Unsere mehrteilige Serie klopft weiter auf die wild wuchernden Marihuana-Mythen. Die verwelkten Blätter mangelhafter wissenschaftlicher Arbeit fallen herab, übrig bleiben nur die gesunden Triebe nachvollziehbarer Forschungsarbeit.
Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Der achte Teil überprüft die Behauptung:
„Marihuana verursacht Hirnschäden“
„Doch, ich bin Napoleon“, sagte der eingelieferte Dauerkiffer, als man ihn eine Beruhigungsspritze verpaßte. So oder ähnlich muß man sich wohl das ausgemalte Bild dieses Mythos vorstellen. Um die Frage, ob Marihuana das Gehirn schädigt, schwelt seit Jahrzehnten die wissenschaftliche Kontroverse. In den siebziger Jahren wollten mehrere Studien nachgewiesen haben, das das Denkorgan von Cannabis-Konsumenten schlechter funktioniert als das von Abstinenzlern. Das Beeinträchtigen der Hirnzellen verursache, so diese Meinung, einen Verlust an Gedächnisleistung, kognitive Fehlleistungen und Probleme beim Lernen. So, so. „Ladies and Gentleman, we proudly present the hippest Boygroup in town:“
„THE FACTS“
Noch nie öffneten Forscher den Schädel eines Kiffers oder einer Kifferin. Wohl geschah dies aber bei Affen: Eine immer wieder zitierte Studie, die Hirnschwund nach dem Cannabis-Konsum feststellte, stammt aus den siebziger Jahren und wurde von R.C. Heath durchgeführt. Die Primaten durften den Rauch dreier Joints am Tag inhalieren. Heath entdeckte nach drei Monaten abnorme elektrische Funkbotschaften. Als er den grauen Schmalz der Rhesus-Affen examinierte, fielen ihm anatomische Veränderungen auf. Der synaptische Spalt (hier queren Informationen über chemische Botenstoffe das Gehirn) war geweitet, einzelne Synapsen waren verklumpt. Leider bestach die Untersuchung nicht gerade durch eine nachvollziehbare Versuchsaufbau. Gleich mehrere Verfahrensfehler kreideten andere Wissenschaftler Heath in der Folgezeit an: Eine Vergleichsgruppe fehlte, zudem litten die Pelztiere an akutem Sauerstoffmangel. Gerade dieser führt aber zu Schäden im Organ. Heath wollte bei den Affen eine panikartige Reaktion aufgrund des Grasrauchens festgestellt haben. Spätere Forschungsarbeiten wiederholten der Versuchsaufbau und kamen zu dem Ergebnis, daß die Affen weniger durch das Cannabis, als vielmehr durch die Situation des Experiments geschockt waren. Die Ergebnisse von Heath konnten auch in ihren anderen Bereichen später nicht bestätigt werden. In den USA wollte man es genau wissen und nahm die Forschung von Heath zum Anlaß, unter dem Titel „Marihuana and Health“ (1982) eine ganze Reihe von Experten zu Wort kommen zu lassen. Heath´s Arbeit wurde scharf kritisiert, ja demontiert.
Eine andere Studie, die ebenfalls in den siebziger Jahren für Aufsehen sorgte, ist die Arbeit von A.M.G. Campbell (in: Lancet 1971). Die Medien berichteten von „Hirnschrumpfung bei Kiffern“. Campell und seine Kollegen hatten zehn starke Cannabisraucher unter die Lupe genommen und Zeichen von Hirnschwund entdeckt. Nur stammten alle Subjekte ihres Forschungseifers aus einen psychatrischen Krankenhaus, die Hälfte war schizophren, drei hatten Kopfverletzungen erlitten, einer oder zwei waren Epileptiker. Zudem war von allen bekannt, daß sie Opiate, Beruhigungsmittel und andere Medikamente konsumiert hatten.
Fest steht: Der Zusammenhang von pharmazeutischen Agenten, dem menschlichem Hirn und dem Verhalten ist komplex. Schon der Nachweis einfacher Zusammenhänge bedarf diverser Experimente. Vereinfachungen aller Art verbietet damit eigentlich das wissenschaftliche Ethos. Aber natürlich greift der Rauschhanf, wie andere Substanzen auch, in die Funktion des Hirnes ein. Nur so entsteht der Rausch, die Veränderung der subjektiv erlebten Wirklichkeit. Fraglich ist halt nur, ob das bleibende oder gar schädliche Wirkungen hat.
Einigkeit herrscht darüber, daß das Lernen unter akutem Cannabiseinfluß weitaus ineffektiver ist. Und unbestritten ist auch, daß das Kurzzeitgedächnis erhebliche Einbußen hinnehmen muß. Dies kristallisierte sich in der Costa-Rica Studie ebenso heraus wie in einer Arbeit von R.H. Schwarz aus dem Jahre 1989. Abseits aller Wissenschaft ist dies eine Erfahrung, die wohl jeder erfahrene Kiffer bestätigen kann. Daß sich diese Beeinträchtigung aber, wie eine andere Untersuchung behauptet, bei starken Kiffern bis zu drei Monaten hinziehen kann, bleibt indes umstritten.
Der überwiegende Teil der Erhebungen und Laborexperimente, die Kiffer und Abstinenzler beäugten, fand keine Unterschiede in den kognitiven, intellektuellen oder wahrnehmenden Funktionen zwischen den beiden Gruppen. Dies gilt vor allem für die moderaten Kiffer, die nicht mehr als drei Joints pro Woche rauchen. Erst bei höheren Dosierungen ist es möglich, daß das heilige Kraut tatsächlich bleibende Schäden hinterläßt. In den meisten Fällen bleibt es aber schwierig, die Veränderungen im Denkschmalz eindeutig dem Cannabis zuzuweisen. Zumeist spielen auch andere Faktoren eine gewichtige Rolle, wie beispielsweise soziale Schichtzugehörigkeit, Bildung und Alkoholkonsum.
Neuere Forschungen (Varma u.a., 1988) maßen Intelligenz und Erinnerungsvermögen und konnten nicht ergründen, daß Kiffer und Kontrollgruppe sich unterschieden. Diese Ergebnisse decken sich mit zwei Studien, die die US-amerikanische Regierung bereits 1972 (National Institute of Mental Health) und 1980 (National Institute on Drug Abuse) führte.
Gerade die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Computertomographie liefern einen tieferen und gründlicheren Blick in das menschliche Denkorgan. M. Herkenham konnte damit 1990 die Rezeptoren im Hirn lokalisieren, an denen die Cannabinoide andocken. Er sagt offen, daß es trotz der Lokalisierung der Cannabis-Rezeptoren auch weiterhin unmöglich sei, psychologische Reaktionen vorherzusagen. Der Hanf besitzt in dieser Hinsicht kein genaues Wirkungsspektrum, wie beispielsweise Opiatderivate oder die bei der Bekämpfung von Schizophernie eingesetzten Neuroleptika. Herkenham und andere Forscher rufen aus diesem Grund zur Vorsicht auf, denn auch die oft genannten Einsatzgebiete des medizinischen Hanfs stehen auf den tönernen Füßen der genauen Kenntnis der Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem und das Gehirn.
Die durch Computertomographie gewonnen Daten lassen keinesfalls des Schluß zu, daß das Hirn eines Kiffers schrumpft. J. Kuehnle scannte den Kopfinhalt von 19 Hardcore-Kiffern und konnte keine Schäden entdecken.
In der Studie von M. Fink (u.a., 1976) wurden in Griechenland 47 chronische Haschisch-Konsumenten erforscht. In ihren Hirnen fanden sich ebenfalls keine Abnormalitäten.
Berücksichtigt man die neurochemischen Daten von Tierversuchen, klinischen Fallstudien, empirischen Erhebungen, kontrollierten Laborstudien und Feldversuchen kann gesagt werden, daß Beeinträchtigungen des Hirns zwar möglich sind, bei einem kontrollierten Umgang aber äußerst unwahrscheinlich.
Die neue Superdroge mit eingebauter Erleuchtung, darum handelt es sich bei Betel mit Sicherheit nicht. Vielmehr haben wir es mit einem der weltweit am häufigsten genutzten psychoaktiven Genußmittel zu tuen. Mehrere hundert Millionen Menschen in Pakistan, Indien und Südostasien, von Südchina bis nach Madagaskar, von der Küste Ostafrikas (z.B. Sansibar) bis zu den Phillipinen und in die pazifische Inselwelt kauen täglich Betel. Neben Kaffee, Tee und Tabak erfreut sich Betel in diesem Teil der Welt der größten Beliebtheit.
Mit Betel ist in erster Linie die Betelnuß gemeint, der netzartig gemaserte, etwas größer als eine Muskatnuß werdende Fruchtkern einer dünnstämmigen, zwölf bis dreissig Meter hochschiessenden Palmenart (Areca catechu), die mit ihren wunderschönen feingefransten Blättern alle Klischees einer eleganten Palme erfüllt. Die bis zu acht Zentimeter langen Früchte, in deren Zentrum sich der begehrte Samen befindet, wachsen in großen unterhalb der Palmwedel herunterbaumelnden Büscheln heran und haben unreif eine dunkelgrüne, reif eine orangegelbe Farbe. Sie ähneln frischen Kokosnüssen, sind aber viel kleiner. Zierliche Betelpälmchen, gerade mal aus der ganzen Frucht gekeimt, wurden wohl wegen der äußerlichen Ähnlichkeiten bei uns sogar schon in Supermärkten unter der irreführenden Bezeichnung „Minikokos“ verkauft. Die Bezeichnung „Arekapalme“ ist ebenfalls gebräuchlich, schließt aber eine Reihe verwandter Palmarten ein. Aber nebenbei bemerkt: Es handelt sich dabei um eine hübsche Zierpflanze, aus der sich hierzulande kein Genußmittel gewinnen läßt. Als Genußmittel geeignet wären dagegen die kleinen Döschen oder Pfeifenköpfe, die in Indien aus Betelnüssen geschnitzt werden. Sie sind dafür aber doch wohl zu schade, oder!?
Als Betel bezeichnet man auch die frischen herzförmigen Blätter des Betelpfeffers (Piper betle), einer tropischen Kletterpflanze, die in denselben Regionen gezogen wird, in denen auch die Betelpalme angebaut wird. Traditionell besteht der sogenannte „Betelbissen“ aus frischen oder getrockneten und zerhackten Betelnußstückchen, die unter Zusatz von angefeuchtetem gebrannten Kalk (Löschkalk) in ein möglichst frisches (!) Betelpfefferblatt eingewickelt werden. Dabei schmeckt das Betelpfefferblatt erfrischend aromatisch und enthält ein schwach lokalanästhetisierendes und verdauungsförderndes ätherisches Öl.
Ein weiterer Zusatz für den frischen Betelbissen sind dunkelbraune pflanzliche Gerbstoffe, namentlich Gambir (gewonnen von Uncaria gambir, besonders in Indonesien und Malaysia) und Catechu oder Catha (von Acacia catechu, besonders in Indien gebräuchlich). Sie schmecken bitter und zusammenziehend. Möglicherweise verzögern sie die Wirkstoffaufnahme durch die Schleimhäute und verstärken manche Betelwirkungen.
Ein derartiger traditioneller Bissen ist schon allein auf Grund der Betelnuß psychoaktiv wirksam. Oft wird ihm noch kräftiger Kautabak zugefügt.
Außerdem sind Gewürze beliebt. Sie dienen (in Indien oft noch mit einem zahnpastaartigen Aroma getränkt und gezuckert) der Geschmacksverbesserung, der Verdauungsförderung und der Verschärfung des aphrodisischen Images, das der Betelbissen genießt. Zu den Gewürzen gehören Anis, Kardamon, Gewürznelken, Ingwer, Zimt, Muskatnuß, Kampfer, Kokosnuß, Fruchtstände des Betelpfeffers und viele mehr.
Auch alle möglichen bei uns als Drogen verschrienen Substanzen wurden dem Bissen bereits beigegeben: Haschisch, Opium, Stechapfelsamen usw.. Das nachträgliche Zufügen einer kleinen Prise Kokain zu gekalkten und aromatisierten Betelnußfertigbissen, wie sie von indischen Strassenhändlern in hygienische Tütchen abgepackt für wenige Pfennige in diversen Variationen erhältich sind, hat auch hierzulande (zu Wasser und in der Luft) vereinzelte Liebhaber gefunden. (Wer die erwähnten Tütchen in Indien erwirbt, sollte darauf achten, daß er keine Mischungen mit Tabak, Tabak pur oder nur aromatiserte Gewürze erwischt, die von denselben Händlern in ganz ähnlichen Verpackungen zu Pfennigbeträgen verkauft werden.) Natürlich läßt sich der Bissen ohne illegalen Zusatz risikoloser konsumieren. Betelnuß selbst unterliegt nämlich nicht dem Betäubungsmittelgesetz.
Die ganzen Nüsse oder zerhäkselte, gefärbte und aromatiserte Stückchen lassen sich bei uns in manchen asiatischen oder indischen Lebensmittelläden besorgen (und ohne weitere Zutaten konsumieren). In Indien (wo jährlich über 100 Millionen Kilogramm Betelnüsse verbraucht werden) nennt man die Betelnuß „supari“, das Betelpfefferblatt „pan“. „Pan masala“ bezeichnet eine Gewürzmischung für einen Betelbissen. Sie kann Betelnuß enthalten, muß es aber nicht. Ein indisches Urlaubsmitbringsel der besonderen Art sind die diversen silbrig kandierten Betelnußleckereien, die man sich zum Beispiel in Varanasi (Benares) zusammenstellen und in ein Blechdöschenset verpacken lassen kann. Für das Zerteilen ganzer getrockneter Nüsse gibt es spezielle Betelnußscheren. Die optisch ansprechenden kleinen Touriteile taugen allerdings nicht viel. Will man ernsthaft seine Betelnüsse selber schneiden, sollte man sich lieber für die größeren handfesten Küchenvarianten entscheiden.
Während in Indien und Thailand hauptsächlich die als vergleichsweise harmlos geltende sonnengetrocknete Nuß gekaut wird, bevorzugt man in Indonesien die stärkere frische Nuß, insbesondere die als am potentesten geltende, unreife grüne Nuß. Sie wird dort „pinang“ genannt, das Betelpfefferblatt „sirih“, die Löschkalkpaste „kapor sirih“. Die frische unreife Nuß läßt sich gut mit dem Messer schneiden, ist beim Kauen knackig und setzt schnell ihre Wirkstoffe frei. Beim Genuß eines solchen Betelbissens ohne Tabakzusatz schießt einem der sich rot färbende Speichel im Munde zusammen. Schnell baut sich ein wohligdumpfes Gefühl im Kopf auf, eine leicht benebelte Zufriedenheit, der sich der Neuling bis zur Ausgelassenheit oder Albernheit hingeben mag. Die Wirkung hält nicht allzulange an, vielleicht eine halbe bis eine Stunde deutlich. (Ein Ort, an dem so mancher seine ersten Erfahrungen mit frischem Betel gemacht hat, ist der Bauernmarkt des ansonsten sehr touristischen aber wunderbar gelegenen Künstlerdorfes Ubud auf Bali. In der zu Spaziergängen einladenden Umgebung kann man zahlreiche Betelpalmen bewundern.) In Indonesien fällt der Betelgenuß nicht so auf, wie in Indien (wo es unzählige Betelbissenverkäufer, sogenannte „pan wallas“, und z. B. entlang der Küste des Staates Karnataka große Betelpalmplantagen gibt). Er ist in den ländlichen Gebieten aber noch verbreitet. Wenn man aufmerksam hinguckt, sieht man wie bei uns Kaugummis, überall ausgespiene rotbraune Betelbissen. Betel wird nämlich nach dem Kauen nicht geschluckt, sondern ausgespuckt. In Indien kleben die Bissen überall an Wänden und auf dem Boden und man sollte sich hüten in die Flugbahn einer solchen ausgesogenen Mischung zu geraten. Allgemein läßt sich sagen, daß das Betelkauen dort auf dem Rückzug ist, wo die Moderne und das Zigarettenrauchen auf dem Vormarsch sind. In Thailand muß man schon aufmerksam über die Märkte streifen, um Stände zu entdecken, die die getrockneten Nüsse, meist für die ältere ländliche Bevölkerung, im Angebot haben.
Betelnüsse und Betelpfefferblätter sind nicht nur ein Genußmittel, sondern obendrein ein Heilmittel mit vielen Anwendungsmöglichkeiten. So wird die Betelnuß oder der ganze Betelbissen bei Zahn-, Kopf-, Bauch-, Muskel- oder Gelenkschmerzen, zum Fiebersenken, gegen schlechten Atem, gegen Durchfall, bei Hautjucken oder Insektenstichen, zur Blutstillung oder Wunddesinfektion, gegen Eingeweidewürmer und vieles mehr, innerlich oder äußerlich, ob als Pulver oder durchgekaut, eingesetzt. Deshalb ist die relativ lange haltbare getrocknete Betelnuß auch in der islamischen Welt, bis in die Türkei und nach Marokko erhältlich.
Indische Emigranten haben darüberhinaus für eine Verbreitung der Betelpalme über die afrikanische Ostküste und selbst in amerikanische Länder wie Jamaika, Trinidad, Belize und Brasilien gesorgt. Auch auf Hawaii und in Florida kann man Betelplantagen sehen.
Die Hauptwirkstoffe der Betelnuß sind die Alkaloide Arecolin und Arecaidin (sowie untergeordnet Guvacolin und Guvacin). Der Wirkstoffgehalt kann abhängig von Wuchsort, Reifegrad, Frische und anderen Faktoren um ein Mehrfaches schwanken. Er wird mit 0,15 bis über 1 % der getrockneten Nuß angegeben und soll im Mittel bei 0,4 bis 0,6 % liegen. Das Arecolin wird für die meisten körperlichen Wirkungen verantwortlich gemacht. Durch den Zusatz von gebranntem Kalk beim Kauen werden aber nicht nur die Alkaloide leichter aus der Nuß freigesetzt, sondern auch das Arecolin durch Hydrolyse zum Großteil in das stimulierende aber körperlich weniger bedenkliche Arecaidin umgewandelt. Nur ein geringer Teil der Alkaloide wird durch die Mundschleimhaut resorbiert. Der Großteil der Wirkstoffaufnahme erfolgt erst im Dünndarm. Der Zusatz des gebrannten Kalks soll übrigens auch an der Entstehung des roten Betelfarbstoffs beteiligt sein. Demnach wäre der blutrote Speichel so eine Art Qualitätsmerkmal für „Safer Betel“.
Die psychische Wirkung des Betels ähnelt der des Nikotins. Interessanterweise auch die manchmal auftretenden unangenehmen körperlichen Wirkungen, die dem Einsteiger den Genuß verleiden könnten. Dazu zählen Zittern, Schwindel, Übelkeit und Schweißausbrüche. Vor zu hohen Dosierungen ist unbedingt zu warnen. Menschen mit geschädigter Leber oder Herz-Kreislaufproblemen sollten sich in Zurückhaltung üben. Wie schon angedeutet, läßt sich durch das Kauen mit Löschkalk und die damit verbundene langsame und verträgliche Wirkstoffaufnahme der Wirkungsverlauf steuern. Betelnußpulver wird bisweilen gegessen oder Getränken, wie Kaffee oder Tee zugefügt. Diese Art der Einnahme birgt jedoch das Risiko einer zu hohen Arecolindosis. Nicht ohne Grund hat sich der Betelbissen mit dem Zusatz von gebranntem Kalk, über Jahrtausende in soziale und religiöse Riten integriert, als optimale Konsumform etabliert.
Ein softes wohliges Angeregtsein, das sich besonders bei bereits vorhandener Müdigkeit bemerkbar macht, eine Art Entspannung und leicht euphorische Stimmungsaufhellung ohne Mattigkeit gelten als charakteristische psychische Wirkungen eines Betelbissens. Es mag sich im Kopf ein Gefühl der Leichtigkeit einstellen. Die Leistungsfähigkeit für lange und anstrengende Tätigkeiten soll etwas erhöht sein. Bei höheren Dosierungen kann es zu einem Gefühl von Duseligkeit, einer etwas abgetretenen Gleichgültigkeit, einer gewissen Stumpfheit kommen. Die Handlungsfähigkeit und das Denkvermögen werden nicht sonderlich beeinflußt. Die Atmung kann bei Verengung der Atemwege intensiver erlebt werden, die Herztätigkeit verlangsamt und der Blutdruck gesenkt. Der Appetit wird reduziert. Der Speichelfluß wird durch die lokale Wirkung des Arecolins beim Kauen befördert.
Die Nuß allein schmeckt aromatisch, zusammenziehend, mit einer leichten, rauhen, ans Basische erinnernden Schärfe. Der gesamte Betelbissen betäubt vorübergehend den Geschmackssinn. Er wird nicht nur deshalb oft nach dem Essen gekaut, sondern auch weil er die Verdauung anregt.
Es läßt sich nicht leugnen, daß es zahlreiche gewohnheitsmäßige Betelkauer gibt. In den besagten Ländern erkennt man sie an den über die Jahre durch den charakteristischen Betel- und die Gerbstofffarbstoffe schließlich schwarz gefärbten Zähnen, in manchen abgelegenen Gebieten sogar ein Statussymbol. Häufig wird gleichzeitig Tabak mitgekaut. Es läßt sich daher schwer sagen, mit welcher Substanz beschriebene negative Folgen des Dauergebrauchs, wie das erhöhte Auftreten von beispielsweise Mundkrebs, in ursächlichem Zusammenhang stehen. Es wird aber vermutet, daß auch die Betelwirkstoffe schwach krebsauslösend sein können. Außerdem ist vor verschimmelten Nüssen zu warnen. In ihnen wurden karzinogene Aflatoxine festgestellt. (Dabei sollte Schimmel nicht mit dem weissen Kalkpulver verwechselt werden, mit dem die Betelnüsse ähnlich wie auch Muskatnüsse oft eingestaubt werden, um sie vor Schädlingsbefall zu schützen.) Wenn bei Dauergebrauch Probleme auftreten, dann möglicherweise in den Bereichen Mundraum oder Magen-Darm-Trakt. Ich kann nur betonen: Vorsichtiger, überlegter und gelegentlicher Gebrauch birgt nur minimale Risiken.
Zur Orientierung möchte ich ein paar Daten nicht verschweigen: Eine kleine getrocknete Nuß mag vielleicht gerade mal 2 Gramm wiegen, eine große gut proportionierte Nuß aber 10 bis 15 Gramm! Ein bis zwei Gramm der geriebenen (Muskatnußreibe), zerraspelten, zerhackten oder mit der Betelschere geschnittenen Nuß wird man mit Löschkalk gekaut oder als Aufguß zubereitet schon deutlich spüren. 4 bis 6 Gramm auf einmal sollten gegessen oder getrunken auf keinen Fall überschritten werden. Es wird nur vorsichtig höherdosiert, zumal Betel ein Genußmittel ist und sich die erwünschten psychischen Wirkungen durch hohe Dosierung nur unwesentlich steigern lassen, dafür aber unangenehme körperliche Erscheinungen die Erfahrung dominieren.
Sollte man (z.B. in Indonesien) die Gelegenheit bekommen, die frische Nuß zu kauen, so nimmt man ein Zehntel bis ein Achtel des knackigen Nußkerns (nicht die weisse zähfaserige Hülle mitkauen!) und wickelt diese mit einer kleinen Messerspitze der ätzenden Paste aus mit Wasser angerührtem gebrannten Kalk (oder Calciumhydroxid aus der Apotheke) in ein bis drei möglichst frische und saubere (!) grüne Betelpfefferblätter ein und kaut das Ganze langsam durch. (Zu den weiteren Zutaten siehe oben.) In Indien packt man sich meist erst die getrockneten Betelnußschnipsel, dann ein frisches Betelpfefferblatt, mit Kalkpaste bestrichen und Gewürzen bestreut, in die Backe und kaut darauf herum. Den beim Kauen reichlich entstehenden Speichel schluckt man übrigens (soweit möglich) runter. Den ausgekauten Bissen spuckt man auf jeden Fall aus.
Betel hat hier durchaus schon Freunde gefunden. Meist wird allerdings auf ein paar aromatisierten Schnipseln aus dem Asia-Shop rumgekaut. (Betelkaugummis könnten bei uns, marktorientiert betrachtet, erfolgversprechend sein.) Betel ist ein weiterer Beleg für das allen Menschen innewohnende Bedürfnis, seine psychische Befindlichkeit mit Genußmitteln zu manipulieren und das Leben damit zu erleichtern und zu bereichern. Einmal mehr wird die Absurdität und Unmenschlichkeit des „Antidrogenkrieges“ deutlich.
Ein Stück nach dem anderen wird von der dunkelbraunen Tafel abgebrochen und wandert zielsicher von meiner Hand in den Mund. Die Zunge spielt mit der Leckerei, die Geschmacksknospen erkennen den hohen Kakaoanteil und allmählich wechselt der Klumpen den Aggregatszustand. Er wird zähflüssig und das Aroma kommt zur vollen Entfaltung. Erneut wühlt sich die Zunge in den aufgeweichten Haufen. „Lecker“, denke ich, „Vollmilch.“ Der Brei ist nun soweit. Langsam schlucke ich ihn hinunter, genieße, greife erneut zu, kaue und lehne mich zurück in`s Sofa; zufrieden, wohlbehütet, und eingebettet im Rausch.
Ein klappernes Geräusch aus der Küche stellt den Kontakt zur Außenwelt wieder her. Ach ja, Helmut wollte sich ein Brot machen. An solchen Abenden nehmen seine Stullen Ausmaße an, die Ronald Mc Donald Tränen in die Augen schießen lassen. „Hoffentlich bringt er was zu Trinken mit“, wünsche ich mir, denn ich bin zu faul aufzustehen. Wieder grapsche ich zur Schokolade. Inzwischen sind annähernd 100 Gramm Naschwerk in meinem Magen sanft gelandet, ich dagegen bin noch weit von der Landung entfernt. Vor etwa einer halben Stunde rauschte der Rauch einer sanften Afghani durch unserer beider Lungen. Obwohl am Nachmittag gut gegessen, verspürte ich kurz darauf einen fast unstillbaren Kohldampf; einen Heißhunger auf irgendwas, der nun befriedigt wird.
Woher kommt das Phänomen der Essenslust nach der Einnahme von THC-haltigen Produkten? Die verschiedenen Wissenschaften finden die Ursache auf ihrem jeweiligen Gebiet: Mediziner vermuteten lange, daß einige Inhaltsstoffe des Cannabis´ den Blutzuckerspiegel des Konsumenten senken. Diese Mangelerscheinung sucht der Körper durch die Zufuhr von zuckerhaltigen Speisen auszugleichen. Neuere Testreihen zeigen aber, daß der Blutzuckerspiegel bei Haschisch- wie Marihuanagebrauch nicht wesentlich abfällt. Also: Nichts genaues weiß man nicht. In solche Wissenslücken springen einige Kollegen aus der Psychologie nur zu gerne. Hier wird die Fresslust mit der Befriedigung oraler Triebe erklärt. Fest steht nur: Marihuana hilft gegen Übelkeit und Erbrechen infolge von Chemotherapien bei Krebspatienten und gegen den Gewichtsverlust bei AIDS-Kranken. Dabei ist es bisher das Medikament mit den wenigsten Nebenwirkungen. Warum der Kiffer Appetit verspürt, welche Hungerzentren im Hirn vom Haschisch motiviert werden, ist weiterhin allerdings unklar.
Helmuts Exkursion in die Küche ist vorerst beendet. Seine kulinarische Abfahrt übertrifft meine Erwartungen. Auf dem Teller streiten zwischen zwei riesigen Graubrotscheiben zentimeterdick Wurst, Käse, Remoulade, Salat und Ketchup um die geschmackliche Vormachtsstellung. Zwei Flaschen Wasser, eine Tüte Chips und Gummibärchen balanciert er ebenfalls mit in´s Wohnzimmer. Meine Mundhöhle ist verklebt und ausgedörrt. Es scheint so, als ob die Produktion des Speichels total lahmgelegt, die Drüsen verstopft, funktionsuntüchtig sind. „Wasser!“, denke ich. Der Sprudel rinnt kühlend die Kehle hinunter, wäscht mein Inneres, neutralisiert jeden Geschmack. Eigentlich ist es kein Hunger der mich im nächsten Moment dazu treibt beherzt in die Tüte mit den Kartoffelzerealien zu greifen. Eher eine Gier, eventuell auch eine Art Ablenkungsmanöver von mir selbst. Unfähig oder unwillig mich heute in andere, wahrscheinlich gesündere Bereiche des Rausches fallen zu lassen, fahre ich auf das Fressen ab. Legt der innere Filmvorführer erst einmal die Spule mit dem Fressfilm ein, gibt es kein zurück. Dann läuft die Vorstellung bis zur Übersäuerung ab, die Vernuft macht Urlaub und es wird alles gestopft was essbar ist.
Mittlerweile hat Helmut die Tüte mit den Gummibärchen geöffnet. Jetzt tobt sich das Gebiß richtig aus, quetscht die soften Tierchen, bekommt neue Gelantine zugeführt noch ehe die alte vollständig verschluckt ist, kaut, zermalmt und fühlt sich an Zeiten des Schnullers erinnert. „Pervers gut“, murmelt er und während des nächsten Lachkicks flüchten einige Chipskrümel und zwei Bären denen der Kopf fehlt zwischen seinen Zähnen hindurch in die Freiheit.
Nach gut einer Stunde sind Kühlschrank sowie Speisekammer leergefräst. Erschöpft starren wir Richtung Fernseher, den ich aus alter Gewohnheit angeschaltet hatte. „Mach´ mal aus das Ding“, sagt Helmut, „und lass´ uns unterhalten.“ Bei einem Pfeifchen reden und lachen wir über Gott und die Welt. Geht doch.
An was soll diese arme Pflanze eigentlich alles Schuld sein? Vielfältig sind die Vorwürfe, nebulös oft die Beweise. Die Mythen rund um den Hanf ranken munter weiter, doch Rettung ist in Sicht, denn das HanfBlatt zerreißt den Schleier des Unwissens und der Boshaftigkeit. Dahinter leuchten die prallen Harzdrüsen der Erkenntnis. Aber bleiben wir auf dem Boden. Wie sieht es wirklich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Der elfte Teil der Serie dreht sich um den Mythos:
„Marihuana verursacht das Amotivationssyndrom“
Der Standardwitz zum Thema: Sagt der Eine: „Hasch macht gleichgültig.“ Der Andere: „Mir egal.“ Die gleichgültig machende Eigenschaft des Rauschhanfs ist nicht nur einer der ältesten Mythen, er findet auch immer wieder Unterfütterung durch neue wissenschaftliche Untersuchungen. Sollte Haschisch tatsächlich aus einem normalen, arbeitswilligen Bürger einen apathischen und unproduktiven Versager machen?
DIE FAKTEN
Die herrschende Lehre geht davon aus, daß das Konzept des „amotivationalen Syndrom“ in einem Aufsatz von W.H. McGlothin und L.J. West im Jahre 1968 entworfen wurde. Der regelmäßige Konsum von Cannabis, so die beiden Autoren, führe zur Entwicklung eines passive, introvertierten und eben demotivierten Persönlichkeitstypus. Die hinter diesem Konzept stehende Idee entstand allerdings schon sehr viel früher. Die us-amerikanischen Regierungsbehörden setzten diesen Gedankenvirus, um einen rassistischen Stereotyp für die mexikanischen Arbeiter, den „Borracho“, zu entwickeln. Die Prohibitionisten sahen in der für sie ungewohnten Gelassenheit der Marihuana rauchenden Mexikaner nur Wertlosigkeit und Faulheit. Schaut man sich die Untersuchungen aus den 60er Jahren genauer an, fällt auf, daß hier nur schwer kiffende Jugendliche ausgewählt wurden, die ohnehin schon in medizinischer Behandlung waren. McGlothin und West prüften die Verfassung von Mittelklasse-Angehörigen, die vor dem Beginn ihres Konsums konforme und leistungsorientierte Söhne und Töchter waren, in deren Garageneinfahrt ein Basketballkorb das Grundstück zierte (Achtung: Dies war ein Stereotyp). Das THC setzte bei Ihnen ein altes Gefühl frei: Langzeitpläne gerieten aus dem Blick, die Konzentrationsfähigkeit über längere Perioden nahm ab. Gegenwärtiges Genießen wurde erheblich wichtiger als die ungewisse Zukunft. In einer Gesellschaft der westlichen Hemissphäre werden solche Auffälligkeiten natürlich schnell zum Politikum, denn wo soll der Weg hingehen, wenn die Jugend den Anforderungen der sozialen Umwelt nicht mehr gerecht wird? Seither widersprechen sich die Ergebnisse: College-Studenten waren wiederholt Ziel von Erhebungen – während in einigen Fällen ein Abnehmen der Leistungsbereitschaft und auch der Noten eruiert wurde, fanden andere Untersuchungen keine Unterschiede zu Nichtrauchern oder sogar Steigerungen der Tüchtigkeit. Interessant ist, daß die großen Feldstudien in Costa Rica, Griechenland und Jamaika keine Beweise für das „Amotivationssyndrom“ fanden. In Jamaika wird Ganja auch konsumiert um zu arbeiten. In dem Bericht heißt es, „daß Ganja als Arbeitsstimulans wirkt“. J. Schaeffer und seine Mitarbeiter schauten sich 1981 das Verhalten einer religiösen Vereinigung in den USA an, die im rituellen Rahmen regelmäßig Gras paffen. Sie fanden keine Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen. Vielleicht kommt Andrew Weil dem Kern der Sache nahe, wenn er behauptet: „Amotivation ist in den USA eine Ursache für starkes Marihuanarauchen und nicht umgekehrt.“
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Trotzdem gibt es durchaus Gründe, die Theorie der Amotivation ernst zu nehmen. Wenn aus dem Kind die Blüte des Erwachsensein treibt, ist es an der Zeit an den An- und Unannehmlichkeiten des Lebens teilzunehmen. Es warten nicht nur Pickel und das andere Geschlecht, sondern auch erste Grenzerfahrungen mit berauschenden Substanzen. Der erste Suff, der erste Joint. Wer hier dem Rausch zu heftig und regelmäßig zuspricht, dem fällt die Integration in das bestehende Bürgertum der rangelnde Ellbogen schwer. Denn wie sinnlos, wie nichtig wirken die Versprechungen des materiellen Reichtums gegen dem lässigen Verweilen im „Hier und Jetzt“. Oder wie Rowan Robinson es ausdrückt: „Warum sollte man endlose Stunden dafür aufwenden, Reichtum anzusammeln, um sich das Glück und die Zufriedenheit zu kaufen, die bei Cannabiskonsum bereits in jedem Augenblick vorhanden sind?“ Sinnsuchende Sekretärinnen dürfen die Besitzer von Esoterik-Shops reich machen, der heranwachsende Jugendliche muß erste seine Leistung bringen, bevor er sich dem Gedankens des ewigen Fortschritts wieder abwendet. Ob es aber tatsächlich so einfach ist, wie Robinson behauptet, daß das „Amotivationssyndrom“ nur dem „Zweifel an der Weisheit des Fortschrittsdenken“ entspricht, muß bezweifelt werden. Denn natürlich ist ein Mensch anderen Dingen gegenüber unmotiviert, wenn sich der Hauptaugenmerk seines Lebens einer Droge zuwendet. Hang-over, Lustlosigkeit, Antriebsschwäche, Ziellosigkeit und Lethargie sind allen Kiffern bekannte Phänomene nach einer durchqualmten Nacht. In fernen Ländern (und im Urlaub) mag dies zu einer Philosophie gehören, in „spätkapitalistischen“ Gesellschaften kann dieser Weg aufs Abstellgleis führen, auch wenn Gleichgesinnte mit im selben Wagon sitzen.
Aber runter mit dem Zeigefinger und zurück zu den medizinischen und sozialen Erkenntnissen. S. Cohen erinnert die Wissenschaftsgemeinde 1986 daran, daß das „Syndrom“ äußerst variabel in seiner Präsentation ist und zudem extrem durch Einflüsse vor dem Beginn des Cannabis-Konsums bestimmt wird, daß die Existenz des „Amotivationssyndrom“ bezweifelt werden kann. Bei vielen von diesem „Syndrom“ Betroffenen wurde zudem eine körpereigene depressive Störung diagnostiziert, die durch den Cannabiskonsum an die Oberfläche des Geistes durchbrach. J.A. Halikas und seine Kollegen belegten das 1978. D.J. Kupfer ging schon 1973 sogar soweit, das diese von Depression geplagten Menschen den Hanf als selbstverschriebene Behandlung nutzen. Zum Schluß muß noch einmal in Erinnerung gerufen werden, daß der große Teil der in den zahlreichen Studien untersuchten Individuen in medizinischer Behandlung waren und demnach nicht repäsentativ für die Allgemeinheit der Cannabis-Genießer sind. Und wenn es dieses „Syndrom“ wirklich geben sollte, wie kann dann seit drei Jahren jeden Monat das HanfBlatt erscheinen?
Langsam, aber stetig geht es voran in der Serie des HanfBlatts, welche die Mythen rund um die Marihuana-Pflanze analysiert. Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Wissenschaft soll auch hier die wichtigen Fragen beantworten; schauen wir, was die Halbgötter in ihren weißen Kitteln wissen, was wir nicht schon geahnt haben. Im vierten Teil der Serie geht es um die Behauptung:
„Marihuana schädigt die Lunge“
„Räusper, Hust. Alles Lüge. Hüstel.“ So könnte auf diesen Vorwurf reagiert werden, doch hier wird ja bekanntlich der Stier ernsthaft bei den Hörner gepackt. Ein Argument gegen Marihuana ist seine Schädlichkeit für den Atemapparat, wenn es geraucht wird. Der Vorwurf: Gras enthält so hohe Konzentrationen von Schadstoffen, daß Konsumenten das Risiko eingehen, sich dauerhafte Lungenkrankheiten zuzuziehen. Der Mythos besagt, daß „ein Joint zehn Zigaretten gleicht“. Starker Tobak, und hier kommen
DIE FAKTEN
Um gleich am Beginn für Klarheit in den Nebelschwaden zu sorgen: Das Rauchen jeglicher Pflanze ist schädlich. Beim Verbrennungsprozeß entstehen Substanzen, welche die Entstehung von Krebs begünstigen. Dies gilt für Cannabis ebenso wie für Tabak. So weit, so schlecht, aber wie schädlich ist der Hanfrau(s)ch? Was wäre die Wissenschaft, ja, was wäre das Leben ohne den Vergleich? Um zu einer relativen Einschätzung der Schädlichkeit des Rauschhanfs zu kommen, greifen desses Befürworter deshalb auf Daten zu, die das negative Potential ihres heiligen Grases mit dem Tabak vergleichen. Bis auf die psychoaktiven Wirkstoffe ist der Tabakqualm dem Marihuanaqualm recht ähnlich. Kiffer atmen allerdings zumeist tiefer ein und behalten den Rauch länger in den Lungen – auf diese Weise gelangen auch mehr Schadstoffe in den Blutkreislauf.
Die bisherigen Studien zum Thema zeigen: Regelmäßige Marihuana-Konsumenten leiden öfter als Nichtraucher an chronischem Husten und chronischer Schleimentwicklung. Ab hier scheiden sich aber die Geister, denn während manche Wissenschaftlern behaupten, daß Grasrauchen zur Bronchitis führen kann, sehen andere keinen Nachweis dafür, daß kiffen die Entzündung der Luftröhrenäste verursacht. Seit 1982 führt ein regierungsnahes Intitut in den USA Forschungen an „reinen Kiffern“, „reinen Tabakrauchern“, „Konsumenten von beiden“ und „Nichtrauchern“ durch. Hierbei wurden durchaus Veränderungen in den Lungen von „reinen Kiffern“ analysiert, diese waren aber weit weniger ausgeprägt wie bei den „reinen Tabakrauchern“. Und noch etwas viel den Forschern auf: Die Beeinträchtigung beschränkte sich bei den Kiffern in erster Linie auf die großen Kanäle der menschlichen Atemmaschine, kleinere Luftröhren waren kaum geschädigt. Dies sah bei den Tabakkonsumenten dunkler aus, bei ihnen mutierten gerade die peripheren Äste. Das ist nach den Aussagen der Wissenschaftler auch der Grund dafür, daß Tabakraucher schneller und öfter an Bronchitis erkranken.
Ein Grund zur Entwarnung für die „reinen Kiffer“? Zumindest gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse darüber, daß das Pur-Rauchen zu Lungenkrebs führt. Gleichwohl fand man bei den Fans des reinen Grases Bronchien vor, die sich im Vorstadium der tödlichen Krankheit befanden. Wer zudem meint, sein Gras oder Haschisch mit Tabak zu vermengen, setzt sich garantiert einer erhöhten Krebsgefahr aus.
Diese Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund einer Jahrtausende alten medizinschen Anwendnung des Hanfs und der modernen Drogengesetzgebung gesehen werden. Seit mindestens 3000 Jahren verschafft Cannabis Asthmatikern Erleichterung, denn das Inhalieren des Rauches führt zu einer Erweiterung der Bronchien, die bis zu einer Stunde anhält. Zudem kann Cannabisrauch Husten unterdrücken und wurde auch schon bei der Behandlung von Keuchhusten erfolgreich eingesetzt. Ein Paradoxon stört im Kifferhimmel: Die heilige Pflanze schädigt und heilt zugleich – unabhängig von der Dosis. Aber nicht nur die pflanzlichen Inhaltsstoffe, wie das THC und die Cannabiole, greifen in die Körperfunktionen ein, das geltende Verbot der Heilpflanze zeigt ebenfalls Auswirkungen auf die Gesundheit des Konsumenten. In einigen Staaten der Erde sind aufklärende Literatur und auch Wasserpfeifen verboten, obwohl diese Schadstoffe aus dem Rauch herausfiltern. Die Forderungen der Legalisierungsbefürworter sind aus diesen Gründen eindeutig: Erst wenn Wasserpfeifen und Vaporizer zum Massenprodukt werden, kann von einer wirksamen Vorsorge im Gesundheitssektor gesprochen werden. Wer viel Cannabis raucht, sollte auf Produkte mit hoher Potenz zugreifen, weil dann weniger inhaliert werden muß. Die orale Zufuhr von Cannabis sei auch deshalb unbeliebt, weil der Rauschhanf zu teuer für diese kostenintensive Konsumform ist. Eine Legalisierung, so die Hoffnung der Anti-Prohibitionisten, würde das ändern. Legales Marihuana wäre zudem eher frei von Zusatzstoffen, die dem Käufer ein frisches Aussehen oder eine harzige Konsistenz suggerieren möchten. Vollzieht man diesen Gedanken bis zum Ende, wäre die Legalisierung der Pflanze der einzige Weg, um die Gesundheit der Cannabis-Liebhaber zu schützen.
Solange bleibt für den Konsumenten -wie bisher- nur der Zugriff auf andere, mildere Formen des Gebrauchs, will er oder sie sich nicht den Gefahren einer Lungenerkrankung aussetzen.
Jörg Auf dem Hövel
Nachtrag 2008
Es gibt neue Studien, deren Fazit: Die schädlichen Effekte von Tabak und Cannabis addieren sich, raucht man die beiden Kräuter zusammen, ist das weder aus Gründen eines kräftigen Highs noch aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll. Mehr unter https://joergo.de/cannabislunge.htm
Mit diesem Test erfährst Du wirklich zuverlässig, was für ein Hanftyp du bist. Fülle die Fragen spontan und ehrlich aus, schiele nicht schon vorher auf die Auswertung und kreuze pro Frage nur ein Kästchen an. Addiere Deine Punkte und Du wirst überrascht werden.
Frage 1
Du sitzt in Deinem Konfirmationsanzug beim Kaffeeklatsch bei deinen erzkonservativen Grosseltern. Plötzlich zieht Opa unter dem Sofa ein Mordsbhong hervor. Wie reagierst Du?
Du stellst Dich ahnungslos: „Was ist das denn, Opa?“ (0 Punkte)
Reflexhaft fängst Du an die Mischung fertig zu machen. (3 Punkte)
Du fragst scheinheilig: „Habt ihr auch was zu knispeln da oder ist das eure neue Vase?“ (2 Punkte)
Du bist verblüfft: „Ach Opa, Du warst auch mal jung?“ (1 Punkt)
Frage 2
Du liegst völlig besoffen im Chill-Out Bereich einer Techno-Party. Jemand bietet Dir einen Chai-Tee und ein Chillum an. Was tust Du?
Du schüttest den Inhalt des Chillums in den Chai und spülst das Zeug runter. (2 Punkte)
Du verlangst den Party-Veranstalter und drohst lauthals mit der Polizei. (0 Punkte)
Du giesst dem schmierigen alten Hippie den Tee ins Gesicht und ziehst das Chillum in einem Zug durch. (3 Punkte)
Du bedankst Dich artig für den Chai und schüttest die Mischung in die Tasche Deiner Cordjacke – für später. (1 Punkt)
Frage 3
Wie alt warst Du beim ersten Mal?
Zu jung, um mich noch daran erinnern zu können. (3 Punkte)
„. . ., aber ich habe nicht inhaliert.“ (0 Punkte)
Volljährig natürlich. (1 Punkt)
Alt genug zum kiffen, aber zu jung zum sterben. (2 Punkte)
Frage 4
Der Kapitän der Boing 747, mit der Du auf dem Weg von Marokko nach Frankfurt am Main bist, kündigt eine Notlandung auf dem Atlantischen Ozean an. Wie verhälst Du Dich?
Spontan scheisst Du die 20 Gramm Zero-Zero aus, die sich seit Marrakesh in Deinem Enddarm befinden und verteilst sie an Deine Mitreisenden. (2 Punkte)
Du weinst bitterlich und ärgerst Dich, dass Du die zwei Kilo in Deinem Koffer eingenähte Polle nicht am Mann hast. (1 Punkt)
Du denkst: „Hat es doch auch seine guten Seiten, da§ anscheinend alle Kondome mit Haschisch in meinem Darm geplatzt sind. Was für ein Abflug!“ (3 Punkte)
Du bedauerst: „Hätte ich in Marokko nur mal gekifft, dann würde ich mir jetzt wohl kaum THC-frei in die Hosen machen.“ (0 Punkte)
Frage 5
Du findest zufällig auf der Strasse einen originalversiegelten Beutel mit fünf Gramm Superskunk. Was empfindest Du?
Du freust Dich, lädst spontan alle Freunde ein und hast alles weggeraucht, wenn sie kommen. (3 Punkte)
Du dankst dem Gott Shiva, gurgelst nochmal mit Hustensaft und der Kampf kann beginnen. (2 Punkte)
Du tust es in die Vitrine zu Deiner Dopespezialitätensammlung und merkst, dass Du mal wieder Staub wischen solltest. (1 Punkt)
Du weisst eigentlich gar nicht, was Du damit sollst. Schliesslich rufst Du das Rauschgiftdezernat an und bittest um Verstärkung. (0 Punkte)
Frage 6
Du lümmelst Dich am Pool auf einer thailändischen Insel und die Sonne juchzt. Da flüstert Dir eine dralle Schönheit ins Ohr:
„Ich würde gerne mit Dir einen durchziehen. Die Gelegenheit ist günstig.“ (2 Punkte)
„Lass uns im Thaigras kuscheln und an unseren Extremitäten nuscheln.“ (1 Punkt)
„Vorsicht: Ozonloch!“ (0 Punkte)
„Pralle Berge – Feuchte Täler – Lasst uns ein Rohr rauchen – schreien die Wähler.“ (3 Punkte)
Frage 7
Du entschliesst Dich zu einer Schamhaarrasur. Was hat das mit Deinem Cannabiskonsum zu tun?
„Das kann ich auf Anhieb nicht sagen (erst mal einen durchziehen).“ (3 Punkte)
„Gar nix, ihr Spinner!“ (0 Punkte)
„Mehr als ihr denkt!“ (1 Punkt)
„Vollkiffen und verarschen kann ich mich alleine.“ (2 Punkte)
Frage 8
Du hast gerade das neue afghanische Treibhausgras angetestet:
Du greifst zum Telefonhärer und lässt Dir 100 Gramm zurücklegen. (2 Punkte)
„Kann mir nicht passieren!“ (0 Punkte)
Du kaufst Dir einen Kaftan und trittst zum Islam über. (1 Punkt)
Du überlegst Dir, wie Du die Qualität durch Belüftung noch verbessern kannst. (3 Punkte)
Frage 9
Du hast Dir einen Pollinator angeschafft:
Seit Stunden wirbelt eine einsame Durban Poison Blüte ihre Runden, Du suchst mit der Lupe nach Harzkrümeln um sie Deinen Freunden zu zeigen. (0 Punkte)
Du bringst das Ding zurück, nachdem Du wieder nüchtern geworden bist. (1 Punkt)
An den getrommelten Blüten klebt keine einzige Drüse mehr. Dafür kugelt sich die Nachbarschaft im Haschischstaub. (3 Punkte)
Du merkst zu spät, da§ Dir der Typ im Grow-Shop einen Zementmischer angedreht hat. Macht nix, funktioniert auch: „Polnische Platte“.
Frage 10
Du füllst diesen Fragebogen aus, weil:
Du nie genug über Dich erfahren kannst. (0 Punkte)
Er lustiger ist, als die Polizei erlaubt. (2 Punkte)
Du dich langweilst. (1 Punkt)
Du so stoned bist, dass Du alles tust, was wir Dir sagen. (3 Punkte)
AUSWERTUNG
25 – 30 Punkte
Der Dauerkiffer
Du bist ein unverbesserlicher Kiffer. Du musst Deinen Pegel halten, um überhaupt überleben zu kännen. Nichts kann Dich von Deiner Bestimmung abhalten. Gute Reise, wo auch immer Du bist.
16 – 24 Punkte
Der Gelegenheitskiffer
Du lässt nie eine Gelegenheit zum kiffen aus. Vom Dauerkiffen hält Dich eigentlich nur eine passende Gelegenheit ab. Ja, Ja, Du hast alles im Griff, weisst Bescheid.
7 – 15 Punkte
Der Ausnahmekiffer
Wohl gewählt will der Zeitpunkt sein, an dem Du Dich dem Rausch hingibst. Selten und exquisit sind die Anlässe, voll der Erinnerung an die guten alten Zeiten, aber wenn es losgeht, hast Du nix mehr unter Kontrolle. Ja, so bist Du.
0-6 Punkte
Der Noch-Nicht Kiffer
Du würdest gern, aber Du gönnst Dir nichts. Moralische Zwänge und persönliche Ängste halten Dich in Deiner Depression fest. So breit wie Die willst Du nicht sein, drum bleib daheim und schliess Dich ein.
Der Wiener Pharmakologe Dr. Carl Damian Ritter von Schroff (1802-1887) berichtete in seinem „Lehrbuch der Pharmacologie“ (1. Auflage 1856), zur damaligen Zeit eines der wegweisenden Werke auf diesem Gebiet, selbstverständlich auch über „Herba Cannabis von Cannabis sativa L.“. Der vorliegende Auszug, der einen interessanten Einblick in die Kenntniswelt der damaligen Zeit vermittelt und einen heroischen Selbstversuch beinhaltet, entstammt der mit Unterstützung seines Sohnes, dem Mediziner und Pharmakologen Dr. Carl Joseph Stephan Ritter von Schroff (1844-1892), verfassten vierten vermehrten Auflage von 1873.
„Vom Hanf sind officinell die blühenden Endzweige und Spitzen der Pflanze…
Wirksame Bestandteile noch wenig sicher ermittelt; vor der Hand nimmt man eine harzige Substanz unter dem Namen Cannabin dafür an.
Physiologische Wirkung
Das Kraut und besonders die bühenden Endtheile der Pflanze haben für den Orient, namentlich für Egypten, Kleinasien, Persien und Indien eine besondere Bedeutung, weil man von denselben, wie vom Opium, als Genussmittel Gebrauch macht, indem das Kraut geraucht und aus den blühenden Zweigen, so wie aus dem ausschwitzenden Harze mancherlei mit verschiedenen Namen belegte Präparate bereitet werden, die für sich oder in Kaffee genossen werden und welche eigenthümliche rauschähnliche, mit sehr angenehmen Gefühlen, namentlich mit einer Steigerung der Geschlechtslust verbundene Zustände erzeugen. Ich habe, um mich zu überzeugen, was es hiemit für eine Bewandtniss habe, mehrere Versuche angestellt sowohl mit dem blühenden Kraute der bei uns gebauten Hanfpflanze, Cannabis sativa, als auch mit der unter dem Namen Herba Guaza zu uns gebrachten Cannabis indica, so wie mit der bei uns cultivirten indischen Hanfpflanze, und zwar nach dem gleichen, eine Vergleichung wohl zulassenden Schema, woraus sich ergeben hat, dass das aus dem Orient bezogene blühende Kraut ungleich wirksamer ist, als das von der einen oder anderen bei uns gebauten Pflanze erhaltene Kraut. Ich habe ferner mit dem Extractum alcoholic. Cannabis indicae und mit mehrereren aus dem Orient bezogenen unter dem Namen Haschisch bekannten Zubereitungen Versuche angestellt und daraus die Ueberzeugung gewonnen, dass die Wirkungen nach Verschiedenheit der Individualität ungemein variiren, und dass es daher sehr schwer ist, den eigentlichen, wesentlichen, physiologischen Charakter rein aufzufassen.“
Es wird der außergewöhnliche Fall eines Probanten beschrieben, der nach Einnahme eines Tees aus 12 Gramm (!) Cannabis indica einen Tobsuchtsanfall bekam. Interessanter ist hier, was folgt:
„Bei 2 anderen Individuen bewirkte dagegen der Aufguss aus Cannabis sativa und aus Cannabis indica und zwar sowohl der aus dem Orient bezogenen als der bei uns gebauten, besonders aber der einheimischen, sehr geringe Erscheinungen, einige Verminderung des Pulses, Eingenommenheit des Kopfes und Schläfrigkeit. Eben so lieferten auch die Versuche nicht nur mit den verschiedenen Sorten von Haschisch, sondern auch mit demselben Stoffe bei verschiedenen Beobachtern, ja sogar bei demselben Beobachter zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Resultate. Am intensivsten waren die Wirkungen eines von Herrn Professor Sigmund aus Egypten mitgebrachten, in meiner Pharmacognosie näher beschriebenen trockenen Haschisch, das von 7 Individuen in Dosen von 7-58 Centigramm. genommen wurde. Am intensivsten wirkte es gleich in der ersten Zeit; nach längerer Aufbewahrung zeigte es geringere Wirksamkeit.
Ich nahm 7 Centigramm. Abends um 10 Uhr, legte mich zu Bett, las, noch eine Cigarre nach gewohnter Weise rauchend, gleichgiltiges Druckwerk bis 11 Uhr und legte mich dann mit der Idee zur Ruh, dass diese Dosis wohl zu klein gewesen sein mochte, da sie gar keine Erscheinung hervorbrächte und mein Puls gar keine Veränderung zeigte. In demselben Augenblicke fühlte ich ein starkes Rauschen nicht nur in den Ohren, sondern im ganzen Kopfe; es hatte die grösste Ähnlichkeit mit dem Geräusche des siedenden Wassers, gleichzeitig umfloss mich ein wohlthuender Lichtglanz, der den ganzen Körper durchdrang und ihn durchsichtig erscheinen liess. Mit ungewöhnlicher Leichtigkeit durchlief ich ganze Reihen von Vorstellungen bei gesteigertem Selbstbewusstsein und erhöhtem Selbstgefühl; ich bedauerte, keine Schreibmaterialien zur Hand zu haben, um all das Herrliche aufzeichnen zu können; zum Holen derselben wollte ich mich nicht entschliessen, weil ich fürchtete, diesen höchst angenehmen Zustand zu verscheuchen und weil ich die feste Ueberzeugung hatte, dass ich am nächsten Morgen bei der Klarheit der Ideen und der Lebhaftigkeit der Empfindungen die Erinnerung daran ganz frisch im Gedächtnis haben würde. Ich verglich meinen Zustand mit jenem, wie er nach der Einwirkung von Haschisch geschildert wird, und bemerkte, dass er sich in der Abwesenheit erotischer Gefühle unterscheide. Am anderen Morgen war mein erster Gedanke beim Erwachen, die nächtliche Scene im Gedächtniss zu reproduciren; allein von all` den erlebten Herrlichkeiten trat nichts in die Erinnerung, ausser was ich eben berichtet habe.“
Es folgen Beobachtungen, die an anderen Experimentatoren nach oraler Einnahme des obigen Präparates bezüglich Pulsfrequenz, Körpertemperatur, Pupillengröße, Sinnesempfindungen, Befindlichkeit und Erleben gemacht wurden, allesamt bekannte Phänomene wie:
„…bei denselben Steigerung aller Sinnesenergien und ungemeine Lachlust; Schläfrigkeit bei allen, wenn auch nicht in allen Perioden des Versuches; Bewusstsein ungetrübt; beim Einschlafen Hallucinationen besonders des Auges, vorzüglich angenehmes Farbensehen, Verschwinden des Bodens unter den Füssen, nicht unangnehmes Gefühl des Ueberstürzens, des Fliegens durch die weiten Himmelsräume; meistens sehr heitere Gemüthsstimmung, grosse Neigung zum Raufen, Lärmen, Necken bei ungetrübtem Bewusstsein; subjectives Wärmegefühl wechselt mit subjectivem Kältegefühl, öfteres und tiefes Gähnen, Neigung die Augenlider zu schliessen, bei einigen häufigeres Uriniren. Die meisten verglichen den Zustand mit jenem, den ihnen die Aethernarcose erzeugt hatte. Bei allen fester, tiefer Schlaf in der auf den Versuch folgenden Nacht, bei einem einzigen wohllüstige Träume, bei den übrigen entweder keine oder gleichgiltige oder schreckhafte Träume. Bei allen guter Appetit. Nachwirkungen am andern Tage entweder keine oder nur geringe Mattigkeit und etwas Eingenommenheit des Kopfes.
Die Versuche mit einem anderen Haschisch, das die Consistenz einer Latwerge hatte, süss schmeckte und mit kleinen Stückchen Mandeln versetzt war, ergaben bei grösseren Gaben von 0,5 – 1,0 Gramm. ähnliche Resultate, nur fehlte durchaus die erheiternde Wirkung, Lachlust kam nie vor, eben so wenig angenehme Hallucinationen, dagegen grössere Geneigtheit zum Schlaf, zur Trägheit. Extractum Cannabis indicae alcoholicum zu 0,5 und 1,0 Gramm. bewirkte ein stetiges Fallen des Pulses, Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerz, Mattigkeit, Neigung zum Schlafe, tiefen Schlaf ohne anderweitige Nachwirkung und ohne Einwirkung auf das Sensorium commune. Geschmack unangenehm widrig, hinterher etwas scharf und bitter.“
Das Spektrum der Wirkungen wird ergänzt durch die kurze Erinnerung an den „Fall einer Vergiftung mit Haschisch“ von 1857, bei dem ein Dr. Heinrich 73 Centigramm eines unter dem Namen Birmingi aus dem Orient erhaltenen Haschisch einnahm und mit Todesfurcht und Depression daniederlag. Dann wird zusammengefasst:
„Aus den mitgetheilten Versuchen ergibt sich, dass die blühenden Spitzen des indischen Hanfes aus seinem Vaterlande am wirksamsten sind, dass dagegen das alkoholische Extract und die mit süssen Säften und Mandeln bereiteten Sorten von Haschisch eine geringe und mehr betäubende, aber nicht jene dem Hanf eigenthümliche aufregende, der Erzeugung von Hallucinationen und Lachlust günstige Wirkung äussern; denn das von Prof. Sigmund aus Egypten mitgebrachte trockene Haschisch besteht beinahe allein aus den blühenden Spitzen, indem die von mir vorgenommene mikroskopische Untersuchung deutlich die dem indischen Hanf zukommenden Pollenzellen und Haare nachgewiesen hat und gerade dieses bewirkte ähnliche Erscheinungen wie der heisse Aufguss der blühenden Spitzen. Uebrigens spielt die Individualität eine sehr grosse Rolle dabei und kann man keineswegs mit Sicherheit auf eine bestimmte Wirkung rechnen, was wohl in einem gewissen Grade von allen berauschenden Mitteln mehr weniger gilt. Auf den einen wirkt der Wein deprimirend, macht ihn zum weinenden Krokodil, während er den andern aufregt, erheitert, gesprächig, lach- und raufsüchtig macht. Vom Opium unterscheidet sich der Hanf, dass er einen rauschähnlichen Zustand erzeugt, ohne das Bewusstsein aufzuheben oder zu alteriren, dass er eigenthümliche Hallucinationen und in der Mehrzahl der Fälle Heiterkeit, besonders Lachlust mit dem Triebe zur Aeusserung der Muscularkraft bewirkt, dass er keine nachtheilige Einwirkung auf den Magen äussert, wie diess dem Opium zukommt, dass er öfters die Harnsecretion vermehrt und die Stuhlentleerung nicht zurückhält. Uebrigens übertrifft der indische Hanf alle bisher bekannten Mittel, welche in einer näheren Beziehung zum Hirnleben stehen, an unmittelbarer Einwirkung auf die Phantasie, auf das Vorstellungsvermögen überhaupt. Bei keinem anderen Phrenicum tritt das geistige Selbstbewusstsein, die psychische Cöästhese, das geistige Sichselbstanschauen so frei hervor, wie hier, bei keinem bricht der Strom der inneren Ideenwelt so gewaltsam und in so rasender Eile durch, wie hier, ohne dass die Möglichkeit der Beachtung der Anregungen von Seite der Aussenwelt und die entsprechende Reaction darauf aufgehoben wäre.
In den höheren Graden der Wirkung hat man einerseits furibunde Delirien, Anfälle von Tollheit, andererseits hohe Grade von Depression, catalepsieähnliche Zustände mit vollständiger Bewusstlosigkeit beobachtet.“
Ein bestimmtes Urteil über die Verwendungsmöglichkeiten bei verschiedenen Krankheiten, „namentlich in Geistes- und Nervenkrankheiten“, hielt Schroff damals nicht für zulässig, auch wenn von Tinctura Cannabis indicae und Extractum Cannabis indicae als beruhigenden und schlafmachenden Mitteln im Einzelfall mit Erfolg Gebrauch gemacht wurde und diese in die Pharmacopoaea Germanica 1872 aufgenommen wurden:
„Die Unsicherheit der Wirkung wird der häufigeren Anwendung in so lange entgegenstehen, bis es nicht gelungen sein wird, ein immer gleichförmiges Präparat darzustellen.“
Die Grundlagen hierfür waren erst knapp 100 Jahre später durch die Möglichkeiten der Identifizierung und Isolierung des Wirkstoffes THC gegeben.
Literatur von oder über Carl Damian Ritter von Schroff bei Amazon suchen:
Lactucarium gehört zweifellos zu den obskuren Substanzen. Aber es handelt sich hierbei nicht um einen „Fake“, sondern um ein tatsächlich psychoaktiv wirksames Pflanzenprodukt, den eingedickten Milchsaft aus den Stengeln und Blättern blühender Latticharten, wie sie als wildwachsende „Unkräuter“ an Wegesrändern, auch mitten in der Stadt, auf „Ödland“, an Flußläufen und Kanälen, am Rande landwirtschaftlicher Nutzflächen, besonders in Weinbergen, im ganzen deutschsprachigen Raum verbreitet sind. Bei der bekanntesten Lattichart handelt es sich allerdings um den banalen Garten-Salat (Lactuca sativa). Und auch dieser kann eine Substanz liefern, die seit Ende der Siebziger Jahre in den USA als Lettucene oder Lettuce-Opium vertrieben wird, zu deutsch: Salat-Opium oder besser Lactucarium.
Doch eins vorweg: Lactucarium wirkt definitiv nicht wie echtes Schlafmohnopium, genausowenig, wie irgendwelche gerauchten Kräutermischungen wie richtige potente Hanfblüten oder gar gutes Haschisch törnen. Aber: Lactucarium wirkt, milder, subtiler, anders, aber durchaus so, daß man sich darauf einlassen und Gefallen an dem mentalen Driften unter Lactucarium-Einfluß finden kann. Gewisse Ähnlichkeiten mit Opium, sowohl vom Äußerlichen, als auch von der Wirkung, der Anwendung und seiner Gebrauchsgeschichte lassen sich zudem nicht leugnen, sondern sind offensichtlich.
Lattich wird und wurde überall auf der Welt genutzt, wo er gedeiht. Er war schon den alten Ägyptern heilig und wurde in Tempelgärten angepflanzt. Man hat ihn sowohl als Speise (die bekannten Salatblätter) als auch wegen seiner psychoaktiven Wirkungen genossen. Insbesondere dem Fruchtbarkeistgott Min nahestehend, hatte Lattich einen erotisch stimulierenden Ruf, erinnert nicht zuletzt auch der weiße Milchsaft an das lebensspendende Sperma. Bei den Griechen galt der Lattich ganz im Gegenteil als Symbol für Impotenz und den Mangel an Lebenskraft. Dieser Ruf hat sich bis heute gehalten und basiert wohl auf den tatsächlich eher beruhigenden und einschläfernden Eigenschaften des Lattichsaftes. Als Heilpflanze wurde Lattich als harntreibendes und abführendes Mittel, und ganz besonders auch zur Dämpfung von Reizhusten bei Atemwegserkrankungen und zur Schmerzstillung (sogar bei Operationen) eingesetzt. Aufgrund dieser Qualitäten wurde er bei den erwähnten Indikationen auch als Ersatz für Opium angesehen. Lattich war über Jahrtausende eine wichtige Heilpflanze und ist erst in diesem Jahrhundert in die Vergessenheit geraten.
Alle wilden und zur Salatgewinnung gezüchteten Latticharten enthalten psychoaktive Sesquiterpenlacton-Bitterstoffe, insbesondere Lactucin und Lactucopicrin (die in geringer Konzentration auch in Zichorien, Chicoreée, Endivien und Löwenzahn anzutreffen sind). Diese konzentrieren sich insbesondere in dem weissen Milchsaft der bei manchen Arten an günstigen Standorten über zwei Meter hoch werdenden Lattichpflanzen. Der wirkstoffhaltige Saft fließt erst zur Blüte richtig sämig und intensiv durch Stengel und Blätter. Die wilden ein- bis zweijährigen Latticharten enthalten erheblich mehr der Bitterstoffe als der domestizierte Gartensalat.
Als potenteste Lattichart gilt der steinige und sonnige Orte bevorzugende Giftlattich (Lactuca virosa), der diesen etwas dick aufgetragenen Namen eigentlich zu Unrecht trägt, weil es praktisch nie zu ernsthaften Lattichvergiftungen gekommen ist. Der Giftlattich kommt von Mitteleuropa bis Nordafrika und Westasien vor, und ist in den USA und vermutlich anderen Ländern eingebürgert. Es ist gar nicht so leicht, die einzelnen wilden Latticharten zu unterscheiden. Dies ist für die sporadische Gewinnung des bitteren Saftes auch nicht von so erheblicher Bedeutung. Wichtiger ist es, die Latticharten nicht mit anderen ähnlich aussehenden „Unkräutern“ zu verwechseln. Dies ist mit den Gänsedisteln, auch Hasenkohl genannt (botanisch Sonchus) möglich. Sie enthalten ebenfalls einen weissen Milchsaft und können als Salat gegessen werden, sind aber nicht für psychoaktive Wirkungen bekannt. (Eine Art wird allerdings in Chile als Kokaersatz gekaut, was uns zu denken geben sollte.)
Wer Lattich anbauen möchte, besorgt sich am besten die Giftlattichsamen. Was kaum noch jemand weiß, Giftlattich wurde um 1847 im Moselgebiet zur Gewinnung des Milchsaftes, dem Lactucarium germanicum, angebaut. Die Ernte des Saftes begann mit Beginn der Blüte (ab Mai, kann sich aber bei wilden Pflanzen bis in den Herbst hinziehen). Stengel oder Blütenknospen werden abgeschnitten oder mit den Fingernägeln abgeknippst (Vorsicht, auch Blattläuse lieben Lattich) und der austretende Milchsaft zum Beispiel in einer Tasse oder auf einer glatten Fläche aufgesammelt. Bei kleinen Mengen sind selbst Fingernägel oder Barettabzeichen geeignet. Schon bald gerinnt der Milchsaft, wird zäh und gummiartig und färbt sich erst gelblich, dann braunschwarz und glänzend ähnlich wie Opium. Der Saft riecht auch charakteristich scharf, an frischen Schlafmohn erinnernd. Von der selben Pflanze kann etwa zwei Monate bis zu mehrmals täglich Saft gezapft werden, durch immer neue tiefere Schnitte, bzw. Schnitte an anderen Blüten. Der Ertrag ist gering, Tröpfchen für Tröpfchen, die Ernte mühselig. Den gesammelten Saft läßt man vorsichtig an der Sonne trocknen. Die damalige Ernte an potentem deutschen Lactucarium, dem Lactucarium germanicum, fand übrigens ihren Weg von Zell an der Mosel über England nach Amerika und wurde dort wahrscheinlich zum Verfälschen von echtem Schlafmohnopium für die Kundschaft aus der chinesischen Gemeinde verwendet. Sein Preis schwankte in Abhängigkeit von dem des Opiums. Auch in anderen Ländern wurde damals von verschiedenen Latticharten Lactucarium gewonnen und nach dem Herkunftsland benannt, so in Österreich, Frankreich, England und Kanada.
Wem das Gewinnen des Lattichsaftes zu mühselig ist, der kann aus den frischen Blättern der blühenden Pflanze einen Preßsaft oder aus den getrockneten Blättern einen Tee zubereiten. Für den Tee werden etwa zwei Teelöffel des Krautes pro Tasse mit siedendem Wasser überbrüht und ein paar Minuten stehen gelassen, bevor abgegossen und getrunken wird. Sowohl Heißwasserauszüge, der Tee als auch der Preßsaft lassen sich zu einem Festextrakt eindicken, in dem die Wirkstoffe allerdings nicht in der Konzentration vorliegen wie im Lactucarium, das einen Bitterstoffgehalt zwischen 0,2 und etwa 1 % aufweisen soll.
Wenn das Lactucarium eingenommen wird, sollen schon Dosierungen von 0,05 bis 0,1 Gramm hustenreizlindernd wirken. Bei Schmerzen wurden bis zu 0,3 Gramm gegeben. Die maximale Einzeldosis wird mit 0,3 bis maximal 1 Gramm angegeben. Die von Hedonisten genommenen Mengen liegen meist zwischen 0,2 und 1 Gramm. Zu hohe Dosierungen können neben Benommenheit und beschleunigtem Schlaf auch Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Schweißausbrüche, Übelkeit und beschleunigten Stuhlgang zur Folge haben. Zur Vorsicht sollte auch gemahnen, daß die Bitterstoffe als schwache Kontaktallergene wirken können. Wer also eine Salatallergie hat, sollte die Finger von Lactucarium lassen. Wer Lactucarium einnimmt, sollte um Reizungen zu vermeiden für eine ausreichende Grundlage im Magen sorgen. Die Wirkdauer ist relativ kurz, vielleicht 2 Stunden deutlich, mag sich aber mit steigender Dosis verlängern. Erheblich kürzer wirkt das Rauchen von Lactucarium.
Das war die Einnahmeform, die zuletzt für Aufsehen sorgte. Auf der Suche nach legalen Highs stiessen findige Geschäftsleute aus den USA auf das alte Heilmittel. Die Firma Woodley Herber brachte Anfang 1977 zwei Präparate auf den Markt, „Lettucene 1 und 2“, die als potenter Ersatz für Haschisch und Opium vor allem in der „High Times“ beworben wurden. Auch in Deutschland versuchte die Hamburger Firma „Naschpo“ das Zeug unter die Kiffergemeinde zu bringen. Bei Preisen von bis zu 6,60 DM pro Gramm ein Unterfangen, das keine langfristigen Erfolge zeigte, aber die Aufmerksamkeit der Medien von der Hamburger Morgenpost („Dieser Salat macht „high“. Neue Droge macht Rauschgift-Fahnder ratlos.“) bis zu Stern („Schöne Träume aus Kopfsalat“) und Spiegel („Legaler Smoke“) garantierte. Tatsächlich gaben die Präparate rein äußerlich ein gutes Imitat der Schwarzmarktprodukte ab, aber die Wirkung war einfach zu schwach und wenig überzeugend um einen Stammkundenkreis zu gewinnen. In den USA folgten eine Reihe Nachfolgeprodukte, darunter auch potentere Präparate aus reinem Lactuca virosa-Saft. Aber das Interesse der Neugierigen ließ bald nach. Heute kann man im ethnobotanischen Fachhandel getrocknete Blätter des blühenden Giftlattichs erwerben, die man wie auch die anderer Latticharten gut rauchen kann. Das potentere Lactucarium muß man schon selber gewinnen.
Lactucarium soll nicht allzulange haltbar sein, vielleicht ein halbes bis maximal ein Jahr. Dunkel, kühl und trocken verstaut, erhöht sich die Haltbarkeit aber erheblich. So war das auf diese Weise gelagerte, oben erwähnte „Lettucene-Opium“ auch noch 15 Jahre später geraucht wirksam. Lactucarium wird genau wie Opium geraucht, nach dem Prinzip der Verdampfung der Wirkstoffe, also mit einer Opiumpfeife, aus einer Haschölpfeife oder von einer ausgeglühten Alufolie (z.B. durch ein Papierröllchen) inhaliert. Um beim Rauchen eine Wirkung zu verspüren, sind mindestens 0,1 bis 0,2 Gramm Lactucarium erforderlich. Es kann erheblich mehr geraucht werden. Schon allein das Zeremoniell und der an Opium erinnernde Rauch üben beruhigende Wirkung aus. Lassen wir einen Lactucarium-Raucher zu Wort kommen:
„Als ich zum ersten mal frisches Lactucarium aus einer Haschölpfeife geraucht hatte, sah ich in der Glotze gerade einen Film über eine von Christo verpackte Seine-Brücke in Paris. Mit einem mal hatte ich das Gefühl, an Stelle der Kamera zu schweben, in Zeitlupe unter der Brücke und entlang der Brücke zu gleiten. Die Zeit schien ungeheuer gedehnt. Eine Milde, eine Entspannung ein köstlich gefrorenes Lächeln hatten Besitz von mir ergriffen. Ein langer glücklicher Moment voll Klarheit und Ziellosigkeit, ein gedankenloses hypnotisches Driften in köstlicher Ruhe. Das Ganze dauerte vielleicht zwanzig, dreissig Minuten Echtzeit. Spätere Erfahrungen waren dumpfer, vielleicht weil das Überraschungsmoment weg war, die Naivität, die die Öffnung für eine frische Erfahrung begünstigte. Rauchen war aber allemal interessanter als das Essen des bitteren Lattichsaftes. Nach Einnahme größerer Bobbel waren ruhige ermattete Zurückgezogenheit ins Innere bei reduzierter Phantasie und einem kribbeligen, aber irgendwie auch betäubten unerotischen Körpergefühl die Folge. Mehr so ein softer Pflanzendowner, Einschlaffmittel.“
Eine mehrteilige Serie klopft auf das wild wuchernde Gewächs der Marihuana-Mythen. Wie sieht es tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Dieses mal überprüft das HanfBlatt die Behauptung:
„Die Potenz von Marihuana ist über die Jahrzehnte wesentlich angestiegen“
Ein klassisches Argument der Gegner der Legalisierung. Seit den 70er Jahren sei die Potenz von Gras um das 10-, 20- oder gar 30-fache angestiegen, so wird behauptet. Damit reagieren die Prohibitionisten auf frühe Studien, die die relative Harmlosigkeit der Droge herausgestellt haben. Die Gefahr, von einem konzentrierten Rauschmittel übermannt zu werden, sei erheblich höher. Konsumenten sollen so überzeugt werden, daß Kiffen heute riskanter und unheilschwanger ist.
Die Fakten
Schön, daß in diesem Fall auf Zahlen von offizieller Seite zugegriffen werden kann. Das von der Universität Mississippi seit über 20 Jahren durchgeführte „Potency Monitoring Project“ (PMP) genießt finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates. Die Abstinenzapostel erhofften sich einen Beweis für ihre Vermutung, daß die illegalen Bauern immer stärkeren Hanf züchten. Die Forscher untersuchten von der Polizei beschlagnahmtes Marihuana, welches gerade Anfang der 70er Jahre nicht dem auf dem Markt normalen Standard entsprochen haben kann, denn sie fanden nur THC-Werte (Tetrahydrocannabiol, dem mächtigsten Wirkstoff des Rauschhanfs) von unter einem Prozent, 1974 sogar nur 0.4 Prozent. Ganz klar, daß die Generation der Spät-Hippies sich mit solchen Weichspülern nicht zufrieden gegeben hat, zumal im Gras mit einem THC-Gehalt von unter 0.5 Prozent so gut wie keine psychoaktive Wirkung mehr wohnt. Erst als den Sheriffs ein Licht aufging und sie nicht mehr nur die Stengel der Pflanze im Labor ablieferten, sondern auch die Buds (Blütenköpfe), näherten sich die Ergebnisse der Realität des Schwarzmarkts an.
Jede andere Analyse kam zunächst aber zu anderen Ergebnissen. Zum Beispiel enthielten die 59 Proben, welche die „PharmChem Laboratories“ 1973 unter die Lupe nahmen, einen durchschnittlichen THC-Wert von 1.62 Prozent, nur 16 Einheiten des konfiszierten Materials lagen unter einem, mehr als die Hälfte lag über zwei, mehr als ein fünftel über vier Prozent. Eine Analyse von 1975 bestätigte die Forscher. PharmChem überprüfte wiederum Marihuana, dieses mal lag der Gehalt des Wirkstoffes zwischen zwei und fünf Prozent, eine Einheit trumpfte mit satten 14 Prozent auf.
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Seit 1980 stieg die Zahl der Beschlagnahmungen drastisch an. Noch immer griff das PMP aber wahllos auf die Ware zu, repräsentativ waren die untersuchten Gräser und damit auch die Ergebnisse nicht. Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, stieg der THC-Wert über die Jahre hinweg leicht an:
THC-Wert (in Prozent) von in den USA beschlagnahmten Marihuana, 1981-1993, Mississippi Monitoring Project
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
2.28
3.05
3.23
2.39
2.82
2.30
2.93
3.29
3.06
3.36
3.36
3.00
3.32
Verarbeitete frau früher gerne auch mal Stengel und Blätter oder gar die männliche Pflanze, so fordert der Markt heute nur die weiblichen Dolden. So sei die höhere Potenz nach Meinung einiger „Insider“ zu erklären. Selbst der leichte Anstieg des THC-Gehalts ist nach Ansicht vieler Experten aber kein Grund zur Beunruhigung. Ihr Argument: Die Alkohol-Logik greift zu kurz, denn eine potentere Droge erlaubt es dem Konsumenten, geringere Dosen zu nehmen. Bei der weit verbreiteten Inhalationstechnik habe dies den Vorteil, daß weniger geraucht werden müsse, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Dies setzt natürlich den verantwortungsvollen Nutzer voraus. Eben dieser ist auch gefragt, wenn die „automatische Titration“ Erfolg haben soll. Was das ist? Nun, der erfahrene Kiffer raucht nur solange, bis er seinen persönlich erwünschten Effekt erreicht hat – und nicht mehr. Zudem weiß er, daß Sorten unterschiedlichster Stärke auf dem Markt treiben. Neues Dope wird demnach vorsichtig probiert, denn wer einmal „zu stoned“ war, möchte dies nicht wieder erleben.
Bringen wir es auf den Punkt: Hanf ist zunächst einmal eine uralte Pflanze, deren Wirkstoffgehalt nicht innerhalb von Jahren extrem nach oben oder unter fällt. Die Errungenschaften des technischen Zeitalters stoppen allerdings auch nicht vor dem Hanfanbau. Eifrige Züchter bewegen viel (auch die Gene?), um einen maximalen Ertrag bei hoher Potenz zu gewährleisten. „Super Skunk“, zum Beispiel, ist bei maßloser Dosierung ein Garant für einen relativ undifferenzierten, breiten Rausch – in Deutschland sehr beliebt. Es steht zu vermuten, daß in der germanischen Republik und Europa ebenfalls der THC-Gehalt in den Blüten zugenommen hat, denn die holländische Maschinerie arbeitet effektiv. Hier und überhaupt kann nur der verantwortungsvolle Konsument das durch eine potente Droge erhöhte Risiko abfangen.
Jörg Auf dem Hövel
Nachtrag 2006:
Die Diskussion um THC-starkes Cannabis ist in eine neue Runde gegangen. Die Ergebnisse konnten hier nicht berücksichtigt werden.
Nachtrag 2008:
Die Züchtung immer potenterer Pflanzen hat sich zur Zeit auf dem Markt durchgesetzt. Der THC-Gehalt ist zur primären Qualitätsbestimmung geworden. Ob hier „viel hilft viel“ tatsächlich gilt, werden die Konsumenten entscheiden müssen. Die Dosierung von Cannabis verlangt inzwischen mehr Wissen als früher.
Ja, ja, was nehmen wir nicht alles in Kauf für die Aufklärung. Mittlerweile klärt das HanfBlatt in der zehnte Folge über Mythen rund um die Cannabispflanze auf. Und noch ist kein Ende in Sicht! Der Erfolg der Arbeit lohnt die Mühe, denn der wahre Hanf kommt zum Vorschein, entkleidet aller bewußt oder unbewußt gesäten und gewachsenen Behauptungen. Wie sieht es nun tatsächlich aus: Welchen Nutzen und welche Schäden kann der Konsument von Cannabis aus den pflanzlichen Wirkstoffen ziehen? Wo liegen Gefahren für Körper und Geist, wo Chancen für ihre Genesung? Im zehnten Teil der Serie geht es um den Mythos:
„Immer mehr Menschen werden wegen Marihuana-Konsum ins Krankenhaus eingeliefert“
Um zu beweisen, daß Marihuana eine gefährliche Droge ist, führen die Gegner einer Legalisierung aus, daß immer mehr Kiffer ins Krankenhaus eingewiesen werden. Liegen tatsächlich vermehrt verwirrte Gestalten sabbernd in den Betten der Hospitäler? Führt der Genuß von Hanfharz zum delirösen Zustand, der oft den Anruf beim Notarzt zur Folge hat? Schon aus der Polemik wird klar, welche Meinung der Autor hat, aber folgen wir doch lieber brav
DEN FAKTEN
Der Ursprung dieses Mythos liegt -wie so oft- in den Vereinigten Staaten von Amerika. Hier sammelt das „Drug Abuse Warning Network“ (DAWN) Daten aus den Krankenhäusern. DAWN behauptet nun, daß immer mehr junge Menschen in den neunziger Jahren ein Spital aufsuchten, um Hilfe gegen ihren akuten Marihuana-Rausch zu suchen. Das Personal der Häuser füllt für jeden Patienten einen Fragebogen aus, auf welchem auch nach dem Konsum irgendwelcher Drogen gefragt wird. Eine Auswertung dieser Bögen ergab, daß im Jahre 1990 15.706 Menschen angaben, sie hätten Marihuana geraucht oder gegessen. Das sind 7.1 Personen bei einer Population von 100 Tausend. Dieser Anteil stieg bis 1993 auf 29.166 (immerhin 12.7 per 100 Tausend). Auf Basis dieser Zahlen sprach DAWN von einem Anstieg von 86 Prozent. Die Veröffentlichung sorgte für Aufruhr in den USA und wurde von den Prohibitionisten ausgenutzt, um den „Krieg gegen die Drogen“ weiter zu rechtfertigen. Nimmt man jedoch 1988 als Ausgangsbasis, das Jahr indem die Erfassung der Bögen begann, entsteht ein anderes Bild. Damals wurden 19.962 Konsumenten gezählt, somit stieg die Zahl bis 1993 um „nur“ 42 statt 86 Prozent. Verstanden?
Und noch etwas ist wichtig: Marihuana ist nach wie vor die am wenigsten genannte Drogen unter den illegalen Substanzen. Kokain und/oder Heroin-bedingte Aufenthalte sind öfter zu verzeichen, als die von Kiffern. Und in der Altersgruppe zwischen 6 und 17 Jahren lag der Anteil derjenigen, die Schmerzmittel eingenommen hatten, sogar erheblich höher. 6.4 Prozent gaben an, Marihuana genossen zu haben, bei 47 Prozent schwirrten (legale) Schmerzmittel durch die Blutbahn.
Äußerst selten gelangen Bürger und Bürgerinnen ins Lazarett, die nur gekifft hatten – zumeist spielten andere Substanzen eine Rolle. In mehr als 80 Prozent der Fälle spielen weitere Drogen eine Rolle und bei mehr als 40 Prozent nannten die Berauschten sogar zwei oder mehr „Rauschgifte“, die sie sich zugeführt hatten.
Überhaupt ist es falsch zu behaupten, daß immer mehr verwirrte Kiffer über desinfizierten Gänge irren: 1992 gaben über 430 Tausend Menschen in den USA Drogenkonsum bei ihrer Einlieferung ins Krankenhaus an. Nur etwa 4000 davon -also ein Prozent- hatten nur Marihuana konsumiert.
Nachdem die Zahlen interpretiert wurden, noch ein paar allgemeine Worte: Natürlich gibt es Menschen, die auf die Inhaltsstoffe des Hanfs allergisch reagieren – dies ist aber äußerst selten der Fall. Raucht man dem Hanf, so ist es fast unmöglich ihn dahingehend zu dosieren, daß er einen in Lebensgefahr bringt. Ärzte und Wissenschaftler kenne eine recht genau Richtlinie, wie sicher eine Droge bzw. ein Medikament ist. Die Bezeichnung LD50 gibt an, wieviel von einer Substanz aufgenommen werden muß, daß sie tödlich wirkt. Der Wert von Marihuana ist dort so hoch, daß man schon ein pakistanisches Hanffeld abgrasen müßte, um über den Jordan zu schweben. Gras ist sehr viel sicherer zu nutzen als beispielsweise Alkohol, Tabak oder Koffein. Paul Hager von der ICLU Drug Task Force (Indiana Civil Liberties Union), eine us-amerikanischen Reformbewegung, nimmt an, daß der Faktor zwischen „stoned“ sein und tödlicher Dosis bei 40 Tausend liegt. Um ins Gras zu beißen, anstatt es nur zu genießen, müßte ein Konsument also 40 Tausend mal so viel wie bei einem normalen Rauscherlebnis aufnehmen. Das dürfte selbst für Hardcore-Kiffer aussichtslos sein. Und J.C. Garriott kam schon 1971 zu der Schätzung, daß 800 Joints inhaliert werden müßten, um das Zeitliche zu segnen.
Cannabiskonsum kann in seltensten Fällen eine Psychose auslösen – wohlgemerkt nur bei denjenigen, die ohnehin psychotisch veranlagt sind. Wie Hans-Georg Behr, Autor des Buches „Von Hanf ist die Rede“, in seiner ihm eigenen Art sagt: „Natürlich, wenn jemand schon in einer Psychose ist und glaubt, er kann sich durchs Kiffen heilen, wird das nicht funktionieren.“
Warum, so kann man sich nun fragen, landen Menschen nach Haschisch oder Marihuanakonsum in der Aufnahme eines Hospitals? Die offensichtlichste und sofort eintretende Wirkung von Cannabis ist eine schnelle Steigerung des Herzschlages. Diese läßt zwar innerhalb einer Stunde wieder nach – der sensible Nutzer reagiert unter Umständen aber panisch auf diesen Umstand und liefert sich den Damen und Herren in den weißen Kitteln aus.
Beeindruckender als die körperlichen werden im allgemeinen die psychischen Veränderungen empfunden. Im Marihuana-Rausch kann es unter anderem zu einer Depersonalisation kommen. Was das ist? Das Lexikon beschreibt dies als
„Zustand der Entfremdung gegenüber dem eigenen Ich und seiner Umwelt.“ Die Handlungen und Erlebnisse des Ich werden wie aus einer Zuschauerrolle beobachtet. Diese Auflösung des Ich kann als angenehm empfunden, aber auch als unerwünschte Wirkung interpretiert werden. Traumartige Sequenzen nehmen bösartige Formen an, Mann oder Frau fühlt sich unwohl, konfus, desorientiert, ja teilweise panisch. Angst (…immer ein schlechter Berater…) schleicht sich in die Psyche ein und vorbei ist es mit den Freuden des Rausches; die Grenzen zur Paranoia sind fließend. Wenn dann kein guter Freund in der Nähe ist, der für eine Stimmungsaufhellung sorgt, hofft man auf professionelle Hilfe. Ob die Neon-Beleuchtung einer Notaufnahme allerdings das richtige Ambiente für ein „Runterkommen“ bietet, wird mit Recht bezweifelt. Es wird vermutet, daß gerade Erstbenutzer des Rauschhanfs mit den ungewohnten Effekten des Krauts nicht umzugehen wissen und eine eher schlechte Abfahrt erleben können. Innere Einstellung (Set) und äußere Einflüsse (Setting) müssen halt stimmen. Die momentan noch immer herrschende Illegalität der Genußsituation beeinflußt Set wie Setting eher negativ.
Jörg Auf dem Hövel
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