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Psychoaktive Substanzen

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Buddhismus

HanfBlatt, Nr. 101, 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 4

Der Buddhismus

Der Legende nach soll sich der junge Buddha während seiner sechsjährigen Askese täglich von nur einem Hanfsamen ernährt haben. Weniger die Inhaltsstoffe der berühmten Samen als vielmehr die Meditation hätten ihn dabei zur Erleuchtung gebracht. Seither steht der Buddhismus Rausch und Ekstase zwiespältig gegenüber.

Im Gegensatz zu anderen Religionen soll der Mensch im Buddhismus weniger an übergeordnete Instanzen und starre Dogmen glauben, sondern die angebotene Lehre anhand eigener Erfahrungen überprüfen. Um dies zu tun, sollte er vor allem eines tun: Kräftig meditieren. Dann würde er erkennen, was Buddha erkannt hatte, nämlich die „vier edlen Wahrheiten“. Nummer 1: Solange der Geist seine Natur nicht erkannt hat, gehört zum Leben zwar Freude, aber auch Leid. 2. Es gibt bestimmte Ursachen, warum der Geist seine wahre Natur nicht sieht. 3. Buddha sei Dank kann aber jeder die Funktion seines Geistes erkennen, also erleuchtet werden. Und schließlich 4.: Es gibt praktische Mittel, um dies zu erreichen. Mit der Zeit entwickelten sich verschiedene Strömungen im Buddhismus, die unterschiedliche Schwerpunkte legten.

Soweit, so gut. Warum aber ist der Buddhismus eine im Westen so erfolgreiche religiöse Praxis und warum zieht er auch Freaks in seinen Bann? Mindestens vier Ebenen sind verantwortlich, sie klären zugleich das Verhältnis des Buddhismus zum Rausch.

Da ist zum einen die persönliche Erfahrung des Stillstehens der Zeit, dem Aufgehen in einem ozeanischen Gefühl. Diese Zustände sind jedem Genießer von Haschisch oder Marihuana bekannt – viele rauchen genau deshalb. Auch die ästhetischen Bilderwelten, die während der Zustände erfahren werden, weisen Gemeinsamkeiten auf. Mandalas auf Techno-Parties sind eben kein Zufall urbaner Kultur, sondern bewusster Anknüpfungspunkt an eine Tradition meditativer Objekte.

Bewusst positiv erlebten Paradoxien sind ebenfalls aus beiden Sphären bekannt. Der Betrippte nimmt Widersprüchlichkeiten lachend wahr, im Zen-Buddhismus nennt sich das Koan: „Du kennst das Geräusch, dass zwei klatschende Hände erzeugen. Wie ist das Geräusch einer Hand?“ Das Ziel ist in beiden Sphären dasselbe: Die Ansicht, dass die Dinge unterschieden sind und dass das Ich eine eigene, vom Rest der Welt abgegrenzte Existenz hat, löst sich als Illusion auf.

Dies alles lässt sich auch auf der Ebene der chemischen Vorgänge im Gehirn nachweisen. Wer nicht an die Berichte Millionen von Menschen hören will findet in den Hirn-Scans seine objektiven Beweise: Bei manchen Rauschzuständen und Meditationen sind die gleichen Hirnareale aktiv.

Buddha Statue

Wer auf der Suche nach einer Erklärung für seine psychedelische Erfahrung die Literatur durchblättert, landet früher oder später bei den Lehren Buddhas. Nicht anders erging es Timothy Leary und Konsorten in den 60er Jahren, die im „tibetanischen Totenbuch“ Deutungen ihrer LSD-Versuche fanden. Die heute 300-450 Millionen Mitglieder des Buddhismus bilden keine Gemeinde, zu unterschiedlich sind die verschiedenen Schulen. Der Zen-Buddhismus Japans ist beispielsweise kaum mit dem tantrischen Buddhismus vergleichbar, der in der Vergangenheit schon eher einmal den Griff zu Rauschmitteln erlaubte, um der endgültigen Erhellung nahe zu kommen.

In westlicher Ausprägung verbindet man mit Buddhisten entweder den Dalai Lama oder meditierende Art-Direktoren auf Sinnsuche. Auf der Ebene des sozialen Gesellschaftssytems erfüllt der Buddhismus eine der Funktionen von Religion, nämlich des Glaubens an ein Leben nach dem Tod. An einen autoritären Gott muss man dabei nicht Glauben – dies passt hervorragend in eine (post-) moderne Gesellschaft, in der man auch in der spirituellen Gemeinschaft nur locker gekoppelt sein und trotz Aufgehen im Ganzen einer Masse immer auch Individualität und Autonomie erhalten will. Zudem haftet dem Buddhismus kein missionarischer Eifer und eine gewisse Gewaltlosigkeit an.

Und während der Christ mit Glück im Paradies landet, wandert der Buddhist von Körper zu Körper, aber eben nur solange, bis er klug genug nach den Lehren Buddhas gelebt hat, diesen Kreislauf durchbricht und glücklich im Nirvana endet. Selbst wer dies nicht schafft hat immerhin noch die Freude in stabilen sozialen Strukturen unter Seinesgleichen gelebt zu haben. Mitgefühl und Nächstenliebe sind weitere Vorteile der religiösen Beschäftigung. Im Gegensatz zu anderen Religionen projiziert der Buddhismus das totale Glück und die absolute Wunscherfüllung nicht nur auf die ferne Zukunft oder die Zeit nach dem Tod, obwohl es auch hier im Leben keinen Zustand restloser Erfüllung geben kann. Ein Teil des Glücks ist schon im normalen Leben zu erreichen, das große Los wird allerdings erst im Nirvana eingelöst.

Buddha (Sanskrit für „Der Erwachte“) wurde als Siddhartha Gautama in Lumbini, einer kleinen Stadt, die heute zu Nepal gehört, geboren. In seiner rund 80 Jahre währenden Lebenszeit (536-483 v. Chr.) legte er den Grundstein für den späteren Buddhismus. Er hinterließ keine Schriften und sah sich auch nicht als Überbringer einer Lehre Gottes. Er rief nur dazu auf, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und durch meditative Innensicht die Funktion dieses zu erkennen. Kurz nach seinem Tod traten seine Schüler zum ersten Konzil zusammen, um die Lehre und die Mönchsregeln zu besprechen und gemäß den Unterweisungen des Buddha schriftlich festzuhalten. In den folgenden Jahrhunderten verbreitete sich die Lehre in Süd- und Ostasien, später in der ganzen Welt.

So recht will es seit damals kein buddhistischer Lehrmeister zugeben, aber drogeninduzierter Rausch und meditative Ekstase besitzen diverse Überschneidungspunkte. Es ist schade, dass sich die buddhistischen Schulen oft so vehement von umsichtigen Gebrauch von Entheogenen, also der Substanzen, die den Buddha-Geist im Menschen erwecken können, abgrenzen. Allerhöchstens wird Psychedelika zugeschrieben eine Art Erweckungserlebnis generieren zu können, auf Dauer sollen sie aber den Blick auf die Wahrheit verstellen. Hier wird aus eher politischen Erwägungen eine Grenze gezogen, die so nicht konstruiert werden muss, spricht doch vieles dafür, in verschiedene Lebenslagen die meditative Arbeit mit gesunden Substanzen zu unterstützen. Im stillen Kämmerlein dürften deshalb einige der eifrig praktizierenden Buddhisten nicht nur Kräutertee trinken, sondern auch das eine oder andere Pfeifchen durchziehen.

Neben Gier und Hass gilt die Unwissenheit als eines der drei Grundgifte allen menschlichen Lebens. Gerade gegenüber Entheogenen sind Teile des Buddhismus aber von ähnlicher Ahnungslosigkeit beseelt wie die christliche oder muslimische Lehre. Wie sie stellen sie alle psychoaktiven Substanzen in den Kontext von Flucht aus der Realität und Sucht.

Dabei fallen weitere Gemeinsamkeiten zwischen buddhistischer und psychedelischer Praxis deutlich ins Auge. Der zentrale Stellenwert der Achtsamkeit lässt sich im Rausch durchaus kultivieren. Sich seiner Gefühle, Beobachtungen und Handlungen in jedem Moment voll bewusst zu sein ist nicht nur eine Übung von Mönchen und Seminar-Teilnehmer im Schwarzwald, sondern auch praktiziertes Unterfangen vieler Otto-Normal-Kiffer. Immer wieder kommt es vor, dass aus der profanen Entspannungs-Zigarette am Abend eine unabgelenkte, reine Wahrnehmung ohne Beurteilung der Situation wird. Die Grenzen zwischen Dösbaddeln und höherem Dösen sind fließender, als dies manch‘ strenger Meister asketischer Versenkungskunst wahrhaben will.

Nimmt man für einen Moment die Position ein, dass jedwede Substanz in unserem Geist nur etwas hervorruft, das ohnehin schon da ist, dann wird klar, weshalb die Weisen des Orient den Drogen ablehnend gegenüberstehen. Aus dieser Perspektive sind geistbewegende Substanzen nur eine weitere materielle Verhaftung, die der Entwicklung hin zum reinen Geist im Wege steht. Das ist der asketische, klassisch-transzendente Weg. Ihm gegenüber stand schon immer eine Sicht der Dinge, die im Gewusel der Natur und dem Sinnesfreuden ein Heil der Menschen sah. Die Produkte der „Mutter Erde“ sind aus dieser Perspektive begrüßenswerte Kameraden und Freunde in einem Leben, das mit der naturgegebenen Welt positiv umgehen möchte. Das ist der klassisch-immanente Weg. Bisher hat der Buddhismus – wie andere Religionen auch – wenig Versuche unternommen, diesen zweiten Weg des Geistes zu akzeptieren. Dabei mahnte Buddha selbst zeitlebens eine Skepsis gegenüber feststehenden Lehren ein.

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Drogenpolitik

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch (5): Das Judentum

HanfBlatt Nr. 102, 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 5

Das Judentum

Abraham, Mose, Isaak: Urtümliche Gestalten mit langen Bärten und strenger Miene. Das jüdische Leben ist voller Gebote, bleibt da Platz für den Rausch?

Das Judentum ist eine Religion der Schrift. Das wichtigste Buch der Juden, die Tora, vereinigt die fünf Bücher des Propheten Mose mit 613 Geboten. Will man korrekt nach jüdischem Glauben leben, gibt es eine Menge zu beachten. Und um das gleich vorweg zu nehmen: Über wilde Feste zur Huldigung Jahwes oder rauschhafte Rituale, um dem eigenen göttlichen Funken näher zu kommen, steht in der Tora nichts. Ist der Judaismus ein gänzlich nüchterner Glauben? Ganz so einfach ist es nicht.

Etwas Geschichte führt auf den richtigen Weg: Alle drei großen monotheistischen Weltreligionen, Judentum, Christentum und Islam, wurzeln im Alten Testament und berufen sich auf Mose. Kein Wunder, denn die Familienverhältnisse sind klar: Der Prophet Mose ist, wie Mohammed und Jesus, ein Nachfahre von Abraham. Dieser zeugte mit seiner ersten Frau den Ahnherrn der arabischen Stämme, nämlich Ismael, und mit der zweiten Frau Isaak, den Ahnherrn der jüdischen Stämme.

Die Geschichte von Moses ist, ähnlich wie das Nibelungenlied oder Homers Odyssee, eine Legende mit historisch wahrem Kern. Jahwe, der jüdische Gott, spricht zu Mose und erteilt ihm den Auftrag, den Volksstamm der Hebräer aus dem Elend Ägyptens herauszuführen. Und zwar in ein Land, „in dem Milch und Honig fließen“. Moses führt das Volk über 40 Jahre lang durch die Wüste, etabliert dabei den Glauben an Jahwe, bringt die ganze Truppe schließlich nach Palästina und gründet Jerusalem. Auf diesem Mythos stützt sich die Identität der Juden bis heute, er ist in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen. Umso schwerer wog die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Christus und die darauffolgende Verbannung.

Während im Christentum der Messias und das Leben nach dem Tod im Zentrum aller Heilserwartungen steht, gilt für die Juden die Befolgung der Tora als Heilsweg. Nur ein Leben nach ihren Weisungen ist ein Leben nach dem Willen Gottes. Die wichtigsten Dinge sind bereits auf Erden zu erledigen. Alkohol, Cannabis und andere Drogen lenken aus dieser Sicht nur von einem konzentrierten, Gott und dem Tora-Studium gewidmeten Leben ab. Soweit die Theorie.

Im Laufe der Jahre entwickelte die jüdische Kultur strikte Hygiene- und Ernährungsvorschriften. Wie im Islam gibt es Vorhaut-Massaker. Das heute geflügelte Wort „koscher“ steht auch in Beziehung zu Substanzen, die berauschend wirken. Sie sind der überwiegenden Meinung nach nicht koscher. Es gibt viele Juden, die sich durchaus als gläubig bezeichnen und trotzdem Wein trinken oder ab und zu einen durchziehen. Einige progressive Rabbiner plädieren für eine Normalisierung im Umgang mit Rauschdrogen, vor allem Cannabis. Das ist nicht nur eine Anerkennung der Tatsache, dass die israelische Ecstasy-Affinität und die Feierfestigkeit israelischer Neo-Hippies weltweit legendär ist. Es ist auch ein Zeichen für die Autonomie der jüdischen Gemeinden auf der Welt.

Denn es ist kein einziges Oberhaupt, als vielmehr eine große Anzahl von Rabbiner, die die Tora auslegen. Die dazugehörige Gemeinde muss folgen. So kommt es zu durchaus unterschiedlichen Interpretationen der heiligen Schriften. Aber wer jetzt schon den Koffer packt: es sind keine Gemeinden bekannt, die den Gebrauch psychoaktiver Substanzen billigen.

Die nüchterne Sicht auf das Erdenleben pflanzt sich in der Diskussion um Cannabis als Medizin fort. Hier gibt es mittlerweile offizielle Stellungnahmen von Rabbinern in den USA, die den Einsatz von therapeutischem Hanf offen befürworten.

Es ist wie so oft bei der Betrachtung von Religionen: Schon über die korrekte Auslegung der alten Schriften wird gestritten, über die korrekte Lebensführung noch mehr. Das Judentum glänzt heute mit Altgläubigen und Progressiven, Nationalisten und Pazifisten, Rationalisten und Mystikern. Das Judentum ist kein Block, wie die Antisemiten immer meinen, es existieren keine festen Hierarchien und natürlich auch keine jüdische Weltregierung. Im Gegenteil, in vielleicht keiner anderen Religion ist die Vielfalt von Meinungen und Ansätzen so ausgeprägt wie im Judentum.

Vergangenheit

Die mystischen Zweige der jüdischen Kultur, wie Merkabah, Kabbala und Chassidismus bemühen sich seit Jahrhunderten um die direkte Beziehung des Menschen zu Gott. Aber auch diese Traditionen verbleiben auf „vernünftigen“ Ebenen, von ritualisierten oder etablierten Räuschen ist nichts bekannt. Es gibt zwar Textstellen in der Tora, in denen „kaneh-bosm“ eine Rolle bei der letzten Ölung spielt. Noch ist aber nicht geklärt, ob es sich dabei um Cannabis oder Kalmus gehandelt hat (der allerdings im Orient damals unbekannt war). Wie auch immer: Es dürfte klar sein, dass die frühen Hebräer den Hanf als Faserpflanze kannten. Ob sie ihn allerdings als Rauschmittel genutzt haben, ist zumindest zweifelhaft.

Daniel Sieradski, der zur Zeit an einem Buch über „Judentum und Drogen“ schreibt, sucht seit Jahren nach den spirituellen und entheogenen Wurzeln des Judaismus. Er sagt: „Man findet hier und da unklare Hinweise, aber eine spezifische Ritualkultur scheint es nicht gegeben zu haben; es sei denn, sie haben sich gut getarnt.“

Nur der Konsum von Wein hat sich in den religiösen Praktiken bis heute halten können. Am Abend vorm Sabbat, dem jüdischen Wochenruhetag, wird im Rahmen einer Zeremonie (Kiddusch) ein Glas Wein gereicht – und auch getrunken. Dieser dient in der Interpretation einiger Rabbis durchaus dazu, die spirituelle Sensitivität zu erhöhen. Ein ausgelassenes Fest soll das aber nicht werden.

Bei jüdischen Hochzeiten gehört Wein ebenfalls zum Ritual. Feiern ist seit Urzeiten beliebt. Baal Shem Tov, ein osteuropäischer Rabbi, propagierte Musik und Tanz als Mittel Gott auf freudige Weise näher zu kommen. Auch Sexualität ist im Judentum keine unreine oder gar unspirituelle Angelegenheit. Die Faszination an der körperlichen Liebe, so glauben viele Juden, hängt auch mit dem göttlichen Funken darin zusammen.

Vorläufiges Fazit: Das Judentum lebt gut mit dem Widerspruch, eine rationalistische Religion zu sein. Rauschmittel allerdings, denen die Tendenz innewohnt, diesen Rationalismus aufzubrechen und zu erweitern, haben seit je her wenig Chancen. Theoretisch. Praktisch begeistern sich auch gläubige Juden an der Wirkung von bewusstseinsverändernden Substanzen.

Dies ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass eine ganze Reihe etablierter Drogenforscher jüdischen Ursprungs sind. Um nur vier Namen zu nennen: Rick Doblin (MAPS), Charles Grob, Howard Lotsof, Lester Grinspoon. Aus ihrer Sicht stehen sie in der Tradition von Heilung, Mitgefühl, der Erklärung religiöser Erfahrungen und der Transformierung der Gesellschaft.

In Israel tritt politischer Hanf-Aktivismus seit 1999 zu jeder Parlamentswahl an. Die Ale Yarok- („Grünes Blatt“) Partei setzt sich unter ihrem Spitzenkandidaten Boas Wachtel vehement für eine Änderung der Drogenpolitik ein. „Das Drogenproblem darf nicht mehr nur unter dem kriminalistischen Aspekt gesehen werden. Es ist ein sozial-medizinisches Problem“. Wichtig sei, die Besitzer von kleineren Mengen Cannabis nicht mehr zu bestrafen und den Aufzug von bis zu fünf Marihuana-Pflanzen zu erlauben.

Zur Zeit gelten in Israel bis zu 15 Gramm Cannabis als Eigenbedarf, der allerdings mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Das kommt selten vor, es ist wie in anderen Industrienationen auch: Über die Hälfte der (jährlich rund 20.000) Drogendelikte geht auf den Kleinstkonsum von Haschisch oder Marihuana zurück. Die meisten Fälle davon enden nicht im Gefängnis, sondern als Kurzeitfeger im Park.

Es wurde viel darüber gestritten, ob der Ansatz, dass die drei großen Weltreligionen keine anderen Götter neben sich dulden, der Hauptgrund für Kriege im Namen des Glaubens ist. Beispielsweise war ein gewisser Antijudaismus Grundlage der Theologie der christlichen Kirche. Die katholische Kirche definierte sich lange über die Ablehnung des Judentums, von weltlichen Herrschern wurde diese Tendenz nur zu gerne aufgenommen, um die Juden im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ins gesellschaftliche Abseits zu drängen.

Gleichwohl erlebte Anfang des 20. Jahrhunderts das deutsche Judentum seine Blüte. Zum ersten Mal seit dem Mittelalter waren alle rechtlichen Benachteiligungen aufgehoben. Um 1910 wohnten fast 620.000 aller deutschen Juden in Berlin. Mehr als 60 % gehörten zum mittleren und gehobenen Bürgertum, nur wenige lebten in Armut. Wieder einmal kam Neid auf, unterfüttert von neuen, biologischen Argumenten, die Juden als minderwertige Rasse diffamieren. Die Folgen sind bekannt: Latenter Antisemitismus und blinder Gehorsam führten unter Adolf Hitler zur größten Katastrophe des 20. Jahrhundert, dem Holocaust.

Gegenwart

Inzwischen mehren sich in den USA Stimmen, die das Ziel, die amerikanische Gesellschaft von Drogen zu befreien, für weltfremd halten. Balfour Brickner ist emeritierter Rabbi der Stephen-Wise-Free-Synagoge in Manhattan und hat sich mit anderen Rabbis, muslimischen Imamen und christlichen Geistlichen zur Vereinigung der „Religious Leaders for a More Just and Compassionate Drug Policy” zusammengeschlossen. „Es ist finanziell, moralisch und religiös gesehen falsch, Menschen dafür einzusperren, dass sie Drogen nehmen. Das löst das Problem nicht”, sagt er. „Amerikanische Politiker leben in dieser Frage vollkommen an der Wirklichkeit vorbei. Sie sind ängstlich, dumm, und sie irren.”

Die israelische „Green Leaf“ Partei, die die Legalisierung von Cannabis fordert, stellt jüngst fest, dass Cannabis während des Passah-Festes nicht koscher ist (hier der Link).

 

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Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Der Hinduismus

HanfBlatt, Nr. 99, Januar/Februar 2006

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 2

Der Hinduismus

Im Reigen der Götter des Hinduismus ist Platz für allerlei Freaks. Der wildeste unter den Weltenlenkern, genannt Shiva, ist äußerst beliebt in Indien. Liegt das daran, dass er ein Kiffer vor dem Herrn ist?

Es ist wahrlich nicht so, das die durch Indien streifenden, orangerot gekleideten Sadhus als Heilige verehrt werden. Ihr unmäßiger Bhang- und Charraskonsum macht den Menschen dort genau soviel Angst wie hier die Alkoholiker, nur akzeptiert man dort halt, dass ihr Weg jenseits dieser Welt verläuft und nur noch ihr Körper im Diesseits sichtbar ist. Sadhus und Sinnsucher verwenden Cannabis nicht nur zur Meditation, sondern auch, weil es sich gut zur asketischen Überwindung Hunger und Durstes eignet. Und obwohl die Sadhus das Bild prägen, welches der westliche Hanf-Fan von Indien hat, sind sie nur eine kleine Gruppe in der Religionsform, die „Hinduismus“ genannt wird.

Der sogenannte Hinduismus setzt sich aus vielen unterschiedlichen Strömungen zusammen, so dass der Religionswissenschaftler Heinrich von Stietencron von einem „Kollektiv von Religionen“ spricht. Diese Religionen gehen nicht auf einen gemeinsamen Stifter zurück, eine der Bibel oder dem Koran gleichbedeutende Schrift existiert nicht. Die uralten schriftlich niedergelegten Veden dienen zwar bis in die heutige Zeit als Weisheitstopf, aus ihnen haben sich aber tausende von verschiedenen Richtungen und Schulen entwickelt. So hat die mit rund 900 Millionen Anhänger drittgrößte Religion der Welt kein für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Der Reigen der Gottheiten ist bunt und fast unüberschaubar, da tummelt sich der Elefantengott Ganesh genauso wie Hanoman, der göttliche Affe. Jeder Hindu sucht sich zwar seinen Lieblingsgott, aber die höchsten Götter des Hinduismus sind Brahma, Shiva und Vishnu. Und Shiva entspricht so gar nicht dem was wir unter „Heiligen“ verstehen. Er raucht, säuft und kopuliert, er ist der „wilde, gütige Gott“, wie Wolf-Dieter Storl ihn einmal genannt hat.

Menschen, Tiere und auch die Götter durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung einen durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf, Samsara genannt. Während des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes Karma angehäuft, was wiederum beeinflusst, als was man im nächsten Leben wiedergeboren wird. Es gibt zwar einen Ausweg aus diesem Kreislauf, aber dafür muss man heftig meditieren und brav sein; und dass fällt nicht nur den Indern schwer.

Da Cannabis das warme Klima des Subkontinents mag, verwebt der Hindu-, vor allem aber der Shivaismus die Pflanze seit jeher mit den Menschen. In keinem anderen Land auf der Welt ist Cannabis und sein Gebrauch so tiefgründig in der Kultur verankert wie in Indien. Von Hanf träumen bringt Glück, die Popularität der Pflanze geht so weit, dass schon die Sichtung eines Bhang-Trinkers ein gutes Omen ist. Hat Shiva, so die rhetorische Frage, den Menschen nicht deswegen die Kräuter geschenkt, damit sie sie nutzen? Die Jahrhunderte währende Charras- und Bhang-Tradition hat aus Sicht vieler Hindus immer wieder neu bewiesen, dass Hanf nicht nur ein Heilmittel ist, sondern auch erstarrte Vorstellungen und das Ego auflösen kann. Und dies ist genau das Ziel vieler religiöser Mühen. Der Shivaismus sieht die Erlösung in der Gewinnung eines Shiva-ähnlichen Zustandes und eines fortwährenden Kontaktes mit ihm. Die Mittel dazu sind vielfältig: Yoga, Tantra und eben auch Hanf.

Der Shivaismus hat in Indien Millionen von Anhängern und Tausende von Tempeln und Klöstern. Und Shiva ist in den meisten Darstellungen ein Vollblut-Kiffer. In vielen hinduistischen Tempeln wird daher Bhang, ein Milch- oder Joghurt-Getränke mit Hanf und Gewürzen, zum Teil auch mit Stechapfel verfeinert, regelmäßig bei Ritualen eingesetzt. Die Gottheitsstatuen werden mit rotem Zinnober bemalt, sodann setzen sich die Gläubigen einen roten Punkt auf die Stirn – das dritte Auge, denn mit dem dritten sieht man besser und sitzt dazu noch in der ersten Reihe: im Angesicht mit Shiva. Trommelmusik und Mantren erleichtern wie überall auf der Welt auch hier den Übergang in die andere Welt. Dort sitzt man dann mit dem Urschamanen recht gemütlich zwischen Vergangenheit und Zukunft und lässt sich und den lieben Gott einen guten Mann sein. Der Rausch ist im Hinduismus weniger „Teufelswerk“ als vielmehr eine der vielen Möglichkeiten, mit dem Göttlichen in Berührung zu kommen.

Seit Jahrhunderten praktizieren viele Hindus diese Ekstase aber nicht nur im Tempel, sondern leben mit diesen Bildern im Alltag. Für sie sind die vielen Götter-Geschichten, bunten Mythen und überlieferten Fabeln keine Märchen im religiösen Gewand und auch keine Gleichnisse. Sie sind Realität, Erlebnistatsachen und immer wieder neu erfahrbar: Shiva sitzt bis heute auf seinem Berg, immer zu einem Streifzug bereit, der Urozean aus Milch wird weiter gequirlt und Ganesh tanzt trotz seiner Leibesfülle mit seinen schönen Begleiterinnen Riddhi und Siddhi.

Der rituelle Hanf-Gebrauch variiert stark. Meist wird Cannabis nur nach Sonnenuntergang genossen, nur die Sadhus müssen früher ran. Hans-Georg Behr zitiert in seinem Klassiker „Von Hanf ist die Rede“ einen ehemaligen Rechtsanwalt aus Kalkutta: „Dreißig Portionen muß ich am Tag rauchen. Oft kann ich schon mittags nicht mehr, doch es muß sein – es ist ein Gelübde.“

Im Landesteil Bengal, im äußersten Osten Indiens, ist es immer noch Tradition am letzten Tag des größten Hindu-Festes, der Durga Puja (Vijaya Dasmi), an die Familienmitglieder und Gäste Bhang auszuschenken. Im Bundesstaat Orissa feiern die Anhänger des Gottes Jagannath ebenfalls kräftig mit Cannabis-Zubereitungen. Bhang ist in Indien was das Bier für die Deutschen ist. Gerade orthodoxe Hindus freuen sich über die Abwechselung, ist ihnen doch der Alkoholgenuss verboten.

Den Hindu-Priestern sind die Freuden des THC verwehrt, sie unterliegen einer strengen Diät. Alle Priester entstammen der Brahmanen-Kaste, deren Angehörige wiederum, sofern sie sich denn traditionsbewusst verhalten, den Reinheitsgeboten unterliegen. Dazu gehört auch das Fernhalten von jeglichen Rauschsubstanzen. Privat, so wird kolportiert, drücken die Brahmanen aber manchmal ein Auge zu und ziehen ebenfalls einen durch. Somal sie in vergangenen Zeiten ganz offiziell geraucht haben sollen, natürlich nur, um besser meditieren zu können.

Ein fröhliches Land von Kiffern also? Nicht ganz, glaubt man der spärlichen Studien zum dem Thema, zeigt die Prohibitionspolitik selbst im quirligen Indien ihre Wirkung: Seit 1985 ist Cannabisanbau und Nutzung illegal. Aber Indien wäre nicht Indien, wenn es nicht hier nicht dauernde Ausnahmen gäbe.

 

Gerade in den Städten lockern sich in den letzten Jahrzehnten mit den strengen Kastengesetze auch die religiösen Bindungen, welche sich über mehr als zwei Jahrtausende ausdifferenzieren konnten. Gleichwohl ist Indien noch heute ein außerordentlich vielfältiges Land, das vor Riten, spirituellen Festen, Göttern und (auch falschen) Heiligen nur so strotzt. Der Hinduismus zeichnet sich dadurch aus, dass sich in ihm die einzelnen Phasen nicht abgelöst haben, sondern sich die jeweils älteren Elemente bewahrt haben.

Bereits um 600 v.C. kam mit den Upanishaden eine Textgattung auf, in der die Welt als Illusion beschrieben wurde. Dauerhaft gut drauf sein könne nur der, der dies nicht nur erkennt, sondern auch sein eigenes Selbst (Atman) mit dem Absoluten (Brahman) identifiziert. Das klang sehr nach Buddha und tatsächlich verweben an dieser Stelle Hinduismus und Buddhismus. Diese Philosophie lebt heute in der Vedanta- Schule des Hinduismus fort.

Während das „Sein“ in westlicher Vorstellung innerhalb des Denkbaren liegt (Descartes: „Ich denke, also bin ich“), sehen die Hindus den viel entscheidenderen Teil des Lebens im Nicht-Denkbaren, dem, was bei uns gemeinhin „Mystik“ genannt wird. Rauschsubstanzen ermöglichen ihnen den Zugang zu diesen Räumen, die aus ihrer Sicht keine Fluchträume vor der Realität (was ist das?), sondern göttliche Sphären sind.

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Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch – Das Christentum

HanfBlatt, Nr. 98, November/Dezember 2005

Die Weltreligionen und ihr Verhältnis zum Rausch

Teil 1

Das Christentum

Es ist schon so eine Sache mit den Christen. Als kleine jüdische Sekte entstanden, ist das Christentum heute mit rund 2 Milliarden Anhängern die erfolgreichste Religion weltweit. Die Liebe zu Gott und dem nervigen Nachbarn steht im Vordergrund der Lehre, um aber korrekt christlich glauben zu können muss man ein paar weitere Grundsätze akzeptieren. Ein zentraler sei genannt, denn er führt ins Thema: Die Erbsünde. Weil Eva und Adam von der Frucht der Erkenntnis naschten wurden sie aus dem Paradies geworfen. Seither warten die Christen auf Erlösung. Abgesehen davon, dass manche Psychedeliker glauben, der Apfel sei die erste psychoaktive Droge gewesen, begleitet der Begriff der „Sünde“ das Glauben und Denken der Christen seither.

In einigen Passagen der Bibel dient der Wein dem Christentum zwar mit üppigen Bildern. Im Alten Testament heißt es beispielsweise: „Deine Gattin wird wie ein fruchtbarer Weinberg sein.“ Im Vierten Buch Moses presst der Riese Nephilim so große Weintrauben, dass deren Säfte sich zu einem Fluss vereinigen. Aber spätestens mit der Geschichte der Töchter von Loth, die ihren Vater betrunken machen, um anschließend mit ihm zu schlafen, manifestierten sich im Christentum eindeutig rauschablehnende Züge. Roter Wein, rote Lippen und andere Rauschmittel sind von nun an die Komplizen von Inzest, Mord und Gesetzesbruch. Wein und Weiblichkeit gehören zusammen, ihre Verführungskraft ist ähnlich stark, die Sünde ist nah. Von der Schlange in die Ferse gestochen kriegt Eva „ihre Tage“; diese gelten bis heute als unrein. Die Menstruation der Ursünderin ist kalter Anti-Wein.

Beim Abendmahl sagt Jesus: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ Ab diesem Moment steht Wein als Metapher für das Blut von Christus. Diese symbolische Aufladung lässt ihn zur Sakraldroge werden, der Wein gilt als Saft eines Lebens, das nur durch den Glauben an Jesus Sinn erhält.

In der Bibel existieren keine direkten Hinweise auf Cannabisgebrauch, Judaismus und Christentum bemühen sich seit Jahrhunderten eh, die eigenen religiösen Praktiken vom Zusammenhang mit psychoaktiven Pflanzen frei zu halten. Es gilt: Lieber nüchtern in die Irre rennen, als berauscht zur Erkenntnis zu gelangen.

Soweit die Theorie. In den Zeiten des Heranwachsens zu einer ausgebildeten Religion trifft das frühe Christentum aber auf eine Bevölkerung, die vom Gegenteil überzeugt ist. Gelage sind dort eben gerade sakrale Handlungen, rauschhafte Freude und derber Humor und der Kontakt mit dem Göttlichen gehen hier zusammen. Der Met ist Heilmittel, besser gesagt: ein Kanal zu „Gott“, nämlich zu den Ursprüngen der eigenen Seele im All-Einen. „Gott“ in Form des streng-gütige Mannes mit Bart ist eine Halluzination der Christen. Kein Chinese kriegt Marienerscheinungen.

Gleichwohl blieb eine Art rauschhafte Erkenntnis durchaus eine akzeptierte Form der Erkenntnis bei den Christen. Die Extase, die Enthebung aus der ichgebundenen Wirklichkeit, ist die Urform aller religiöser Erfahrung und war auch dem Christentum nicht unbekannt. Nur spielten naturgegebene Substanzen und Mittelchen dabei immer nur eine untergeordnete Rolle, es waren immer nur Splittergruppen, die dieses mystischen Weg der Erkenntnis beschritten. Meister Eckehart und Hildegard von Bingen, um zwei zu nennen, fanden innerhalb der Bevölkerung wenig, innerhalb der Kirche so gut wie keine Unterstützung. Heute, so darf man sagen, ist dieser Zweig innerhalb des Christentum komplett vertrocknet.

Es ist eine interessante, hier nicht zu beantwortende Frage, ob eine Kultivierung des direkten Kontakts der Gemeinde mit „Gott“ den Untergang des Christentums verhindert hätte, der sich in den Industrienationen seit Jahrzehnten langsam, aber unaufhaltsam vollzieht. Die Gefahr wäre wohl gewesen, dass aus den Schäfchen plötzlich selbstständig glaubende Individuen geworden wären. Von da aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Frage, weshalb man verfettete und ablasshandelnde Mönche finanziell unterstützen soll. Anders formuliert: Braucht man eine Institution, die sich zwischen das glaubende Individuum und das göttliche All-Eine schiebt? Ein Übersetzer der Sprache „Gottes“ lohnt durch nur, wenn man das Simultan-Wörterbuch nicht selbst in der Tasche hat.

Die Machtansprüche der Kirche beziehen sich im Mittelalter (und bis heute) aber nicht nur auf das geistige, sondern auch das weltliche Leben. Gott sitzt damals an jedem Tisch, das „Gute“ und „Böse“ war immer und überall. Auch extatische Erfahrungen sind nicht aus der Wirklichkeit ausgegrenzt, sondern bestimmen alltäglichen Denken und Handeln. Diese Sprengkraft spielt viel zu sehr in den weltlichen Machtbereich der Kirche hinein, als das sie sie ignorieren könnten. Schließlich ist sie es, die die Welt in Gut und Böse einteilt und es unterliegt ihrem Gutdünken, aus einem trippenden Ur-Hippie einen Heiligen oder einen Ketzer zu machen.

Es ist viel darüber spekuliert und geforscht worden, ob das Christentum unsere Wurzeln der heidnischen Kultur gekappt und mit den eigenen Anschauungen und Praktiken ersetzt hat. Mindestens genauso wichtig wie die Rolle der Klerus bei der Ablehnung von Rauschmittel ist sicherlich der im Zeitalter der Aufklärung aufkeimende Rationalismus. Er ist die Grundlage der modernen Wissenschaft. Nicht mehr die Einsicht in der Ganzheit der Welt wird angestrebt, sondern es wird das Funktionieren ihrer einzelnen Teile untersucht. Die Welt wird analysiert und ihre Objekte seziert. Für eine Subjekt-Objekt Verschmelzung, deren Erleben extrem subjektiv ist, blieb kein Platz mehr. Weil nicht messbar, wird der durch Rauschmittel induzierten Extase der „wirkliche“ Charakter abgesprochen. Aus dieser Sicht ist Transzendenz nur ein Hirngespinst oder gar Lug und Trug.

Heute nimmt die christliche Kirche eine gespaltene Stellung gegenüber dem Rausch ein. So sehr sie sich an den Geschwindigkeitsrausch, den Konsumrausch und die rauschartige Zustände bei Massenaufläufen gewöhnt hat, so sehr lehnt sie den Einsatz von speziellen Rauschmitteln zur Gottangleichung ab. Selbstkontrolle, da ist sie sich mit dem Rest der Gesellschaft einig, ist erste Bürgerpflicht. Und auch in anderer Hinsicht geht sie konform: Alkohol ist erlaubt. Sie sieht sich daher dem Vorwurf ausgesetzt, zusammen mit den ökonomisch-politischen Kräften den Alkohol deswegen zu billigen, weil ihm keine große Kraft zur ich-auflösenden Extase inne wohnt. Haschisch und andere Drogen dagegen werfen die Frage nach Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit auf. Solche alternativen Sinnwelten seien, so der Vorwurf, weder von Politik noch von der Kirche gewollt. Der Rausch ist und bleibt für den Klerus unheimliches Unterfangen „böser Kräfte“ oder „verwirrter Seelen“. Und noch ist kein Ende der Phrase von den „künstlichen Paradiesen“ in Sicht. Wie auch?, würde dies doch das christliche Glaubensfundament in den Urfesten erschüttern.

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Männer und Rausch

Dann ist ein Mann ein Mann

Warum wir Männer uns eher für den Rausch begeistern. Und warum das auch o.k. so ist.

Kiffen, Saufen, Exzesse: Der Rausch ist nach wie vor eine Angelegenheit von Männern. Warum kippen wir uns eigentlich so viel lieber einen hinter die Binde als Frauen? Sollte irgendwas anders sein?

Schon seit einigen Jahrzehnten steht der deutsche Mann neben sich. Wünsche und Zumutungen drängen auf ihn und sein Selbstbewusstsein ein. Vor ein paar Jahren noch sollte man metrosexuell (Definition: Männer, die sich waschen) sein – haben aber wollte kein Weib diese Züchtung, es reicht ihnen bis heute, sie in Magazinen zu bewundern. Kurz darauf war die Damenwelt jedwede Art von Weicheier satt, der ganze Kerl war wieder gefragt. Romantisch und zärtlich oder doch lieber verwegen und Whiskey saufend? Intellektuell oder eben doch einfach nur reich? So geht das Spiel nun seit Jahrzehnten, nur die Zyklen sind kürzer geworden.

Im Gegensatz dazu hat sich das Rauschverhalten von Männern kaum verändert. Früher eine dicke Zigarre, heute Eimer rauchen oder Wodka-Red-Bull-Kampftrinken, dazu eine Schachtel Marlboro und eventuell „ne halbe E“. In Großstädten wie ländlichen Gebieten gibt es so gut wie keinen Mann über 16 Jahren mehr, der nicht Erfahrungen mit Alkohol, Tabak oder Cannabis gemacht hat. Mehr noch, bis zu diesem Alter haben 80 % bereits ihren ersten Alkohol-Vollrausch hinter sich. Alkopops haben dabei Bier und Schnaps längst überholt. Trotz Kater hört kaum einer nach diesem besoffenen Erlebnis komplett auf, es muss was dran sein am Rausch. Aber was?

Um vorne anzufangen: Wenn Erstklässler auf den Schulhof strömen, spielen die Mädchen auch nach 30 Jahren Feminismus und geschlechtergerechter Erziehung gesittet, schnattern viel und geben sich wichtig. Derweil rotten sich die Jungen immer noch zu Bolzggruppen zusammen, rennen, schwitzen und brüllen. Der MIT-Biologe David Page, der das Y-Chromosom erforscht, schreibt: „Die genetischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen stellen alle anderen Unterschiede im menschlichen Genom in den Schatten.“

Auch heute noch gesellt sich zu dieser genetischer Vorbildung ein Erziehungsstil, der meist die klassische „Männlichkeit“ eines Jungen verstärkt: Vernunft, wenig Emotionen, Stärke, Durchsetzungsfähigkeit. So wird versucht, aus dem Rotzlöffel ein mehr oder minder wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu machen. Die ersten Rauscherfahrungen, sei es nun mit Haschisch oder Bier, dienen später in erster Linie dazu, dem engen Korsett dieser elterlicher Fürsorge zu entkommen. Ein junger Mann durchstößt für eine kurze Zeit seine und die gesellschaftlichen Regeln des guten Anstands oder der Moral. Er prüft alles was ihm bislang als wichtig verkauft wurde, das Styling der Haare wird enorm wichtig. Ausflippen gehört dazu. Je nachdem was vorher im Elternhaus gelaufen ist, bleibt dieses Muskelspiel eine wichtige Episode für alle. Wenn aber mehrere negative Faktoren zusammenkommen, dann ist der junge Mann nicht in der Lage einen geregelten Umgang mit legalen oder illegalen Drogen zu lernen.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer Werbe- und Medienwelt, in der der Absturz gefeiert, aber scheinheilig vor Jugendlichen verborgen wird. Die Memoiren diverser Stars strotzen vor Gejubel und Gejammer, zuletzt protze Heiner Lauterbach mit Heroin, Bordell-Besuchen und 50 LSD-Trips, die bei ihm anscheinend nicht gewirkt haben. Grundsätzlich gilt: Der Konsum von Drogen ist umso risikanter, je geringer das eigene körperliche und psychische Wohlbefinden ist. Männern sehen ihren Körper halt oft nur als Maschine an, die zu funktionieren hat. Sie nehmen, so sagen auch die Wissenschaftler, Signale des Körpers weniger gut wahr, reden seltener über ihre Befindlichkeit und nehmen ungern Hilfe an, was sich auch darin zeigt, dass sie sich im Fall von Abhängigkeitserkrankungen später in Behandlung begeben als Frauen. Wenn dann alles schief läuft, landet Mann in einer der diversen Therapieeinrichtungen. Und da sitzen immer mehr Männer (2/3) als Frauen (1/3) , nur bei Essstörungen und Medikamentenabhängigkeit ist das Verhältnis umgekehrt.

Wenn alles gut läuft und ein Mann dem Rausch nicht völlig anheim fällt, dann nimmt er vor allem deswegen Drogen, weil ihm diese Entspannung oder Grenzerfahrungen ermöglichen. Der Kontrollverlust, von Frauen eher gemieden, ist bei Männern gerne gesehen. Wer ist der Breiteste, Higheste oder Schlagfertigste? Der Wettbewerb, das ewige Kräftemessen, bestimmt auch hier oft das Bild. Es ist dieses über sich hinauswachsen, der Abbau von Blockaden, diese enorme Dynamik, die dazu führt, dass Männer Flaschen exen und Pillen werfen. Schlecht ist nur, wenn hier dauerhaft die Grenzen zum Gefühl der Unverletzlichkeit und der Übermacht überschritten werden und langsam in die Alltagssicht integriert werden. Zu Hause und am Arbeitsplatz der ewige Arsch, in der Kneipe ein Held.

Hinzu kommt das Potential von Drogen als Schmierstoff in soziale Gruppen. Wer bis zum Eintritt in die Bundeswehr clean war: Spätestens hier kommt er mit kiffenden Gefreiten und alkoholabhängigen Unteroffizieren in Berührung. Dass die Armee völlig ungeeignete Initiationsriten in die Welt psychoaktiver Substanzen schafft, ist eine weithin unterbeleuchtete Tatsache deutscher Drogenkultur. Ob in der Gruppe oder alleine, Männer haben weniger Probleme damit ihren (harten) Konsum öffentlich zu zeigen. Im Gegenteil, er wird als Unangepasstheit, als herrlicher Tabubruch empfunden. Aber, wie Michel Graf, Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), anmerkt, fangen an dieser Stelle oft die Probleme an: „Das Stereotyp des starken Mannes, der keine Grenzen und keinen Schmerz kennt, stellt einen Risikofaktor für die Gesundheit der Männer dar.“

Die angedeuteten modischen Zumutungen der Moderne an den Mann treffen in diesem ohnehin auf ein Vakuum. Trotz Bürojob und respektablen Konsumverhalten fehlt den meisten Männern etwas. Das Problem ist zum einen: Es gibt keine wirklichen Herausforderungen in der Natur mehr zu bestehen. Da wir aber mit einem Teil der Person immer noch wie die grunzende Steinzeitmenschen handeln und zudem den Körper spüren wollen, schaffen wir uns künstliche Anregungen: Sport oder gar Extremsport, Freizeit-Challenge. Zum anderen schießen die Rauschzustände uns für kurze Zeit aus dem Normalbewusstsein und damit den Alltag raus. Es ist ein Gräuel nicht nur für konservative Politiker, dass der Rausch abseits der Gesellschaft und gefestigter Werte steht. Aber nur darin entfaltet er eben seine Sinnhaftigkeit.

Apropos: Es ist viel darüber gestritten worden, welche Auswirkungen der Zusammenbruch des kirchlich organisierten Glaubens hat, zudem darüber, ob der Mensch überhaupt an irgendeine höhere Macht glauben sollte, um glücklich zu leben. Beinahe genauso alt ist die Diskussion darüber, ob psychedelische oder besser gesagt entheogene Substanzen dabei eine sinnstiftende Rolle spielen sollten. Wie immer man das entscheidet, fest steht, das immer wieder Männer (und natürlich auch Frauen) zunächst aus nur profanen Gründen eine Substanz zu sich nehmen und plötzlich merken, dass diese ihnen nicht nur auf der psychischen Ebene gut tut, sondern einen Blick in eine andere Welt erlaubt, die den innersten Zusammenhang allen Seins offenbart. Dies, so lesen sie dann nach, nennt sich hochtrabend „Spiritualität“, ist aber nichts anderes als eine natürliche Erfahrung, die Menschen aller Kulturen seit Jahrtausenden machen. Nur ist diese Erfahrung weltweit sowohl auf der substanziellen Ebene („Drogenkonsument“) wie auf der geistigen Ebene („Esoteriker“) verpönt, belächelt, tabuisiert. Bei allem Bemühen um ein gesundes Selbstverständnis des Mannes bleibt dieser Gesichtspunkt meistens außen vor.

Klar, Drogenlust kann ein Männlichkeitsbeweis sein. Sieht man einmal von einer völligen Abstinenz ab, bleibt die spannende Frage, wie ein Mann sich selbst sehen und anderen gegenüber verhalten sollte und trotzdem seinem Hobby frönen kann. Heilige, Meditationsfreaks und Geläuterte mögen es anders sehen, aber für viele ist es gut, wenn das Tier in ihnen alle paar Monate aus dem Käfig der Zivilisation ausbrechen darf. Inzwischen ist ja soweit, dass Mannsein als eine Art Krankheit dargestellt wird. Damit dies nicht so bleibt, sind ein paar Komponenten wichtig.

(1) Eigene Gefühle sollten nicht ständig im Keller bleiben. Sie dürfen ausgedrückt und damit auch – und das fällt den meisten von uns schwer – mitgeteilt werden. Ja, ja, „Schön, dass wir darüber gesprochen haben“, aber eben dazu sind Partner und Freunde eben da: Mann teilt Freud und Leid. Das führt direkt zu (2), nämlich den Aufbau und Erhalt stabiler sozialer Beziehungen. Man muss keine Familienaufstellung nach Hellinger betreiben, um zu wissen, dass die eigene Herkunft maßgeblich bestimmt wo man heute steht. Ob man sich mit dem ganzen Eltern- und Verwandtenstress nun versöhnt oder nicht, wichtig ist nur diese Herkunft nicht zu verleugnen. (3) Es gibt einen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit. Befriedigung kann man in beiden Bereichen finden. (4) Das ideale und reale männliche Selbstbild können aufeinander abgestimmt werden. Es nutzt wenig sich wie wild von allem zu distanzieren, was weiblich ist und eine übertriebene Inszensierung von Männlichkeit zu betreiben. Wer die gesamten Tipps von „Men’s Health“, „Matador“ oder den Hollywood-Schinken ernst nimmt ist auf dem besten Weg in die Welt der Neurosen.

Um etwas hochgestochen zu enden: Letztlich ist ein freudiger Balanceakt zwischen verschiedenen Verhaltensweisen und Handlungen gefragt, die sich widersprechen, gleichwohl nur dann zur Blüte kommen, wenn man sie beide, vielleicht sogar während des Rausches, berücksichtigt: Da ist zunächst das Paar „Leistung und Entspannung“, denn viele neigen dazu auch im Feiern nur eine Art Sport zu sehen. Wichtig ist es aber auch sich entspannen zu können. O.k., das muss man den Kiffern nicht unbedingt sagen, hier gilt eher das Gegenteil. Diese Methode des „balancierten Mannsein“ (Reinhard Winter, Gunther Neubauer) lässt sich auf andere Verhalten genauso anwenden, als da sind: „Präsentation und Selbstbezug“, „Konflikt und Schutzsuche“, „kultureller Lösung und kulturelle Bindung“ und die legendären „Stärke und Begrenztheit“. Wer diese Paare in einen dynamischen Einklang bringt, der ist Mann und geht seiner Umwelt trotzdem nicht auf den Sack.