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Gesundheitssystem Psychopharmakologie

Pharmaindustrie im Umbruch: Schaltkreise statt Neurotransmitter

Die herkömmliche Psychopharmakologie ist im Umbruch, Wissenschaft und Industrie setzen auf Nervenschaltkreise und Hirnstimulation

Erschienen in der Telepolis v. 13.11.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Über Jahrzehnte wurde den Neurotransmittern die primäre Rolle bei allen neuronal-psychischen Prozessen zugeschrieben. Die Botenstoffe standen im Zentrum der Psychopharmakologie, bei jeder mentalen Krankheit wurde zuerst geschaut ob der Neurotransmitter-Haushalt beeinträchtigt war. So entstanden Theorien chemischer Imbalancen. Für Depressionen ist noch heute die Serotoninmangel-Hypothese etabliert, obwohl schon lange bekannt ist, dass fehlendes Serotonin nicht automatisch zu Depressionen führt. Ein anderer Botenstoff, Dopamin, gilt als „Belohnungsmolekül“, und wird bis heute in kausalen Zusammenhang mit Suchterscheinungen gebracht. In der Konsequenz besteht Psychopharmakologie noch heute oft und vereinfacht gesprochen darin, eine psychoaktive Substanz in den großen Topf „Gehirn-Körper“ zu werfen, kräftig umzurühren und zu testen, ob die Synapsen reagieren.

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Cognitive Enhancement Gesundheitssystem

Erhöht Musizieren die körperliche Fitness?

Zumindest macht es physische Anstrengung weniger strapaziös

Erschienen in der Telepolis v. 31.10.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Max-Planck-Forscher haben für eine Studie verschiedene Fitnessgeräte so umgebaut, dass Trainierende ihnen Rhythmen oder harmonische Töne entlocken konnten. Das Training wurde daraufhin nicht nur als weniger anstrengend empfunden, da der Ausstoß von Glückshormonen höher war, die Analysen zeigten zudem eine effizientere Muskelaktivität. Sowohl subjektiv wie objektiv gab es Unterschiede gegenüber der üblichen Musikberieselung in Sportstudios. Bislang war man davon ausgegangen, dass das Hören von Musik von der Eigenwahrnehmung des Körpers ablenkt und etwaige Anstrengungen weniger wahrgenommen werden. Die Studie mit gleich zehn Autoren wurde in den anerkannten „Proceedings“ veröffentlicht.

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Cognitive Enhancement Elektronische Kultur

Der prothetische Körper

Noch funktioniert die aktive Prothesentechnik über Muskelströme, an den Schnittstellen zum Nervensystem wird geforscht

Erschienen in der Telepolis v. 10.10.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Der Fortschritt der Prothesen-Technik ist spätestens seit den sportlichen Erfolgen von Kurzstreckenläufer Oscar Pistorius deutlich. Beim Rennen verbrauchen seine Unterbeinprothesen weniger Energie als natürliche Beine. Über kurz oder lang könnten solche passiven, mehr noch aber aktive Prothesen vielen menschlichen Extremitäten und Organen überlegen sein. Wie weit ist die Technik schon jetzt? Und welche kulturellen Körperbilder entstehen?

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Elektronische Kultur Übermensch

Google will das Leben verlängern

Der Konzern gründet ein Biotech-Unternehmen, um das Altern zu verhindern

Erschienen in der Telepolis v. 09.10.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Es hört sich ein wenig an wie die Zusammenfassung eines klassischen Dramas: Die Geschichte vom mächtigen Herrscher, der es schafft, alle Kräfte um sich herum zu besiegen – bis als letzter Feind nur die eigene Sterblichkeit bleibt. Der Herrscher ist in diesem Fall Google. In nur 15 Jahren hat es das amerikanische Unternehmen auf den zweiten Platz der wertvollsten Marken der Welt geschafft, wie das US-Beratungsunternehmen Interbrand für seine vergangen Woche veröffentlichten Rangliste errechnet hat. Auf Platz 1 vor Google liegt laut der aktuellesten Analyse nun nur noch Apple.

Google-Chef und -Mitgründer Sergey Brin hat nun nicht weniger als die Evolution des menschlichen Daseins als sein neuestes Business-Projekt ausgeguckt. Google investiert in die in die Erforschung von Möglichkeiten, das Sterben auf später zu verschieben. Und zwar auf viel später.

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Künstliche Intelligenz

Autonom im Kampfeinsatz

Eine Militärshow zeigt die Fähigkeiten von Robotern

Erschienen in der Telepolis v. 19.10.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Die Computerworld hat Videoaufnahmen von einer Militärshow für autonome Roboter veröffentlicht. Verschiedene Firmen durften die Fähigkeiten ihrer Schlachtvehikel vorführen. Der CaME-Landrover der Rüstungsfirma Northrop Grumman läuft 24 Stunden lang und ist in der Lage, Ziele per Teleskop oder Thermo-Kamera zu erfassen und auf sie zu schießen.

Autonom agiert dieser Roboter nicht, er wird über ein Tablet gesteuert. Überhaupt sieht man die Kampfmaschinen oft als Begleitung für Soldaten, um Gepäck und Ausrüstung zu tragen.

Ein US-Militär wird mit den Worten zitiert: „Die Technologie reift heran, wir sind zufrieden.“ Man hoffe darauf, dass die Waffen in den nächsten fünf Jahren für den Kampfeinsatz taugen.

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Elektronische Kultur Interviews

„In einer Utopie der Idioten sehe ich die größte Gefährdung für die kapitalistische Maschinerie“

Hans-Christian Dany über die Wurzeln der sich selbst kontrollierenden Gesellschaft in der Kybernetik

Erschienen in der Telepolis v. 01.09.2013
Das Gespräch führte Jörg Auf dem Hövel

Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts tauchte ein Forschungsansatz auf, der das wissenschaftliche Denken nachhaltig verändern sollte: die Kybernetik. Angelehnt an den griechischen Begriff des „Steuermann“ beschäftigte sich die neue Disziplin mit der Regelung von Maschinen, Organismen und Organisationen. Die Grundannahme: Alles ist ein System und funktioniert nach den Prinzipien von Rückkopplung, Selbstregulation und Gleichgewichtserhaltung. Das oft genannte Beispiel eines kybernetischen Systems ist der Thermostat. Dieser vergleicht den Istwert der Raumtemperatur mit dem Sollwert, der als gewünschte Temperatur eingestellt wurde. Der Temperaturunterschied führt den Thermostaten in einen Regelkreis, bei dem Ist- und Sollwert ständig angeglichen werden. Ahnherr der Disziplin ist Norbert Wiener, ein US-amerikanischer Mathematiker, der über die Analyse von automatischer Zielerfassung von Militärflugzeugen zum Begriff der Kybernetik kam. Die Kybernetik befruchtete zahlreiche andere Domänen, ihre Ideen und Begriffe flossen in Management- und Therapieschulen, Erkenntnistheorien und die soziologische Systemtheorie ein.

Der Hamburger Autor Hans-Christian Dany hat die Geschichte der Kybernetik in seinem Buch „Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft“ [1] neu erforscht und sieht eine starke Verbindung zwischen dem Modell selbstregulierender Systeme und der heutigen, auf ständige Selbstoptimierung ausgerichteten Gesellschaft.

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Drogenpolitik

EU-Parlament: E-Zigaretten sind keine Arznei

Die Nikotinverdampfer werden in die Tabakprodukte-Richtlinie integriert

Das Hin und Her ist vorbei: Während die Bundesregierung die E-Zigaretten, bei denen nikotinhaltige Flüssigkeiten verdampft werden, als apothekenpflichtige Arzneimittel eingeordnet hat(was von Gerichten allerdings abgewiesen wird), sieht das Europäische Parlament das anders. Am Dienstag einigten sich die Fraktionen auf einen Kompromiss, wonach der Umgang mit den Verdampfern in der bereits bestehenden Tabakprodukte-Richtlinie geregelt werden soll. Personen unter 18 erhalten die Geräte nicht, für Werbung gelten die gleichen Vorschriften gelten wie für Tabak. Zukünftig müssen die Hersteller den Behörden eine Liste aller Inhaltsstoffe und aller resultierenden Emissionen zukommen lassen.

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Übermensch

Echtzeit-Beobachtung

Londoner Polizei setzt „Super-Recognizer“ ein

Am vergangenen Wochenende hat die Londoner Polizei beim alljährlichen Notting Hill Karneval eigenen Angaben zu Folge zum ersten Mal 17 sogenannte „Super-Recognizer“ bei einem Großereignis eingesetzt. Diese Polizeibeamten sollen in der Lage sein, Kriminelle in großen Menschengruppen schnell zu erkennen. Ihr Einsatzort war ein Kontrollraum mit Bildschirmen und Zugang zu über 80 zoomfähigen Kameras im Einsatzgebiet.

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Cognitive Enhancement Übermensch

Kopf an Kopf beim Hirndoping

Die Methoden des cognitive enhancement müssen endlich verglichen werden

Von Jörg Auf dem Hövel

Seit einigen Jahren wird über Hirndoping diskutiert. Dahinter steht die Hoffnung auf Mittel und Wege, dem menschlichen Geist auf die Sprünge zu helfen. Zugleich steht dahinter die Angst vor einer Anpassung an die nie enden wollenden Anforderungen der Leistungs- und Beschleunigungsgesellschaft und vor einer darauf aufbauenden Gesundheitsdiktatur.

In erster Linie wird über Medikamente und Arzneimittel gesprochen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Studie zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer psychoaktiven Hirndoping-Substanz den Weg in die Medien findet. Wie schon im Falle psychotherapeutischer Interventionen ist die Fixierung auf die Pharmakologie frappant. Dort lässt sie sich teilweise noch aus der Abkehr von der psychoanalytischen Tradition erklären, hier aber verwundert sie. Denn zum einen weisen alle vernünftigen Studien darauf hin, dass Konzentrations- oder gar Lerneffekte durch Arzneimittel wie Ritalin oder Modafinil marginal sind – wenn denn überhaupt vorhanden. Zum anderen existieren diverse alternative, nicht-pharmakologische Methoden des „cognitive enhancement“, wie die Forschung zu Hirnschrittmachern genannt wird. Um diese Methoden und ihre Einordnung in den Kontext der Diskussion soll es im folgenden gehen.

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Cognitive Enhancement

Cognitive Enhancement: Eine Liste

Artikel und Interviews zur Klärung eines Phänomens

Chirurgen am Limit.
Wie steht es um die Hirndoping-Affinität bei jungen Ärzten? (Telepolis v. 19.05.2013)

Tabula Rasa im Großhirn
Das Enzym PKMzeta spielt eine wichtige Rolle im Langzeitgedächtnis. Forscher wollen es nun für gezieltes Vergessen einsetzen. (Telepolis v. 11.04.2012)

Enhancement mit Statistik
Die Debatte um die Quantified Self-Bewegung und die Selbststeuerung
Telepolis v. 07.08.2012

Deutsche Studenten sind reserviert gegenüber dem Hirndoping
Die erste vernünftige Studie zum Thema zeigt die geringe Verbreitung des Phänomens. (Telepolis v. 10.02.2012)