Abhängig von Haschisch?
Eine Studie, die sich mit dem Phänomen „Abhängigkeit von Cannabis“ beschäftigt, liegt nun schwarz auf weisses Papier gedruckt vor. Olala, ein Buch! Anlass genug für das Hanfblatt mal bei der Autorin Frau Dr. Renate Soellner von der Freien Universität Berlin nachzuhaken.
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Hanfblatt: Wie kam es dazu, dass Sie die Frage, ob man von Cannabis abhängig werden könnte, untersucht haben?
Soellner: Der Begriff Abhängigkeit wird sehr uneinheitlich verwendet. In den überwiegenden Fällen (siehe BtMG) dient er als Rechtfertigung für einen restriktiven Umgang mit Cannabis. Die Frage ob eine Abhängigkeit gleichzeitig als schädlich für das Individuum und/oder seine Umwelt angenommen werden muss, wird gar nicht mehr gestellt, vielmehr wird dieser Zusammenhang als gesichert angenommen. Dabei kommt es natürlich darauf an, was man unter Abhängigkeit versteht. Im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem vierjährigen Forschungsprojekt zu Konsummustern von Cannabis, beschäftigte ich mich eingehend mit dieser Thematik und fand die derzeitige Forschungslage unbefriedigend, so dass sich eine eigene Untersuchung hierzu geradezu aufdrängte.
Von 1993 bis 1996 wurden insgesamt 1458 Personen befragt und dabei jeweils 700 Einzelinformationen erfasst. Knapp 57 % der Befragten kamen aus Berlin, der Rest vor allem aus NRW und BW. Erreicht wurden die Cannabiskonsumenten besonders über die Medien, Universitäten, private und „Szene“-Kontakte sowie Hilfseinrichtungen für Jugendliche und junge Erwachsene. Lediglich 41 Konsumenten erfüllten die Diagnose „Abhängigkeit“ nach einem in der Psychiatrie gebräuchlichen Klassifikationssystem, den DSM-IV-Kriterien, kurz sie kifften mehr als sie eigentlich wollten.
Hanfblatt: Ist „Cannabis-Abhängigkeit“ aus Ihrer Sicht ein Problem?
Soellner: Dies ist davon abhängig wie man Cannabisabhängigkeit fasst. Entsprechend meiner Studien ist es nicht angebracht die Kriterien für Abhängigkeiten von anderen Stoffgruppen auf die Substanz Cannabis anzuwenden. Das heisst man müsste sich erst einmal darüber klar werden, was Abhängigkeit von Cannabis eigentlich bedeuten soll. Wendet man die offiziellen Abhängigkeitskriterien dennoch an, so zeigen unsere Ergebnisse, dass es nicht notwendigerweise ein Problem sein muss, von Cannabis abhängig zu sein. Allerdings gibt es eine Gruppe von Konsumenten, die über eine deutlich schlechtere psychosoziale Gesundheit verfügen als nicht abhängige Konsumenten.
Hanfblatt: Werden Sie sich auch weiterhin mit Fragen des Cannabiskonsums beschäftigen?
Soellner: Ja.
Hanfblatt: Wie sollte von Seiten der Politik mit Cannabiskonsumenten umgegangen werden?
Soellner: Nicht repressiv, sondern differenzierend hinsichtlich der Konsumform. Das heisst Hilfs- und Unterstützungsangebote für die, die sie brauchen.
Wer sich eingehender mit der Thematik beschäftigen will oder muss, dem sei die „Soellner-Studie“ empfohlen.
Renate Soellner
„Abhängig von Haschisch?
Cannabiskonsum und psychosoziale Gesundheit.“
Verlag Hans Huber, CH-Bern 2000
215 S., zahlreiche Grafiken
ISBN 3-456-83517-5
DM 49,80/Fr. 44.80/öS 364,-