HanfBlatt, Nr. 91, Oktober 2004
Der Autor und Journalist Jörg Fauser wäre dieses Jahr 60 geworden, aus Dank hetzt man in durch das Feuilleton, feiert sogar seinen Geburtstag mit einer Party in München. Warum?
Was ist so faszinierend an den Arbeiten des Mannes, die die Kritik im Niemandsland zwischen Junggesellenliteratur und Drogenroman geparkt hat? Die enorme Dichte der Erzählung? Die fast wütende Treibjagd der Worte, der enorme Druck, der den Leser durch den Text schiebt? Oder die in den Text übertragende Desparado-Stimmung eines Mannes, der immer rücksichtslos schrieb? Wahrscheinlich alles das und noch mehr. Jörg Fauser entzieht sich den Schubladen.
Der Faszination Fauser“ nachzuspüren waren an einem Samstag im Juli auch die Gäste der Jörg Fauser Nacht“ in der Reithalle in München gekommen. Da wurde wacker aus seiner Prosa vorgelesen und Franz Dobler rhythmisierte köstlich ein Gedicht Fausers, wortprächtig unterstützt von einem eingefleischten Fauser-Fan im Publikum, der an allen wichtigen Stellen Dobler vorgriff und ihm die Pointe brüllend wegschnappte. Dem Publikum war das zu viel der Begeisterung. Fauser hätte es wohl gefallen, so ein angetrashter Aufstand gegen die Versilberung seines Werkes.
Fauser, geboren 1944 im Taunus, verlässt 1967 vorzeitig den Zivildienst und landet im Tophane-Viertel in Istanbul, wo er ein Jahr die Türkei und das Heroin kennen lernt. Eine Zeit, die Leben und Werk lange bestimmt, seine Erlebnisse dort werden in seinen Schriftstücken immer wieder verarbeitet. Tophane“ erscheint 1972, die Harry Gelb Story“ 1973. Die Texte gelten als die erste ernst zu nehmende Beat-Literatur Deutschlands.
Fauser ist mittlerweile vom Heroin runter, keine Lust mehr auf den Untergrund, aber auch keine Lust im deutschen Literaturreigen mitzutanzen. 1981 erscheint Der Schneemann“, Hauptfigur ist ein sympathischer Tunichtgut, der eigentlich nur ein paar dänische Pornohefte an den Mann bringen will, aber in eine Mordgeschichte mit viel Koks reinstolpert. Fausers Stil ist kurz angehalten und treffend: Wichtig ist, wie immer im Leben, das Glück nur in kleinen Dosen zu sich zu nehmen, so verschmerzt man es leichter, wenn es einem entzogen wird. Denn das Glück, meine Herren, ist die teuerste Droge. Später wurde das Buch von Peter F. Bringmann mit Marius Müller-Westernhagen verfilmt. Erfolg stellt sich ein, Fauser bleibt getrieben.
1978 legt er scheinbar aus dem Nichts eine Marlon Brando Biographie vor, er der er sich nicht nur mit Brando, sondern mehr noch mit den Kulturverwesern beiderseits des Atlantiks beschäftigt:
Sie seichen, schleimen, und laichen, gemietete Schreiberlinge jeder Provenienz, bezahlte Zuträger der Macht, von den Managern der Bewusstseinsindustrie ins Fernsehen gehievt, ausgehalten von den Zuhältern jener Konzerne, die das Abendland und das Morgenland bis auf den letzten Quadratmeter ausplündern, um sich sodann dem Weltraum zuzuwenden.
Der Kulturindustrie gegenüber bleibt Fauser immer skeptisch, seine Kritik an den Verhältnissen mehr als bissig.
1984 erscheint Rohstoff, sein vermutlich bester Roman. Das gerade im Alexander-Verlag wieder aufgelegte Buch zeigt den Protagonisten in den Wirren der 68er-Zeit, und während die Anarchos das System stürzen wollen und die Hippies auf dem sanften Weg nach Innen sind, irrt die Hauptfigur zwischen Junk-Leben und der Arbeit an einem Roman durch die Weltgeschichte:
Nachdem das Opium alle war, kaufte ich eine Flasche billigen Kognak, und irgendwann am nächsten Morgen erreichte ich Saloniki. Ich hatte noch meinen Ausweis, etwa 500 türkische Lira, meine Brille und die Fetzen, die ich auf dem Leib trug, aber mein Roman war weg.
Fauser berichtet mitreißend real, journalistischer Stil paart sich mit literarischer Klasse. Er interviewt Charles Bukowski für den Playboy, für Achim Reichel schreibt er den Text zu dessen Hit Der Spieler, mit ihm zusammen taucht er bei Dieter-Thomas Hecks Hitparade in Boxerkutte auf.
Leben und Werk vermischen sich bei Fauser, aber statt des Sozialzynismus der Pop-Literaten, die ihr Muttersöhnchen-Dasein als Abräumhalde für Textschrott nutzen, sucht Fauser den urdemokratischen Zugang und will seine Worte da wieder finden, wo sie entstanden sind. Unten. So will er vom Schreiben, nicht aber mit dem Bürgertum leben. Für seine letzte große Reportage begleitet er 1987 Joschka Fischer im Wahlkampf und zeichnet ein scharfes Bild des Grünen auf dem Weg zur Macht. Es ist wohl dessen Realitätsnähe, die Fauser sich für Fischer begeistern lässt.
Im Juli 1987 wird der Fußgänger Fauser auf der Autobahn bei München überfahren. Was er da wollte, ist bis heute unklar. Fausers hinterlässt mit seinen Schriften kernige Kommentare auf die Zustände der Republik, unverhauene Romane, spannende Krimis und brillante Gedichte.
Die wichtigsten Werke von Jörg Fauser
Die Jörg Fauser Edition beim Alexander-Verlag, Berlin. Bd. 1: Marlon Brando, Der versilberte Rebell; Bd. 2: Rohstoff; Bd. 3: Der Schneemann; Bd. 4: Trotzki, Goethe und das Glück. Gedichte.
Rührige Gesamtausgabe von Fausers Werken.
Jörg Fauser: Blues für Blondinen. Essays zur populären Kultur. 1984. Frankfurt a.M.: Ullstein. Essays, Feuilletons, Kolumnen und Reportagen, die Fauser zwischen 1979 und 1983 u.a. in den Zeitschriften lui, TransAtlantik und in der Basler Zeitung veröffentlicht hat.
Matthias Penzel, Ambros Waibel: Rebell im Cola-Hinterland. Jörg Fauser. Berlin 2004. Edition Tiamat. Just erschienene Biographie, die Werk und Leben intensiv beschreibt.