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Rezensionen

Rezension Detlev Briesen: Drogenkonsum, Drogenpolitik, Deutschland, USA

HanfBlatt Nr. 114

Unklare Rauschzeichen

Die großen Publikumsverlage haben sich bislang zurückgehalten, der progressiven Fraktion unter den Cannabis-Kennern Gehör zu verschaffen. Erfreulich, dass der Kiepenheuer & Witsch Verlag jetzt Steffen Geyer und Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband die Möglichkeit bietet über das wundersame Kraut aufzuklären. Bedauerlich, dies sei vorweg gesagt, dass der Verlag nicht die Chance genutzt hat durch ein gründliches Lektorat dem Werk zu mehr Tiefe zu verhelfen. Das vorliegende Buch driftet leider ins Phantastische ab, wo es um die historischen Zusammenhänge geht, und ist dort, wo es um die politischen Alternativen zur bestehenden Kriminalisierungspolitik geht trocken, aber bereichernd.

Ein paar Beispiele sollen die Ambivalenz verdeutlichen. Ein Zitat zu Cannabis aus dem alten chinesischen Arzneibuch Pen Tsao „Nimmt man sie über eine längere Zeit hinweg, wird man befähigt, mit den Geistern zu sprechen, und der Körper wird leicht“ (S. 15) wird von Geyer/Wurth tendenziös als positive Wirkungsbeschreibung übersetzt und gedeutet. Das kann man auch anders interpretieren: Schon damals galt wahrscheinlich der übermäßige Konsum von Cannabis als gefährlich für das, was man heute wohl den mentalen Grundzustand eines Menschen nennt. Einen Absatz später heißt es: „Der zivilisatorische Vorsprung der Chinesen zu jener Zeit wäre ohne Hanf undenkbar gewesen.“ Und ohne Wasser, sollte man hinzufügen. Das ist monokausales Denken in Reinkultur.

S. 16: Es fehlt der wissenschaftliche Beweis, dass die Skythen Cannabisblüten und nicht Cannabissamen, die man tatsächlich gefunden hat, in ihren Schwitzhüttenräucherzeremonien eingesetzt haben. Klar, es klingt irgendwie wahrscheinlich, aber faktisch bewiesen ist es nach wie vor nicht.

S. 17: Es trifft auch nicht zu, dass die Römer den Hanfanbau nach Spanien exportieren und dort das Wort Kif „für minderwertiges Haschisch aus dem heutigen Marokko“ prägten. Eine Seite später schreiben die Autoren: Nach dem Ende des römischen Reiches sei „Cannabis (…) die wichtigste Feldfrucht des Menschen und nicht selten Grund für Krieg und Zerstörung.“ Die gesamte Agrarwirtschaft des Mittelalters auf Cannabis zu reduzieren scheint doch etwas übertrieben.

S. 18: „<Hennep> und <Hamp> stopfte sich so mancher nach getaner Arbeit in die Pfeife.“ Hierzu sei gesagt, dass uns dazu außer dem von Hans-Georg Behr in die Welt gesetzten Mythos, dass die Bezeichnung für eine spezielle Tabaksorte „Knaster“ eigentlich auf Hanf verweise, keine seriösen wissenschaftlichen Belege für einen weitverbreiteten Gebrauch von (Faser-)Hanf als Rauch- und/oder Rauschkraut in Mitteleuropa gibt. Erst im 19. Jahrhundert etablierte sich der medizinische und experimentelle Gebrauch von psychoaktivem Hanf auf Basis des importierten Cannabis indica-Krautes und seiner Extrakte bzw. exotischer „Haschisch“-Präparationen.

S. 19, Zitat: „Spätestens seit den Kreuzzügen richtete sich der Zorn der Kirche gegen Cannabis.“ Ein gängiges Klischee, es gibt keine Beweise für eine systematische Aufstellung des Vatikans gegen die Pflanze. Der Zorn richtete sich vielmehr gegen Andersdenkende und gesellschaftliche AußenseiterInnen. Intrigantentum spielte oft eine Rolle. Die Spekulation von Geyer/Wurth, die „Verteufelung von Cannabis“ hätte „in erster Linie der Abgrenzung der Christenheit vom an Stärke gewinnenden Islam gedient“ ist haltlos.

Auf S. 23 wird suggeriert, dass Jefferson, Lincoln und George Washington nicht nur von der berauschenden Wirkung der Pflanze gewusst haben, sondern den Rauschhanfanbau auch unterstützt haben. Denn Washington ließ die Männchen rausrupfen, bevor sie die Weibchen bestäuben konnten. Dieses Prinzip kennt zwar heute jeder moderne Indoor-Grower, es ist aber auch im traditionellen Faserhanfanbau üblich. Die Männchen wurden damals nur schneller geerntet, weil mit der vorzeitigen Blüte bei ihnen die optimale Faserproduktion abgeschlossen ist und ein Verbleiben der absterbenden Pflanzen unter den länger wachsenden Weibchen auf Grund einsetzender Verrottungsprozesse die Qualität der Gesamternte vermindert.

Die Autoren graben sich im Laufe des ersten Kapitels immer tiefer in eine Gedankenwelt ein, in der Cannabis für alles veranwortlich sein soll. Damit erweisen sie dieser durchaus besonderen, sehr nützlichen und als Genussmittel in Maßen genossen relativ harmlosen Pflanze aber keinen Dienst. Ein Höhepunkt ist sicherlich die Passage auf S. 25, in der ein direkter Zusammenhang zwischen dem Faserhanfanbau von Zar Alexander I. und der Völkerschlacht von Leipzig gezogen wird.

Im großen Rest des Buches spannen die Autoren einen teilweise gekonnten Bogen über die psychoaktiven Wirkungen des grünen Krauts und zeigen auf, wann und wie der Konsum zum Problem werden kann, beleuchten die Rolle der Medien, das unheilvolle Engagement der UNO und der wichtigen Anti-Drogen Institutionen in Europa. Von zwei so renommierten Kennern des Systems wie es Georg Wurth und Steffen Geyer sind, hätte man bei der Diskussion um die Alternativen allerdings mehr Ausführlichkeit erwartet. Ihr interessantes Modell des Cannabisfachgeschäfts (ein Coffee-Shop mit ausgebildeten Mitarbeitern) ist nur eine Variante des Umgangs.

Steffen Geyer, Georg Wurth: Rauschzeichen. Cannabis: Alles, was man wissen muss
176 Seiten, broschiert
Kiepenheuer & Witsch Verlag 2008
ISBN: 3462039997
EUR 7,95