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Hirndoping-Affinität von jungen Ärzten

telepolis, 19.05.2013

Chirurgen am Limit

Wie steht es um die Hirndoping-Affinität bei jungen Ärzten?

Der Arbeitsalltag vieler Chirurgen ist stressig, die Anforderungen hoch, Fehler können fatale Folgen haben. Eine umfangreiche Befragung der Universität Mainz unter über 1.100 Operateuren ging nun der Frage nach, ob diese Arbeitsbelastung dazu führt, dass die Ärzte zu sogenannten „cognitive enhancern“ greifen, um länger konzentriert arbeiten zu können. Die Ergebnisse zeigen neben der kaum wundersamen Tatsache, dass auch Ärzte Drogen nehmen, vor allem, dass die nötige Trennschärfe zwischen Aufputsch- und Hirndoping-Mitteln schwierig ist.

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Die Macht der Pharma-Portale erbost das Kartellamt

Spiegel Online v. 15.10.2008

Ärzte müssen sich seit 2004 regelmäßig fortbilden – eine gute Idee, schlecht umgesetzt. Denn viele wichtige Web-Kurse für Mediziner werden von der Pharmaindustrie gesponsert oder selbst betrieben, Produktwerbung inklusive. Jetzt will das Kartellamt einschreiten.

Alles begann mit einer guten Idee. Damit ihre Heilmethoden auf dem neuesten Stand sind, sollten sich alle deutschen Mediziner regelmäßig weiterbilden. Auch die abgelegensten Arztpraxen der Republik sollten vom wissenschaftlichen Fortschritt durchdrungen werden und zeitgemäße Therapien anbieten. Das von den Gesundheitsexperten erdachte System war denkbar einfach und wurde 2004 im Rahmen der Gesundheitsreform eingeführt: Pro absolvierter Fortbildung erhält jeder Arzt Punkte, innerhalb von fünf Jahren muss er 250 ansammeln.

Offen blieb allerdings, wer die Weiterbildung für die rund 145.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten organisiert, vor allem aber wer sie finanziert. Die Ärzte selbst? Die Berufsverbände? Oder die Pharmaindustrie? Gegen letztere Variante sprach ein Passus im Sozialgesetzbuch, laut dem die Fortbildungen „frei von wirtschaftlichen Interessen“ sein müssen. Die Landesärztekammern müssen die Schulungen zertifizieren – um deren Qualität zu sichern und, so der Plan, einseitige Darstellungen oder gar Produktwerbung zu verhindern.

Doch dazu sind die Ärztekammern offenbar nur bedingt in der Lage. Inzwischen haben sich im Internet kostenlose Portale durchgesetzt, von denen der überwiegende Teil durch die pharmazeutische Industrie betrieben oder indirekt gesponsert wird.

Ein gesundheitsökonomisches Wunder

Rund hundert solcher virtuellen Schulen existieren derzeit. Alle großen Pharmakonzerne sind mit einem eigenen CME-Portal (Continuing Medical Education) im Netz vertreten, wie etwa Pfizer mit „pro-cme.de„, Astra Zeneca mit „top-cme.de“ oder Sanofi-Aventis mit „online-cme.de„. Dazu kommt eine Vielzahl von krankheitsbezogenen Internet-Seiten, die mit Unterstützung von Pharmaunternehmen betrieben werden.

Mediziner erhalten mit ihrer individuellen Arztnummer Zugang zu den Portalen. Damit ist weitgehend sichergestellt, dass tatsächlich der Arzt selbst die Vorträge ansieht und den anschließenden Fragebogen ausfüllt. Werden alle Fragen korrekt beantwortet, erhält der Teilnehmer die begehrten CME-Punkte. Das gesundheitsökonomische Wunder ist: Trotz der aufwendigen Programmierung und Aktualisierung der Lernmodule verlangt kaum einer der CME-Anbieter Geld.

Kann unter diesen Bedingungen ein Fortbildungsmarkt entstehen, so wie vom Gesetzgeber gewünscht? „Nein“, sagt Roland Holtz. „Warum sollte ein Arzt für etwas zahlen, was er zwei Mausklicks entfernt gratis erhält?“ Holtz hatte zusammen mit der Universität Hannover versucht, ein kostenpflichtiges Fortbildungs-Portal zu etablieren. Aus seiner Sicht scheiterte dies an der Marktdominanz der Pharma-Portale. Er stellte Strafanzeige gegen die größten Betreiber und informierte zugleich das Bundeskartellamt.

Das knöpfte sich daraufhin die Ärztekammern vor, die für die Zertifizierung der CME-Websitesn verantwortlich sind. In einem 19-seitigen Brief an die Bundesärztekammer monierte das Kartellamt die Online-Kurse, von denen viele „als Fortbildung getarnte Werbemaßnahmen“ seien, vor allem aber die Marktverstopfung. Man drohte, den Ärztekammern per Unterlassungsverfügung das Genehmigen solcher Schulungs-Portale zu verbieten.

Harsche Antwort der Ärztekammern

Die Antwort kam zügig, der Tonfall war harsch. Man unterliege nicht den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches, sondern allein dem jeweiligen Kammer- und Heilberufsgesetzen der Länder, so die Bundesärztekammer. Ihre Empfehlungen zur ärztlichen Fortbildung ließen ein „transparentes Sponsoring in Bezug auf Fortbildungsmaßnahmen“ ausdrücklich zu. Damit waren die Fronten geklärt. Das Bundeskartellamt wird nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wahrscheinlich exemplarisch gegen eine der Landesärztekammern vor Gericht ziehen.

Das könnte auch die Ärztekammer Hamburg betreffen. Deren Präsident Frank Ulrich Montgomery erklärt: „Bei zertifizierter ärztlicher Fortbildung sind die kommerziellen Hintergründe, wenn es sie gibt, klar erkennbar.“ Man vergebe für Fortbildungsveranstaltungen grundsätzlich nur dann Punkte, wenn neben der Anforderung an die wissenschaftliche Qualität auch die Sponsoren und die Verbindungen der Referenten zur Industrie transparent seien.

Doch schon eine kurze Stichprobe lässt daran zweifeln. Die Hamburger Ärztekammer hat im vergangenen Jahr 16 Online-Fortbildungen zertifiziert. Alle werden von der Firma Eumecom angeboten, die zum Pharmakonzern GlaxoSmithKline gehört. Letzteres aber ist weder auf der CME-Website des Unternehmens noch auf dessen CME-Unterseiten wie etwa „ringvorlesung.de“ auf den ersten Blick zu erkennen. Erst eine gezielte Suche im dortigen Impressum schafft die von Montgomery versprochene Transparenz. „Die Ärztekammer würde sich freuen, wenn deutlicher hervorgehoben würde, wer die Anbieter des Angebots sind“, sagte Montgomery zu SPIEGEL ONLINE ein.

Andere CME-Portale propagieren einzelne Medikamente – mal offensiv, mal subtil, wie zum Beispiel auf „Univadis“. Dieses ist von der zum US-Konzern Merck gehörenden Pharmafirma MSD aufgesetzt, nach Unternehmensangaben sind hier über 40.000 deutsche Ärzte registriert. In einer Beispieltherapie wurde hier einer Diabetes-Patientin der Fettwertsenker Simvastatin verschrieben. Den hat MSD im Portfolio, doch das Problem für den Pharmakonzern ist, dass Simvastatine als Generika erhältlich sind – der Patentschutz lief 2006 aus. Schlechte Aussichten also, noch große Gewinne zu erzielen. Allerdings hat MSD mit dem Wirkstoff Ezetimib einen weiteren Lipidsenker im Köcher.

In der Fortbildung wurde dem Arzt nun eine Kombinationstherapie aus beiden Wirkstoffen vorgestellt – und in den anschließenden Fragen galt eine solche Therapie als einzig richtige Antwort. Der Hintergrund: MSD hat Simvastatin und Ezetimib in einem neuen Kombinationspräparat mit Namen Inegy vereinigt, auf das der Arzt zwangsweise stoßen wird, wenn er den Empfehlungen des CME-Portals folgt. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE teilte MSD mit, das Modul sei bereits nicht mehr im Netz.

Das stimmt zwar, doch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hatte von MSD schon 2007 die Löschung des Moduls verlangt. Lange passierte nichts, erst vor etwa zwei Monaten verschwand es dann von der Website. KVB-Vorstandschef Axel Munte zeigt sich gleichwohl zufrieden: „Auch wenn man über die Dauer bis zur Rücknahme der Fortbildung geteilter Meinung sein kann, so finde ich es insgesamt erfreulich, dass die entsprechende Fortbildung inzwischen vom Netz genommen worden ist.“

Noch liegt der Anteil der Internet-Portale am gesamten CME-Markt bei geschätzten zehn Prozent. Doch alle Beteiligen sind überzeugt, dass er stetig wachsen wird. Denn im Internet lassen sich die nötigen CME-Punkte bequem und schnell sammeln: Pro absolvierter Einheit gibt es zwischen zwei und fünf Punkte.

Kooperation mit Pharmaindustrie ausgelagert

Der größte CME-Anbieter, der Heidelberger Springer-Verlag, verzeichnet nach eigenen Angaben monatlich über 20.000 Teilnahmer an Online-Fortbildungskursen. Über 50.000 deutsche Ärzte seien registriert und könnten aus über 300 Fortbildungen wählen. Rund 35.000 davon drücken nach Angaben des Verlags regelmäßig die virtuelle Schulbank.

Die Partnerschaft mit der pharmazeutischen Industrie lagert Springer in ein eigens dafür geschaffenes CME-Portal aus. Hier werden ausschließlich Fortbildungen in Kooperation mit Unternehmen aus der Pharmabranche angeboten. „CME mit Partnern“ nennt Springer das Projekt.

Offen ist, ob das immer ergiebig ist. Die Weiterbildung zur Therapie bei Morbus Paget etwa, einer krankhaften Deformierung der Knochen, wird laut Springer-Verlag von der Firma Novartis unterstützt. In der Online-Lehrstunde wird eine Studie vorgestellt, in der ein neues Novartis-Medikament mit der bislang marktführenden Arznei verglichen wurde. Es überrascht kaum, dass das Novartis-Mittel als das bessere angepriesen wird.

Verschwiegen wird jedoch, dass bis heute kein Medikament die Ausbreitung des Knochenwuchses bei Morbus Paget tatsächlich hemmt. So suggeriert die Fortbildung einen Therapiefortschritt, wo allenfalls eine bessere Verträglichkeit gegeben ist. Stephan Kröck, Mitglied der Geschäftsführung im Springer-Verlag, sieht das anders: „Die Studienlage legt hier tatsächlich einen Vorteil des neuen Präparats in einigen Bereichen nahe. Dies sollte man Ärzten, die Patienten mit Morbus Paget behandeln, mitteilen, und wir halten die Art der Darstellung in diesem Beitrag für absolut angemessen.“

Bedenken bei der Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer ist weniger glücklich über die von der Industrie gesponserten Fortbildungen, sieht aber kaum Alternativen. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Senats für ärztliche Fortbildung, hat die große Menge an notwendigen Angeboten als Problem ausgemacht. Sie könne von den Berufsverbänden allein nicht erbracht und von den Ärztekammern nicht bis ins letzte Detail überprüft werden.

Wie lange sich die Kammer auf dieses Argument zurückziehen kann, ist unklar. Denn schon Stichproben reichen aus, um die wissenschaftliche Unausgewogenheit vieler Fortbildungen festzustellen. Selbst wenn man zugesteht, dass gerade bei neu eingeführten Medikamenten die Fachinformationen auf das Produkt bezogen sein müssen, dürfte das kaum die alternativlose Darstellung des neuen Wirkstoffs rechtfertigen. Denn insbesondere bei neuen Arzneimitteln besteht Anlass zur Vorsicht, weil gefährliche Nebenwirkungen oft erst später bekannt werden – nachdem Zehntausende oder Hunderttausende Patienten das Mittel bereits eingenommen haben.