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Google will das Leben verlängern

Der Konzern gründet ein Biotech-Unternehmen, um das Altern zu verhindern

Erschienen in der Telepolis v. 09.10.2013
Von Jörg Auf dem Hövel

Es hört sich ein wenig an wie die Zusammenfassung eines klassischen Dramas: Die Geschichte vom mächtigen Herrscher, der es schafft, alle Kräfte um sich herum zu besiegen – bis als letzter Feind nur die eigene Sterblichkeit bleibt. Der Herrscher ist in diesem Fall Google. In nur 15 Jahren hat es das amerikanische Unternehmen auf den zweiten Platz der wertvollsten Marken der Welt geschafft, wie das US-Beratungsunternehmen Interbrand für seine vergangen Woche veröffentlichten Rangliste errechnet hat. Auf Platz 1 vor Google liegt laut der aktuellesten Analyse nun nur noch Apple.

Google-Chef und -Mitgründer Sergey Brin hat nun nicht weniger als die Evolution des menschlichen Daseins als sein neuestes Business-Projekt ausgeguckt. Google investiert in die in die Erforschung von Möglichkeiten, das Sterben auf später zu verschieben. Und zwar auf viel später.


Der Traum vom ewigen Leben, oder zumindest die substantielle Verlängerung des Lebens, bisher eher ein Feld in dem sich Sagengestalten und Esoteriker tummelten und seit kurzer Zeit auch Mediziner. Und nun also der Internet-Gigant aus dem Silicon Valley.

Mit Calico, so der Name von Googles Neugründung, will der Konzern zukünftig im Bereich Medizin und Gesundheitswesen mitmischen und neue Forschungansätze verfolgen. Und Basis dieses neuen Geschäftsfeldes ist dabei das, was ohnehin seine Kernkompetenz ist: Die Auswertung schier unerschöpflicher Datenmengen auf der Suche nach Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhängen, die bisher im verborgenen blieben. Riesige Serverapparate und Big Data sollen da ansetzen, wo Wissenschaft und Pharmaindustrie bisher bei ihren Forschungen an Grenzen stießen. Noch bessere Algorithmen, die zusätzliche Jahre auf dem Lebenskonto bringen sollen.

Der Firmensitz von Calico liegt nicht weit vom Google-Headquarter in Mountain View im kalifornischen Silicon Valley. Sechs Stunden mit dem Auto entfernt liegt eine Geisterstadt mit gleichem Namen in der Mojave-Wüste. Aus dem Umfeld des Unternehmens heißt es laut TechCrunch.com, dass man an eine Verlängerung der Lebenserwartung von bis zu zwanzig Jahren für heute 20-Jährige glaubt. Der 100. Geburtstag soll zur Normalität werden.

Gesundheitswesen und Medizin sind zwei der größten Wachstumsbranchen – mit der größten Zielgruppe des Planenten. Die Endlichkeit des Lebens herauszögern, wer wäre da theoretisch betrachtet nicht potentieller Kunde? Praktisch sind es wohl eher diejenigen Privilegierten, mit den nötigen finanziellen Mitteln. CEO der neuen Firma Calico ist Arthur D. Levinson, seit Jahren einer der führenden Köpfe der Biotechnologie Branche. Der Wissenschaftler und erfolgreiche Geschäftsmann gründete in den 70er Jahren das Unternehmen Genentech, das heute zu Roche gehört.

„Es gibt ein unglaubliches Potential für Technologie im allgemeineren Sinne, um das Leben der Menschen zu verbessern. Wundern Sie sich nicht, wenn wir in Projekte investieren, die eigenartig oder spekulativ im Vergleich zu unseren existierenden Internetgeschäften wirken“, kommentierte Google Ceo Larry Paige das neue Investment bei Google+.

Was genau kann Googles-Rechenleistung nun dazu beitragen, um den Alterungsprozess aufzuhalten? So wie es aussieht, dürfte es zunächst einmal darum gehen, den Alterungsprozess besser zu verstehen. Denn so genau steht gar nicht fest, warum wir altern. Irgendwas führt in unseren Zellen im Laufe der Zeit zu Funktionsverlusten, die nicht mehr reversibel sind. Einiges weist darauf hin, dass der Tod jeder Zelle in deren genetischem Programm fest codiert ist. Oder wie Theodosius Dobzhansky sagte: „Nichts in der Biologie macht Sinn, außer im Lichte der Evolution.“

Theorien zum Altern gibt es viele, mal sind die Freien Radikalen schuld, mal bestimmte Gene, die in jungen Jahren wichtig, im Alter aber schädlich sind. Insgesamt können bei fortscheitender Lebensdauer mehrere Faktoren zusammen kommen: Es gibt Ablagerungen innerhalb und außerhalb der Zellen, Veränderungen in den zellinternen Energielieferanten, den Mitochondrien, unerwünschte Zellen vermehren sich, andere verschwinden oder es kommt gar zu Mutationen im Zellkern.

Calico wird sich mit den verschiedenen Theorien beschäftigen. Die spannenden Frage ist, in welchen der genannten Bereiche so viel Daten vorliegen oder generiert werden können, dass Algorithmen neue Erkenntnis schöpfen können. Und bei aller Liebe für große Datenmengen ist auch den Veranwortlichen bei Calico und Google klar, dass die Qualität einer Datenbank von der Fragestellung abhängt, unter der die Bits eingeflossen sind.

Es gibt Hinweise auf das geplante Vorgehen von Google: Zum einen hat der Konzern die Firma 23andMe aquiriert, die DNA-Analysen für jedermann anbietet – und ein Patent für einen Gentest zur Selektion von Eigenschaften von Babies erhalten hat. Aus den Zusammenspiel von Gensequenzierungen, im Wissenschaftssystem zugänglichen Langzeitdaten, Familiendaten und dem Ende 2011 eingestellten Google Health, das als personalisierte, digitale Krankenakte dienen sollte, dürften sich durchaus hochwertige Analysen der Bedingungen für langes Leben ziehen lassen.

Erschienen in der Telepolis v. 09.10.2013 unter http://www.heise.de/tp/blogs/3/155082

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Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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