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Marihuana Mythen – Teil 2: Die Potenz von Marihuana ist über die Jahrzehnte wesentlich angestiegen

Marihuana Mythen

Marihuana Mythen

Teil 2

Eine mehrteilige Serie klopft auf das wild wuchernde Gewächs der Marihuana-Mythen. Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Dieses mal überprüft das HanfBlatt die Behauptung:

„Die Potenz von Marihuana ist über die Jahrzehnte wesentlich angestiegen“

Ein klassisches Argument der Gegner der Legalisierung. Seit den 70er Jahren sei die Potenz von Gras um das 10-, 20- oder gar 30-fache angestiegen, so wird behauptet. Damit reagieren die Prohibitionisten auf frühe Studien, die die relative Harmlosigkeit der Droge herausgestellt haben. Die Gefahr, von einem konzentrierten Rauschmittel übermannt zu werden, sei erheblich höher. Konsumenten sollen so überzeugt werden, daß Kiffen heute riskanter und unheilschwanger ist.

Die Fakten

Schön, daß in diesem Fall auf Zahlen von offizieller Seite zugegriffen werden kann. Das von der Universität Mississippi seit über 20 Jahren durchgeführte „Potency Monitoring Project“ (PMP) genießt finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates. Die Abstinenzapostel erhofften sich einen Beweis für ihre Vermutung, daß die illegalen Bauern immer stärkeren Hanf züchten. Die Forscher untersuchten von der Polizei beschlagnahmtes Marihuana, welches gerade Anfang der 70er Jahre nicht dem auf dem Markt normalen Standard entsprochen haben kann, denn sie fanden nur THC-Werte (Tetrahydrocannabiol, dem mächtigsten Wirkstoff des Rauschhanfs) von unter einem Prozent, 1974 sogar nur 0.4 Prozent. Ganz klar, daß die Generation der Spät-Hippies sich mit solchen Weichspülern nicht zufrieden gegeben hat, zumal im Gras mit einem THC-Gehalt von unter 0.5 Prozent so gut wie keine psychoaktive Wirkung mehr wohnt. Erst als den Sheriffs ein Licht aufging und sie nicht mehr nur die Stengel der Pflanze im Labor ablieferten, sondern auch die Buds (Blütenköpfe), näherten sich die Ergebnisse der Realität des Schwarzmarkts an.

Jede andere Analyse kam zunächst aber zu anderen Ergebnissen. Zum Beispiel enthielten die 59 Proben, welche die „PharmChem Laboratories“ 1973 unter die Lupe nahmen, einen durchschnittlichen THC-Wert von 1.62 Prozent, nur 16 Einheiten des konfiszierten Materials lagen unter einem, mehr als die Hälfte lag über zwei, mehr als ein fünftel über vier Prozent. Eine Analyse von 1975 bestätigte die Forscher. PharmChem überprüfte wiederum Marihuana, dieses mal lag der Gehalt des Wirkstoffes zwischen zwei und fünf Prozent, eine Einheit trumpfte mit satten 14 Prozent auf.

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Seit 1980 stieg die Zahl der Beschlagnahmungen drastisch an. Noch immer griff das PMP aber wahllos auf die Ware zu, repräsentativ waren die untersuchten Gräser und damit auch die Ergebnisse nicht. Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, stieg der THC-Wert über die Jahre hinweg leicht an:

THC-Wert (in Prozent) von in den USA beschlagnahmten Marihuana, 1981-1993, Mississippi Monitoring Project

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

2.28

3.05

3.23

2.39

2.82

2.30

2.93

3.29

3.06

3.36

3.36

3.00

3.32
Verarbeitete frau früher gerne auch mal Stengel und Blätter oder gar die männliche Pflanze, so fordert der Markt heute nur die weiblichen Dolden. So sei die höhere Potenz nach Meinung einiger „Insider“ zu erklären. Selbst der leichte Anstieg des THC-Gehalts ist nach Ansicht vieler Experten aber kein Grund zur Beunruhigung. Ihr Argument: Die Alkohol-Logik greift zu kurz, denn eine potentere Droge erlaubt es dem Konsumenten, geringere Dosen zu nehmen. Bei der weit verbreiteten Inhalationstechnik habe dies den Vorteil, daß weniger geraucht werden müsse, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Dies setzt natürlich den verantwortungsvollen Nutzer voraus. Eben dieser ist auch gefragt, wenn die „automatische Titration“ Erfolg haben soll. Was das ist? Nun, der erfahrene Kiffer raucht nur solange, bis er seinen persönlich erwünschten Effekt erreicht hat – und nicht mehr. Zudem weiß er, daß Sorten unterschiedlichster Stärke auf dem Markt treiben. Neues Dope wird demnach vorsichtig probiert, denn wer einmal „zu stoned“ war, möchte dies nicht wieder erleben.

Bringen wir es auf den Punkt: Hanf ist zunächst einmal eine uralte Pflanze, deren Wirkstoffgehalt nicht innerhalb von Jahren extrem nach oben oder unter fällt. Die Errungenschaften des technischen Zeitalters stoppen allerdings auch nicht vor dem Hanfanbau. Eifrige Züchter bewegen viel (auch die Gene?), um einen maximalen Ertrag bei hoher Potenz zu gewährleisten. „Super Skunk“, zum Beispiel, ist bei maßloser Dosierung ein Garant für einen relativ undifferenzierten, breiten Rausch – in Deutschland sehr beliebt. Es steht zu vermuten, daß in der germanischen Republik und Europa ebenfalls der THC-Gehalt in den Blüten zugenommen hat, denn die holländische Maschinerie arbeitet effektiv. Hier und überhaupt kann nur der verantwortungsvolle Konsument das durch eine potente Droge erhöhte Risiko abfangen.

Jörg Auf dem Hövel

 

Nachtrag 2006:
Die Diskussion um THC-starkes Cannabis ist in eine neue Runde gegangen. Die Ergebnisse konnten hier nicht berücksichtigt werden.

Nachtrag 2008:
Die Züchtung immer potenterer Pflanzen hat sich zur Zeit auf dem Markt durchgesetzt. Der THC-Gehalt ist zur primären Qualitätsbestimmung geworden. Ob hier „viel hilft viel“ tatsächlich gilt, werden die Konsumenten entscheiden müssen. Die Dosierung von Cannabis verlangt inzwischen mehr Wissen als früher.

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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