Trotz neuer Richtlinien: Schiffsabgase belasten die Umwelt stark
Jörg Auf dem Hövel
Container- und Kreuzfahrtschiffe blasen enorme Schadstoffmengen in die Luft. In den Hafenstädten regt sich Widerstand.
Jahre lang war es relativ ruhig um die stinkende Pötte in den Häfen der Republik. Diese stoßen enorme Mengen an Abgasen aus, da ihre Motoren oder Hilfsmotoren immer laufen, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Man war gleichwohl glücklich: Glücklich darüber, dass der Warenumschlag Arbeitsplätze sichert, glücklich darüber, dass sich aus den Kreuzfahrtschiffen Touristenströme in die Innenstädte ergießen. Dabei war das Problem längst bekannt, denn die laufenden Schiffsdieselmotoren emittieren nicht nur den bekannten Feinstaub, sondern unangenehm viel Schwefel.
Jahre lang wurde selbst in Häfen sogenanntes Schweröl verfeuert, ein zähes Abfallprodukt aus der Ölindustrie. Das ist vorbei, für Schiffe, die in den Häfen der EU anlegen, gilt seit Anfang 2010 eine Grenze von 0,1 Prozent Schwefelgehalt im Treibstoff. Das klingt wenig, ist aber immer noch erheblich mehr, als an Land im Diesel erlaubt ist. Hier liegt die Grenze bei 0,001 Prozent. Schiffsdiesel ist doppelt so teuer wie Schweröl, sobald das auf die offene See fährt, wird es daher zumeist wieder mit Schweröl angetrieben. In der Nord- und Ostsee beträgt der Grenzwert noch 1,0 Prozent, auf den Weltmeeren noch 4,5 Prozent.
Das internationale Marpol-Abkommen zum Schutz der Meere hat nun neue Grenzen esetzt. Der zulässige Schwefelgehalt soll bis 2020 weltweit auf 0,5 Prozent gesenkt werden. Die rund 120.000 Handels- und Passagierschiffe, die auf dem Ozeanen unterwegs sind, werden dann weniger Schwefel ausstoßen – und laut einer von den Deutschen Reedern beauftragten Studie des Bremer Instituts für Seeverkehr und Logistik bis zu 560 Dollar pro Tonne Treibstoff mehr zahlen.
Vergleicht man die Schifffahrt mit anderen Transportmitteln ist ihre CO2-Bilanz gut. Da die Riesenschiffe große Mengen über große Entfernungen transportieren, ist ihr CO2-Ausstoß pro sogenannten Tonnenkilometer geringer als bei LKWs, von Flugzeugen ganz zu schweigen. Das sieht bei Schwefel- und Ruß schon ganz anders aus. An Land gelten strengere Auflagen, Katalysatoren und Filter halten Teile der Schadstoffe zurück. Bei Motorschiffen wandern die schwefel- und rußhaltige Abgase ungefiltert in die Luft. Der Einbau von Filtern ist kostenintensiv, die Reedereien verzichten darauf, nicht zuletzt, weil sie durch die gestiegenen Treibstoffkosten ohnehin schon ihre Konkurrenzfähigkeit bedroht sehen.
Hoher Anteil der Schiffe an Luftverschmutzung in Hafenstädten
So verpuffen die Zylinder in den Häfen weiterhin ihre Abgase, um die Bordelektrik am Laufen zu halten. Ein Containerschiff braucht drei bis vier Megawatt, ein großes Kreuzfahrtschiff wie die Queen Mary gar den Strom einer Kleinstadt mit rund 15.000 Haushalten. Über eine landseitige Stromversorgung wird zwar seit Jahren diskutiert, noch existiert aber kein international einheitliches Anschlusssystem. So bleibt es bei Einzellösungen, wie beispielsweise in Göteborg oder Los Angeles, wo man Anfang des Jahrtausends feststellen musste, dass knapp ein Viertel der Luftverschmutzung in der Stadt aus dem Hafen stammt. In Hamburg lag vor 15 Jahren der Anteil des Hafens an den Stickoxiden und Staubpartikel bei fast 20 Prozent.
In Kiel, Rostock und den anderen großen Hafenstädten Deutschlands kämpft man mit ähnlichen Problemen. Travemünde drohte gar der Verlust des Status als Heilbad, weil die Pötte im nahen Hafen zu viele Schadstoffe ausbliesen. In einem Pilotprojekt werden seit 2008 drei pendelnde Papierfrachter aus Skandinavien von Land aus mit Strom versorgt.
Hamburg erlebt seit Jahren einen Kreuzfahrer-Boom. Das Kreuzfahrtterminal liegt allerdings direkt in der neuen HafenCity – und dessen finanzstarken Bewohner und angesiedelten Firmen sensibilisieren sich zunehmend für den Dreck aus den Schornsteinen. Eine Machbarkeitsstudie des Industrieverbands Hamburg ging 2009 von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Landstromversorgung aus. Kosten: 24 Millionen Euro. Die Kraftwerksproduktion des am Kai benötigten Stroms würde beispielsweise etwa 2,25 Tonnen Stickoxid erzeugen. Bei einer Generierung des Stroms durch die Hilfsdiesel der Kreuzfahrer fallen dagegen satte 54,4 Tonnen an. Gleichwohl liegen seither die Pläne auf Eis.
Alternative Antriebe und Landstromversorgung
Der gesamte Schiffsantrieb ist heutzutage immer noch auf die Verfeuerung von Schweröl ausgelegt. Um die sandige Schlacke überhaupt zur Selbstentzündung zu treiben, wird sie aufwendig gefiltert und vorgewärmt. So landen große Teile der Schiffs-Ingenieurbaukunst in der Fähigkeit der Motoren, Sondermüll zu verbrennen. Umweltschutzverbände fordern daher ein weiter gehendes Umdenken. Jörg Feddern von Greenpeace möchte eine Kombination von Maßnahmen durchgesetzt sehen: „Geschwindigkeitsbeschränkungen können den Verbrauch an Kraftstoff deutlich senken und damit zu deutlichen Verringerungen an schädlichen Emissionen führen. In den Häfen sollten Landstromversorgungen endlich zum Standard erklärt werden.“ Zukünftig müsse auch über alternative Brennstoffe wie Flüssigerdgas und alternative Antriebe – Stichwort Segelantriebe – nachgedacht werden.
Auch die Gutachter vom Germanischen Lloyd sehen in der Flüssigerdgastechnik eine Alternative. Die Experten wollen in allen neuen Schiffe LNG-Flüssiggastanks (Liquified Natural Gas) einbauen lassen. Man rechnet den Reedern zwanzig Prozent Mehrkosten beim Neubau vor. In Norwegen fahren heute bereits zehn Schiffe mit LNG-Antrieb. Bislang sind in Deutschland nur wenige Feeder mit einer LNG-Anlage ausgerüstet. Und eine Umrüstung alter Schiffe ist aus Sicht der Reeder viel zu teuer, um als Alternative in Betracht gezogen werden zu können.
Auch andere Techniken stehen nicht auf ihrer Agenda: Filter für die Dieselrußpartikel existieren zwar, werden aber aus Kostengründen selten verbaut, gleiches gilt für Katalysatoren, die den Stickoxidausstoß reduzieren könnten. Eine Studie der TU-Harburg zur Minderung von Stickoxid-Emissionen beklagt denn auch die Planungsunsicherheit für die Reeder, weil unklar sei, wie lange überhaupt noch mit Schweröl gefahren werden darf. So scheint mit dem aktuellen Schwefel-Grenzwert erst einmal das Ende der Fahnenstange erreicht.
Geht man allerdings von einem weiteren Anstieg der Kraftstoffpreise bei parallelem Absenken der Schadstoffgrenzwerte aus, dürfte sich für die Reeder zukünftig die Investition in umweltschonende Techniken auszahlen. Die Europäische Union hat jüngst eine Transportstrategie verabschiedet, die eine Frachtverlagerung von der Straße auf die Schiene und die Wasserwege vorsieht. Der schwerölbedingte CO2-Ausstoß soll dabei bis 2050 um 50 Prozent reduziert werden. Unter shippingefficiency.org sammelt derweil eine Non-Profit-Organisation seit letzten Jahr die Energie-Effizienzklassen aller weltweit fahrenden Handels- und Kreuzfahrtschiffe. Einige Häfen nutzen die Datenbank bereits, um die Liegegebühren zu staffeln. Und die International Maritime Organization der UN will noch in diesem Jahr neue Grenzwerte erlassen und den Emissionshandel regeln. Sollte dies nicht geschehen, hat die EU bereits einen Alleingang angekündigt.