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Cannabis

Cannabis und Straßenverkehr

Cannabis und Straßenverkehr

Hanfblatt, März 2008

Knüppelschaltung oder Fahrrad

Welche Fehler fahrende Kiffer in Polizeikontrollen und danach machen

Eines der größten Probleme für Menschen, die ab und zu Cannabisprodukte genießen, ist das unfreiwillige Zusammentreffen mit der Polizei. Dies ist vor allem dann unangenehm, wenn neben den möglichen Problemen mit Eltern oder Arbeitgeber plötzlich der Führerschein in Gefahr ist. Aber wer sich einige Regeln und Tipps rund um Rauschhanf und die kraftfahrzeuggestützte Lebensweise zu Herzen nimmt, der lebt weiterhin glücklich und mobil.

schutzmann

Die Landstraße rollt unter einem hinweg, die Sonne lugt zwischen den Wolken hervor, ein geschenkter Tag geht seinen freundlichen Gang. In der nahen Ferne kündigt eine rot-weiße Pilonenreihe Ungemach an. Eine Kelle winkt, man bremst, „Verkehrskontrolle“ steht auf einem dreieckigen Schild. Schon in diesen ersten Sekunden entscheidet sich sehr viel. Erster Tipp: Ruhe bewahren, einmal tief einatmen, langsam ausatmen. Man wird kontrolliert, das heisst zunächst einmal, dass man die Kontrolle behalten soll.

Die Maxime heißt: Den Gegenüber einschätzen, genau so, wie dieser das ja auch tut. Beamte spulen ein Routineprogramm ab, das mit Schubladen arbeitet. 1. Schublade: Das Automobil. Stichworte: Freakiger VW-Bus mit langhaarigen Bombenlegern als Insassen. Alter Mercedes mit Peace-Zeichen. Tiefer gelegter Golf mit wummernden Techno-Bässen. Die Musikwahl kann entscheidend sein, leise Klassik lässt Pflanzen blühen und beruhigt vielleicht Beamtenhirne. Der erste Eindruck zählt. Einige Polizisten sehen es nicht so gerne, wenn man ihnen bei der Kontrolle entgegenkommt und aus dem Wagen steigt. Die USA lassen grüßen, dort muss man sitzen bleiben. Auf der anderen Seite ist Aussteigen proaktives Verhalten und kann damit Teil der angesprochenen Souveränität sein.

2. Schublade: Der Kontrollreigen beginnt fast immer mit der Aufforderung, Fahrzeug- und Führerschein vorzuzeigen. Diese Papiere sollten ohne viel Gefummel zugänglich sein. Oft kommt parallel die Frage, ob man etwas getrunken oder sonstige Rauschdrogen zu sich genommen hätte. Nun muss der Fahrer zwei Dinge gleichzeitig tun, Stresshormone fluten an. Da heisst es wiederum Ruhe bewahren, ruhig antworten, alles vorzeigen. Sind die Papiere in Ordnung, der Beamte aber gelangweilt oder hat er aus irgendeinem Grund Verdacht geschöpft, geht die Aktion in die nächste Runde. Der Verbandskasten dient als Enterhaken, um den Fahrer aus dem Auto zu ziehen. Ein aufgeräumtes Mobil, vor allem aber ein leicht zugänglicher (nicht durch Gepäck verbauter) und vollständiger Verbandskasten sind jetzt wichtig. Letztlich prüft der Beamte damit nicht nur den technischen Zustand des Autos, sondern auch den motorischen Zustand des Chauffeurs. Fast unnötig zu erwähnen: Gerötete Augen sind eine schlechte Sache, unsicheres Verhalten sowieso.

Ist bis hierhin alles gut gelaufen, sollte der Beamte nun eine gute Weiterfahrt wünschen. Fordert der Schutzmann allerdings zum Tanz auf oder lädt gar in den Dienstwagen ein ist die 3. Schublade erreicht. Ab hier weiß man, dass dem Beamten irgend etwas spanisch vorkommt. Schwierig, aber umso wichtiger ist es nun weiterhin die Ruhe zu bewahren. Manches Mal wird dem Proband vorgeschlagen einen motorischen Test zu absolvieren. Beliebt ist beispielsweise das Zusammenführen der Finger auf Nasenhöhe mit gestrecktem Arm. Gerne wird auch der so genannte Romberg-Test angewandt. Dabei soll der Betroffene nach einem Startzeichen der inneren Uhr folgend 30 Sekunden abzählen. Wichtig ist: Kein Menschen muss diese Tests über sich ergehen zu lassen. Die meisten Anwälte raten dazu, diese Tests zu verweigern, vor allem dann, wenn man in der letzten Zeit tatsächlich Cannabis konsumiert hat. Denn fällt man durch wird die Angelegenheit vor Gericht meist noch arger. In manchen Bundesländern ist es durchaus üblich, den Delinquenten bei Verdachtsmomenten gleich vor Ort in ein Röhrchen pinkeln zu lassen oder dessen Haut mit der Drugwipe abzustreichen. Gerne werden auch Feuerzeug, Schlüssel oder Portemonnaie mit den sensiblen Drogen-Detektoren kontrolliert. Wer Stunden vorher wild gebröselt und sich nicht gründlich die Hände gewaschen hat, der wird den Ausschlag auf den Streifen gut erkennen können. Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen. In die 4. Schublade sollte man möglichst nicht fallen, denn auf deren Etikett steht „Eindeutiger Kiffer“.

Um vom Kiffer-Verdacht abzulenken geben einige Fahrer an, Alkohol getrunken zu haben, selbst wenn dies gar nicht der Fall ist. Denn: Erwähnt man den Konsum auch nur einer kleinen Menge Bier, Wein oder Wodka Red-Bull sind die Beamten verpflichtet zum Pusten zu laden. Dies kann ein gewitztes Manöver sein, auf der anderen Seite wird die Zeit, die man mit den netten Damen und Herren in Uniform verbringen darf, dadurch erheblich verlängert. Stellt man dabei im Umgang ungeschickt an, wächst die Gefahr auf andere Substanzen überprüft zu werden. Das Zauberwort heißt Souveränität. Und damit ist nicht Selbstüberschätzung gemeint. Dazu neigen viele Kiffer eh nicht, aber seien wir ehrlich: Viele Menschen der heutige Zeit leben polytoxisch, haben also zumeist zum Joint eh ein Bier genossen. Souveränität bedeutet, einen offenen, selbstbewussten Umgang mit den Ordnungshütern zu pflegen. Verhuschtes in die Ecke drücken, verblödetes Gekichere oder fahriges Rumnesteln an Jacke und Portemonnaie sind zu vermeiden. Großkotziges Alki-Gelaber natürlich ebenso. Wer eh zu nervösen Handlungssträngen neigt, sollte sich des schlechten Eindrucks auf Staatsdiener bewusst sein. Gerade jüngeren Polizeibeamten braucht man mit kessen Sprüchen meist nicht kommen.

An dieser Stelle sei der Schauplatz des automobilen Straßenverkehrs kurz verlassen. Denn auch, wenn man als Radfahrer oder Fußgänger mit Gras oder Haschisch von der Polizei aufgegriffen wird, ist der Lappen in Gefahr. Oft gibt die Polizei ihre Erkenntnis über den Spaziergänger an die zuständige Führerscheinstelle (oft das Landratsamt) weiter. Die Damen und Herren dort werden sich nun fragen, ob eine Kraftfahreignung überhaupt gegeben ist und dies gegebenenfalls überprüfen.

Aber zurück zu unserem Auto- oder Motorradfahrer. Der nächste Schritt auf der Eskalationsstufe ist die Blutabnahme durch einen Arzt. Hier hilft kein Zetern, die muss man über sich ergehen lassen. Gemotze und Gejammer hilft sowieso nicht weiter, denn das Blut wird dadurch nicht sauberer. Nachdem man um eine Spritzenfüllung Lebenssaft erleichtert wurde wird man wahrscheinlich mit Bus oder Bahn nach Hause fahren müssen. Es folgen Tage, Wochen und Monate der Unsicherheit, denn die Behörden lassen sich meist Zeit.

Was für Folgen drohen, sollte die Analyse tatsächlich THC im Blut aufgespürt haben? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Nach rund 2-3 Wochen liegt der Polizei das Ergebnis der Blutuntersuchung vor. Dieses gilt es möglichst schnell in Erfahrung zu bringen, denn davon hängt das weitere Vorgehen ab. Zwei Werte sind entscheidend: Zum einen der Wert der THC-Carbonsäure (THC-COOH). Dieses Abbauprodukt ist im Urin bei starkem Konsum bis zu drei Monate, im Blutplasma bis zu vier Wochen nachweisbar. Zum anderen ist dies der Wert des THC-OH. Dieses Abbauprodukt ist nur wenige Stunden nach dem Konsum nachweisbar, es wird gerne auch „aktives THC“ genannt. Mal ganz abgesehen von den Maßnahmen, die die Polizei vollziehen möchte, weil aus ihrer Sicht eventuell eine Straftat vorliegt – sie wird den Vorgang auf jeden Fall an die Führerscheinstelle weiter leiten. Diese kann drei verschiedene Instrumente einsetzen – und diese sind abhängig von den oben genannten Werten.

  1. Die MPU. Die „Medizinisch Psychologische Untersuchung“ wird durchgeführt, wenn die Damen und Herren vor Ort davon ausgehen, dass der Führerscheininhaber aufgrund seines nachgewiesenen THC-Konsums nicht geeignet ist ein Fahrzeug zu führen. Die MPU besteht aus einem medizinischen Test, einem Reaktionstest, einem Gespräch mit einem Psychologen und einem Drogenscreening. Wichtig ist: In der MPU muss man durch einen sogenannten Abstinenznachweis zeigen, dass man in den letzten Monaten sauber gelebt hat.
  2. Das ärztliche Gutachten. Dieses wird angeordnet, wenn die Führerscheinstelle erst einmal prüfen will, ob eine MPU durchgeführt werden soll. Das ist oft der Fall, wenn nur eine geringe Menge von THC im Blut gefunden wurde. Das Gutachten ist also eine Art Vorstufe zur krasseren MPU. Bei einem ärztlichen Gutachten überprüft ein Arzt über einen längeren Zeitraum, ob man Cannabis oder andere Drogen konsumiert.
  3. Screening. Bei den sogenannten Screenings wird man einmal oder auch mehrmals sehr kurzfristig zu einem Drogenscreening eingeladen.

Einige Fallbeispiele verdeutlichen, was nun folgen kann. Fangen wir mal bei dem kleinstmöglichen Schaden an, nennen wir ihn Fall 1: Die Blutuntersuchung ergab kein aktives THC, wohl aber eine THC-COOH von 3 ng/ml. Damit weiß man, es ist lange her, dass dieser Fahrer gekifft hat. In den meisten Fällen drohen hier keine weiteren Konsequenzen, man darf weiterhin die Gegend mit dem fahrbaren Untersatz unsicher machen. Schon anders sieht es im zweiten der Beispielfälle aus: Findet die Polizei nämlich wiederum kein aktives THC, wohl aber THC-COOH in einer Konzentration zwischen ungefähr fünf und 75 ng/ml ist aus Sicht der Behörden deutlich, dass dieser Fahrer im letzten Monat mindestens einmal, wahrscheinlich aber öfter gekifft hat. Man wird also die Fahreignung anzweifeln und ein ärztliches Gutachten, mit etwas Glück aber keine MPU einfordern. Fall 3: Wiederum kein aktives THC, aber eine Menge von mehr als 75 ng/ml THC-COOH. Konsequenz: Der Lappen wird eingezogen. Die Behörde denkt, dass regelmäßig konsumiert wird, daher wird eine MPU angeordnet. Der vierte und häufigste Fall: Im Blut findet sich sowohl aktives THC wie auch ein Wert von mehr als fünf ng/ml Blut THC-COOH. Damit ist aus Sicht der Beamten klar, dass der Fahrer in den letzten Stunden vor Fahrtantritt einen Joint geraucht hat. Wenn keine erschwerenden Ausfallerscheinungen dazu gekommen sind (Schlangenlinie oder gar ein Unfall) ist dies eine so genannte Verkehrsordnungswidrigkeit. Das bedeutet zunächst: Ein Monat Fahrverbot, vier Punkte in Flensburg, Bußgeld, Auslagen der Polizei bezahlen. Kosten: Rund 600 Euronen. Den Führerschein gibt es erst wieder, ja, man ahnt es, nachdem man die MPU bestanden hat.

Über das geschmeidige Durchgleiten durch diesen legendären Test wurden schon ganze Bücher verfasst, im Internet kursieren Tipps. Das wichtigste ist zunächst einmal: Wer Lust auf mobilen CO-2 Ausstoß hat sollte sofort jeglichen Cannabiskonsum einstellen. Es wäre fatal während einem – auf welche Zeit auch immer befristeten – Fahrverbot munter weiter zu rauchen. Denn im Rahmen der MPU verlangt die Behörde später den Nachweis, dass man mindestens sechs Monate clean gewesen ist.

Die oben genannten Fälle decken nicht das gesamte Spektrum der Möglichkeiten ab, denn die Länderbehörden agieren unterschiedlich. Erschwerend kommt hinzu, wie oben bereits erwähnt, wenn während der Kontrolle Cannabis im Wagen oder am Körper gefunden wurde. Dann ist die Wurst warm, denn die Verwaltungsgerichte berechnen Konsumeinheiten und sind recht erfolgreich darin vor Gericht zu beweisen, dass man viel mehr rauchen würde als man selbst angibt.

Die Fünf „Nie“ im Straßenverkehr

  • Nie unter Cannabiseinfluss ein Auto, Motorrad oder Fahrrad steuern. Verwaltungsrechtlich auf der sicheren Seite ist man erst, wenn zwischen Konsum und Fahrtantritt 48 Stunden liegen.
  • Nie Cannabis im Auto mitführen. Denn das zeigt den Beamten, dass hier anscheinend ein Kiffer fährt und später dem Richter, dass jemand nicht in der Lage war, Konsum und Kraftfahren auseinander zu halten.
  • Nie besonders witzig, besonders eloquent oder besonders sonderlich rüberkommen. Denn: Du-bist-normal.
  • Nie den Konsum von Cannabis oder anderen Rauschmitteln zugeben. Auch nicht, wenn dies ein Monat oder Jahr her ist.
  • Nie vergessen: Das Fahrrad ist nicht nur das Fortbewegungsmittel mit der höchsten Energieeffizienz, seine Aktivierung führt auch zu Fitness und einem Wahnsinns-CO2-Karma.

 

 

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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