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Elektronische Kultur

Lauschangriff durch Echelon

Das globale Ohr existiert

Das weltweite Lauschsystem Echelon hört das Internet ab. Jetzt beschäftigt sich das Europäische Parlament mit dem Großen Bruder.

US-Militärbasis in Bad Aibling bei München, Teil des weltweiten Lauschsystems "Echelon".
US-Militärbasis in Bad Aibling bei München, Teil des weltweiten Lauschsystems „Echelon“.

Jahre lang fehlten handfeste Beweise, nun sind erstmals Dokumente aufgetaucht, welche die Existenz des globalen Abhörsystems Echelon bestätigen. Unter Führung des us-amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) haben die traditionellen West-Alliierten an den wichtigsten der Internet-Knotenpunkten Abzweigungen eingerichtet. In den USA läuft seit 1995 Sniffer-Software an den Knoten FIX East und FIX West, sowie an MAE East und MAE West. Auch E-Mail aus Deutschland wird zum Teil über diese Router weiter geleitet. Aber nicht nur das Internet, auch die Kommunikation über Satelliten wird angezapft (siehe IW 6/98). Der Name Echelon steht nicht für den Verbund der Abhörstationen, sondern für das System zum Austausch der Daten, die mit Hilfe dieser gewonnen werden. Die USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland sammeln in ihren Stationen Informationen und liefern sie im Bedarfsfall an die Alliierten weiter. Ausgerichtet ist das System zwar in erster Linie auf Wirtschaftsspionage, aber auch persönliche Mails und Faxe können abfangen und ausgewertet werden. Die Überraschung: Eines der globalen Ohren steht in der Nähe von München in Bad Aibling, auf dem Gelände einer us-amerikanischen Militärbasis. Noch Mitte des vergangenen Jahres hatte der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, Bad Aibling besucht und nichts auffälliges entdecken können. Uhrlau berichtete, dass er einen „vollständigen Überblick“ über alle Erfassungsaktivitäten in Bad Aibling erhalten habe. Anscheinend nicht, denn mittlerweile verdichten sich die Informationen, dass Bad Aibling in einer Reihe mit anderen zentralen Abhörstationen steht: Menwith Hill in Großbritannien, Pine Gap in der Nähe von Alice Springs in Australien und Rosman in North Carolina.

Schon im letzten Jahr klaffte die erste Lücke im Netz der Geheimhaltung um Echelon auf: Martin Brady, Leiter des australischen DSD (Defence Signals Directorate), eröffnete in einem Interview Einblicke in den australischen Teil von Echelon (www.heise.de/tp). Im September bestätigte der dänische Verteidigungsminister Hans Haekkerup, dass sein Land an einem „globalen Überwachungssystem“ beteiligt sei. Anfang diesen Jahres veröffentlichte dann ein Forschungsinstitut an der George Washington Universität Dokument, welche es im Rahmen des „Freedom of Information Act“ -einem Veröffentlichungsgebot für Regierungsakten- angefordert und erhalten hatte. In einem der Dokumente wird Echelon offiziell erwähnt. In den USA hat darauf hin die älteste und größte Bürgerrechtsorganisation, die ACLU, ein Echelonwatch-Website eröffnet (www.aclu.org/echelonwatch). Auf dieser wird regelmäßig über neue Entwicklungen im Fall Echelon informiert.

Während die Bundesregierung zu dem Thema weiter schweigt, ist das Europäische Parlament aktiv geworden: Bei einer ersten Anhörung informierten sich die Abgeordneten über das Ausmaß von Echelon, die Grünen forderten darauf hin die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses. Der britische Premierminister Tony Blair wies in einer ersten Stellungnahme die Behauptung zurück, dass abgefangene Mails zugunsten britischer Unternehmen verwendet würden: „Nein ist die kurze Antwort.“

Hans-Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, kündigte an die Bundesregierung zu mehr Offenheit drängen zu wollen. Sein Kommentar: „Falls es sich bewahrheiten sollte, dass die Telekommunikation auch der deutschen Bevölkerung jahrzehntelang von Diensten befreundeter Staaten abgehört und belauscht wurde, wäre dies ein Skandal ersten Ranges und eine erschreckende Missachtung der Bürgerrechte und der demokratischen Spielregeln.“