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Engelstrompeten und andere Nachtschattengewächse

HanfBlatt, Mai 2004

Fasziniert starrte ich auf die herrliche weisse Blüte umgeben von violettblauer Dunkelheit einen sichtbaren Duft in diese düstere Sphäre ausströmend, der zugleich Botschaft ihrer Potenz, ihrer pflanzlichen magischen Seele zu sein schien. Der ecuadorianische Meister, der dieses schlichte ultimative Porträt einer einzelnen Engelstrompetenblüte gemalt hatte, wusste sehr wohl, welch mächtigen Geistes diese von den indianischen Kulturen mit höchstem Respekt behandelte Wesenheit ist. Die Erinnerung an die Begegnung lebt.

Hyoscyamus Kasbeg Georgien
Hyoscyamus am Kasbeg in Georgien

Auf der anderen Seite des grossen Ozeans regiert in puncto Engelstrompeten anscheinend die Dummheit. Das Sommerloch schreit nach Sensationen. Nachdem mehrere Vergiftungen Jugendlicher durch unvorsichtig und überdosiert eingenommene Pflanzenteile des Stechapfels und der sowohl botanisch als auch vom Wirkstoffgehalt nahe verwandten Engelstrompete bekannt wurden, griffen die Geschichtenverkäufer von BILD bis SPIEGEL und von RTL bis SAT 1 das Thema in gewohnt reisserischer Weise auf. Unter absurden, nichts abgrenzenden, alle Assoziationen offenlassenden Wortschöpfungen wie „Biodrogen“ (Spiegel) oder auch „biogenen Suchtdrogen“ (Der Nervenarzt) wurde die Panikwerbetrommel für das Phänomen des Konsums heimischer Rauschpflanzen, der „Drogen aus dem Blumenbeet“ als „neuer Modedrogen“ der „Pflanzenjunkies“ gedreht. „Ihr Revier: Botanische Gärten!“ (SAT 1) Was im „Pflanzenrausch“ (Medical Tribune) geschieht? Natürlich glauben mal wieder viele sie könnten fliegen (Spiegel). Wahrscheinlich fliegen sie dann in Schwärmen an den Fenstern vernebelter Redaktionsräume vorbei. Besonderes Augenmerk wurde diesmal auf die von unseren Vorfahren in traditionellen Kontexten ehrfurchtsvoll genutzten und seit der Zeit der christlichen Hexenverfolgung als „teuflisch“ denunzierten Nachtschattengewächse gelegt. „Drogenpilze“ fanden diesmal eher beiläufig Erwähnung. Vielleicht weil sie keine guten Garanten für einen „Horrortrip durch Biodrogen“ (SAT 1) sind.

 Büschel-Bilsenkraut-Physochlaina-orientalis
Büschel Bilsenkraut Physochlaina-orientalis, Hamburg 2016

Zu Ehren kam dagegen bei SAT 1 die gute alte Bananenschale, deren angebliche Wirksamkeit ein Gag der kalifornischen Spassguerilla der 60er Jahre war und schon damals wiederlegt wurde. So stand der „akte 2000“-Moderator neben einem Haufen Bananen und faselte davon, „wer es schafft, Bananenschalen zu rauchen, steht vor dem Horror-Trip seines Lebens“. Da fragt man sich doch unwillkürlich, was pfeifen die sich da eigentlich in den Studios rein? Wahrscheinlich zuviel Kaffee…Das wäre ja alles amüsant, wenn es nicht einerseits Leute geben würde, die den propagandistischen Blödsinn, der dort verzapft wird, tatsächlich glauben, und dadurch im Umgang mit diesen Pflanzen und deren Freunden gelinde gesagt verunsichert werden, und andererseits potentielle jugendliche Konsumenten erst neugierig gemacht werden. Die Verteufelung von allem was knallt ausser Alkohol, ist wohlbekannt und funktioniert immer nach demselben Schema. Jugendliche glauben soetwas schon lange nicht mehr. Sie sehen zwischen den Zeilen den neuen kostenlosen Törn. Nur in diesem Fall bestehen tatsächlich vergleichsweise hohe Risiken!

Sechsklappige Datura stramonium Kapsel Schwanheimer Dünen Frankfurt Hoechst November 2008
Sechsklappige Datura stramonium Kapsel, Schwanheimer Dünen, Frankfurt Hoechst, November 2008

 

Vorkommnisse, bei denen Jugendliche unüberlegt viel zu hohe Dosen von tropanalkaloidhaltigen Nachtschattengewächsen eingenommen hatten und halluzinierend und desorientiert in Krankenhäuser eingeliefert wurden, hat es wie gesagt gegeben. Traurig ein Fall, bei dem 1997 ein junger Mann in Frankfurt nach Einnahme von Engelstrompetenblüten  unerkannt von den ebenfalls berauschten und verwirrten Freunden im Main ertrank. Zurecht muss deshalb vor der uninformierten Einnahme dieser bizarren und reizvollen Gewächse gewarnt werden! Zu ihnen gehören die bei uns vielerorts wild gedeihende Tollkirsche (Atropa belladonna; ich habe sie sogar auf  Schul- und Kindergartengeländen gesehen!), das erheblich seltenere Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), der Ödland, Böschungen und Feldraine liebende und bisweilen in grossen Populationen auftretende Stechapfel (Datura stramonium), die selten z.B. in botanischen Gärten angepflanzten, aber im Kräuterpflanzenhandel erhältlichen Alraunen (Mandragora ssp.) und die Tollkräuter (Scopolia ssp.), sowie die überaus prächtigen als Kübelpflanzen sich zunehmender Beliebtheit erfreuenden Engelstrompeten (Brugmansia ssp.) und weitere exotische Stechapfelarten (Datura metel u.a.). Die in zahlreichen Formen mit den unterschiedlichsten Blüten aus den südamerikansichen Anden von Kolumbien und Ecuador stammenden teilweise bis zu mehreren Metern hoch und viele Jahre alt werdenden Engelstrompetensträucher sind wohl die am einfachsten zugänglichen psychoaktiven Nachtschattengewächse. Ihrer Schönheit haben sie es zu verdanken, dass sie an vielen Orten der Welt zur Zierde gepflanzt werden. In manchen tropischen Bergregionen haben sich riesige Populationen verwilderter Pflanzen gebildet, so z.B. auf Bali oder in den südindischen Palani-Bergen. Jungpflanzen werden bei uns im Frühjahr selbst in Supermärkten gehandelt, Samen gibt es in jeder Blumensamenhandlung. In den Gärten sind die Pflanzen ob ihrer Blütenpracht im Spätsommer nicht zu übersehen. Selbst in Kübeln auf dem Kuhdamm nahmen sie passiv an der Love-Parade 1993 teil. Eine sehenswerte berühmte Sammlung sehr alter, grosser und auch fruchttragender Sorten befindet sich in den Herrenhäuser Gärten in Hannover. Das gibts nur einmal…

Gelb blühende Mandragora officinarum, 2016

Was beachten Afficionados, die allen Unkenrufen zum Trotz, darauf beharren, ihre Befindlichkeit durch diese potenten Heilpflanzen zu verändern?

Alle erwähnten Nachtschattengewächse enthalten eine Gruppe von Tropanalkaloiden. Die Mischungsverhältnisse und Konzentrationen dieser psychoaktiven Wirkstoffe schwanken nicht nur zwischen den Arten, sondern auch von Pflanze zu Pflanze und von Pflanzenteil zu Pflanzenteil, teilweise um ein Vielfaches! Dies erschwert eine zielgerechte Dosierung, macht sie aber nicht unmöglich. Bei Analysen von Engelstrompeten waren die Samen am wirkstoffhaltigsten. Die Blüten waren erheblich potenter als die Blätter; aber darauf gibt es keinen Verlass! Es wird also das genau abgewogene getrocknete Rohmaterial zu einem einheitlichen Produkt verarbeitet, also z.B. ein alkoholischer Extrakt oder eine Salbe hergestellt oder das Pflanzenmaterial einfach zu einem einheitlichen Pulver verrieben. Dieses Produkt wird dann in klar abgemessenen Dosierungen eingenommen, äusserlich aufgetragen, geraucht oder geräuchert. Begonnen wird mit möglichst niedrigen Dosen, beispielsweise mit 0,1 Gramm der getrockneten Blätter, Blüten oder Samen oder einem entsprechenden Äquivalent der Zubereitungen.

Die Aufnahme der Wirkstoffe wird stark verzögert, wenn man z.B. ganze Samen schluckt. Sie kommt in der Regel deutlich schneller, wenn man einen Tee oder einen alkoholischen Extrakt trinkt oder etwa die Samen gut zerkaut. Relativ prompt wirkt der inhalierte Rauch. Hat man vorher gegessen, dauert es bis zur Wirkungsentfaltung oral aufgenommener Produkte natürlich länger. Da manchmal mehrere Stunden bis zur Entfaltung der vollen Wirkung vergehen können, übt man sich in Geduld und dosiert auf keinen Fall gleich nach. Sollte die Wirkung zu schwach sein, läßt man sich mehrere Tage Zeit bis zur nächsten Gelegenheit. Überhaupt kann sich die Wirkung der Alkaloide bei wiederholter Einnahme soweit kumulieren, dass eine Dosis überschritten wird, die schliesslich heftigere Reaktionen zur Folge hat, als ursprünglich beabsichtigt und erwartet.

Gelbblühende Hladniks Tollkraut, Scopolia carniolica Jaco. ssp. hladnikiana, aus Slowenien in Hamburg, 2009
Gelbblühende Hladniks Tollkraut, Scopolia carniolica Jaco. ssp. hladnikiana, aus Slowenien in Hamburg, 2009

Unkontrollierbare Rauschzustände mit starken körperlichen Nebenwirkungen und real erscheinenden „echten“ Halluzinationen mit dem Risiko selbst oder andere gefährdenden Verhaltens sind die grösste Gefahr bei Einnahme von Nachtschattengewächsen. Sie gelten dem schlaueren Teil der Nachtschattenfreunde als zu vermeidendes Übel, das allenfalls tränierten Schamanen vorbehalten sein sollte. Andere dagegen suchen aus oft törichter Abenteuerlust diese Zustände und sind auch nicht mit guten Worten davon abzuhalten. Diesen kann man jedoch auf den Weg geben, dass immer mindestens eine erfahrene und kräftige Vertrauensperson mit guten Nerven, sowie sehr viel Zeit und Geduld dabei sein sollte, die die Situation im Auge behalten, auf das Verhalten der Beteiligten, wenn angebracht, mässigenden Einfluss ausüben und notfalls unverzüglich Hilfe herbeiholen kann. Dieser oder diesen Personen gebührt dann entsprechender Dank. Nie sollte man sich allein einem starken Nachtschattentrip hingeben, es sei denn man befindet sich in einer gemütlichen Gummizelle oder sonst einer schützenden Umgebung.

Bevor Nachtschattengewächse eingenommen werden, wird gründlichst überlegt, ob sich die Einnahme in Anbetracht zahlreicher meist als eher unangenehm erlebter Wirkungen überhaupt lohnt. Starke Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, erhöhte Köroertemperatur, trockene Haut, erweiterte Pupillen, dadurch bedingte Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühle, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Schlafstörung, Benommenheit, Koordinationsstörungen, Erschöpfung, Lähmungsgefühle bis hin zur Paralyse und dergleichen gehören zu den Begleiterscheinungen die mit zunehmender Dosis verstärkt auftreten und das Ganze schnell fragwürdig erscheinen lassen. Deliröse Zustände mit düsteren, erschreckenden und zu Fehlverhalten animierenden, nicht kontrollierbaren Halluzinationen bei hohen Dosierungen können das vermeintliche Abenteuer zum Alptraum werden lassen. So eine Vergiftung kann mehrere Tage dauern! Einen derartigen Trip beschreibt z.B. der norwegische Kultautor Ingvar Ambjörnsen („Weisse Nigger“) anschaulich in seinem Roman „Sarons Haut“. Nicht selten treten rückwirkend in Bezug auf den Rauschzustand Erinnerungslücken auf und machen die Erfahrung damit de facto überflüssig und unnötig riskant.

Wilder Wermut Artemisia absinthium am Selim-Pass, Armenien, September 2017
Wilder Wermut Artemisia absinthium am Selim-Pass, Armenien, September 2017

Obendrein können tödliche Vergiftungen vorkommen! Menschen mit gesundheitlichen Problemen wie Herz-Kreislaufstörungen unterliegen einer stark erhöhten Gefährdung. Die Einnahme von Tollkirschen ist auf Grund ihres Wirkstoffprofils in dieser Hinsicht besonders riskant!

Bei hohen Dosierungen oder Dauergebrauch wurden bisweilen anhaltende psychische Störungen beobachtet. Dies ist der Grund, warum in Kulturen mit traditionellen Gebrauchsriten die Einnahme und überwachte Vergabe meist nur sehr erfahrenen schamanischen Heilern vorbehalten bleibt!

Das Problem im Umgang mit den tropanalkaloidhaltigen Nachtschattengewächsen sind letztlich nicht die Heilpflanzen selbst, sondern die durch jahrhundertelange christliche Verfolgung verlorengegangenen risikomindernden Umgangsformen mit diesen hochwirksamen Naturgeschenken. Die richtigen Umgangsformen vorsichtig und respektvoll wiederzubeleben oder auch neu zu erlernen, das ist die Aufgabe, der die Freunde der bewusstseinsverändernden Kräfte der Engelstrompeten, der stechenden Äpfel und der tollen Kirschen gegenüberstehen.

Angeblicher Liebesapfel - die Frucht der Alraune
Angeblicher Liebesapfel – die Frucht der Alraune

Lassen wir zum Abschluss einen gelegentlichen Konsumenten niedriger Dosen psychoaktiver Nachtschattengewächse zu Worte kommen; nennen wir ihn „Larry Lotter“:

„Kleine Mengen, das heisst ein viertel bis ein Blatt vom Stechapfel, der Engelstrompete oder dem Bilsenkraut geraucht oder 5 bis 15 Stechapfelsamen bzw. 1 bis 4 Engelstrompetensamen gut durchgekaut erzeugen bei mir ein Gefühl von etwas stumpfsinniger, aber humoriger Entspannung, manchmal auch eine erhöhte Sinnlichkeit oder einen gewissen magischen unvorhersehbaren Aspekt in der Wahrnehmung, der mit Hanf sehr gut harmoniert und sich potenziert. Nicht umsonst sind Stechapfel und Hanf die Pflanzen des Rauschgottes Shiva. Diese Kombination verstärkt aber auch die Mundtrockenheit und kann eine Art Kater am nächsten Tag bewirken. Man muss sich sehr vorsichtig an die individuell verträgliche Dosis herantasten! Erquicket Euch an dem Anblick dieser faszinierenden Geschöpfe. Lasset Euch von ihrem Duft betören. Lauschet den Engelstrompeten!“

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BUCHTIPS:

Ulrike und Hans-Georg Preisse
„Engelstrompeten. Brugmansia und Datura“
Stuttgart, Ulmer 1997
141 S., geb., Großformat, zahlreiche Farbfotos
ISBN 3-8001-6614-3

Wunderbar illustriertes Grundlagenwerk für jeden an der Züchtung dieser Schönheiten zu Zierzwecken Interessierten.

Monika Gottschalk
„Engelstrompeten. Die schönsten Sorten. Pflegen. Überwintern. Vermehren.“
München, BLV 2000
95 S., zahlreiche Farbfotos
ISBN 3-405-15760-9

Reich illustriertes, liebevoll gemachtes, praxisnahes und preiswertes Einsteigerwerk für den von der Schönheit der Brugmansien Faszinierten. Enthält auch Bezugsquellen.

Atropa Belladonna Tollkirschenblüte
Atropa Belladonna Tollkirschenblüte

 

Frische-Alraunensamen
Frische Alraunensamen

 

 

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Cannabis Psychoaktive Substanzen

Interview mit dem Pharmazeuten Manfred Fankhauser

hanfblatt, März 2004

Haschisch als Medikament

Ein Interview mit dem Pharmazeuten Manfred Fankhauser

Manfred Fankhauser, Jahrgang 63 und seit 1991 Apotheker in Langnau im schönen Schweizer Emmental, hat die bis dato beste Arbeit über die Geschichte von „Haschisch als Medikament“ in der westlichen Medizin geschrieben. Diese 1996 an der Universität Bern abgegebene Dissertation kann man jedem an der Pharmaziehistorie von Cannabis Interessierten nur wärmstens empfehlen. Beeindruckend allein die natürlich für weitere Forschungen offenen Listen der verwendeten Literatur und Pharmakopöen, sowie der einst im Handel befindlichen Cannabiszubereitungen und -präparate. Fankhauser ist obendrein in der international tätigen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) aktiv. Das Thema lässt ihn also nicht los. Gründe genug, ihm einmal ein paar Fragen zu stellen.

Hanfblatt: Wenn man Ihr Buch „Haschisch als Medikament“ liest, wird einem deutlich, dass sowohl die Cannabisforschung als auch Cannabispräparate im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in der westlichen Medizin spielten. Wodurch erklärt sich dieser damalige „Cannabisboom“?

Fankhauser: Der Cannabisboom kam folgendermassen zustande: Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann man sich in Europa für indischen Hanf zu interessieren, nachdem der in Indien stationierte englische Arzt William B. O’Shaughnessy eine Studie veröffentlichte, welche zeigte, dass Cannabispräparate bei verschiedensten Krankheiten halfen. In der Zeit zwischen 1880 und 1900 waren Hanfpräparate sehr populär, weil Hanf bei diversen Krankheiten erfolgreich half und es noch wenig andere wirksame Arzneimittel gab.

Hanfblatt: Für welche Indikationen wurden Cannabispräparate besonders angepriesen und für welche besonders gerne genommen?

Fankhauser: Die wichtigsten waren: Asthma, Migräne, Schlafstörungen, krampfartige Schmerzen und Hühneraugenmittel. Insbesondere die Hühneraugenmittel waren noch weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr beliebt.

Hanfblatt: Welches waren die erfolgreichsten bzw. bekanntesten Präparate der Zeit?

Fankhauser: Einerseits waren es Halbfabrikate wie das „Cannabin tannicum MERCK“, welche in Apotheken zu Fertigpräparaten weiterverarbeitet wurden oder aber offizinelle, das heißt in den offiziellen Arzneibüchern vorkommende Zubereitungen wie Hanftinkturen (Tinctura cannabis indicae) oder Hanfextrakte (Extractum cannabis indicae). Daneben waren auch industrielle Fertigpräparate wie das Schlafmittel „Bromidia“ (ein Mischpräparat) oder diverse cannabishaltige Asthmazigaretten recht populär.

Hanfblatt: Ist aus dieser Ära in Europa lange vor der Hanfprohibition etwas über einen Gebrauch oder Missbrauch psychoaktiver Hanfzubereitungen als Rausch- oder Genussmittel bekannt?

Fankhauser: Hanf zu Rauschzwecken war in der Zeit als Hanf als Arzneimittel gebraucht wurde, praktisch unbekannt. Wohl lagen Berichte aus anderen fernen Ländern (zum Beispiel Ägypten und Indien) vor, wo man wusste, das Cannabis auch zur Berauschung diente. Ein Problem zu dieser Zeit war aber die Variabilität der Hanfpräparate; es kam vor, dass beispielsweise eine Hanftinktur hochwirksam oder aber auch praktisch nicht wirksam war.

Hanfblatt: Wer waren damals die aus heutiger Sicht wichtigsten Forscher in Sachen Hanf als Medizin?

Fankhauser: Der erwähnte englische Arzt William B. O’Shaughnessy (1809-1890), der französische Psychiater Jacques Joseph Moreau de Tours (1804-1884), die Deutschen Georg Martius und Carl Damian Ritter von Schroff (1802-1887). Wichtig waren auch die Arbeiten von Ernst Freiherr von Bibra (1806-1878), der 1855 das epochale Werk „Die narkotischen Genussmittel und der Mensch“ veröffentlichte, und vor allem diejenige von Bernhard Fronmüller aus dem Jahr 1869 („Klinische Studien über die schlafmachende Wirkung der narkotischen Arzneimittel“), für die er an eintausend Patienten Cannabis indica auf schlaffördernde Wirkungen testete. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren es vor allem Franzosen und wenig später auch Schweizer Universitäten, insbesondere die Universität Bern, welche bis heute eine grosse Tradition in der medizinischen Hanfforschung aufrecht erhält.

Hanfblatt: Was waren die Gründe für das praktisch vollständige Verschwinden von Cannabispräparaten aus der medizinischen Praxis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts?

Fankhauser: Es gab verschiedene Gründe. Erstens die medizinische Entwicklung, das heißt es kamen neue, „bessere“ Medikamente (zum Beispiel synthetische Schmerzmittel wie das Aspirin oder die Wirkstoffgruppe der Barbiturate, welche vor allem als Schlafmittel Verwendung fanden) auf den Markt, welche die Cannabispräparate stark konkurrenzierten. Zweitens die pharmazeutische Instabilität: Wie oben angetönt, war die unterschiedliche Wirksamkeit der Präparate lästig. Drittens rechtliche Einschränkungen: Durch die immer restriktivere internationale Gesetzgebung wurde die Verwendung der Cannabispräparate immer mehr eingeschränkt. Viertens wirtschaftliche Aspekte: Bedingt durch die beiden Weltkriege wurde die Einfuhr von indischem Hanf stark erschwert, beziehungsweise verteuerte sich massiv; zudem ging die Nachfrage nach indischem Hanf durch die gerade erwähnten Gründe zurück.

Hanfblatt: In den letzten Jahren ist nicht zuletzt durch die Entdeckung der körpereigenen Endocannabinoide und Cannabinoidrezeptoren das Interesse an Hanf und seinen Wirkstoffen als Heilmittel neu erwacht. Was kann die gegenwärtige medizinische Cannabisforschung aus der Pharmaziegeschichte lernen?

Fankhauser: Interessanterweise bestätigen die heutigen modernsten Forschungsergebnisse vielfach die bereits seit langem bekannten Anwendungen. Im Weiteren gibt der riesige nicht nur kulturhistorische sondern auch medizinhistorische Hintergrund der Pflanze zusätzliche Sicherheit in der Therapie.

Hanfblatt: Wo liegt die Zukunft von Cannabis als Medizin?

Fankhauser: Ich denke es geht in zwei Richtungen. Zum einen die moderne Cannabisforschung, welche sich mit Rezeptoren und detaillierten biochemischen Vorgängen beschäftigt, das heißt die Pflanze beziehungsweise das THC wird als Modellsubstanz genommen, aber das verwendete Medikament hat mit der Ursprungspflanze eigentlich nicht mehr viel zu tun. Auf der anderen Seite die direkte Verwendung der Pflanze, sei es als Tinktur, als Tee, als Öl, als Inhalation und so weiter. Diese Anwendungsformen haben auch einen starken Bezug zur Volksmedizin.

Hanfblatt: Behindert die Cannabisprohibition die Entwicklung und Verschreibung von Medikamenten auf Cannabisbasis in unnötiger Weise? Ist die Cannabisprohibition aus Ihrer Sicht nach heutigem medizinischen Kenntnisstand überhaupt noch zu rechtfertigen?

Fankhauser: Nein, meiner Meinung nach auf keinen Fall. Müsste Cannabis als Heilmittel nicht den drogenpolitischen Rucksack mittragen, wären Hanfmedikamente schon längst wieder geschätzte Arzneimittel. Ich würde mir wünschen, dass man das vielfältige Wirkspektrum dieser Arzneipflanze vorbehaltlos beurteilen könnte, dann stände einer Wiedereinführung von Cannabis in die Therapie wohl nichts im Wege.

az

Das Buch:

Manfred Fankhauser
„Haschisch als Medikament.
Zur Bedeutung von Cannabis sativa in der westlichen Medizin.“
332 Seiten
ISBN 3-9520758-9-2
veröffentlicht 2002 durch SGGP/SSHP
c/o Schweiz. Apothekerverein, Stationsstr. 12, CH-3097 Liebefeld BE

oder am einfachsten
zu 47,- SFr (31,- Euro) plus Versandspesen (Vorkasse) direkt vom Autoren:
Manfred Fankhauser
Dorfstr. 2
CH 3550 Langnau
Schweiz
fankhauser@panakeia.ch

 

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Schlafmohn – Papaver somniferum

Eine alte Nutzpflanze

HanfBlatt 3/2004

Assoziiert mit Schlaf, Traum und Tod, betäubungsmittelrechtlich strengstens verboten, wie sonst nur die exotische Kokapflanze oder der geliebte Hanf, gedeiht der Schlafmohn (botanisch Papaver somniferum) alle Sommer wieder in bundesdeutschen Gärten. Begeben wir uns nur einmal auf ein simples Schlafmohn-Spotting, so entdecken wir die Drogenpflanze als illegale Zierpflanze prächtig gedeihend in zahlreichen Gärten, ob in Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen oder Bayern. Eine Kleingartensiedlung in Lüneburg verblüffte letztes Jahr dadurch, da§ praktisch jeder zweite Garten mitmachte und selbst der Kinderspielplatz mit Schlafmohn eingefriedet worden war. Verwildert finden wir ihn am Ostseesteilufer und an Böschungen in Autobahnnähe ebenso wie in einem Botanischen Garten, wo er sich über weite Areale verbreitet hat. Die frisch geschnittenen grünen Kapseln wurden von Floristen auf dem Kuhdamm in Berlin oder auf Märkten in Frankfurt verkauft. Getrocknete, noch unbehandelte (das heißt noch nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, mit Essigsäure extrahierte und des Morphins beraubte) aber oftmals in ihren Herkunftsländern bereits geritzte Köpfe, werden nach wie vor zu Dekozwecken oder in der Friedhofsgärtnerei zur Winterszeit angeboten.Die Samen wurden, obwohl der Anbau strengstens verboten ist, in offiziellen Samentütchen am Münchner Viktualienmarkt gehandelt. Sie sind auch, oft noch gut keimfähig, als Gewürz und zum Backen erhältlich.

Kaum jemand scheint sich der Strenge des Schlafmohnverbotes bewusst zu sein. Es ist ein Verbot, das praktisch nicht durchgesetzt wird. Viele Normalbürger könnten über die Durchsetzung dieses absurden Gesetzes kriminalisiert werden. Ein Spaß, der die ein oder andere Anzeige vielleicht wert wäre. Aber Scherz beiseite: Ziel sollte natürlich die Entkriminalisierung des Umgangs mit diesem über Jahrtausende die Menschheit begleitenden Attributes der Hera und der Aphrodite sein.

Der Schlafmohn ist eine wunderschöne einjährige Blume, nicht zu verwechseln mit dem wildwachsenden roten Klatschmohn (Papaver rhoeas) und dem mehrährigen zur Zierde angepflanzten orange oder rotblühenden Türkenmohn, auch Orientalischer Mohn (botanisch Papaver orientale oder Papaver bracteatum) genannt. Diese enthalten kein Morphin oder ähnlich begehrte Alkaloide.

Schlafmohn ist in unserem Klima tatsächlich leicht zu ziehen, sogar auch in Mittelgebirgslagen. Er benötigt viel Sonne, aber weniger Hitze. Zu Beginn des Wachstums wird Phosphor benötigt, Stickstoff später. Düngung erwies sich als ertragssteigernd. Er wird meist im April leicht bedeckt in wärmeren, nährstoffreichen Boden in gutem Humus- und Kulturzustand gesät und benötigt zur Keimung ein bis zwei Wochen. Zum Keimen und im frühen Wachstumsstadium ist ausreichend Feuchtigkeit erforderlich, zur Blüte weniger, zur Kapselentwicklung noch weniger und zur Reife Trockenheit. Die Keimlinge werden ausgedünnt durch Auszupfen der Nachzügler, sobald sie sich gegenseitig bedrängen, damit sich lieber weniger Pflanzen zu ausreichender Größe entwickeln können, als dass viele Pfänzchen mickrig bleiben. Auch Unkraut wird entfernt. Krustenbildung des Bodens wird durch Hacken verhindert. Die Blüte erfolgt meistens Ende Juni, Anfang Juli, kann sich im Einzelfall bei großüchsigen Sorten auch bis Anfang August rauszögern. Die Knospen richten sich erst kurz vor der Blüte auf und öffnen sich ziemlich abrupt. Schon nach ein bis zwei Tagen fallen die Blüenblätter ohne zu Welken ab. Die Blüte des Mohnbestandes zieht sich vielleicht ein bis zwei Wochen hin, abhängig von der Zahl der Seitentriebe. Die Kapseln reifen in etwa vier bis sechs Wochen aus.

Der Schlafmohn blüht weiß, violett, rot oder in Mischungen dieser Farben. Seine Blüten sind einfach, geschlitzt oder gefüllt. Manche Sorten bilden nur zwei bis drei Bläten und Köpfe aus, manche vier bis sechs und mehr. Die Mohnköpfe oder Samenkapseln sind rund, tonnenförmig, birnenförmig oder länglich geformt. Eine besonders kuriose Form wird „Henne mit Küken“ genannt und weist an jeder großen Kapsel zahlreiche kleine Seitenableger auf. Es gibt zwergwüchsige Pflanzen, aber auch Exemplare mit einem Blütendurchmesser bis 16 cm und einem Höhenwachstum bis 140 cm. Es gibt frühreifende Sorten mit einer Vegetationsdauer von etwa 90 Tagen, aber auch spätreifende. Die schmackhaften Samen sind bläulich, grau, wei§ oder bräunlich gefärbt. Es gibt eine Variante, deren Kapseln sich beim Trocknen öffnen, so da§ die Samen herausrieseln, der sogenannte Schöttmohn. Logischerweise beliebter ist die geschlossen bleibende Variante, der Schließmohn.

Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien - Kopie
Schlafmohn in Bran bei Draculas Schloss Transsylvanien

 

In vielen Ländern wird der Schlafmohn nämlich in erster Linie wegen der leckeren nahrhaften Samen angebaut, die wir von Mohnbrot, -brötchen, kuchen, -pudding usw. kennen. Selbst wenn die getrockneten Mohnköpfe zur Alkaloidextraktion (Morphin und andere) oder das Ritzen zur Opiumgewinnung im Vordergrund stehen, bilden die Samen ein begehrtes Nebenprodukt. Sie enthalten etwa 45 bis 50 % eines hochwertigen (Speise-) Eis , au§erdem knapp 25 % Proteine mit fast allen wichtigen Aminosäuren außer Tryptophan, au§erdem Kohlehydrate und Mineralstoffe, insbesondere Calcium (5-6%) und Eisen (0,8-0,9%), sowie Spuren von Alkaloiden, die einen empfindlichen Urintest opiatpositiv erscheinen lassen können.

Aber zurück zu den sortenabhängigen erblichen Eigenschaften des Schlafmohns. Sie sind Ausdruck der Zucht durch den Menschen. Auch der maximale Wirkstoffgehalt, insbesondere der des Morphins, scheint genetisch vorgegeben zu sein. Seine Ausprägung unterliegt aber stark den klimatischen Bedingungen und Umweltfaktoren unter denen der Schlafmohn wächst. So ist der Morphingehalt beispielsweise in warmen Sommern höher. Regen während der Kapselreife verringert ihn. Hierzu wurden in den Fünfziger und Anfang der Sechziger Jahre in der ehemaligen DDR und anderen Ostblockländern eine Reihe von Studien durchgeführt.

Was vielen Menschen nicht bekannt ist, ist die Tatsache, daß auch der bei uns in Deutschland gedeihende Mohn ein hochwertiges Ritzopium liefern kann. Es wurden bei Anbauversuchen in Deutschland zwischen 7 und 30 mg getrocknetes Rohopium (4% Wassergehalt) pro Kapsel geerntet mit einem durchschnittlichen Morphingehalt von 15,5 %!. Bei anderen Versuchen waren Gehalte zwischen 16 und 20 % Morphin (bei Spitzen um die 22 %) nicht ungewöhnlich. Unverschnittenes Schwarzmarktopium aus den bedeutsamen Schlafmohnbauländern (Goldener Halbmond, das hei§t Afghanistan, Pakistan und Nachbarländer, Goldenes Dreieck, was für Burma, Laos und Thailand steht, Libanon, sowie Mexiko und Kolumbien) enthält oft nur vergleichsweise niedrige Gehalte von deutlich unter 12 %. Aus dem Großteil dieses Opiums wird allerdings Morphin extrahiert und auf chemischem Wege in Heroin umgewandelt, für das ein viel größerer Markt besteht. Nur wenig Schwarzmarktopium gelangt zum Beispiel durch iranische Geschäftsleute oder direkt aus Afghanistan oder über Ru§land nach Deutschland. Wenn es mal erhältlich ist, werden Preise zwischen 10 und 20 DM, teilweise hoch bis 40 oder gar 70 DM pro Gramm verlangt und auch bezahlt. Es hat einen erstaunlich guten Ruf, selbst bei Leuten, die von sich behaupten, Heroin niemals anrühren zu wollen. Die auch dem Konsum von Opium inhärenten Risiken, insbesondere das tödlicher Überdosierung und das einer Abhängigkeitsentwicklung, rechtfertigen eine mythische Höherstellung des Opiums nicht.

Zur Opiumgewinnung werden die ausgewachsenen noch grünen Kapseln, frühestens nach acht bis zehn Tagen, in unseren Breiten eher zwei bis drei Wochen nach Abfallen der Blütenblätter oberflächlich so geritzt, dass möglichst viele der in Kettengruppen im Parenchymgewebe der grünen Kapseln konzentrierten Milchröhren angeschnitten werden und der wei§e Milchsaft austreten kann, ohne dass er ins Innere der Kapsel fließt und damit verloren geht und auch die Samenernte beeinträchtigt. Deshalb sind dickwandige Kapseln für das Opiumritzen besser geeignet. Dafür werden Messser mit rasiermesserscharfen Klingen verwendet und eine wohlgelernte Ritztechnik. Den richtigen Erntezeitpunkt zu erkennen ist eine auf Erfahrungswerten beruhende Kunst für sich. Geritzt wird üblicherweise nachmittags und zwar senkrecht, waagerecht oder spiralförmig. Kurze Schnitte werden bevorzugt, wenn mehrmals geritzt werden soll, lange umfassende Schnitte bei einmaliger Ritzung. Der Ertrag und der Morphingehalt der folgender Ritzungen verringern sich. Der austretende noch dünnflüssige Milchsaft kann gleich eingesammelt werden, um ihn vor Regen, Licht und Hitze geschützt zu trocknen. 1 Gramm frische Milch ergab im experimentellen Anbau bei Darmstadt etwa 0,34 g getrocknetes Opium. Oder man lässt den Milchsaft über Nacht dickflüssig und braun werden, um ihn dann am nächsten Morgen mit einem stumpfen Werkzeug abzuschaben und in ein Gefäß oder auf einem Mohnblatt für die weitere Verarbeitung und Trocknung abzustreifen.

Wie arbeitsaufwendig die Opiumernte ist, zeigen Versuche in der ehemaligen DDR. Eine Person konnte in einer Stunde durchschnittlich 200 Kapseln ritzen und nur 100 Kapseln abschaben. Bei einem Ertrag von etwa 40 bis 50 mg noch recht wasserhaltigen Opiums (20 bis 30 %) pro Kapsel wurde eine für die Gewinnung von 100 Gramm Rohopium erforderliche Arbeitsleistung von 31 Stunden errechnet. In der sogenannten Dritten Welt wird da wohl fixer gearbeitet und zwar für viel weniger Lohn. So rentiert sich die Opiumgewinnung zu medizinischen Zwecken bei uns schon lange nicht mehr, und wir profitieren mal wieder von der Armut der anderen. (Was die Opiumgewinnung für medizinische Zwecke betrifft, ist Indien der Hauptlieferant.)

Welche Teile der Pflanze enthalten Morphin?

Die gesamte Pflanze enthält Morphin. Dieses konzentriert sich in den Milchröhren der Pflanze, die sich wiederum besonders dicht in den oberen Pflanzenteilen, insbesondere in den Wänden der durchschnittlich etwa 3 bis 4 cm hoch werdenden Kapseln entwickeln. So weisen der obere Stengelabschnitt und die ausgewachsenen noch unreifen grünen oder bereits gereiften braunen Kapseln den mit Abstand höchsten Morphingehalt auf. Nach der Samenreife fand man 70 % des in der ganzen Pflanze enthaltenen Morphins in den von den Samen befreiten Kapseln. In den getrockneten Schlafmohnkapseln wurde Morphin abhängig von Sorte, Anbaubedingungen und Pflanzenindividuum mit einem Anteil zwischen 0 und 1,7 % ermittelt, eine enorme Spannbreite, die Dosierungen schwierig, mitunter sogar lebensgefährlich macht! Typisch war eine Spanne zwischen 0,1 und 0,8 %, mit einer Ballung bei 0,2 bis 0,4 %. Wie gesagt, gibt es aber auch Varietäten mit einem ganz niedrigen Morphingehalt und solche mit einem Gehaltsmaximum von 1% oder mehr!

Auch die Kapselgröße ist stark schwankend. Mag der Durchschnitt des Gewichts der leeren Kapseln bei 1,5 bis 3 Gramm liegen, so wurden doch in einzelnen Kapseln Morphinmengen zwischen 0 und 38 mg analysiert, eine unabschätzbare Variationsbreite, die bei Selbstversuchen fatale Folgen haben kann.

Für jemanden, der Morphin nicht gewohnt ist, sind bereits 10 mg (0,01g) eine kräftige, 30mg eine starke und über 100 mg eine möglicherweise lebensgefährliche, 300 bis 400 mg eine mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Dosis! Dies sollten Experimentierer, die sich trotz Verbotes über die Pflanze hermachen, bedenken.

Sowohl Opium als auch der getrocknete Schlafmohn enthalten außer dem im Jahre 1806 von Friedrich Sertürner isolierten Morphin zahlreiche weitere Alkaloide, insgesamt etwa 25, die ihren Anteil an der Gesamtwirkung haben, so dass diese nicht mit der des reinen Morphins identisch ist und durchaus spŸrbaren Schwankungen unterworfen sein kann.

Die im Schlafmohn produzierten Alkaloide bilden die Grundlage einer Unzahl wertvoller Medikamente. Morphin ist zweifellos das bekannteste unter ihnen. Es machte Opium über Jahrtausende hinweg zum stärksten Schmerzmittel. Opium hat unendlich viel Schmerz und Leid gelindert und ist insofern ein echtes Geschenk der Götter. Auf der anderen Seite wurde es aber auch zum Inbegriff für Sucht und körperliche Abhängigkeit, die sich bereits nach wenigen Wochen täglichen Konsums einstellt. Bemerkenswert ist bei täglicher Einnahme die Entwicklung einer Toleranz für Einzeldosen, die einen Experimentierer umbringen würden. Nach Entzug verschwindet die Toleranz wieder, eine erhöhte Sensibilität tritt auf. Das Risiko einer tödlichen Überdosis durch Fehleinschätzungen erhöht sich. Der Entzug nach täglichem missbräuchlichen Opiatkonsum wird körperlich und psychisch umso anstrengender, je länger und umso höher dosiert konsumiert wurde.

Morphinentzug

Gähnzwang, Niesen, Ängstlichkeit, Opiatgier, Schwitzen, Tränenflu§, Unruhe, Schlaflosigkeit, schließlich Pupillenerweiterung, Gänsehaut, Zittern, Glieder-und Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe, Hitzewallungen, Appetitlosigkeit, dann Steigerung der Herzschlagfrequenz, Blutdruckanstieg, Fieber, †belkeit bis hin zum Erbrechen, Durchfall, das Ganze begleitet von innerer und motorischer Unruhe und Getriebenheit bis hin zu Zwangsvorstellungen, eine seelische Empfindlichkeit und Konfrontation mit dem, was mehr oder weniger lange unterdrückt wurde, mit der eigenen beschissenen Lebenssituation und verdrängten Gefühlen, prägen den Entzug, der etwa sieben Tage umfasst. Je schlechter die Zukunftsperspektiven, desto sinnloser erscheint der Entzug. Nach dem Entzug kann es manchmal noch Monate der Lustlosigkeit, inneren Leere und Depressivität dauern, bis sich wieder ein inneres Gleichgewicht herstellt. Ein Entzug sollte immer vorher mit einem Arzt abgesprochen werden. Es können lebensbedrohende Komplikationen auftreten. Eine schützende und pflegerisch kompetente Umgebung kann hilfreich sein.

schlafmohnpostkarte
In Deutschland werden Morphinpräparate zur Linderung starker Schmerzen, wie zum Beispiel bei Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium, nur sehr zurückhaltend verschrieben. In Dänemark werden etwa 15 mal soviel Morphinpräparate zu diesem Zweck verschreiben. Es kursiert noch immer das Schreckgespenst der Sucht und angeblicher Lebensverkürzung durch Opiate und Opioide durch die Reihen der deutschen Ärzteschaft. Dabei könnte über die Linderung körperlicher Schmerzen psychisches Leid verringert und damit zusammenhängende körperliche Beschwerden beseitigt werden. Zum Deutschsein scheint Leiden irgendwie dazuzugehören. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Drogenexperimentierer nehmen zunächst nur geringe Dosierungen, zum Beispiel 0,1 Gramm des zähen, klebrigen charakteristisch pflanzlich-süßlich riechenden Opiums oral oder den (zur Erhöhung der Löslichkeit des Morphins eventuell angesäuerten) Tee aus 2 bis 6 Gramm der in Viertel geschnittenen und möglichst schnell getrockneten Mohnköpfe. Sie beschränken die Einnahme auf wenige Gelegenheiten. Beim Rauchen des Opiums, das auf dem Prinzip des Verkochens der Wirkstoffe basiert, werden grö§ere Mengen verbraucht. Der Kurze mit der Inhalation zusammenhängende Törn verführt bisweilen zum exzessiven Gebrauch.

Abhängige könnten sich durch höhere Dosierungen aus eigener Ernte selbst versorgen. (Es lässt sich schwer sagen, wieviel Anbaufläche zur Versorgung eines abhängigen Opiatgebrauchers erforderlich wären. Es kursiert beispielsweise die Zahl von einem maximalen Opiumertrag von 8 kg pro Hektar. Bei einem durchschnittlichen Morphingehalt von 12 % würde dies 1 kg Morphin entsprechen. Aus der noch grün getrockneten Gesamtpflanze liessen sich auf industriellem Wege etwa 8 kg Morphin extrahieren, aus den Mohnköpfen und den oberen 10 cm Stengel etwa 4,3 kg.) Die schwere Einschätzbarkeit der Dosierung macht die Selbstversorgung allerdings zu einem riskanten Unterfangen. Auch durch Schlafmohntee hat es bei uns bereits Todesfälle gegeben!

Wie wirkt nun Morphin als der wichtigste Inhaltsstoff des Opiums? Er wirkt schmerzlindernd, das heißt der unangenehme Charakter vorhandener Schmerzen schwindet, verstopfend, pupillenverengend, hustenreizstillend, herzschlagverlangsamend und atemverflachend bis hin zum Atemstillstand, der bei fehlender künstlicher Beatmung oder sofortiger Zufuhr eines Opiatantagonisten die typische Todesursache einer reinen Opiatüberdosis darstellt. Zusätzlicher Konsum von Alkohol, Benzodiazepinen (Valium, Rohypnol usw.), Barbituraten (Speda u. dergl.) erhöht das Risiko gefährlicher vielleicht tödlich endender Komplikationen. Ü †belkeit bis hin zu Erbrechen treten bei gelegentlichen Gebrauchern und höheren Dosierungen häufig auf. Auch Appetitminderung, Verengung der Magen- und Darmschließmuskeln, sinkende Körpertemperatur, Juckreiz, Schweißausbrüche, Harnverhaltung, Muskelentspannung, Schwindel, Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufabsturz gehören zum Wirkungsspektrum. Aber für den Konsumenten entscheidender ist die sedativ-hypnotische Wirkung, das matte Wegdämmern zwischen Wachen und Schlaf kombiniert mit einem wohlig-warmen fliessenden Körpergefühl bei oberflächlicher Betäubung der Haut und einer zu Ängsten und Sorgen distanzierten emotionalen Gleichgültigkeit bis hin zu abgehobener Euphorie.

Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien
Flammende Schlafmohnschönheit Moldovita Rumänien

 

Manch eine(r) fühlt sich unter Opiaten erst „normal“, kann sich vielleicht zum ersten mal selbst ertragen. Wenn man die Wirkung so empfindet, sollten, glaube ich, die Alarmglocken schrillen. Wenn Mensch es nicht anders lernt, mit sich selbst liebevoller umzugehen, ist Mensch gefährdet, die Droge in abhängiger Weise zu konsumieren. Schlauer ist sowieso, wer die Finger von Opium und Opiaten völlig lässt. Das Denken bleibt unter Opium relativ klar. Mancheiner driftet ins Träumerische ab. Dies ist aber keineswegs die Regel. Der schwülstige Opiumtraum ist eher die Ausnahme und wohl nicht mehr ganz zeitgemäß. Heute schaltet man eher die Glotze an und lässt sich berieseln. Die Kombination mit Cannabis fördert die Phantasie, intensiviert den Rausch, verstärkt aber auch den Zugang zu eventuell vorhandenen Ängsten.

Die Sexualität ist während der Wirkung besonders bei dauerhaftem Konsum eher gehemmt, kann aber besonders in Kombination mit anderen Zutaten (Stechapfel, Brechnuss, Cannabis, Gewürze, nach dem Prinzip der „Orientalischen Fröhlichkeitspillen“,) und nur ausnahmsweisem Gebrauch im besonderen Setting lustvoll gestaltet werden.

Oral eingenommenes Opium oder Schlafmohntee beginnen erst nach vielleicht einer halben bis einer Stunde zu wirken. Es folgt ein Törn der Wirkungssteigerung. Die gesamte Wirkdauer beträgt etwa 4 bis 6 Stunden. Hohe Opiumdosen wirken länger, gerauchtes Opium erheblich schneller und kürzer. Ein Hang over mit Mattigkeitsgefühlen am nächsten Tag ist nicht ungewöhnlich.

Insgesamt steht Opium für mich eher für, wenn auch wohligen, Leerlauf, Stagnation, Isoliertheit, Vormichhindümpeln, Warteschleife, Ruhigstellung, also nicht gerade das, was ich mir für mein Leben wünsche. Aber jedem, wie er oder sie es gerade braucht.

Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien
Schlafmohn im Paradiesgarten Moldovita Rumänien

Einen Feldzug gegen eine Pflanze und die Menschen, die letztlich eigenverantwortlich damit umgehen, zu führen, ist nicht nur absurd, sondern hat fatale Folgen, wie die gescheiterte Repressionspolitk nur zu offensichtlich zeigt. Die Kriminalisierung der OpiatgebraucherInnen hat maßgeblich zur Verelendung und zur Verbreitung von Krankheiten wie chronischer Hepatitis und AIDS unter einer großen Zahl von Menschen beigetragen, die genau wie wir alle ein Recht darauf haben, menschenwürdig behandelt zu werden und selbstbestimmt zu leben. Sie brauchen dieses Recht nicht erst durch abstinentes und angepasstes Verhalten zu erwerben, wie es in der Gründungserklärung der Selbsthilfeinitiative JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) heißt.

 

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Mimi und der Kifferwahn – Anti Marihuana Krimis der 50er Jahre

HanfBlatt Nr.81, Jan/Feb 2004

Anti-„Marihuana“-Krimis der 50er Jahre

Ohne Krimi ging die Mimi bekanntlich nie ins Bett. Zu einer spannenden Bettlektüre gehörte ein Cocktail aus Sex and Crime, gerne mal gewürzt mit einer kräftigen Prise Rauschgift. Populäre Unterhaltungsromane spielten schon immer eine wegen ihrer hohen Reichweite nicht zu unterschätzende Rolle bei der Verbreitung rassistischen, sexistischen und drogenfeindlichen Gedankenguts. In ihnen ging es nicht um von unterschiedlichen Menschen bevorzugte Genußmittel, sondern um das dämonische „Rauschgift“ (in den Zwanziger Jahren in erster Linie Opium, Morphium und Kokain). Nach dem Zweiten Weltkrieg betrat aus dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten kommend ein neuer Kandidat das Parkett: „Marihuana“. Den in der Nazi-Zeit gleichgeschalteten und von „Volksschädlingen“ bereinigten Deutschen, war der Übergang in den demokratischen Kapitalismus von US-Gnaden sehr entgegengekommen. Die Anslinger´sche Anti-Marihuana-Propaganda wurde ungeprüft in Fachliteratur, Zeitschriften und Romane übernommen. Im Wirtschaftswunderländle ließ es sich beim Schmökern ob der fremden Rauschgiftseuche angenehm schaudern.

Bereits 1951 erschien in der Westernkrimi-Reihe „Conny Cöll der Wunderschütze“ von K. Kölbl ein Heft unter dem Titel „Marihuana“. Im Vorspann heißt es: „Was ist Marihuana? Schätzungsweise zwanzig Millionen Menschen in aller Welt sind in den letzten Jahren Sklaven des mexikanischen Rauschgiftes „Marihuana“ geworden. Dieses sogenannte „Blonde Gift“ lähmt nach seiner ersten anregenden Wirkung sehr bald jeden moralischen Widerstand seiner Opfer und in grauenhaft kurzer Zeit werden die Süchtigen zu Verbrechern und Dirnen, zu Amokläufern des Verkehrs und zu ständigen Insassen der zahlreichen Irrenhäuser.- So harmlos das Rauschgift in seiner pflanzlichen Form auch ist, so zerstörend und so furchtbar sind seine Folgen. In seiner Wirkung ähnelt Marihuana dem orientalischen Haschisch, ist aber weit gefährlicher und nervenzerrüttender als dieses.“ In diesem Tonfall geht es weiter: „Nach Ansicht der amerikanischen Polizei ist ein großer Prozentsatz aller Verkehrsunfälle, Gewalttaten und Sittlichkeitsverbrechen auf das Schuldkonto dieser Giftpflanze aus Mexiko zu setzen.-“ Und. „Die Süchtigen können ohne dieses Gift nicht mehr leben. Der Körper verlangt immer mehr davon. Die Folgen aber sind verheerend. Das Gift zersetzt den Organismus, lähmt verschiedene Nervenbahnen. Und der Endeffekt: Verbrechen – Dahinsiechen – Wahnsinn – Selbstmord!- -Unsere Folge Nummer 12 schildert, wie der Wunderschütze Conny Cöll den ersten Großverbrecher, Duff Garson, der die damals unbekannte Giftpflanze Marihuana in die Staaten schmuggelte, zur Strecke brachte.“

Dass der gegen Minderheiten gerichtete Nazi-Jargon in der Verteufelung der Drogen und derer, die mit ihnen umgehen, eine akzeptierte Fortsetzung fand, belegt folgende Passage (S. 29f): „Dem G-Man fiel sofort der feine, süßliche Geruch auf, der ihm entgegenströmte. Ein plötzlicher Gedanke durchfuhr ihn. Sollte er vielleicht jener vielgenannten Lasterhöhle auf der Spur sein, von der auch Oberst Sinclair sprach, als er ihm den Auftrag übermittelte, dieses Rauschgiftzentrum mit Stumpf und Stiel auszurotten. Wenn Oberst Sinclair von „Ausrotten“ sprach, dann mußte es etwas außerordentlich Gefährliches und Verbrecherisches sein, denn der Chef der G-Abteilung der Geheimen Nordamerikanischen Bundespolizei war sparsam mit solchen Ausdrücken.- Ausrotten! – Dieses Wort gefiel ihm, dieses Wort war Balsam für die Seele Conny Cölls. Bei diesem Gedanken mußte er unwillkürlich lächeln. Ausrotten! Dieses Wort gefiel ihm sogar außerordentlich.“ und wenig später: „im dritten Raum sah er nichts als schlafende Menschen. – Süchtige, mit diesem Teufelszeug aus Mexiko vergiftete Menschen. Ein maßloser Ekel stieg in Conny Cöll hoch und eine plötzliche Wut gegen den Urheber dieses menschlichen Viehstalls, Duff Garson, überkam ihn. Er wußte, daß diese Menschen für das normale Leben verloren waren, daß sie einem langen, furchtbaren Siechtum entgegengingen und in diesem Moment verstand er die Worte des Obersten Sinclair: Ausrotten mit Stumpf und Stiel!“ Natürlich muß Duff Garson sterben. Dem Rest der „Marihuana“-Schmugglerbande ergeht es nicht besser (S.32): „Alle Angeklagten wurden zum Tode durch den Strang verurteilt! – Dann erfuhr man auch die Tragödie der schönen Dorothe. Als sie verhaftet wurde, weil man sie im Halbdämmerzustand und noch ganz unter dem Eindruck des Rauschgiftes vorfand, brach sie in ein hysterisches, kreischendes Gelächter aus, das auch nicht verstummte, als das Polizeiauto mit ihr davonfuhr. Die erste Nacht in der Zelle war für sie die Hölle auf Erden. Sie bot dem grauhaarigen Wächter alles an, was sie besaß, für eine einzige Zigarette von der Sorte, die man ihr bei der Einlieferung abgenommen hatte. Sie bot ihr ganzes Geld, dann ihre kostbare Armbanduhr, ihren prachtvollen Saphirring, ihre wundervolle Perlenkette und dann sich selbst! – Vergeblich. – Am nächsten Morgen, als sie zum Verhör vor den Polizeirichter geholt werden sollte, fand man sie an ihrem schmalen Gürtel erhängt in der Zelle. – Ende.“

„Marihuana“ heißt auch der Mitte der Fünfziger Jahre aus dem Amerikanischen übersetzte Kriminal-Roman von Kenneth Stuart. Er wird im Vortext folgendermaßen angepriesen:
„Rauschgift! Ein neuer erregender Kriminalroman. Gewissenlose Verbrecher werden unbarmherzig und ohne Gnade gejagt.- Rauschgift! Eines der schrecklichsten Laster, von dem die Menschheit unserer Erde befallen ist. Tausende siechen unter qualvollen Leiden dahin. Doch immer wieder finden sich Verbrecher zusammen, die die Drogen mit hohem Gewinn an den Mann bringen. Die Gewinnsucht läßt sie vor nichts halt machen, ihnen gilt der Mensch nichts, der Profit alles…Dieser spannende Roman läßt einen tiefen Blick hinter das Netz eines internationalen Rauschgiftringes tun, und der Leser wird hinter der harten Sprache viel Wahrheit wiederfinden.“

 

Wie diese Wahrheit aussieht, sollen ein paar Zitate veranschaulichen. So erzählt eine „Marihuana“-Händlerin wie ihr Geschäft von statten geht (S. 126f): „Meine Gäste sind größtenteils Highschool- oder Collegeboys und -girls“. (Also quasi die Unschuldslämmer in Person.) „Die Schlepper bieten dem Jungen oder dem Mädel eine „Annemarie“ an, und die merken es ja beim Rauchen fast nie. Dann kommt der Rausch…Was glauben Sie, was wir hier schon für Ekstasen erlebt haben,…Ja und dann…dann kommen sie immer wieder. Die meisten von ihnen haben ein sehr reichliches Taschengeld. Manchmal bringen sie auch Schmuck oder andere Wertgegenstände. Haben sie das Zeug erst einmal ein paar Wochen geraucht, kommen sie nie wieder davon los!“ Und auf die Frage, was sei wenn die Süchtigen kein Geld hätten und mit einem Skandal drohten, antwortet die Frau: „“Die machen schon keinen Skandal. Die wollen Zigaretten haben und wissen, daß sie bei einer Anzeige in eine Entwöhnungsanstalt kommen und ihnen kein Händler in den ganzen Vereinigten Staaten mehr auch nur ein Gramm verkauft. Wir sind sehr gut organisiert, und wer kann mir etwas beweisen? Meistens aber gebe ich in solch einem Fall ein paar Zigaretten umsonst und verspreche für jeden neuen Kunden, den sie mir zuführen, 10 Stück. Was meinen Sie, wie die dann werben?“ Jimmy nickte nachdenklich mit dem Kopf. Das war das Verhängnisvolle bei den Rauschgiften, wen es einmal gepackt hatte, den ließ es nicht wieder los, und das Ende war meistens das Irrenhaus.“

Und hier noch ein Klischee, das ein Politiker aus der Alkoholikerfraktion einer christlichen Partei nicht besser verzapfen könnte (S.170): „Die Sängerin legte sich mit ihren quälenden Gedanken auf die Couch und kämpfte minutenlang mit der Versuchung, durch eine Marihuana-Zigarette sich für eine Stunde einen schönen Traum zu erkaufen. Dann siegte aber die Vernunft. Im Liegen goß sie sich ein Glas voll Whisky und leerte es mit einem Zuge.“Dass die „Marihuana“-Süchtigen ein erbärmliches Bild abgeben ist klar (S. 248):

„Deutlich war der junge Bert Warring zu erkennen, der in einem Büro auf einem Sessel saß und schluchzte: „So geben Sie schon eine Zigarette, ich will auch alles sagen.“ Die Stimme des Antwortenden…fragte: „Wann haben Sie zum ersten Mal Marihuana geraucht?“ Das Gesicht des dem Rauschgift Verfallenen war jetzt groß und deutlich auf der Leinwand zu sehen. die eingefallenen Wangen, der schmale Mund und die entzündeten, tränenden, beinahe irr blickenden Augen…“
Schliesslich wird der „Rauschgifthändler“ überführt (S. 250):
„Sie Bestie in Menschengestalt haben Tausende der Armen auf dem Gewissen, die in unzähligen Irrenanstalten langsam dahinsiechen.“

 

Die Angst vor der Gefahr des Überschwappens der neuen Rauschgiftseuche aus den fernen USA wird auch noch geschürt, in dem der Autor in der Handlung zehntausende „Annemarie“-Zigaretten nach Berlin schmuggeln läßt.

 

Von Paul Altheer erschien 1956 der Kriminal-Roman „Marijuana das neue Gift“. Im Klappentext heißt es: „Wieder einmal ein Roman von Paul Altheer, sagt sich der Leser und freut sich im voraus auf ein paar Stunden angenehmer Unterhaltung, geistreich, einfallsreich, anregend und erfüllt mit jener angenehmen Spannung, die den Leser in eine andere Welt zu entführen vermag.- Diesmal ist es der Kampf gegen eine weltumspannende Organisation von Rauschgifthändlern, die mit dem neuen Gift „Marijuana“ Millionengeschäfte macht und jene armen Menschen verseucht, die ihm verfallen.“

In einem eigenen Kapitel „Marijuana“ wird kräftig vom Leder gezogen. Hier einige Ausschnitte (S. 137ff) „aus einem Vortrag über dieses neue Gift, dessen Auftauchen in Berlin man vor einigen Wochen mit Entsetzen festgestellt hatte“: „Die harmlos aussehende Pflanze zeigt die gleichen vernichtenden Eigenschaften wie das Opium, ja, sie ist in gewisser Hinsicht noch viel gefährlicher und zerstörender…Verheerend ist die Wirkung von Marijuana. Nach dem Genuß der ersten Zigarette kommt ein ungewöhnliches Glücksgefühl über den Raucher. Er wird fröhlich und möchte am liebsten die ganze Welt umarmen. Nach der zweiten Zigarette aber wird er melancholisch. Eine tiefe Depression erfaßt ihn; Selbstmordgedanken und tiefe Traurigkeit durchströmen ihn. Nach der dritten Zigarette aber verliert der Raucher jeden Sinn und jedes Verständnis für Raum und Zeit…Die Katastrophe aber folgt nach der vierten Zigarette. Bei neun von zehn Rauchern stellen sich Mordgelüste ein. Ein Zustand ähnlich dem des Amokläufers überfällt ihn. Der friedlichste Mensch wird zum Raufbold und zeigt einen absoluten Vernichtungswillen, der sich nun aber nicht mehr gegen sich selber, sondern gegen seine Mitmenschen wendet.-
Das Furchtbare aber ist, daß ein Mensch, der einmal Marijuana geraucht hat, von dem unstillbaren Verlangen nach diesem Gift erfaßt wird. Noch weit mehr als bei Haschisch, Heroin, Morphium und ähnlichen Giften, drängt es den ihm Verfallenen, den wirklich Süchtigen, alles aufzuwenden, um in den Besitz des unentbehrlich gewordenen Giftes zu kommen…Es hat übrigens sehr viel Ähnlichkeit mit einem andern Gift, das unter dem Namen Zombi auf Haiti bekannt ist. Ja, im Grunde genommen ist es dasselbe…Sie wissen, daß Zombi, wenn es im Uebermaß genossen wird, jede Erinnerung auslöscht und den Willen tötet…“

Später wird in der „Geschichte des Studenten Fernand“ noch einer draufgesetzt (S.153):
„Wir dürfen ohne weiteres sagen: Wer einmal Marijuana genossen hat, kommt von ihm nicht mehr los. Tausendmal stärker als Morphium, Heroin, Opium und alles Aehnliche, was wir kennen, ist dieses Marijuana in seiner Kraft, mit der es sich an denjenigen klammert, der ein einziges Mal von ihm genossen hat. Der Student Fernand hat alle Stadien des Marijuana-Süchtigen durchgemacht. Er war froh und ausgelassen wie nie zuvor – nach der ersten Zigarette. Er wurde melancholisch und schwermutsvoll wie ein russischer Emigrant – nach der zweiten Zigarette. Er verlor sich in unendliche Träumereien, in uferloses Sinnen und Denken – nach der dritten Zigarette. Als er es aber einmal bis zu vier Zigaretten kommen ließ, war die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Wie ein Verfolgter begann er um sich zu schlagen. Seine Fäuste bluteten, der Schaum stand ihm vor den Lippen. Und als seine Freunde ihn zu beruhigen versuchten, griff er sie an, einen nach dem andern und alle zugleich, bis er durch einen Zufall den Dolch eines jungen Mädchens, das er über alles liebte, in die Hand bekam und sich damit auf seine Kameraden stürzte. Grace, das Mädchen, dem der Dolch gehörte, warf sich zwischen die Kameraden, mehr um ihn vor einer unbesonnenen Tat zu bewahren, als ihre Kameraden zu schützen. Sie sank, unter den Stichen ihres eigenen Dolches, bewußtlos zusammen. Fernand tobte wie ein Amokläufer, stach blindlings um sich, verletzte drei seiner besten Feunde und Kameraden, von denen einer heute noch zwischen Leben und Sterben schwebt…Bis er sich endlich müde getobt hatte und zusammensank, wie von einem Sandsack auf den Kopf getroffen…Nun liegt er, neben zweien seiner Freunde, im Krankenhaus und weiß von allem nichts. Er sinnt vor sich hin wie ein böses Tier, das nur ein Ziel kennt: Blut. Sein Ziel allerdings – wir wissen es leider nur zu gut – heißt Marijuana. Wenn es ihm gelingt, uns zu entwischen, auszureißen, dann wird sich die Katastrophe wiederholen, so oft wiederholen, bis sein Körper von dem Gifte mitleidlos zerfressen und der endgültigen Zerstörung anheimgegeben ist…Wir haben kein Mittel gegen dieses neue Gift. Noch nicht. Wir stehen ihm machtlos gegenüber. Es gibt nur eins: Die Quellen verstopfen, die dieses Verderben, genannt Marijuana, ausspeien.“
Das ist Kifferwahn in Reinkultur.

Geradezu herzlich nimmt sich dagegen der Kriminal-Roman „Marihuana für Yukatan“ von Hanns Hart aus, der ebenfalls Mitte der Fünfziger Jahre erschien. Eingangs heißt es: „Mord und Angst rufen das Inferno der Hölle…..!! Unheimliche Aktionen im Dschungel der Nacht nehmen jedem den Atem…..!!…ein echter Hanns Hart spannungsgeladen…atemraubend.“ Immerhin bringt der Ich-Erzähler nichtsahnend „Marihuanazigaretten“ unters Volk (S. 212f): „“Du Hund willst mich wohl auch süchtig machen?“ sagte er rauh. „Behalte deine Glimmstengel für dich, du Idiot. Damit kannst du Weiber reinlegen, aber nicht mich. Wieviel Marihuana brauchst du denn, bis du in Stimmung bist, Hurt?“ – Ich starrte ihn an und begriff es nicht. Ich sollte…? Und dann wußte ich es plötzlich. Es brauchte mir niemand zu sagen. – Die Chesterfield! Die Packung Chesterfield in meiner Tasche…! – Das war es. Es waren Marihuanazigaretten. Vier oder fünf Millionen rauschgiftverseuchte Zigaretten. Mit ´ner Spezialmischung aus Tabak und Marihuana. Ich lachte los. Es war ein giftiges Lachen, das ihn mich anstarren ließ. Ich lachte immer weiter. Immer weiter, weil ich wußte, was ich für ein Idiot gewesen war. Ein Riesennarr, der irgendwem auf den Leim gekrochen war…Chesterfield geimpft! Es war zum Totlachen!“ Schliesslich werden die wahren Übeltäter aber von ihm gestellt und er zwingt sie „unter dem Druck der MP-Mündung“ ihr „eigenes Kraut“ zu „probieren“ (S.234f). „Ich zwang sie, auf Lunge zu rauchen. Es war ein feines Schauspiel, und ich ließ ihnen keine Ruhe. Sie mußten auch noch zwei andere Chesterfield zwischen ihre Lippen klemmen. Sie waren grün vor Wut. Aber dann stellte sich die Wirkung ein. Ihre Augen glänzten seltsam.- Jetzt hatte ich sie soweit. Sie hatten keine Hemmungen mehr…gar keine.“ „Und ich kannte den Zustand, der nach dem Genuß von Marihuana erzeugt wird. Sie fühlten sich jetzt wie Helden…wie Riesen, die Bäume ausreißen konnten.“ Was ihnen bei der anschliessenden Keilerei allerdings nichts nützt, denn (S. 241) der Angreifer „sah alles in krankhaft verzerrten Farben“. Natürlich werden die Übeltäter überwältigt. Ende gut alles gut…

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Interview mit Franjo Grotenhermen

hanfblatt, 2003

Zwei Schritte vor, einer zurück

Interview mit Dr. med. Franjo Grotenhermen

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist Mitarbeiter des nova-Instituts für ökologische Innovation in Hürth (Rheinland) und Vorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM) mit Sitz in Köln. Er führt zudem die Geschäftsführung der deutschen Sektion, der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM). Grotenhermen ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher, darunter den Standardwerken „Cannabis und Cannabinoide: Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potenzial“ (Huber-Verlag) und „Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt (Springer-Verlag).

Hanfblatt: Jahrtausendelang wurde Hanf weltweit in traditionellen Kontexten medizinisch genutzt. Im 19. Jahrhundert wurde schließlich auch in Europa mit alkoholischen Extrakten aus getrockneten Hanfblüten experimentiert, wurden zahlreiche Indikationen postuliert und überprüft. Doch es gelang nicht, einen eindeutigen Wirkstoff zu isolieren und zuverlässig wirksame standardisierte Extrakte zu entwickeln. Auch empfand man die psychoaktive Wirkung bei vielen Anwendungen als störend. Man konzentrierte sich von Seiten der Pharmaindustrie auf andere Pharmazeutika, bevorzugt synthetische oder teilsynthetische Reinsubstanzen. Cannabis indica galt schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als medizinisch obsolet. Die weltweite Verteufelung des Konsums von Hanf als psychoaktives Genussmittel durch die in den Zwanziger Jahren beginnende Prohibitionspolitik und die ab den Dreissiger Jahren ausgehend von den USA inszenierte Anti-Marihuana-Hysterie schien der Erforschung medizinischer Nutzungsmöglichkeiten den Gnadenstoß zu versetzen. Wann genau begann nun das Interesse hieran wieder aufzuflammen, und wie erklärt sich dieses Phänomen?

Grotenhermen: Die fehlende Standardisierung medizinischer Cannabiszubereitungen war tatsächlich einer der wesentlichen Gründe, möglicherweise der wichtigste Grund für das Verschwinden dieser Medikamente aus den Apotheken Europas und Nordamerikas. Erst Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts gelang es einer israelischen Arbeitsgruppe die genaue Struktur des Delta-9-Tetrahydrocannbinol (kurz: Delta-9-THC oder THC) zu entschlüsseln. Dies war ein wichtiger Impuls für die moderne Cannabinoid-Forschung. Neben diesem laborchemischen Grund für eine starke Zunahme der Forschungsvorhaben zu Beginn der siebziger Jahre förderte die Zunahme des Cannabiskonsums unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen der westlichen Industriestaaten auch das wissenschaftliche Interesse an den Wirkungen der Droge und ihrer Inhaltsstoffe auf den Menschen. Mitte der siebziger Jahre gab es die ersten klinischen Studien mit THC, in denen man mögliche therapeutische Wirkungen untersuchte, wie seine Wirksamkeit bei Erbrechen und Übelkeit im Rahmen einer Krebschemotherapie, den appetitanregenden Effekt oder die Senkung des Augeninnendrucks beim Glaukom (grüner Star).Dieser ersten Welle der modernen Cannabisforschung folgte etwa zwanzig Jahre später die zweite, noch größere Welle, die erneut durch eine grundlegende Entdeckung ausgelöst worden war. Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre wurde das körpereigene Cannabinoidsystem entdeckt, das aus spezifischen Bindungsstellen für Cannabinoide und körpereigenen Bindungsstoffen besteht. Die spezifischen Bindungsstellen heißen Cannabinoid-Rezeptoren und die körpereigenenen Bindungsstoffe heißen endogene Cannabinoide oder Endocannabinoide, von denen Anandamid, 2-Arachidonylglyzerol und Noladinäther die drei wichtigsten sind. Dieses körpereigene Cannabinoidsystem, das wurde bald klar, spielt eine Rolle bei vielen Körperprozessen, wie etwa bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken, bei der Verarbeitung von Schmerzen, bei der Regulierung des Appetits. Das Verständnis der natürlichen Funktionen des Cannabinoidsystems beinhaltet das Verständnis der Wirkmechanismen bei therapeutisch gewünschten Wirkungen, wie etwa der Schmerzlinderung, und bei möglicherweise unerwünschten Wirkungen, wie etwa der Störung des Gedächtnisses.

Hanfblatt: Welche medizinischen Indikationen haben sich in den letzen Jahren für die Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden als erfolgversprechend erwiesen?

Grotenhermen: Am besten erforscht sind die therapeutischen Cannabis- bzw. THC-Wirkungen bei Übelkeit und Erbrechen, wie sie bei der Krebschemotherapie auftreten können, sowie bei Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust im Zusammenhang mit der Aids-Erkrankung. Als am wichtigsten scheinen sich jedoch heute die Behandlung chronischer Schmerzen unterschiedlichster Ursache und der Einsatz bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, wie etwa multiple Sklerose und Querschnittserkrankungen nach Verletzung der Wirbelsäule, herauszukristallisieren. Bei einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin in Zusammenarbeit mit dem Institut für onkologische und immunologische Forschung in Berlin aus dem Jahre 2001 zur medizinischen Verwendung von Dronabinol (THC) und natürlichen Cannabisprodukten (Marihuana, Cannabistinktur, Haschisch) nahmen etwa ein Viertel der teilnehmenden Patienten diese Substanzen wegen chronischer Schmerzen, wie Migräne, Phantomschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Arthritis, Colitis ulzerosa, Fibromyalgie etc, ein weiteres Viertel wegen neurologischer Symptome. Die verbleibende Hälfte verteilte sich auf eine Vielzahl weiterer Erkrankungen wie Aids, Krebs, Hepatitis C, Juckreiz, Asthma, Depressionen, Angststörungen, Schlafstörungen, Alkoholismus, Opiatabhängigkeit, Glaukom, Epilepsie, etc. Cannabisprodukte werden also bei vielen Krankheiten und Symptomen erfolgreich verwendet. Man muss aber wissen, dass sie nicht immer das Mittel der ersten Wahl darstellen. So wird man beispielsweise bei Asthma, Glaukom und vielen anderen Erkrankungen zunächst andere Medikamente versuchen oder zunächst nicht-medikamentöse Verfahren ausprobieren, im Falle von Schlafstörungen zum Beispiel Entspannsungsübungen. Zudem wirken Cannabisprodukte nicht immer oder nicht immer im gewünschten Umfang. Viele Indikationen sind kaum erforscht, so dass sich nicht sagen lässt, wie hoch der Prozentsatz der Patienten mit einer der oben genannten Erkrankungen ist, der von einer Behandlung profitieren würde. Ich kenne aber Patienten aus allen oben genannten Indikationsbereichen, die von einer Behandlung mit Cannabisprodukten profitieren.

Hanfblatt: Wo liegen gegenwärtig die Forschungsschwerpunkte?

Grotenhermen: Die Themen der Cannabinoid- und Cannabisforschung sind heute breit gestreut. Während Mitte der achtziger Jahre in der medizinischen Datenbank Medline jährlich etwa 250 neue Artikel mit aktuellen Forschungsergebnissen zu den Bereichen Cannabinoide, Cannabis und Marihuana aufgeführt wurden, waren es im vergangenen Jahr etwa 800 mit weiter steigender Tendenz. Man kann vielleicht folgende wichtige Bereiche ausmachen: (1) Grundlagenforschung zum besseren Verständnis der Bedeutung und Funktionsweise des menschlichen Cannabinoidsystems, (2) Forschung zur besseren Abschätzung möglicher schädlicher Langzeitwirkungen und anderer Wirkungen des Cannabiskonsums, (3) Forschung zur Überprüfung der Wirksamkeit von Cannabinoiden bei verschiedenen Erkrankungen und zur Entwicklung neuer Medikamente, die das Cannabinoidsystem beeinflussen. Solche neuen Medikamente können wie das THC, die Cannabinoid-Rezeptoren stimulieren, eventuell aber auch die Konzentration der Endocannabinoide beeinflussen oder die Cannabinoid-Rezeptoren blockieren. Hier werden heute viele Ansätze erprobt, und ich gehe davon aus, dass in den nächsten 10 Jahren eine Anzahl von Medikamenten auf den Markt kommen wird, die auf unterschiedliche Art und Weise das Cannabinoidsystem modulieren.

Hanfblatt: Was muss noch geschehen, damit jeder Mensch, dem Cannabis, bei der Heilung seiner Krankheit oder bei der Linderung von Beschwerden helfen könnte, auch problemlos Zugang zum richtigen Medikament erhalten kann?

Grotenhermen: Das Thema ist stark ideologisiert, in dem Sinne, dass Prinzipien oft über Vernunft und gesunden Menschenverstand gesetzt werden. Eines dieser Prinzipien, das zunächst einmal sehr vernünftig ist, lautet: In Deutschland dürfen nur qualitätsgeprüfte Medikamente verwendet werden. Dabei scheut man sich jedoch vor der Beantwortung der Frage, ob denn umgekehrt ein Schwerkranker, der keinen Zugang zu einem qualitätsgeprüften Medikament auf Cannabisbasis hat, beispielsweise weil die Krankenkasse die Finanzierung einer Behandlung mit Dronabinol (THC) ablehnt, und der sich Hanfpflanzen auf seinem Balkon zieht, vor ein Gericht gestellt und eventuell ins Gefängnis gesteckt werden sollte. Möglicherweise werden erst die Gerichte der Politik klar machen müssen, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich überholungsbedürftig ist. Es gibt hier erste Anzeichen. Die Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen die öffentliche Diskussion schon länger geführt wird als hierzulande, wie beispielsweise in Kanada und Großbritannien, zeigen, dass solche Entwicklungen viele Jaher dauern. Einen Zugang zur direkten medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten im Sinne einer tolerierten oder wie auch immer erlaubten Selbstmedikation wird es vermutlich nur geben, wenn aus politischer oder höchstrichterlicher Sicht die Verfügbarkeit von Cannabisprodukten aus den Apotheken nicht zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung führt. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn die Krankenkassen sich auch in Zukunft in vielen Fällen weigern, die Kosten zu erstatten und die Medikamente weiterhin im Vergleich zu illegalem Cannabis sehr teuer sind.

Hanfblatt: Wer sollte auf keinen Fall Cannabisprodukte zu sich nehmen, weder als Medikament, noch zu Genusszwecken? Was sind sozusagen die Kontraindikationen?

Grotenhermen: Ganz allgemein kann man sagen, dass jemand der Cannabis nicht verträgt, es auch nicht nehmen sollte. Das ist eine einfache Regel, die aber oft nicht befolgt wird. So werde ich gelegentlich von Cannabiskonsumenten kontaktiert, die mir berichten, dass sie seit einiger Zeit unangenehme psychische Erlebnisse, wie etwa Angstzustände, beim Konsum erleben, jedoch weiterhin konsumieren möchten. Der Abschied von der Droge fällt oft auch bei schlechter Verträglichkeit nicht leicht. Darüber hinaus gibt es einige Personengruppen, bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass ihnen der Konsum schaden kann. Dazu zählen Personen, die an einer schizophrenen Psychose leiden, weil der Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst werden kann. Auch bei anderen schweren psychiatrischen Störungen ist die Wahrscheinlichkeit einer schlechten Verträglichkeit bzw. eines gesundheitlichen Schadens größer als bei psychisch Gesunden. Eine Schwangerschaft stellt eine relative Kontraindiaktion dar. Zwar sind die Schäden für den Embryo bzw. Fetus vermutlich auch bei starkem Konsum im Vergleich mit anderen Drogen gering, aber man sollte den Fetus nicht unnötig fremden Substanzen, die über den mütterlichen Kreislauf in seinen Kreislauf gelangen, aussetzen. Wer an Schwangerschaftserbrechen leidet oder anderen schwangerschaftsbedingten Beschwerden, die durch Cannabis gelindert werden können, dem würde ich allerdings durchaus zuraten, es einmal mit Hanf zu versuchen, und wenn er wirkt, ihn auch zu verwenden.

Hanfblatt: Was kann man aus medizinischer Sicht denjenigen empfehlen, die Cannabis als Genussmittel konsumieren, um eventuelle Risiken möglichst gering zu halten?

Grotenhermen: Beim Cannabiskonsum gibt es zwei Hauptthemen, wenn von möglichen Schäden die Rede ist. Das eine sind mögliche Schäden durch das Rauchen, die vermutlich weitgehend denen des Tabakrauchens ähneln, da beide Pflanzen und auch ihr Rauch bis auf das Nikotin und die Cannabinoide weitgehend ähnlich zusammengesetzt sind. Durch das Verbrennen von getrocknetem Pflanzenmaterial entsteht eine Anzahl von Substanzen, die die Schleimhäute schädigen und krebserregend wirken können, wie zum Biespiel Benzpyren oder Nitrosamine. Die Empfehlung lautet also: Weniger rauchen. Dies kann beispielsweise durch oralen Konsum (Kekse, Tee) oder durch das Rauchen THC-reicher Sorten erzielt werden. Das zweite Thema bezieht sich auf mögliche psychische und soziale Folgen des Konsums. Es besteht die Gefahr, dass mögliche positive Auswirkungen des Cannabiskonsums auf das seelische Befinden und das soziale Leben sich in ihr Gegenteil verkehren. Wie beim Umgang mit anderen potenziell suchtauslösenden, schönen und Freude bereitenden Aktivitäten sollte man darauf achten, dass man mit diesen Aktivitäten gestaltend und schöpferisch umgeht, dass man also nicht mit der Zeit psychisch von dieser Aktivität abhängig und sozial gelähmt wird. Man sollte als Konsument in dieser Frage selbstkritisch sein. Dabei kann bei gewohnheitsmäßigem Konsum von Drogen auch eine gelegentliche Konsumpause von einigen Wochen sinnvoll sein. Nach meiner Auffassung ist die Diskussion um die Frage, ob Cannabiskonsum körperlich abhängig machen kann oder nicht, eine wenig hilfreiche Diskussion, da auch eine psychische Abhängigkeit sehr stark sein kann und es letztlich unwichtig ist, ob vermehrtes Schwitzen und Schlafstörungen, die beim Absetzen auftreten können, psychische oder körperliche Symptome darstellen. Nach meinen Erfahrungen, die sich mit der wissenschaftlichen Erkenntnis decken, treten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen schädliche psychische und soziale Folgen häufiger auf als bei Erwachsenen. Ein gewohnheitsmäßiger Konsum bei Jugendlichen ist vergleichsweise häufiger als bei älteren Erwachsenen ein problematischer und abhängiger Konsum.

Hanfblatt: Immer wieder wird darum gestritten, warum man nicht gleich zur medizinischen Anwendung die als Genussmittel bereits bewährten getrockneten Hanfblüten oder das daraus gewonnene Harz oder einen Extrakt verschreibt, anstatt sehr teure industriell gewonnene Reinsubstanzen. Wo liegen hier kurzgesagt die Vor- und Nachteile? Oder anders gefragt, braucht man die Hanfpflanze dann eigentlich überhaupt noch, wenn man alle sinnvollen Präparate auf chemischem Wege synthetisieren kann?

Grotenhermen: Synthetisches THC bietet keine relevanten Vorteile gegenüber natürlichem Cannabis. Alles, was gegen eine Verwendung sonst illegaler Cannabisprodukte vorgebracht wird, wie etwa fehlende Reinheit oder mangelnde Standardisierung, sind in Wahrheit Argumente gegen ihre Illegalität, da sie bei einem legalen Zugang gut kontrolliert werden könnten. Die Frage, ob man Hanf noch braucht, wenn man synthetisches THC hat, stellt sich eigentlich umgekehrt: Synthetisches THC wird eigentlich nicht gebraucht, weil es Hanf gibt. Die Vorlieben der Ärzte und Patienten hinsichtlich definierter Einzelstoffe und natürlicher Kombinationspräparaten variieren allerdings, so dass ich dafür plädiere, beides anzubieten: Einzelsubstanzen und Ganzpflanzenzubereitungen. Zudem gibt es Hinweise auf Unterschiede hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit bei zumindest einigen Patienten, ein Thema, das allerdings bisher nicht durch kontrollierte Untersuchungen geklärt wurde. Vorteile gegenüber Cannabinoiden wie THC, die psychische Effekte ausüben, weisen einige nicht-psychotrope Cannabinoide auf, die sich heute in klinischen Studien befinden, darunter Dexanabinol und CT-3 (ajulämische Säure). Diese synthetischen Cannabinoide decken allerdings nur einen Teil des therapeutischen Potenzials von THC bzw. Cannabis ab, da eine Anzahl von Wirkungen über Cannabinoidrezeptoren vermittelt wird, die auch psychische Wirkungen hervorrufen. CT-3 wird gegen entzündlich bedingte Schmerzen, wie beispielsweise chronische Gelenkentzündungen getestet. Es wirkt etwa so wie Aspirin, ohne allerdings mit den Aspirin-typischen Nebenwirkungen auf Magen und Nieren verbunden zu sein. Zum Thema THC, synthetische Cannabinoide und pflanzliches Cannabis vertrete ich die Auffassung, dass alles verfügbar gemacht werden sollte, wenn es mit einem echten Nutzen für die Behandlung von Kranken verbunden ist.

Hanfblatt: Cannabisfreunde versprechen sich von der Debatte um die medizinischen Nutzungsmöglichkeiten der Hanfpflanze nicht nur eine Versorgung teilweise schwer Kranker mit einer gut verträglichen Medizin, sondern auch eine Entspannung im Umgang der Gesellschaft und der Strafverfolgungsbehörden mit denjenigen, die Hanf einfach nur als Genussmittel konsumieren. Manche gehen da sogar soweit, sich vorzustellen, man könne dann in Ruhe sein Pfeifchen schmauchen, das wäre dann ja Medizin, gut gegen Alles sozusagen. Wie schätzen Sie da die gesellschaftlichen Perspektiven ein, wenn es zu einer erleichterten und häufigeren Verschreibung von Cannabispräparaten kommen sollte?

Grotenhermen: Die Diskussion um die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten hat erheblich dazu beigetragen, die Diskussion um den Genuss- oder Freizeitkonsum zu versachlichen, denn im Zusammenhang mit der therapeutischen Verwendung taucht automatisch die Frage möglicher Nebenwirkungen und ihres Ausmaßes auf, beispielsweise die Frage: Schadet langzeitiger Cannabiskonsum der geistigen Leistungsfähigkeit? Zudem führt die medizinische Cannabisverwendung dazu, dass viele Menschen – Patienten, ihre Verwandten und Ärzte – einen legalen Kontakt mit der Droge bekommen. Meistens stellen sie dabei fest, dass die Warnungen vor den Nebenwirkungen in den vergangenen Jahren übertrieben waren, dass Cannabis bzw. THC sogar überwiegend sehr gut verträglich sind. Die medizinische Verwendung von Cannabis ist in der Lage, das Image der Pflanze auch bei solchen Personen positiv zu verändern, die bisher ein übertrieben negatives Bild von ihr hatten. Andererseits muss man natürlich sagen, dass Medikamente im Allgemeinen nicht gesund sind, sondern der Behandlung von Krankheiten dienen. Aus dem gelegentlich zur Rechtfertigung für den eigenen Konsum vorgetragenen Argument, Cannabis sei schließlich eine Medizin, kann daher im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, Cannabiskonsum sei gesund für Gesunde. Die Frage, ob Cannabis auch für Gesunde positive Auswirkungen auf Leben und Befinden haben kann, entscheidet sich an der Frage des verantwortlichen Umgangs mit der Droge. Die Droge selbst ist dafür kein Garant.

Hanfblatt: Immer wieder lösen sich aus Medizinerkreisen die großen Warner, die den konservativen Kräften im Staatsapparat genehm, mit dem erhobenen Zeigefinger vor den schrecklichen Gefahren einer Verharmlosung und Entkriminalisierung eines schrecklichen Rauschgiftes warnen, um möglichst viele Forschungsgelder zum Beweis, dessen, was man insgeheim bereits bewiesen glaubt, abzuzweigen und sich als Gesundheitsapostel und selbsternannte Drogenexperten auf dem Medizinerolymp zu etablieren. Wie soll man diesen aus meiner Sicht an einer dogmatischen auf Gängelung basierenden Gesellschaft klebenden Feinden der freien persönlichen Lebensentfaltung gegenübertreten? Oder anders gefragt: Wird es jemals einen rationalen Umgang mit Cannabis und Cannabinoiden geben?

Grotenhermen: Nach meinem Eindruck haben sich die öffentliche Wahrnehmung und das Diskussionsniveau bereits merklich im Sinne eines rationalen Umgangs verändert. Dies ist ein Prozess, der sich wie alle Veränderungen, die Einstellungsänderungen voraussetzen, nur langsam vollzieht. Ich erfahre auch heute noch regelmäßig von Patienten, die ihren Arzt auf die Verschreibung von THC (Dronabinol) angesprochen haben, dass er dies mit dem Hinweis, er würde keine Drogensucht fördern, oder mit ähnlich ignoranten Bemerkungen grundsätzlich ausgeschlossen hat. Aber dennoch sind viele gesellschaftlich relevante Gruppen wie Journalisten, Mediziner, Juristen und auch Politiker heute insgesamt besser informiert als vor 10 Jahren. Aber es ist auch richtig, dass das Thema Cannabis auch heute noch vielen Eltern, Politikern und anderen Personengruppen Angst macht, was rationales Handeln manchmal erschwert. Die Ängste muss man übrigens ernst nehmen. Mit dem Thema Konservativismus wird zusätzlich ein Aspekt angesprochen, der über den Bereich des rationalen Umgangs mit Drogen hinausgeht. Konservativismus beinhaltet Haltungen, die nicht nur im Drogenbereich moralisierend und normierend massive Eingriffe in das Privatleben rechtfertigen oder als notwendig erachten, beispielsweise auch wenn es um den so genannten Kampf gegen den Terrorismus geht. Der rationale Umgang mit Cannabis oder anderen Drogen führt also nicht automatisch dazu, dass gängelnde Einschränkungen der individuellen Freiheiten verschwinden werden. In den letzten Jahren hat sich auch die Argumentation zur Rechtfertigung des Cannabisverbotes verschoben bzw. verändert. Wurde früher vor allem die Gefährlichkeit der Droge, auch im Vergleich zu Tabak und Alkohol, betont, so heißt es heute oft, Tabak und Alkohol würden bereits große gesundheitliche und soziale Schäden anrichten, die nicht durch die Legalisierung einer weiteren Droge vergrößert werden sollten. Solche Argumentationsverschiebungen stellen nicht nur ein Eingeständnis dar, dass die frühere Propaganda oder Überzeugung falsch war, sondern auch dass Prohibitionsbefürworter durchaus flexibel reagieren, beim Versuch, den gegenwärtigen Zustand zu erhalten. Ich bin kein Hellseher und kann nicht sagen, wohin die Entwicklung letztlich führt. Nach meinem Eindruck funktioniert die Bewegung im Cannabisbereich seit vielen Jahren wie bei der Echternacher Springprozession: Zwei Schritte vor, einer zurück. Da bleibt ja als positive Differenz immerhin ein Schritt nach vorn.

 

 

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Cannabis Mixed Reisen

Golfplatz-Einweihung mit Manni Kaltz

HanfBlatt, November 2003

Im Buschbrand der gegenseitigen Abhängigkeiten von Freizeit-Fabriken, Promis und Journalisten.

Der dunkle Anzug ist zu warm, schwitzend wanke ich in den Fahrstuhl. Abfahrt zum Bussi-Bussi. Ich weiß nicht, was mich auf der Terrasse des verbrauchten Strandhotels erwartet. Nun gut, den offiziellen Anlass habe ich erfahren: es geht um das Stopfen von nahe gelegenen 18 Löcher im Rasen – ein Golfplatz wird eröffnet. Dafür müsste man sich nur eine halbe Stunde nehmen, hier aber haben sich für die nächsten drei Tage A- und B-Promis aus der gesamten Republik angekündigt. Dazu sind Vertreter aus den Hochglanzmedien und PR-Berater angerauscht. Sie alle wollen in einem norddeutschen Seebad den Knospen ihrer Zunge folgen, Sonne anzapfen und ihren Hüftschwung justieren, kurz, sich auf Nass verlustieren, vulgo: die Eier schaukeln lassen.

Um der Situation gewachsen zu sein, habe ich meinen Kahn mächtig mit marokkanischen Pfefferminzblüten vollgeladen und meine liebliche Begleiterin sitzt im gleichen Boot. Gleißend brennt daher die Abendsonne auf die Kieselsteinplatten, auf denen 50 Paar schwarze Schuhe scharren. Eine Sonnenbrille wäre kommod, wohl aber ein zu deutliches Zeichen gewollt-cooler Distanz. Die PR-Dame kommt auf uns zugewieselt, „ahh, die Hamburger, hier rüber, kommen sie hier rüber, zur Hamburger Gruppe“. Flugs haben wir einen Sekt in der Hand, perlendes Gold, das Fraktale auf das Kleid meiner Muse wirft, und werden zu sechs Stehgeigern bugsiert, die in Plauderhaltung im Kreise stehen. Dieser öffnet sich den Fremdlingen, aber aus dem Auge des Zyklons weht kalter Wind uns entgegen. Man gibt sich vornehm, eine probates Mittel die eigene Unsicherheit zu tarnen. Von Hochlandgemüse innerlich aufgewühlt auf unbekannte Mitbürger zu treffen, birgt immer die Gefahr unfunky drauf zu kommen. Mund und Magen wollen rülpsend tief empfundenen Dünnsinn von sich geben, während der innere, rationale Obermufti und Bedenkenträger Befehle der sozialen Normen brüllt. Rechnen kann man nicht mehr, aber zurechnungsfähig will man sein. Anders ausgedrückt: Kiffen kann unsicher machen. Objektiv betrachtet eine drollige Zwickmühle, in der konkreten Situation ein Abenteuer, was schon für manchen Horrortrip sorgte.

Erfahrung tut hier Not, so weiß ich, dass ich mich zwar wie Fidel Castro fühle, aber nicht so aussehe. Mein Sektglas wirkt dabei wie eine rettende Rehling im Sturm. Smalltalk. Ein Blick in die Runde und plötzlich nimmt eine innere, alte Kraft von mir Besitz. Entgegen aller ungeschriebenen Gesellschaftsverträge spüre ich Begeisterung aufwallen, ein Gefühl von Jugend, eine Erinnerung an sportliche Ekstase, an Männerschweiß, an den von meiner Oma gestrickten Fanschal; dazu jucken ausnahmsweise nur meine Füße. Zusätzlich bin ich erleichtert über den alsbald folgenden, hoffentlich entkrampfenden Integrationsakt in die illustre Runde. Viel zu laut platzt es feucht aus mit heraus: „Das ist doch Manni Kaltz!“ Köpfe drehen sich, Aufmerksamkeit ist gesichert. Ich merke das nicht, überbrücke mit einem Ausfallschritt das Auge des Zyklons und stoße mein Glas an das meines überraschten Gegenübers. Ein klicken, ein sprudeln, ich fahre fort: „Wie geil, Manni Kaltz, ich glaub´ das nicht.“ Der Mann mit dem sauber gekürzten Vokuhila bleibt ruhig, denn „der Manni redet nicht so gerne“, wie ich später erfahre.

Schweigen, leichtes Entsetzen sogar, aber mein Verzücken kommt weiter in Rage. Ich stoße meiner schönen Begleiterin mit dem Ellbogen in die Seite, zeige mit dem Glas auf den Fußball-Heroen und fahre fort: „Ahh, das waren noch Zeiten, sie auf Rechtsaußen, dann Banane, und dann das Fußballungeheuer, hach, so wird heute gar nicht mehr gespielt. Unvergesslich, das 5:1 gegen Real Madrid. Zwei Dinger haben sie da reingesemmelt, oh Mann, wie geil.“ Doch der Flankengott, der 69fache Nationalbuffer, die Legende vom HSV, dieser Manfred Kaltz, brummelt nur einige undeutliche Worte und so langsam komme ich von meiner Wolke runter. Die Menschen um mich sind verstört, peinlich berührt. Sollte man einen dieser Fußball-Proleten im Nest hocken haben?

Ehrliche Begeisterung, so steht nach zehn Minuten fest, ist hier nicht gern gesehen. Und was noch wichtiger ist: Promis – und solche, die es sein wollen – spricht man nicht an. Sie sind froh sich mit Ihresgleichen zu sonnen, im Saft ihrer Erfolge zu schmoren. Wohlgemerkt gilt dies nicht für Manni, der Mann will einfach nur seine Ruhe haben, ihm ist Radau um seine Bananenflanken lästig.

Der Ausbruch war kurze Raserei, ich trete einen Schritt zurück. Die Augen meiner Begleitung liegen verträumt-ironisch auf mir, der Halbkreis aus Frührentner schließt sich wieder und wir stehen außen vor. O.k., das war´s erst einmal. Nebenbei hat der Direktor seine Rede an die golfende Nation begonnen, er preist die knöcherne Eichenkultur der Hotelkette. Die verdiente Vor- und Mitten-im-Kriegsgeneration ist in den Häusern hängen geblieben, dazu passt eigentlich nicht der Porno-Kanal, der auf unserem Zimmer nach jedem dritten Schaltvorgang erscheint. Wahrscheinlich wichst Opi sich den Wicht, während Omi bei der Pediküre weilt.

Wie gerufen wackelt plötzlich Elke S. ins Bild, blonder Star der 70er. Die spielt auch Golf? Nein, sie ist Schmuck, soll der prüden Rasenweihe Glamour und damit Nennung in den bundesweiten Magazinen garantieren. So ergibt sich der Sinn der Geselligkeit: Die Freizeit-Fabrik schiebt sich ins Bewusstsein der Kunden und die Prominenten bleiben im Gespräch, denn davon leben sie. Die anwesenden Journalisten salbadern Gutes über die Melange und übermitteln im Nebensatz die Koordinaten des Geschehens. Die Public-Relation-Dompteure behalten die Käfigtür im Auge. Und der Clou: Alle zusammen verbringen ein weiteres preiswertes Wochenende.

An diesem Kuchen will auch ich nagen, aber mein fußballhistorischer Ausfall hat uns schon nach zehn Minuten zu Parias werden lassen. Egal, gleich gibt es Diner. Der freundliche Direx lädt ein. Die Stimmung ist gut, man kennt sich von vielen anderen Jubelfeiern. Es ist die gemeinsame Leidenschaft aller derer, denen beim Tennis zu viele Rohlinge rumlaufen. „Haben sie noch Sex oder golfen sie schon?“ Wir sitzen am selben Tisch wie Manni, der aber lässt mir, seinem getreuen Fan, keinen Blick zukommen. In mir spielen die beiden Mannschaften von FC Bekifft-Ergötzlich und der Spielvereinigung Peinigend-Stoned einen harten Ball gegeneinander. Noch steht es 1:1, aber Peinigend-Stoned übt enormen Druck auf die Verteidigung von Bekifft-Ergötzlich aus.

Das Essen beruhigt unsere Gemüter, auch meine Begleitung erlangt so langsam ihre Fassung wieder. Meine Tischnachbarin, die Redakteurin einer TV-Zeitschrift, parliert zutraulich, schon fühle ich mich besser. Aber ich bin getäuscht worden, übel sogar. Denn der Mann der Dame, irgendeine Schauspielgröße, dessen Name ich vergaß, fragt sie, was denn das Thema unser noblen Unterredung sei. Nicht wissend, dass ich der Szenerie lausche, winkt sie mit der Gabel ab, zieht die schmalen Brauen hoch und sagt: „Ach nix, völlig uninteressant“. Nun will ich nicht eitel erscheinen, aber das scheint mir doch ein äußerst dünkelhafter und ungebührlicher Reflex auf meine wohl nicht klugen, doch aber warmen Worte zu sein. O.k., das war´s endgültig.

Schade, gerne hätte ich noch weitere Skizzen aus den nun folgenden Tagen gezeichnet. Ich hätte noch berichten können, von nicht geouteten Eiskunstläufern, die beleidigt sind, wenn man sie an den falschen Ecktisch des Festzelts setzt, vom Streit um kühle Austern und von Menschen, die nur (!) über Golf reden können. Aber diese Worte wären dunkel vor Häme, ohne das Licht des freudig-neugierigen Umgangs untereinander. Was also tun? Den Versuch beenden, und vorher noch erwähnen, dass wir lieber am Strand den Wellen folgten, als dort zu sein, wo man sich gegenseitig nur als Spiegel der eigenen Großartigkeit dient.

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Cannabis Drogenpolitik Interviews Interviews Psychoaktive Substanzen

Interview mit dem Suchttherapeuten Helmut Kuntz

hanfblatt, Nov. 2003

Dem Kiffer (mit Problemen) kann geholfen werden

Fragen an den Suchttherapeuten Helmut Kuntz

Legalisierungsbefürworter fordern frei nach dem Motto „Kein Knast für Hanf“ eine Beendigung der Strafverfolgung von Cannabisgebrauchern. Über Cannabisfreunden schwebt nämlich immer noch das Damoklesschwert der staatlichen Bestrafung und der sozialen Ausgrenzung durch beispielsweise Arbeitsplatz- oder Führerscheinverlust. In vielen Berufen und gesellschaftlichen Kreisen kann ein Outing als Cannabiskonsument unangenehme Folgen haben. Die Gefahr der Diskriminierung trägt sicherlich nicht zu einer freien und offenen Auseinandersetzung als Grundlage einer Prävention und Behandlung selbstschädigenden Konsumverhaltens bei. Denn, dass es auch eine Minderheit von Konsumenten gibt, die Cannabis nehmen, obwohl es ihnen offensichtlich nicht gut tut, oder so, dass es sie in unerwünschter Weise in ihren Handlungsmöglichkeiten einschränkt, die also einen problematischen Konsum betreiben, dafür sprechen Umfrageergebnisse und die Berichte von Therapeuten, an die sich Kiffer mit Problemen wenden. Einer dieser Helfer in der Not ist der Familientherapeut Helmut Kuntz. Er hat seine Erfahrungen in dem interessanten Ratgeber „Cannabis ist immer anders“ (siehe unten) zusammengefasst.

az: Mag für die große Mehrheit der Gebraucher der Cannabiskonsum eine Bereicherung in ihrem Leben darstellen, so gibt es doch auch vereinzelt Konsumenten, bei denen sich alles nur ums Kiffen dreht, und die darüber das, was eigentlich in ihrer aktuellen Lebenssituation notwendigerweise zu tun wäre, nicht auf die Reihe kriegen. Wann beginnt Ihrer Einschätzung nach der Konsum von Cannabis problematisch zu werden, und wie äußert sich das?

Kuntz: Es ist vielleicht „hanfpolitisch“ wenig genehm und kratzt am Mythos von Cannabis als relativ harmloser Droge, doch ich kann auf Grund meiner Erfahrungen leider nicht mehr bestätigen, dass es nur vereinzelte Konsumenten sind, welche durch ihren Cannabiskonsum in Schwierigkeiten geraten. Teilweise bestehen die Schwierigkeiten in ihrem Leben schon vor dem Konsum, und der Gebrauch speziell von Cannabis findet in der trügerischen Hoffnung auf Erleichterung statt. Grundsätzlich ist der Konsum von Cannabis problematisch, wenn er zur Besänftigung bedrückender Gefühle dienen soll. Kritisch ist in jedem Falle der gewohnheitsmäßige, tägliche oder mehrfach tägliche Einsatz der Droge zu werten. Auch der „nicht bestimmungsgemäße“ Gebrauch von „Gras“ oder „Shit“ in der Schule oder am Arbeitsplatz spricht nicht für kompetente Konsumenten. Der chronische Gebrauch von Cannabis birgt in hohem Maße die Gefahr, die tragenden sozialen Beziehungen zu belasten oder sogar zu zerstören. Entwertende Äußerungen wie „Das ist mir doch egal“ oder „Du hast mir gar nichts zu sagen“ können verräterische Alarmzeichen sein. Das Risiko steigt mit den „harten“ Gebrauchsmustern wie „Bhong-“ oder „Eimer-Rauchen“. Es steht außer Frage, dass sie ein weitaus höheres Abhängigkeitspotential bergen, als das Genießen von Joints. Absolut „verpeilte“ Konsumenten mit solchen Gebrauchsmustern, z.T. sogar mit psychiatrischen Auffälligkeiten in Form psychotisch anmutender Symptome sind keine Seltenheit im Beratungsbereich. Das größte Risiko der Konsumenten ist aber weniger die Droge an sich, sondern die eigene Überheblichkeit im Umgang mit ihr, die Illusion, jederzeit alles im Griff zu haben und jede persönliche Gefährdung zu verleugnen.

az: Was sind aus Ihrer Sicht die Ursachen für die Entwicklung selbstschädigender Konsummuster?

Kuntz: Selbstschädigende Konsummuster entwickeln sich auf Grund schädigender sozialer und gesellschaftlicher Beziehungen. Die Konsumgesellschaft, die nach dem Motto „Immer mehr, immer weiter, immer schneller, immer höher“ lebt, ist bereits in ihrem Wesen eine süchtig kranke Gesellschaft. Wo sie als gnadenlose Ellenbogengesellschaft Menschen zunehmend ausgrenzt, ohne Schulabschluss, Lehrstelle, Arbeitsplatz oder Wohnung zurücklässt, nimmt sie den Menschen vielfach ihren Selbstwert. Fehlendes Selbstwertgefühl ist der ideale Nährboden für Suchtmittelmissbrauch. Wie soll jemand gut und fürsorglich mit sich umgehen, der kaum die Erfahrung gemacht hat, respektvoll behandelt zu werden?

az: Wer ist besonders gefährdet, in destruktiver Weise zu konsumieren? In welchen Lebensabschnitten besteht eine besondere Gefahr der Entwicklung problematischen Konsumverhaltens?

Kuntz: Ganz normale Suchtkranke kommen aus ganz normalen Familien. Wer den Platz im Leben nicht findet, wo er sich aufgehoben fühlt und wo er etwas Sinnvolles bewirken kann, entwickelt eher destruktive Verhaltensweisen als jemand, der sich in seiner Haut wohlfühlt. Aber selbstverständlich ist der steinige mühevolle Weg der Pubertät und des Erwachsenwerdens eine besonders anfällige Zeit für Drogengebrauch. Da stellen sich eine Lebensaufgabe und ein Reifungsschritt nach dem anderen: Schulabschluss, Berufsorientierung, Ablösung vom Elternhaus, den Platz in der Gruppe finden, Umgang mit Liebesbeziehungen und Trennungen usw.. Menschen können daran reifen und im besten Sinne „erwachsen“ werden oder scheitern. In diesem Zusammenhang gesehen, muss uns die Tendenz sorgen, dass Jugendliche heute immer früher den Einstieg in den Suchtmittelgebrauch riskieren. Weder körperlich noch seelisch sind 11-, 12-, 13- oder 14-jährige Jungen und Mädchen darauf eingestellt, in diesem frühen Alter mit den Wirkungen potenter eigenmächtiger Rauschmittel zu tun zu bekommen. Dabei spielt es keine große Rolle, ob das Zigaretten, Alkohol oder andere psychoaktive Drogen sind.

az: Was können Kiffer selbst tun, wenn sie mit ihrem Konsumverhalten unglücklich sind und dies verändern wollen? Wohin können sie sich wenden, falls sie das Gefühl haben, Hilfe zu brauchen, und wie wird dann geholfen?

Kuntz: Die Frage enthält bereits den entscheidenden Punkt. Nur derjenige kann und wird etwas verändern, der dies auch will, und zwar ernsthaft und nicht nur halbherzig. Innerlich motivierte Kiffer haben gute Chancen auf positive Veränderungen, selbst wenn sie ganz tief im Schlamassel stecken. Sie können sich an jede örtliche Sucht- und Drogenberatungsstelle wenden, wenn sie erst die Hemmschwelle überwunden haben. Berater haben Schweigepflicht. Niemand muss also befürchten, sich in zusätzliche Schwierigkeiten zu bringen, wenn er Hilfe sucht. Wie die Hilfe aussehen kann, wird im Einzelfall zusammen entschieden. Da es allerdings eine Arbeit zwischen Menschen aus Fleisch und Blut ist, muss die „Beziehungschemie“ stimmen. Wer sich als Hilfesuchender bei einem Berater menschlich oder fachlich nicht gut aufgehoben fühlt, sollte weiter suchen.

az: Wie können Freunde und Angehörige jemandem helfen, der anscheinend über das Kiffen Beziehungen, Schule oder Beruf vernachlässigt?

Kuntz: In ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung beeinträchtigte Kiffer unterschätzen häufig, was ihre Kifferei mit Freunden oder Angehörigen macht. Für Hilfsmöglichkeiten gibt es keine Patentantwort. Angehörige wie Freunde können allerdings nur dann helfen, wenn sie selbst mit ihren heftig widerstreitenden Gefühlen dem Kiffer gegenüber umzugehen wissen. Um die typischen Beziehungsfallen und Fehler im Verhalten zu vermeiden, müssen Angehörige zudem wisssen, was das Wesen der süchtigen Dynamik ausmacht. Wichtig ist klares konsequentes Verhalten. Unter Umständen müssen sich Angehörige darauf einstellen, Kiffer monate- oder sogar jahrelang durch viele Schwierigkeiten hindurch zu begleiten. Das ist ein überaus belastendes „Geduldsspiel“. Wo die Kifferei ein Ausmaß annimmt, dass sie in Diebstahl und tätliche Gewalt ausartet, können Angehörige die Grenze ziehen und dem Kiffer die Tür weisen, durch die er dann zu gehen hat. Andere entscheiden sich, ihr Kind niemals fallen zu lassen und unter allen Umständen die Beziehung zu halten. Für Eltern sind in solch schwierigen Situationen die Elterngruppen in Beratungsstellen sehr hilfreich zur eigenen Unterstützung. Freunde können einem Kiffer eigentlich nur sein Verhalten und seine Persönlichkeitsveränderung spiegeln. Aber weder Freunde noch Angehörige können jemandem helfen, der sich nicht helfen lassen möchte. Irgendwann muss man ihm dann die alleinige Verantwortung für sein Tun überlassen.

az: Es ist zu vermuten, dass auch im Falle einer Entkriminalisierung von Cannabisgebrauchern ein kleiner Teil der Konsumenten zumindest phasenweise in für sie problematischer Weise kiffen würde. Es wäre aber vermutlich ein weniger angstbesetzter, ideologisch verbrämter und damit offenerer Umgang möglich. Deshalb meine Frage: Beeinträchtigt die aktuelle Kriminalisierung der Cannabisgebraucher nicht die Möglichkeiten therapeutischer Hilfe und ehrlicher präventiver Aufklärungsarbeit?

Kuntz: In meiner persönlichen präventiven, beratenden oder therapeutsichen Arbeit fühle ich mich durch die Kriminalisierung der Cannabisgebraucher nicht wirklich beeinträchtigt. Ich brauche kein Blatt vor den Mund zu nehmen und kann offen über alle Aspekte des Cannabsikonsums sprechen. Als Berater habe ich einerseits Schweigepflicht und andererseits bin ich in keinem Zusammenhang zu Aussagen über Klienten gegenüber Dritten verpflichtet. Beratungsstellen sind insofern ein geschützter Raum.

az: Und zum Schluß dann noch die Gretchenfrage: Sie haben beruflich wohl in erster Linie mit Problemkiffern zu tun. Ihrem Buch kann man aber auch entnehmen, dass sie das weite Feld der integrierten Konsumenten kennen und durchaus respektieren. Obendrein verfügen Sie über eigene Konsumerfahrungen. Wie stehen Sie zur Frage einer Entkriminalisierung? Was muss gewährleistet sein oder noch erreicht werden, um eventuelle negative Konsequenzen des Cannabiskonsums möglichst gering zu halten?

Kuntz: Die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten nutzt in der Tat niemandem. Jeder Kiffer muss ein Eigeninteresse haben, das „11. Gebot“ zu beachten: „Du sollst dich nicht erwischen lassen.“ Erstaunlicherweise gibt es bei den Konsumenten noch verbreitete Missverständnisse in Bezug auf Tolerierung und Legalisierung des Cannabiskonsums. Eine Tolerierung haben wir in Grenzen erreicht. Für eine völlige Legalisierung wird es keine politische Mehrheit geben. Vor allem wird Legalisierung niemals bedeuten, Cannabis ebenso frei zu verkaufen, wie derzeit Zigaretten und Alkohol. Wir haben mit diesen beiden Suchtmitteln bereits Probleme genug. Angestrebt werden können pragmatischere Lösungen im Umgang mit Cannabis, wobei die Diskussion um mögliche „Coffeeshop“-Modelle mehr ideologisch als alltagstauglich geführt wird. Bei der praktischen Umsetzung solcher Denkmodelle stecken die Probleme im Detail: Wo soll Cannabis verkauft werden? Welche Qualifikation muss ein Verkäufer aufweisen? Wer darf ab welchem Alter wieviel erwerben? Selbst ein „Coffeshop“ kann wohl kaum an 11-, 12- oder 13-jährige Kiffer offiziell Cannabis verkaufen. Wo wenden die sich dann hin? Für den problematischen Umgang unserer gesamten Gesellschaft mit Suchtmitteln aller Art gibt es keine wirkliche Lösung. Es sei denn, wir könnten so zufrieden oder gar glücklich leben, dass wir es nicht nötig hätten, unser Leben durch die Wirkungen von Rauschmitteln zu „bereichern“. Aber dann hätten wir eine andere Gesellschaft.

Lesetip:

Helmut Kuntz
„Cannabis ist immer anders.
Haschisch und Marihuana: Konsum-Wirkung-Abhängigkeit.
Ein Ratgeber.“
Beltz Taschenbuch, Weinheim/Basel 2002
278 Seiten
ISBN 3-407-22832-5
14.90 Euro

Helmut Kuntz
„Ecstasy-auf der Suche nach dem verlorenen Glück.
Vorbeugung und Wege aus Sucht und Abhängigkeit.“
Beltz Taschenbuch, Weinheim/Basel, 2. erweiterte Neuausgabe 2001 (1. Aufl. 1998)
245 Seiten
ISBN 3-407-22830-9
10,90 Euro

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Cannabis Drogenpolitik

Legal – aber wie?

HanfBlatt Nr.80, Nov./Dez. 2003

Klar, legal! Aber wie?

Wie würde die Cannabis-Szene die Praxis der Legalisierung von Cannabis gestalten?

Zunächst einmal: „Legalisierung“ ist ein typisches Schlagwort, geeignet Verwirrung zu stiften. Letzlich geht es darum, welche Regulierungen für den Erwerb und Konsum einer Droge, in diesem Fall Cannabis, bestehen. Denkt man sich die Drogenpolitik als ein Spektrum, dann hockt am einen Ende die strikte, immer strafbewehrte Prohibition, am anderen Ende der gänzlich freie Markt. Wie könnte eine Legalisierung des Hanfs praktisch aussehen? Welche Modelle schlummern hierzu in den Schubladen der Ämter, welche Theorien haben die Wissenschaftler? Wichtiger aber noch ist, wie die Cannabis-Szene die Freigabe der pflanzlichen Produkte umsetzen würde. Was sagt der Otto-Normal-Kiffer, was der Dealer, was die Homegrowerin, was der Head-Shop-Besitzer? Ein Lauschangriff ins Herz einer bekifften Republik.

Hört man sich nun in der Szene um, so existieren recht moderate Töne ob der Realisierung der Legalisierung. Nur schrittweise, so meist die Annahme, sei zu erreichen, dass Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen wird. Zunächst sei daher in einem ersten Schritt der Konsums und der Besitz kleiner Mengen für den eigenen Bedarf zu entkriminalisieren. Aber was faällt noch unter Eigenbedarf? Michael, 19-jähriger Gelegenheitskiffer aus Bochum, meint: „Egal, wie man sich hier genau entscheidet, dem Richter eine Wochenration von 500 Gramm verklickern zu wollen, das dürfte schwierig werden.“

An dieser Stelle stellt sich eine Anschlussfrage, auf welche selbst unsere vielzitierten holländischen Nachbarn keine Antwort gefunden haben: Wo kommt das Zeug her? Die niederländische Hanfpolitik regelt zwar den Verkauf im Laden – hier kann jede Volljährige ihr fünf Gramm Beutelchen Marrok erstehen – was aber am Lieferanteneingang abgeht, das will keiner so recht wissen. Cannabis-Händler und Produzenten werden nach wie vor von der Polizei verfolgt. So eine Rechtspolitik nennt man „inkonsistent“ und eine solche ist im braven Deutschland nicht zu machen. Sebastian, 30, Miteigentümer eines Grow-Shops in Hamburg, sagt deshalb: „Der Markt in Holland ist kein peaciges Zuckerschlecken. Es gibt Revierkämpfe, Repressionen und Menschenopfer im Zusammenhang mit dem Handel mit Cannabis. Es muss in Deutschland also darum gehen, den gesamten Schwarzmarkt aufzulösen.“

Konservative Puritaner schlagen noch immer die Hände über dem Kopf zusammen, klügere Menschen ahnen es dagegen schon lange: „Ohne die Legalisierung des Anbaus, des Handels und des Konsums von Cannabis innerhalb bestimmter staatlich kontrollierter Rahmenbedingungen ist ein drogenpolitischer Neubeginn nicht möglich.” So schreibt der Drogenexperte Günther Amendt, 63, in seinem Buch “Die Droge, Der Staat, Der Tod”.

Wenn überhaupt, dann scheint für die verantwortlichen Schlaumeier in Berlin nur eine kontrollierte Marktregulierung denkbar, die zwei Bereiche berücksichtig: Gesundheits- und Jugendschutz. In einem zweiten Schritt könnte daher Cannabis ins Lebensmittelrecht eingeordnet werden. Dieses Recht stellt Cannabis dem Alkohol und dem Tabak gleich, was freilich auch beinhaltet, die Pflanze legal herzustellen und damit zu handeln. Dabei gilt es zunächst zwei Fallstricke zu umgehen.

Es ist zum einen unredlich zu behaupten, dass der Haschisch- und Marihuana-Konsum bei einer Freigabe nicht ansteigen würde. Dies kann keiner so genau wissen. Die Erfahrungen in Holland aber haben gezeigt, dass der Konsum trotz freier Verfügbarkeit nicht angestiegen ist. Autoren wie Amendt gehen davon aus, dass bei einer Freigabe der Gebrauch zunächst ansteigen, später aber wieder abflachen wird, wenn das „verdeckte Nachfragepotential erst einmal abgeschöpft ist“. Gewarnt werden muss auch vor der falschen Hoffnung, die Legalisierung könne den Missbrauch von Hanf vollständig verhindern. Immer wird ein bestimmter Anteil von Menschen den Cannabiskonsum in falsche Bahnen lenken. Vor diesem Hintergrund lassen sich ehrliche Überlegungen über die Praxis der Legalisierung anstellen.

Aus Sicht vieler Kiffer und anderer Experten ist der dritte Schritt den Anbau für den Eigenbedarf zu ermöglichen, wobei sich wieder die Frage der Grenzziehung stellt. Veteranen wie Hans-Georg Behr, Jahrgang 1937, schlagen ein auf fünf Jahre begrenztes Gesetz vor, welches den Anbau von bis zu 50 Hanfpflanzen erlaubt. Bei mehr als 50 Pflanzen wären 7,50 Euro pro Pflanze steuerlich abzuführen. „50 Pflanzen? Damit würde ich schon zufrieden sein“, sagt Lars, Home-Grower in Hannover.

Ein Teil von Wissenschaftler, aber auch der praxisorientierten Kiffer- und Grower-Szene setzt auf das staatliche Monopol für den Hanfvertriebe. Dies verwundert schon, ist es doch dieser Staat, der die Konsumenten nach wie vor mit Strafen belegt. Der Vorteil liegt auf der Hand: Eine nationale, noch zu gründende Institution könnte die Einfuhr von Gras und Hasch überwachen. Unter Umständen könnte so bereits eine Kontrolle des Anbaus (auch unter ökologischen Gesichtspunkten) in den Rohstoffländern gewährleistet werden. In den Händen dieser Behörde würde auch die Vergabe von Lizenzen zur pharmazeutischen Herstellung von Endprodukten liegen.

Damit ist man beim einem weiteren Vorteil staatlicher Aufsicht: Der Qualitätskontrolle. Schon heute gehört Duft- und Kristallspray zum Inventar einiger skrupeloser Homegrower in Deutschland. Eine Tendenz, die sich bei einer Freigabe des Anbaus wohl noch verstärken würde. Nebenbei bemerkt kann auch hier Holland kaum Vorbild für Deutschland sein. Sebastian vom Grow-Shop: „Die Anbaumethoden werden dort keineswegs vernünftig kontrolliert, die eingesetzten Mittel sind zudem oft gesundheitsschädlich.“ Zunächst einmal muss allen Beteiligten deutlich werden, dass hier keine Rosen, sondern eben ein Lebensmittel gezüchtet wird. Die letzten Lebensmittel-Skandale zeigen die Anfälligkeit der Branche für den unsachgemäßen Einsatz von Chemikalien. Worüber man sich dann aber im klaren sein muss: Ein starkes Kontrollnetz kann nur funktionieren, wenn dahinter ein fetter Behördenapparat agiert.

Ob das wiederum sinnig ist wird von einer anderen Fraktion der Kiffer-Szene angezweifelt. Mehr Staat, so diese Ansicht, dass bedeutet auch mehr Steuern und – fast noch schlimmer – die Gefahr, dass der Staat seiner ewig gärenden Kontrollsucht erliegt. Eine Minimalforderung ist daher – und da sind sich wiederum alle einig – das die Gelder aus Cannabis-Steuern zweckgebunden eingesetzt werden. Alle Einnahmen aus der THC-Besteuerung müssten dann der Rauschkunde-Information und Drogenhilfe zufließen.

Bei aller Vorfreude darf man ruhig über die Nachteile des legalen Hanfs mutmaßen. Es ist nämlich zu befürchten, dass die Tabakkonzerne hier den großen Euro wittern und den Markt mit billigen, qualitativ minderwertigen Joints überschwemmen werden. Wissenschaftler wie Jonathan Ott, Verfasser von „Pharmacotheon“, befürchten bei der Legalisierung von Cannabis eine ähnliche Entwicklung wie beim Tabak: „Legalisiert man Cannabis, würden die großen Tabak-Konzerne den Markt beherrschen. In alten Zeiten war Tabak eine sehr potente, visionäre Droge, später wurde es zu einem Laster: Gerade gut genug um Menschen zu verletzten, aber nicht high zu machen.“

Für Aktivisten und Politiker muss es also darum gehen, dass sich eher eine ausgeprägte Genusskultur wie beim Wein entwickelt, die ihr Heil abseits von industrieller Massenfertigung sucht. Auf der anderen Seite muss sich für die Produzenten die Herstellung von Feinheiten für gehobene Ansprüche lohnen. Ohne hier den Alkohol in die Ecke der dumpfen Bedröhnung stellen zu wollen, ist der Cannabisrausch gleichwohl subtiler und enorm von der Qualität des Produkts abhängig. Es wird immer eine Schar liebevoller Heger und Pfleger geben, die ihren Pflanzen Liebe und Respekt zollen, zugleich werden minderwertige Massenprodukte existierten, die auch aus ökologischen Gründen kräftig anzuprangern sind. Wer preiswerte Ware haben will, der wird auch in Zukunft bei Lidl einkaufen, wer Wert auf Güte legt, der wird in den Fachhandel wandern.

Dies schlägt den Bogen zu dem bewussten Umgang mit diesen Produkten. Wer sich über Sorte, Anbaugebiet, Lage, Erntetechniken, Weiterverarbeitung und Lagerung informiert, der hat schon einen enorm wichtigen Schritt beim Umgang mit einer Droge vollzogen. Man pfeift sich eben nicht irgendeinen Scheiß rein, nur weil es knallt, sondern sucht geflissentlich den gepflegten, kultivierten Rausch. Dies ist letztlich die beste Voraussetzung der vielbeschworenen „Prävention“, die man sich vorstellen kann. Wenn dann noch der Genuss in sozial gefestigten Mustern, eben mit Freunden zusammen, praktiziert wird, dann wird die Chance auf Drogenmissbrauch erheblich minimiert.

Zu einer vernünftigen Aufklärung gehört unbedingt auch der Beipackzettel, der über die Anwendung, Wirkungsdauer, Nebenwirkungen und Kontraindikationen aufklärt. Hier könnte mit wenig Aufwand viel Wirkung erzielt werden.

Zugleich müsste Aufklärung in mehreren Bereichen etabliert werden. In den Familien, den Kindergärten, den Schulen, in der Öffentlichkeit überhaupt muss Cannabis den Menschen wieder näher gebracht werden. Sebastian von Grow-Shop hat die Erfahrung gemacht, dass dies gut über den Anbau funktionieren kann. „Die Eltern begrüßen es eher, wenn der Sohn oder die Tochter mit einer lebenden Pflanze rumhantiert. Da kommt Verständnis auf.“ Denn zum einen, so Sebastian, sind die Kinder aktiv, zum anderen hätten die Eltern das Gefühl größerer Kontrollmöglichkeiten, weil das Kraut in Reichweite wächst. Das sei ihnen lieber, als wenn die Kinder das aus dem Coffee-Shop holen, wo keiner genau weiß, was da drin ist.

Um keine neue Doppelmoral zu etablieren, muss das Informationsmanagement über den Rauschhanf an einer weiteren, entscheidenden Stelle reformiert werden: Es geht einfach nicht an, dass sogenannte Erzieher, Dozenten und Professoren sich als Lehrmeister über Substanzen aufschwingen, die sie nie in ihrem Leben probiert haben. Um jungen Menschen einen sinnstiftenden Gebrauch zu vermitteln, muss der „Lehrer“ einen profunder Erfahrungsschatz mitbringen. Stichwort: Glaubwürdigkeit. Oder bringt man jemanden das Fahrrad fahren durch physikalische Formeln zur Beschreibung der Zentrifugal- und Pedalkraft bei?

Wann darf denn nun eine Heranwachsende mit dem Bong anfangen? Hört man sich in dieser Frage um, so herrscht mittlerweile selbst bei den Hardcore-Befürwortern des Hanfs die Einsicht vor, dass ein zu früher und vor allem zu exzessiver Konsum die persönliche Entwicklung stoppen kann. Kurz gesagt, es traut sich kaum jemand, die Abgabe von Cannabis an unter 16-jährige zu fordern. Der Jugendschutz müsste –so die weiter Meinung- von einem Werbeverbot für Cannabis und dessen Produkte begleitet sein.

Bleibt als letzter strittiger Punkt die Diskussion um die Abgabeorte für das göttliche Ambrosia. Im legendären Apotheken-Modell, das die Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein, Heide Moser, 1997 der erstaunten Öffentlichkeit vorstellte, sollte der Stoff aus dem die Träume sind von Apothekern verteilt werden. Der Gag: Bis 1958 war Cannabis tatsächlich als Arznei in deutschen Apotheken erhältlich. Heute widerstrebt es den Apothekern gründlich, dieses Mittel unters Volk zu bringen – die Apothekerverbände wehren seit Jahren jeden Vorstoß in diese Richtung ab. Auch sonst bleiben viele Fragen offen: Ist Cannabis sodann verschreibungspflichtig? Muss sich der Konsument registrieren lassen? Und warum überhaupt Apotheken? Kurzum: Dem gesamten Ansatz haftet ein etwas akademischer Duft an.

Die meisten Konsumenten sprechen sich daher für ein qualitativ wesentlich aufgebessertes Coffee-Shop-Modell aus. Dazu gehört ihrer Meinung nach eine entsprechende Ausbildung der Verkäufer und die angesprochene Regelung der Anlieferung. Lizenzierte Abgabeorte bedeuten immer auch: Lagerung größerer Mengen und daher Belieferung durch Großproduzenten. Logisch: Dieser Ansatz ist nicht durchzuhalten, wenn nur der Anbau zum Eigenbedarf erlaubt ist. Theoretisch vielleicht noch denkbar, dürfte den Machern in Berlin der Arsch auf Grundeis gehen, wenn sie an die Horden von Kapitalismusverweigerern denken, die sich in solchen Schuppen drängeln würden. Aber da müssten sie durch, die Damen und Herren.

Es ist zu vermuten, dass die Konzessionen für die Eröffnung eines Coffee-Shops (zunächst) heiß begehrt sein werden. Anbieten würden sich die Umfunktionalisierung der bereits bestehenden Head- und Grow-Shops, denn die Menschen hier bringen ihre Drogen-Vorbildung mitein. Aber wann erhält jemand so eine Konzession? Nun, immer dann, wenn eine Eignungs-Prüfung bestanden wird. Folgendes Planspiel ist denkbar: Das zuständige Gesundheitsamt bittet zum führerscheinähnlichen Wissens-Check. Hier muss die Bewerberin beweisen, dass sie THC von TEE unterscheiden kann, den Beipackzettel verstanden hat und ein umfangreiches Wissen über den Hanf und seine Effekte in sich trägt. Diskutierbar ist auch, dass die Konzession nur für ein Geschäft gilt. In jedem Coffee-Shop muss zu jeder Zeit eine amtlich abgesegnete Verkäuferin zugegen sein, ansonsten darf kein Cannabis über die Theke gehen.

Ein so geschnürtes Paket könnte die positiven Potentiale des Hanfs fördern und Gefahren des Konsums mindern, und zu guter Letzt noch die Hoffnung von Henning Schmidt-Semisch, Mitarbeiter am Institut für Drogenforschung der Universität Bremen, bestätigen. Er ahnt nämlich, dass  die Legalisierung dem Staat selbst nicht nur aus steuerlichen Gründen nützen würden, sondern auch, „weil sie zu einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit staatlicher Drogenpolitik führt“. In diesem Sinne: Rock On!

 

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Hanf

Interview mit dem Hanf-Forscher Michael Karus

hanfblatt Nr. 84, Juli/August 2003

Hanf – Eine Nutzpflanze unter vielen?

Ein Interview mit dem Hanf-Forscher Michael Karus

Michael Karus gilt als der führende deutsche Experte für den Anbau von Hanf. Er ist Geschäftsführer des nova-Instituts, das sich durch die Erforschung der ökologischen Nutzbarmachung der Hanfpflanze einen Namen gemacht hat. Seit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe des Bestsellers von Jack Herer „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf – Cannabis – Marihuana“ im Jahre 1993 und dem im Zusammenhang mit diesem Buch stark angestiegenen Interesse an Produkten auf Hanfbasis sind nun 10 Jahre vergangen, Zeit einmal Bilanz zu ziehen und einige Entwicklungen Revue passieren zu lassen.

Hanfblatt: Wie steht es mittlerweile um den Hanfbau in Deutschland? Wie hat er sich in dem zurückliegenden Jahrzehnt entwickelt?

Karus: Nachdem der Hanfanbau im Jahr 1996 erstmalig seit über 15 Jahren Anbauverbot wieder möglich war, ist die Hanfanbaufläche zunächst stetig gewachsen (bis auf knapp 4.000 ha in 1999) und dann aber wieder auf ca. 2.000 ha gefallen (2002). Für dieses Jahr erwartet man wieder einen leichten Anstieg. Grund für diese Entwicklung waren zu Beginn überzogene Erwartungen an den Markt, die Absenkung der EU-Beihilfen und damit einhergehend ökonomische Probleme, die bereits zum Aus für einige Aufschlussanlagen wurden.

Hanfblatt: Hat der Hanfanbau in Deutschland eine Chance, sich gegen ausländische Konkurrenz zu behaupten?

Karus: Ja! Der Bedarf an Hanffasern kann in Deutschland weitgehend durch die deutsche Produktion gedeckt werden. Die EU dürfte inzwischen sogar eher Hanffasern exportieren als importieren.

Postkarte von 1917
Postkarte von 1917

Hanfblatt: Welche Bedingungen müssen geschaffen werden, damit Hanf sich gegen konkurrierende Rohstoffe durchsetzen kann?

Karus: Wenn Hanffasern zu Weltmarktpreisen produziert werden können, so gibt es kein Problem mit dem Absatz. Die Nachfrage nach Naturfasern, insbesondere in der Automobilindustrie, wächst stetig. Wenn Preis und Qualität stimmen, können die Fasern abgesetzt werden. Allerdings ist es nicht leicht, bei sinkenden EU-Beihilfen den Preis auf Weltmarktniveau zu halten. Dies wird nur durch verbesserte Aufschlusstechnik, höhere Durchsätze und geschickte Vermarktung der Nebenprodukte (Schäben und Samen) möglich sein.

Hanfblatt: Hat der Hanf den in ihn gesetzten Erwartungen entsprechen können, oder ist er doch nur eine Nutzpflanze von vielen?

Karus: Hanf war immer nur eine Nutzpflanze unter vielen. Alles andere war und ist Ideologie und irrationales Wunschdenken – und keine Basis für reale Geschäfte. Aus Hanf kann man tausende Produkte machen. Aber auch aus Soja (und vielen anderen Pflanzen) kann man tausende Produkte machen. Aber: Im Gegensatz zu Hanf macht man aus Soja bereits tausende Produkte … Das einzig wirklich Besondere an Hanf ist, dass bestimmte Sorten den bewusstseinsverändernden Stoff THC in relevanten Mengen enthalten. Dies hilft aber nichts, um die Fasern, Schäben oder Samen in den Markt zu bringen. Im Gegenteil, manchmal ist es sogar eher hinderlich.

Hanfblatt: Kann man sagen, dass der ersten Euphorie eine gewisse Ernüchterung gefolgt ist?

Karus: Wer heute noch im Nutzhanfbereich tätig ist, ist dies nicht mehr aus ideologischen Gründen oder Wunschträumen, sondern unter den realen Rahmenbedingungen des Marktes. Die anfängliche Euphorie hat zum Teil das Marketing von Endkonsumenten-Produkten erleichtert. Diese Produkte bestanden aber oft nur zu marginalen Anteilen aus Hanf (echte Hanfanteile in vielen Shampoos, Bieren oder Limonaden unter 1%) bzw. kamen ihre Rohstoffe vor allem aus China und Rumänien.

Hanfblatt: Wie steht es mit der verarbeitenden Industrie? In welchen Bereichen rechnet sich die Hanfverarbeitung?

Karus: Die wichtigsten Märkte für Hanffasern sind die Automobilindustrie (Formpressteile wie Türinnenverkleidungen) und die Dämmstoffindustrie. Weiteren Einsatz finden die Fasern in Anzuchtvliesen für Kresse (in jedem Supermarkt!). Die Schäben werden primär als Tiereinstreu (Pferde und Kleintiere) eingesetzt und die Samen gehen vor allem als Tierfutter über die Theke. Hier gewinnt allerdings der Lebensmittelbereich (Samen, Öl) an Bedeutung.

Hanfblatt: Kann man einem Bauern noch mit gutem Gewissen den Hanfanbau empfehlen? Auf was sollte er achten? Welche Voraussetzungen müssen stimmen?

Karus: Wieviel Hanf dem Bauern pro Hektar bringt, kann heute leicht berechnet werden. Der Anbau lohnt sich, wenn im Umkreis von 50 km ein Faseraufschlussbetrieb existiert, der hinreichend viel für das Hanfstroh zahlt. Wo dies genau anzusiedeln ist, hängt vor allem von den regionalen Konkurrenzkulturen ab.

Hanfblatt: Die HanfHaus-Kette musste ja bekanntlich Konkurs anmelden. Hat sich wenigstens insgesamt ein stabiler Absatzmarkt entwickeln können und was muss noch geschehen, damit sich das Potential von Hanf als Rohstoff besser entfalten kann?

Karus: Dies habe ich oben schon beantwortet. Und noch einmal: Die HanfHaus-Kette hat außer ein paar Samen und Ölen praktisch nichts verkauft, was von deutschen Äckern stammte, sondern vor allem Produkte (insb. Textilein) aus China und Rumänien.

Hanfblatt: Herer und sein Übersetzer Bröckers sind ja mit der provokanten These angetreten, dass Hanf als nachwachsender Rohstoff die Welt retten könne, zumindest vor den Folgen des Raubbaus an unersetzlichen Urwäldern, der Verschwendung fossiler Rohstoffe und Energieträger und unökologischer Landwirtschaft wie dem monokulturellen Anbau von Baumwolle. Kann man diese Behauptung so immer noch stehen lassen oder muss man sie revidieren?

Karus: Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Jack hat ja sogar einen Preis für denjenigen ausgesetzt, der das Gegenteil beweisen könne. Für uns wäre dies ein Leichtes. Ich habe diesbezüglich auch mit Jack Kontakt aufgenommen. Wir haben uns aber nicht darüber einigen können, was er als Beweis akzeptieren würde ….

Hanfblatt: Wie sieht die Zukunft für den Hanf aus?

Karus: Gut! Hanffasern werden sich als industrielle Fasern weiter etablieren, Schäben werden (und sind) eine feste Größe für hochwertiges Tiereinstreu, und Hanfsamen werden sich mehr und mehr als gesundes Lebensmittel etablieren. Und auch im pharmazeutischen Bereich ist der Wall gebrochen, mehrere Unternehmen werden in den nächsten Jahren neue Präparate auf den Markt bringen.

Hanfblatt: Woher kommt Ihr besonderes Interesse am Hanf?

Karus: Das Interesse ist garnicht mehr so besonders. Wir beschäftigen uns inzwischen auch mit vielen anderen nachwachsenden Rohstoffen. Es gab halt damals in den Jahren 1993 bis 1997 die historisch günstige Situation, dass sehr viel Interesse an den Nutzungsmöglichkeiten von Hanf bestand und gleichzeitig kaum belastbares Wissen existierte. Diese Chance haben wir genutzt, um das nova-Institut als Experten-Institut für Hanf zu entwickeln. Heute ist bei uns ein so großes und breites Wissen über Hanf (und andere Faserpflanzen) verfügbar, ebenso wie zahlreiche nationale und internationale Kontakte, dass die Hanfforschung – insbesondere die Marktforschung und ökonomische Analysen – immer noch eine wichtige Einnahmequelle darstellt.

Hanfblatt: (scherzhaft) Ist es einsam auf dem Olymp?;-)

Karus: Im Gegenteil: Ich habe über den Hanf unzählige interessante Menschen in der ganzen Welt kennen gelernt, von denen viele meine Freunde geworden sind.

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Cannabis Historische Texte

Marihuana in den Groschenheften der Sechziger Jahre

hanfblatt 2003

„Finger weg von solchen Sachen“

Marihuana in den Groschenheften der Sechziger Jahre

Dass die Anti-Marihuana-Propaganda, als Reefer-Madness der Anslinger-Ära aus den USA herübergeschwappt, im kleinbürgerlichen Nachkriegsdeutschland sozusagen in Form eines Kifferwahns einen zumindest publizistisch fruchtbaren Boden fand, haben wir im Hanfblatt anhand von vier Krimis bereits belegt („Mimi und der Kifferwahn“, Hanfblatt Nr. 81). Weitere Dokumente dieser Zeit sollen demonstrieren, welche Klischees den deutschen Spiessbürgern hüben wie drüben bereits vor dem massenhaften Cannabiskonsum durch Gammler und Hippies ab Mitte der Sechziger Jahre mittels Trivialliteratur und Groschenheften in die „entnazifizierten“ Hirne gepflanzt wurden.


So erschien in Bremen 1956 von dem Vielschreiber („Nächtliches Ägypten“, „Unheimliches China“ etc.) Ernst F. Löhndorff der „Roman eines Rauschgiftes“ mit dem merkwürdigen Titel „Schwarzer Hanf“. Es geht natürlich um die „Marihuanapflanze“, das „Giftkraut“, „der schwarze Hanf“. Eine junge Frau entblößt sich schamlos vor allen Leuten auf dem Broadway inmitten von New York. „Was sie eben gesehen hatten, war die grotesk-düstere unfreiwillige Demonstration eines gefährlichen Rauschgiftes, das trotz aller Maßnahmen von Jahr zu Jahr in Amerika und sogar nun langsam in Europa beispiellose Triumphe feiert. Marihuana. Hergestellt aus der tabakähnlichen und auf gleiche Art behandelten und gerauchten Pflanze der „schwarzen Cannabis Indica“. Indischer Hanf.“ Im Orient von den „Wüstlingen“ und „den Massen der Armen“ geraucht, „wo es als „Haschisch“ oder „Bengh“ bekannt ist.“ „“Marihuana“, der Arzt, der eben das junge Mädchen untersucht hatte, stieß diesen Namen zornig aus, wie den seines ärgsten Feindes. Es war in der Tat sein ärgster Feind, den er mit allen Mitteln bekämpfte, wo immer er ihn traf.“ Dieser Jargon kommt einem wohlbekannt vor… „Er traf ihn oft. Nicht nur in anrüchigen Rauschgiftkneipen, sondern auch – und das war das Bedrohliche – unter den Girls und Boys der Highschools und Universitäten.“ Na klar, Muttis Lieblingen, den Stützen der Gesellschaft… „Wie er dieses Gift haßte, das in erschreckender Weise um sich griff! Das Gift, das aus jungen Leuten Verbrecher und Mörder macht, das sie körperlich und geistig ruiniert. Marihuana!“ (S.10/11)

Ja, entsetzlich! Es lohnt durchaus, die ganze hanebüchene Geschichte grob nachzuerählen. So taucht als Nächstes ein promiskuitives Südstaatenmädchen auf, das unter Marihuanaeinfluss auch nicht vor dem Verkehr mit „Negern“ zurückschreckt. Eines von vielen Beispielen aus allen Zeiten dafür, dass Rassismus und Antidrogen-Propaganda überall Hand in Hand gehen. Zurück in den „Happy Valley“ zu „Lizzy Horner“, die „erst zwanzig“ war, „ein gutgewachsenes, hübsches, rotblondes, von Natur aus gutmütiges Mädchen, nach dem sich so mancher junge Mann umdrehte. Kurz nach der Schulentlassung hatte Lizz durch ein Mädchen Marihuana kennengelernt. Sie ließ sich erzählen, daß alles Gerede über die Gefährlichkeit des Giftes Unsinn und Aberglauben sei. Und sie glaubte es nur zu gern. Jetzt war Lizz soweit, daß sie ohne Marihuana nicht mehr leben konnte. Sie war krank und elend, wenn ihr das Kraut einmal ausging.“ (S.36) Dem Schnaps ist sie zwar zusätzlich auch nicht abgeneigt, aber „Wer Lizz genau betrachtete und besonders in ihre unsteten blitzenden Augen mit den kleinen Pupillen sah, den überliefen Mitleid und Grauen. Solange Lizz nur eine oder zwei Marihuana-Zigaretten am Tage rauchte, war sie erträglich. Dann zeigte sie Negern gegenüber oft ein gutes Herz, schenkte den Kindern Lollypops und war glänzender Laune. Sobald sie aber mehr rauchte, wurde sie verrückt und schamlos.“

Und wie kann es anders sein: „Sie lief den Männern mit krankhafter Sucht nach. Es gab keinen Neger oder weißen Arbeiter im Umkreis, der nicht schon einmal mit Lizz hinterm Busch oder in ihrem Bett geschlafen hatte.“ (S.37) Zumindest versorgt sie sich teilweise selbst: „Vater und Tochter pflanzten sogar heimlich, inmitten ihres Maisackers versteckt, in eigenhändiger schwerer Arbeit ein Stück Land mit indischem Hanf an, der im Tennesseeklima gut gedieh. Sie ernteten, präparierten und schnitten das Teufelskraut und verkauften es in Bausch und Bogen, ohne daß jemand davon etwas erfuhr. Es hätte beiden zehn bis zwanzig Jahre Zuchthaus eingetragen.“(S.38) Und „Auch unter den halbwüchsigen Negern wurde Marihuana geraucht. Man kann es heimlich, aber fast überall in den Vereinigten Staaten auftreiben, in Zigaretten- oder tabakähnlichen Päckchen, und die Sucht greift erschreckend um sich. Besonders in den Großstädten…“ (S.39) „Schließlich rauchte sie eine Marihuanazigarette, und sofort überkam sie das wilde Verlangen nach einem Mann.“ (S.39) Ein harmloser zufällig von der Opossumjagd vorbeikommender „Mulatte“ namens „Washington“ soll quasi ihr Opfer werden. „“Verrückt bin ich nach dir, du Nigger!“ keuchte Lizz.“ (S.43) Eigentlich will der aber nichts von ihr, doch zu spät. Ihr Vater erscheint unerwartet auf der Bildfläche und Lizz kreischt „gellend: „Hilfe, Hilfe! Daddy, der Nigger will mich zwingen!““ (S.44) „Washington“ wird das „beklagenswerte Opfer grausamer Lynchjustiz“ (S. 57). „Lizzy Horner mußte sich im Staatssanatorium einer Rauschgift-Zwangsentziehungskur unterziehen. Diese Kur hatte wider Erwarten Erfolg. Nach einem Dreivierteljahr konnte sie als geheilt entlassen werden.“ (S.57)

Doch ein selbst nahezu weißhäutiger verbitterter junger „Neger“ namens „John“ verlässt die Gegend, beschließt sich, ob dieser Ungerechtigkeiten, nach seinem „Wahlspruch „Alle Weißen kaputtmachen““(S. 61) zu rächen und zieht über Chicago nach Haarlem/New York. Er steigt schließlich in den Marihuana-Schleichhandel ein. „John verdiente am Päckchen ungefähr hundert Prozent.“ Darfs noch ein bißchen mehr sein? „Die meiste Kundschaft hatte er unter den weißen Strichmädchen und deren Kavalieren. Aber es machte ihm nichts aus, seine Ware auch an Studenten, Studentinnen, Lehrburschen und andere abzusetzen, gleichgültig, ob es Weiße oder Farbige waren.“ (S.65) „Und die Sucht nach dem Rauch des schwarzen Hanfs breitet sich immer weiter aus, und Menschen werden reich am Unglück und der Schwäche anderer Menschen.“ (S. 67) Wo kommt das Zeug her? Natürlich aus Mexiko: „Der biedere Juan, oder mag er Pepe oder Estevan heißen, pflanzt wohlverborgen. Er erntet, trocknet und fermentiert ebenfalls geheim und streicht für das Kraut gute, klingende Pesos oder Dollars ein…Aber welches Elend in den Großstädten des nördlichen Nachbarn einreißt, das glaubt er nicht, und wenn man es ihm zehnmal erzählt. Pah, ein bißchen Marihuana!“ (S.78) Und „Während in Mexiko früher sich nur die Priesterkaste des schwarzen Hanfes bediente, ehe es allmählich unter den Indios volkstümlich wurde, kannte der Orientale seit langer Zeit sein Haschisch…Obwohl der Orientale eine unglaubliche Widerstandskraft gegen dieses Gift hat, machten sich doch die verheerenden Spuren allmählich bemerkbar.“ (S.79) Und die Regierungen kämpfen „im verseuchten Orient mit großer Energie“ und geringem Erfolg dagegen an, „denn das Gift wird immer wieder eingeschmuggelt.“

„Marihuana hat, besonders in den Vereinigten Staaten, anderen Rauschgiften wie Heroin und Cocain längst den Rang abgelaufen. An Marihuana, Tschärs und Haschisch wird viel Geld verdient. Und es gibt viele Menschen, die für Geld alles tun!“ (S.79) John baut schließlich einen internationalen „Ring“ auf. „John ging es vor allen Dingen ums Geld. Deshalb scheute er sich nicht, das Gift auch an Farbige, die der Sucht verfallen waren, zu liefern.“ (S.102) „John B. machte sich kein Gewissen über die tragische Rolle, die er spielte. Vielleicht war er auch noch zu jung, um übersehen zu können, daß er eigentlich ein gewissenloser, unsympathischer Verbrecher und indirekter Mörder Hunderter oder gar Tausender charakterschwacher Mitmenschen war.“ (S.107) Und das, während „Professoren, Ärzte, Lehrer und Polizei…aufklärende Vorträge in Schulen, Universitäten und am Rundfunk über die Gefahren von Rauschgiften, insbesondere von Marihuana“ hielten. „Einhundertachtzig Millionen Menschen wurde wieder einmal, wie schon so oft, an Hand drastischer Beispiele vor Augen geführt, welch schleichende Sucht am Mark Uncle Sams zu zehren begann.“ (S.107) Dass es auch anders geht, beweist die Geschichte von zwei Mädchen aus dem Internat, die die lokalen Marihuanaraucher an die Polizei verpfeifen: „Campbell College war frei von der Seuche. So helfen und halfen sich viele junge Leute in Amerika! Denn die Vereinigten Staaten sind trotz allem eine prächtige, junge und tatkräftige Nation.“(S. 116) Da habt Ihr´s! Währenddessen floriert „Johns Ring“. Er kauft Marihuana aus Mexiko und Asien, läßt über San Franzisko einschmuggeln und liefert sogar bis nach Nordafrika und Ägypten: „Jedes einzelne Säckchen wurde mit Etiketten, auf denen entweder Hitler oder Stalin in Rednerpose zu sehen waren, versehen. Der unergründliche Sinn der dortigen Raucher verlangte nämlich diese Bilder. Dies ist Tatsache. Die meisten Haschischpäckchen in Nordafrika wiesen diese Bilder auf.“(S.118) John eröffnet „in verschiedenen Großstädten bessere Bierlokale“,“die in Wahrheit Rauschgiftparlours waren; in ihren gut eingerichteten Kellerräumen fanden die Interessenten alle Bequemlichkeiten, um ihrem Laster zu frönen. Hand in Hand arbeitete mit dem Marihuanavertrieb der internationale Mädchenhandel. Auch das war Johns Werk.“ (S. 120)

Während „Lucky John“ nun mittlerweile mit einer Weissen namens Maybelle liiert ist, die nichts von Johns schwarzer Herkunft und seinen dunklen Machenschaften ahnt, und auch noch Vater wird, sorgt Johns Ring dafür, dass „eine Anzahl junger, blonder Mädchen, die dem Rauschgift verfallen waren“ aus Deutschland in „verschiedene jener dunklen Häuser in Rio und anderswo, aus denen nur in den allerseltensten Fällen eine Rückkehr möglich ist…“ (S.121) verbracht werden. John reist nach Port-au-Prince um auf der „Vudu“-Insel Haiti einen neuen „Stapelplatz“(S. 129) für Marihuana zu eröffnen. Dort wird er mit seiner schwarzen Herkunft konfrontiert und nimmt an einem ekstatischen blutrünstigen „Vudufest“ teil. In den Bergen werden ihm die „Zombies“, „ausgegrabene Leichen“ gezeigt, die auf den Feldern arbeiten, und er erfährt von seiner Führerin Jaqueline: „Bei uns auf Haiti wäre mit Marihuana kein Geschäft zu machen. Wir haben andere Mittel, die außer uns niemand weiß.“ (S.144) Welche erfährt er nicht. Dafür zeugt er, von ihr verhext, mit ihr „ein kleines, schwarzes Negerlein!“(S.153). Sie lässt ihn dann allerdings doch zurück zu seiner Frau fahren, und die „Erinnerung an Jaqueline verblaßte immer mehr in seinem Gedächtnis. Ihm war es als hätte er einen seltsamen, gefährlichen Traum gehabt. Die Geschäfte blühten.“(S.149) „mehr und mehr faßte die Rauschgiftsucht nun auch in Europa festen Fuß.“ Außerdem ist er nun auch noch einer der Größten im Geldautomatengeschäft geworden, auch in „Westdeutschland“. „Viele Jahre verstrichen. Das Geschäft wuchs trotz mancher Rückschläge.“ (S.154)

Währenddessen wächst seine „weiße“ Tochter „Iris“ „zu einer reizvollen, jungen, hübschen Dame heran“. (S.160) Maybelle macht sich Sorgen um ihre Tochter, wegen der „Gefahren für die heutige Jugend“ (S.154). Zu Recht, denn sie raucht mit sechzehn „ihre erste Marihuanazigarette. Sie wurde von einer Freundin verführt…Nach dieser ersten Zigarette, die ihr nicht sonderlich bekam, rauchte sie eine zweite, dann eine dritte, bis sie auf den Geschmack kam. Iris befand sich plötzlich im Kreise leichtsinniger junger Menschen, die – wie sie sagten – modern wären und die veralteten Ratschläge ihrer spießigen Eltern nicht brauchten, da sie selber genau wüßten, wie man das Leben meistere und genieße. In den meisten Fällen waren es Jugendliche, deren Erzeuger reich waren und die sich nicht viel um ihre heranwachsenden Kinder kümmerten.“(S.160/161) „Die Alten wunderten sich manchmal, warum ihr Junge oder ihre Tochter so nervös und zerfahren war, schrieben dies aber achselzuckend der schnelllebigen, unruhigen Zeit zu.“ (S. 161) Der Abstieg ist nicht aufzuhalten; trotz reichlich Taschengeld belügen und betrügen sie ihre ahnungslosen Eltern, um ihrer heimlichen Leidenschaft zu frönen. „Iris war eine der Tollsten…Geschickt verbarg Iris daheim ihre häufige Müdigkeit und nervöse Überreiztheit hinter dem Wort „Migräne“…In Wirklichkeit aber lag sie, schwer verkatert, in ihrem Bett und lechzte nach Whisky und Marihuana.“(S. 162) Eines Tages gibt sich Iris mit ihrer Freundin „Daisy“ in „Tiger Browns“ „unterirdischem Marihuanaparadies“(S.180) an der Bowery die Kante: „Die Platte spielte jetzt einen dröhnenden Rumba. Schwer und widerlich süß wogte der Rauch des schwarzen Hanfes…“ (S.173) Iris lässt sich von der Kneipe mit dem Taxi zum Broadway fahren: „Sie fühlte sich keineswegs betrunken. Ein anderes Gefühl beseelte sie, ein tolles, unbändiges Gefühl, das keine Hemmungen kannte. Wenn sie jetzt ihre ärgste Feindin und einen Revolver dagehabt hätte, so würde sie ihr lachend sechs Kugeln in den Bauch gejagt haben. Marihuana macht stark und mächtig und rücksichtslos…“ (S.178) Iris landet auf dem Broadway und „tanzte den Tanz, der sie ins Sanatorium bringen und ihre Eltern ins Unglück stürzen sollte…“ (S.178)

Monate später, nach dem Sanatoriumsaufenthalt, verfällt Iris wieder dem Marihuana und dem „Mulatten“ „Ray“, mit dessen Rennauto sie über die Strassen jagen: „“Darling, wollen wir das Marihuanarauchen lassen? Ganz und gar? Eine Kur machen? Endgültig?“ „Ganz und gar. Aber du mußt mich liebbehalten. Oh, Ray…“ So fuhren sie dahin. Marihuana, das sie sich vor wenigen Minuten abgeschworen hatten, lenkte Rays Hand und trieb seinen Fuß auf den Gashebel. Keiner sagte ein Wort. die Nacht duftete. Die Zikaden zirpten. alles sang, rauschte und glänzte. „Schneller, Ray“, flüsterte Iris heiser.“ (S.183)“ Natürlich müssen sie jetzt verunglücken: „Als sie Rays Wagen…wie eine Ziehharmonika zusammengepreßt…näher untersuchten, fanden sie ihn und Iris, Arm in Arm, ein Lächeln auf den toten Gesichtern.“ (S.184) Vadder John gerät in eine schwere Krise. „Er würde Maybelle alles sagen, er würde ihr sagen, daß er ein Neger ist, daß er der Rauschgifthändler, Bordellkönig und Geldautomatenbesitzer war…Was gingen ihn noch die Weißen an. Mochten sie nach ihrer Art leben, er war ein Neger und hatte sein weißes Dasein teuer bezahlt. Erst mit Iris, die in den Armen eines Farbigen gestorben war, dann mit Maybelle. Denn sie würde ihn verlassen.“ John will sich der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge offenbahren und dann nach Haiti auswandern, denn „dort singen und arbeiten die Neger in den Feldern, und eine Negerregierung wacht über sie.“ (S.187) Doch da bekommt er Besuch, einen Killer seines alten Geschäftspartners „Bronson Howard“: „Knackend schoß eine rotgelbe Flamme aus dem Schalldämpfer, wühlte sich blitzschnell in Johns Herz und warf ihn wie eine schlaffe Puppe auf den Teppich…“ (S.188) Doch „Irgendwo in einem warmen Land“ „wiegt sich im sanften Wind die raschelnde Marihuanapflanze, und überall duftet es nach Blumen und Erde.“ (S.189)

Natürlich nahm sich auch einer der langlebigsten und wohl erfolgreichsten Kriminal-Groschenroman-Helden des Themas an: Der kettenrauchende, doppelte Whisky ohne Soda bechernde und Jaguar fahrende „G.-man Jerry Cotton“, der Spezi vom FBI. Im 1958 in Bergisch-Gladbach erschienenen Band 57 „Finger weg von solchen Sachen. Ein Wahnsinniger hält Amerika in Atem.“ geht es selbstredend um Marihuana, den Mord an einem „rauschgiftsüchtigen“ Jungen namens „Joe Backley“ und den Selbstmord seiner Freundin „Margy Leccon“. „Bei den jungen Leuten ist diese verdammte Marihuanasucht leider sehr weitverbreitet.“(S.41) Der Schlüssel zu dem Fall ist das Tagebuch von Joe: Als Redakteur einer Schülerzeitung am „Sco-Marven College“ versucht er für einen Artikel in die Abgründe des lokalen Marihuanahandels vorzudringen: „Wieder Smoky Klub…Das Vorspielen neuer Schallplatten ist nur ein Vorwand für die Leutchen, um für einen Marihuana-Rauchabend zusammenzukommen.“ (S.42) „Nach dem sechsten Whisky“ probiert Joe eine „Marihuanazigarette“. „Ich weiß nicht mehr, wie es war, aber es muß irgendwie sehr schön gewesen sein. Ich fühlte mich so frei, so überirdisch gelöst. Gar nicht zu beschreiben. Ich weiß, daß ich dem Teufel auf die Schippe gestiegen bin.“ (S.43) Er hat Angst süchtig zu werden, aber er hat ja seine Freundin Margy, die ihn notfalls „in eine Entwöhnungsanstalt bringen lassen“ wird, bevor „ich mich durch das Gift runiere“. Doch es kommt heftiger als gedacht: „Ich bin süchtig…Heute morgen hielt ich es nicht mehr aus. Ich habe mir mit den Fingernägeln den Hals blutig geschunden, so verrückt machte mich die Gier nach dem Gift.“ Er erkennt die Lage: „Heute geht es mit einer Marihuanazigarette täglich los. In einer Woche sind es täglich schon drei. Und nicht genug. Sieben, elf, fünfzehn, ein ganzes Päckchen. Und der Körper gewöhnt sich an immer gößere Giftrationen und verlangt immer mehr. Es ist als ob man einen Teufel in sich drin sitzen hätte, der einen langsam, aber sicher auffrißt.“(S.43) Die anderen Süchtigen haben natürlich auch faule Ausreden auf Lager, „es wäre gar nicht so schlimm, und gesundheitsschädlich wären die Zigaretten genau nicht mehr als jede normale Zigarette und so weiter. Dabei kann man es ihnen schon ansehen, wenn man Bescheid weiß.“ (S.44)
Die Erwachsenen kriegen natürlich nichts mit: „Ich verstehe nicht, wo die Erwachsenen ihre Augen haben. Dauernd reden sie davon, daß sie für uns da sind, wenn wir sie brauchen, und daß sie uns immer helfen wollen. Ja, sehen sie denn alle nicht, in welcher heillosen Klemme ich sitze?“ (S.45) Joe findet heraus, daß der vier Jahre ältere und erheblich gewichtigere „Beel“ an der Schule mit Marihuana handelt. Der ist ihm längst auf die Schliche gekommen, vermöbelt mit seinen Kumpanen den armen Joe für seine Schnüffelei und höhnt: „Zuerst wollten wir dich umlegen. Aber das ist viel zu viel Aufwand. Du verreckst ja sowieso in einem Jahr oder in einem anderthalben. Ich hab´ dich jetzt soweit, daß du von den Zigaretten nicht mehr loskommst. Dein ganzes Leben nicht mehr.“ Und zur Strafe gibt´s ´ne kleine Preiserhöhung: „Für dich kosten sie nämlich von jetzt ab zwei Dollar mehr. Klar?“ (S.45) Und dann wird noch gedroht: „Wenn du dir je einfallen läßt, irgendwem was zu erzählen, was uns schaden könnte, dann schwöre ich dir, daß Margy von uns süchtig gemacht wird…Gibt sicher genug Männer, denen sie gefallen würde, wenn sie mal zahlende Freunde brauchte.“(S.46) Joe ist mit den Nerven am Ende. Er bestiehlt sogar seine Mutter. „Ich weiß nur, daß ich meinen eigenen Vater umbringen würde, wenn die Gier nach diesem verdammten, dreimal verfluchten Gift mich packt“. Schliesslich will sich Joe vollkommen verzweifelt „morgen“, wenn zwei „G-men“ vom FBI in der Schule auf Besuch vorstellig werden, verhaften lassen. Falls er vorher von Beel und seiner Bande ermordet werden sollte, soll sein „Tagebuch vor versammelter Schülerschaft vorgelesen werden. Vielleicht kann es diesen oder jenen abschrecken, der auf den törichten Gedanken kommen könnte: eine Marihuanazigarette könnte gar nichts schaden. Es bleibt nie bei einer. Und der Weg führt in die schlimmsten Höllen, die man sich nur vorstellen kann.“(S.47)

Jerry Cotton ist erschüttert : „Joe. Kamerad. Du wolltest auf deine Art gegen das übelste Verbrechertum der Welt kämpfen. Du mußtest in diesem Kampf unterliegen, wie so viele brave und tapfere Kameraden schon unterlagen und ihr Vorhaben mit ihrem Leben besiegelten. Aber daß dein Opfer nicht umsonst sein wird, daß schwöre ich dir, Joe. Das schwört dir der ganze FBI. Die letzte Runde werden wir gewinnen, und sollte ich dir dabei ins Grab folgen müssen.“ (S.47) Und er zündet sich eine Kippe an und rast mit dem Jaguar von dannen. Zwischendurch muss er allerdings noch ein Kind aus den Fängen eines völlig wahnsinnigen, von weißen Engeln faselnden Entführers namens „Baby Killer Jackson“ befreien. Aber wie der Zufall es will, stammt der Wahnsinnige aus dem selben College wie Joe und er hat „Marihuanazigaretten“ bei sich. „Ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren hatte sich mit Marihuana bis in den Wahnsinn geraucht und war als Geistesgestörter zum schlimmsten Kindermörder seit Jahrzehnten geworden.“ (S.56) Jetzt ist Beel fällig. Er wird gestellt und gnadenlos verhört. Man legt ihm die Bilder der Kinder vor, „von Jackson ermordet im Marihuanawahn“ (S.61), und er wird geständig. Er schreibt die Namen seiner Kunden auf. „Sechsundvierzig Jungen zwischen jünfzehn und einundzwanzig Jahren. Und jeder einzelne hatte mit dem verflucht dummen Satz angefangen: Bloß mal sehen, wie das ist! Nur eine! Und alle sechsundvierzig waren süchtig geworden. Und vor uns saß einer, der an ihrer Sucht verdient hatte. Der Geld gescheffelt hatte, indem er andere rauschgiftsüchtig machen lasse.“ (S.61/62) Nun wollen sie noch wissen, wer der Marihuanalieferant war, und am nächsten Tag nehmen sie den Oberschurken in der Schule fest und führen ihn vor den Schülern ab, damit „der Henker“ sein Werk vollziehen kann (S.63) : Es handelt sich um „Mister Leyton“, den vierzigjährigen Schulleiter mit „den begrüßenswert modernen Ansichten“ (S.5). Zum Abschluss werden Joe und Margy beerdigt. „Es gab keine Ansprache. Die hielt Beethovens Musik.“ Das Tagebuch wird vorgelesen. „Ich glaube, daß es niemals eine eindringlichere Mahnung und Warnung vor Rauschgiften gegeben hat…Wir legten unseren Kranz vor den beiden Särgen nieder und zupften die Schleife auseinander: Der FBI – seinen zwei gefallenen Kameraden. Dann stahlen wir uns leise hinaus.“ (S.63)


Auch in der DDR interessierte man sich etwas verspätet wahnhaft für „Marihuana“, wie der gleichnamige Titel 63 von Heinz Engelke aus der „Kleinen Erzählerreihe“ beweist, der 1965 im Deutschen Militärverlag in Berlin in einer Erstauflage von 100.000 Heftchen erschien. Der langweilige Krimi spielt im kapitalistischen New York. In der interessanteren Nachbemerkung heißt es: „“Hast du Khif?“ flüstern Jugendliche an den Straßenecken, in Bars und Kellerstampen, vor Drug-stores und auf den Schulhöfen New Yorks, Münchens, New Orleans und Hamburgs. Khif – das ist die Traumzigarette – das ist Marihuana. Eine Marihuana-Zigarette ist teuer, sie kostet fünf Westmark“ Ohauahauahaua „oder einen Dollar, man braucht Geld, um sie „genießen“ zu können. Wer kein Geld hat und dem Gift verfallen ist, besorgt sich Geld. Im Gefolge dieses gefährlichen Giftes befinden sich Raub und Mord. Fünfzig Prozent der Morde in seiner Stadt seien auf den Genuß von Marihuana zurückzuführen, erklärte…ein bekannter Staatsanwalt aus New Orleans…Marihuana gehört zu den gefährlichsten Rauschgiften, deren Genuß Traumbilder weckt. Es vergiftet den Körper systematisch und macht den Menschen – wie auch der Genuß von Heroin, Morphium und Opium – zur Kreatur.“(S.30) Die Ursachen für das Problem sind offensichtlich: „In Ländern, wo Senatoren und hohe Politiker den Einsatz der schrecklichsten Waffen predigen und fordern, sehen die Menschen keine Zukunft, haben sie keine erstrebenswerten Ideale. Der Jugend bietet die offizielle Politik keine Perspektive. Sie sieht keinen Sinn in ihrem Dasein. Und so stehen die Jugendlichen an den Straßenecken, sitzen in Bars und Kellerstampen, nachdem sie sich Geld „besorgt“ haben, und flüstern: „Haben Sie Khif oder Stoff?““ (S.31)