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Ja, Mann, heute ist Hanffest

Das grüne Band der Sympathie

Mit einem Fan auf dem Hamburger Hanffest

Hanfblatt, 30.07.2000

Ja, Mann, heute ist Hanffest und nichts in der Welt wird mich vom Besuch dieses Mega-Events abhalten. Leute anschauen, Fotos schießen, 20 Hanfburger in mich reinfuttern. Zunächst trage ich aber erst mal für Freunde Möbel von einer Wohnung in die andere und bin damit schon Teilnehmer eines Umzugs. So verpasse ich den anderen, Mann. Egal, das Samstags-Fest im Schanzenpark ist ohnehin der Höhepunkt der dreitägigen Feier – jedenfalls für mich. Ok, Mann, ich hätte mir auch den honorigen, aus der Versenkung auftauchenden Günther Amendt reinziehen können, der keine Zukunft ohne Pharma-Drogen sieht. Hui! Oder den Anwalt des Rechts, Uwe Maeffert heißt er glaube ich, der die Strafverfolgung beäugt. Der Info-Kiffer kommt auf seine Kosten dieses Jahr. Da darf sich niemand beschwerden, Mann, von wegen „was soll ich denn auf dem Fest?“. Gesundheitskräuter der besonderen Art erfreuen meine Einheit als ich dies denke und der Sternschanzenbahnhof spuckt aus seinem Rot-Klinker-Maul stetig neue Fans aus.

Der letzte Wagen der Hanf-Parade biegt um die Ecke, yes, Mann, ich bin noch rechtzeitig. Das rhythmische Grunzen von Papa Bär klingt aus der Ferne und gibt die Richtung vor. Vier Keulen, Mann, der Typ wirft vier Keulen in die Luft und fängt sie sogar wieder. Welch ein luftiger Einlass und ich friemel die Kamera aus der Tasche. Kein Film im Apparat. Eine sich im Gras wälzende Oma hilft weiter und zaubert einen Kodak 200 ASA aus der Kunstkroko-Tasche. Hey, genau das was ich brauche und ich knipse was das Zeugt hält. Der Jongleur möchtet ein Exemplar der Zeitschrift, wenn denn sein Foto erscheint. Ich verspreche ihm das Blaue vom Himmel herunter.

Und dieser Himmel zeigt endlich Gnade und lässt das Fest in trockenen Tücher. Wieder inhaliere ich die vietnamesischen Gesundheitskräuter. Liebliche Stimmung umhüllt das Festchen, mich und auch die Hunde. Das scheint auch Christian Rätsch, Kenner vieler Kräuter, zu spüren als er sagt: „Fragt die Pflanzen!“ Wow, echter Heidenspruch, könnten sie es hören, würde dem Sprengelvorstand der nordelbischen Gemeinde ganz anders werden. Kein schlechter Trick, und ich frage die asiatischen Highflyer in meinem Jute-Beutel „Wohin jetzt?“ Die Antwort: „Und so soll er sich zum Hot-Dog Stand begeben, um toten Darm in sich zu schlingen!“ Wow, es funktioniert, Mann, und der Hot-Dog Stand ist keine zehn Schritte entfernt. Dieser Schanzenpark eignet sich vortrefflich zur Etablierung einer temporär autonomen Zone. Hier, wo die Gesetze außer Kraft sind und doch ein innerer Zusammenhang die Ordnung erhält. Deswegen fehlen trotzdem die Röstzwiebeln auf der Schweine-Wurst. Voll krass, Hot-Dog ohne Röstzwiebeln. Ich esse nur drei.

Das Völlegefühl schubst mich kurz Richtung Paranoia: Gleich kommen die Bullen und sacken alle Leute ein. Gut, dass ich Jan treffe, ein nicht ganz so größenwahnsinniger Obrigkeitsanbeter wie ich. Aber bei bester Laune ist er auch nicht: „Kein Haschisch hier am Start, ich habe zehn Leute gefragt, aber keiner kann mir was verkaufen.“ Die Rettung naht wie so oft als Frau. Sie baut aus indischen Gewürzen eine befriedende Zuckertüte und die Augen des Jan leuchten. Ich ziehe meinen Fan aus der Tasche und mit sanftem Brummen fächel ich mir etwas Atmosphäre zu.

„Ich sehe keine Bewegung“, an diesen Satz erinnere ich Hans-Georg Behr, den Mediziner, bekennenden Kiffer und Autor des 2001-Klassikers „Von Hanf ist die Rede“. Er zeigt sich trotzig und sieht auch weiterhin keine Bewegung in der Cannabis-Politik, läuft aber trotzdem über das Fest. Nun gut, hier bewegt sich doch aber was, das Hanffest ist so gut besucht wie nie, die Leute knutschen, Seifeblasen fliegen durch die Luft, Mann. Die laute Musik macht ein Gespräch schwierig, wir verabreden uns für später. Yeah, Mann, nicht nur ein gutes Fest, auch einen weiterer Auftrag eingeheimst. Das bedeutet bald gute Laune und neue Talerchen.

Strahlende Gesichter auch am Stand von den Grünen. Eine mutige Splittergruppe der Partei setzt sich für eine neue Drogenpolitik ein und verteilt Safer-Use Broschüre wie warme Semmeln. Cool.

Mittlerweile heizen Hippie-House der Menge ein. Auch hier ist Psy-Trance das Mittel für Bewusstseinkapriolen. Mann, hoffentlich spaltet das die Menge nicht und irgendwann kommen nur noch Goa-Fraggles aufs Hanffest. Hanf-Punk am Hafenrand, dass ist auch der Vorschlag von Sven Meyer, dem Organisator des Festes.

Es ist 20 Uhr und viele verlassen das Fest um die Tagesschau zu sehen. Ok, Irrtum, die Party geht weiter. Das bunte Völkchen ist inzwischen bei bester Polit-Laune und man sieht ihnen die fortgeschrittene Agitation für ihre Rechte an. Mann, denn trotz aller Harmonie hat das Fest einen ernsten Hintergrund über den man durchaus schwadronieren sollte: Es ist, jawohl, Symbol des Widerstands gegen eine Drogenpolitik, die ihre Zielgruppe zu unmündigen und kranken Menschen macht. Selbst wenn man den Damen und Herren in Berlin und Bonn keine böse Absicht unterstellt – das kommt dabei hinten raus. Uncool. Nun, Mann, der bester Weg um Ärger darüber zu verdeutlichen ist in Zeiten der Spätmoderne nicht mehr der gezielte Wurf mit dem Pflasterstein, sondern die freudig-trotzige Beharrlichkeit auf Einräumung der Grundfreiheiten des Menschen. Yeah, Mann, so schwer ist das doch nun wirklich nicht.

Genug Gedanken, Mann, ich will die Ziehung der Lotto-Zahlen nicht verpassen, löse mich vom grünen Band der Sympathie und stolpere aus dem Park.

Von Jörg Auf dem Hövel

Jörg Auf dem Hövel (* 7. Dezember 1965) ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Journalist u. a. für die Telepolis, den Spiegel und Der Freitag.

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