Ein Gewissenscomic
Der Chemie- und Biologielehrer Jürgen Wolsch unternimmt den bemerkenswerten Versuch, die Wirkung allerlei Drogen in einem Comic zu erklären. Neben Alkohol und Tabak geht er Cannabis, die Amphetamine, Ecstasy, Kokain und Heroin an. Macht er das gut? Ja und Nein. Ja, weil Wolsch die physiologischen Hintergründe und Wirkmechanismen der einzelnen Drogen probat und akribisch bis hinunter auf die Ebene der Neurotransmitter beschreibt. Der naturwissenschaftliche Bildung des Autors wurde auf 150 Seiten komprimiert, auf denen ein Strichmännchen sich mit den verschiedensten Substanzen rumschlagen müssen. Künstlerisch wertvoll ist das nicht, darum geht es Wolsch aber auch gar nicht: die Männchen sollen primär den Text illustrieren und erläutern und eher sekundär als humorige Leitfiguren durch das Buch führen. Die Info-Grafiken wiegen für das Werk viel mehr und stehen im Vordergrund.
Leider führt Wolsch den naturwissenschaftliche Ansatz zu weit. Sicher haben Drogen verallgemeinerbare Wirkmechanismen, aber ihre Effekte hängen halt sehr von der psychischen Verfasstheit des Konsumenten ab. Menschen sind halt keine Maschinen, die nach determinierten Regeln funktionieren. Wenn Wolsch also beispielsweise das „Amotivationssyndrom“ bei Cannabis-Langzeitkonsum zu beschreiben versucht, suggeriert er, dass jedermann und jede Frau bei regelmäßigem (einmal die Woche?) Cannabis-Konsum eine „Gleichgültigkeit gegen das soziale Umfeld und die Anforderungen des Alltags“ herausbildet. Aber es lassen sich viele Gegenbeispiele finden, denn es gibt tausende von 18-Jährigen, die am Wochenende zwei Joints durchziehen und am Montag ihren Mann am Ausbildungsplatz stehen. Sicher ist doch nur: Mit Cannabis ist es nicht anders wie mit anderen, stoffungebundenen Substanzen auch: Wer meint sein gesamtes Freizeitverhalten einer Sache widmen zu müssen, wie beispielsweise der täglich mehrständigen Konsolenattacken, der vernachlässigt logischerweise andere Dinge.
Fazit: Es gibt schlechtere Bücher zur Drogen-Aufklärung. Das „Wissenscomic“ von Wolsch vermittelt einen guten Überblick über einige der wichtigen psychoaktive Substanzen und deren Wirkung. Insgesamt dominiert allerdings die pathologische Sicht auf die legalen und illegalen Präparate. Das Werk ist zu großen Teilen wissenschaftlich korrekt, auf die von Wolsch zitierten „Cannabis-Flashbacks“ warten allerdings Generationen von preisbewussten Kiffern sehnsüchtig.
Jürgen Wolsch
Drogen. Ein Wissenscomic
Eichborn Berlin 2007
ISBN-10: 3821856564
160 Seiten, broschürt
12,95 EUR