Kategorien
Cannabis Drogenpolitik

Die Hand an der Knüppelschaltung

Cannabis und der Führerschein

Hanfblatt, Juli 1999

Cannabiskonsumenten fahren gefährlich

Der laborärztliche Befund ist positiv. Während die werdende Mutter sich über solche Nachricht meist freut, ist dies für den Konsumenten von Cannabisprodukten oft der Beginn einer Odyssee durch die staatlichen Institutionen. Denn wer nicht nur Tabakrauch inhaliert und den Hütern der Ordnung in die Hände fällt, kann damit rechnen, in nächster Zeit freundliche Einladungen zum fröhlichen Zielpinkeln in Reagenzgläser zu erhalten. Aber der Reihe nach:

Wie fährt der Kiffer?

Es mangelt mittlerweile nicht an wissenschaftlichen Antwortversuchen auf die Frage, ob und wie sich das Fahrverhalten unter Cannabiseinfluß ändert. So legte Bernd Möller 1976 in seiner Dissertation über „Veränderungen der Fahrtauglichkeit unter Haschisch“ fest, daß „Kraftfahrer unter Haschischeinfluß grundsätzlich als fahruntauglich anzusehen sind.“ Dies sieht der US-Wissenschaftler A. Smiley anders. Nach Auswertung seiner Studien stellt er in Frage, ob Cannabis überhaupt verkehrsmedizinisch relevante Leistungseinbußen impliziere. Bei diesen konträren Ergebnissen stellt sich die Frage, wo die Wahrheit sich versteckt. Es gilt auch hier: Untersuchungsdesign, Auftraggeber und persönlicher Hintergrund der Forscher bestimmen maßgeblich das Resultat der Analyse – und natürlich die verabreichte Dosis. Dies gilt für die vielzitierte Studie von H.W.J. Robbe aus Maastricht ebenso. Ihr zufolge chauffieren leicht bekiffte Fahrer relativ sicher – jedenfalls im Vergleich zu angetrunkenen. Zudem erkennt der THC-Freund seine Ekstase und nimmt den Rausch länger wahr, als durch objektivierbaren Einbußen der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar wäre.

Fest steht: Akuter Haschischeinfluß beeinträchtigt die Reaktionszeit; aber nicht in dem Maße wie Alkohol. Zugleich zeigen die Probanden aller bisherigen Untersuchungen eine reduzierte Risikobereitschaft. Innerhalb der ersten Stunde nach Genuß traten die Verschlechterungen der Leistung um so deutlicher hervor, je schwieriger die Aufgaben waren und je mehr Leistungen gleichzeitig erbracht werden mußten. Spätestens jenseits der zweiten Stunde nach Rauchbeginn wurden in allen Studien nur noch wenige Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit eruiert.

So weit, so gut. Doch

wie reagiert die Obrigkeit?

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gab vor ein paar Jahren einem Autofahrer recht, welcher sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah, weil er sich nach dem kompletten Inhalieren eines Joints einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU, kurz: Idiotentest) unterziehen mußte. Der Vorsitzende der Zweiten Kammer des Lübecker Landgerichts, Wolfgang Neskovic (später bekannt aus Funk und Fernsehen), vermutete daraufhin in der TAZ, daß die „allgemeine Hatz von Gerichten und Straßenverkehrsbehörden auf Haschischkonsumenten erheblich erschwert wird.“ Fehlurteil, Herr Richter! Auch nach dem Spruch des obersten Gerichts kam und kommt es in der Bundesrepublik zu massiven behördlichen Angriffen auf die Lizenz zum Karren.

Wer einen mobilen Untersatz steuert und dabei von der Polizei mit Cannabis in den Taschen überrascht wird, dem droht folgendes Szenario: Ob Urin-, Haar-, oder Blutprobe; die Meister der Wacht prüfen auf körperfremde Substanzen. Allen Berichten über „HaschoMaten“ oder sonstige „sichere Indikatoren“ zum trotz, gibt es allerdings bisher keinen Apparat, der Drogenkonsum sicher und exakt feststellen kann. Zwar kann Mithilfe moderner Meßtechniken angezeigt werden, daß der Mensch irgendwann in den vergangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert hat – es kann aber nicht festgestellt werden, wann (Stunden, Tagen oder Wochen?) und in welchem Umfang. Und: Auch die kulinarische Verarbeitung von Hanfprodukten, wie etwa durch geröstete Hanfsamen oder durch den Einsatz von Hanföl, führt bei einem kommenden Test zum Nachweis von THC-Metaboliten. Unter Umständen wird also sogar der Zugriff auf nachweislich gesunde Nahrungsmittel bestraft. Nur am Rande sei hier erwähnt, daß selbst Labore, die nach ähnlichen Arbeitsweisen vorgehen, häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine merkwürdige Praxis spielt sich ein: Trotz der Tatsache, daß keine Testmethode existiert, die den Zeitpunkt des Konsums auch nur annähernd exakt bestimmt, führt der positive Laborbefund in den meisten Fällen zum Entzug der Fahrerlaubnis. Die Chancen hierzu steigen noch, wenn der überführte Bösewicht offen eingesteht, ein Liebhaber der verbotenen Pflanze zu sein. In der Praxis ist das Vorgehen gegen die Konsumenten von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Während in Bayern mit freistaatlicher Härte jeder sanktioniert wird, der jemals Marihuana oder Haschisch gekostet hat, kommen aus den Großstädten Hamburg und Berlin -Metropolen mit Problemstoffen härterer Natur- nur wenige Meldungen über restriktive Verfolgungen.

Bei der „Grünen Hilfe“ gehen in den Länderbüros zwischen zehn und 30 Anrufen täglich ein. Der Verein bemüht sich seit Jahren um Betroffene, deren Führerschein aufgrund von Haschischkonsum eingezogen wurde. Christiane Eisele bemerkt: „Es herrscht ein enormes Informationsdefizit bei den Kiffern.“ Einmal in eine Kontrolle geraten, im schlimmsten Falle eingeschüchtert durch die Uniformierten, schimmert bei vielen nur wenig Ahnung über ihre Rechte und Pflichten. Dabei tut Aufklärung dringend not, denn inzwischen lädt das Amt fast jeden, der auch nur einmal als Haschraucher aufgefallen ist, zur MPU. Wer hier nicht auf die Knie fällt und glaubhaft versichert, das Hanf ein Machwerk des Bösen ist, darf sich in den nächsten Jahren auf die Qualität seiner Schuhsohlen verlassen. Nicht genug damit: „Uns sind auch Fälle bekannt, wo das Arbeitsamt Drogenkontrollen durchführt und schon zugesagte Umschulungen storniert, das Arbeitslosengeld sperrt und den Menschen als dem Arbeitsmarkt nicht zumutbar deklariert“, berichtet Eisele.

So weit, so schlecht, doch

was ist zu tun?

Ein böser Verdacht verdichtet sich. Nicht nur, daß die Bonner Regierung bisher die Entscheidung des Verfassungsgerichts stillschweigend ignoriert; konservative Kräfte suchen allem Anschein nach einen Ausweg aus der Liberalisierungsfalle. Durch die Hintertür kann so der Haschischkonsum doch noch sanktioniert werden. Erste Schritte leitete die Verwaltung jüngst ein: Seit dem 1. Juli dieses Jahres eichen die amtlichen Prüfungsfragen den Fahrschüler auf Prohibitionskurs. Als Kraftfahrer sind danach alle Personen ungeeignet, die „regelmäßig Drogen, (wie z.B. Haschisch, Heroin, Kokain) nehmen, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Fahrt nicht fahruntüchtig sind.“ Andere, ähnliche Fragen und unstatthafte Behauptungen lassen den Fragebogen zu einem Instrument der Desinformation geraten, der jedweden wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Eine weitere flankierende Maßnahme, um Menschen den Genuß der Cannabis Pflanze zu versauern, ist die Hoffnung, daß wiederholte Urinkontrollen bei den sogenannten Drogendeliquenten ein Therapiemodell mit Zukunft sei.

Die „Grüne Hilfe“ fordert einen anderen Weg. „Haschisch muß aus dem Betäubungsmittelgesetz verschwinden“, sagt Eisele knapp. Ein Führerscheinentzug nur aufgrund des Nachweises von THC im Körper verstößt nach ihrer Ansicht ferner gegen das Gleichheitspostulat des Grundgesetzes (Art.3 GG), denn Alkoholtrinkern würde auch nicht generell der Führerschein entzogen. Daß die Behörde die Fahreignung von Kiffern strenger prüft als bei Konsumenten legaler Drogen, stellt nach Ansicht von Harald Hans Körner, Herausgeber des Standardkommentars über das Betäubungsmittelgesetz, jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, „da im Sicherheitsrecht Gefahren ohne Rücksicht darauf begegnet werden muß, ob andere Gefahren mit gleichem Nachdruck begegnet werden kann.“ Knackpunkt der staatlichen Argumentation ist weiterhin die Chance auf den „Flash-Back“. Dieses umstrittene Phänomen soll den Raucher Tage nach Haschlabsal urplötzlich wieder in den Rauschzustand katapultieren. Da kann man wohl nur sagen: Schön wär´s. Eisele nimmt an: „Solange das Verfassungsgericht nicht feststellt, daß es den Echorausch nicht gibt, wird das Alles so weiterlaufen.“ Das Verkehrsministerium überholt die Wissenschaft rechts und brachte jüngst einen Entwurf ein, welcher der herrschenden Praxis rechsstaatliche Legalität verschafft. Danach soll der- oder diejenige, deren Blut mit THC belastet ist, mit einem bis zu drei Monaten währenden Fahrverbot und einem Bußgeld zur Besserung gebracht werden. Im Blut läßt sich die berauschende Substanz indes maximal zwei Tage lang nachweisen. Danach fällt der THC-Metabolitenwert im Blutplasma auf unter 1.0 ng/ml und nach geltender Rechtsprechung ist dann von keiner Wirkung mehr auszugehen.

Wie groß muß nun die Angst sein, mit THC im Leib erwischt zu werden? Dies hängt maßgeblich von der konsumierten Menge, dem Körpergewicht und den Konsumgewohnheiten ab. Wer Abends einen Joint raucht, der kann am nächsten Morgen immmer noch über 1,0 ng/ml im Blut haben. Wer sich dann aus Sicht der Polizei auch noch ungeschickt benimmt, der kann den Lappen durchaus verlieren. Besser ist es mindestens 24 Stunden zwischen Konsum und Fahrtantritt verstreichen zu lassen. Dauerkonsumenten sollten sich sogar noch mehr Zeit nehmen.

 

Nachtrag 2007: Mittlerweile existieren durchaus genaue Methoden zur Messung der THC-Werte im Blut. Einen Einblick in den akutellen Sachstand von Messbarkeit, juristischen Folgen und MPU gibt:

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.