur beim Lesen von Max Stirner kapiert. Da nützt kein Fluchen und kein Schreien, Bilanzen und Zukunftsprognosen, das muss jetzt nun mal sein. Der Spökenkieker sagt Dir nur ein Wort: Speed! Was, die olle Kamelle? Die macht doch nur schnelle und täuscht dir vor, du seist besonders helle! Dabei bist du einfach nur wach, und dein Spirit sagte dir ohnehin schon vor langer Zeit „Gute Nacht, ich muss erst einmal eine Runde puffeln“. Ephedra ist da die harmlose Lösung und Kokatee eine glorreiche Alternative zur Nervosität des Grünen Tees, wenn man ihn ganz allein für sich trinkt, dann kann man sie erschauen, die Grüne Fee, wie sie kokabekränzt vom Schloss Neuschwanstein winkt.

Kath-Gebrauch zu kriminalisieren war rassistisch. Wir sollten es eigentlich besser wissen und Niemandem sein geliebtes Genußmittel verbieten. Jeden Tag immer Koffein, Nikotin, Alkohol und vom Onkel Doktor Benzos und Tramal, das ist für freie Menschen keine vernünftige Wahl. Das ist eine traurige Kombination. Kein Wunder, dass alle nur jammern und so fürchterlich depressiv sind. Vielleicht sollte man es mal aus einer anderen Perspektive betrachten, alles nicht so verbissen. Wir sind hier, um uns gegenseitig das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Gegenteil ist glatt gelogen. Man wittert geradezu Südsee-Idyllen aus prä-missionarischer Zeit. Gestern hoams die Kawa verboten, diese Vollidioten. Wer an Kawa krepiert, der hat in seinem Leben wirklich schon alles ausprobiert, um zu vermeiden, dass er einmal in einem Anfall der Selbsterkenntnis vor Einsamkeit und Ehrfurcht friert, oder eben Pech gehabt, kann vorkommen. Das ätherische Muskatnußöl und Krähenaugen, das sind definitv Ressourcen für Notzeiten oder Zeiten der langsamen Gangart. Welcher Wahnsinnige will dies Alles im Zeitalter der Internet-Aufklärung verbieten? Kein Lebewesen ist illegal! Ihr Narren an der Macht, kümmert Euch lieber um die Menschen, die auch gerne bei der Konsumorgie dabei wären, aber draußen bleiben müssen, weil sie über den Stacheldraht nicht rüber und an den Bluthunden nicht vorbei kommen. Die beschränkte Sichtweise zu überwinden und wenigstens für Augenblicke bewußt zu werden, darum geht es, nicht um den Nebel der Betäubung. Es geht um die Kontraste, um Reisen zum Baum der Erkenntnis inklusive Verkostung und feuchten Küssen von den Lippen der Brillenschlange. Im Weinen liegt Wahrheit, im Wein allein ist sie nicht mehr drin. Alles andere wäre Etikettenschwindel.

Aber der Hanf hat gesiegt. Heute manipuliert er auf Wunsch gerne die Gene. Anbauwissen ist praktisch Allgemeingut geworden. Damit kann man sich überall auf diesem Planeten selbst versorgen, ob im U-Boot in internationalen Gewässern, in Polarstationen oder im Seitenflügel des Space-Labs neben der MDMA-Tabletten-Presse. MDMA ist das Spirit-Molekül, das seinen Missbrauch mit Bad Vibrations und Visionen von Lochfraß bestraft und den respektvollen Umgang mit göttlicher Gnade und Wellen verliebter Dankbarkeit belohnt. Und Kokain, das ist viel heiße Luft in Dosen, ja, ja, du gehörst zu den ganz, ganz Großen – Maulhelden. Und das Mutterkorn breitet sich immer weiter aus, oh dieser Klimawandel, all diese Feuchtigkeit und die geilen neuen Roggenhybriden der Globalisierungsfanatiker und da drüben in den Brachen bei den verfraggelten Öko-Bauern, da kann man Urlaub machen und als himmlische Sporen auf günstige Gelegenheiten lauern. 100stes Hanfblatt und 100 Jahre Albert Hofmann, das ist mehr als nur Zufall. Das war von Anfang an geplant. Der Chemiker gehört aufs Titelblatt, mit Sprechblase und Schlagzeile: Albert zum 100sten Geburtstag fordert: „Legalize it! Fools, please, don´t critizise it!“ In diesem Sinne blühen die Gedanken, denn die sind frei, und gedeiht es, das neue Zeitalter, das Zeitalter nach Jetzt, bevölkert von illustren Gestalten, die sich weigern ständig, die Luft anzuhalten. Aber, das ist doch Humbug – das ist doch fiktiv?! Na, dann werd doch aktiv!

 

 

Kategorien
Mixed Psychoaktive Substanzen

Interview mit Mathias Erbe

HanfBlatt, Nr. 99

Nautische Architektur

Die psychedelische Kunst des Mathias Erbe

Der in Franken aufgewachsene und in Frankfurt a.M. geborene und lebende Künstler Mathias Erbe erlebte die für die Entwicklung der gesamten Subkultur so bedeutsamen Sechziger Jahre als Kind, wuchs aber nicht unbedingt mit dem Acid-Schnuller auf. Doch als echtes Kind seiner Zeit wurde er ein beflissener Sammler psychedelischer Musik, Cover-Art und Comics und entwickelte sich selbst zu einem bemerkenswerten Vertreter moderner psychedelischer Kunst.

Erbe zeichnet und malt in Öl und Aquarell. Die ohnehin schon faszinierenden Ergebnisse seiner Inspiration bearbeitet er dann, über Foto oder Scan digitalisiert, am Computer. So entstehen einzigartige anregende Werke, die das Prädikat „Psychedelisch“ aus vollem Herzen verdienen. Die Veröffentlichung eines wunderbaren farbigen Bildbandes psychedelischer Platten/CD-Cover-Art mit dem Titel „Psychedelic History 3000. Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart“ ist geplant. (Wir werden bei Erscheinen darüber berichten.) Man konnte Erbes Kunst bereits in Form von Illustrationen und Karikaturen für den „Rolling Stone“, Gemäldeabbildungen für Fetisch-Magazine, sowie Buch- und CD-Cover und natürlich im Original auf Vernissagen bewundern. Mehrere interessante psychedelische Kunstbände (u.a. „Nautische Architektur“, „Methexis“) harren noch eines kunstbeflissenen Verlegers. Wir möchten euch den Künstler in einem kleinen Gespräch und einigen seiner Bilder vorstellen.

HB: Wie bist du dazu gekommen, dich mittels psychedelischer Kunst auszudrücken?

ME: Einfach durch meine persönliche Entwicklung, mein frühes Interesse an dieser Ausdrucksform in diversen kulturellen Bereichen von Comics über Kunst, Musik, Plattencover, Literatur und so weiter, weniger direkt über Drogen. Ich habe einen alten Freund, der tatsächlich unter Drogeneinfluss kreativer und produktiver war. Bei mir ist es eher umgekehrt. Ich bin skeptisch, ob tatsächlich alle, die als psychedelische Künstler gelten, auch permanent unter dem Einfluss von entsprechenden Drogen stehen. Dieses Üppige des Psychedelischen entspricht nicht nur meiner Mentalität, sondern auch meiner Gefühlswelt. Psychedelische Kunst und Musik inspirieren mich und regen mich an, mich in dieser Form bildlich auszudrücken.

HB: Es ist schon erstaunlich, dass in deinem Fall, Drogen nicht so eine Rolle gespielt haben.

ME: Vielleicht indirekt.

HB: Das spricht doch irgendwie für diese künstlerische Richtung. Mag der Konsum psychedelischer Drogen den Genuss und das Verständnis für diese Kunst intensivieren und manch einen zu dieser Kunst als Ausdrucksmöglichkeit inspirieren, so scheint psychedelische Kunst eben nicht „nur“ simpel „Drogenkunst“ zu sein, sondern viel tiefer aus der Seele, wenn man so will, den Urgründen des Seins zu wachsen und in diese zu langen. Welche Künstler haben dich besonders beeinflusst?

ME: Alex Grey („Sacred Mirrors“, „Transfigurations“) ist ein großartiger Kollege. Dieser Mann hat auch einen bemerkenswerten Lebenslauf. Er ist von den Wiener Aktionisten über die Wiener Schule zur psychedelischen Kunst gekommen.

HB: Alex Grey ist zweifellos einer der tollsten lebenden Künstler. Er bedient sich aber doch in seiner Motivwahl, wenn auch in zuvor ungesehener fantastischer Weise, so doch letztlich spiritueller Klischees. Das kann man von deinen Werken jedoch meines Erachtens nicht so sagen, da sie ziemlich viel offen lassen und so eher im „klassischen“ Sinne psychedelisch sind.

ME: Spiritualiät, wenn sie zu sehr religiösen Klischees folgt, ist mir vereinfacht gesagt zu ernsthaft oder zu verbindlich. Aber wahre Spiritualität ist auch etwas Psychedelisches. Man fahre nur einmal nach Colmar und schaue sich dort Grünewalds wahnsinnig beeindruckenden „Isenheimer Altar“ mit der „Versuchung des heiligen Antonius“ an. Davor kann man schon fast fromm werden. Ein Science-Fiction Autor, den ich sehr schätze, Philip K. Dick („A Scanner Darkly“), der in seiner späten Phase ein reges, fast intim-kommunikatives Verhältnis zu Gott („Valis“) hatte, schaffte es bei aller Spiritualität dennoch eine absurde Selbstironie in seinem Werk mitlaufen zu lassen. Spiritualität in Form von zuviel Religiosität ist auch nicht gerade gesund, haben, glaube ich, schon die Romantiker festgestellt.

HB: Wenn man sich die Begeisterung für Spiritualität in der Subkultur anschaut, dann scheint sie immer nicht so lange anzuhalten. In den Sechziger Jahren folgte der Öffnung durch psychedelische Drogen ein erneutes (in den Zwanziger Jahren zuletzt und davor um die Jahrhundertwende) intensiviertes Interesse an östlichen Religionen, an spirituellen Wegen. In der Folge gab es plakativen Hippie-Kitsch und einen Sekten-Boom. Die Antwort: Der Punk-Nihilismus. Dann gab es in der Techno-Bewegung, insbesondere der LSD-geprägten Goa-Trance-Szene wieder ein gewisses Interesse an Spiritualität oder zumindest an pseudo-religiösen Deko-Elementen. Und jetzt haben wir vielleicht gerade eine enthirnte Zeit des Kokain-Zynismuses. Da darf man natürlich gespannt sein, was als Nächstes kommt.

ME: Es ist wie du beschrieben hast, eigentlich die im Nietzscheschen Sinne Wiederkehr des ewig Gleichen.

HB: Aber wohl doch immer wieder auf einem neuen Niveau… Zurück zu deinen Inspirationsquellen…

ME: Von dem tschechischen Surrealisten Pavel Tchelitchew hängt im MOMA in New York ein Bild „Hide and Seek“. Das ist ein Vorläufer für Künstler wie Ernst Fuchs und Mati Klarwein, bekannt durch seine Poster und Plattencover für „Santana“. Mati Klarwein hat ähnlich, wie es Alex Grey gerade macht, Räumlichkeiten mit Kunst kathedralenartig zum Andachtsraum („Aleph Sanctuary“) gestaltet. Seine Kunst hat noch den Bezug zum Realismus, wie du ihn auch in meinen Gemälden findest. Psychedelische Kunst ist so gesehen auch schwer zu fassen, weil es Alles beinhalten kann, zumindest für mich, inklusive Action-Painting. Gerhard Richter mit seinen abstrakten opulent farbigen Sachen könnte auch darunter fallen.

HB: Wenn man so will, sind manche Künstler zumindest manchmal psychedelisch ohne es überhaupt zu wollen.

ME: Ja, zum Beispiel Max Ernst und besonders Richard Oelze. Er ist für mich der konsequenteste, gerade in Bezug auf das was die Surrealisten automatisches Zeichnen nannten. Die Surrealisten hatten ja ihre eigene Spiritualität und mit Drogen experimentierten sie auch.

HB: In dieser bildnerischen Tradition stehen dann in gewisser Weise auch Hieronymus Bosch oder der genialische multidimensionale polnische Künstler Witkacy (1885-1939).

ME: Ja, ein sehr gutes Beispiel, der war ein Multitalent, Dramaturg, Fotograf, Maler. Auf seinen eindringlichen schon über den Expressionismus hinausgehenden Porträts, die er unter dem Einfluss praktisch aller damals zur Verfügung stehenden psychoaktiven Substanzen von Meskalin über Kokain bis Harmin gemalt hat, hat er meist vermerkt, was er dabei in welcher Reihenfolge zu sich genommen hat. Auf Plattenhüllen finden sich weit später ähnliche Porträts. Das Artwork von Miles Rutlin bei „Blind Idiot God“, eine interessante Neo-Psychedelic-Instrumental-Hard-Dub-Band Ende der Achtziger auf dem Label SST ist da ein gutes Beispiel. In meiner persönlichen Entwicklung haben mich die Bildwelten in Kunstbänden („Fantastic Art“) und auf den Postern und Plattenhüllen der Siebziger stark beeinflusst – besonders von Helmut Wenske, der als psychedelischer Dali mit einem Hauch Pop-Art beschrieben wurde, und mit dem ich seit dieser Zeit eineenge Freundschaft pflege. Ich habe damals auch angefangen diese Cover-Art nachzuzeichnen und damit natürlich meine Kameraden beeindruckt. Ich studierte schließlich Kunst und wurde das, was man als „Bildenden“…

HB: Aber nicht „Eingebildeten“..

ME: …Künstler bezeichnen kann.

 

Mathias Erbe: Accelerando
Mathias Erbe: Accelerando

 

Mathias Erbe: Janus
Mathias Erbe: Janus

 

Mathias Erbe: To the Greys
Mathias Erbe: To the Greys
Kategorien
Psychoaktive Substanzen

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Hinduismus

HanfBlatt, Nr. 99, Januar/Februar 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 2

Der Hinduismus

Im Reigen der Götter des Hinduismus ist Platz für allerlei Freaks. Der wildeste unter den Weltenlenkern, genannt Shiva, ist äußerst beliebt in Indien. Liegt das daran, dass er ein Kiffer vor dem Herrn ist?

Es ist wahrlich nicht so, das die durch Indien streifenden, orangerot gekleideten Sadhus als Heilige verehrt werden. Ihr unmäßiger Bhang- und Charraskonsum macht den Menschen dort genau soviel Angst wie hier die Alkoholiker, nur akzeptiert man dort halt, dass ihr Weg jenseits dieser Welt verläuft und nur noch ihr Körper im Diesseits sichtbar ist. Sadhus und Sinnsucher verwenden Cannabis nicht nur zur Meditation, sondern auch, weil es sich gut zur asketischen Überwindung Hunger und Durstes eignet. Und obwohl die Sadhus das Bild prägen, welches der westliche Hanf-Fan von Indien hat, sind sie nur eine kleine Gruppe in der Religionsform, die „Hinduismus“ genannt wird.

Der sogenannte Hinduismus setzt sich aus vielen unterschiedlichen Strömungen zusammen, so dass der Religionswissenschaftler Heinrich von Stietencron von einem „Kollektiv von Religionen“ spricht. Diese Religionen gehen nicht auf einen gemeinsamen Stifter zurück, eine der Bibel oder dem Koran gleichbedeutende Schrift existiert nicht. Die uralten schriftlich niedergelegten Veden dienen zwar bis in die heutige Zeit als Weisheitstopf, aus ihnen haben sich aber tausende von verschiedenen Richtungen und Schulen entwickelt. So hat die mit rund 900 Millionen Anhänger drittgrößte Religion der Welt kein für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Der Reigen der Gottheiten ist bunt und fast unüberschaubar, da tummelt sich der Elefantengott Ganesh genauso wie Hanoman, der göttliche Affe. Jeder Hindu sucht sich zwar seinen Lieblingsgott, aber die höchsten Götter des Hinduismus sind Brahma, Shiva und Vishnu. Und Shiva entspricht so gar nicht dem was wir unter „Heiligen“ verstehen. Er raucht, säuft und kopuliert, er ist der „wilde, gütige Gott“, wie Wolf-Dieter Storl ihn einmal genannt hat.

Menschen, Tiere und auch die Götter durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung einen durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf, Samsara genannt. Während des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes Karma angehäuft, was wiederum beeinflusst, als was man im nächsten Leben wiedergeboren wird. Es gibt zwar einen Ausweg aus diesem Kreislauf, aber dafür muss man heftig meditieren und brav sein; und dass fällt nicht nur den Indern schwer.

Da Cannabis das warme Klima des Subkontinents mag, verwebt der Hindu-, vor allem aber der Shivaismus die Pflanze seit jeher mit den Menschen. In keinem anderen Land auf der Welt ist Cannabis und sein Gebrauch so tiefgründig in der Kultur verankert wie in Indien. Von Hanf träumen bringt Glück, die Popularität der Pflanze geht so weit, dass schon die Sichtung eines Bhang-Trinkers ein gutes Omen ist. Hat Shiva, so die rhetorische Frage, den Menschen nicht deswegen die Kräuter geschenkt, damit sie sie nutzen? Die Jahrhunderte währende Charras- und Bhang-Tradition hat aus Sicht vieler Hindus immer wieder neu bewiesen, dass Hanf nicht nur ein Heilmittel ist, sondern auch erstarrte Vorstellungen und das Ego auflösen kann. Und dies ist genau das Ziel vieler religiöser Mühen. Der Shivaismus sieht die Erlösung in der Gewinnung eines Shiva-ähnlichen Zustandes und eines fortwährenden Kontaktes mit ihm. Die Mittel dazu sind vielfältig: Yoga, Tantra und eben auch Hanf.

Der Shivaismus hat in Indien Millionen von Anhängern und Tausende von Tempeln und Klöstern. Und Shiva ist in den meisten Darstellungen ein Vollblut-Kiffer. In vielen hinduistischen Tempeln wird daher Bhang, ein Milch- oder Joghurt-Getränke mit Hanf und Gewürzen, zum Teil auch mit Stechapfel verfeinert, regelmäßig bei Ritualen eingesetzt. Die Gottheitsstatuen werden mit rotem Zinnober bemalt, sodann setzen sich die Gläubigen einen roten Punkt auf die Stirn – das dritte Auge, denn mit dem dritten sieht man besser und sitzt dazu noch in der ersten Reihe: im Angesicht mit Shiva. Trommelmusik und Mantren erleichtern wie überall auf der Welt auch hier den Übergang in die andere Welt. Dort sitzt man dann mit dem Urschamanen recht gemütlich zwischen Vergangenheit und Zukunft und lässt sich und den lieben Gott einen guten Mann sein. Der Rausch ist im Hinduismus weniger „Teufelswerk“ als vielmehr eine der vielen Möglichkeiten, mit dem Göttlichen in Berührung zu kommen.

Seit Jahrhunderten praktizieren viele Hindus diese Ekstase aber nicht nur im Tempel, sondern leben mit diesen Bildern im Alltag. Für sie sind die vielen Götter-Geschichten, bunten Mythen und überlieferten Fabeln keine Märchen im religiösen Gewand und auch keine Gleichnisse. Sie sind Realität, Erlebnistatsachen und immer wieder neu erfahrbar: Shiva sitzt bis heute auf seinem Berg, immer zu einem Streifzug bereit, der Urozean aus Milch wird weiter gequirlt und Ganesh tanzt trotz seiner Leibesfülle mit seinen schönen Begleiterinnen Riddhi und Siddhi.

Der rituelle Hanf-Gebrauch variiert stark. Meist wird Cannabis nur nach Sonnenuntergang genossen, nur die Sadhus müssen früher ran. Hans-Georg Behr zitiert in seinem Klassiker „Von Hanf ist die Rede“ einen ehemaligen Rechtsanwalt aus Kalkutta: „Dreißig Portionen muß ich am Tag rauchen. Oft kann ich schon mittags nicht mehr, doch es muß sein – es ist ein Gelübde.“

Im Landesteil Bengal, im äußersten Osten Indiens, ist es immer noch Tradition am letzten Tag des größten Hindu-Festes, der Durga Puja (Vijaya Dasmi), an die Familienmitglieder und Gäste Bhang auszuschenken. Im Bundesstaat Orissa feiern die Anhänger des Gottes Jagannath ebenfalls kräftig mit Cannabis-Zubereitungen. Bhang ist in Indien was das Bier für die Deutschen ist. Gerade orthodoxe Hindus freuen sich über die Abwechselung, ist ihnen doch der Alkoholgenuss verboten.

Den Hindu-Priestern sind die Freuden des THC verwehrt, sie unterliegen einer strengen Diät. Alle Priester entstammen der Brahmanen-Kaste, deren Angehörige wiederum, sofern sie sich denn traditionsbewusst verhalten, den Reinheitsgeboten unterliegen. Dazu gehört auch das Fernhalten von jeglichen Rauschsubstanzen. Privat, so wird kolportiert, drücken die Brahmanen aber manchmal ein Auge zu und ziehen ebenfalls einen durch. Somal sie in vergangenen Zeiten ganz offiziell geraucht haben sollen, natürlich nur, um besser meditieren zu können.

Ein fröhliches Land von Kiffern also? Nicht ganz, glaubt man der spärlichen Studien zum dem Thema, zeigt die Prohibitionspolitik selbst im quirligen Indien ihre Wirkung: Seit 1985 ist Cannabisanbau und Nutzung illegal. Aber Indien wäre nicht Indien, wenn es nicht hier nicht dauernde Ausnahmen gäbe.

 

Gerade in den Städten lockern sich in den letzten Jahrzehnten mit den strengen Kastengesetze auch die religiösen Bindungen, welche sich über mehr als zwei Jahrtausende ausdifferenzieren konnten. Gleichwohl ist Indien noch heute ein außerordentlich vielfältiges Land, das vor Riten, spirituellen Festen, Göttern und (auch falschen) Heiligen nur so strotzt. Der Hinduismus zeichnet sich dadurch aus, dass sich in ihm die einzelnen Phasen nicht abgelöst haben, sondern sich die jeweils älteren Elemente bewahrt haben.

Bereits um 600 v.C. kam mit den Upanishaden eine Textgattung auf, in der die Welt als Illusion beschrieben wurde. Dauerhaft gut drauf sein könne nur der, der dies nicht nur erkennt, sondern auch sein eigenes Selbst (Atman) mit dem Absoluten (Brahman) identifiziert. Das klang sehr nach Buddha und tatsächlich verweben an dieser Stelle Hinduismus und Buddhismus. Diese Philosophie lebt heute in der Vedanta- Schule des Hinduismus fort.

Während das „Sein“ in westlicher Vorstellung innerhalb des Denkbaren liegt (Descartes: „Ich denke, also bin ich“), sehen die Hindus den viel entscheidenderen Teil des Lebens im Nicht-Denkbaren, dem, was bei uns gemeinhin „Mystik“ genannt wird. Rauschsubstanzen ermöglichen ihnen den Zugang zu diesen Räumen, die aus ihrer Sicht keine Fluchträume vor der Realität (was ist das?), sondern göttliche Sphären sind.

Kategorien
Cannabis Drogenpolitik Interviews Interviews

Die Hanfapotheke – Interview mit Franjo Grotenhermen

HanfBlatt, Nr. 98, November/Dezember 2005

Interview mit Dr. Franjo Grotenhermen vom Solidaritätskreis Hanfapotheke

HanfBlatt
Im Internet gibt es eine neue Webseite, die neugierig macht: www.hanfapotheke.org. Was darf man sich unter der Hanfapotheke vorstellen?

Franjo Grotenhermen
Die Hanfapotheke hilft Schwerkranken, die sich in einer Notlage befinden, konkret und ganz praktisch, indem sie ihnen hilft, ihr Medikament zu erhalten. Die Hanfapotheke lebt davon, dass es Menschen gibt, die bereit sind, kostenlos Cannabis an diese Patienten abzugeben. Die Spender bleiben dabei vollständig anonym, so dass sie an dem Projekt mitwirken können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich von Schwerkranken in Not spreche, denn ich habe seit Jahren regelmäßig damit zu tun. Alle Patienten, die Cannabis von der Hanfapotheke, also von den Spendern, erhalten, leiden an schweren Erkrankungen, profitieren gesundheitlich von Cannabisprodukten und benötigen Unterstützung bei der Beschaffung ihres Medikamentes. Das Verhalten des Gesetzgebers und vielfach auch der Gerichte empfinde ich in diesem Bereich als unerträglich heuchlerisch und zynisch. Da wird beispielsweise damit argumentiert, dass Cannabisprodukte Nebenwirkungen verursachen können. Es ist aber trivial, dass wirksame Medikamente Nebenwirkungen verursachen können. Viele Medikamente, die tagtäglich von Ärzten verschrieben werden, können sogar tödliche Nebenwirkungen verursachen. Oder es wird darauf hingewiesen, dass Cannabis keine arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland besitzt. Das bedeutet doch aber nicht, dass man Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, deshalb strafrechtlich verfolgen und ihnen damit über ihr schweres gesundheitliches Schicksal hinaus weiteren Schaden zufügen müsste. Es ist heuchlerisch, beim Oktoberfest aus reiner Lust am Besäufnis die Volksdroge Nummer eins zu genießen, gleichzeitig aber einem Schmerzpatienten ein wirksames Mittel vorzuenthalten, weil es von anderen ebenfalls als Droge genossen wird. Die Menschen werden in ihrer Not mit fadenscheinigen Argumenten von der Politik und der Justiz allein gelassen. Die Hanfapotheke will ihnen dagegen, so gut es ihr möglich ist, beistehen. Ich möchte die Leser des Hanfblatts herzlich einladen, dabei nach ihren Möglichkeiten mitzuwirken.
Die Hanfapotheke hilft Schwerkranken, die sich in einer Notlage befinden, konkret und ganz praktisch, indem sie ihnen hilft, ihr Medikament zu erhalten. Die Hanfapotheke lebt davon, dass es Menschen gibt, die bereit sind, kostenlos Cannabis an diese Patienten abzugeben. Die Spender bleiben dabei vollständig anonym, so dass sie an dem Projekt mitwirken können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich von Schwerkranken in Not spreche, denn ich habe seit Jahren regelmäßig damit zu tun. Alle Patienten, die Cannabis von der Hanfapotheke, also von den Spendern, erhalten, leiden an schweren Erkrankungen, profitieren gesundheitlichach ihren Möglichkeiten mitzuwirken.

Man ist also als Kranker, dem psychoaktive Hanfprodukte helfen können, nicht mehr darauf angewiesen, sich das teure (teil)synthetische THC vom Arzt verschreiben zu lassen oder sich gar im Rahmen einer Selbstmedikation beim Dealer zu versorgen, sondern kann einfach über www.hanfapotheke.org ordern?! Was muss man tun, um in den Genuss dieser Dienstleistung zu gelangen?

Patienten können nur dann Cannabisprodukte von der Hanfapotheke erhalten, wenn sie zuvor andere legale Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Sie müssen also zunächst versucht haben, sich THC (Dronabinol) vom Arzt verschreiben zu lassen, und ihre Krankenkasse um die Erstattung der Behandlungskosten bitten. Die Hanfapotheke ist kein Ersatz für einen möglichen legalen Zugang zu Medikamenten auf Cannabisbasis, sondern eine Notlösung, wenn andere Wege versagt haben, beispielsweise, weil die zuständige Krankenkasse die Kostenübernahme verweigert. Es muss eine echte Notstandssituation vorliegen. Diese Notstandssituation ist durch die Schwere der Erkrankung, durch eine nicht ausreichende Behandlung mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten, sowie durch die gleichzeitige Wirksamkeit einer Behandlung mit Cannabisprodukten und den fehlenden Zugang zu Cannabisprodukten gekennzeichnet. Das sind die Bedingungen, die das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Urteil aus dem Jahre 2004 im Falle eines Multiple-Sklerose-Patienten für das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands formuliert hat. Erst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann ein Patient darauf hoffen, über die Hanfapotheke Cannabis zu erhalten. Die Macher der Hanfapotheke haben die Hürden aus mehreren Gründen vergleichsweise hoch gesetzt. Erstens sollen vor allem die Patienten von der Hanfapotheke profitieren, die dies am dringendsten benötigen. Zweitens sollen sich die Aktivitäten der Hanfapotheke im juristischen Bereich des rechtfertigenden Notstands der beteiligten Patienten bewegen, so dass alle Beteiligten weitgehend geschützt sind. Und drittens sollen die Spender sicher sein können, dass ihr Cannabis an Personen gelangt, die ihn auch wirklich dringend medizinisch benötigen.
Die Versorgung beim Dealer ist im Allgemeinen sicherlich unzumutbar, zumal viele Schwerkranke nur über wenig Geld verfügen, und sie sich daher eine angemessene Versorgung häufig finanziell nicht leisten können. Oft besteht aber auch einfach kein Kontakt zu Personen, die illegale Cannabisprodukte verkaufen. Um als Patient Cannabis von der Hanfapotheke zu bekommen, reicht eine E-Mail an info@hanfapotheke.org. Dann wird ein Kontakt zu einem Vertrauensarzt der Hanfapotheke hergestellt, der überprüft, ob die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind.

Nach welchen Kriterien stellt der Vertrauensarzt fest, dass die Einnahme psychoaktiver Hanfpräparate eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bzw. eine Linderung bestehenden Leids sein kann?

Es gibt dabei kein Schema. Es gelten aber einige Prinzipien. So wird er einen ärztlichen Bericht vom Patienten anfordern, aus dem die Erkrankung und die Symptome hervorgehen. Das kann beispielsweise ein Krankenhausbericht sein. Dann wird in einem persönlichen Gespräch geklärt, ob schon einmal Cannabisprodukte versucht worden sind, wie die bisherigen Therapien verlaufen sind, etc.

Bei welchen Indikationen sind durch psychoaktive Cannabispräparate Besserungen der gesundheitlichen Befindlichkeit zu erwarten?

Das Spektrum der Indikationen ist groß. Im Vordergrund stehen heute vor allem chronische Schmerzerkrankungen sowie Symptome verschiedener neurologischer Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Verletzungen des Rückenmarks (Querschnittslähmung) und Tourette-Syndrom. Weitere wichtige Indikationen sind Übelkeit und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei Erkrankungen wie Krebs, Aids und Hepatitis C.

Wie und in welcher Form erhält der Kranke nun sein medizinisch indiziertes Cannabis?

Er erhält sein Cannabis mit der Post, wobei der wahre Absender unbekannt bleibt.

Wonach ergibt sich die Menge, die der Kranke zur Verfügung gestellt bekommt?

Die Menge ist individuell variabel und ergibt sich aus dem Bedarf des Patienten. Wenn er angibt, etwa 1 Gramm pro Tag zu benötigen, so wird die Hanfapotheke dies auch als seinen Bedarf akzeptieren und versuchen, ihm zu helfen, diesen Bedarf zu decken. In der Realität wird es aber sicherlich oft so sein, dass sein Bedarf nicht vollständig durch die Hanfapotheke gedeckt werden kann. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Bedarf größer sein wird als das Angebot. Wie im Konzept der Hanfapotheke zu lesen ist, kann sie keine optimale Versorgung sicher stellen. Dies gilt sowohl für die Quantität als auch für die Qualität. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Patienten ausreichend mit Cannabisprodukten hochwertiger Qualtität versorgt werden bzw. sich versorgen können.

Wie können Spender Kontakt mit der Hanfapotheke aufnehmen,und wodurch kann ihre Anonymität gewährleistet werden?

Wir haben auf der Webseite der Hanfapotheke einen einfachen Weg vorgeschlagen. Es ist heute möglich, sich bei verschiedenen Providern wie gmx und yahoo eine anonyme E-Mail-Adresse einzurichten, so dass es nicht möglich ist, den wirklichen Absender zu ermitteln. Mit dieser E-Mail-Adresse meldet er sich dann über info(at-antispam-klammerfaffe)hanfapotheke.org und bietet seine Hilfe an. Es ist zu keiner Zeit erforderlich, dass ein Spender der Hanfapotheke oder einem Patienten mit seinem wirklichen Namen bekannt wird.

Wird die Zuverlässigkeit des Spenders und die Qualität des gespendeten Materials kontrolliert?

Sobald ein Patient von einem Spender Cannabis erhalten hat, gibt er der Hanfapotheke eine Rückmeldung, in der er auch von der Qualität berichten kann. Wir haben die Hoffnung, dass der Großteil der Spender den Patienten ernsthaft helfen möchte und sich dies auch in der Qualität des gespendeten Cannabis niederschlägt. Ich möchte aber auch gleichzeitig betonen, dass viele Patienten auch sehr dankbar sind, wenn sie eine mittelmäßige Qualität erhalten. Cannabis mittlerer Qualität ist besser als kein Cannabis.

Der Spender kann also bei anonymisierter E-Mail-Adresse aus dem Verborgenen agieren. Er erfährt aber die Adresse des Kranken, der sich ja ohnehin der Hanfapotheke gegenüber schon geoutet hat. An die kann der anonyme Spender dann sein Produkt schicken, oder wie muss man sich das praktisch vorstellen?

Ja, so funktioniert die Hanfapotheke. Der Spender geht keinerlei Risiko ein, entdeckt zu werden. Der Patient geht dagegen ein gewisses, jedoch überschaubar geringes Risiko ein, da es möglich ist, dass sich ein verdeckter Ermittler bei der Hanfapotheke als Spender ausgibt und dann die Adresse eines Patienten erhält, der sich mit Cannabis behandeln möchte. Da aber ein Spender im Allgemeinen nur die Adresse eines einzigen Patienten erhält, ist das gesamte Projekt damit nicht relevant beeinträchtigt und das Risiko für den einzelnen Patienten gering. Die Ausbeute für den verdeckten Ermittler wäre ebenfalls sehr gering, so dass es sich für die Justiz vermutlich nicht lohnt, auf diese Weise aktiv zu werden. Zudem kann man sich fragen, ob die Justiz tatsächlich ein Interesse daran haben kann, einzelne der beteiligten Patienten, die wirklich in Not sind, strafrechtlich zu verfolgen. Wenn auch möglicherweise formal Rechtsbrüche begangen werden, so wird doch tatsächlich niemandem ein Schaden zugefügt. Ganz im Gegenteil. Die Hanfapotheke schafft einen dringend notwendigen Ausgleich für eine Schieflage der gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten. Und dieser Ausgleich nimmt sich gemessen an den tatsächlichen Erfordernissen eher gering aus. Die Hanfapotheke kann nicht viel mehr leisten als einige Tropfen auf den heißen Stein. Für den einzelnen Patienten kann dies jedoch von großer Bedeutung sein.

Wer steht hinter dem Projekt Hanfapotheke?

Aus verständlichen Gründen wissen dies nur wenige.

Fürchtet Ihr die strafrechtliche Verfolgung, und wie werdet Ihr in einem solchen Falle damit umgehen?

Die Mitglieder des Solidaritätskreises gehen vermutlich kein großes Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung ein. Ich rechne auch nicht damit. Sollte das dennoch geschehen, so sehe ich dem gelassen entgegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir etwas Gutes und Richtiges tun, dass nicht bestraft werden sollte. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass sich im Mai 2002 elf Patienten, die Cannabis zu medizinischen Zwecken verwenden, in der Wochenzeitschrift Stern mit Foto, Name und Wohnort mit einer kurzen Geschichte geoutet haben. Sie forderten das Ende der Kriminalisierung von Kranken, die Cannabis aus medizinischen Gründen einnehmen. Keiner dieser Patienten hat in der Folge dieser Aktion strafrechtliche Probleme bekommen bzw. eine Strafanzeige erhalten.

Angenommen, jemand beabsichtigt medizinisch indiziert Cannabis einzunehmen, hat aber in seinem Leben noch keine oder nur geringe Erfahrungen mit Hanf als Genußmittel gemacht, woher bekommt er dann das stoffkundliche Knowhow?

Vielleicht durch die Lektüre des Hanfblatts. Er oder sie kann sich auch an die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin wenden. Die Hanfapotheke selbst bietet keine Informationen zur praktischen Anwendung von Cannabisprodukten und leistet auch keine medizinische Beratung, sondern konzentriert sich auf die Versorgung.

Das klingt gut durchdacht und erscheint altruistisch und unterstützenswert. Wir wünschen der Hanfapotheke, dass sie vielen Menschen helfen möge.

 

Kategorien
Psychoaktive Substanzen

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Das Christentum

HanfBlatt, Nr. 98, November/Dezember 2005

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 1

Das Christentum

Es ist schon so eine Sache mit den Christen. Als kleine jüdische Sekte entstanden, ist das Christentum heute mit rund 2 Milliarden Anhängern die erfolgreichste Religion weltweit. Die Liebe zu Gott und dem nervigen Nachbarn steht im Vordergrund der Lehre, um aber korrekt christlich glauben zu können muss man ein paar weitere Grundsätze akzeptieren. Ein zentraler sei genannt, denn er führt ins Thema: Die Erbsünde. Weil Eva und Adam von der Frucht der Erkenntnis naschten wurden sie aus dem Paradies geworfen. Seither warten die Christen auf Erlösung. Abgesehen davon, dass manche Psychedeliker glauben, der Apfel sei die erste psychoaktive Droge gewesen, begleitet der Begriff der „Sünde“ das Glauben und Denken der Christen seither.

In einigen Passagen der Bibel dient der Wein dem Christentum zwar mit üppigen Bildern. Im Alten Testament heißt es beispielsweise: „Deine Gattin wird wie ein fruchtbarer Weinberg sein.“ Im Vierten Buch Moses presst der Riese Nephilim so große Weintrauben, dass deren Säfte sich zu einem Fluss vereinigen. Aber spätestens mit der Geschichte der Töchter von Loth, die ihren Vater betrunken machen, um anschließend mit ihm zu schlafen, manifestierten sich im Christentum eindeutig rauschablehnende Züge. Roter Wein, rote Lippen und andere Rauschmittel sind von nun an die Komplizen von Inzest, Mord und Gesetzesbruch. Wein und Weiblichkeit gehören zusammen, ihre Verführungskraft ist ähnlich stark, die Sünde ist nah. Von der Schlange in die Ferse gestochen kriegt Eva „ihre Tage“; diese gelten bis heute als unrein. Die Menstruation der Ursünderin ist kalter Anti-Wein.

Beim Abendmahl sagt Jesus: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ Ab diesem Moment steht Wein als Metapher für das Blut von Christus. Diese symbolische Aufladung lässt ihn zur Sakraldroge werden, der Wein gilt als Saft eines Lebens, das nur durch den Glauben an Jesus Sinn erhält.

In der Bibel existieren keine direkten Hinweise auf Cannabisgebrauch, Judaismus und Christentum bemühen sich seit Jahrhunderten eh, die eigenen religiösen Praktiken vom Zusammenhang mit psychoaktiven Pflanzen frei zu halten. Es gilt: Lieber nüchtern in die Irre rennen, als berauscht zur Erkenntnis zu gelangen.

Soweit die Theorie. In den Zeiten des Heranwachsens zu einer ausgebildeten Religion trifft das frühe Christentum aber auf eine Bevölkerung, die vom Gegenteil überzeugt ist. Gelage sind dort eben gerade sakrale Handlungen, rauschhafte Freude und derber Humor und der Kontakt mit dem Göttlichen gehen hier zusammen. Der Met ist Heilmittel, besser gesagt: ein Kanal zu „Gott“, nämlich zu den Ursprüngen der eigenen Seele im All-Einen. „Gott“ in Form des streng-gütige Mannes mit Bart ist eine Halluzination der Christen. Kein Chinese kriegt Marienerscheinungen.

Gleichwohl blieb eine Art rauschhafte Erkenntnis durchaus eine akzeptierte Form der Erkenntnis bei den Christen. Die Extase, die Enthebung aus der ichgebundenen Wirklichkeit, ist die Urform aller religiöser Erfahrung und war auch dem Christentum nicht unbekannt. Nur spielten naturgegebene Substanzen und Mittelchen dabei immer nur eine untergeordnete Rolle, es waren immer nur Splittergruppen, die dieses mystischen Weg der Erkenntnis beschritten. Meister Eckehart und Hildegard von Bingen, um zwei zu nennen, fanden innerhalb der Bevölkerung wenig, innerhalb der Kirche so gut wie keine Unterstützung. Heute, so darf man sagen, ist dieser Zweig innerhalb des Christentum komplett vertrocknet.

Es ist eine interessante, hier nicht zu beantwortende Frage, ob eine Kultivierung des direkten Kontakts der Gemeinde mit „Gott“ den Untergang des Christentums verhindert hätte, der sich in den Industrienationen seit Jahrzehnten langsam, aber unaufhaltsam vollzieht. Die Gefahr wäre wohl gewesen, dass aus den Schäfchen plötzlich selbstständig glaubende Individuen geworden wären. Von da aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Frage, weshalb man verfettete und ablasshandelnde Mönche finanziell unterstützen soll. Anders formuliert: Braucht man eine Institution, die sich zwischen das glaubende Individuum und das göttliche All-Eine schiebt? Ein Übersetzer der Sprache „Gottes“ lohnt durch nur, wenn man das Simultan-Wörterbuch nicht selbst in der Tasche hat.

Die Machtansprüche der Kirche beziehen sich im Mittelalter (und bis heute) aber nicht nur auf das geistige, sondern auch das weltliche Leben. Gott sitzt damals an jedem Tisch, das „Gute“ und „Böse“ war immer und überall. Auch extatische Erfahrungen sind nicht aus der Wirklichkeit ausgegrenzt, sondern bestimmen alltäglichen Denken und Handeln. Diese Sprengkraft spielt viel zu sehr in den weltlichen Machtbereich der Kirche hinein, als das sie sie ignorieren könnten. Schließlich ist sie es, die die Welt in Gut und Böse einteilt und es unterliegt ihrem Gutdünken, aus einem trippenden Ur-Hippie einen Heiligen oder einen Ketzer zu machen.

Es ist viel darüber spekuliert und geforscht worden, ob das Christentum unsere Wurzeln der heidnischen Kultur gekappt und mit den eigenen Anschauungen und Praktiken ersetzt hat. Mindestens genauso wichtig wie die Rolle der Klerus bei der Ablehnung von Rauschmittel ist sicherlich der im Zeitalter der Aufklärung aufkeimende Rationalismus. Er ist die Grundlage der modernen Wissenschaft. Nicht mehr die Einsicht in der Ganzheit der Welt wird angestrebt, sondern es wird das Funktionieren ihrer einzelnen Teile untersucht. Die Welt wird analysiert und ihre Objekte seziert. Für eine Subjekt-Objekt Verschmelzung, deren Erleben extrem subjektiv ist, blieb kein Platz mehr. Weil nicht messbar, wird der durch Rauschmittel induzierten Extase der „wirkliche“ Charakter abgesprochen. Aus dieser Sicht ist Transzendenz nur ein Hirngespinst oder gar Lug und Trug.

Heute nimmt die christliche Kirche eine gespaltene Stellung gegenüber dem Rausch ein. So sehr sie sich an den Geschwindigkeitsrausch, den Konsumrausch und die rauschartige Zustände bei Massenaufläufen gewöhnt hat, so sehr lehnt sie den Einsatz von speziellen Rauschmitteln zur Gottangleichung ab. Selbstkontrolle, da ist sie sich mit dem Rest der Gesellschaft einig, ist erste Bürgerpflicht. Und auch in anderer Hinsicht geht sie konform: Alkohol ist erlaubt. Sie sieht sich daher dem Vorwurf ausgesetzt, zusammen mit den ökonomisch-politischen Kräften den Alkohol deswegen zu billigen, weil ihm keine große Kraft zur ich-auflösenden Extase inne wohnt. Haschisch und andere Drogen dagegen werfen die Frage nach Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit auf. Solche alternativen Sinnwelten seien, so der Vorwurf, weder von Politik noch von der Kirche gewollt. Der Rausch ist und bleibt für den Klerus unheimliches Unterfangen „böser Kräfte“ oder „verwirrter Seelen“. Und noch ist kein Ende der Phrase von den „künstlichen Paradiesen“ in Sicht. Wie auch?, würde dies doch das christliche Glaubensfundament in den Urfesten erschüttern.