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Interview mit Bruno Martin

Hanfblatt, Nr. 109

Langsame und plötzliche Evolution

Jörg Auf dem Hövel & AZ

Interview mit dem Buchautoren und 68er-Veteranen Bruno Martin

Der Zeitgeist ist sich uneinig über die positiven und negativen Anschübe der 68er-Ära. Der Autor und Gurdjieff-Experte Bruno Martin erzählt im Interview über den suchenden Elan der damaligen Zeit, die psychoaktiven Türöffner und die göttliche Evolution.

Geboren 1946 in Karlsruhe wuchs Bruno Martin in einem linksliberalen Elternhaus auf. Nach einer kaufmännischen Ausbildung zog er nach München, wo er 1966-68 Politikwissenschaft studierte und aktiv an der linken Studentenbewegung beteiligt war. Es folgte eine lange Reise nach Indien, später verschlug es ihn nach England, wo er in der „Akademie für lebenslanges Lernen“ des britischen Mathematikers John G. Bennett studierte. Zurück in Deutschland gründete er Mitte der 70er Jahre einen Buchverlag und gab viele Jahre das New-Age-Magazin „Hologramm“ heraus. Obwohl ihn seine Familie mit vier Kindern viel in Anspruch nahm, begann er neben seiner Verlags- und Übersetzertätigkeit eigene Bücher zu schreiben, das bekannteste wurde das „Handbuch der spirituellen Wege“, das er 2005 zu einem „Lexikon der Spiritualität“ weiterentwickelte. Im Herbst erscheint nun im wiederbelebten Sphinx-Verlag sein neuestes Werk „Intelligente Evolution“, in dem er auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zeigt, wie eine schöpferische Kraft die Evolution vorantreibt und das Leben kreativ weiterentwickelt. Er versucht mit vielen spannenden Fakten zu belegen, dass der materialistische Darwinismus als überholt gelten kann.

Frage: Es ist viel über die Zeit der 1960er Jahre, ihre persönliche und gesellschaftliche Wirkung geschrieben worden. Neben den positiven Prozessen bedeutete es für viele eine geistige Transformation, aber auch ein Verheddern, entweder in ideologische oder aber in esoterische Gefilde. Marxismus oder Leary, waren das wirklich Alternativen? Wenn Du den Blick zurück wendest: Welche Strukturen förderten einen konstruktiven Umgang mit den Dynamiken?

Bruno Martin: Es war kein sensitives Feld dafür vorhanden, es war Neuland. Will man die Geschichte von vorne beginnen zu schreiben, muss der theoretische Marxismus erwähnt werden, denn damit fing es bei den meisten an.

Frage: Bitte.

Bruno Martin: Ich war in der Studentenbewegung in München aktiv. Asta-Besetzung, Anti-Springer-Demonstrationen, Druck und Verteilung von Flugblättern. Eine sehr politische Zeit, im Kern anti-religiös, auch ich war aus der Kirche ausgetreten. Von diesem Standpunkt aus informierte ich mich über den Anarchismus und lebte in einer Wohngemeinschaft. Zu dieser Zeit, es war 1969, schneite eine Hippie-Kommune in unsere Wohngemeinschaft rein, der habe ich mich dann angeschlossen, denn das politische Engagement war mir vom Lebensgefühl her ohnehin nicht mehr radikal genug. Der Kommunismus war mir suspekt geworden, die autoritären Strukturen wurden schon sichtbar.

Frage: Das war auch die Zeit, in der du mit psychoaktiven Substanzen in Berührung kamst?

Bruno Martin: Zunächst wurde gekifft. Zu Marcuse, Freud und Wilhelm Reich gesellte sich Carlos Castaneda. So kam es zum langsamen Abwenden vom Allgemeinpolitischen und zum Aufbrechen der persönlichen Strukturen. Es war klar, dass man erst einmal bei sich selber anfangen muss, bevor man die Welt verändert. 1969, in Köln, nahmen wir dann in der Gruppe die ersten LSD-Trips, die verliefen eher anstrengend. LSD war kaum bekannt, erst ab 1969 gingen mehr Menschen auf den Trip. Die Yellow-Sunshine-Trips kamen auf den Markt, sehr rein, 250 Mikrogramm. Nach zwei, drei Trips habe ich die kosmische Dimension entdeckt – oder sie mich. So kam zur politischen und psychologischen Ebene eine spirituelle hinzu.

Frage: Die Suche begann?

Bruno Martin: Sie führte Richtung Indien, ich suchte eine fundierte spirituelle Ausbildung. Von Delhi aus reiste ich sofort auf die Vorgebirge des Himalaja und habe mir dort auf zweieinhalbtausend Metern eine Hütte gemietet. Fünf Mark im Monat hat die gekostet. Dort habe ich meditiert. Ein paar Kilometer entfernt hatte Lama Govinda sein Zentrum, bei mir in der Nähe wohnte im Wald ein alter Einsiedler. Ein Däne, 80 Jahre alt vielleicht, er nannte sich Sunyata. Bei ihm erfuhr ich die Lehre der Advaita-Vedanta – die letztlich sagt, dass die Welt weder existiert noch nicht existiert… Dann las ich „Auf der Suche nach dem Wunderbaren“ von Pjotr D. Ouspensky, das bot eine Art von wissenschaftlicher Spiritualität. Das führte direkt zum Interesse an einer Gurdjieff-Schule.

Frage: Warum kehrtest du nach Deutschland zurück?

Bruno Martin: Wahrscheinlich, weil meine wissenschaftliche Prägung doch zu stark war, die indische Lebensweise wirkte auf Dauer zu schwammig auf mich. In den Lehren von John Bennett, einem Mathematiker und Physiker, der ein Schüler von Gurdjieff war, fand ich eine neue Orientierung. Er hat den Begriff des „lebenslangen Lernens“ in unser Bewusstseinsfeld gebracht.

Frage: Bis dahin war die spontane Erleuchtung verlockender gewesen?

Bruno Martin: Sein Training spielte mit Spontaneität und Struktur. Ein Jahr lang ging ich in England in diese „Schule des Augenblicks“, danach gründete ich eigene Gruppen, um noch mehr zu lernen.

 

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Frage: Welchen Inhalt würdest du dem Begriff der „Naivität“ in diesem Zusammenhang einräumen?

Bruno Martin: Wir waren nicht naiv. Die politische Bewegung hat uns eher intellektualisiert, später kam die Neugierde dazu. Man musste Mut haben, um beispielsweise LSD zu nehmen. Wie Nietzsche sagte: „Man muss Künstler genug sein, um der Wahrheit ins Auge zu sehen.“ Jugendliche heute, die können schon auf einen gewissen Erfahrungsschatz zugreifen. Zugleich ist der Umgang mit der Droge in gewisser Hinsicht heute viel naiver. Da sind wenige, die ein kosmisches Bewusstsein anstreben. Das Empfinden wirkt oberflächlicher.

Frage: Schwer zu sagen. Die junge Generation ist extrem gesättigt von den visuellen und akustischen Arbeiten und Phantasien anderer Menschen. Ego-Shooter, Matrix, MTV. War die Zeit damals nüchterner, vielleicht sogar grauer, so dass der Bruch durch das LSD-Erlebnis viel intensiver war?

Bruno Martin: Sicher. Der Weg nach Innen ist heute viel schwerer. So dienen LSD oder andere Substanzen oft nur als Verstärker der künstlichen Welten.

Frage: Dazu Pappmachezwerge und Schwarzlicht-Konstrukte, der „Film“ ist eigentlich schon fertig.

Bruno Martin: Das zeigt, dass unser Bewusstsein diesen „Film“ selber erschafft und gestaltet. LSD ist nur ein Türöffner, ein Auslöser. Die Absicht ist dann das Entscheidende. Als Beispiel: Walking kann als reine Fitness-Variante oder eben als meditativer Vorgang verstanden und ausgeführt werden. In einem guten Trip verlässt man die Subjektivität und geht in die Objektivität. Dann trennt man nicht mehr zwischen sich und den Dingen, die Ganzheitlichkeit kommt. Aber diese Mystik ist nur schwer in Worte zu fassen.

Frage: Erlebnisse von Einheit mit Allem sind immer wieder beschrieben worden, meist in Zusammenhang mit Meditation.

Bruno Martin: Als die spirituellen Wege entstanden, waren und blieben sie auch die Ausnahmen. Die Leute sind in die Einsamkeit, später ins Kloster gegangen. Askese, Fasten, Singen, Beten, Arbeiten. Es war ist ein langer, fruchtbarer Weg bis zur Schau der Ganzheit. Damit dieser Weg nicht austrocknet, kann es aus meiner Sicht durchaus gut sein, ihn ab und zu aufzufrischen.

Frage: Wie?

Bruno Martin: Eben auch mit psychoaktiven Substanzen. Wer beispielsweise zehn Jahre lang einen buddhistischen Weg gegangen ist, dem kann ein LSD-Trip eine neue Perspektive geben, die natürlich eine alte ist. Es können dann Dinge geschehen, die man bis dahin nur kurz erheischt hat. Danach weiß man wieder, wohin es geht und warum man überhaupt an sich arbeitet. Klar, wer sich in diesem Zusammenhang nur auf Drogen verlässt, dem geht die Stabilität des Wesens ab, denn die ist nur durch Jahre währende Praxis erreichbar. Ich würde schon unterscheiden wollen zwischen dem Aufwachen und der momentanen Erleuchtung und dem dauerhaften Seinszustand. Ich habe nach den einschneidenden 68er Erfahrungen lange keine Entheogene mehr genommen und Energiearbeit, Bewegungsübungen und Meditation praktiziert. Als ich dann Mitte der 90er wieder auf einen Pilz-Trip ging war die Erfahrung eine andere: Viel stabiler, es hatte eine zusätzliche Qualität und Tiefe, die ich früher nur ahnte. Ich sah die Welt wie sie ist, im Sinne von William Blake.

Frage: Als Gefahr für die Psyche hast du das nie empfunden.

Bruno Martin: Nein. Sicher gibt es die, es fehlt an der Kultur und dem Wissen. Die Leute müssen verrückt sein, bei einer Party zehn Ecstasy-Pillen zu schlucken oder literweise Alkohol zu trinken. Davon wird man nicht schlauer, nur krank. Im Grunde müsste man Kurse anbieten, in denen man lernt, wie man mit psychoaktiven Substanzen umgehen kann. Die müssten von Leuten gegeben werden, die Erfahrungen damit haben – und die gibt es ja. Das wäre sinnvoller als das momentane Verbot und der Verlust der spirituellen Dimension. Aber die ist vielleicht gar nicht gewünscht.

Frage: Ein Hauch von Magie muss meist ausreichen, eine sanfte Überwältigung.

Bruno Martin: Ich meinte eher politisch nicht erwünscht. Die Integration der 68er Zeit ist ja weitgehend vollzogen, nur die drogenpolitischen und spirituellen Dimensionen will man nicht angehen.

Frage: Ein Fahrplan für die psychedelische Erfahrung war ab den 60er Jahren das „Tibetanische Totenbuch“, eine von Timothy Leary und anderen herausgegebene Neuformulierung eines ursprünglich aus dem 8. Jahrhundert stammenden Werkes. Darin wird der Prozess des Sterbens und der Wiedergeburt sowie die Möglichkeit, aus diesem Kreislauf auszubrechen, auf den LSD-Trip angewandt. Ist das in der Rückschau nicht eine enorm suggestive Beeinflussung, die so manchen Trip in seltsame Bahnen geleitet hat?

Bruno Martin: Ich habe das Buch damals übersetzt und das nie so empfunden. Die Bardos, diese Zwischenzustände zwischen zwei Leben, habe ich nie als Todeserfahrungen interpretiert, sondern als Stufen der inneren Erfahrung auf dem Weg zum Licht. Starke Bilder von Türwächtern, wie dem Gott der Weisheit, der seine Zähne fletscht und dich zunächst abschreckt. Diese Illusionen können abgelegt werden, dann kommt man in die interessanten Dimensionen der Erleuchtungserlebnisse.

Frage: Das ist für jemanden, der bereits eine psychedelische Erfahrung gemacht hat, vielleicht ein probates Mittel. Für jemanden ohne Ahnung ist dieser fremde Film doch eher einschränkend, vielleicht sogar anstrengend.

Bruno Martin: Es geht um die grundsätzliche Erfahrung auf einem Trip, die oft mit verschiedenen Geistwesen beziehungsweise psychischen Zuständen einhergeht. Wenn ich nun durch ein Buch weiß, weshalb diese erscheinen, dann ist mir schon geholfen. Man tastet sich von einer Illusion zur nächsten, wenn man Glück hat, bis alle Täuschungen aufgelöst sind. Nebenbei bemerkt koche ich mein Essen auch nicht nach Rezept. Aber in einer Zeit, in der noch kaum ein Bewusstseinsfeld existierte, war das „Bardo Thödol“ in der Fassung von Leary eine der wenigen Möglichkeiten, geleitet durch einen Trip zu gehen. Nach den Lehren der tibetischen Lamas löst sich der Körper schrittweise auf, so dass mit dem Zerfall der äußeren Wirklichkeit im Augenblick des Todes der wahre, leuchtende Geist erfahren wird.

Frage: Wie muss man sich ein Bewusstseinsfeld vorstellen?

Bruno Martin: Wir leben in verschiedenen Feldern. Auf der kleinsten Ebene existieren Quantenfelder, also schwingende Einheiten, die Materie und Energie zugleich sind, zudem unbestimmt in ihrem Ort. Aus ihnen bilden sich Atome und das, was wir als feste Materie wahrnehmen. Auf der nächsten Ebene existiert die Biosphäre, mit allen Pflanzen und Tieren. Auch die Atmosphäre kann als Feld bezeichnet werden. Über die Luft sind wir mit allen anderen Lebewesen verbunden. Es wird uns erst langsam klar, wie eng wir mit diesen ganzen Feldern verwoben und wie abhängig wir von ihnen sind. Wenn ich ein paar Minuten nicht atme, bin ich tot. Das Bewusstseinsfeld ist nun das Feld, in dem die sensitiven und bewussten Informationen, die von uns erlebt werden, existieren und gespeichert werden. Es gibt den Begriff der Meme, also die Vorstellung von der Übertragung von Ideen nach einem Prinzip ähnlich wie bei den Genen. Die Meme nutzen das Bewusstseinsfeld, um sich zu verbreiten. Momentan haben die ideologischen Meme wohl die Oberhand gewonnen.

Frage: Das Bewusstseinsfeld ist immateriell?

Bruno Martin: Da kommen wir auf den Punkt. Das elektromagnetische Feld der Quantenphysik ist auch kein materielles Feld und gleichwohl real. Dieses Energiefeld wird zusammengehalten und verknüpft durch Information, also Geist. Das Bewusstseinsfeld liegt nicht außerhalb der Naturgesetze, sondern ist – wie alles – eng mit den anderen Feldern verwoben. Die wenigsten können sich vorstellen, dass es so etwas wie feste Materie im Grunde gar nicht gibt. Nun, mit etwas Trip-Erfahrung kann man sich das vorstellen.

Frage: Und Spiritualität ist die Praxis der Modifikation des Bewusstseinsfelds?

Bruno Martin: Ja, spirituelle Arbeit besteht darin, das eigene, schwingende Energiefeld homogen zu machen. Dies ist ein individueller Vorgang, denn jeder arbeitet spezifische Qualitäten in seinem Leben aus. Es ist durchaus möglich, dass dieses Energiefeld vom eigenen Bewusstsein zusammengehalten wird und mit dem größeren Bewusstseinsfeld zusammenwirkt, so wie die Luft auch immer wieder ausgetauscht wird. Vielleicht wird auch die Information ausgetauscht, so dass Leute Reinkarnationserlebnisse haben. Man darf das nicht zu persönlich sehen.

Frage: Welche Rolle spielt die Evolution in diesem Kontext?

Bruno Martin: Die Natur ist enorm komplex aufgebaut und jedes kleinste Insekt spielt eine Rolle in der Biosphäre. Das Ganze muss sich irgendwie selbst organisieren. Da kommt die Intelligenz ins Spiel: denn Selbstorganisation geht nicht automatisch. Es sind einfach zu viele Variablen im Spiel. Diese Intelligenz ist aber nicht von Anfang an allwissend, sondern ist mit der Evolution gewachsen, genauso wie wir dazu lernen, wenn wir älter werden. Schon in den ersten Quantenfeldern existierte eine kreative Triebkraft voller Experimentierlust, die sich in Richtung der Erschaffung von Leben entwickelt hat. Der Begriff der „intelligenten Evolution“ drückt das gut aus. Wenn wir genauer hinschauen sehen wir, dass komplexe Dinge nicht rein mechanistisch aus einfachen Bauteilen entstehen können. Es ist mir nicht weiß zu machen, dass beispielsweise einfache Bakterien sich irgendwann zufällig zu neuen Zellen mit Zellkernen entwickeln, in denen ein ausgeklügelter genetischer Code mit 3 Milliarden Buchstaben auf Nano-Ebene enthalten ist, und dieser Prozess dann nach Milliarden von Jahren bei Säugetier-Zellverbänden und den 50-100 Billionen Zellen des Menschen endet. Da wurde viel kreativer Schweiß vergossen.

Frage: Das Zusammenspiel ist aus deiner Sicht zu komplex, um nur auf Zufall, Anpassung, Mutation und Notwendigkeit zu basieren?

Bruno Martin: Der Darwinismus ist heute schon wieder zur Religion geworden. Keiner traut sich, auszutreten. Die meisten Ergebnisse aus den verschiedenen wissenschaftlichen Fachgebieten werden nur selten interdisziplinär zusammengetragen. Jede Fachrichtung produziert nur winzige Bausteine. Doch keiner der Wissenschaftler spielt mehr Lego damit. Ich habe in meinem Buch versucht, die Legosteine zu einem Hundertwasser-Haus zusammenzusetzen.

Frage: Und das Ergebnis?

Bruno Martin: Das Ergebnis ist: Die Dinge sind so eng miteinander verknüpft, dass mechanistisch-materialistische Erklärungsmuster zu eindimensional sind, wenn man verstehen will, wie Evolution funktioniert. Das Ausmaß des Zusammenspiels ist so groß, dass diese Ordnung ohne eine systemimmanente Intelligenz nicht vorstellbar ist. Das geben inzwischen auch Genforscher zu, die sagen, dass unser Genom ein hochkomplexes, verwobenes Netzwerk ist, das nicht mechanistisch erklärt werden kann. Die genauen Informationsübertragungswege dieser Intelligenz sind noch nicht bekannt. Aber so viel steht aus meiner Sicht fest: Da sitzt kein alter Herr mit einem weißen Bart und einem Kamm in der Jackentasche und steuert das Ganze; der Verlauf ist nicht determiniert.

Frage: Wie hängen nun Evolution und Bewusstseinsfeld zusammen?

Bruno Martin: Evolution ist meiner Meinung nach ein großes Experiment. Alle späteren Lebensformen haben von den vorherigen etwas Neues gelernt. Nun sind wir an einem Punkt angelangt, in dem wir Menschen unsere eigene innere Entwicklung in die Hand nehmen müssen und auch können. Die Intelligenz in der Evolution hat sich vielleicht deshalb im Menschen verkörpert, um ihre wunderbare Schöpfung selbst sehen zu können. Das ist auch eine der Lehren aus den 60er Jahren: Das menschliche Bewusstsein kann sich weiter entwickeln. Es reicht nicht aus, sich bequeme äußerliche Umstände zu schaffen, in der die Maschinen alle Arbeit übernehmen und immer mehr Müll produzieren. Aber diese Bewusstseinsentwicklung ist kein automatischer Vorgang, sondern es existieren nur Anlagen und Möglichkeiten. Wenn wir mit diesen Potenzialen nichts Vernünftiges anstellen und nur Unterhaltungselektronik produzieren, dann geht die Menschheit unter. Vielleicht hilft der Klimaschock ja.

Frage: Was ist der nächste Schritt?

Bruno Martin: Die Bildung von intelligenten Netzwerken auf Bewusstseinsebene. Das Internet ist ein Vorläufer davon und ein gutes Beispiel für die positive Kraft, die ein Netzwerk entfalten kann. Man muss andererseits aber auch in der Lage sein, sich zurück zu ziehen und sich der ständigen Verdrahtung zu verschließen. Der Mensch darf nicht zum Zwischenstück zwischen elektronischen Maschinen und Spielzeugen werden. Ich will keinen Chip im Gehirn.

Frage: Bleibt die Frage nach dem Sinn.

Bruno Martin: Ich sehe wenig Sinn in der Jenseits-Dimension, keiner weiß, was nach dem Tod kommt. Ich bin mir jedoch sicher, dass meine individuelle Entfaltung, meine eigene Melodie, die ich während des Lebens komponiert habe, im Bewusstseinsfeld erhalten bleibt, und ich so möglicherweise auch allen anderen Lebewesen nützen kann, weil die so auf Informationen der vorherigen Generationen zurückgreifen können. Und zugleich wird das persönliche Leben auch intensiver und tiefer. Ich möchte schlauer gehen, als ich gekommen bin. Es ist einfach auch eine spannende Forschungsreise, wenn wir selbst nach dem Sinn suchen. Und der entfaltet sich mit der Suche. Vielleicht entdecken wir, dass wir selbst der Sinn sind.

Literatur:
Bruno Martin
Intelligente Evolution
München 2007
Hugendubel/Spinx
Erscheinungsdatum: 9/2007
Hardcover 384 Seiten
ISBN: 3-7205-9003-8
Preis: 22,00 EUR