Der ganze Holbein
Der Hanfblattlesern bekannte Autor Ulrich Holbein ist definitiv nicht der, der man denkt, der er ist, wenn man ihm als augenscheinigem Exoten rein zufällig auf der Frankfurter Buchmesse begegnet. Er ist vermutlich auch sonst oft ein Anderer als er (hat man da ein Augenzwinkern gesehen?) vorgibt zu sein. Das macht ihn und seine herzerfrischend an die Grenzen des Zynismus gehenden Ergüsse und fotografischen Kreationen besonders faszinierend. Eines erscheint zumindest sicher: Sein schriftstellerisches Lebenswerk ist jetzt in handlicher Form bei Zweitausendundeins erhältlich. Was schon unter dem Titel „Weltverschönerung. Das Handbuch der lustvollen Lebensgestaltung“ einen Attraktor darstellt, hält was es verspricht. Die Sammlung wortgewaltiger und sprachakrobatischer durchwegs ironischer Texte lässt schmunzeln und lachen, wo man glaubte, dass es nichts mehr zu lachen gibt. Rauschfetischisten kommen nicht zuletzt bei der vollständig überarbeiteten „Typologie der Berauschten“ auf ihre Kosten.
Holbeins geradezu geräppten Auseinandersetzungen mit Kleinbürgerlichkeit wie Gegenkulturen und alltäglichem Mindfuck sind mit Hochgenuß häppchenweise zu konsumieren. Man muss bekanntlich vorsichtig mit Lorbeeren umgehen, weil der Autor ja die Rezension lesen und überschnappen könnte. In diesem Falle ist das wohl nicht zu befürchten. Holbeins originelle „Umwege zum Glück“ dokumentieren, dass der als Öko-Dandy getarnte Sprachmeister sich schon so ausgiebig mit dem zur maximalen Selbsttäuschung tendierenden menschlichen Denken und Empfinden auseinandergesetzt hat, dass er gegen derartige Lobhudeleien gefeit sein dürfte, obwohl sie vollkommen berechtigt sind.
az
Ulrich Holbein
„Weltverschönerung.
Umwege zum Scheinglück.
Ein Handbuch der lustvollen Lebensgestaltung.“
Haffmanns Verlag bei Zweitausendundeins,
Frankfurt a.M., 2008
Geb., 634 S., mit SW-Abb.
ISBN 978-3-86150-819-9