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„Alkoholfrei und spritzig“

Zur Geschichte der Mate-Brausen

copyright by Achim Zubke

Vortrag gehalten auf der Veranstaltung „Mate in Berlin“ am 30.6.17 in der brasilianischen Botschaft in Berlin

Seit etwa fünf Jahren gibt es im Rahmen eines Kreativitätsbooms bei der Herstellung von Limonaden eine Fülle an neuen koffeinhaltigen Mate-Brausen und Mate-Eistees.

Anfang 2017 sind bereits mehr als 30 verschiedene Anbieter mit Dutzenden von Mate-Getränken am Markt. Natürliche Zutaten, Bio, Fairtrade, Solidarität und Originalität spielen zunehmend eine Rolle bei der Kreation neuer Produkte. Es ist im Rahmen dieser innovativen Welle interessant, sich mit der tatsächlichen Geschichte der Mate-Brausen zu beschäftigen.

In der Mitte der 1990er Jahre entdeckten Berliner Freaks aus der Computer-Szene „Club-Mate“, die von der Brauerei Loscher in Münchsteinach seit 1994 als Nebenprodukt produziert wird. Sie organisierten über ein kollektives Vertriebssystem den Nachschub ihres neuen Lieblingsgetränks. In Hamburg kannte man das Getränk in der Hausbesetzer-Szene seit Ende der 1980er Jahre über Selbstversorger und alternative Getränkehändler noch von der kleinen Dietenhofener Firma „GEOLA“. Der für ein Mate-Gebräu relativ angenehme Geschmack bot gerade Nachts eine gute Alternative zu süßen Colas und künstlich schmeckenden Energy-Drinks. Ohnehin blühte in dieser Boomzeit der elektronischen Tanzmusik eine neue städtische Club-Kultur. Dort stieg das Interesse an nichtalkoholischen Flüssigkeits- und Energiespendern.

Tatsächlich handelt es sich bei „Club-Mate“ nicht um eine Neuerfindung. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden Mate-Plantagen in Südamerika angelegt. Die traditionelle Zubereitung eines starken und bitteren Aufgusses des zerkleinerten Pflanzenmaterials fand damals in Europa nur wenige Liebhaber. Man versuchte deshalb Mate als preiswerten Tee-Ersatz zu etablieren. Der Kaiserlich Deutsche Konsul Heinze für den brasilianischen Staat Parana, in dem tausende deutschstämmiger Migranten lebten, setzte sich 1910 dafür ein in Deutschland Ausschankstellen einzurichten. Lobend erwähnte er „die Firma Dr. Graf & Co. in Berlin-Schöneberg…als eifrige Vorkämpferin des Herva Matte-Verbrauchs“.

In diese 1889 gegründete Berliner Fabrik chemischer, pharmazeutischer und technischer Präparate stieg 1891 der Kapitän Rudolf Lender ein und wurde schließlich alleiniger Inhaber. Im Jahr 1906 kam die Produktion von „Yer-Präparaten“ auf Basis der Yerba Mate, hinzu. Eines dieser Produkte war der „Yermeth“, ein kohlensaures Erfischungsgetränk aus Yerba-Extrakt, Natriumbikarbonat und -zitrat und Rohrzucker und somit ein Vorläufer der heutigen Mate-Brausen.

Ab 1913 scheint man die „Yer-Präparate“ nicht mehr produziert oder vertrieben zu haben. Nach dem 1. Weltkrieg im Jahr 1919 existierte die Firma in Berlin nicht mehr. Der Kapitän Lender starb 1923 und wurde in Potsdam beerdigt.

In einem lexikalischen Werk von Hahn und Holfert von 1906 wurde „Yermeth“ bereits beschrieben: „Das Getränk wirkt außerordentlich belebend und wird sich unter anderem auch vorzüglich zum Füllen der Feldflaschen der Touristen, Radfahrer etc. eignen.“ Als Fabrikant wird hier „Obst in Bayreuth“ genannt.

Bei diesem Getränkeproduzenten dürfte es sich um den in Bayreuth tätig gewesenen Apotheker Hugo Obst gehandelt haben. Der Apotheker Hugo Obst, aus Wriezen an der Oder agierend, erwarb 1899 die damals schon historische Mohren-Apotheke in Bayreuth.

1903 wurde in der „Pharmaceutischen Centralhalle“ sein neues alkoholfreies Getränk namens „Yermeth“ vorgestellt. So heisst es dort: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß den alkoholfreien Getränken schon jetzt eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung zukommt… Jüngst wurde nun ein Präparat in die Öffentlichkeit gebracht, welches als Ausgangsmaterial den …Mate benützt…Diesen Tee benützt nun Obst in Bayreuth zur Darstellung eines alkoholfreien, prickelnden Getränkes, welches er «Yermeth» nennt. …Daß das Getränk außerordentlich belebend wirkt, kann Referent bestätigen…Was den Geschmack betrifft, so sei darauf hingewiesen, daß schließlich der Geschmack eines jeden Getränkes gewöhnt werden muß.“

1904 erschien im Tropenpflanzer von H. Metzger ein Artikel, in dem er berichtete: „Vor wenigen Wochen hat sich eine Vereinigung zur Errichtung einer Deutschen Yermeth-Gesellschaft gebildet. Hofleutlich kommt die Gesellschaft bald zustande und schreitet das Unternehmen rasch voran, denn damit wäre auch den Yerba-Pflanzern wieder ein neues Absatzgebiet geschaffen.“

Apotheker Obst veräußerte die Mohren-Apotheke 1905 und verließ Bayreuth. Es ist zu vermuten, dass er die Namensrechte zur Herstellung von Yer-Produkten und Yermeth 1905 oder 1906 an Rudolf Lender und seine Firma „Dr. Graf & Comp.“ nach Berlin veräußert hat. Einer Bekanntmachung in der Pharmazeutischen Zeitung nach ging der Apotheker Obst mit seinen Unternehmungen1907 in Sachsen in den Konkurs.

Die Geschichte von Apotheker Obst und seinen Mate-Vermarktungs-Ideen geht aber weiter und zwar in Köstritz. Dazu hat der Heimatverein Bad Köstritz, insbesondere Bert Oehlgardt, ausführlich recherchiert und auch Objekte aus dieser Zeit gesammelt. Der Apotheker Hugo Obst tritt 1908 in Köstritz mit einem Vertrag in Erscheinung, in dem er dem Gutsbesitzer Rudolf Zersch gestattet, den Namen „Bronte“ für ein Matte-Getränk zu verwenden. Dieser war Mitinhaber der Fürstlichen Brauerei Köstritz (berühmt für ihr Schwarzbier).

Die Gutsbesitzer und Brüder Rudolf und Kurt Zersch boten einen im Rahmen des Neubaus der Fürstlichen Brauerei frei gewordenen Gebäudekomplex als Produktionsstätte an. Die Produktion des „Bronte“-Getränks scheint lokal so erfolgreich gewesen zu sein, dass Obst den Oberförster Schade aus Tautenhain für sein Projekt und eine Kapitalinvestition gewinnen konnte. Mit ihm gründete er 1911 die „Deutsche Matte – Industrie Köstritz G.m.b.H.“

Mit am Start waren die Brüder Zersch, die die erwähnten Gebäude zur Verfügung stellten, die noch heute als „die Bronte“ bekannt sind. Ziel war die industrielle Verwertung der „Matte“ und der Vertrieb daraus gewonnener Produkte, insbesondere zur Herstellung alkoholfreier Getränke. Obst brachte Gerätschaften zur Verarbeitung und die Kenntisse aus seinen bisherigen Unternehmungen ein.
Man erschuf wohl auf Basis des Vertriebsnetzes der Brauerei sofort Filialbetriebe zur Herstellung der „Bronte“ in Gera, Leipzig und sogar in Suttgart und an anderen Orten.

Sie mussten sich verpflichten, bestimmte Mengen an Mate-Konzentraten zur Zubereitung der „Bronte“ zu Festpreisen abzunehmen.
Die einfache „Bronte“ wurde durch den Zusatz von Kohlensäure zu „Sekt-Bronte“. Das abgefüllte sprudelnde „Sekt-Bronte“ wurde in 250 ml- und 500 ml-Flaschen verkauft. Das Etikett wurde von Köstritz aus vorgegeben. Man visierte die Gastronomie und alle möglichen Getränkeverkaufsstellen an, aber auch Privatpersonen.

Man bewarb Sekt-Bronte als „von wissenschaftlichen Autoritäten seiner gesundheitlichen Werte wegen zum Genusse empfohlen“ als „ein Haustrunk ersten Ranges!“ Bei Ullmann hieß es 1914: „Sekt-Bronte schmeckt, wie Verfasser dieser Zeilen fand, angenehm nach Apfelsaft.“ Daneben verrtrieb man noch eine Reihe anderer Matte-Produkte.

Am 1913 verstarb der in Bärwalde in der Mark geborene Apotheker Hugo Obst im Alter von 54 Jahren in Köstritz. An seine Stelle trat mit Wilhelm ein dritter Zersch Bruder in den Vorstand der „Deutsche Matte Industrie“. Auf Grund des 1. Weltkriegs blieben die Mate-Lieferungen aus dem brasilianischen Parana aus. In der Folge ging die Firma 1915 bankrott. Die Abwicklung zog sich bis 1922 hin.

Im März 1926 erfolgte eine Neugründung unter der Bezeichnung „Mate-Industrie G.m.b.H. Köstritz i. Thür.“ Gesellschafter waren die drei Zersch-Brüder, die die Firma als Niederlage ihrer Fürstlichen Brauerei Bad Köstritz, Zeitz, ansahen. Die Produktion erfolgte wieder in der „Bronte“. Ziel war die Verwertung insbesondere der Parana-Mate zur Herstellung von Getränken, Essenzen und anderer Rohstoffe. Aus rechtlichen Gründen musste die Bezeichnung „Sekt Bronte“ Anfang der 1930er Jahre in „Bronte“ umgewandelt werden.
Als zusätzliches Produkt brachte man wahrscheinlich schon in den 1920er-Jahren „CLUB-MATE“, beworben als eine „Brauselimonade aus Mate Tee alkoholfrei erfrischend gesundheitsfördernd“, heraus, auf alten Werbetafeln oder auf dem Firmenbriefpapier ein hellgelbes im Becherglas serviertes sprudelndes Getränk aus eigener Flasche.

Laut Auskunft von Bert Oehlgardt tauchte „Club Mate“ ab 1926, als die Brauereibesitzer Gebrüder Zersch die Firma neu gegründet hatten, auf Blechschildern und Briefbögen gemeinsam mit „Bronte“ auf. Offensichtlich wurden beide Produkte in Flaschen mit unterschiedlichen Etiketten verkauft. In den 1930er Jahren wurde „Club Mate“ in einer Broschüre gemeinsam mit „Bronte“ beworben.

Der Betrieb hatte in der Nazi-Zeit 1935 schließlich 10 MitarbeiterInnen. Über Zwangsarbeit ist nichts bekannt. Mit dem 2. Weltkrieg kam die Produktion zum Erliegen und wurde nach 1945 nicht wieder aufgenommen. Stattdessen produzierte man verschiedenfarbige Limonaden. In der neu gegründeten DDR gliederte man die Limonadenherstellung der Köstritzer Brauerei an. In den 1950er-Jahren baute man den gesamten Betrieb zu Wohnungen um.

In einem der Lizenzbetriebe in Dietenhofen wurde die Produktion von „Bronte“ und insbesondere „Club Mate“ nach dem Krieg in kleinem Umfang wieder aufgenommen. Dabei handelt es sich um einen 1913 von Georg Latteyer erworbenen Getränkehandel, der selbst auch alkoholfreie Süßgetränke und Brausen herstellte. 1957 wurde Hans Sauernheimer über Einheirat Mitinhaber der Firma „Latteyer“, die schließlich „GEOLA“ wurde. Neben dem Besitzer-Ehepaar waren in dem Familienbetrieb zuletzt nur 2 Frauen mit der Abfüllung beschäftigt. Irgendwann entschied man sich bei der „Club-Mate“ für den Zusatz von Koffein um eine gleichbleibend starke zuverlässige Wirkung zu gewähren. Aus Altersgründen verkaufte der letztliche Besitzer Hans Sauernheimer 1994 den Betrieb an die Brauerei Loscher. Er verstarb 2015.

Den historischen Grundstein für die folgende Entwicklung der Mate-Brausen hat demnach also der kreative Apotheker und Mateverwertungs-Pionier Hugo Obst gesetzt. Ob er der erste Erfinder einer Mate-Brause war, ist unklar. Auf jeden Fall ist bereits vor dem „Yermeth“ und der „Bronte“ zumindest eine andere Mate-Brause in der Öffentlichkeit erschienen.

Laut „Pharmaceutiche Centralhalle“ von 1901 war es das „Hactormin“. So hieß es dort: „Die Ableitung des absonderlich klingenden Wortes Hactormin müssen wir kundigeren Sprachforschern überlassen. Das unter diesem Namen von der Mineralwasserfabrik der Gebrüder Reh (Edgar Liliendahl) zu Dresden verkaufte, schwach schäumende Getränk wird aus Yerba-mate bereitet und soll in alkoholfreien Kreisen gute Aufnahme finden.“

Hier lasst sich kulturgeschichtlich weiter forschen.

Meine ausführliche ca. 29-seitige Recherche enthält wesentlich mehr Details als mein heutiger Vortrag.

Ich kann nur jedem empfehlen, der sich mit der Vermarktung von Mate-Produkten beschäftigt, sich auch mit deren Geschichte auseinanderzusetzen.

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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