Der Chemie- und Biologielehrer Jürgen Wolsch unternimmt den bemerkenswerten Versuch, die Wirkung allerlei Drogen in einem Comic zu erklären. Neben Alkohol und Tabak geht er Cannabis, die Amphetamine, Ecstasy, Kokain und Heroin an. Macht er das gut? Ja und Nein. Ja, weil Wolsch die physiologischen Hintergründe und Wirkmechanismen der einzelnen Drogen probat und akribisch bis hinunter auf die Ebene der Neurotransmitter beschreibt. Der naturwissenschaftliche Bildung des Autors wurde auf 150 Seiten komprimiert, auf denen ein Strichmännchen sich mit den verschiedensten Substanzen rumschlagen müssen. Künstlerisch wertvoll ist das nicht, darum geht es Wolsch aber auch gar nicht: die Männchen sollen primär den Text illustrieren und erläutern und eher sekundär als humorige Leitfiguren durch das Buch führen. Die Info-Grafiken wiegen für das Werk viel mehr und stehen im Vordergrund.
Leider führt Wolsch den naturwissenschaftliche Ansatz zu weit. Sicher haben Drogen verallgemeinerbare Wirkmechanismen, aber ihre Effekte hängen halt sehr von der psychischen Verfasstheit des Konsumenten ab. Menschen sind halt keine Maschinen, die nach determinierten Regeln funktionieren. Wenn Wolsch also beispielsweise das „Amotivationssyndrom“ bei Cannabis-Langzeitkonsum zu beschreiben versucht, suggeriert er, dass jedermann und jede Frau bei regelmäßigem (einmal die Woche?) Cannabis-Konsum eine „Gleichgültigkeit gegen das soziale Umfeld und die Anforderungen des Alltags“ herausbildet. Aber es lassen sich viele Gegenbeispiele finden, denn es gibt tausende von 18-Jährigen, die am Wochenende zwei Joints durchziehen und am Montag ihren Mann am Ausbildungsplatz stehen. Sicher ist doch nur: Mit Cannabis ist es nicht anders wie mit anderen, stoffungebundenen Substanzen auch: Wer meint sein gesamtes Freizeitverhalten einer Sache widmen zu müssen, wie beispielsweise der täglich mehrständigen Konsolenattacken, der vernachlässigt logischerweise andere Dinge.
Fazit: Es gibt schlechtere Bücher zur Drogen-Aufklärung. Das „Wissenscomic“ von Wolsch vermittelt einen guten Überblick über einige der wichtigen psychoaktive Substanzen und deren Wirkung. Insgesamt dominiert allerdings die pathologische Sicht auf die legalen und illegalen Präparate. Das Werk ist zu großen Teilen wissenschaftlich korrekt, auf die von Wolsch zitierten „Cannabis-Flashbacks“ warten allerdings Generationen von preisbewussten Kiffern sehnsüchtig.
Jürgen Wolsch
Drogen. Ein Wissenscomic
Eichborn Berlin 2007
ISBN-10: 3821856564
160 Seiten, broschürt
12,95 EUR
Der Burchardkai ist Hamburgs wichtigster Umschlagplatz für die Container-Schifffahrt. Von den im gesamten Hamburger Hafen im Jahr 2002 umgeschlagenen 4,7 Millionen 20-Fuß-Containern wurde mehr als die Hälfte über die Kaimauern des Burchardkai gehievt. Für deren effektive Lagerung und den Weitertransport per Bahn, LKW oder Schiff sorgt ein weltweit einmaliges Stellplatzsystem, das die Container per GPS (Global Positioning System) ortet.
Legt ein Schiff an einem der zehn Liegeplätze an, stellt ein Kran die Container für die sogenannten Van-Carrier bereit. Diese fahren über den Container und heben sich diesen an ihre Bauchunterseite. Alle dieser rund 94 Hubwagen sind mit GPS-Empfängern ausgestattet. Nun folgt eine Funkübertragung an die Systemzentrale auf dem Gelände, die den optimalen Standort für den Container durchgibt. Der Fahrer des Van-Carriers fährt zu dem Standort, die Software überprüft per GPS, ob sich der Hubwagen am korrekten Standort und gibt den Container frei. Die Van-Carrier können zwei- bis dreifach gestapelte Containerreihen überfahren, um Container aus der Reihe herauszunehmen und sie mit einem Minimum an Zeitaufwand in den Verladebereich zu transportieren. Aber um eine exakte Stellplatzzuweisung zu ermöglichen, war eine Erweiterung des herkömmlichen GPS nötig, denn dieses arbeitet zu ungenau.
Beim GPS umkreisen 21 Satelliten, zuzüglich drei Reserveeinheiten, den Planeten. Die Flugbahnen sind so berechnet, dass die gesamte Erdoberfläche zu jeder Zeit von vier Satelliten ausgeleuchtet wird. Diese strahlen zwei codierte Signale aus. Der erste Code ist wohlgehütetes Geheimnis des us-amerikanischen Militärs und nur wenigen Menschen bekannt. Mit Empfängern, die diesen Precision-Code (P-Code) empfangen und entschlüsseln können, sind genaue Ortsbestimmungen von bis zu drei Metern möglich. Der andere Code ist mittlerweile elektronischen Allgemeingut und wird von den gängigen GPS-Empfängern genutzt. Diese, PRN-Code (Pseudo Random Noise) genannte Chiffre, erlaubt Ortungen bis zu etwa 30 Metern Genauigkeit.
Genau hier lag das Problem für die Techniker vom Burchardkai, denn einen Container im Umkreis von 30 Metern suchen zu müssen kostet zuviel Zeit, zudem ist keine effektive Stapelung möglich. Man behalf sich mit einem Kniff: An einem genau vermessenen Punkt auf der Container-Anlage wurde ein zweiter Satellitenempfänger installiert, der seine vermeintliche Position aus den GPS-Satelliten bestimmt, mit der wahren, bekannten Position vergleicht und die Abweichungen zur Erzeugung von Korrekturwerten verwendet. Die Korrekturen sendet er dann an die GPS-Empfänger auf den Van-Carriern. Diese nutzen die empfangenen Korrekturwerte zur Erhöhung der Genauigkeit ihrer Positionsberechnungen. Dieses „Differential-GPS“ genannte Verfahren wird in der Industrie mittlerweile überall dort eingesetzt, wo man auf metergenaue Ortungen angewiesen ist.
Im Hafen kommt man so auf eine Messgenauigkeit von unter zwei Metern. Hartmut Richter, 41, beim Betreiber des Burchardkai, der Hamburger Hafen- Lagerhaus-AG (HHLA), für Kommunikationstechnik zuständig, weiß: „Im Alltag sind sogar Werte zwischen 50 Zentimeter und einem Meter typisch“. Damit aber nicht genug. Bei der HHLA kann man sich einen Ausfall der Container-Navigation nicht leisten. Sollte das GPS-System, sei aus technischen Gründen oder weil die US-Militär keine Kapazitäten frei sehen, gänzlich ausfallen, steht auf dem Burchardkai noch eine lasergestützte Ortsbestimmung zur Verfügung. Aber bislang, so Richter, sei die Verfügbarkeit der GPS-Anlage „mit 90 Prozent sehr hoch“.
Erst die Installation des GPS-Rangiersystems ermöglichte die hohe Auslastung der Container-Anlage. Über 5000 Schiffe legen jährlich am Burchardkai an, der wie eine riesige Halbinsel in der Elbe liegt. Die Van-Carrier stapeln dabei rund 2,5 Millionen 20 Fuß-Container auf dem Gelände. Zur Zeit noch in drei Ebenen, prosperiert die Hafenwirtschaft aber weiterhin, muss eine vierte Ebene eröffnet werden, um alle Container unterzubringen. Schon jetzt garantiert GPS die Vermeidung von zeitaufwendigen Umstapelvorgängen und hält die Wege zu den jeweiligen Verladestationen kurz. Die Betreiber wissen in jedem Moment, wo sich jedweder Container auf dem 1, 5 Millionen Quadratmeter großem Gelände befindet.
Nach Angaben von Carsten Mölck, 43, Projektleiter bei der Einführung des GPS, kam es während des Irak-Kriegs zu keinen Beeinträchtigungen der Genauigkeit der GPS-Signale. Gleichwohl beobachtet man die Bemühungen Europäischen Weltraum Agentur ESA, mit „Galileo“ ein 30 Satelliten starkes Konkurrenzsystem aufzubauen, mit Interesse. Die Signale der oft sehr weit südlich stehenden GPS-Satelliten treffen nämlich zu tangential auf die Empfänger im Norden Europas. Die großen Containerschiffe werfen dann einen erheblichen Schatten auf den Burchardkai, in dessen Bereich kein Signal zu empfangen ist. Mit Galileo wäre eine bessere Ausleuchtung in Nordeuropa sehr wahrscheinlich.
Gibt es eines Tages eine Maschine, die denkt, fühlt, redet & sich selbst erkennt? In Amerika, Europa & Asien wird fleißig daran gebastelt. Der Hamburger Autor zieht hier Zwischenbilanz: fachkundig, neugierig, hochinformativ & zugleich unterhaltsam. Eine seltene Mischung.“
Die Flut an unerwünschter E-Mail nimmt groteske Ausmaße an. Mittlerweile bestehen mehr als 70 Prozent der täglich rund 30 Milliarden um den Globus flitzenden E-Mails aus lästiger Werbung. Das wichtigste bidirektionale Kommunikationsmittel des Zeitalters droht in einer Flut aus Informationsmüll unterzugehen.
Juristische Schritte gegen die Versender versanden meist im Gefüge der internationalen Strafverfolgungsbehörden. Um ihren Kunden weiterhin einen reibungslosen Schriftverkehr zu ermöglichen, setzen deutsche Unternehmen wie der Internet-Provider T-Online oder der Mailbox-Anbieter GMX daher auf aufwendige technische Methoden. „Spam“, so der Ausdruck für diese Art der unerlaubten Werbung und Belästigung, soll vom Provider abgefangen werden und nicht mehr beim Kunden ankommen. Dabei muß zwischen zwei Verfahren unterschieden werden, die nacheinander zum Einsatz kommen: dem Blocken und dem Filtern von Mail.
Beim Blocken schaut der Server im Rechenzentrum des Empfängers in einer internen Liste nach, ob er überhaupt willig ist, Post von dem Mail-Server des Versenders anzunehmen. Diese sogenannte „Blacklist“ besteht aus einer Reihe von Rechneradressen (IP-Adressen), von denen bekannt ist, daß schon einmal Spam über sie versandt wurde. Während der Empfänger am heimischen PC nicht mitbekommt, daß eine an ihn adressierte Mail bereits an den Toren seines Providers abgefangen wurde, erhält der Versender eine kurze Nachricht über seine Klassifizierung als Spam-Host.
Die schwarzen Listen werden von den E-Mail-Anbietern mühsam gepflegt, bei AOL Deutschland beispielsweise beschäftigen sich 30 Mitarbeiter mit dem Thema Spam. Die in aller Welt postierten Server erhalten täglich 1,6 Milliarden E-Mails, bei 75 Prozent handelt es sich nach Angaben von Tobias Riepe, Pressesprecher bei AOL Deutschland, um reinen Spam. Mittlerweile bieten Unternehmen und Organisationen die Blacklists zum Kauf an. Die meisten deutschen Mail-Dienste werten verschiedene Listen aus und gleichen sie mit den IP-Adreßlisten ab, von denen auf jeden Fall Mail angenommen wird (Whitelists). Gleichwohl kommt es immer wieder zu Pannen. So landete im vergangenen Jahr ein Mail-Server des deutschen Anbieters Web.de auf einer Blacklist. Die Folge: Die Kunden von Web.de konnten für einige Zeit keine Mail an bestimmte Adressen versenden.
Heute wird Spam auch über Privat-PCs versandt, die durch Würmer oder Viren infiziert sind. Sie sind Teil eines „Bot-Net“, eines Netzwerks von „Zombie-PCs“, die ferngesteuert und unbemerkt vom Benutzer als Datenschleuder für den massenhaften Versand von Spam-Mail agieren. Die Betreiber solcher Netze haben zeitweilig die Gewalt über 30000 Rechner und vermieten das Netzwerk an Interessenten. Die IP-Adressen der ahnungslosen Spam-Versender stehen auf keiner Blacklist, weisen aber doch einen Nachteil auf: Die meisten Nutzer des Internets wählen sich über einen Provider ins Netz der Netze ein und erhalten eine dynamische IP-Adresse, die sich bei jeder Einwahl ändert. Einige E-Mail-Diensteanbieter wie beispielsweise Web.de sind daher dazu übergegangen, grundsätzlich keine E-Mails von solchen DSL- oder Modem-Verbindungen anzunehmen. Privatleute oder kleinere Unternehmen, die ihren eigenen Mail-Server über DSL betreiben, können also keine Nachrichten an Web.de-Kunden senden.
Enges Kontrollnetz
Das den Datenverkehr umschließende Kontrollnetz wird enger. Damit aber nicht genug: Das Eigentumsverhältnis eines E-Mail-Accounts geht durch die breitgefaßte Einverständniserklärung in Anti-Spam-Techniken langsam auf den Diensteanbieter über. Um Datenfluß und Geschäft aufrechtzuerhalten, besteht er auf immer stärkeren Eingriffsmöglichkeiten bei den Konten der Kunden. Unternehmen, Universitäten und alle anderen Organisationen, die Mail geschäftsmäßig regelmäßig verbreiten, stehen vor einem Spam-Dilemma. Um den betrieblichen Ablauf zu gewährleisten, müßten sie bei Massenangriffen Spam eigentlich an ihren Netzgrenzen rigoros löschen oder ganze IP-Adreßbereiche sperren – unterliegen damit aber immer der Gefahr, daß sie gegen die verbotene Nachrichtenunterdrückung verstoßen. Ulrich Pordesch, IT-Sicherheitskoordinator der Fraunhofer-Gesellschaft: „Wegen des Verbots der Mailunterdrückung zwingt uns das Telekommunikationsgesetz faktisch, Spam durchzuleiten. Wir dürfen ihn nur markieren oder separat, aber zugänglich abspeichern, nicht aber zentral löschen. “
Niedrige Serverlast
Etwas weniger dramatisch sieht es Jürgen Taeger, Rechtsinformatik-Professor an der Universität Oldenburg: „Das Strafgesetzbuch stellt zwar das Abfangen und Löschen von E-Mails durch Provider und sogar durch private und öffentliche Arbeitgeber unter Strafe, aber nur, wenn nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen in den Providerverträgen oder durch Einwilligungen eine Erlaubnis zum Filtern erteilt wird.“ Rechtlich auf der sicheren Seite sind die Diensteanbieter nach der Einschätzung von Taeger dann, wenn die Spams zudem in einen vom Adressaten einsehbaren Ordner abgelegt werden, bevor sie vom Nutzer oder Betreiber in Zeitintervallen gelöscht werden. Seit kurzem analysieren einige deutsche Mail-Provider die Frequenz eingehender Mails. Sie erfassen die Anzahl der vom selben Mail-Server in einem Zeitraum abgeschickten Nachrichten und vergleichen sie mit der bisherigen Mail-Frequenz dieses Rechners. Kommen plötzlich Tausende Mails von einem Server, von dem bisher kaum E-Mail kam, landet der Server auf der hauseigenen Blacklist. Selbiges gilt, wenn ein Rechner versucht, viel Post an nichtexistente E-Mail-Adressen zu senden. Alle diese Verfahren auf IP-Ebene haben einen Vorteil: Da die Spam-Mail erst gar nicht angenommen wird, bleibt die Serverlast beim Provider niedrig. Firmen wie T-Online und 1&1 filtern eigenen Angaben zufolge bis zu 70 Prozent des Spam allein über die Blacklists und die SMTP-Kontrolle aus.
Umstrittene Blacklists
Juristisch ist dieses Vorgehen umstritten. E-Mail unterliegt dem Fernmeldegeheimnis, und während bei der Virenfilterung noch von einem unausgesprochenen Einverständnis der Adressaten ausgegangen wird, soll es ja durchaus Leute geben, die regelmäßig über Neuerungen auf dem Potenzmittelmarkt aufgeklärt werden wollen. Außerdem ist durch Blacklists auch nicht auszuschließen, daß „false positives“, wie die versehentlich aussortierten seriösen E-Mails heißen, unter den nicht zugestellten Sendungen sind. Die Empfänger erhalten aber über die per Blacklists abgewiesenen Mail-Versuche keine Nachricht vom Provider. Während diese sich die Funktion der hinter die schwarzen Listen geschalteten heuristischen Mail-Filter noch meist durch den Kunden bestätigen lassen, ist dieser dem Aussieben durch die Blacklists ungefragt ausgeliefert. Jürgen Taeger: „Eine pauschale Einwilligung in das Blacklisting ist – anders als bei der Filterung und Umleitung in Spam-Ordner – wohl nicht möglich.“
Bisher ziehen sich Mail-Unternehmen, aber auch Firmen, Universitäten und Behörden auf den Standpunkt zurück: Was gar nicht erst angenommen wird, muß auch nicht weitergeleitet werden. Niemand hat, so ihre Meinung, einen Rechtsanspruch darauf, daß sich ihre Server überhaupt mit seinem Rechner „unterhalten“. Aus ihrer Sicht ist eine Nachricht ihnen erst dann anvertraut, wenn die E-Mail komplett auf ihrem Mail-Server liegt. Aber diese Rechtsansicht ist ungeklärt: Immerhin muß der Mail-Server in den Header der Mail schauen, um die IP-Adresse zu extrahieren – einen Teil der Nachricht hat das Unternehmen oder die Behörde also durchaus schon entgegengenommen.
Roland Steidle, Rechtsanwalt bei Waldeck Rechtsanwälte in Frankfurt am Main, kritisiert diesen Standpunkt der Unternehmen: „Grundsätzlich ist im Verhältnis zwischen Providern und Kunden davon auszugehen, daß E-Mails vom Provider anzunehmen und auch zuzustellen sind.“ Dies wird besonders bei kostenpflichtigen Mail-Accounts deutlich, bei denen ein Kunde für die Möglichkeit, Mails zu empfangen, zahlt. Bei Kunden eines Providers, die ihre Mailbox geschäftlich nutzen, können sogar entsprechende gesetzliche Pflichten nach dem Teledienstegesetz bestehen.
Systemzensur möglich
Manche E-Mail erreicht schon heute ihr Ziel nicht mehr – ohne daß der eigentliche Empfänger davon etwas mitbekommt. So wirkungsvoll die Blacklists sind, so sehr greifen sie in den bislang bedingungslosen Transport elektronischer Nachrichten ein. Der bisherige Grundsatz, jede technisch einwandfrei ins System eingebrachte Nachricht auch zu transportieren, wird zunehmend ausgehöhlt. Was heute noch als technische Maßnahme gegen Spam gilt, kann morgen als Bauteil einer Systemzensur mißbraucht werden.
Freier Weg nur noch für erwünschte Mails
Damit das Vertrauen in das Medium E-Mail nicht weiter schwindet, suchen Internet-Organisationen und Provider nach neuen technischen Möglichkeiten der Mail-Kontrolle. Die aktuelle Idee hinter den Bemühungen setzt auf eine Umkehrung der Verhältnisse: Die globalen Mail-Server sollen nicht mehr die unerwünschten Briefe aussortieren, sondern nur noch die erwünschten durchlassen. Dafür sollen sich die weltweiten Absender-Domains gegenseitig authentifizieren. Mehrere Verfahren sind im Gespräch, AOL und andere Firmen präferieren das „Sender Policy Framework“ (SPF), Microsoft setzt auf „SenderID“, Yahoo, Google Mail und Lycos auf „Domain Keys“.
Alle diese Verfahren haben eines gemeinsam: Die am System teilnehmenden Provider und Organisationen veröffentlichen im Domain Name System (DNS), welches normalerweise für die Auflösung einer Internet-Adresse wie www.faz.net in die dahinterstehende IP-Nummer (hier: 193.227.146.1) zuständig ist, die Angabe, welche Mail-Server E-Mails aus ihren Domains heraus versenden dürfen. Gefälschte Absenderadressen sollen so verhindert werden.
SPF funktioniert nur, wenn es weit verbreitet ist. So lange müssen alle Mail-Server nach wie vor Mail von Domains ohne SPF-Eintrag annehmen, können diese jedoch als potentiell verdächtig einstufen. Ein weiterer Nachteil: SPF wie Sender ID lassen nur schwerlich die Weiterleitung (forwarding) von Mail zu, scheint die Nachricht doch von einem falschen Rechner zu kommen. Zudem tauchen in letzter Zeit vermehrt gefälschte SPF-Einträge auf – wieder einmal adoptieren Spamer eine Technik schneller als die legitimen E-Mail-Versender. Neben SPF und Sender ID buhlt das Domain-Keys-Verfahren um die Akzeptierung als Internet-Standard. Es gilt als komplex, aber technisch ausgereift. Der Nachteil: Es benötigt viel Kapazität in den Rechenzentren, nutzt es doch eine asymmetrische Verschlüsselung. Die Mail wird mit einer digitalen Signatur versehen, die der empfangende Server anhand eines Schlüssels, der im DNS dieser Domain verfügbar ist, verifiziert. Schlägt dies fehl, wird die Nachricht nicht ausgeliefert.
„Wir haben in unserer Gesellschaft insgesamt ein Problem mit dem Genießen“
Prof. Gundula Barsch ist Mitglied in der Nationalen Drogen- und Suchtkommission im Bundesgesundheitsministerium. Sie lehrt an der Fachhochschule Merseburg im Gebiet „Drogen und soziale Arbeit“. Im Gespräch erörtert Barsch, Jahrgang 1958, ihr Konzept der „Drogenmündigkeit“, das einen neuen Weg bei der Verminderung der gesellschaftlichen Probleme im Umgang mit Drogen aufzeigen will.
Sehr geehrte Frau Professor Barsch, warum muss Repression scheitern?
Barsch: Wenn Sie mich so allgemein fragen würden, dann würden Sie sehr viel Unverständnis auslösen. In einer Gesellschaft wie der unsrigen, die sich wie viele andere westliche Kulturen als freiheitlich demokratisch verfasste Gesellschaften versteht, würde die Frage nach der Berechtigung von Repression Kopfschütteln, vielleicht auch Empörung auslösen. Längst wähnt man sich entfernt von Zeiten, in denen eine staatliche Macht mit Gewalt Vorgaben durchsetzt, wie Menschen ihr Leben zu leben haben. Vielmehr werden den sozialen Akteuren, seien es nun Individuen, Familien oder sozialen Gruppen, immer größere Wahl- und Freiheitsgrade für die Gestaltung ihres Lebens eingeräumt. Diese Entwicklung vollzieht sich so rasant, dass eher gefragt wird, ob die Entwicklung von Fähigkeiten und Verantwortung, mit diesen immer größer werdenden Optionen umzugehen, mit diesem Tempo überhaupt mithalten kann oder ob nicht auch Überforderungen und Zumutungen eintreten. Wie dem auch sein, diese enormen Möglichkeiten der differenzierten Gestaltung des Lebens abseits von vorgegebenen Mustern, wird in der Regel als Bereicherung aufgegriffen und umgesetzt. Unübersehbarer Beweis dafür ist die Pluralisierung von Lebensstilen in unserer Gesellschaft. Soweit so gut. Erstaunlicherweise sieht die Wahrnehmung der Freiräume, mit denen psychoaktive Substanzen konsumiert werden, ganz anders aus. Völlig gegen den grundlegenden Entwicklungstrend in unserer Gesellschaft werden in diesem Bereich Vorgaben gesetzt, mit denen den einzelnen unter Androhung von Strafen vorgeschrieben wird, welche Substanzen in ihrem Lebensstil eine Bedeutung erhalten dürfen und welche nicht. Drogenpolitik ebenso wie Drogenkonsum sind jedoch keine separaten Bereiche im Leben der Menschen – sie sind in das Gesamtgeflecht der Lebenstätigkeiten und sozialen Entwicklungen eingebunden, werden von diesen beeinflusst, begründet, geformt und limitiert. Sie lassen sich aus dieser Gesamtheit nicht wie ein einzelner Ziegelstein herauslösen, ohne dass das Gesamtbauwerk ins Rutschen kommt. Die Separierung der Betrachtung von Drogenpolitik auf der gesellschaftlichen Ebene und von Drogenkonsum auf der individuellen Ebene ist nicht nur unverständlich. Sie führt auch dazu, dass übersehen wird, dass das Aufrechterhalten von Drogenrepression den ansonsten in allen Bereichen der Gesellschaft geltenden Aufforderungen zu Eigenverantwortung und Ausschreiten von Entwicklungsmöglichkeiten entgegensteht und deshalb umso mehr in Frage gestellt und hintergangen wird, je mehr sich die sozialen Akteure emanzipieren. Man wird diese Entwicklung vielleicht behindern, aber wohl kaum aufhalten können.
An der Stelle der Repression wollen Sie Ihr Konzept der „Drogenmündigkeit“ sehen.
Barsch: Nicht ganz. An Stelle der bisherigen, sehr totalitär durchgesetzten Orientierung auf Abstinenz plädiere ich für eine grundsätzliche, also paradigmatische Umorientierung in den gesellschaftlichen Zielen in bezug auf den Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Die Forderung nach Abstinenz verbleibt in ihrem Wesen auf der gleichen Grundanschauung wie die Argumentation mit Abhängigkeit. Wie Sie wissen, ist Abhängigkeit ein Konstrukt, das die Unfähigkeit der Menschen mit Drogen umzugehen beschreibt. Die Forderung nach Abstinenz rückt von dieser Grundidee nicht ab. Auch sie geht davon aus, dass der Mensch mit psychoaktiven Substanzen nicht umgehen kann. Deshalb wird Abstinenz als einzige Möglichkeit gesehen, möglichen Risiken zu entkommen. Diesem Grundmuster setze ich den Gedanken der Drogenmündigkeit entgegen. Das Gegenteil von Abhängigkeit ist nicht Abstinenz, wie fälschlicherweise oft argumentiert wird. Das Gegenteil von Abhängigkeit ist Mündigkeit oder wie auch immer der kompetente, autonom kontrollierte und emanzipierte Umgang mit Drogen bezeichnet werden mag.
Ihre Idee ist, vor allem jungen Menschen den Umgang mit Drogen aller Art erlernen zu lassen?
Barsch: Drogenmündigkeit sehe ich als die Fähigkeit, sich eigenständig, in vielfältigen Alltagssituationen orientieren und zu jeweils angemessenen Formen im Umgang mit Drogen finden zu können. Das ist natürlich eine lebenslange Entwicklungsaufgabe. Ein Blick auf die Alkoholprobleme der Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren im Umgang mit Alkohol, auf die Medikamentenprobleme vor allem der älteren Menschen oder die Alkoholprobleme im Altenheimen zeigen mehr als deutlich, dass mit einer Veränderung von Lebenssituationen auch der Umgang mit psychoaktiven Substanzen immer wieder neu überdacht und den jeweiligen Erfordernissen angepasst werden muss. Insofern ist die Entwicklung von Drogenmündigkeit keine Thema nur für Jugendliche, sondern viel umfassender zu verstehen.
Sie setzen dabei auf vier Kernbereiche: Drogenkunde, Genussfähigkeit, Kritikfähigkeit und Risikomanagement. Zum ersten: Was beinhaltet Drogenkunde?
Barsch: Die bisherige gesellschaftliche Umgangsweise mit psychoaktiven Substanzen hat dazu geführt, dass das allgemein vorhandene Wissen zu psychoaktiven Substanzen, ihre kulturellen Wurzeln, ihre Wirkungsweise und die Möglichkeiten und Grenzen einer Umgangsweise mit ihnen sehr rudimentär ist. Zu vielen Substanzen existiert nur ein sehr oberflächliches Wissen, das oft nicht nur sehr bruchstückhaft, sondern von Halbwahrheiten und Mythen durchzogen ist. Denken Sie nur an die bis heute kursierende These von Cannabis als Einstiegsdroge oder die große Verwunderung darüber, dass Heroin nicht nur injiziert werden kann, sondern auch andere, weniger riskante Konsumformen dazu möglich sind. Dieses Halbwissen ist nicht wirklich verwunderlich. Oft wird ja schon dem Begehren, mehr zu bestimmten Zusammenhängen wissen zu wollen, mit Misstrauen und Kritik begegnet. Hier zu einer sachgerechten Aufklärung zu kommen, die eben nicht nur die Grenzen, sondern auch die Möglichkeiten eines Umgangs thematisiert, ohne gleich als Verführung zum Drogenkonsum gedeutet zu werden, scheint mir ein wichtiger Schritt. Und – um auf Ihre Frage nach der Zielgruppe zurückzukommen – kurioser Weise muss sich diese Aufklärung wohl vorrangig an die Älteren (Eltern, Lehrer, Sozialarbeiter, Ärzte) wenden, die im Vergleich zu den Jugendlichen oft über deutlich mehr Wissensdefizite und vorurteilsbeladene Informationen verfügen.
Was ist an der Art des Genuss´ der Droge so relevant, dass sie diese Fähigkeit zu einem Teil ihres Konzepts der Drogenmündigkeit machen?
Barsch: Wir haben in unserer Gesellschaft insgesamt ein Problem mit dem Genießen. Als Konsumgesellschaft geht es oft eher darum, schneller, mehr und umfassender zu konsumieren, als um Genuss. Denken Sie nur daran, wie in den gegenwärtigen Diskussionen darüber nachgedacht wird, wie man die Konsumlust der Menschen wieder ankurbeln könnte, damit wir aus der Talsohle der wirtschaftlichen Entwicklung herauskommen. Übertragen auf den Drogenkonsum ist ein solches Konsumdenken sehr unproduktiv, denn auch für den Genuss von psychoaktiven Substanzen ist Weniger oft Mehr bzw. der schrankenlose Konsum eher mit vielen Risiken für Körper, Geist und soziales Zusammenleben verbunden. Dabei ist der Genuss von Drogen den Menschen nicht naturwüchsig gegeben, sondern das Ergebnis eines Lernprozesses. Es geht dabei um Fähigkeiten, sich auf den Genuss einer Droge durch die angemessene Wahl der Menge und der Applikationsform einstellen, Wirkungserwartungen formulieren und durch entsprechende Konsumstile anstreben und schließlich durch die bewusste Gestaltung von Set und Setting das Angebot einer Droge auch nutzen zu können. Durch das oft sehr verbreitete substanzfixierte Denken ist den meisten Menschen gar nicht deutlich, dass eine Droge nicht allein durch ihre Pharmakologie in eine bestimmte Richtung wirkt, sondern hier ein großer Gestaltungsspielraum besteht. Vielleicht fällt es uns wieder auf, wenn wir an verschiedene Sorten von Raucher denken: der hastige Zigarettenraucher, der seine Zigarette beiläufig im Mundwinkel hat und angespannt vor seinem Rechner sitzt und arbeitet, konsumiert seine Drogen ganz anders als der Pfeifenraucher, der sich ein oder zwei Mal in der Woche in einer ruhigen Stunde ein Pfeifchen gönnt, schon das Stopfen der Pfeife in stiller Vorfreude zelebriert und schließlich schmachtend dem Geschmack des Tabaks und der Ruhe des Augenblicks ergeben ist.
Ein solcher bewusster Umgang mit einer Droge muss Ihrer Ansicht nach mit Kritikfähigkeit einher gehen. Was genau verstehen Sie darunter?
Barsch: Wer seinen Drogenkonsum so gestalten will, dass Selbst- und Fremdschädigung ausbleiben, benötigt Kritikfähigkeit um Situationen in bezug auf ihre Eignung für Drogenkonsum einschätzen zu können. Kritisch zu prüfen sind beispielsweise, ob Ort, Zeit, Menge und Art der Droge – also die Art und Weise, in der der Drogenkonsum gestaltet wird – wirklich mit der Situation, in der sich der einzelne befindet, harmonieren. Diese Einschätzung muss jedoch auch in das Verhältnis zu den Besonderheiten der jeweiligen Person gesetzt werden. Ich will dabei nicht auf die immer wieder benannte Situation schwangerer Frauen aufmerksam machen, in der Drogenkonsum natürlich auf besondere Weise abgewogen werden muss. Denken Sie einfach an Erfahrungen, die wohl jeder in bezug auf Alkohol längst gesammelt hat: Es gibt Tage, an denen Sie vielleicht wenig gegessen und getrunken haben, dafür aber durch Stress ziemlich ausgepowert wurden. Jetzt ein Bier und Sie sind sofort so trunken, dass Autofahren unverantwortlich wäre, auch wenn der Gesetzgeber es erlaubt. An anderen Tagen aber können Sie zu der gleichen Frage großzügiger reagieren. Zu dieser Kritikfähigkeit gehört meiner Einsicht nach aber auch, sich in bezug auf die Konsumnormen der Gemeinschaft, in der man sich gerade befindet, kritisch vergewissern zu können; sie also nicht unhinterfragt zu akzeptieren oder abzulehnen. Die Nachlässigkeit, mit der viele Menschen beispielsweise mit Medikamenten umgehen, um Missstimmigkeiten und Krankheit zu überdecken und leistungsbereit zu sein, obwohl Körper und Geist etwas anderes einfordern, lässt mich als wichtige Dimension von Kritikfähigkeit schließlich auch den Respekt vor der inneren und äußeren Natur des Menschen anführen. Das Schlagwort „Doping“ erhellt wohl unzweideutig, was ich damit meine. Kritikfähigkeit hat also viele Dimensionen – analytische, reflexive und ethische. Sie werden nötig, weil nicht alle Situationen sich für Drogenkonsum eignen; in manchen Situationen sind nur bestimmte Mengen oder nur bestimmte Drogen angemessen; bestimmte Konsummuster müssen dagegen Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben. Mich hat einmal ein Bericht von einem Pilzritual beeindruckt, an dem Menschen, die in sehr verantwortlichen und anspruchsvollen Berufen arbeiten (Ärzte, Piloten, Rechtsanwälte, Richter), teilnahmen. Sie hatten diesen Drogenkonsum lange in ihren Kalendern als ein besonderes Ereignis geplant, für das auch eine angemessene Vor- und Nachbereitungszeit vorgesehen war. Zu diesem Ritual traf man sich in der Abgeschiedenheit der Natur in die keine beruflichen Pflichten hineinreichen konnten. So widmeten sie sich dem Pilzkonsum, dem sie sich ausgiebig zuwandten. In ihrem verantwortlichen Alltag kamen erst wieder an, als alle Effekte des Drogenkonsums vorüber waren. Ist die Forderung, sehr eingreifenden Drogenkonsum in Ausnahmesituationen zu zelebrieren sehr unrealistisch?
Zumindest ist die dazu nötige Modifikation der Gebrauchsmuster nur über einen längeren Zeitraum vorstellbar. Wer setzt wo und wann also bei der Schulung eines mündigen Umgangs mit geistbewegenden Substanzen an? Wäre eine Art „Rauschkundeunterricht“ ein Schritt?
Barsch: Scheinbar können wir uns Bildung nur in den institutionellen Formen von Schule vorstellen, die ich als alleinig verantwortliche Institution allerdings nicht wirklich geeignet halte, die Entwicklung von Drogenmündigkeit zu unterstützen. Ich stell mir die Normalisierung des Themas „Drogen“ so vor, dass es zunächst einmal selbstverständlich wieder in unsere allgemeine Bildung zurückgeholt wird. Geschichte, Kunst, Musik, Literatur, Ethik, Lebenskunde bieten heute über die Biologie hinaus so viele interessante Anknüpfungspunkte, ohne Exotisierung und Geheimniskrämerei das Thema anzusprechen und Impulse für das eigene Nachdenken zu geben. Das würde aber wohl nur den mehr kognitiven Teil der Auseinandersetzung mit dem Drogen betreffen. Aber wesentlich prägender wird sich wohl die emotionale und soziale Auseinandersetzung damit gestalten. Wie es bei Sexualität nicht allein um Bau und Funktion der Geschlechtsorgane geht, geht es bei Drogenmündigkeit auch nicht allein um Stoffkunde und Einweisung in bestimmte Praktiken. Die von mir bereits beschriebenen Aspekte von Drogenmündigkeit haben das hoffentlich längst aufgeblendet. Meiner Einsicht nach haben nicht nur Familien und Jugendeinrichtungen, die die Kinder und Jugendlichen bei ihren ersten Näherungen an den Umgang mit legalisierten und illegalisierten Drogen beratend und reflektierend begleiten eine wichtige Funktion, die sie nicht einfach an andere Institutionen delegieren können. Ganz besonders wichtig für die Sozialisation von Drogenmündigkeit halte ich Drogenkulturen, die von den Drogenkonsumentinnen und -konsumenten ausgehen, in denen Erfahrungen und Wissen in Sitten und Bräuchen festgeschrieben sind und die sich gegenseitig bei der Stilbildung und damit beim Hineinwachsen in einen mündigen Umgang mit psychoaktiven Substanzen unterstützen können. Eve&Rave und JES – die Selbsthilfe der Junkies, Ehemaligen und Substituierten führen mit ihrer Arbeit vor Augen, welche bisher viel zu wenig beachteten Möglichkeiten in diesem Bereich liegen. Aber auch gut geführte Coffeeshops in den Niederlanden machen auf mögliche Potenzen für den Entwicklungsprozess von Drogenmündigkeit aufmerksam. Kurzum, es wäre geradezu fatal, wenn man in bezug auf Drogenmündigkeit wieder nur an die Institution Schule denken würde.
Folgt man Ihrer Ansicht, so hat die bisherige Kriminalisierung der Drogenkonsumenten die Entwicklung einer funktionierenden Drogenkultur extrem behindert. Wo würden Sie bei einer Änderung der momentanen Verhältnisse zuerst ansetzen wollen: Ist es realistisch auf die politischen Parteien einzuwirken? Oder muss es zunächst zu einer weiteren gesellschaftlichen Enttabuisierung des Drogenkonsums kommen, die ja zumindest im Bereich von Cannabis weit fortgeschritten ist?
Barsch: Tja, die schwere Frage, wo soll man anfangen, wenn so viel Arbeit anliegt. Ich denke, auch hier darf man nicht auf ein Pferd allein setzen. Natürlich werden Politiker immer nur so viel drogenpolitisches Neuland betreten, wie sie glauben, dass sie damit in der Bevölkerung, vor allem bei den meinungstragenden Schichten auch Pluspunkte sammeln und Stimmenmehrheiten erringen können. Insofern muss man natürlich zu einem allgemeinen Bildungsprozess zum Drogenthema in der Bevölkerung kommen, mit dem sich Entdramatisierung und Normalisierung durchsetzen. Andererseits kann dieser Prozess durch ein drogenpolitisch verändertes Klima sehr unterstützt und gefördert werden. Vor diesem Hintergrund sind viele Zungenschläge und zum Teil auch bewusst eindimensional gestalteten Veröffentlichungen und Stellungnahmen von Politikern sehr dysfunktional und mehr als ärgerlich, weil sie oft die in Sisyphusarbeit erreichten Fortschritte schnell wieder zum Wanken bringen können. Aber dass es sich bei drogenpolitischen Veränderungen um Sisyphusarbeit handelt, die mehr als die Lebenszeit einer einzelnen Generation beanspruchen wird, davon bin ich überzeugt. Aber als Ostdeutsche, die von den Ereignissen der Wende, vor allem ihrem plötzlichen, friedlichen und erfolgreichen Verlauf überrascht wurde, habe ich ein wenig Hoffnung, dass die fatalen jetzigen drogenpolitischen Ansätze vielleicht eines Tages auch implosionsartig in sich zusammenfallen werden, um einem Pragmatismus Platz zu machen. Daraus nehme ich für mich jedenfalls meinen Optimismus und die Kraft, mich immer wieder in die Debatten einzumischen.
Michael Karus gilt als der führende deutsche Experte für den Anbau von Hanf. Er ist Geschäftsführer des nova-Instituts, das sich durch die Erforschung der ökologischen Nutzbarmachung der Hanfpflanze einen Namen gemacht hat. Seit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe des Bestsellers von Jack Herer „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf – Cannabis – Marihuana“ im Jahre 1993 und dem im Zusammenhang mit diesem Buch stark angestiegenen Interesse an Produkten auf Hanfbasis sind nun 10 Jahre vergangen, Zeit einmal Bilanz zu ziehen und einige Entwicklungen Revue passieren zu lassen.
Hanfblatt: Wie steht es mittlerweile um den Hanfbau in Deutschland? Wie hat er sich in dem zurückliegenden Jahrzehnt entwickelt?
Karus: Nachdem der Hanfanbau im Jahr 1996 erstmalig seit über 15 Jahren Anbauverbot wieder möglich war, ist die Hanfanbaufläche zunächst stetig gewachsen (bis auf knapp 4.000 ha in 1999) und dann aber wieder auf ca. 2.000 ha gefallen (2002). Für dieses Jahr erwartet man wieder einen leichten Anstieg. Grund für diese Entwicklung waren zu Beginn überzogene Erwartungen an den Markt, die Absenkung der EU-Beihilfen und damit einhergehend ökonomische Probleme, die bereits zum Aus für einige Aufschlussanlagen wurden.
Hanfblatt: Hat der Hanfanbau in Deutschland eine Chance, sich gegen ausländische Konkurrenz zu behaupten?
Karus: Ja! Der Bedarf an Hanffasern kann in Deutschland weitgehend durch die deutsche Produktion gedeckt werden. Die EU dürfte inzwischen sogar eher Hanffasern exportieren als importieren.
Hanfblatt: Welche Bedingungen müssen geschaffen werden, damit Hanf sich gegen konkurrierende Rohstoffe durchsetzen kann?
Karus: Wenn Hanffasern zu Weltmarktpreisen produziert werden können, so gibt es kein Problem mit dem Absatz. Die Nachfrage nach Naturfasern, insbesondere in der Automobilindustrie, wächst stetig. Wenn Preis und Qualität stimmen, können die Fasern abgesetzt werden. Allerdings ist es nicht leicht, bei sinkenden EU-Beihilfen den Preis auf Weltmarktniveau zu halten. Dies wird nur durch verbesserte Aufschlusstechnik, höhere Durchsätze und geschickte Vermarktung der Nebenprodukte (Schäben und Samen) möglich sein.
Hanfblatt: Hat der Hanf den in ihn gesetzten Erwartungen entsprechen können, oder ist er doch nur eine Nutzpflanze von vielen?
Karus: Hanf war immer nur eine Nutzpflanze unter vielen. Alles andere war und ist Ideologie und irrationales Wunschdenken – und keine Basis für reale Geschäfte. Aus Hanf kann man tausende Produkte machen. Aber auch aus Soja (und vielen anderen Pflanzen) kann man tausende Produkte machen. Aber: Im Gegensatz zu Hanf macht man aus Soja bereits tausende Produkte … Das einzig wirklich Besondere an Hanf ist, dass bestimmte Sorten den bewusstseinsverändernden Stoff THC in relevanten Mengen enthalten. Dies hilft aber nichts, um die Fasern, Schäben oder Samen in den Markt zu bringen. Im Gegenteil, manchmal ist es sogar eher hinderlich.
Hanfblatt: Kann man sagen, dass der ersten Euphorie eine gewisse Ernüchterung gefolgt ist?
Karus: Wer heute noch im Nutzhanfbereich tätig ist, ist dies nicht mehr aus ideologischen Gründen oder Wunschträumen, sondern unter den realen Rahmenbedingungen des Marktes. Die anfängliche Euphorie hat zum Teil das Marketing von Endkonsumenten-Produkten erleichtert. Diese Produkte bestanden aber oft nur zu marginalen Anteilen aus Hanf (echte Hanfanteile in vielen Shampoos, Bieren oder Limonaden unter 1%) bzw. kamen ihre Rohstoffe vor allem aus China und Rumänien.
Hanfblatt: Wie steht es mit der verarbeitenden Industrie? In welchen Bereichen rechnet sich die Hanfverarbeitung?
Karus: Die wichtigsten Märkte für Hanffasern sind die Automobilindustrie (Formpressteile wie Türinnenverkleidungen) und die Dämmstoffindustrie. Weiteren Einsatz finden die Fasern in Anzuchtvliesen für Kresse (in jedem Supermarkt!). Die Schäben werden primär als Tiereinstreu (Pferde und Kleintiere) eingesetzt und die Samen gehen vor allem als Tierfutter über die Theke. Hier gewinnt allerdings der Lebensmittelbereich (Samen, Öl) an Bedeutung.
Hanfblatt: Kann man einem Bauern noch mit gutem Gewissen den Hanfanbau empfehlen? Auf was sollte er achten? Welche Voraussetzungen müssen stimmen?
Karus: Wieviel Hanf dem Bauern pro Hektar bringt, kann heute leicht berechnet werden. Der Anbau lohnt sich, wenn im Umkreis von 50 km ein Faseraufschlussbetrieb existiert, der hinreichend viel für das Hanfstroh zahlt. Wo dies genau anzusiedeln ist, hängt vor allem von den regionalen Konkurrenzkulturen ab.
Hanfblatt: Die HanfHaus-Kette musste ja bekanntlich Konkurs anmelden. Hat sich wenigstens insgesamt ein stabiler Absatzmarkt entwickeln können und was muss noch geschehen, damit sich das Potential von Hanf als Rohstoff besser entfalten kann?
Karus: Dies habe ich oben schon beantwortet. Und noch einmal: Die HanfHaus-Kette hat außer ein paar Samen und Ölen praktisch nichts verkauft, was von deutschen Äckern stammte, sondern vor allem Produkte (insb. Textilein) aus China und Rumänien.
Hanfblatt: Herer und sein Übersetzer Bröckers sind ja mit der provokanten These angetreten, dass Hanf als nachwachsender Rohstoff die Welt retten könne, zumindest vor den Folgen des Raubbaus an unersetzlichen Urwäldern, der Verschwendung fossiler Rohstoffe und Energieträger und unökologischer Landwirtschaft wie dem monokulturellen Anbau von Baumwolle. Kann man diese Behauptung so immer noch stehen lassen oder muss man sie revidieren?
Karus: Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Jack hat ja sogar einen Preis für denjenigen ausgesetzt, der das Gegenteil beweisen könne. Für uns wäre dies ein Leichtes. Ich habe diesbezüglich auch mit Jack Kontakt aufgenommen. Wir haben uns aber nicht darüber einigen können, was er als Beweis akzeptieren würde ….
Hanfblatt: Wie sieht die Zukunft für den Hanf aus?
Karus: Gut! Hanffasern werden sich als industrielle Fasern weiter etablieren, Schäben werden (und sind) eine feste Größe für hochwertiges Tiereinstreu, und Hanfsamen werden sich mehr und mehr als gesundes Lebensmittel etablieren. Und auch im pharmazeutischen Bereich ist der Wall gebrochen, mehrere Unternehmen werden in den nächsten Jahren neue Präparate auf den Markt bringen.
Hanfblatt: Woher kommt Ihr besonderes Interesse am Hanf?
Karus: Das Interesse ist garnicht mehr so besonders. Wir beschäftigen uns inzwischen auch mit vielen anderen nachwachsenden Rohstoffen. Es gab halt damals in den Jahren 1993 bis 1997 die historisch günstige Situation, dass sehr viel Interesse an den Nutzungsmöglichkeiten von Hanf bestand und gleichzeitig kaum belastbares Wissen existierte. Diese Chance haben wir genutzt, um das nova-Institut als Experten-Institut für Hanf zu entwickeln. Heute ist bei uns ein so großes und breites Wissen über Hanf (und andere Faserpflanzen) verfügbar, ebenso wie zahlreiche nationale und internationale Kontakte, dass die Hanfforschung – insbesondere die Marktforschung und ökonomische Analysen – immer noch eine wichtige Einnahmequelle darstellt.
Hanfblatt: (scherzhaft) Ist es einsam auf dem Olymp?;-)
Karus: Im Gegenteil: Ich habe über den Hanf unzählige interessante Menschen in der ganzen Welt kennen gelernt, von denen viele meine Freunde geworden sind.
13. Mai 2003 Es ist ein uralter Wunsch des Menschen, eine „intelligente“ Maschine zu bauen, die denkt, fühlt, redet und sich selbst erkennt. Diese Vorstellung birgt ebensoviel Schrecken wie Faszination. Können Maschinen überhaupt „denken“ oder Computerprogramme so etwas wie ein Bewußtsein entwickeln? Ist Bewußtsein die Voraussetzung für Intelligenz? Wer sich auf das „Abenteuer Künstliche Intelligenz“ einläßt, wird schnell mit einer ganzen Reihe philosophischer Fragen konfrontiert. Einfache Antworten gibt Jörg auf dem Hövel nicht – wohl aber eine Reihe ebenso geistreicher wie amüsanter Denkanstöße. Auf dem Hövels spannende Reise folgt den Spuren der Künstlichen Intelligenz (KI) von ihren Anfängen bis heute. Anschaulich und unterhaltsam eröffnet er dem Leser einen Blick in die Forschungslabore. Noch fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Der Faszination des Themas tut dies jedoch keinen Abbruch. Die frühen Pioniere der KI wie Alan Turing, Claude Shannon oder Norbert Wiener stellten die rationale Intelligenz in den Vordergrund und entwickelten erstaunlich „intelligente“ Schachcomputer. Viele alltägliche Dinge – wie etwa das Überqueren einer Straße – sind jedoch eine komplizierte Abfolge koordinierter Aktivitäten. Beim Versuch, diese Abläufe detailliert zu berechnen, scheitert der rein rationale KI-Ansatz an den Grenzen der Rechenleistung. Erst in den achtziger und neunziger Jahren entdeckten die Forscher den Körper als Träger einer eigenen Intelligenz. Trotzdem weiß bis heute niemand, wie menschliche Intelligenz funktioniert. Aber das sich mehrende Wissen schürt die Hoffnung der KI-Anhänger, daß ihre Rekonstruktion der Intelligenz in greifbare Nähe rückt. Mit der Konstruktion denkender Maschinen will der Mensch vor allem sich selbst erkennen. Paradox ist allerdings, daß er mit der Erschaffung eines Ebenbilds gleichzeitig die Einzigartigkeit seines Menschseins zerstört: Auf dem Hövel hat ein lehrreiches Buch mit vielen Anhaltspunkten zum Nachdenken geschrieben, das auch für den Technik-Laien verständlich ist.
Marihuana in den Groschenheften der Sechziger Jahre
Dass die Anti-Marihuana-Propaganda, als Reefer-Madness der Anslinger-Ära aus den USA herübergeschwappt, im kleinbürgerlichen Nachkriegsdeutschland sozusagen in Form eines Kifferwahns einen zumindest publizistisch fruchtbaren Boden fand, haben wir im Hanfblatt anhand von vier Krimis bereits belegt („Mimi und der Kifferwahn“, Hanfblatt Nr. 81). Weitere Dokumente dieser Zeit sollen demonstrieren, welche Klischees den deutschen Spiessbürgern hüben wie drüben bereits vor dem massenhaften Cannabiskonsum durch Gammler und Hippies ab Mitte der Sechziger Jahre mittels Trivialliteratur und Groschenheften in die „entnazifizierten“ Hirne gepflanzt wurden.
So erschien in Bremen 1956 von dem Vielschreiber („Nächtliches Ägypten“, „Unheimliches China“ etc.) Ernst F. Löhndorff der „Roman eines Rauschgiftes“ mit dem merkwürdigen Titel „Schwarzer Hanf“. Es geht natürlich um die „Marihuanapflanze“, das „Giftkraut“, „der schwarze Hanf“. Eine junge Frau entblößt sich schamlos vor allen Leuten auf dem Broadway inmitten von New York. „Was sie eben gesehen hatten, war die grotesk-düstere unfreiwillige Demonstration eines gefährlichen Rauschgiftes, das trotz aller Maßnahmen von Jahr zu Jahr in Amerika und sogar nun langsam in Europa beispiellose Triumphe feiert. Marihuana. Hergestellt aus der tabakähnlichen und auf gleiche Art behandelten und gerauchten Pflanze der „schwarzen Cannabis Indica“. Indischer Hanf.“ Im Orient von den „Wüstlingen“ und „den Massen der Armen“ geraucht, „wo es als „Haschisch“ oder „Bengh“ bekannt ist.“ „“Marihuana“, der Arzt, der eben das junge Mädchen untersucht hatte, stieß diesen Namen zornig aus, wie den seines ärgsten Feindes. Es war in der Tat sein ärgster Feind, den er mit allen Mitteln bekämpfte, wo immer er ihn traf.“ Dieser Jargon kommt einem wohlbekannt vor… „Er traf ihn oft. Nicht nur in anrüchigen Rauschgiftkneipen, sondern auch – und das war das Bedrohliche – unter den Girls und Boys der Highschools und Universitäten.“ Na klar, Muttis Lieblingen, den Stützen der Gesellschaft… „Wie er dieses Gift haßte, das in erschreckender Weise um sich griff! Das Gift, das aus jungen Leuten Verbrecher und Mörder macht, das sie körperlich und geistig ruiniert. Marihuana!“ (S.10/11)
Ja, entsetzlich! Es lohnt durchaus, die ganze hanebüchene Geschichte grob nachzuerählen. So taucht als Nächstes ein promiskuitives Südstaatenmädchen auf, das unter Marihuanaeinfluss auch nicht vor dem Verkehr mit „Negern“ zurückschreckt. Eines von vielen Beispielen aus allen Zeiten dafür, dass Rassismus und Antidrogen-Propaganda überall Hand in Hand gehen. Zurück in den „Happy Valley“ zu „Lizzy Horner“, die „erst zwanzig“ war, „ein gutgewachsenes, hübsches, rotblondes, von Natur aus gutmütiges Mädchen, nach dem sich so mancher junge Mann umdrehte. Kurz nach der Schulentlassung hatte Lizz durch ein Mädchen Marihuana kennengelernt. Sie ließ sich erzählen, daß alles Gerede über die Gefährlichkeit des Giftes Unsinn und Aberglauben sei. Und sie glaubte es nur zu gern. Jetzt war Lizz soweit, daß sie ohne Marihuana nicht mehr leben konnte. Sie war krank und elend, wenn ihr das Kraut einmal ausging.“ (S.36) Dem Schnaps ist sie zwar zusätzlich auch nicht abgeneigt, aber „Wer Lizz genau betrachtete und besonders in ihre unsteten blitzenden Augen mit den kleinen Pupillen sah, den überliefen Mitleid und Grauen. Solange Lizz nur eine oder zwei Marihuana-Zigaretten am Tage rauchte, war sie erträglich. Dann zeigte sie Negern gegenüber oft ein gutes Herz, schenkte den Kindern Lollypops und war glänzender Laune. Sobald sie aber mehr rauchte, wurde sie verrückt und schamlos.“
Und wie kann es anders sein: „Sie lief den Männern mit krankhafter Sucht nach. Es gab keinen Neger oder weißen Arbeiter im Umkreis, der nicht schon einmal mit Lizz hinterm Busch oder in ihrem Bett geschlafen hatte.“ (S.37) Zumindest versorgt sie sich teilweise selbst: „Vater und Tochter pflanzten sogar heimlich, inmitten ihres Maisackers versteckt, in eigenhändiger schwerer Arbeit ein Stück Land mit indischem Hanf an, der im Tennesseeklima gut gedieh. Sie ernteten, präparierten und schnitten das Teufelskraut und verkauften es in Bausch und Bogen, ohne daß jemand davon etwas erfuhr. Es hätte beiden zehn bis zwanzig Jahre Zuchthaus eingetragen.“(S.38) Und „Auch unter den halbwüchsigen Negern wurde Marihuana geraucht. Man kann es heimlich, aber fast überall in den Vereinigten Staaten auftreiben, in Zigaretten- oder tabakähnlichen Päckchen, und die Sucht greift erschreckend um sich. Besonders in den Großstädten…“ (S.39) „Schließlich rauchte sie eine Marihuanazigarette, und sofort überkam sie das wilde Verlangen nach einem Mann.“ (S.39) Ein harmloser zufällig von der Opossumjagd vorbeikommender „Mulatte“ namens „Washington“ soll quasi ihr Opfer werden. „“Verrückt bin ich nach dir, du Nigger!“ keuchte Lizz.“ (S.43) Eigentlich will der aber nichts von ihr, doch zu spät. Ihr Vater erscheint unerwartet auf der Bildfläche und Lizz kreischt „gellend: „Hilfe, Hilfe! Daddy, der Nigger will mich zwingen!““ (S.44) „Washington“ wird das „beklagenswerte Opfer grausamer Lynchjustiz“ (S. 57). „Lizzy Horner mußte sich im Staatssanatorium einer Rauschgift-Zwangsentziehungskur unterziehen. Diese Kur hatte wider Erwarten Erfolg. Nach einem Dreivierteljahr konnte sie als geheilt entlassen werden.“ (S.57)
Doch ein selbst nahezu weißhäutiger verbitterter junger „Neger“ namens „John“ verlässt die Gegend, beschließt sich, ob dieser Ungerechtigkeiten, nach seinem „Wahlspruch „Alle Weißen kaputtmachen““(S. 61) zu rächen und zieht über Chicago nach Haarlem/New York. Er steigt schließlich in den Marihuana-Schleichhandel ein. „John verdiente am Päckchen ungefähr hundert Prozent.“ Darfs noch ein bißchen mehr sein? „Die meiste Kundschaft hatte er unter den weißen Strichmädchen und deren Kavalieren. Aber es machte ihm nichts aus, seine Ware auch an Studenten, Studentinnen, Lehrburschen und andere abzusetzen, gleichgültig, ob es Weiße oder Farbige waren.“ (S.65) „Und die Sucht nach dem Rauch des schwarzen Hanfs breitet sich immer weiter aus, und Menschen werden reich am Unglück und der Schwäche anderer Menschen.“ (S. 67) Wo kommt das Zeug her? Natürlich aus Mexiko: „Der biedere Juan, oder mag er Pepe oder Estevan heißen, pflanzt wohlverborgen. Er erntet, trocknet und fermentiert ebenfalls geheim und streicht für das Kraut gute, klingende Pesos oder Dollars ein…Aber welches Elend in den Großstädten des nördlichen Nachbarn einreißt, das glaubt er nicht, und wenn man es ihm zehnmal erzählt. Pah, ein bißchen Marihuana!“ (S.78) Und „Während in Mexiko früher sich nur die Priesterkaste des schwarzen Hanfes bediente, ehe es allmählich unter den Indios volkstümlich wurde, kannte der Orientale seit langer Zeit sein Haschisch…Obwohl der Orientale eine unglaubliche Widerstandskraft gegen dieses Gift hat, machten sich doch die verheerenden Spuren allmählich bemerkbar.“ (S.79) Und die Regierungen kämpfen „im verseuchten Orient mit großer Energie“ und geringem Erfolg dagegen an, „denn das Gift wird immer wieder eingeschmuggelt.“
„Marihuana hat, besonders in den Vereinigten Staaten, anderen Rauschgiften wie Heroin und Cocain längst den Rang abgelaufen. An Marihuana, Tschärs und Haschisch wird viel Geld verdient. Und es gibt viele Menschen, die für Geld alles tun!“ (S.79) John baut schließlich einen internationalen „Ring“ auf. „John ging es vor allen Dingen ums Geld. Deshalb scheute er sich nicht, das Gift auch an Farbige, die der Sucht verfallen waren, zu liefern.“ (S.102) „John B. machte sich kein Gewissen über die tragische Rolle, die er spielte. Vielleicht war er auch noch zu jung, um übersehen zu können, daß er eigentlich ein gewissenloser, unsympathischer Verbrecher und indirekter Mörder Hunderter oder gar Tausender charakterschwacher Mitmenschen war.“ (S.107) Und das, während „Professoren, Ärzte, Lehrer und Polizei…aufklärende Vorträge in Schulen, Universitäten und am Rundfunk über die Gefahren von Rauschgiften, insbesondere von Marihuana“ hielten. „Einhundertachtzig Millionen Menschen wurde wieder einmal, wie schon so oft, an Hand drastischer Beispiele vor Augen geführt, welch schleichende Sucht am Mark Uncle Sams zu zehren begann.“ (S.107) Dass es auch anders geht, beweist die Geschichte von zwei Mädchen aus dem Internat, die die lokalen Marihuanaraucher an die Polizei verpfeifen: „Campbell College war frei von der Seuche. So helfen und halfen sich viele junge Leute in Amerika! Denn die Vereinigten Staaten sind trotz allem eine prächtige, junge und tatkräftige Nation.“(S. 116) Da habt Ihr´s! Währenddessen floriert „Johns Ring“. Er kauft Marihuana aus Mexiko und Asien, läßt über San Franzisko einschmuggeln und liefert sogar bis nach Nordafrika und Ägypten: „Jedes einzelne Säckchen wurde mit Etiketten, auf denen entweder Hitler oder Stalin in Rednerpose zu sehen waren, versehen. Der unergründliche Sinn der dortigen Raucher verlangte nämlich diese Bilder. Dies ist Tatsache. Die meisten Haschischpäckchen in Nordafrika wiesen diese Bilder auf.“(S.118) John eröffnet „in verschiedenen Großstädten bessere Bierlokale“,“die in Wahrheit Rauschgiftparlours waren; in ihren gut eingerichteten Kellerräumen fanden die Interessenten alle Bequemlichkeiten, um ihrem Laster zu frönen. Hand in Hand arbeitete mit dem Marihuanavertrieb der internationale Mädchenhandel. Auch das war Johns Werk.“ (S. 120)
Während „Lucky John“ nun mittlerweile mit einer Weissen namens Maybelle liiert ist, die nichts von Johns schwarzer Herkunft und seinen dunklen Machenschaften ahnt, und auch noch Vater wird, sorgt Johns Ring dafür, dass „eine Anzahl junger, blonder Mädchen, die dem Rauschgift verfallen waren“ aus Deutschland in „verschiedene jener dunklen Häuser in Rio und anderswo, aus denen nur in den allerseltensten Fällen eine Rückkehr möglich ist…“ (S.121) verbracht werden. John reist nach Port-au-Prince um auf der „Vudu“-Insel Haiti einen neuen „Stapelplatz“(S. 129) für Marihuana zu eröffnen. Dort wird er mit seiner schwarzen Herkunft konfrontiert und nimmt an einem ekstatischen blutrünstigen „Vudufest“ teil. In den Bergen werden ihm die „Zombies“, „ausgegrabene Leichen“ gezeigt, die auf den Feldern arbeiten, und er erfährt von seiner Führerin Jaqueline: „Bei uns auf Haiti wäre mit Marihuana kein Geschäft zu machen. Wir haben andere Mittel, die außer uns niemand weiß.“ (S.144) Welche erfährt er nicht. Dafür zeugt er, von ihr verhext, mit ihr „ein kleines, schwarzes Negerlein!“(S.153). Sie lässt ihn dann allerdings doch zurück zu seiner Frau fahren, und die „Erinnerung an Jaqueline verblaßte immer mehr in seinem Gedächtnis. Ihm war es als hätte er einen seltsamen, gefährlichen Traum gehabt. Die Geschäfte blühten.“(S.149) „mehr und mehr faßte die Rauschgiftsucht nun auch in Europa festen Fuß.“ Außerdem ist er nun auch noch einer der Größten im Geldautomatengeschäft geworden, auch in „Westdeutschland“. „Viele Jahre verstrichen. Das Geschäft wuchs trotz mancher Rückschläge.“ (S.154)
Währenddessen wächst seine „weiße“ Tochter „Iris“ „zu einer reizvollen, jungen, hübschen Dame heran“. (S.160) Maybelle macht sich Sorgen um ihre Tochter, wegen der „Gefahren für die heutige Jugend“ (S.154). Zu Recht, denn sie raucht mit sechzehn „ihre erste Marihuanazigarette. Sie wurde von einer Freundin verführt…Nach dieser ersten Zigarette, die ihr nicht sonderlich bekam, rauchte sie eine zweite, dann eine dritte, bis sie auf den Geschmack kam. Iris befand sich plötzlich im Kreise leichtsinniger junger Menschen, die – wie sie sagten – modern wären und die veralteten Ratschläge ihrer spießigen Eltern nicht brauchten, da sie selber genau wüßten, wie man das Leben meistere und genieße. In den meisten Fällen waren es Jugendliche, deren Erzeuger reich waren und die sich nicht viel um ihre heranwachsenden Kinder kümmerten.“(S.160/161) „Die Alten wunderten sich manchmal, warum ihr Junge oder ihre Tochter so nervös und zerfahren war, schrieben dies aber achselzuckend der schnelllebigen, unruhigen Zeit zu.“ (S. 161) Der Abstieg ist nicht aufzuhalten; trotz reichlich Taschengeld belügen und betrügen sie ihre ahnungslosen Eltern, um ihrer heimlichen Leidenschaft zu frönen. „Iris war eine der Tollsten…Geschickt verbarg Iris daheim ihre häufige Müdigkeit und nervöse Überreiztheit hinter dem Wort „Migräne“…In Wirklichkeit aber lag sie, schwer verkatert, in ihrem Bett und lechzte nach Whisky und Marihuana.“(S. 162) Eines Tages gibt sich Iris mit ihrer Freundin „Daisy“ in „Tiger Browns“ „unterirdischem Marihuanaparadies“(S.180) an der Bowery die Kante: „Die Platte spielte jetzt einen dröhnenden Rumba. Schwer und widerlich süß wogte der Rauch des schwarzen Hanfes…“ (S.173) Iris lässt sich von der Kneipe mit dem Taxi zum Broadway fahren: „Sie fühlte sich keineswegs betrunken. Ein anderes Gefühl beseelte sie, ein tolles, unbändiges Gefühl, das keine Hemmungen kannte. Wenn sie jetzt ihre ärgste Feindin und einen Revolver dagehabt hätte, so würde sie ihr lachend sechs Kugeln in den Bauch gejagt haben. Marihuana macht stark und mächtig und rücksichtslos…“ (S.178) Iris landet auf dem Broadway und „tanzte den Tanz, der sie ins Sanatorium bringen und ihre Eltern ins Unglück stürzen sollte…“ (S.178)
Monate später, nach dem Sanatoriumsaufenthalt, verfällt Iris wieder dem Marihuana und dem „Mulatten“ „Ray“, mit dessen Rennauto sie über die Strassen jagen: „“Darling, wollen wir das Marihuanarauchen lassen? Ganz und gar? Eine Kur machen? Endgültig?“ „Ganz und gar. Aber du mußt mich liebbehalten. Oh, Ray…“ So fuhren sie dahin. Marihuana, das sie sich vor wenigen Minuten abgeschworen hatten, lenkte Rays Hand und trieb seinen Fuß auf den Gashebel. Keiner sagte ein Wort. die Nacht duftete. Die Zikaden zirpten. alles sang, rauschte und glänzte. „Schneller, Ray“, flüsterte Iris heiser.“ (S.183)“ Natürlich müssen sie jetzt verunglücken: „Als sie Rays Wagen…wie eine Ziehharmonika zusammengepreßt…näher untersuchten, fanden sie ihn und Iris, Arm in Arm, ein Lächeln auf den toten Gesichtern.“ (S.184) Vadder John gerät in eine schwere Krise. „Er würde Maybelle alles sagen, er würde ihr sagen, daß er ein Neger ist, daß er der Rauschgifthändler, Bordellkönig und Geldautomatenbesitzer war…Was gingen ihn noch die Weißen an. Mochten sie nach ihrer Art leben, er war ein Neger und hatte sein weißes Dasein teuer bezahlt. Erst mit Iris, die in den Armen eines Farbigen gestorben war, dann mit Maybelle. Denn sie würde ihn verlassen.“ John will sich der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge offenbahren und dann nach Haiti auswandern, denn „dort singen und arbeiten die Neger in den Feldern, und eine Negerregierung wacht über sie.“ (S.187) Doch da bekommt er Besuch, einen Killer seines alten Geschäftspartners „Bronson Howard“: „Knackend schoß eine rotgelbe Flamme aus dem Schalldämpfer, wühlte sich blitzschnell in Johns Herz und warf ihn wie eine schlaffe Puppe auf den Teppich…“ (S.188) Doch „Irgendwo in einem warmen Land“ „wiegt sich im sanften Wind die raschelnde Marihuanapflanze, und überall duftet es nach Blumen und Erde.“ (S.189)
Natürlich nahm sich auch einer der langlebigsten und wohl erfolgreichsten Kriminal-Groschenroman-Helden des Themas an: Der kettenrauchende, doppelte Whisky ohne Soda bechernde und Jaguar fahrende „G.-man Jerry Cotton“, der Spezi vom FBI. Im 1958 in Bergisch-Gladbach erschienenen Band 57 „Finger weg von solchen Sachen. Ein Wahnsinniger hält Amerika in Atem.“ geht es selbstredend um Marihuana, den Mord an einem „rauschgiftsüchtigen“ Jungen namens „Joe Backley“ und den Selbstmord seiner Freundin „Margy Leccon“. „Bei den jungen Leuten ist diese verdammte Marihuanasucht leider sehr weitverbreitet.“(S.41) Der Schlüssel zu dem Fall ist das Tagebuch von Joe: Als Redakteur einer Schülerzeitung am „Sco-Marven College“ versucht er für einen Artikel in die Abgründe des lokalen Marihuanahandels vorzudringen: „Wieder Smoky Klub…Das Vorspielen neuer Schallplatten ist nur ein Vorwand für die Leutchen, um für einen Marihuana-Rauchabend zusammenzukommen.“ (S.42) „Nach dem sechsten Whisky“ probiert Joe eine „Marihuanazigarette“. „Ich weiß nicht mehr, wie es war, aber es muß irgendwie sehr schön gewesen sein. Ich fühlte mich so frei, so überirdisch gelöst. Gar nicht zu beschreiben. Ich weiß, daß ich dem Teufel auf die Schippe gestiegen bin.“ (S.43) Er hat Angst süchtig zu werden, aber er hat ja seine Freundin Margy, die ihn notfalls „in eine Entwöhnungsanstalt bringen lassen“ wird, bevor „ich mich durch das Gift runiere“. Doch es kommt heftiger als gedacht: „Ich bin süchtig…Heute morgen hielt ich es nicht mehr aus. Ich habe mir mit den Fingernägeln den Hals blutig geschunden, so verrückt machte mich die Gier nach dem Gift.“ Er erkennt die Lage: „Heute geht es mit einer Marihuanazigarette täglich los. In einer Woche sind es täglich schon drei. Und nicht genug. Sieben, elf, fünfzehn, ein ganzes Päckchen. Und der Körper gewöhnt sich an immer gößere Giftrationen und verlangt immer mehr. Es ist als ob man einen Teufel in sich drin sitzen hätte, der einen langsam, aber sicher auffrißt.“(S.43) Die anderen Süchtigen haben natürlich auch faule Ausreden auf Lager, „es wäre gar nicht so schlimm, und gesundheitsschädlich wären die Zigaretten genau nicht mehr als jede normale Zigarette und so weiter. Dabei kann man es ihnen schon ansehen, wenn man Bescheid weiß.“ (S.44)
Die Erwachsenen kriegen natürlich nichts mit: „Ich verstehe nicht, wo die Erwachsenen ihre Augen haben. Dauernd reden sie davon, daß sie für uns da sind, wenn wir sie brauchen, und daß sie uns immer helfen wollen. Ja, sehen sie denn alle nicht, in welcher heillosen Klemme ich sitze?“ (S.45) Joe findet heraus, daß der vier Jahre ältere und erheblich gewichtigere „Beel“ an der Schule mit Marihuana handelt. Der ist ihm längst auf die Schliche gekommen, vermöbelt mit seinen Kumpanen den armen Joe für seine Schnüffelei und höhnt: „Zuerst wollten wir dich umlegen. Aber das ist viel zu viel Aufwand. Du verreckst ja sowieso in einem Jahr oder in einem anderthalben. Ich hab´ dich jetzt soweit, daß du von den Zigaretten nicht mehr loskommst. Dein ganzes Leben nicht mehr.“ Und zur Strafe gibt´s ´ne kleine Preiserhöhung: „Für dich kosten sie nämlich von jetzt ab zwei Dollar mehr. Klar?“ (S.45) Und dann wird noch gedroht: „Wenn du dir je einfallen läßt, irgendwem was zu erzählen, was uns schaden könnte, dann schwöre ich dir, daß Margy von uns süchtig gemacht wird…Gibt sicher genug Männer, denen sie gefallen würde, wenn sie mal zahlende Freunde brauchte.“(S.46) Joe ist mit den Nerven am Ende. Er bestiehlt sogar seine Mutter. „Ich weiß nur, daß ich meinen eigenen Vater umbringen würde, wenn die Gier nach diesem verdammten, dreimal verfluchten Gift mich packt“. Schliesslich will sich Joe vollkommen verzweifelt „morgen“, wenn zwei „G-men“ vom FBI in der Schule auf Besuch vorstellig werden, verhaften lassen. Falls er vorher von Beel und seiner Bande ermordet werden sollte, soll sein „Tagebuch vor versammelter Schülerschaft vorgelesen werden. Vielleicht kann es diesen oder jenen abschrecken, der auf den törichten Gedanken kommen könnte: eine Marihuanazigarette könnte gar nichts schaden. Es bleibt nie bei einer. Und der Weg führt in die schlimmsten Höllen, die man sich nur vorstellen kann.“(S.47)
Jerry Cotton ist erschüttert : „Joe. Kamerad. Du wolltest auf deine Art gegen das übelste Verbrechertum der Welt kämpfen. Du mußtest in diesem Kampf unterliegen, wie so viele brave und tapfere Kameraden schon unterlagen und ihr Vorhaben mit ihrem Leben besiegelten. Aber daß dein Opfer nicht umsonst sein wird, daß schwöre ich dir, Joe. Das schwört dir der ganze FBI. Die letzte Runde werden wir gewinnen, und sollte ich dir dabei ins Grab folgen müssen.“ (S.47) Und er zündet sich eine Kippe an und rast mit dem Jaguar von dannen. Zwischendurch muss er allerdings noch ein Kind aus den Fängen eines völlig wahnsinnigen, von weißen Engeln faselnden Entführers namens „Baby Killer Jackson“ befreien. Aber wie der Zufall es will, stammt der Wahnsinnige aus dem selben College wie Joe und er hat „Marihuanazigaretten“ bei sich. „Ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren hatte sich mit Marihuana bis in den Wahnsinn geraucht und war als Geistesgestörter zum schlimmsten Kindermörder seit Jahrzehnten geworden.“ (S.56) Jetzt ist Beel fällig. Er wird gestellt und gnadenlos verhört. Man legt ihm die Bilder der Kinder vor, „von Jackson ermordet im Marihuanawahn“ (S.61), und er wird geständig. Er schreibt die Namen seiner Kunden auf. „Sechsundvierzig Jungen zwischen jünfzehn und einundzwanzig Jahren. Und jeder einzelne hatte mit dem verflucht dummen Satz angefangen: Bloß mal sehen, wie das ist! Nur eine! Und alle sechsundvierzig waren süchtig geworden. Und vor uns saß einer, der an ihrer Sucht verdient hatte. Der Geld gescheffelt hatte, indem er andere rauschgiftsüchtig machen lasse.“ (S.61/62) Nun wollen sie noch wissen, wer der Marihuanalieferant war, und am nächsten Tag nehmen sie den Oberschurken in der Schule fest und führen ihn vor den Schülern ab, damit „der Henker“ sein Werk vollziehen kann (S.63) : Es handelt sich um „Mister Leyton“, den vierzigjährigen Schulleiter mit „den begrüßenswert modernen Ansichten“ (S.5). Zum Abschluss werden Joe und Margy beerdigt. „Es gab keine Ansprache. Die hielt Beethovens Musik.“ Das Tagebuch wird vorgelesen. „Ich glaube, daß es niemals eine eindringlichere Mahnung und Warnung vor Rauschgiften gegeben hat…Wir legten unseren Kranz vor den beiden Särgen nieder und zupften die Schleife auseinander: Der FBI – seinen zwei gefallenen Kameraden. Dann stahlen wir uns leise hinaus.“ (S.63)
Auch in der DDR interessierte man sich etwas verspätet wahnhaft für „Marihuana“, wie der gleichnamige Titel 63 von Heinz Engelke aus der „Kleinen Erzählerreihe“ beweist, der 1965 im Deutschen Militärverlag in Berlin in einer Erstauflage von 100.000 Heftchen erschien. Der langweilige Krimi spielt im kapitalistischen New York. In der interessanteren Nachbemerkung heißt es: „“Hast du Khif?“ flüstern Jugendliche an den Straßenecken, in Bars und Kellerstampen, vor Drug-stores und auf den Schulhöfen New Yorks, Münchens, New Orleans und Hamburgs. Khif – das ist die Traumzigarette – das ist Marihuana. Eine Marihuana-Zigarette ist teuer, sie kostet fünf Westmark“ Ohauahauahaua „oder einen Dollar, man braucht Geld, um sie „genießen“ zu können. Wer kein Geld hat und dem Gift verfallen ist, besorgt sich Geld. Im Gefolge dieses gefährlichen Giftes befinden sich Raub und Mord. Fünfzig Prozent der Morde in seiner Stadt seien auf den Genuß von Marihuana zurückzuführen, erklärte…ein bekannter Staatsanwalt aus New Orleans…Marihuana gehört zu den gefährlichsten Rauschgiften, deren Genuß Traumbilder weckt. Es vergiftet den Körper systematisch und macht den Menschen – wie auch der Genuß von Heroin, Morphium und Opium – zur Kreatur.“(S.30) Die Ursachen für das Problem sind offensichtlich: „In Ländern, wo Senatoren und hohe Politiker den Einsatz der schrecklichsten Waffen predigen und fordern, sehen die Menschen keine Zukunft, haben sie keine erstrebenswerten Ideale. Der Jugend bietet die offizielle Politik keine Perspektive. Sie sieht keinen Sinn in ihrem Dasein. Und so stehen die Jugendlichen an den Straßenecken, sitzen in Bars und Kellerstampen, nachdem sie sich Geld „besorgt“ haben, und flüstern: „Haben Sie Khif oder Stoff?““ (S.31)
Der Journalist und Autor Mathias Bröckers gehört zweifellos zu den umtriebigsten und präsentesten Promis auf dem Hanfaktivistenolymp. Anlass genug für das Hanfblättli, ihn einmal wie einen Hanfsamen auszuquetschen. Fangen wir harmlos an…
HanfBlatt: Du beschäftigst dich seit nunmehr drei Jahrzehnten von verschiedenen Seiten aus mit dem Thema Hanf. Zu deiner Legende gehört die Freundschaft zu dem leider verstorbenen großzügig bekiffte Weisheit und Poesie brabbelnden Hanfsadhu Wolfgang Neuss. Wie kam es dazu?
Bröckers: Das war 1981. Ich war damals Kultur-Redakteur der „taz“. Es war die Zeit der Hausbesetzungen in Berlin, und Freunde, die für das Radio arbeiteten, hatten ihn dazu interviewt. Das heisst, sie hatten eine einzige Frage gestellt und Neuss hatte darauf einen seiner genialischen Monologe abgelassen: „Also Hausbesetzer ist schon mal das falsche Wort, Hausbenutzer würde ich da erst mal sagen, denn sie benutzen ja nur etwas, was ungenutzt rumsteht…“ so ungefähr fing das an und kam dann vom hundertsten ins tausendste und wieder zurück. Ich war völlig hingerissen von diesem assoziativen Mix, der immer wieder auf den Punkt, die Pointe kam, und das in einer unerhörten politischen Schärfe und Genauigkeit, so dass ich beim nächsten Mal, als der zweite Teil des Interviews gemacht werden sollte, mitgekommen bin und ihn gefragt habe, ob er nicht eine wöchentliche Kolumne für die „taz“ machen will. Dass wir uns dann so gut kennengelernt haben und Freunde wurden, hatte mit den Bedingungen zu tun, die er für diese Kolumne stellte: Du mußt drei mal in der Woche hier vorbeikommen, einmal um das Thema zu besprechen, dann zwei Tage später den Text abholen, und dann das Honorar vorbeibringen und von den Reaktionen berichten – „und jedesmal mußt du mit mir rauchen!“ Ich stimmte zu, ahnte aber noch nicht, was da Besonderes auf mich zukommt…
HanfBlatt: Was war das Besondere?
Bröckers: Dass sich in jedem seiner von ausgewählten Fachleuten gerollten Joints exakt 1,5 Gramm bestes Haschisch befanden und von diesen Raketen täglich mindestens 20 gezündet wurden – und ich war anfangs schon nach zwei Zügen völlig platt. War es schon im Wachzustand schwer, der Geschwindigkeit seiner Intelligenz und dem Wortwitz zu folgen, blickte ich jetzt gar nichts mehr und dämmerte vor mich hin. Die ersten Kolumnen apportierte ich stolz – und mußte zu Hause sofort ins Bett. Ich sagte dann: „Wolfgang, ich kann nicht so viel rauchen bei dir, ich krieg erst Hunger und dann Durst und dann werde ich völlig breit im Kopf, kann mich nicht mehr konzentrieren, werde dösig und dämmerig…“ – „Bröckers“, meinte er dann, “ du mußt üben. Du bildest dir das alles nur ein mit dem Hunger, dem Durst, der Verwirrung, der Müdigkeit. Wer bei der besten Zeitung Deutschlands das angeturnteste Feuilleton machen will, muß doch wissen, wie man mit Drogen – mit Ekstase – richtig umgeht. Du mußt lernen, high zu sein und gleichzeitig hellwach, entspannt und gleichzeitig hochkonzentriert, auf der Erde, top-professionell, und gleichzeitig im Himmel, völlig abgefahren…“ Unter seine Briefe schrieb er gern: „Nach Diktat abgefahren“.
HanfBlatt: Und, hast Du was gelernt?
Bröckers: Zumindest war ich bis zu seinem Tod 1989 einer der fleissigsten Studenten, auch wenn ich die Neuss’sche Meisterschaft nie erreicht habe. Der konnte ja auch 20 starke LSD-Trips auf einmal nehmen und klar und ruhig sitzen bleiben – so wie Neem Karoli Baba, der indische Guru von Tim Learys Harvard-Kollegen Richard Alpert (Ram Dass). Was Hanf betrifft, habe ich tatsächlich gelernt, die meisten unerwünschten Nebenwirkungen zu kompensieren und nur die jeweils erwünschten zuzulassen. Weil ich ab 1982 als Vater von Zwillingen nach Büroschluss keine Zeit für regelmäßige Feierabend- Sessions bei Neuss hatte, verlegten wir von da an unsere Treffen auf 7 Uhr früh. Das war nun eine echte Herausforderung, denn um 10 war die Redaktionskonferenz der „taz“ und danach musste die aktuelle Zeitung gemacht werden. Wolfgang war oft schon seit 5 Uhr wach und hatte nicht schon einige Tüten, sondern auch alle Morgen-Zeitungen intus. Wir frühstückten dann an der Ecke im Café Möhring und danach in der Wohnung stellte ich das Tonband an, der Vulkan sprudelte los und ließ Lokalklatsch und Globalstrategien, Privatclinch und Weltkrieg, Kleinkunst und Großkultur, Tagesaktualität und Ewigkeit kollidieren, in einem Satz. So sind dann die meisten seiner Kolumnen entstanden – und ich habe nebenbei über die Jahre gelernt, stoned zu sein und gleichzeitig wach, konzentriert und arbeitsfähig.
HanfBlatt: Das ist allerdings eine Leistung, die Anfängern bisweilen Schwierigkeiten macht. Mag sein, dass es auch ein wenig von der Persönlichkeit abhängt. Was können wir heute noch vom Spassmeister Neuss lernen?
Bröckers: Nun, was seinen Haschisch-Verbrauch angeht, kann er sicher nicht als Vorbild dienen. Andererseits muss man die Vorgeschichte sehen, er war ein Superstar des Wirtschaftswunderlands in den 50ern, mit seinem Partner Wolfgang Müller eine Art Laurel & Hardy auf deutsch, dann in den 60ern die Nr. 1 des Kabaretts, allseits geliebt, hochbezahlt, ständig auf Achse, aber ständig auf Aufputsch-und Schlaf-Tabletten und Alkohol. Hätte er so weiter gemacht, hätte er die 70er nicht überlebt: „Ich rauche den Strick an dem ich hängen würde“ meinte er später und hat, außer etwas Opium gegen die Krebsschmerzen in den letzten Monaten, keinerlei Pillen oder Alkohol je wieder konsumiert. Ausser Hanf (und Psychedelika) ließ er nie wieder eine Substanz an sich heran. Also insofern können wir selbst aus dieser extremen Drogengeschichte etwas lernen. Darüberhinaus ist Neuss (geb. 1923) für mich einer der herausragenden Künstler-Heroen der „Stalingrad“-Generation – ein kleiner brauner Fleischergeselle, der sich im Schützengraben den Finger abschießt, um ins Lazarett zu kommen, dort als Witzeerzähler und Frontkomiker erstmals Beifall erhält, die Komik als lebensrettend entdeckt, zum opportunistischen Medien- und Filmstar avanciert, aber dann politisch wird, als Vordenker und Lautsprecher der 68er Kultur-Revolution. Und noch in seiner angeblichen „Verkommenheit“ später, als letzter Hippie und erster Punker der Republik, ein höchst sensibler und sprachgewaltiger Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen. Der intelligenteste Mensch dem ich je begegnet bin, dieser Schlachtergeselle aus Breslau. Und was das Professionelle betrifft ein wahrer Großmeister seines Fachs. Nehmen wir nur den aktuellen Champion Harald Schmidt: Was heute eine 30-köpfige Redaktion an Witz in die abendlichen Konferenzen einbringt, zauberte Neuss jeden Tag locker im Alleingang. Ich habe diese „Early Morning Shows“ jahrelang erlebt und mir bei verschiedenen Fernsehfritzen den Mund fusselig geredet, aber leider gab es in den 80ern noch kein entsprechendes TV-Format, sonst wäre das Ungeheuer von Loch Neuss garantiert noch einmal ganz groß herausgekommen. Wolfgang als zugeschaltetes Orakel der Harald Schmidt Show wäre eine unschlagbare Kombination. Aber ich will hier nicht schwärmen, sondern den Lesern seine Bücher und CDs empfehlen. Die alten Sachen in Volker Kühns Werkausgabe „Das Wolfgang Neuss Buch“ bei Zweitausendeins, die neueren auf CD bei Conträr. Das Buch, das ich aus seinen taz-Kolumnen zusammengestellt habe („Der gesunde Menschenverstand ist reines Gift“, Heyne-Verlag 1986) ist leider lange vergriffen, aber die besten Texte wurden in die letzte Auflage des Zweitausendeins-Bands aufgenommen.
HanfBlatt: Den eigentlichen Treffer hast Du selbst aber erst mit der Wiederentdeckung eines bereits in mehreren unübersichtlichen und zusammengeschustert wirkenden Auflagen erschienenen Buches namens „The Emperor wears no Clothes“ gelandet. Was hat Dich bewogen dieses Werk eines alten amerikanischen Hippies namens Jack Herer in einer ansprechenden Form auf Deutsch neu herauszugeben?
Bröckers: Die erste Ausgabe von Herers Buch landete 1987 bei mir. Kurz danach bekam ich einen Auftrag des Magazins „Transatlantik“, eine Reportage über die Cannabis-Szene in Deutschland zu schreiben. In diese Geschichte baute ich die industriepolitischen Hintergründe des Hanfverbots von 1937 aus dem „Emperor“ ein, gab die Buchquelle an und dachte mir, jetzt wird sich sicher ein Verlag dafür interessieren und das Buch auf deutsch herausbringen. Dem war aber nicht so, bis ich 1992 Lutz Kroth von Zweitausendeins beiläufig von der Story erzählte. Der fand Jacks Buch sehr spannend, aber zu chaotisch, und meinte: „Wenn Du die Redaktion übernimmst, machen wir es.“ Und ich sagte: „Ich mache es nur, wenn wir es auf Hanfpapier drucken.“ So kam dann nicht nur das Buch, sondern auch das HanfHaus ins Rollen. Ich organisierte die Hanfpapier-Produktion, und plötzlich wollten alle dieses Papier und die anderen Produkte aus Hanf. Als die Übersetzung fertig war und mein Teil über die europäische und deutsche Industrie-Geschichte des Hanfs ebenso, klang das ganze so plausibel, dass es uns niemand abgnommen hätte. Viele hätten einen Fake vermutet. Deshalb bat ich das Katalyse-Institut um eine wissenschaftliche Studie über den Rohstoff Hanf, die wir quasi als offizielle Bestätigung anhängten. Außerdem checkte ich alle Quellen und Dokumente, aber ich fand keinen Haken – und bisher hat auch niemand einen gefunden. Bis auf eine in der 2. Ausgabe korrigierte falsche Zahl über den Ölertrag hat uns seitdem niemand einen Fehler nachgewiesen – und das Buch hat mittlerweile eine Auflage von 140.000.
HanfBlatt: Wie war die Zusammenarbeit mit Jack Herer, der dadurch wohl zu den Ehren kam, von denen er immer geträumt hatte?
Bröckers: Wir lernten uns im Sommer ’93 in Paris auf einer Hanf-Konferenz kennen, da war die deutsche Ausgabe schon fast fertig. Jack war wunderbar einquartiert, auf einem Hausboot auf der Seine mitten in der Stadt, und wir redeten vom Abend bis zum Morgengrauen. Als ich ihm die Kopie der „Lustigen Hanffibel“ von 1943 zeigte, die ich gerade zuvor in der Staatsbibliothek entdeckt hatte, war er völlig aus dem Häuschen – dass auch die Nazis „Hemp for Victory“ anpflanzen ließen, schien ihm wie das Tüpfelchen aufs i. Meine anfänglichen Bedenken, so ein Nazi-Dokument zu veröffentlichen, wischte er energisch vom Tisch. Jack ist Jude, seine Eltern kamen in den 30ern aus Polen in die USA. „Wir müssen das veröffentlichen“, meinte er, „die Cannabis-Raucher sind doch die Juden von heute, sie werden verfolgt und eingesperrt für NOTHING. Wenn du ein faschistisches System kennenlernen willst, komm nach USA. Sie fordern die Kinder in der Schule auf, die Eltern zu denunzieren wenn sie Pot rauchen und bevor du einen Job kriegst, wollen sie deinen Urin schnüffeln.“ So kam also die Hanf-Fibel in die deutsche und auch in die nächste US-Ausgabe. Was die Ehre betrifft, hatte Jack die in USA schon genug, aber was nützt die tollste Geltung wenn man kein Geld hat. Das habe ich ihm mit der deutschen Ausgabe endlich mal verschafft und bin deshalb natürlich sein dickster Buddy. Er hat sich keinen Benz davon gekauft, sondern wie bei ihm üblich die Bewegung damit gepusht. Dass Hanf in Kalifornien zumindest als Medizin für Schwerkranke mittlerweile legal ist, verdankt sich auch seinem unermüdlichen Einsatz. Weil er aber zuviel isst und sich zuwenig bewegt, hat letztes Jahr sein Herz gestreikt – seitdem muss er sehr langsam tun.
HanfBlatt: „Hanf – Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Cannabis Marihuana“ ist ein echter Bestseller geworden und ein Motor der Veränderungen, die in Sachen Hanf in den letzten Jahren hierzulande stattgefunden haben. Nicht vergessen darf man dabei allerdings das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, das praktisch eine teilweise Entkriminalisierung des Besitzes geringer Mengen Rauschhanfs zur Folge hatte und die ganze Hanfwelle mit mehreren Zeitungen und einem Boom an Head- und Grow-Shops, sowie mancherorts von den Strafverfolgungsbehörden ignorierten Coffeeshop-artigen Erwerbsläden initialzündete. Wie erklärt sich aus deiner Sicht der Erfolg des Buches? Was hat es bewirkt?
Bröckers: Erstmal eine generelle, grundsätzliche Imageverbesserung. Dieser ganze Dämonisierungs-Humbug schwirrte ja, seit den 30er Jahren implantiert, nach wie vor mächtig in den Köpfen, und das wurde mit der geballten Faktenladung des Buchs zurechtgerückt. Dieser Re-Education-Effekt war das Entscheidende für den Erfolg. Die Tatsache, dass z.B. viele Schüler und Jugendliche das Buch ihren Lehrern und Eltern in die Hand drücken konnten und das Tabu, über das Pfui-Bah-Thema „Rauschgift“ zu reden, gebrochen war. Plötzlich war tatsächlich wieder von Hanf die Rede und nicht nur von Hasch & Drogen. Hans Georg-Behrs Buch, das ja so hieß, „Von Hanf ist die Rede“, hatte das zehn Jahre zuvor noch nicht geschafft, weil es den ökologischen Aspekt der Hanfnutzung nicht berücksichtigte. Dass nun Jack Herer und mir die Vaterschaft der Hanf-Renaissance zugeschrieben wird, wurmt ihn ein bißchen, und deshalb erzählt er jedem, der es nicht hören will, wir hätten alles bei ihm abgeschrieben. Das ist natürlich Unsinn, auch wenn, ebenso natürlich, alle nützlichen Informationen aus seinem Buch in unseres eingeflossen sind, aber eben auch noch einiges mehr. Und dieses Mehr, die Tatsache, dass jetzt die ganze Pflanze, statt nur der Rausch-Aspekt, Thema war, brachte die entscheidende Wende. Als ich die ersten zehn Exemplare des Buchs frisch aus der Druckerei bekam, schickte ich sieben davon nach Karlsruhe an die sieben Verfassungsrichter. So wie die hervorragende Arbeit von Wolfgang Neskovic auf der juristischen Seite, hat das Buch auf der publizistischen Seite wohl entscheidend zu der Trendwende in Sachen Hanf beigetragen. Dazu kam dann das Gerichtsverfahren um den Anbau von Nutzhanf, das wir mit der „Hanfgesellschaft e.V.“ initiiert hatten und das 1996 erfolgreich war. So kam Hanf zurück auf die Felder. Und das HanfHaus, das als erstes Unternehmen in Deutschland wieder Produkte aus Hanf auf den Markt brachte, löste einen wahren Gründerboom aus. Seitdem ist die Pflanze fast in jeder Stadt wieder präsent. Und wie bei jedem Pionier-Boom üblich – am IT-Markt haben wirs gerade erlebt – folgt solch stürmischen Wachstumsphasen zwangsläufig ein Tief. In der Hanfbranche setzte das 1998 ein, zusätzlich forciert durch die Verschärfung der Gesetze zum Samenverkauf. So ganz tatenlos wollte die Kohl-Regierung den blühenden Hanflandschaften dann doch nicht zusehen. Auch die Schikanen in Sachen Führerschein, die dann einsetzten, sind ja nichts als ein plumper Versuch, hinterrücks auf die Hanfbremse zu treten – wo doch das Verfassungsgericht beim Gesetzgeber eigentlich angemahnt hatte, die Repressionen zu lockern. Was die legalen Hanfprodukte betrifft, so blieb von allen Produkten, die das HanfHaus auf den Markt brachte, kein einziges unbeschlagnahmt – ob Hosen, Shampoo, Möbelöl oder Unterhosen. Solche Schikanen machen den Aufbau neuer Märkte für den Rohstoff Hanf nicht leichter – ganz abgesehen davon, dass es nachwachsende Rohstoffe gegen die petro-chemische Konkurrenz sowieso schon schwer genug haben. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten, bin ich als Schreiberling mit der Wirkung des Buchs mehr als zufrieden. Es bestätigt den Schmetterlingseffekt der Chaostheorie: Auch ein kleiner Furz kann, im richtigen Moment gelassen, weltbewegende Wirkung haben. Und dieses Buch, das eine Weltauflage von über 500.000 hat, hat tatsächlich schon einiges bewegt in der Welt und tut es weiter. 70 Jahre Desinformation lassen sich nicht in 7 Jahren umdrehen, aber es fehlt nicht mehr viel! Der ganze Drogenkrieg kippt… und ein Cannabis-Friede wird der Anfang vom Ende dieses Kriegs sein.
HanfBlatt: Ich möchte gerne nochmal den inhaltlichen Aspekt des Buches ansprechen. Kernthese des Buches ist, dass Hanf nämlich eine anspruchslose und dabei ungeheuer produktive und äusserst vielseitig nutzbare Pflanze ist. Hanf allein könnte als nachwachsender Rohstoff einen Großteil der Probleme beseitigen, die gegenwärtig dadurch entstehen, dass insbesondere zur Cellulose-, Baustoff-, Faser-, und Ölgewinnung unersetzbare Rohstoffe ausgebeutet werden, namentlich Rohöl und Holz. Auf diese Weise könne Hanf sozusagen die Welt retten. Eine sicherlich verführerische These für jeden Hanffreund. Kritische Stimmen erheben allerdings Bedenken und warnen vor den ökologischen Konsequenzen einseitiger Hanf-Monokulturen. Auch sei die traditionelle Aufschliessung der Hanffasern durch die sogenannte Hanfröste ein Wasser verschwendendes und stark verunreinigendes Verfahren. Was hälst du diesen Bedenken entgegen?
Bröckers: Verglichen mit den Pestizid-Orgien des industriellen Baumwollanbaus ist die Wasserröste doch ein völlig harmloses Verfahren – kein Gramm Chemie kommt zum Einsatz, auch wenn die Brühe, in der die Hanfstengel aufgeweicht wurden, natürlich nicht einfach in den nächsten Fluß geleitet werden kann. Wenn sie aber, wie das z.B. in Rumänien geschieht, als Düngung wieder auf die Felder kommt ist das ökologisch absolut in Ordnung – ein Kreislauf. Dennoch können so altertümliche Verfahren in Zukunft nicht konkurrenzfähig sein, schon gar nicht von der Baumwolle irgendwelche nennenswerten Marktanteile im Textilsektor zurückerobern. Dazu müssen modernere Technologien des Faseraufschlusses, die bereits existieren, vom Labormaßstab in die Praxis umgesetzt werden.
Die These, dass Hanf die Welt retten kann, war natürlich zugespitzt und plakativ, aber ich unterschreibe sie immer noch, auch wenn eine Lösung für die komplexen Probleme des Planeten defintiv nicht ausreicht. Aber Hanf weist überall in die richtige Richtung, ökologisch, ökonomisch, medizinisch und spirituell. Dass der Rohstoff Hanf nach 70 Jahren der Verbote und des Vergessens die Weltmärkte nicht im Sturm zurückerobern kann, ist klar – aber ebenso klar ist, dass er auf ewig als Rohstoff nicht konkurrenzfähig sein wird, solange die Umweltschäden des Baumwollanbaus oder der Waldvernichtung für Papier aus Holz, nicht in die Preise dieser Produkte eingehen. Würde ein konsequentes Verursacherprinzip eingeführt, sind Hanfprodukte schon jetzt konkurrenzfähig und erst recht, wenn sie massenhaft produziert würden. Mono-Kulturen sind dabei übrigens nicht zu befürchten. Hanf ist eine ideale Zwischenfrucht und hinterlässt die Äcker für die Nachfolgepflanzen in optimalem, giftfreien Zustand.
HanfBlatt: Die zweite zentrale These eures Buches lautet: Die rassistische zunächst gegen diskriminierte Minderheiten wie Mexikaner und Schwarze und mit ihnen verkehrende Weisse gerichtete „Marihuana“-Verteufelung, die in den 30er Jahren in den USA unter Harry J. Anslinger, dem langjährigen Leiter des U.S. Narcotics Bureau, begann, diente in erster Linie der Diskreditierung des Hanfes. Es existierte eine Verschwörung von Grössen aus der Holz- und Chemieindustrie, die dadurch den lästigen Konkurrenten Hanf ausschalten wollten. Hier führen Kritiker an, dass der Hanf, sofern er der Berauschung diente, auch schon vor Anslinger in vielen Ländern umstritten war und bekämpft wurde, in manchen Ländern wie Ägypten schon seit Jahrhunderten. Auch die internationalen Gesetze gegen Opium, Opiate und Kokain schlossen den „Indischen Hanf“ schon in den 20er Jahren mit ein. Die Verteufelung habe also vielerorts eine erheblich längere Geschichte. Einen nicht unerheblichen Teil daran habe auch die westliche Medizin und die Pharmaindustrie gehabt. Auf der anderen Seite sei der Hanf z.B. in Deutschland schon Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund zu hoher Verarbeitungskosten gegenüber ausländischen Faserpflanzen (wie Baumwolle, Jute etc.) nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Erst während des Ersten Weltkrieges und zur Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges entsann man sich wieder seiner Qualitäten als einheimische Nutzpflanze. Danach verschwand er wieder langsam in der Versenkung. Der Anbau selbst wurde in der Bundesrepublik ja erst Anfang 1982 verboten. Hat es diese Verschwörung also wirklich gegeben?
Bröckers: Letztes Jahr habe ich mich als Herausgeber des „Lexikons der Verschwörungstheorien“ von Robert Anton Wilson eingehend mit der Struktur von Verschwörungen beschäftigt, die ja eigentlich die selbstverständlichste Sache der Welt sind: A und B verabreden sich heimlich, um sich gegenüber C einen Vorteil zu verschaffen. Das kommt in jedem Fischteich, jedem Biotop vor und auch in jeder Gesellschaft. Ein weiterverbreiteter Irrglaube ist allerdings, das solche Verschwörungen lange, gar über Jahrhunderte andauern. Insofern ist es sicher Unsinn, heute noch von einer Anti-Hanf-Verschwörung zu sprechen – dass aber die Barone der US-Petrochemie wie Irenee DuPont und Andrew Mellon (Gründer von Gulf-Oil) in den 30ern die Fäden für die erste Prohibitions-Kamgagne gezogen haben ist evident: Das Geld für die erste offizielle Anti-Marihuana.Kamgane kam von ihnen und dass ihr Leiter Harry Anslinger Mellons Schwiegerneffe war, ist nicht einfach ein Zufall. Eine großindustrielle Nutzung von preiswertem Faserhanf, die dank der neu entwickelten Maschinen gerade ins Haus stand und vom US-Landwirtschaftsministerium propagiert wurde, hätte die Markteinführung der DuPont-Kunstfasern aus Öl ganz erheblich erschwert. Dennoch ist dieser industriepolitische Hintergrund nicht die einzige Ursache für das Hanf-Verbot, aber er erklärt die Dynamik der Kampagne, die sich dann ja bis in die Single-Convention der UN durchgeschlagen hat. Neben den Geschäftsinteressen der petro-chemischen Industrie spielten auch rassistische, repressive Motive dabei eine wichtige Rolle. Die Hetzpresse von Hearst hatte schon in den 20ern begonnen, eingewanderte Mexikaner und Schwarze als Kriminelle und Drogenabhängige zu denunzieren, der Überhang an Verfolgungsapparat am Ende der Alkohol-Prohibition tat ein übriges. Da passte alles zusammen. Und sorgte dafür, dass die Hanfnutzung bis heute nicht an die technische Moderne angeschlossen ist. Die wunderbaren Fasern meines Hanf-T-Shirts, dass ich auch bei aktuellen 34 Grad Temperatur mehrere Tage tragen kann ohne verschwitzt zu riechen, werden noch so gewonnen wie zu Urgroßvaters Zeiten. Was die eigentlichen Schweinereien der Herren DuPont, Hearst und anderer betrifft, gehen die übrigens weit über ein bißchen Drehen an der Hanf-Repressions-Schraube hinaus. Ein Forscher aus Kentucky hat ausgehend von Jack Herers Dokumentation herausgefunden, dass DuPont als glühender Rassist und Antisemit u.a. den Aufbau einer faschistischen Organisation in den USA nach Vorbild der SS (Black Legion) finanzierte und Hearst ab 1934 von Nazi-Propagandaminister Goebbels 400.000 $ pro Jahr erhielt – und der „Readers Digest“ von da an auf nazi-freundliche Berichterstattung umschwenkte. Mittenmang in diesem braunen Fan-Club waren übrigens auch der Banker George Walker, der Urgroßvater des heutigen Präsidenten George W. Bush, dem er das Dabbelju in seinem Namen verdankt, und dessen Schwiegersohn Prescott Bush. Sie ergatterten in den 30er Jahren das heutige Vermögen des Clans, vor allem durch Geschäfte mit dem aufrüstenden Hitler-Deutschland. Prescott kam 1942 vor Gericht, wegen „Dealing with the enemy“ und weil er faschistische Gruppen in den USA unterstützt hatte. Dass Walker und Bush „zu den wichtigsten amerikanischen Unterstützern Hitlers“ zählten, wie ein zeitgenössischer Journalist schrieb, bleibt in den Biographien über die Familie heute natürlich ausgespart. Und dass DuPont, der in den 30ern General Motors kontrollierte, der Nazi-Wehrmacht ihr wichtigstes Transportfahrzeug, den Opel Blitz, lieferte, kommt in den Firmen-Biographien des weltgrößten Chemiekonzerns heute natürlich auch nicht mehr vor. Die Autos für den Blitzkrieg hätten ohne Treibstoff freilich nicht rollen können, deshalb verkaufte DuPont auch noch das Patent für die Gewinnung von „Holzgas“, also die Gewinnung von Treibstoff aus nachwachsenden und fossilen Rohstoffen, an die Nazis. Für die USA hatten die Ölbarone DuPont vor einer Nutzung dieses Patents gewarnt, es hätte Wettbewerb für ihren Sprit aus Öl bedeutet, aber Hitlers Wehrmacht durfte er damit ins Rollen bringen. „Holzgas“ wird im übrigen auch in der „Lustigen Hanffibel“ von 1942 erwähnt – inwieweit damals konkrete Versuche mit Hanf als Energiepflanze gemacht wurden, versuche ich gerade herauszubekommen.
HanfBlatt: Welche Visionen hast Du für eine Zukunft mit Hanf?
Bröckers: Wie schon gesagt glaube ich, dass ein Cannabis-Friede der Anfang vom Ende des Drogenkriegs sein wird. Dass wir das Problem mit Drogen, Sucht und Elend nicht durch Krieg in den Griff bekommen, dass der Kampf gegen Drogen mehr Probleme verursacht als löst – diese Erkenntnis setzt sich mehr und mehr durch, auch in konservativen Kreisen. Und doch fällt es der Gesellschaft natürlich schwer, erstmal Ja zu sagen zu Drogen, den Dämon sozusagen zu umarmen, seine Anwesenheit und Notwendigkeit zu akzeptieren – doch nur so kann er seinen Schrecken verlieren. Das heißt nicht, dass nicht auch dann noch Menschen Probleme damit bekommen – von 100 Bewohnern im globalen Dorf werden immer 3 oder 4 schwere Sucht und Abhängigkeiten entwickeln und weitere 3 oder 4% sind möglicherweise gefährdet, aber für die restlichen über 92% überwiegen die Vorteile bei weitem die Nachteile – egal um welche Substanz es sich handelt. Beim Hanf ist das von allen illegalen Drogen am leichtesten einzusehen – und deshalb denke ich, dass hier in den nächsten Jahren eine Wende erfolgen wird. Die Schweiz könnte als Laboratorium einmal mehr Vorreiter sein. Was die deutschen Gesetze betrifft, hoffe ich, in meinem Rechtsstreit um den Verkauf von Vogelfutter im HanfHaus vielleicht ein bißchen an dem 1998 ergangenen Samenverbot rütteln zu können. Vorerst steht da für mich aber erstmal das Gegenteil – 17 Monate auf Bewährung – im Raum. Die nächste Instanz wird voraussichtlich erst kommendes Jahr stattfinden. Falls sich bis dahin Rot-Grün zu einem Hauch von Reform aufrafft, oder zumindest einer Ankündigung derselben, könnte das der Wahrhheitsfindung des Gerichts sicher dienlich sein. Mit einer Entkriminalsierung des Besitzes und der Erlaubnis zum Anbau für den Eigenbedarf werden 90.000 von den 94.000 Justizverfahren, die im Jahr 2000 in Sachen Cannabis Kosten verursachten, überflüssig. Das wäre ein erster sinnvoller Schritt. Und was die Nutzung von Hanf als Rohstoff angeht, ist meiner Meinung nach ein besonderes Wiedergutmachungsprogramm nötig, sprich Zusatz-Förderung für Forschung, Entwicklung und Vermarktung von Hanf als Rohstoff. In das große Bio-Anbau-Programm, dass Renate Künast annonciert hat, passt Hanf ja wie der Faust aufs Gretchen….
HanfBlatt: Arbeitest Du an irgendwelchen konkreten Projekten?
Bröckers: Als aktiver Geschäftsführer des HanfHauses bin ich in diesem Sommer ausgestiegen – aber als Berater und Gesellschafter weiter an Bord. Ich werde in Zukunft wieder mehr schreiben. Gerade ist die Taschenbuchausgabe meines letzten Buchs über das Übernatürliche erschienen („Können Tomaten träumen?“ – Königsfurt-Verlag), und die da ventilierten Themen – Kosmologie, Quantenphysik, Katastrophentheorie, Bewußtseinsforschung usw. – beschäftigen mich weiter. Auch das Thema Verschwörungen. Und natürlich Hanf. Ich suche gerade nach Finanzierung für einen asketisch-luxuriösen, hanfgebundenen Fotoband – Mäzene bitte melden! Ja, und dann gibt es ein noch nicht ganz konkretes Projekt, das ich deshalb auch noch nicht ausplaudern kann, von dem ich mir aber viel verspreche. Es könnte einen ähnlichen Kick auslösen wie es das gelbe Buch in Deutschland getan hat – aber auf globaler Ebene. Es gibt immer noch viel zu tun – pflanzen wirs an!
Von oder mit Mathias Bröckers sind unter anderem der Bildband „Cannabis“ und natürlich das hier besprochene Buch von Jack Herer erschienen . Leicht zu bestellen über Amazon, neu oder gebraucht:
Interview mit dem ehemaligen Kokainhändler Ronald Miehling, der über Jahre den deutschen Markt mit Kokain versorgt hat.
Er kehrte in den Koka-Labors in den Wäldern Kolumbiens ein und aus, wies seinen Kurieren den Weg nach Deutschland und Europa und organisierte die kiloweise Verteilung von Kokain an die Zwischenhändler. Er wurde reich, seine Mitarbeiter auch, und zog ganz nebenbei noch „mindestens zwei Kilo durch die Nase“. Ein Leben im Rausch. Dann, 1994, war das „lustige Geschäft“, wie er den Kokainhandel selber nennt, vorbei. Observiert hatte man in schon zwei Jahre lang, ein Einsatzkommando nahm ihn in Venezuela hoch, nach der Auslieferung verurteilte man ihn in Deutschland zu 12 1/2 Jahren Haft. Der Richter vermutete, dass im Prozess nur an der „Spitze des Eisbergs“ gekratzt wurde. Über acht Jahre hat Ronald „Blacky“ Miehling nun hinter sich, davon die ersten zwei in Isolationshaft. „Ein Wunder, dass ich dabei nicht beknackt geworden bin“, sagt er. Jetzt ist seine Lebensgeschichte als Buch erschienen. Im Interview berichtet Miehling von der Kunst des Schmuggelns, der Moral des Dealens und dem ordnungsgemäßen Konsum von Kokain.
Frage
Wie fing deine Tätigkeit im Kokain-Business an?
Miehling
Tja, das waren Verknüpfungen glücklicher und unglücklicher Umstände. Angefangen habe ich hier in Hamburg mit Gramm-packets. Ein paar Jahre später stand ich auf der Plantage und noch ein viertel Jahr später stand ich direkt in der Koka-Küche. Das Prinzip ist doch immer das gleiche überall auf der Welt: Man lernt die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt kennen.
Später waren Deine Kontakte so gut, dass Du in Kolumbien direkt vom Hersteller beziehen konntest. Welchen Weg nimmt das Kokain von dort aus?
Wie man weiß, wachsen in Kolumbien Bananen. Die werden dort geerntet, verschifft, kommen hier an und werden dann gegessen. Genau so läuft das bei Kokain ab. Der Unterschied ist nur, dass die Arbeit in geheimen Dschungel-Labors ablaufen muss. Die Bauern sammeln die Blätter, irgendein Konsortium backt das zu Koks zusammen und dann wird´s verkauft.
Und je direkter der Kontakt, umso preiswerter die Lieferung.
Klar, zuletzt habe ich 800 Mark für das Kilo bezahlt, und zwar direkt an die Polizei.
An den Beamten vor Ort?
Die verdienen dort unten halt sehr wenig und manchmal haben sie Glück und können Kokain beschlagnahmen. Ein Teil davon wird einfach gegen Attrappen ausgetauscht und meistbietend abgegeben. Wenn es ganz gut läuft, dann bringen sie einem das sogar noch auf´s Schiff.
Wo es dann unter falscher Deklaration nach Europa verschifft wird?
Oder es wird in wasserdichten Metallkästen an den Schiffsrumpf angeschweißt. Oder im Steuerkasten versteckt. Oder ein Crewmitglied nimmt es mit. Es gibt viele Wege, bekannte und unbekannte.
Dann bitte einen unbekannten.
Na, bleiben wir mal ruhig bei den bekannten. Zunächst gilt es zu wissen, wie die Leute an den Grenzen funktionieren. Und da kann ich sagen: Alle Zöllner dieser Welt funktionieren gleich, alle Bullen dieser Welt funktionieren gleich. Alle haben gewisse Konstanten in ihrem Verhalten. Jetzt muss man nur etwas finden, was in ihr Bild passt und daneben die eigentliche Ware durchschieben. Das ist der ganze Trick.
Ein Beispiel, bitte.
Am Flugplatz stehen die Scouts der Zöllner rum und achten darauf, dass sich jemand auffällig benimmt. Der wird dann rausgepickt und untersucht. Was sie nicht mit kriegen ist, dass nebenan eine ganze Karawane durchläuft. Das nennt man den Hasen jagen. Das hat früher gut funktioniert, heute wohl nicht mehr.
Hört sich eher nach Kleinhandel an.
Na ja, das ging um bis zu 70 Kilo in einer Fuhre. Das ist kaum noch Kleinhandel.
Damit war der Monatsbedarf für Euren „Verein“ gedeckt?
Ungefähr. Unser damaliger Monatsbedarf lag zwischen 50 und 200 Kilo.
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Welches Gebiet konntest Du damit abdecken?
Das hat mich nie interessiert. Ich habe nur bemerkt, dass der Preis erheblich fiel, wenn ich den Markt voll geschmissen habe und anstieg, wenn ich es zurück hielt. Teilweise habe ich darum unter Preis verkauft, dann solange gewartet, bis die anderen Händler, die in Holland teuer gekauft hatten, an den niedrigen Preisen erstickt sind und verzweifelt in andere Städte abtransportiert haben. Dann habe ich den Markt zugemacht, den Preis erhöht und mein Defizit doppelt wieder drin gehabt. Das nennt sich Marktwirtschaft.
Wobei die Illegalität Eure Gewinnspannen in die Höhe trieb.
Wenn du ein Kilo in Südamerika kaufst und hierher transportierst, dann gibst du maximal 5000 Euro aus, eher sogar 2500 Euro. Hier erzielst du im schnellen Verkauf 30.000 Euro, im Großhandel 20.000 Euro und im Straßenverkauf, tja, rund eine viertel Million. Da fließen enorme Gelder. In Deutschland liegt heute so viel Kokain rum, dass selbst bei einer Schließung aller Grenzen der Markt noch mindestens drei Monate beliefert werden könnte. Würde man Holland noch dazu rechnen, dann würde dieser Zeitraum sogar auf ein halbes Jahr anwachsen.
Wenn man Dich so hört, dann könnte man auf die Idee kommen, dass der Handel mit Kokain eine großer Spaß für die ganze Familie ist.
Du musst es mal so sehen: Ich habe in Holland immer zwischen zwei und vier Leuten nur zum Knallen gehabt.
Knallen?
Ja, Leute, die Probleme mit der Waffe bereinigen. Aber die habe ich nie gebraucht und darauf bin ich stolz. Alle meine Konkurrenten haben die benutzt, weil es halt ein hartes Business ist. Ab einer gewissen Größenordnung gibt es nur noch zwei Arten von Geschäftsleuten: Gerade oder Tote.
Und wie sichert man sich da ab?
Du kannst dich nicht absichern, kein Menschen kann sich absichern, nicht mal der amerikanische Präsident kann sich absichern. Das heißt: entweder du hast einen Namen in der Branche und bist als korrekt bekannt oder du bist ein toter Geschäftspartner.
Wurde irgendwann das Geschäft zu groß oder woran lag es, dass die Polizei aufmerksam wurde?
Das lag an meinem falschen Personal. Siehst Du, ob ich eine Mark oder eine Million in der Tasche habe, das merkst du mir nicht an. Ich bin immer der gleiche Mensch…
Das kommt selten vor.
Ja, aber für mich ist Geld nur ´ne Menge Chips und die tausche ich gegen Spaß ein. Mehr ist das nicht. Ab einer bestimmen Summe ist Geld uninteressant. Mit 5000 Euro im Monat kannst du alles abdecken um normal zu leben, alles darüber ist Luxus. Wenn der da ist – gut, wenn nicht – auch gut. Einige Leute, die mit mir zusammen gearbeitet haben, die sahen das anders. Die hatten vorher noch nie einen Tausender gesehen und plötzlich hatten sie ´ne Million in der Tasche. Und plötzlich waren alle anderen nur noch Penner für sie. Wenn man so denkt, dann überschätzt man sich.
Und das ist schlecht für das Geschäft?
… dann geht das irgendwann nach hinten los. Das war ein Grund, weshalb das Geschäft scheiterte: die Leute haben nicht richtig funktioniert.
Gab es noch andere Gründe?
Ich hatte verboten auf St.Pauli zu verkaufen und ich hatte verboten an Kleindealer und Junkies zu verkaufen. Einer meiner Leute garantierte aber immer häufiger für irgendwelche Kleindealer und sprach diese „gut“. So nach dem Motto: „Der ist in Ordnung.“ Dieses ewige Gutsprechen. Na ja, und dann hat er einen erwischt, der war nicht gut. Dieser V-Mann hatte selbst Probleme mit seinem Drogenkonsum, er stand unter Druck, er musste also was liefern. Mein Mann hatte ihm sehr Reines gegeben und behauptet, er können davon mehr besorgen. So hat der V-Mann die passende Geschichte dazu erfunden und bei der Polizei gesungen: „Ein Schiff wird kommen.“
Aber es kam gar keines.
Jedenfalls nicht das, auf welches die Polizei in Bremerhaven wartete. Leider traf ich den V-Mann ebenfalls und so entstand meine Akte. Zwei Jahre lang haben sie mich beschattet – ohne etwas nachweisen zu können. Dann kam der nächste Fehler und wieder nur, weil Leute nicht richtig funktioniert haben.
Wie viele Schritte sind es vom Labor in Südamerika bis zur Linie auf dem Spiegel?
In den Labors in Kolumbien wird Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 88 bis 96 Prozent hergestellt. Dann landet es in Europa und wird zum Beispiel in den Labors in Holland sofort in die große Mischmaschine geworfen und um 50 Prozent gestreckt.
Streckmittel?
Unterschiedlich. Koffein, Mannitol, Lidocain, Speed – einmal Bayer Leverkusen hoch und runter. Alles was knallt. Die Koks-Konsumenten brauchen diesen Kick. Reines Kokain macht keinen Kick, das wissen die nur nicht. So, dann fahren die Zwischenhändler rüber und kaufen das in Kilo-Portionen für 20 bis 25 Tausend Euro. Ist es in Deutschland gelandet, wird es wieder Eins zu Eins gestreckt. Dann geben diese Dealer das weiter an ihre Kleinhändler und die, nun die strecken wiederum Eins zu Eins. Bis es auf dem Markt ankommt hat es – wenn man Glück hat – also noch 10 Prozent. Wenn du eine Top-Quelle hat, dann kriegst du vielleicht mal 20-prozentiges. Da ist doch einfacher in die Apotheke zu gehen, sich ein paar Chemikalien zu holen und sich die in die Birne zu knallen. Billiger ist es zudem.
Und gesünder.
Wahrscheinlich auch. Dabei lässt sich reines sehr einfach von unreinem Kokain unterscheiden.
Wie?
Wenn sie auf Steine, also stark gepresstes, krümeliges Kokain treffen, denken viele, sie hätten gutes Koks vor sich. Quatsch. Gutes Kokain ist immer Pulver und wird höchstens dadurch gepresst, dass es feucht verpackt wird. Es ist nie steinig. Im Gegenteil, bestes Kokain ist kristalin, staubfein oder flockig. Zum Testen nimmt man eine sehr, sehr kleine Menge, streut es auf ein Stück Silberfolie und erwärmt diese von unten mit einem Feuerzeug. Dann fängt es an zu schmelzen und muss – das ist wichtig – einen scharfkantigen Hügel bilden. Wenn es an den Seiten brodelt, dann ist es mit Mannitol gestreckt. Zudem darf die erwärmte Masse nicht chemisch oder süß stinken. Wer einmal gutes Kokain gerochen hat, erkennt es immer wieder. Nach dem vorsichtigen, mehrmaligen Erwärmen darf nur ein Nagellacktupfer übrig bleiben. Streicht man über diesen mit dem Finger, dann darf das nicht kratzen, sondern muss wie lackiert sein.
Aber wer kriegt solches Kokain unter den Nagel?
Klar, der Test kann den Leuten nur zeigen, was sie sich für einen Müll reinziehen.
Ist es Deiner Meinung nach die chemische Verunstaltung der Substanz, die die Probleme für den Konsumenten schafft?
Zum einen sicher. Zum anderen: Welcher Wein- oder Whiskeyliebhaber kommt auf die Idee, sich seinen Alkohol intravenös zu spritzen? Keiner.
Also sind – wenn man schon Drogen nehmen will – die natürlichen Wege vorzuziehen?
So ist es. Ich habe mindestens zwei Kilo durch meine Nase geblasen. Und? Ich habe kein Bedürfnis, sehe klar aus und bin hell in der Birne.
Das klingt nach einem Hohelied auf Kokain.
Es ist doch einfach so: Jeder Mensch hat seine persönliche Dosierung. Wenn ich meine Dosierung treffe, dann bin ich tatsächlich das Monster im Bett, der Weltmeister in der Disco und habe auch noch eine Bewusstseinserweiterung. Nehme ich aber ein bisschen zu viel, dann geht das direkt nach hinten los. Richtiges Kokain wirkt rund vier Stunden, bei korrekter Dosierung kann man alle paar Stunden nachtanken und den Zustand so über zwei Tage erhalten.
Um sich danach direkt in die psychiatrische Anstalt zu begeben?
Nach einem solcher Tour muss man mindestens eine Woche Pause machen. Ich habe oft zwei, sogar vier Wochen nichts genommen und hatte danach wieder mit äußerst geringen Mengen von einem Zehntel Gramm meinen Spaß. Man muss Genießer sein und dann ist diese Droge in Ordnung.
Unter der Voraussetzung, dass man mit der reinen Substanz hantiert.
Das ist natürlich richtig. Jeder Dealer, der das mit irgendwelchen linken Mitteln streckt ist für mich ein Verbrecher. Ganz einfach. Ansonsten ist der Handel mit Kokain für mich kein Verbrechen. Die Alkohol- und Tabakdealer werden ja auch nicht bestraft.
Warum dann die Kokaindealer?
Weil das Kokaingeschäft ein riesiger Wirtschafts- und damit Machtfaktor ist. Ab einer gewissen Größenordnung nimmt man nicht nur viel Geld ein, man hat auch bestimmte Kontakte, Verbindungen und es entstehen gegenseitige Abhängigkeiten. Wenn eine Gruppe die enormen Geldströme bündeln würde, was dann? Dann könnte diese sich Politiker und Beamten kaufen. Jeder Mensch hat seinen Preis. Hier in Europa sind die Leute ein wenig teurer, in Südamerika sind sie ein wenig billiger. Nicht die Schädlichkeit der Droge stinkt dem Staat, sondern die politische Macht in ihrem Dunstkreis.
Wusstest Du, dass einige deiner Kunden mit der Droge nicht richtig umgehen können?
Nein, dass war mir nicht klar, denn wir haben in die Schickeria geliefert. Zudem müsste, wenn man so denkt, jeder Alkoholhersteller den Moralisten raushängen lassen und seinen Laden schließen. Ich zum Beispiel bin nikotinsüchtig, aber dafür mache ich doch nicht den Zigarettenhersteller verantwortlich. Klar, Moral ist gut, aber wo fängt sie an und wo hört sie auf?
Das fragt sich wohl auch die CIA, die in den Kokainhandel in Kolumbien verstrickt ist.
Ja, damit werden Kriege sowie halb- und ganz illegale Aktionen in Südamerika finanziert. Die Gewinnspannen sind einfach so hoch, dass einige Regierungen überhaupt kein Interesse daran haben, die Illegalität von Kokain abzuschaffen. Wenn du von zehn Transporteinheiten á einem Kilo nur zwei durchkriegst, dann hast du immer noch Gewinn. Bei dem Geschäft kann man nicht verlieren.
Außer die Freiheit.
Genau, und die habe ich verloren, weil ich nicht monströs genug war. Ich verstehe zwar, wie die Kolumbianer denken, aber selbst so denken kann man als Mitteleuropäer nicht. Die Illegalität ist ein Mordsgeschäft und wird von den Regierungen benutzt, um Politik zu machen. Denen geht es nicht um die Droge.
Das Verbot trifft demnach die Falschen?
Der Mensch sitzt da und denkt, „das ist nicht alles“. Dann macht er Sex, trinkt Alkohol, geht in die Disco, raucht und probiert anderes aus. Das kriegt man durch Verbote nicht aus ihm raus, dieses Verlangen. Er muss also lernen, was und wie viel davon gut für ihn ist.
Stärkung der Eigenverantwortlichkeit ist demnach das Thema.
Das ist der Weg. Restriktionen führen auf Dauer zu nix, im Gegenteil; es gibt genug Leute, die lassen sich immer wieder was neues einfallen, wie man diese Verbote umgehen kann. Ein Kolumbianer sagte mal zu mir: „Eine Tür geht zu, zehn andere öffnen sich. Wo ist das Problem?“ Er hatte Recht.
Wie siehst du den Kokain-Markt heute?
Früher war das eine Art Gentleman-Geschäft. Es gab Räuberbanden, so wie ich eine hatte. Dann hat die Polizei fast alle deutschen Gruppen weggefangen und jetzt haben wir ausländische Gruppen. Die haben bekanntlich eine etwas andere Mentalität. Toll, sage ich da, jetzt haben wir die organisierte Kriminalität, die so lange beschrieen wurde. Selbst Schuld. Jetzt wird bei jeder Gelegenheit geballert und die Gewinne werden sofort ins Ausland transferiert. Da kann man den Behörden nur zu ihren unbestreitbaren Erfolgen beglückwünschen – gute Arbeit, Jungs!
Hast du noch Kontakt zu den alten Geschäftspartner?
Blöde Frage.
Klingelt mal jemand? Schreibt mal jemand einen Brief?
Ich habe keine Feinde und viele Freunde. Denn ich verrate keine Wege und keine Freunde. Das habe ich nie und werde ich auch nicht. Ich hätten diesen Knast gar nicht antreten müssen, die DEA hat mir ein Angebot gemacht, da hätten andere nicht nein gesagt.
Über zwei Drittel der Strafe hast du um. Sind die Zustände im Knast so bestürzend, wie oft beschrieben?
Schlimmer. Das ist Villa Kunterbunt da.
Drogen aller Art?
Ein Wunschkonzert. Alles vorhanden, da wird jeder glücklich. Was in letzter Zeit weniger geworden ist, ist Alkohol, der ist zu groß zum transportieren. Wir haben ein Top-Strafvollzugsgesetz, da drin ist alles geregelt – es hält sich nur keiner danach. Es herrscht Gutsherrenmentalität unter den Beamten. Die wollen, dass man losgeht und den reuigen Sünder spielt und sich von ihnen sagen lässt, wie man zu leben hat. Die Knakis werden so belogen und schikaniert, bis sie den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren und nach ihrer Entlassung bald wieder als treue Kunden zurückkehren. Große Firmen nennen so was „Kundenbindung“.
Das nennt sich Resozialisierung.
So ist es. Aber ich habe einen dicken Kopf und ich bin in meinem Leben immer gut klar gekommen. Wo ich hingekackt habe, da haben die noch nie hingerochen. Ich sage mir, wenn ich mir jetzt den Finger in den Arsch stecken lasse, dann steckt mir draußen jeder den Finger in den Arsch.
Mit dieser Einstellung wird es sicher nicht einfacher dort.
Klar. Ihr Versuch mich zu beugen fing ja schon mit der Isolationshaft an. Zwei Jahre lang habe ich nur den Schließer gesehen und mit niemanden gesprochen. Weißt du, in der Türkei, da werden die Leute verhauen, da siehst du blaue Flecken, aber hier ziehen sie so ´ne Nummern mit dir durch, denn auf der Seele siehst du keine Narben.
Danke für das Gespräch.
Literatur
Im Rowohlt Verlag ist von Ronald Miehling und Helge Timmerberg ein Buch mit dem Titel „Schneekönig“ erschienen. Leicht neu oder gebraucht zu bestellen über Amazon:
Update 2007
Drei Jahre nach seiner Freilassung wurde Ronald Miehling im November 2006 in Hamburg wieder verhaftet. Der Vorwurf: Schmuggel von mindestens 40 Kilogramm Kokain von Kolumbien nach Deutschland. Im Mai 2007 wurde er erneut verurteilt, das Landesgericht Hamburg sprach knappe acht Jahre Haft aus.
Update 2013
Ein Doku-Film über Ronald Miehling ist erschienen. Der Schneekönig.
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